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Fullmetal Alchemist - Was danach geschah

Was hätte passieren können...
von

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CAROLINE

CAROLINE
 

Eine Stunde zuvor – Armstrongs Villa in East City
 

Oberleutnant Maria Ross war sehr pflichtbewusst. Deswegen hatte sie sich auch sofort auf den Weg gemacht, als ihr Vorgesetzter sie angerufen hatte. Jetzt hastete sie den Kiesweg entlang. Sie arbeitete inzwischen schon seit Jahren für Armstrong und bisher war es noch nie vorgekommen, dass er sie an seinem freien Tag zu sich nach Hause zitierte, und zusätzlich behauptete, dass sie es sehen musste, um es zu verstehen. Deswegen war sie auch direkt gekommen. Ihr Partner war schon zwanzig Minuten zuvor zu Armstrong gefahren, weil er ihm noch Unterlagen bringen musste. Ein weiterer Grund, weshalb Ross die Sache nicht besonders vertrauenerweckend vorkam.

„Oberleutnant!“, rief Armstrong erleichtert und zog sie mit einer einzigen Handbewegung in sein Haus. „Hervorragend, dass Sie so schnell kommen konnten. Kommen Sie herein, legen Sie Ihren Mantel ab und nehmen Sie sich einen Whisky.“

„Sie wissen genau, dass ich nicht trinke, Sir“, sagte sie, während sie ihren Mantel ablegte. „Können Sie mir nicht einfach sagen, was los ist? Ich habe heute noch viel zu tun.“

Armstrong zuckte die Schultern, dann zog er sie in sein riesiges Wohnzimmer, wo Sergeant Brosh an der Wand stand und verlegen zu Boden starrte.

„Was ist los, Sir?“, wollte Ross zunehmend ungeduldig wissen. „Sie wissen, dass ich noch ein paar sehr wichtige Berichte zu schreiben habe.“

„Die Berichte müssen warten“, sagte Armstrong und wies auf ein Sofa. „Sehen Sie es sich selbst an und sagen Sie mir dann, ob es das wert war.“

Ross, die sich inzwischen nur selten erschrecken ließ, straffte sich und marschierte direkt darauf zu, bevor sie die Decke wegzog. Ihre Augen waren katzenhaft schmal, als sie ihren Vorgesetzten und ihren Kollegen ansah. „Würde es einem von Ihnen irgendetwas ausmachen, mir zu erklären, weshalb hier auf dieser Couch ein Baby schlummert?!“

„Wir … äh … haben es gefunden!“, sagte Brosh eilig. „Der Oberst und ich sind kurz etwas essen gegangen, weil wir Hunger hatten, und dann haben wir die Kleine gefunden.“

„Normalerweise findet man keine kleinen Kinder, Brosh“, sagte Ross frostig, bevor sie auf die Uhr sah, „und normalerweise sollte das für Sie beide auch kein Grund sein, mich von meiner Arbeit abzuhalten.“

„Der Oberst will das Kind behalten“, sagte Brosh dringlich, „und er wollte Sie darum bitten, ihm ein bisschen zu helfen.“

Oberleutnant Ross zog die Augenbrauen zusammen. „Das geht nicht“, sagte sie dann in einem weitaus sanfteren Tonfall. „Unsere Einheit ist zu beschäftigt. Wir können uns um kein Kind kümmern.“

„Natürlich können wir das“, behauptete Armstrong selbstsicher. „Wir werden es Ihnen beweisen. Wir werden uns mit dem kleinen Mädchen in unserem Büro aufhalten und Sie werden feststellen, dass es überhaupt keine Beeinträchtigung für Ihre Arbeit sein wird.“

Man sah, dass Ross mit sich selbst kämpfte, dann schluckte sie schwer. „Wir können es versuchen“, sagte sie düster und zog ihren Mantel wieder über. „Aber ich erwarte einen genauen Bericht von Ihnen darüber, wie Sie es sich vorstellen.“

„Danke, Oberleutnant!“ Armstrong strahlte sie an. „Sie werden sehen, dass die Pflege von Kleinkindern in meiner Familie seit Generationen tradiert worden ist!“

„Ich habe es befürchtet“, grummelte sie, während sie sich der Tür wieder zuwandte und sich die Schläfen massierte. Es würde mit Sicherheit ein sehr langer Arbeitstag werden.
 

