Zum Inhalt der Seite

Fullmetal Alchemist - Was danach geschah

Was hätte passieren können...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

DIE GANZ NORMALE ROUTINE DER BESTEN SOLDATEN EAST CITYS

DIE GANZ NORMALE ROUTINE DER BESTEN SOLDATEN EAST CITYS
 

Generalmajor Roy Mustang wachte davon auf, dass jemand durch sein Haus ging. Er zog seinen Morgenmantel über und überlegte, ob er einen seiner Handschuhe überziehen sollte, dann entschied er sich jedoch dagegen und ging den Geräuschen nach. Es klang so, als würden sie aus dem Teil des Hauses kommen, in dem Hawkeye wohnte – und sie war für ihren leichten Schlaf bekannt. Wenn er davon aufgewacht war, würde sie es mit Sicherheit auch schon gehört haben. Es sei denn, man hatte sie ausgeschaltet. Aber sie war noch immer an den Befehl gebunden, nicht zu sterben. Sie musste also am Leben sein.

Er schlich durch die leeren Flure des großen Hauses, bis er vor ihrer Schlafzimmertür stand. Die Geräusche schienen von hier zu kommen. Er war sich sicher, gehört zu haben, dass etwas gefallen war. Aber würde sie es nicht komisch finden, wenn er mitten in der Nacht in ihr Schlafzimmer platzen würde? Würde sie sich nicht darüber ärgern? Er war nie in ihren Räumlichkeiten gewesen, um ihr ein bisschen Privatsphäre zu lassen. Aber er hatte sein warmes Bett verlassen, um sich nach dem Grund für die Geräusche umzusehen und es war ja noch immer die Frage, weshalb sie überhaupt wach war.

Er straffte sich und klopfte vorsichtig gegen die Tür. „Riza, bist du wach?“, fragte er.

Die Tür wurde geöffnet und sie stand ihm direkt gegenüber. „Es ist mitten in der Nacht, Sir, und Sie sollten eigentlich schlafen, damit Sie morgen Ihr Bestes geben können“, sagte die Blonde deutlich, aber er hörte die Müdigkeit in ihrer Stimme.

„Ich überhöre den ‚Sir’ jetzt ausnahmsweise mal, aber du solltest selbst schlafen.“ Mustang sah sie an. „Wieso bist du überhaupt wach? Es ist – wie du gesagt hast – mitten in der Nacht. Du musst auf deine Gesundheit aufpassen, Riza. Denn wenn du nicht auf dich selbst aufpasst, können wir auch nicht auf dich aufpassen.“

„Großvater hat mich eben angerufen, weil er nicht schlafen konnte“, sagte sie. „Und ich kann nicht mehr einschlafen, wenn ich einmal wach bin. Ich wollte Hayate ausführen und dann wollte ich ins Büro fahren.“

„Wartest du auf mich?“, fragte er. „Ich lasse dich nicht alleine durch East City irren. Du solltest deine eigene Sicherheit wenigstens hin und wieder etwas mehr schätzen.“

„Ja“, sagte sie nur und nickte. „Ich will in einer halben Stunde aufbrechen. Bis dahin können Sie entscheiden, ob Sie wirklich schon so früh ins Büro gehen wollen.“

„Wie gesagt, ich lasse dich nicht alleine zum Hauptquartier fahren“, sagte er. „Du gehst mit Hayate raus, ich mache solange schon mal das Frühstück. Ich verspreche dir sogar, das Essen nicht anbrennen zu lassen.“

Sie nickte und nahm ihren Hund an die Leine, bevor er den Raum verließ und sie ihm mit ein wenig Abstand folgte, bevor sie durch die Gartentür verschwand. Er war kein guter Koch, das gab er zu. Aber bisher hatte sie – entgegen ihrer halb scherzhaften, halb ernstgemeinten Vermutungen – noch keine Lebensmittelvergiftung von seinem Essen bekommen. Sie aß sein Essen sogar widerstandslos, was er ihr hoch anrechnete. Und sie war ebenfalls keine besonders gute Köchin, was daran lag, dass Riza Hawkeye keine Hausfrau war. Sie war Soldatin. Außerdem hatte sie – was er wusste – ihre Mutter sehr früh verloren und deswegen hatte sie niemanden gehabt, der ihr hätte zeigen können, wie man kochte. Alles, was sie darüber wusste, hatte sie sich in den letzten Jahren selbst beigebracht. Sie hatte sich alles selbst beigebracht. Manchmal fragte er sich, weshalb sie seine Hilfe nie gewollt hatte, wieso sie immer versucht hatte, alleine zurechtzukommen. Sie hatte ihren Stolz und ihre Dickköpfigkeit von ihrem Großvater geerbt, entschied er, während er Kaffee aufsetzte. Früher hatte sie immer Tee getrunken, aber seitdem sie Bradleys Geisel gewesen war, musste es Kaffee sein. Er hatte nie nach dem Grund für diesen Bewusstseinswandel gefragt, aber sie musste einen Grund dafür haben. Während der Kaffee lief, bereitete er das Frühstück vor.

