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Midsummernight-Princess

Eine Dunkelheit im Herzen
von

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Mitte

Mit einem Mal beschleunigten sich alle Erinnerungen. Was er zuvor detailreich und aus ihrer Sicht gesehen hatte, verschwamm nun in ihm. Verschiedene Bilder verflossen ineinander, Eindrücke, Gefühle und Emotionen schwappten ineinander über und ein Bild des Chaos erschloss sich vor ihm.

Link glaubte, er würde sterben müssen. Trauer, Wut, Freude – alles fühlte er gleichzeitig. Und doch fühlte er gar nichts. Entschlossenheit, Hass, Liebe … Vertrautheit, Einsamkeit, Verzweiflung … Nichts.

Alles endete im Nichts.

Ganondorf, Ilya … Zelda, Arithmeta, Taro, … Thelma, Ilya … Ilya … Ganondorf … Zanto … Er … Er selbst.

Link … er sah sich selbst. In jener dunklen Gasse. Wut keimte auf.

Und sie erlosch mit dem Bild. Das Chaos lichtete sich nicht – einige Gedanken errangen Oberhand. Immer wieder entkamen Bildausschnitte und Gefühle.

Und plötzlich erhob sich Stillstand.

Nichts. … Alles war schwarz.

Schwarz wie die Nacht.

Tiefschwarz.

Nichts.

Aus diesem Schwarz heraus, in dem er sich gerade befand – nicht fähig, sich zu rühren -, entstand etwas. Licht … Er erkannte Licht.

Sein Bewusstsein rückte zu diesem Licht.

Doch ehe er beim Licht ankam, entstand etwas aus dem Licht. Ein Himmel.

Ein strahlend blauer Himmel. Der Himmel befand sich über dem Meer. Möwen zogen ihre Kreise. Schiffe segelten stolz umher.

Eine Mauer vor dem Ufer bildete sich.

Genau, Stein für Stein, konnte er abzählen, woraus sie bestand.

Und als dieses Bild des Meeres ihn einholte, verschwanden alle Gefühle – sogar das Nichts.

Nein … Nein, sie verschwanden nicht.

Sie kehrten zurück. Aber nicht ihre Gefühle. Seine. Seine ureigenen Gefühle gehörten wieder ihm. Er fühlte sich wieder wie Link … Er konnte wieder Link sein.

Link schaute an sich nach unten – und er entdeckte, dass er seine derzeitige Kleidung trug. Dass er wirkte, als wäre er noch im Ballsaal. Doch er war es nicht. Nein. Er war am Meer.

Wie gelangte er hierhin?

Er wandte seinen Blick vom Meer ab und sah sich um.

Als sein Blick wieder dorthin zurückfiel, wo sein Ausgangspunkt war, entdeckte er eine Veränderung.

Jemand saß dort.

… Shan saß dort.

Er schritt auf sie zu.

Doch sie sah nicht zu ihm auf. Sie saß auf dieser Mauer und schaute unbeteiligt ins Meer. Nicht einmal würdigte sie ihn eines Blickes.

Was sollte er jetzt tun?

Shan … Was sie getan hatte …

Sie wollte ihn töten. Dem war er sich jetzt ganz sicher. Der Wille, ihn zu töten, war klar und deutlich zu spüren – vor allem in diesem Chaos an Gefühlen, dem er zuletzt ausgesetzt war. Er erinnerte sich noch klar und deutlich daran – er fühlte es beinahe wieder.

Schnell drängte er diesen Hass zurück. Er wollte sich nicht selbst hassen …

Er schloss den Abstand zu ihr und stand direkt neben ihr. Doch sein Blick fiel nicht auf das Meer. Er blieb auf Shan hängen. Sie trug nicht mehr Midnas Kleidung. Im Gegenteil – sie trug das Ballkleid, das Miralle ihr vor ein paar Wochen zur Verfügung gestellt hatte. Er wusste, dass ihr dieses Kleid sehr gefiel …

„Shan“, stellte er fest. Er ließ keine Emotion durchdringen. Nichts, was er fühlte. Nichts von dem, was er dachte. Er wollte lediglich in ihre Augen sehen.

Er wartete geduldig. Er glaubte, hier viel Zeit zu haben. Weshalb sollte er sie also zu einer Antwort nötigen?