Eastern Hauptquartier – Gegenwart
 

„Was ist da drüben beim Oberst los?“, fragte Mustang neugierig und sah Havoc an, als es plötzlich eine Erschütterung gab.

„Erst klang es nur nach einem normalen Streit, aber Ross ist innerhalb der letzten halben Stunde immer lauter und wütender geworden. Am Anfang hat Brosh es noch geschafft, sie zu beruhigen, aber vor fünf Minuten ist er herausgekommen und hat sich in einem der leeren Büros unter dem Tisch versteckt“, sagte Breda sachlich. „Ich habe Angst, dass die beiden das Hauptquartier in Schutt und Asche legen.“

„Hawkeye, Catalina, Havoc, ihr gebt mir Rückendeckung“, sagte Mustang, während er seine Handschuhe überstreifte. „Breda, wenn wir in zehn Minuten nicht zurück sind, kommst du mit den anderen als Verstärkung. Das könnte gefährlich werden.“

Rebecca und Hawkeye hatten ihre Waffen schon gezogen, als sie dem Generalmajor auf leisen Sohlen zur anderen Bürotür folgten. Inzwischen herrschte kurz Stille, aber diese Ruhe schien lediglich als Vorbereitung für die nächste Attacke zu dienen. Mustang riss die Tür auf und nahm das Bild in sich auf. Oberst Armstrong saß zusammengesunken an seinem Schreibtisch, während seine Untergebene mitten im Büro stand. Ihr Kopf war hochrot und sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt.

„Gibt es hier ein Problem?“, fragte Havoc verwirrt.

„Haltet euch lieber heraus“, warnte Armstrong. „Oberleutnant Ross hat das Recht, sich so sehr aufzuregen. Aber Sie müssen es nicht unbedingt alles abbekommen. Es ist besser, wenn Sie wieder gehen und alles wieder vergessen, was Sie hier gesehen haben. Es ist besser für Sie und es ist auch wesentlich besser für uns.“

„Oberst Armstrong“, sagte Hawkeye und wies auf das Bündel auf dem Sofa. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir und den anderen zu sagen, was das da ist?“

„Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass es ein Ding der Unmöglichkeit sein wird, es vor den anderen geheim zu halten“, sagte Ross scharf. „Da haben Sie es, Sir.“

Mustang zog seine Handschuhe wieder aus und folgte Hawkeye, als sie mit festem Schritt auf das Sofa zuging, um die Decke mit einem Ruck zurückzuziehen.

„Sergeant Brosh und Oberst Armstrong behaupten, das Mädchen gefunden zu haben, und wollen sich jetzt darum kümmern“, sagte Ross, während sie sich ein Glas Wasser nahm. „Ich habe persönlich gewisse Zweifel an dieser Version, aber sie wollen mir die Wahrheit einfach nicht sagen. Deswegen bin ich gerade auch so außer Atem.“

„Ich halte es für eine wunderbare Idee“, sagte Mustang grinsend. „Und meine Einheit wird Ihnen natürlich dabei auch unter die Arme greifen. Machen Sie sich keine Sorgen, Oberleutnant. Wir sind hier im Osten alle eine große Familie und wir sind alle schon an den Umgang mit Kindern gewöhnt. Fullmetal und Alphonse sind in den letzten Jahren hier auch immer wie in einem Zuhause ein und aus gegangen. Machen Sie nicht so ein Gesicht, Ross. Sie werden feststellen, dass das alles richtig lustig wird.“