Als sie hereinkam, trug sie Uniform und ihre Haare fielen offen auf ihren Rücken. „Die Haarspange ist zerbrochen“, sagte sie erklärend und drehte die Brotscheiben um, die er in die Pfanne geschmissen hatte. „Deswegen muss ich sie heute offenlassen.“

„Sieht aber gut aus“, sagte er geistesabwesend, bevor er sich wirklich zu ihr umdrehte und sie anstrahlte. „Was hältst du eigentlich davon, wenn wir einen Kochkurs machen? Weißt du noch, dass wir Hughes und Gracia einen zur Hochzeit geschenkt haben, weil sie etwas ‚Praktisches’ haben wollten? Er hat gesagt, dass sie eine Menge Spaß hatten…“

„Normalerweise nehmen nur Pärchen zusammen an Kochkursen teil“, sagte Hawkeye, während sie auch den Rest des Frühstücks rettete. Sie wusste, dass es im Hauptquartier noch immer Gerüchte über die Natur ihrer Beziehung zu ihrem Vorgesetzten gab, was nach ihrer letzten – und selbst für sie – überraschenden Beförderung sogar noch weiter zugenommen hatte. Aber wer sie kannte, wer sie wirklich kannte, wusste, dass sie nur wegen ihren Fähigkeiten so weit gekommen war.

„Wir leben unter einem Dach, Riza“, sagte Mustang. „Das ist praktisch verheiratet. Und es würde ein bisschen mehr Abwechslung auf den Speiseplan bringen…“
 

Oberst Alex Louis Armstrong stand immer sehr früh auf – besonders, wenn er Besuch hatte. In seiner Familie war es Tradition, alle Gäste mit ausgesuchter Höflichkeit zu behandeln und auch wenn seine älteste Schwester nicht viel von dieser Tradition hielt, war es ihm eine willkommene Ausrede, noch mehr er selbst zu sein als üblich. Er ging in die Küche, wo die Ehefrau seines Kumpels schon am Herd stand und Frühstück machte.

„Guten Morgen, Alex“, sagte Izumi freundlich und sah über ihre Schulter. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Ich frage mich, warum man ausgerechnet dir Caroline überlassen hat. Wieso kümmern sich nicht Mustang und Hawkeye darum? Die beiden wären mit Sicherheit wunderbare Eltern für das Mädchen…“

„Mustang und Hawkeye sind diejenigen, die am meisten arbeiten“, erwiderte der fast kahlköpfige Mann und seufzte. „Und Oberst Hawkeye ist nett und alles, wenn man sie näher kennenlernt, aber sie ist nicht der mütterliche Typ. Außerdem ist sie mit Mustang schon genug beschäftigt. Sie ist immerhin seine persönliche Assistentin.“

„Ich weiß, dass man dir diese Frage sicherlich schon tausendmal gestellt hat, aber … sind die beiden eigentlich zusammen?“, fragte die Frau, während sie den Speck in der Pfanne wendete. „Manchmal, wenn sie sich ansehen, gewinnt man den Eindruck…“

„Sie ist nicht genau der Frauentyp, für den Mustang sich normalerweise interessiert“, sagte der Oberst zögernd. „Normalerweise findet er eher Gefallen an hübschen, aber eher dummen Mädchen. Und sie ist alles andere als dumm. Um genau zu sein, würde ich sie als wesentlich intelligenter als ihn einordnen.“ Er hielt sich einen Finger an die Lippen. „Das muss natürlich unter uns bleiben. Ich will nicht gegrillt werden.“

„Mustang ist ein ganz schön komischer Vogel“, meinte Izumi, während sie zwei Teller aus dem Schrank nahm und das Essen darauf lud. „Sicherlich ein guter Alchemist, aber ein wenig zu … hitzköpfig. Vermutlich sind ihm die Flammen schon zu Kopf gestiegen.“

Armstrong schmunzelte, dann legte er die Stirn in Falten. „Er ist zu jung, um diese Art der Alchemie selbst entwickelt zu haben“, sagte er langsam. „So eine umwerfende Forschungsarbeit nimmt mit Sicherheit viele Jahre in Anspruch…“