Er wusste nicht, wie viel Zeit er damit verbracht hatte, einfach neben ihr zu stehen und auf eine Antwort zu warten – es hätten Sekunden aber auch Stunden sein können, die Zeit war hier nicht anwesend -, als er sie schließlich erhielt.

„Ich mag es nicht, wenn sich jemand in meinen Erinnerungen herumschleicht“, ertönte ihre Stimme. Doch jeglicher Humor, jeglicher Spott, jegliche Emotion waren daraus verschwunden. Übrig blieb ihre Stimme. Eine ähnliche Tonlage wie die seine. Gefühllos.

„Ich habe mich nicht eingeladen“, antwortete gerade heraus und ließ sich dann neben sie fallen. Er ließ seine Füße hinunter taumeln und bemerkte, dass das kühle Wasser ein wenig nach oben spritzte. Doch es interessierte ihn herzlich wenig.

Eine Weile saßen sie da und starrten gemeinsam ins Meer.

„Möchtest du nicht langsam etwas sagen?“, erklang dann Shans Stimme – emotionslos.

Er sah zu ihr und bemerkte, dass sie ihn anschaute. Allerdings wirkte ihr Blick anders auf ihn als sonst. War etwas wie … Bedauern in ihrem Blick? Wollte sie sich entschuldigen?

„Was erwartest du, von mir zu hören?“, wollte er dann ehrlich von ihr wissen. Danach schaute er wieder zurück in den Ozean. „Vorwürfe?“, mutmaßte er ruhig.

„Vorwürfe?“, wiederholte sie leise, „Weshalb solltest du mir etwas vorzuwerfen haben?“

Er zog die Stirn kraus und wandte seinen Blick wieder ihr zu. Diesmal hatte sie ihn abgewandt. „Die Frage lautet wohl eher … weshalb keine Vorwürfe?“, erklärte er in einem tadelnden Ton, der dennoch als Frage aufzufassen war.

Ihr Mund verzog sich kurz zu einem Lächeln. „Also bist du doch wütend.“

Erneut schaute er nach vorne. „Wütend …“, wiederholte er nachdenklich, „Nein.“

„Huh?“, machte sie überrascht.

„Das ist der falsche Ausdruck“, erklärte er, „Eher … bitter enttäuscht … von mir selbst.“

„Von dir selbst?“, fragte sie kritisch, „Bist du dir sicher?“

„Ich hätte dahinter kommen müssen. Es war doch eindeutig“, antwortete er leichthin.

Sie murrte daraufhin: „Dabei war ich stolz darauf, es geheim halten zu können.“

„Ich denke, ich wollte es einfach nicht sehen“, vermutete er zögerlich, „Einfach … ausblenden, was so offensichtlich war …“

„Man kann Vergangenes nicht ändern“, rief sie ihm ins Gedächtnis, wobei sie ernst klang. „Ob man es möchte oder nicht.“

„Damit hast du recht“, stimmte er ihr zu, wonach er seufzte. „Aber es wäre sehr vorteilhaft, wenn es möglich wäre …“

„Ganz recht …“, murmelte sie ruhig.

Schweigen breitete sich erneut zwischen ihnen aus.

Zeit zum Nachdenken. Zeit …

Shan sah in ihrem Handeln also keinen Fehler. Zumindest behauptete sie das …

Wäre das nicht ein Grund, wütend zu sein? Immerhin … hatte sie ihn betrogen. Arg betrogen. Hinterlistig verraten.

Aber konnte man es tatsächlich so nennen? Hätte er von Anfang an auf sie gehört, so wäre die Zukunft anders geworden. Sie hätte ihn nicht betrogen. Sie hätten sich kaum gekannt. Aber seinetwegen musste sie auf ihn aufpassen. Weil er so stark war. Weil er eine Gefahrenquelle war.

Für Ganondorf.

Andererseits hätte er dann aber nie wieder seine Erinnerungen an Zelda und Ilya zurückerlangt … Er hätte sie für immer verloren … Weit weg von Hyrule …

All das hätten sie beide sich erspart, wenn sie am Anfang nicht gezögert hätte.

