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Die Last auf seinen Schultern

24 Wege, jemanden in den Wahnsinn zu treiben
von

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Dritter Advent: Mit den Waffen einer Frau

»Entschuldigen Sie, aber sind Sie nicht Hijikata Toushirou?«

»Hmh? Ah… Doch. Bin ich. Gibt es ein Problem?«

»Nein, nein! Ich dachte nur gerade… Ist doch immer wieder interessant, welche Leute man hier so trifft. Sonst sind es immer nur irgendwelche eingebildeten Amanto-Großmächte, und jetzt haben wir endlich auch mal eine echte Edo-Berühmtheit hier sitzen.«

»Berühmtheit…?«

»Klar, Ihr Name ist doch in der ganzen Stadt bekannt!«

»Ja, aber nur in negativen Zusammenhängen.«

»Ach, das würde ich so nicht sagen.«

»Ich schon. Und im Übrigen bin ich gebürtig nicht mal aus Edo.«

»Nicht? Oh, das wusste ich gar nicht. Darf ich fragen, wo Sie –«

»Bushuu.«

»Bushuu? Das ist auf dem Land, oder?«

»Ja, ziemlich.«

»Ich bin auch nicht aus der Stadt.«

»Aha.«

»Oh je, Ihr Tag muss furchtbar gewesen sein.«

»Hä?«

»Das merkt man Ihnen an. Sie haben ja auch einen stressigen Job. Ist heute irgendwas passiert?«

»Ich konnte den halben verfickten Tag nicht rauchen.«

»…Oh.«

»Und ich hasse – alles.«

»Alles?«

»Ja. Alles.«

»Mein Gott. Kann ich Ihnen irgendwas Gutes tun?«

»Keine Ahnung…«

»Na kommen Sie, wir fangen mal bei einem spendierten Drink an. Ich bin übrigens Zurako.«
 

Das war gestern Abend gewesen. Heute war der dritte Advent und Toushirou war tatsächlich vergleichsweise gut gelaunt.

Er hatte keinen Kater, dafür hatte er zu wenig getrunken. Toushirou achtete darauf, sich nicht hirnlos zu besaufen, aber ein bisschen Alkohol hatte einfach sein müssen, deshalb hatte er sich den ein oder anderen Drink durchaus von der netten Dame spendieren lassen.

Nachdem er sich gestern erst einmal drei neue Packungen Zigaretten gekauft und die erste davon in Rekordzeit leergeraucht hatte, hatte es ihn in eine Hotelbar verschlagen. Er war in der Laune dazu gewesen, sein Gehalt auf den Kopf zu hauen, und das hätte er wohl auch gut und gerne getan, wäre Zurako nicht gewesen. Das Hotel war ein piekfeines Sternehaus, in dem sonst eine Menge Regierungsidioten von anderen Planeten oder Amanto-Botschafter abstiegen, wenn sie hier Geschäfte zu erledigen hatten. Toushirou kannte das Hotel von manchen Treffen, bei denen die Shinsengumi Bodyguards hatte spielen müssen, und er hatte sich vage erinnern können, mal mit Matsudaira an dieser Bar gesessen und das Gesöff gelobt zu haben.

Also war er dorthin zurückgekehrt, und Zurako hatte ihn angesprochen. Und sie hatte ihm zugehört. Klar hatte er ihr nicht alles erzählt, das meiste war entweder geheim oder ging niemanden etwas an, aber Toushirou hatte sich zumindest mal über seine Kollegen auslassen können, und über Weihnachten, und über den Schnee, und über die Tatsache, dass Leben allgemein eine ziemlich beschissene Idee gewesen war, und Zurako schien das nicht verschreckt zu haben, Zurako hatte die ganze Zeit dort gesessen und genickt und gelächelt, hin und wieder etwas Beschwichtigendes gesagt und schlussendlich dafür gesorgt, dass sich ein ganzes Stück Stress von Toushirous Schultern gehoben hatte.

Immer, wenn Toushirou gesagt hatte, dass er wahrscheinlich verdient hatte, immer mal eins auf die Nase zu bekommen, hatte sie vehement den Kopf geschüttelt und gesagt, dass das bestimmt nicht die Wahrheit war. Toushirou glaubte, dass sie keine Ahnung hatte, was er alles verdient hatte, aber es war trotzdem nett gewesen, es mal zu hören. Das passierte ihm sonst nicht, und es hatte unwahrscheinlich gut getan.

Es war harmlos ausgegangen. Sie hatte ihm am Ende die Schultern massiert, angemerkt, dass sie hart wie Eisen waren, und ihm damit einen gigantischen Gefallen getan, und dann hatte sie ihm ein kleines Zimmer im Hotel organisiert (dort erst hatte Toushirou erfahren, dass sie Aushilfskraft in diesem Laden war und nur einen freien Abend hatte), damit er dort übernachten konnte. Allein, ohne sie. Wie sich das für einen Gentleman gehörte.