„Er muss also die Unterlagen von einem anderen Alchemisten bekommen haben“, sagte Izumi, während sie sich gegen die Küchentheke lehnte. „Von irgendwem, der sein Leben dieser Alchemie gewidmet hat.“

„Du bist die freie Alchemistin, du musst wissen, wer so etwas getan hat“, sagte Armstrong und massierte sich die Schläfen. „Ich will ihn nicht danach fragen, weil es so selten ist, dass man ihn ohne Hawkeye erwischt. Und wenn er irgendetwas über Flammenalchemie sagt, guckt sie immer ganz komisch.“

„Sie ist für seine Sicherheit verantwortlich, Alex.“

„Als wir in Ishbal waren, gab es einmal einen Unfall“, sagte der Staatsalchemist. „Er hat die Windrichtung nicht beachtet und deswegen hätte er sie fast in Brand gesteckt. Sie hat großes Glück gehabt, dass er es rechtzeitig bemerkt hat und die Flammen abgelenkt hat. So ist nur der Saum ihres Mantels ein bisschen angekokelt gewesen.“

„Er liebt sie.“ Izumis Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie davon felsenfest überzeugt war. „Was immer auch passieren mag, ihre Schicksale sind eng miteinander verflochten. Ich weiß nicht, wie es in der Vergangenheit war, aber in der Gegenwart und in der Zukunft werden sie zusammen gehen müssen. Sie haben keine andere Wahl. Sie sind nicht in der Lage, das zu ändern, was ihnen vorbestimmt war.“

„Ich wünschte wirklich, dass du Recht hättest“, sagte Armstrong leise, „aber sie ist so reserviert. Selbst damals, als ich Major und sie Oberleutnant war, stand ich immer sofort stramm, wenn sie einen Raum betreten hat. Sie ist so pflichtbewusst. Ich habe mich all die Jahre über gefragt, ob es nicht unfair war. Sie hätte den Rang eines Majors viel mehr verdient gehabt als ich, aber sie wollte nicht.“
 

Leutnant Heymans Breda drehte sich noch einmal um. Gestern Abend war es wieder sehr spät geworden. Fuery und Sheska waren zwar schon sehr früh gegangen, aber Havoc und Rebecca waren wesentlich länger geblieben. Breda sah auf seinen Wecker. Es war noch früh, aber er konnte nicht weiterschlafen, sobald er einmal aufgewacht war – und zu seinem Pech war er jetzt wach. Aber es war egal. Er würde jetzt aufstehen und vor Dienstbeginn noch einen kleinen Spaziergang machen.

Zwanzig Minuten später ging er alleine durch die dunkle Stadt, bis er zum Hauptquartier kam. Er ging den Zaun entlang, als der Wagen des Generalmajors plötzlich an ihm vorbeifuhr und auf dem Parkplatz anhielt. Der Leutnant blieb im Schatten stehen und die rechte Augenbraue wanderte langsam nach oben, als der Vorgesetzte und seine Assistentin aus dem Wagen stiegen. Natürlich war es irgendwo schon komisch, dass die beiden jetzt in einem Haus wohnten, aber vielleicht hieß das, dass diese verdammte Spannung zwischen den beiden, die schon in der Luft hing, seitdem Breda sie kannte, endlich verschwinden würde. Für den Leutnant war es offensichtlich: Mustang wollte Hawkeye – und es würde den Rothaarigen sehr überraschen, wenn das nicht auf Gegenseitigkeit beruhen würde.

Mustang rieb sich die Augen, während er Hawkeye die Wagentür öffnete. „Ich bin so müde, Riza“, jammerte er. „Wieso musstest du nur so früh aufstehen?“

„Ich hatte einen wichtigen Anruf zu beantworten“, sagte die Blonde, während sie ihren Mantel enger um ihre Schultern zog. „Und ich wollte Sie nicht wecken.“

„Riza, entspann dich mal ein bisschen“, sagte Mustang und legte einen Arm um ihre Schultern. „Es ist doch nicht so, als ob du vor irgendetwas Angst haben musst. Wir werden alles schaffen. Wir haben immer alles geschafft. So, ich bin nur gespannt, wie die anderen gucken werden, wenn ich schon so früh im Büro bin…“

„Sie legen sich gleich am besten ein bisschen hin“, sagte Hawkeye, während sie auf den Haupteingang zustrebte. „Es wäre schlecht, wenn Sie bei der Arbeit einschlafen würden.“

„Nein, wenn ich schon einmal hier bin, kann ich auch arbeiten“, sagte er und runzelte die Stirn, als sie ihre Hand an sein Gesicht hielt. „Was wird das?“, fragte er.