Sie sah so aus, als ob sie ihn am liebsten ebenfalls anbrüllen würde, aber dann drehte sie sich einfach nur um und ging auf die Tür zu. „Ich sehe mal nach Brosh“, sagte sie seufzend. „Er wird sich wieder unter einem Tisch versteckt haben. Es tut mir leid, falls irgendwer meinetwegen jetzt Ohrenschmerzen haben sollte…“

Das kleine Mädchen wachte auf und weil Mustang und Hawkeye sich noch immer über sie gebeugt hatten, waren sie auch die ersten, die das Mädchen zu sehen bekam. „Mama! Papa!“, krähte das Mädchen. „Hunger!“

„Armstrong, Sie haben es angeschleppt, jetzt kümmern Sie sich auch darum!“, befahl Mustang, während sein Kopf langsam gefährlich rot wurde.

„Kann ich mich darum kümmern?“, fragte Rebecca, während sie die Augen verdrehte. „Oberst, Sie besorgen auf der Stelle in der Kantine warme Milch. Sagen Sie den Leuten, wir hätten Fullmetal zu Besuch, falls es Schwierigkeiten geben sollte.“

„Becca, jeder hier im Eastern Hauptquartier ist schon Zeuge davon geworden, wie Al und ich Fullmetal quer durchs Gebäude jagen mussten, um ihm ein einziges Glas Milch einzuflößen“, sagte Mustang. „Keiner wird es ihm abkaufen, dass die Milch für Fullmetal sein soll. Um genau zu sein, würde er lieber von der nächsten Klippe springen, bevor er ein einziges Glas Milch trinken würde. Deswegen solltest du dir eine bessere Ausrede einfallen lassen.“

„Verdammt, ich nehme es dir wirklich übel, dass du mich in diese verfluchte Freakshow hineingezogen hast, Riza!“, sagte Rebecca verärgert, bevor sie das Baby erst hochhob, um es ihrer Freundin dann in die Hand zu drücken. „Ich schicke Breda runter in die Kantine. Wenn er es bestellt, wundert sich keiner mehr. Ich meine, es ist Breda…“

Sie war kaum verschwunden, als Ross und Brosh zurückkamen. Brosh wirkte noch immer ziemlich verstört, aber Ross war wesentlich entspannter. Wenigstens hatte ihr Kopf wieder eine normale Farbe angenommen und sie sah auch nicht mehr so aus, als würde sie dem nächsten, der sie ansprechen würde, den Kopf abreißen. Sie war wieder in ihrem eigentlichen ruhigen Zustand, was die anderen beruhigte.

„Ich sehe, dass die Kleine aufgewacht ist“, sagte Brosh leise. „Wir brauchen nur langsam einen Namen für sie. Ich bin noch immer für Katharina.“

„Der Name Caroline wurde in meiner Familie“, begann Armstrong, aber Hawkeye schnitt ihm das Wort ab: „Sie wissen alle, dass wir das Kind nicht behalten können“, sagte sie ruhig, während sie das Mädchen in Ross’ Arme legte und einen Schritt zurücktrat. „Wie Oberleutnant Ross schon ausgeführt hat, findet man kein Kind einfach so. Wir müssen die richtigen Eltern finden. Sie werden die Kleine sicherlich schon vermissen.“

„Wir haben keine Zeit für so eine Suche“, behauptete Mustang. „Wir müssen noch so viele Berichte schreiben, Riza. Wir können niemanden suchen.“

„Es tut mir leid, aber wir haben keine andere Wahl“, sagte die Blonde nachdrücklich und mied den Blick der anderen. „Außerdem ist eine Militärbasis wohl kaum der richtige Ort, um ein Kind großzuziehen. Ich bin sogar bereit, mich persönlich darum zu kümmern, weil ich vermutlich die einzige bin, die mit ihrer Arbeit nicht vollkommen ausgelastet ist und deswegen noch ein Zeitfenster für eine solche Suche hat.“

„Aber bis Sie die Eltern gefunden haben, können wir es solange behalten?“, fragte Brosh und erinnerte an ein Kind, das einen Welpen gefunden hatte und dessen Eltern es ihm nicht erlauben wollten, den Hund zu behalten.