Darum hatte sie es am Ende nicht mehr getan. Weil sie den Anfang bereute. Link fragte sich, ob ihr eigener Fehler alles war, was sie an der kompletten Situation bereute …

„Wieso das Meer?“, lenkte Link das Thema ab. Er brauchte mehr Zeit zum Nachdenken … Was sagten ihm seine wahren Gefühle?

Was sollte er ihr sagen …? Wo war er hier überhaupt? Vielleicht würde sie ihn aufklären …? War die hier anwesende überhaupt die wahre Shan?

Ja. Ja, natürlich. Diese Situation hatte noch nie existiert. Oder zumindest konnte Link sich nicht daran erinnern. Also gab es sie nicht.

„Das könntest du mir bestimmt auch beantworten“, antwortete sie ruhig und sah ihn daraufhin an. Ihr Gesicht war zu einer Grimasse verzogen. „Elender Gedankenspion.“

„Die Sonne kann ich mir mittlerweile wirklich erklären sowie deine Kleidung … Aber das Meer … Ich hatte nicht den Eindruck, dass du es so berauschend fandest …“, richtete er über ihre Erinnerungen. Wenn sie ihn schon direkt danach fragte …

„Hm“, machte sie, wobei er nicht einschätzen konnte, ob es positiv oder negativ gemeint war, „Ich finde es wunderschön“, erzählte sie ihm dann, „Und ich finde es sehr schade, dass ich es erst durch Terra so gesehen habe, wie ich es im Moment sehe. Als Ozean. Als großes Ganzes … Als Reflexion der Sonne … Das Meer … die Sonne … Alles hier ist so idyllisch … So hell. Und so berauschend“, schwärmte sie, wobei sie viel glücklicher wirkte als zuvor, „Als ich alleine in dieser Höhle war … habe ich es nicht gesehen … Für mich war es lediglich Wasser … Aber dieses Mädchen …“ Shan stützte ihre Arme auf ihren Beinen ab und beugte sich vor. „Sie hat mir die Augen geöffnet …“

„Scheinbar nicht weit genug“, kommentierte Link ihre Aussage. So sehr liebte sie also die Sonne? So sehr, dass alles, was von der Sonne berührt wurde, in ihren Augen wundervoll war?

Ja, Link musste wirklich zugeben, dass hier ein wundervoller Ausblick war. Idyllisch – es war das richtige Wort. Aber … nichts konnte ewig so idyllisch sein. Irgendwann würde auch im schönsten Meer ein Sturm aufkommen und die Sonne würde von der Nacht verschlungen werden …

Jetzt kicherte sie – ohne jeglichen Humor. „Wie wahr, wie wahr …“, stimmte sie ihm zu, „Ich hätte nicht so lange warten sollen …“

Link verschränkte die Arme. „Du wolltest mich wirklich umbringen?“, schloss er daraus.

Sie nickte bestimmt. „Es ist meine Pflicht. Du bist – wie man sieht – derjenige, der jeden ausgefeilten Plan zunichte machen kann …“

„Das ist meine Pflicht“, gab er angewidert zurück, fügte dann aber wesentlich ruhiger hinzu: „Als Triforceträger.“

„Ganondorf hat deine Pläne nicht zerstört.“

„Jeder Kampf erfordert einen Gewinner und einen Verlierer“, erklärte Link nüchtern.

„Es scheint so“, gab sie zu.

Wieder beseitigte Schweigen ihr Gespräch, doch Link sprang auf das nächste Thema über.

„Was ist das?“, wollte er wissen, „Dieser Ort hier – alles … Warum habe ich deine Erinnerungen sehen können?“

„Wir befinden uns in meinem Herzen“, antwortete Shan bedächtig, wobei sie ihn interessiert musterte, „Wie du hierher gekommen bist, kann ich mir noch nicht ganz erklären …“

„… Aber du hast einen Verdacht“, schloss Link ihren Satz für sie. Er wusste es einfach. Scheinbar hatte er diesen Gedanken in dem Chaos am Ende aufgeschnappt. Und jetzt war er in ihm aufgekommen.

„Welchen du dann wohl kennst“, fügte Shan seinen Worten hinzu, wobei sie ihn anlächelte.