„Ich mache mir gerade Sorgen um Ihren Gesundheitszustand, Sir“, sagte sie zerstreut, während sie die Hand wieder zurückziehen wollte. „Sie wollen freiwillig arbeiten? Das macht mir ein bisschen Angst…“

Er hielt ihre Hand fest. „War da gerade etwa wieder das böse Wort?“, fragte er.

„Sie wissen genau, dass ich eigentlich an gewisse Befehle gebunden bin, Generalmajor Mustang“, sagte sie. „Nehmen Sie es bitte nicht persönlich. Großvater kriegt auch immer die Krise, wenn ich ihn ‚Sir’ nenne.“

„Riza, wir sind deine Familie“, seufzte Mustang. „Ich kann verstehen, dass du Olivier mit ‚Madam’ anredest. Das würde ich auch tun, wenn ich nicht so viel Spaß daran hätte, sie zu ärgern. Aber mich musst du wirklich nicht ‚Sir’ nennen. Ich komme mir dann so unglaublich alt vor. Und ich bin nicht alt.“

„Verglichen mit mir schon“, sagte sie trocken. „Wie alt wirst du dieses Jahr? Achtundzwanzig? Das heißt, du solltest langsam mal darüber nachdenken, sesshaft zu werden. Ich bin mir sicher, dass Hughes sich darüber auch freuen würde – wo immer er jetzt auch sein mag.“

„Du schaffst es immer, mich in die Verzweiflung zu treiben, Riza.“
 

Oberleutnant Vato Falman war zu seiner Zeit auf der Militärakademie einer der besten Läufer gewesen und manchmal stand er auch jetzt noch frühmorgens auf, um vor der Arbeit noch eine Runde zu drehen. Und da Falman im Radio gehört hatte, dass es heute sehr früh schon sehr heiß sein würde, hatte er spontan entschieden, schon um sechs Uhr aus dem Haus zu gehen, um eine Runde zu laufen. Er war noch immer ein guter und vor allem ausdauernder Läufer, auch wenn er nicht mehr so oft lief, wie er eigentlich laufen wollte. Aber das spielte auch keine wirkliche Rolle. Er war nicht Havoc, er rauchte nicht. Er war auch nicht Breda, er ernährte sich gesund. Falman hatte eine gute Einstellung zu seinem Körper und deswegen kümmerte er sich darum, dass sein Körper auch gut in Schuss blieb.

Er zog seine Sportklamotten an und band die Schnürsenkel seiner Laufschuhe zu, bevor er sich auf den Weg machte. Er hatte nie ein Ziel vor Augen. Er würde vermutlich eine Runde um das Hauptquartier drehen, bevor er dort duschen würde, um danach direkt an die Arbeit zu gehen. Er schloss die Haustür ab und steckte seine Schlüssel in seine Jackentasche, bevor er gemütlich loslief. Die Straßen waren leer und sie blieben es auch, bis er zum Hauptquartier kam und ein bisschen überrascht war, als er Mustangs Wagen auf dem Parkplatz sah. Er seufzte und lief schneller, bis er plötzlich Bredas aufgeregte Stimme hörte: „He, Falman! Du glaubst gar nicht, was ich gerade gesehen habe!“

Falman drosselte seinen Schritt. „Der Chef arbeitet schon, ich hab seinen Wagen auch auf dem Parkplatz gesehen, als ich vorbeigekommen bin“, sagte er desinteressiert. „Und ich schätze, dass Ladyhawk auch mit von der Partie sein dürfte.“

„Er hat sie geküsst“, sagte der Leutnant nüchtern.

Der ältere Soldat kam aus dem Schritt und blieb doch stehen. „Du machst Witze“, sagte er dann hoffnungsvoll. Er wollte nicht mal daran denken, wie es wäre, wenn Mustang und Hawkeye wirklich ein Paar wären. Das wäre … komisch.

„Nein.“ Breda kam aus den Schatten und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie sind zusammen mit dem Auto hergekommen und als sie auf der Treppe waren, ist er auf einmal plötzlich stehengeblieben und hat sie … geküsst.“

Der Oberleutnant massierte sich die Schläfen. „Das macht alles viel, viel komplizierter“, sagte er seufzend. „Hawkeye ist eine Sklaventreiberin, das wissen wir alle, und wir wissen auch, dass der Chef bodenlos faul ist…“

„Du musst zugeben, dass es besser geworden ist“, sagte Breda.