„Mein Herz ist zu weich“, grummelte Hawkeye. „Von mir aus, aber nur solange, bis ich herausgefunden habe, woher das Kind kommt. Und ich will keine Tränen sehen, wenn wir das Kind an seine Eltern zurückgeben müssen, haben wir uns da verstanden?“

Armstrong nickte. „Wir haben Sie verstanden, Oberst“, sagte er. „Sie können sich ganz auf unsere Unterstützung verlassen, Hawkeye. Machen Sie sich keine Sorgen, wir haben volles Verständnis dafür“, sagte er.

„Da das jetzt ja geklärt wäre, kann ich mich ja wieder mit meinen Berichten auseinandersetzen“, sagte Oberst Hawkeye und marschierte hinaus.

„Als ob Sie ihr helfen würden“, murmelte Ross und sah ihren Vorgesetzten mit felsenfest auseinander gepressten Lippen an. „Sie wissen aber schon, dass ich persönlich auch kein großer Fan davon bin. Das Kind wird vielleicht schon vermisst, Sir. Wir sollten ihr wirklich helfen, Oberst Armstrong.“

„Nein, das wird nicht nötig sein“, sagte Mustang. „Ich kenne sie. Auch wenn sie sagt, sie würde sich darum kümmern, kann ich Ihnen versprechen, dass es mindestens eine Woche dauern wird, bevor sie wirklich die Zeit dafür haben wird.“ Er wandte sich der Tür zu und lächelte verstohlen. „Oberst Hawkeye ist verpflichtet, für die Einhaltung der Dienstvorschriften zu sorgen“, erklärte er, „aber auch wenn sie so hart wirkt, hat sie ein Herz aus reinem Gold. Sie wird sich mit ihren Ermittlungen Zeit lassen, weil sie weiß, dass es Ihnen allen das Herz brechen wird, das Kind wieder abgeben zu müssen.“

„Oder sie wird sich deswegen besonders beeilen“, warf Havoc ein. „Je früher der Abschied, je kürzer die Qual, sagen sie…“

Mustang sah Armstrong über seine Schulter hinweg an. „Ich werde dafür sorgen, dass Ihre Schwester nichts davon erfährt“, sagte er großzügig, „aber es muss wirklich klar sein, dass niemand von uns irgendwem, der nicht zu unseren Einheiten gehört, etwas davon erzählt. Private Sheska darf es wissen, aber ansonsten muss darüber geschwiegen werden. Die Eiskönigin wartet doch nur auf so eine Chance!“

Das Schlimmste daran war, dass er Recht hatte, fand Armstrong. Wenn Olivier jemals auch nur ansatzweise davon hören würde, dass es im Eastern Hauptquartier ein Kind gab, würde sie ihnen sofort das Militärgericht auf den Hals jagen. Das war genau die Art Fehler, auf die sie seit Jahren wartete. Irgendetwas, was sie ihnen (und besonders natürlich Mustang) anhängen konnte.
 

Mustang wartete geduldig ab, bis er zusammen mit Hawkeye nach Hause fuhr. „Es sieht nicht gerade gut für uns aus“, sagte er leise, während er seinen Wagen vom Parkplatz fuhr. „Das Kind könnte uns allen das politische Genick brechen, sollte Olivier jemals Wind davon bekommen. Vermutlich würde sie die Geschichte vollkommen verdrehen.“

„Hmh…“ Hawkeye starrte auf die Straße. „Ich habe mir eben den Ort angeschaut, wo Brosh und Armstrong das Kind gefunden haben“, sagte sie dann. „Es könnte stimmen, dass sie wirklich zufällig darüber gestolpert sind. Jedenfalls wäre das glaubwürdiger als die Möglichkeit, dass das Kind versehentlich verloren gegangen ist.“