„Du wolltest einfach nur, dass ich dich verstehe?“, fragte er sie gerade heraus, „Du wolltest, dass ich deine Gefühle kenne? Hast du mich darum hinein lassen?“

Sie wandte sich von ihm ab. Danach zuckte sie mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher“, gestand sie zögerlich, „Du hast Recht – du erkennst meine Motive … doch … die Möglichkeit, dass es nur deshalb funktioniert hat, ist bescheiden gering.“

„Ich weiß“, antwortete er leise, „Aber … Shan …“

Sie sah ihn wieder an, als er ihren Namen sagte. Nein, sie sah ihn nicht an … Sie musterte ihn. Ganz genau. Sie behielt ihn im Visier …

„Ja?“, fragte sie, als er nicht weiter sprach.

„Warum das Ganze?“, wollte er von ihr wissen, „Ich … Ich weiß, was geschehen ist … Aber …“ Er suchte nach den richtigen Worten. „… Warum hast du nachgegeben? Du wusstest, dass deine Taten schlecht waren. Du hattest Mitleid mit deinen Opfern. Du wolltest niemandem eine falsche Erinnerung aufzwängen. Und doch …?“ Er brach ab.

„Und doch habe ich es getan“, führte sie seine Gedanken fort. Diesmal seufzte sie. „Ich bin mir immer noch bewusst, dass es den Menschen, auf die ich Einfluss hatte, gegenüber nicht allzu gerecht war, aber … es war Ganondorfs Wille.“

„Und du wolltest ihm helfen. Du wolltest seinen Stolz. Du wolltest, dass er sieht, dass du kein Fehlgriff warst …“, mutmaßte Link streng, „Du bist egoistisch.“

Sie sah ihn noch für einen kurzen Moment an, und sah dann nach unten. „Ich bin egoistisch“, gab sie zu, „Doch … deine Gründe sind nur der Teil einer Wahrheit. Alles, was ich wollte, war sein Glück …“, fügte sie leise hinzu, „Und sein Dank …“

Link nickte verstehend. Er hatte es also falsch gedeutet … Und doch auf eine bestimmte Weise richtig …

„Ich möchte nichts weiter, als wieder bei ihm zu sein …“, gestand Shan ihm plötzlich, „Ich möchte nichts weiter, als wieder in sein Antlitz sehen zu können … in sein lächelndes Antlitz …“, fügte sie – bei letzterem Gedanken lächelnd – hinzu. „Und seinen Dank zu spüren …“

„Aber … nur deshalb … du darfst doch nicht einfach …“, brach Link unsicher ab.

Sie war immer so alleine gewesen. Und dann hatte es plötzlich eine Person gegeben, die sich speziell für sie interessierte … Sie griff einfach nach diesem einen Halt … Aber … Midna war doch auch für sie da …

„Immerhin gab es auch Midna … Midna hat sich immer um dich gekümmert“, beschied Link, „Sie war gut zu dir. Aber du warst undankbar.“ Diesmal war alle Unsicherheit – aber damit auch die Freundlichkeit – aus seiner Stimme verschwunden. Warum war sie nicht einfach bei Midna geblieben?

„Ja …“, hauchte Shan leise, „Ja … Midna war gut zu mir“, betonte sie, „Aber … sie war einfach nicht genug …“ Shan schüttelte den Kopf. „Sie hat sich von mir abgewandt … Sie hat mich nicht in ihre Welt lassen … sie hat …“

Link unterbrach sie barsch: „Midna hat dich die ganze Zeit über beschützt. Midnas Welt ist eine Lüge. All diese Leute, die sie nicht einmal von dir unterscheiden haben können – sie waren keine Freunde. Du warst bestimmt ebenfalls eine ihrer einzig wahren Freundinnen.“

Shan starrte ihn verwirrt an. Ihr Blick schien durch ihn hindurch zu gehen. „Link …“, murmelte sie, „… Wieso …? Wieso weißt du das …?“ Sie sprach kaum hörbar.