„Es geht nicht darum, ob es besser oder schlechter geworden ist“, sagte Falman. „Ich kann nur gut auf die Diskussionen der beiden darüber verzichten, wer jetzt damit an der Reihe ist, die Wocheneinkäufe zu erledigen. Wir betreten ein Schlachtfeld, Breda.“

„Und was sollen wir machen?“, fragte der jüngere Offizier.

„Zunächst sollten wir sie daran erinnern, dass sie sich in einem öffentlichen Gebäude befinden. Ich gehe duschen. Du gehst solange schon mal hoch. Je früher wir damit anfangen, die beiden Turteltäubchen zu bändigen, desto besser.“
 

Oberst Riza Hawkeye war unterdessen nicht untätig. Sie hatte bereits Kaffee gekocht und die Dokumente geholt, die der Generalmajor brauchte. Ihr machte Schlafmangel nichts aus, aber sie wusste, dass ihr Vorgesetzter eine Menge Koffein brauchen würde, um nicht über seinen Akten einzuschlafen.

Black Hayate klebte an ihren Fersen, als sie durchs Büro wanderte, während sie auf die Rückkehr ihres Vorgesetzten wartete, der zum Snackspender gegangen war, weil das zurzeit der einzige Ort im Gebäude war, um an eine Packung Schokolade zu kommen, nachdem Hawkeye sich geweigert hatte, ihn Rebeccas Schreibtisch aufbrechen zu lassen, obwohl allgemein bekannt war, dass dort Schokolade lauerte.

Plötzlich wandte sich Black Hayate der Tür zu und bellte leise. Hawkeye sah über ihre Schulter und war milde überrascht, als es nicht ihr Vorgesetzter, sondern Breda war.

„Hallo“, sagte sie, während sie Hayate zurückpfiff. Bredas vollkommen unbegründete Angst vor Hunden war ihr durchaus bekannt und sie wollte ihren Ruf als unerträgliche Kollegin nicht noch weiter zementieren. Es war schlimm genug, wie es war.

„Du musst das nicht immer machen“, sagte Breda, während er zu seinem Schreibtisch ging. „Das weißt du auch selbst. Das hier ist nur Hayate.“

„Er ist ein Hund“, sagte Hawkeye nüchtern und hob langsam eine Augenbraue.

„Und er ist ein Kamerad“, erwiderte der Mann. „Ich will ihn nicht gerade streicheln, aber es macht mir nichts mehr aus, wenn er in meiner Nähe ist. Ich meine, nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben, ist es nur billig, wenn ich meinen Frieden mit ihm schließe. Immerhin haben wir Seite an Seite gegen Bradley gekämpft.“

„Und was ist mit Schneewittchen?“, fragte Hawkeye, während sie ihren Hund hinter den Ohren kraulte. „Kommst du mit ihr auch zurecht oder bleibt Hayate die Ausnahme?“

„Schneewittchen ist Schneewittchen“, sagte Breda. „Sie ist eigentlich eine Katze, die im Körper eines Hundes feststeckt. Deswegen komme ich mit ihr klar.“

„Es tut mir leid, falls ich eure Unterhaltung störe“, sagte Mustang ruhig, „aber ich würde schon gerne wissen, wieso du schon so früh hier im Büro bist, Breda. Ich dachte, du hättest gestern noch Besuch gehabt…“

„Schwer zu erklären“, sagte der Mann. „Ich und Falman sind hier, weil … wir beide nicht schlafen konnten. Und bevor wir uns zuhause langweilen, arbeiten wir hier.“

„Eine wunderbare Einstellung“, sagte Hawkeye nüchtern.
 

Oberleutnant Maria Ross wachte immer vor ihrem Partner Sergeant Denny Brosh auf. Sie teilten sich eine Wohnung, weil sie einander immer gemocht hatten – das war die offizielle Erklärung. Es hatte Oberst Hawkeye allerdings nur zwei Minuten gekostet, um die Wahrheit darüber zu erraten. Dem Falkenauge entging nichts und Ross wusste, dass sie die Frau möglicherweise beleidigt hatte, als sie versucht hatte, es vor ihr zu verbergen. Es war ihre gute Laune, wann immer Brosh in den Raum kam. Ein normaler Soldat hätte keinen Zusammenhang gesehen und hätte es einfach nur der Freundschaft der beiden zugeschrieben, aber wann war das Falkenauge jemals ein normaler Mensch gewesen? Hawkeye schien alles zu wissen, was im Eastern Hauptquartier vorging – und das war auch der Grund, weshalb sie immer sofort Verstärkung bekam, wenn sie darum bat. Sie wusste mehr über die anderen Soldaten als ihr Vorgesetzter. Sie kannte so gut wie alle Geheimnisse – und sie schwieg darüber, was sie so beliebt machte. Sie hatte einmal gesehen, wie Brosh Ross in der Kantine einen kleinen Zettel zugesteckt hatte – und seitdem wusste sie Bescheid.