„Ich hatte nie Verständnis für Eltern, die ihr eigenes Kind verstoßen“, sagte Mustang und seine Hände umfassten das Lenkrad fester. „Wenn wir sie finden, werde ich ein sehr ernstes Gespräch über Verantwortungsbewusstsein mit ihnen führen müssen. Lach jetzt nicht über mich, Riza. Ich weiß selbst, dass das komisch klingt, aber meinst du nicht auch, dass es hart ist, ein Kind einfach auszusetzen?“

„Ich lache nicht über dich“, erwiderte sie leise. „Ich denke nur daran, wie wütend mein Vater wäre, wenn er wüsste, was ich … was ich getan habe. Wenn er es wüsste, würde ich vermutlich nicht mehr leben. Ich glaube, er hätte mich auf der Stelle umgebracht.“

Mustang sah sie von der Seite an. „Die Frage kommt vielleicht ein bisschen spät, Riza, aber hat es eigentlich sehr wehgetan, als er dich damals tätowiert hat? Ich meine, die anderen Alchemisten sagen alle, dass die Tätowierung der Handflächen sehr schmerzhaft war. Vor allem Kimblee hat darüber ziemlich oft gejammert.“ Er sah sie an. „Du ahnst gar nicht, wie oft ich kurz davor stand, ihm zu sagen, dass er sich nicht so anstellen soll, weil ich jemanden kenne, der den gesamten Rücken tätowiert hat…“

Sie legte die Stirn in sorgsame Falten. „Es hat ziemlich wehgetan“, sagte sie dann. „Er hat sich Mühe gegeben, mir nicht mehr wehzutun als nötig, aber er hat vier Tage für das Tattoo gebraucht. Du weißt ja, wie kompliziert es war. Und ich will nicht leugnen, dass es sehr schmerzhaft war. Ich glaube, es tat ihm irgendwo doch leid.“

„Ich finde es nur noch immer wirklich erstaunlich, dass er es dir aufgebürdet hat“, sagte er nachdenklich. „Welcher Vater würde seiner Tochter schon so etwas auf den Rücken tätowieren? Ich gebe zu, er war gegen Ende hin ein bisschen verrückt, aber trotzdem. Wenn es mein Transmutationskreis wäre, hätte ich es dir nicht aufgebürdet.“

„Wenn es dein Transmutationskreis wäre, hättest du nie die Bekanntschaft meines Vaters machen müssen“, sagte Hawkeye mit einem Anflug von Bitterkeit.

„So meinte ich das nicht“, erwiderte er Vorgesetzter. „Ist dir eigentlich nie aufgefallen, dass es ziemlich dämlich von ihm war, es dir auf den Rücken zu tätowieren? Er wird mit Sicherheit nicht so weit gedacht haben, aber spätestens wenn du geheiratet hättest, wäre seine kostbare Flammenalchemie kein Geheimnis mehr gewesen.“

Sie schnaubte verächtlich. „Ich glaube kaum, dass er jemals die Gefahr gesehen hat, dass ich heiraten könnte“, sagte sie dann trocken. „Falls du es nicht bemerkt haben solltest: Ich war nie wirklich der Typ, dem die Männer hinterherlaufen.“

Er grinste breit. „Mal überlegen“, sagte er. „Generalleutnant … wie hieß er noch gleich? Er hat dich jedenfalls gefragt, ob du Interesse daran hättest, ihn zu heiraten. Oberst Blue war auch immer schon sehr interessiert…“

„Generalleutnant Alen ist älter als mein Großvater!“ Hawkeye riss entsetzt die Augen auf. „Der sucht keine Ehefrau mehr. Der sucht eine Altenpflegerin.“

Mustang sah sie an, dann brach er in Gelächter aus. „Haha! Das muss ich Grumman erzählen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe“, kicherte er. „Ich bin gespannt, ob er das auch so lustig findet wie ich. Ich kann es mir irgendwie nur zu gut vorstellen.“