Am Ende hatte er im fremden Bett trotzdem nicht schlafen können und war mitten in der Nacht ins Hauptquartier zurückgekehrt, um sich in sein Futon zu schleichen.

Heute trafen sie sich zum Mittagessen, und Toushirou hatte noch immer nicht vor, sie flachzulegen, würde er wahrscheinlich auch nie tun. Tatsächlich veranstaltete er solche Geschichten extrem selten, er hatte kein sexuelles Interesse an Zurako. Es war einfach nur die Tatsache, dass ihm das Reden so gut getan hatte, die ihn dazu brachte, sich zu diesem Mittagessen blicken zu lassen.

Es war kein Date. Vielmehr war es vielleicht eine Therapiesitzung.

Er lud sie ein, bestaunte ihr schönes Kleid (und insgeheim auch ihre schönen Haare) und ließ sich an einem Zweiertisch nieder, ursprünglich, um die Karte zu studieren, aber Zurako schien andere Prioritäten zu haben.

»War dein Tag denn heute besser?«, fragte sie ohne Umschweife und klang ehrlich besorgt.

Toushirou lugte zuerst über den Rand der Karte hinweg zu ihr, dann legte er sie wieder hin und seufzte leise. »Schlechter als gestern hätte er ja kaum werden können«, sagte er und zuckte die Achseln. »Es ging bisher… Na ja, bis auf die Tatsache, dass ich mal wieder durch eine brennende Bettdecke geweckt wurde.«

Zurako machte große Augen. »Oh nein, was ist denn passiert?«

»Er hat vor zwei Wochen angekündigt, das jetzt jeden Sonntag zu machen«, brummte Toushirou. »Hat behauptet, meine Decke sei sein Adventskalender, damit er jede Woche eine neue Ecke anzünden kann…«

»Und er hat nun wirklich schon drei… dreimal deine Bettdecke angezündet? Während du drin lagst?«

»Jep.« Toushirou senkte den Blick wieder auf die Karte und konnte somit glücklicherweise nicht sehen, wie der Hauch eines schiefen Grinsens über Zurakos Gesicht huschte. »Letzte Woche ist er nicht dazu gekommen, weil mein Zimmer abgeschlossen war, dafür hat er es heute Nacht und heute früh gleich zweimal geschafft. Ich hab jetzt nur noch eine intakte Ecke in meiner Decke, und es ist scheiße unangenehm, durch diesen Brandgeruch aufzuwachen…«

»Mein Gott, du armer Kerl«, seufzte Zurako. »Glaubst du denn, er will dich… Also… Glaubst du, er will dich wirklich verletzen?«

»Klar will er das«, sagte Toushirou prompt. »Sonst würde er es wohl nicht so verzweifelt versuchen. Na ja – mich zu verletzen klappt ja hin und wieder auch ganz gut. Ich bin nicht sicher, ob er mich wirklich töten will… Aber es würde mich nicht überraschen, wenn er es irgendwann einfach tut.«

»Nein, so darfst du doch erst gar nicht denken…!«

Toushirou zuckte nur die Achseln. Wenn er ehrlich war, war es ihm vielleicht lieber, wenn Sougo ihn irgendwann mit der Bazooka erwischte, als wenn irgendein dreckiger Amanto ihm den Kopf absäbelte.
 

Toushirou war überaus dankbar für das vollkommen friedliche Mittagessen, das er mit Zurako verbringen konnte, am Ende zahlte er für sie und nahm dankend den Zettel mit einer Handynummer entgegen, bevor er ihr die Nummer seines eigenen Privathandys gab. Das hatte er bisher zwar fast nie benutzt, aber man konnte ja nie wissen. Vielleicht wurde er ja plötzlich gesprächig. Zurako hatte viel über seine Arbeit nachgefragt und Toushirou hatte wenig Lust auf Reden gehabt, aber vielleicht änderte sich das unter ihrem Einfluss ja mit der Zeit. Konnte durchaus sein.

Nein. Nein, er wollte keine Beziehung, das wollte er wirklich nicht, schon gar nicht mit irgendeiner Frau, egal wie hübsch sie war. Das lief nicht. Das wollte er nicht und das würde auch nicht passieren, aber wenn diese Zurako die Person war, bei der er endlich ein bisschen abschalten und zur Ruhe kommen konnte, dann würde er eben riskieren, dass es nach außen vielleicht so aussah.
 

Und er hatte keine Vorstellung davon, was er genau damit ins Rollen brachte.
 

Als Zurako an diesem Nachmittag wieder ging, sah Toushirou ihr lange hinterher, den Zettel mit ihrer Handynummer in der Hand, und dachte, dass sie ihn an irgendwen erinnerte.



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