Ross fand das unheimlich, aber eine Kameradin wie Hawkeye hatte Vorteile. Sie gehörte zur oberen Befehlskette und wenn sie einen Befehl gab, war der Befehl absolut angemessen und passte zur Situation. Ross dachte darüber nach, während sie duschte, bevor sie ihre Uniform anzog und Brötchen holen ging. Als sie zurück war, saß Brosh bereits in Uniform am gedeckten Tisch und vor ihm standen zwei dampfende Kaffeetassen.

„Guten Morgen, Schönste“, sagte er und reichte ihr eine Tasse. „Gut geschlafen?“

Sie nickte. „Und selbst?“, fragte sie und fragte sich, ob die anderen Offiziere, die man nach dem Versprochenen Tag von Central nach East City versetzt hatte, auch einen so routinierten Ablauf hatten. Sie bezweifelte es.
 

Was Havoc am meisten an seiner Freundin mochte war, dass sie so unkompliziert war. Sie war niemand, der immer im Mittelpunkt stehen wollte. Und am meisten mochte er es, wenn er es schaffte, sie aus der Fassung zu bringen. Wenn sie wütend wurde und ihm den Rücken zerkratzte. Wenn sie die Nerven und damit die Zurückhaltung verlor. Wenn sie aggressiv wurde und mit dem Gang der Unbesiegbaren auf ihn zuschritt, um ihm die Lippe blutig zu beißen. Das fand er am besten. Er liebte es, wenn sie wütend war.

„Willst du Kaffee, Becca?“, fragte er und grinste.

„Gerne“, sagte sie arglos und nahm den Becher entgegen.

„Weißt du, ich sollte wirklich damit aufhören“, sagte er langsam und blieb an der Küchentheke stehen. Sie waren gerade beim Frühstück und Rebecca war als echter Morgenmuffel noch nicht so ganz auf der Höhe.

„Womit?“, fragte sie träge und trank den ersten Schluck.

„Damit, dich zu lieben. Irgendwann bringt es mich noch um.“

„Es gibt schlechtere Arten zu sterben, als aufgrund eines Übermaßes an Liebe ins Gras zu beißen.“ Rebecca grinste, als ihre Müdigkeit verflog.

„Ist das alles, was du mir zu sagen hast, Babe?“ Er lehnte sich zurück und wartete darauf, dass der Sturm losbrechen würde. Rebecca hasste es, wenn er sie ‚Babe’ nannte, weil ihr Vater sie als Kind immer so genannt hatte, und deswegen war ihre Reaktion auf den Kosenamen auch jedes Mal so heftig. Sie stellte ihre Kaffeetasse mit einem leisen Knall auf dem Küchentisch ab und schob ihren Stuhl scharrend zurück, bevor sie aufstand und auf ihn zuging. Ihre rechte Hand krallte sich in seinen hellen Haaren fest und sie zog seinen Kopf mit einem Ruck nach unten, dann biss sie zu. Rebecca war nicht wirklich gewalttätig – jedenfalls nicht gewalttätiger als andere Frauen, aber sie hasste es einfach, wenn Havoc sie ‚Babe’ nannte. Das Kosewort erinnerte sie zu sehr an ihren Vater und sie hasste ihn inzwischen schon seit so langer Zeit, dass sie sich hin und wieder nicht mehr an den Grund dafür erinnerte. Aber irgendwann fiel es ihr immer wieder ein. Ausschlaggebend war ein Ereignis in Rebeccas Kindheit gewesen: Der Tod ihrer Mutter. Sie war gestorben, als Rebecca gerade sechs Jahre alt gewesen war – und ihr Vater war nicht da gewesen. Er war nicht einmal zur Beerdigung seiner Frau nach Hause gekommen, obwohl sein Vorgesetzter es ihm angeboten hatte. Deswegen hasste Rebecca ihren Vater. Sie war bei ihrem Großvater, einem alten Freund von Grumman, aufgewachsen und um seinetwegen war sie selbst zur Armee gegangen. Viele dachten, es hätte mit ihrem Vater zu tun, aber das war ein klarer Fall von Denkste, Puppe. Tatsächlich wäre es Rebecca tausendmal lieber, wenn ihr Vater nicht auch Soldat wäre, weil man sie dann nicht so oft fragen würde, ob sie mit Major Catalina verwandt war.

Havoc war nicht überrascht, als dieser erste Biss nicht der letzte blieb.
 