Sie rollte mit den Augen. „Du weißt genau, dass mein Großvater eine sehr seltsame Vorstellung von Humor hat“, sagte seufzend. „Das, was er witzig findet, würden die meisten anderen nur noch als fürchterlich oder exzentrisch bezeichnen. Ich frage mich wirklich, wie es sein kann, dass ich mit ihm verwandt bin.“

„Ich finde schon, dass ihr euch in zumindest einer Sache sehr ähnlich seid“, sagte Mustang ruhig und nahm eine Hand vom Lenkrad, um damit ihre zu tätscheln. „Ohne euch beide wäre ich jetzt nicht hier. Ihr habt mich auf meinem Weg beide nach vorne gebracht. Deswegen bin ich euch beiden auch so dankbar.“

Sie lächelte geistesabwesend. „Denkst du, dass Vater sehr wütend wäre, wenn er wüsste, was ich getan habe?“, fragte sie leise, während sie zur Seite sah, um seinem Blick auszuweichen. Sie wollte nicht, dass er sie ansah.

„Auf dich wäre er in keinem Fall so wütend wie auf mich“, sagte er ruhig. „Du weißt doch, wie es immer war: Wenn wir zusammen einkaufen waren und es länger gedauert hat, als es gesollt hätte, hat er immer mich ausgeschimpft und nicht dich. Deswegen bin ich mir sicher, dass er mir auch in dieser Sache die Schuld geben würde.“

„Ich hätte es nicht tun müssen“, sagte sie und ihre Hand fuhr unwillkürlich zu den Narben an ihrem Rücken. „Es war meine eigene Entscheidung, dir dieses … Ding auf meinem Rücken zu zeigen. Ich hatte keine Verpflichtung, es zu tun.“

Mustang nahm seine Hand von ihrer weg, um sie ebenfalls auf die Narben zu legen. „Du hast einen ziemlich hohen Preis bezahlen müssen“, sagte er. „Ich kann mir vorstellen, dass es ziemlich übel ist, so etwas auf dem Rücken zu haben.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Am schwersten ist es, es vor den anderen geheim zu halten“, sagte sie seufzend. „Als Becca vor Jahren überlegt hat, ob sie sich ein Tattoo stechen lassen soll, habe ich ihr davon abgeraten, weil ich weiß, wie schmerzhaft das ist. Sie hat wissen wollen, woher ich weiß, dass es so weh tut, aber ich konnte ihr ja schlecht sagen, dass mein ganzer Rücken ein einziges Tattoo ist.“

„Vor allem, weil jeder, der es jetzt sehen würde, auf die Idee käme, dass ich derjenige war, der es dir auf den Rücken tätowiert hat. Nur die wenigsten Alchemisten erinnern sich noch an deinen Vater und seine Forschungen. Es ist eigentlich eine Schande. Er war mit Sicherheit einmal einer der besten Alchemisten.“

Hawkeye schnaubte verächtlich. „Oh, er war ein guter Alchemist“, stimmte sie ihm zu, „aber gleichzeitig war er ein sehr schlechter Vater. Er … er hatte Mutter versprochen, die Forschungen aufzugeben und sich um mich zu kümmern, falls sie sterben würde, bevor ich auf eigenen Beinen stand, aber vielleicht erinnerst du dich daran, dass ich mich im Prinzip selbst großziehen musste. Ich gebe zu, dass er mich nie schlecht behandelt hat – aber er hat meine Existenz auch nie lange genug zur Kenntnis genommen, um das zu tun. In seinen Augen hat es mich doch nie gegeben. Ich war ihm gut genug, um seine Alchemie zu tragen, aber ansonsten … ansonsten hat er mich nie irgendwie … geliebt.“

„Du irrst dich“, sagte Mustang sanft. „Er hat dich mit Sicherheit geliebt, aber er wusste nicht, wie er es dir zeigen sollte. Und bevor er starb, hat er mich darum gebeten, auf dich aufzupassen. Zeigt das nicht…“ Seine Stimme verlor sich.

