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Abschied eines Waldgeistes.

Mido auf Reisen!
von

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Merle

Als ich meine Augen öffnete, hielt ich das alles für einen schlechten Traum, den ich in meinem Wahn gehabt hatte. Ich fühlte mich wie gerädert und vor allen Dingen aber so, als hätte ich eine Gedächtnislücke. Wenn das tatsächlich ein Traum war, hatte ich denn dann den ganzen Tag verschlafen? Ich blickte zum Fenster herüber – Der Morgen brach herein und überflutete das Land mit einer goldenen Wonne. Der Tau schimmerte auf den Grashalmen und ich konnte mir bis heute nicht erklären, wie er dahin kam. Eine Geschichte des Deku Baumes war gewesen, dass die Feen sie dort Nacht für Nacht anbrachten, damit wir ein schöneres Erwachen hatten. Allerdings hielt ich es nicht für glaubwürdig, denn meine Fee würde niemals etwas tun, was jemand anderem dienlich sein könnte. Außerdem war sie faul.

Aber… Tautropfen?

Ich stützte mich auf meine erbleichten, schwachen Arme und richtete mich auf, sah aus dem Fenster. Es war tatsächlich Tau. Es musste geregnet haben. Und das ganze Dörfchen war seltsam still. War es vielleicht doch kein Traum? Ich würde mir nichts anmerken lassen und mein Haus verlassen. Wenn man mich darauf ansprach, warum ich noch hier war, wusste ich, dass diese Schreckensvision der Realität entsprach. Ich schob mich auf die Bettkante, ließ die Füße baumeln und blickte mich nüchtern um. Es hatte sich nichts verändert – außer mir. Mir war kalt, meine Kleidung war feucht und klebte an mir. Noch dazu waren es nicht meine Schlafsachen. Eine stille Unruhe beschlich mich und ich stieß mich von dem Holzklotz, der sich Bett schimpfte, ab.

Ein Recken, ein Strecken, und die Wirbelsäule schob sich zu Recht.

Als ich meine Knochen wieder an den richtigen Stellen meines Körpers wahr nahm, wusch ich mir mit der Hand durch das Gesicht und fühlte mich noch müder, als zuvor. Etwas schwach auf den Beinen schlurfte ich zu meinem Kleiderschrank. Er war noch voll. So nahm ich neue Kleidung hervor und zog mich an, denn trocken zu sein gefiel mir besser. Nachdem die Morgentoilette erledigt war verließ ich das Haus und blieb im Türrahmen stehen, um mir einen Überblick zu verschaffen.

Heute wirkte alles so fremd auf mich.

Niemand war zu sehen, es war eine geräuscharme Kulisse. Nichtmal ein leises Lüftchen wehte. Die Luft stand und war schwülwarm. Das gestrige Spätsommergewitter hatte uns im Stich gelassen, denn abgekühlt hatte es sich nicht. Ich nahm einen tiefen Atemzug und schritt in Richtung meines üblichen Platzes: Dem Spross des Deku Baumes musste ich noch einen Morgengruß mitteilen. Das tat ich immer. Mühelos balancierte ich über die Steine im Bach, bevor ich durch den steinernen Gang zum Dekuspross schritt. Doch etwas hielt mich ab. Es fühlte sich an, als würde mich ein Stein am Kopf treffen. Ein summender Stein. Und nun ein schreiender Stein.
 

„Pass doch auf wo du hingehst, oder hast du Dekunüsse auf den Augen, hm?“, wurde ich angefahren, doch ich würde diese Stimme sofort erkennen. Es handelte sich dabei um meine Fee, Merle. Von Zeit zu Zeit, wenn sie in Eile war, vergaß sie manchmal, mit wem sie sprach. Zu ihrem Leidwesen, denn ich war kein netter Gesprächspartner. „Pass du doch auf! Wer von uns kann denn fliegen!? Wenn ich so klein wäre wie du, würde ich den Mund nicht so weit aufreißen!“, schnarrte ich zurück. Sie flimmerte vor Zorn. „Du bist so ein Ekelpaket! Wenn ich nur ein Kokiri wäre, dann würde ich…!“

So liefen viele Morgen bei uns ab.

Trotzdem konnte sie nicht ohne mich und ich auch – irgendwie – nicht ohne sie.

Und wie so oft fiel eine andere Stimme in unser Gefecht ein, die uns dazu veranlasste, sofort still zu schweigen und uns jedes Mal darüber zu wundern, warum er uns hören konnte. Der Dekuspross erhob die Stimme und klang ganz ruhig, aber dennoch herrisch und bestimmt.