Ein anderes junges Paar ließ seinen Morgen deutlich ruhiger angehen. Leutnant Kain Fuery stand vor Sheska auf, damit er Schneewittchen vor dem Frühstück noch ausführen konnte. Sobald er zurück war, stand das Frühstück schon auf dem Tisch und sie war schon in Uniform. Er fand, dass sie in ihrer Uniform besonders jung aussah.

„Was hast du heute zu tun?“, fragte sie, während sie Kaffee in zwei Tassen goss.

„Havoc hat gestern das Radio im Büro kaputtgemacht. Ich schätze, dass Falman mir keine Ruhe lassen wird, bis ich es repariert habe“, erwiderte er, während er die Zeitung, die er geholt hatte, auf den Tisch legte. „Aber das müsste zu schaffen sein. Was hast du heute zu tun? Wenn du die reguläre Mittagspause nimmst, könnten wir essen gehen.“

„Ich muss die Akte von Oberstleutnant Force abschreiben und dann hat mir der Generalmajor den Auftrag gegeben, die alten Akten zu durchwühlen, um einen Grund zu finden, weshalb er Leutnant Heller loswerden kann“, sagte seine Freundin und nahm sich eine halbe Scheibe Vollkornbrot. „Ich glaube, Heller hat den Bogen überspannt, als er Hawkeye vor Mustang um eine Verabredung gebeten hat“, ergänzte sie trocken.

„Augenbrauen wachsen nach, Liebling, mach dir deswegen keine Sorgen“, sagte Fuery beruhigend. „Außerdem ist allgemein bekannt, dass Hawkeye irgendwie zu Mustang gehört. Sie vor seinen Augen nach einer Verabredung zu fragen, war dumm.“

„Du warst gar nicht überrascht…“ Sheska putzte ihre Brille. „Kommt es häufiger vor, dass er so wütend wird, wenn jemand sie anspricht?“

„In Central hat er einmal einen Mann zum Boden schrubben verdonnert, als er es getan hat. Dass Hellers Augenbrauen dran glauben mussten, lag eher daran, dass Mustang ihn schon vorher nicht abkonnte und froh war, als Heller ihm den Grund geliefert hat“, sagte der Leutnant trocken. „Nachdem Rebecca ihm die Nase gebrochen hat, war es zwar leise um Heller geworden, aber er sucht den Streit regelrecht.“

„Wie lange wird Mustang noch brauchen, um ihn loszuwerden?“, fragte sie. „Ich habe seine Akte schon gestern unter die Lupe genommen, aber ich finde nichts. Er hat eine fast makellose Vergangenheit. Nichts, was man ihm anlasten könnte…“

„Hast du mal die Zeitungsarchive des Militärs durchwühlt?“, fragte er.

„Dazu fehlen mir die Berechtigungen“, sagte sie seufzend. „Wenn man da einen Blick hineinwerfen will, muss man mindestens Leutnant sein … und davon bin ich weit entfernt. Du könntest dich da mal umsehen…“

„Ich kann mal gucken, ob Mustang dir eine Sondergenehmigung erteilen kann“, sagte Fuery. „Du suchst schließlich für ihn…“

Sie zuckte nur mit den Schultern und vertiefte sich in die Zeitung. Er nahm sich einen anderen Teil der Zeitung und begann seine Lektüre. Sie lasen jeden Morgen zusammen die Zeitung, bevor sie um halb neun gemeinsam das Haus verließen, um zur Arbeit zu gehen – und so war es auch an diesem ganz gewöhnlichen Tag. Fuery lieferte Sheska beim Militärgericht ab, bevor er sie kurz küsste und gleichzeitig mit Havoc und Rebecca ins Büro kam. Mustang und Hawkeye waren schon da und arbeiteten fleißig.

„Was ist denn mit dir passiert, Catalina?“, fragte Mustang amüsiert, als er kurz von den Dokumenten, die er zu unterzeichnen hatte, aufblickte. Vor ihm lag bereits ein beträchtlicher Stapel bearbeiteter Akten.

Sie sah von ihren eigenen Dokumenten auf. „Ich kann dir nicht folgen“, sagte sie ruhig, während sie ihre Haare neu zusammenband. Obwohl es für einen Augustmorgen schon jetzt ausgesprochen warm war, trug sie ihre weiße Bluse ungewohnt hochgeschlossen und Mustang sah gut genug, um zu bemerken, dass Oberleutnant Havoc eine blutige Lippe hatte, auch wenn er es vermied, seinen Mund zu zeigen.