„Ich bin mir sicher, dass sie all die Zeit von deinen Gefühlen wusste. Sie wusste, dass du jemand brauchst, der sich um dich kümmert. Darum hat sie dich vor diesen ausnützenden Leuten beschützt. Sie hat alle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt …“ Gegen Ende nahm seine Stimme einen sanfteren Ton an. „Sie hat es dir zu liebe getan … Sie war doch noch immer für dich da …“

Shans Blick wanderte wieder zu Boden. Sie schwieg kurz. Dann fuhr sie fort: „Sie hat es nicht getan, wie Ganondorf es getan hat … Er … Er hat wirklich nur mich gebraucht, er hat mir vertraut – mir geglaubt … Mich wirklich beschützt … Vor dir …“

Link fiel ihr ins Wort: „Glaubst du wirklich, er hätte dich deinetwegen weggeschickt?“

Jetzt sah sie entrüstet aus. „Willst du mir etwa einreden, er sei nicht gut zu mir gewesen? Ich solle mich von ihm abwenden?“ Ihr Gesicht war eine Maske der Wut.

Sie schien das zu bemerken und legte wieder einen ruhigen Ausdruck auf. Doch in ihren Augen funkelte noch immer Zorn. Zorn über seine Worte.

„Genau.“ Er hatte keinen Grund, es zu leugnen. „Ganondorf ist böse, Shan. Er ist ein Egoist, der die Welt in Dunkelheit stürzt, nur um seinem eigenen Zweck dienlich zu sein. Und Leute, die Unglück erfahren haben, sind seine beliebtesten Opfer – sie manipuliert er, indem er ihnen Hoffnung schenkt! Alles, was er dir eingeredet hat, ist eine Lüge!“, behauptete Link.

Er war davon überzeugt. Während er Shans Erinnerungen erlebt hatte, war er zu dem Schluss gekommen. Es war nicht falsch, die Welt von Ganondorf zu befreien. Er brauchte sich seines Todes wegen kein schlechtes Gewissen zu machen.

Nicht wegen sich selbst. Und nicht wegen Shan.

Midna hatte es geschafft, Shan vor den Leuten im Dämmerlicht zu retten. Doch es war ihr nicht gelungen, Shan vor Ganondorfs Einfluss zu bewahren.

Fassungslosigkeit stand auf Shans Gesicht geschrieben. Einfach nur Ungläubigkeit. „Was … was redest du da?“, fragte sie erstickt, „Ganondorf … er hat mir seine Kraft gegeben … Mir alles anvertraut …“ Sie brach ab und setzte ihre Worte nach einer kurzen Pause fort: „Er hat mich gerettet … Du hättest mich doch genauso getötet wie ihn, wenn …“

„Ganondorf hat dir seine Kräfte gegeben. Und er hat dich mit seinen Kräften weggeschickt. Er wollte sich nur seine zweite Chance sichern – es geht ihm nicht um dich!“

„Das … das ist nicht …“, redete sie dagegen, „Das ist doch nicht wahr … Er hat …“

„Er hat was?“, forderte Link kalt zu wissen, „Dich … geliebt?“ Seine Stimme wurde sanfter. „Shan“, ermahnte er sie freundlich, „Jemand wie er kann nicht lieben. Er ist ein Wesen, das aus der Dunkelheit geboren wurde … Er kennt nur Dunkelheit.“

„Und was bin ich?“, entgegnete sie, wobei sie sich schnell erhob und von oben herab auf ihn hinunter schaute, „Was … was als eine Kreatur des Schattens bin ich?“

Link stand ebenfalls auf – erheblich langsamer, ruhiger.

„Du bist Shan“, sagte er ihr, als er stand. Er musste immer noch zu ihr hoch sehen, doch er fühlte sich ihr ebenbürtig, „Du bist im Dämmerlicht geboren. Und du gehörst dorthin. Dort gibt es jemanden, der wirklich auf dich wartet. Der dich wirklich zurückhaben möchte. Midna wird dir verzeihen. Ich bin mir sicher.“ Er lächelte sie an. „Immerhin habe ich es auch geschafft.“

„Nein!“, rief sie aus.

Damit verblüffte sie ihn wirklich. Was meinte sie damit? Warum … warum …?

„Nein“, wiederholte sie gefasst, „Nein, du verzeihst mir nicht. Du sollst mir nicht verzeihen“, knurrte sie wütend, „Du solltest mich verstehen. Du solltest meine Taten anerkennen. Aber … wenn du mir verzeihst … Was bleibt mir dann?“ Sie wirkte verloren. Ihre komplette Gestalt wirkte verloren.