„Das zeigt nicht, dass er mich geliebt hat“, sagte Hawkeye leise. „Das zeigt nur, dass er gewollt hat, dass sich jemand darum kümmert, dass seine kostbare Alchemie nicht in falsche Hände gerät. Er hat immer gesagt, dass du noch nicht bereit gewesen wärst. Wenn du erst zu ihm gekommen wärst und dann zum Militär gegangen wärst, hätte er sie dir auch selbst gegeben. Das glaube ich jedenfalls.“

„Leider hat sich gezeigt, dass meine Hände nicht gerade die richtigen waren.“

Sie wischte den Einwand mit einer gereizten Handbewegung zur Seite. „Jeder andere Flammenalchemist wäre auch vom Militär eingezogen worden“, sagte sie sachlich. „Es ist zu effektiv, um es nicht für den militärischen Gebrauch einzusetzen. Das weißt du, das weiß ich. Und mein Vater hat es auch gewusst. Flammenalchemie ist tödlich. Daran hat es nie irgendetwas zu deuteln gegeben. Oder willst du das abstreiten?“

Er schüttelte den Kopf. „Wieso kannst du dir nicht selbst verzeihen?“, wollte er wissen. „All die Jahre über, hast du immer nur dir selbst die Vorwürfe gemacht. Du hast nie etwas dazu gesagt, dass ich auch alles andere als unschuldig bin.“

Sie massierte sich die Schläfen. „Weil es meine Entscheidung war, dir die Flammenalchemie zu diesem Zeitpunkt zu geben“, sagte sie. „Ishbal hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon in eine sehr deutliche Richtung entwickelt. Ich hätte wissen müssen, dass das Oberkommando die Staatsalchemisten schicken würde.“

„Zu diesem Zeitpunkt war das noch nicht wirklich absehbar, sonst hätte ich wohl kaum eine Staatsqualifikation abgelegt“, entgegnete Mustang. „Wenn du es damals aber schon geahnt hast, wieso hast du nichts davon gesagt?“

„Weil ich wusste, dass es keinen Unterschied gemacht hätte“, sagte sie. „Deswegen habe ich nichts dazu gesagt. Außerdem hatte ich gehofft, dass ich irrte. Dass ich anfing, überall Gespenster zu sehen. Dass ich paranoid geworden wäre.“

Mustang brachte den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Haus zum Stehen und lehnte sich zu ihr hinüber, um sie kurz auf den Mund zu küssen. Sie erstarrte und ihre Augen wurden bemerkenswert groß. Er kicherte leise, bevor er sich wieder zurücklehnte und ausstieg. „Du hättest nicht darauf hoffen würden, dass es vergessen würde, Riza“, sagte er amüsiert. „So etwas vergesse ich nämlich nie. Ach ja, du kannst dich schon mal darauf vorbereiten, dass ich mir die anderen drei Küsse im Laufe des Tages auch noch stehlen werde. Es ist gerechter, wenn ich dich warne, denke ich.“

„Du wirst gierig“, tadelte sie, während sie ausstieg. „Ich habe das verbotene Wort nur dreimal benutzt. Deswegen sind es nur noch zwei Küsse. Es ist eine Bestrafung, also solltest du lieber aufpassen, dass du mich nicht zu hart bestrafst.“

„Würdest du mich sonst verraten?“, fragte er belustigt. „Würdest du mich anklagen, dass ich meine Untergebenen zu hart bestrafe?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Rhyo
2011-07-27T07:22:23+00:00 27.07.2011 09:22
Der Kuss hat sie ja echt kalt gelassen O.o
Und ihn irgendwie auch... naja gut bei Mustang vermute ich dass es keine spontante Entscheidung war sie zu küssen sondern dass er sich das schon einige Zeit vorher vorgenommen hat ^^
Von:  DarkDragon
2011-05-30T16:52:04+00:00 30.05.2011 18:52
Er hat sie endlich geküsst*freu*
Und Armstrong hat ein Kind aufgegabelt. Zu wem die kleine gehört, ich nin neugierig.


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