„Du hast einen Kratzer am Kiefer, Becca“, sagte Hawkeye sachlich, während sie Mustang einen neuen Stoß Akten gab. Die beiden verhielten sich so professionell wie immer. Dann sah die Blonde auf und grinste Havoc an. „Was ist mit dir passiert, Havoc?“, fragte sie mit Unschuldsmiene.

„Ich bin im Dunkeln gestolpert und habe mir auf die Lippe gebissen“, behauptete er.

„Sicher…“, sagte Mustang gedehnt. „Und was ist mit Catalina passiert?“

„Ich habe mir heute Morgen in der Eile meine Bürste ins Gesicht geschlagen“, sagte sie, ohne aufzuschauen. Hawkeye entwich ein leises Kichern, bevor sie sich wieder in den Griff bekam. Mustang hob vielsagend eine Augenbraue und las dann aufmerksam eine Akte. Hawkeyes Stift flog so exakt und schnell wie immer über ihr Papier und auch Mustang arbeitete brav. Es war noch früh am Tag und Mustang arbeitete? Verdächtig. Normalerweise trödelte er immer herum, bis er feststellte (oder daran erinnert wurde), dass er sich kurz vor der Deadline befand, um dann in einem bemerkenswerten Kraftakt (und Hilfe von Hawkeye) alles irgendwie noch innerhalb der Frist erledigte. Aber heute murrte er nicht. Er verkündete auch nicht lautstark, dass sie eine Sklaventreiberin wäre und dass kein anderer Offizier so viel arbeiten musste. Er arbeitete. Und auch seine Assistentin schien davon – milde gesagt – überrascht zu sein und die Abstände, in denen sie aufsah, um zu überprüfen, immer länger wurden, bis sie irgendwann gar nicht mehr von ihrer eigenen Arbeit aufschaute. Es war ein sehr produktiver Vormittag und weil alle Mustangs Beispiel nacheiferten, waren sie noch vor der Mittagspause mit dem Großteil der Arbeit fertig.

„Geht doch“, sagte Hawkeye zufrieden und verließ den Raum, um alles auszuliefern.

„Karten auf den Tisch“, sagte Havoc kopfschüttelnd. „Was ist mit dir los?“

„Was sollte mit mir sein?“, fragte Mustang und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er seine Untergebenen grinsend ansah. „Wenn ich Papiere unterschreibe, auf die ich seit Monaten gewartet habe, kann ich richtig fleißig sein. Und auf diese Papiere habe ich eine kleine Ewigkeit gewartet.“

„Was waren das für Papiere?“, fragte Fuery neugierig. „Hellers Entlassungspapiere?“

Der Generalmajor schüttelte den Kopf. „Leider nicht“, seufzte er, „aber die werde ich mit ähnlicher Begeisterung unterschreiben. Nein, das waren die Papiere bezüglich der neuen Richtlinien für Staatsalchemisten. Sie werden nie wieder als menschliche Waffen eingesetzt. Es ist die sogenannte Reine-Hamilton-Doktrin. Sie war eine Kameradin in Ishbal und sie war gegen ihren Willen dort. Deswegen ist es nur billig, wenn man diesen Erlass nach ihr benennt. Um genau zu sein, war ich ihr noch etwas schuldig. Sie hat mich nicht verraten, um sich freizukaufen.“

„Dieser Erlass ist ein großer Schritt, nicht wahr?“, fragte Breda langsam.

„Ja“, sagte Mustang. „Um genau zu sein, war es überfällig, aber der Generalfeldmarschall hat mich gebeten, diesen Erlass erst an das Ende meiner Ishbalpolitik zu stellen. Als letzter Schritt. Es ist praktisch das Sahnehäubchen auf all an Gesetzen und Erlassen, die wir im Rahmen dieses Kurswechsels erlassen haben. Und damit, meine Freunde, haben wir unser Ziel erreicht! Hawkeye bringt die Dokumente zu Armstrong, damit er noch seinen Segen geben kann – und dann auf damit nach Central!“



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Rhyo
2011-07-31T11:47:51+00:00 31.07.2011 13:47
Bei seiner Vergangenheit ist es verständlich dass er dieses Gesetz schnell durchbringen will... ^^
(Dass Breda Angst vor Hunden hat kam im ersten Anime vor oder? Als Black Hayate das erste mal auftaucht)
Von:  DarkDragon
2011-05-31T15:27:02+00:00 31.05.2011 17:27
So sieht also der Alltag aus. Und viele sind früh aufgetstanden und ein Wunder ist geschehen Roy arbeitet freiwillig und schnell.
Der Name des Gesetzes finde ich schön.
lg


Zurück