„Beruhigt euch, ihr Beiden.“

„Natürlich, Herr.“

Wir sprachen gleichzeitig und schwiegen auch unisono, als er seinen Satz fortsetzte.

„Mido, wieso bist du hier?“

„Ich bin jeden Morgen hier… Das ist meine Aufgabe…“, erwiderte ich etwas verwirrt und runzelte die Stirn. Merle surrte zustimmend. Immerhin sagte sie einmal etwas nicht komplett Dämliches!

„Nein, das ist es nicht.“
 

Seine Worte machten mich noch verwirrter, doch im selben Atemzug erklärte er, warum es nicht mehr zu meinen Aufgaben gehörte, ihn zu bewachen. Oder überhaupt mich um meinen Stamm zu kümmern. Mich traf der Schlag und ich musste mich unweigerlich setzen.

„Es ist nicht mehr deine Aufgabe. Ich bat Salia, mit dir zu reden. Du musst das Dorf verlassen, Mido. Wir können dich nicht länger hier behalten. Es tut mir Leid, es dir so mitteilen zu müssen.“

Ich verbarg mein fahl gewordenes Gesicht in meinen Händen, rang nach dem letzten bisschen Selbstbeherrschung in mir. Warum tat man mir das an? Warum wollten alle davon wissen, außer mir? Hatte Merle es gewusst? Ich hatte sie nicht für so gefühlskalt gehalten… Ich atmete tief ein.

„Warum?“, brachte ich mit zitternder Stimme hervor.

„Du gehörst nicht zu uns…“

Ich gehörte nicht dazu?

Nur schwammig sah ich meine Hülle vor mir, meinen Körper der sich erhob, hinaufschoss in den Stand und hörte meine schreiende, aufgebrachte Stimme, die sich das erste Mal gegen den richtete, der uns erlaubte, zu leben. So sehr ich auch mein Leben wertschätzte – In diesem Moment war es, als würde man es mir nehmen.

„Ich gehöre nicht dazu?! Ich habe mich mein ganzes Leben lang um diesen Stamm gekümmert! Und um dich auch! Ich bin ein Eins-A-Kokiri, mich könnte man präsentieren! Ich habe alles für euch gegeben! Ich habe jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde für euch geopfert und ihr dankt es mir so!? Wieso?!“

Immer mehr hörte ich, wie aus meiner zitternden Stimme ein Schreiweinen wurde.

Warme, salzige Tränen flossen über meine Wangen und ich schämte mich schon jetzt dafür.

„Ihr seid mein Leben!“, krächzte ich, bevor ich mich Merle zuwandte. „Wusstest du es auch!? Ihr alle wusstet es! Warum hast du mich belogen? Wolltet ihr mich schon von Anfang an loswerden?“

Meine Fee sank zu Boden, sah schwach und zerbrechlich aus.

„Aber… Mido… Du kannst nicht gehen…“, wisperte sie und flog schwankend hinauf, gegen meinen Torso und hielt sich dort fest. Sie schien keine Kraft mehr zu haben. Auch sie hatte nicht davon gewusst. Ich hob die Hände, hielt sie darin.

„Du wusstest nichts davon?“

„Nein…“, gestand sie mir. „Aber… Wenn du gehst, was wird dann aus mir?“

Ich wusste nicht warum, aber ausnahmsweise schien ich mir um Merle mehr Gedanken zu machen, als um mich. Ich faltete die Hände und blickte den Dekuspross feindselig an, schnaubte und baute mich auf. „Weißt du eigentlich, was du uns damit antust? Du kannst uns nicht trennen! Wir gehören zusammen!“

Seine nächsten Worte trafen mich noch tiefer.

„Nein, eigentlich nicht. Sie gehört nicht zu dir. Du bist keiner von uns. Du bist kein Kokiri.“
 

Kein Kokiri?

Ich öffnete die Hände und sah zu dem kleinen Geschöpf, das dort in meiner Hand lag, und mich schon mein ganzes Leben lang, seit ich denken konnte, begleitete. Kläglich zitterte sie. Wir kannten uns schon so lange. Ich war der Anführer der Kokiri geworden und sie hatte mich dabei begleitet. Jeden Tag und jede Nacht. Wir hatten alles zusammen durchgestanden.

Jeder Kokiri bekam eine Fee.

Wenn ich keiner war – Warum hatte ich sie dann? Und vor allem: Was war ich?



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