„Shan, du …“, begann er, doch dann beobachtete er, dass sie auf die Knie fiel.

Der Himmel wurde mit einem Mal dunkler.

Nun kniete sie vor ihm und starrte in den Boden. „Was soll ich ihm sagen, Link?“, fragte sie verzweifelt, ohne ihn anzusehen, „Was?“, wiederholte sie, „Soll ich ihm etwa sagen, dass ich alles nach Plan getan habe, am Ende verloren habe und dass sich nichts geändert hat? Dass er für immer verloren ist? Dass niemand ihn mehr retten können wird?“

„Shan – was redest du?“, fragte er sie.

Er kniete sich zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Er lächelte sie aufmunternd an. „Du wirst mit mir kommen. Wir werden einen Weg finden, gemeinsam zu Midna zu gehen. Und du wirst es ihr erklären. Midna wird dir verzeihen. Das weiß ich.“

Shan lachte humorlos auf. Dann funkelte sie ihn kalt an. „Mitkommen?“, höhnte sie plötzlich leise, woraufhin ihre Miene aber wieder sanfter wurde. „Ich werde nirgendwohin mitkommen. Ich sterbe, Link … Ich bahne mir meinen Weg zu Ganondorf, indem ich hier bin …“

„W- Was?“

Diesmal war das Erstaunen seine Arbeit. Wie meinte sie das? Dass sie … dass sie starb?

Aber … weshalb? Warum starb sie?

Sie war doch …

Er … er hatte ihr das Schwert durch den Körper gebohrt … Jetzt war er hier …

„Nein!“, brüllte er plötzlich, wobei er seine Hand erschrocken zurückschnellen ließ, „Nein! Nein! Nein!“, wiederholte er entschlossen, „Du stirbst mir hier bestimmt nicht! Ich werde dich retten, Shan! Ich werde dich heilen!“

Sie lächelte ihn sanft an. „Das ist also die Strafe, die mir dein Verzeihen kostet?“, fragte sie verstehend, „Wie grausam.“

„Ja, aber gerecht!“, erklärte Link, „Du sollst das Leben kennen lernen – mit Freunden, die an deiner Seite sind. Du sollst mit Midna sprechen! Ihr seid doch Schwestern! Wie könnt ihr nur so aneinander vorbeireden?“ Er schüttelte irritiert den Kopf. „Wie nur …?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Wenn die eine ignoranter als die andere ist …“, mutmaßte Shan lächelnd, „Aber … gib es auf, Link … Du wirst mich nicht mehr am Leben erhalten können …“ In ihrem Lächeln leuchtete eine Art Triumph auf. „Deine Strafe wird fehlschlagen.“

„Nicht, wenn ich es verhindern kann!“, murrte Link, „Ich will dich am Leben erhalten – ich erhalte dich am Leben!“, behauptete er bestimmt, „Ich werde dich von dieser irrsinnigen Idee mit Ganondorf abbringen!“

Shan schüttelte entschieden den Kopf. „So etwas wird dir nicht gelingen, Link …“, entgegnete sie, „Niemals … auch …“ Der Triumph verflog, doch das Lächeln blieb. „Auch wenn ich mich … darüber freuen würde … aber es ist nicht möglich …“

„Sage so etwas nicht!“, ermahnte er sie barsch, „Du kommst mit mir! Wir sind Freunde!“

Jetzt sah Shan wieder auf. Ihre Augen waren geweitet. Doch je länger sie ihn ansah, desto weiter schloss sie sie wieder. Und lediglich ihr Lächeln blieb. „Grüße Midna von mir.“

„Nein!“, brüllte er, „Du grüßt sie gefälligst selbst!“

„Und … bitte rette Terra …“, fügte Shan hinzu, „Dafür musst du in die Höhle gehen, die du aus meiner Erinnerung kennst … Dort wirst du sie sterbend vorfinden … Ihr ergeht es im Moment wohl ähnlich wie mir … Gefangen in einer Welt, die auf bloßen Gedanken aufbaut … Auf meinen Gedanken …“ Sie lächelte. „Du befreist uns bitte. Doch – ich bitte dich … Für wen von uns beiden du dich entscheiden wirst, ist doch offensichtlich.“

Shan erhob sich wieder. Sie hielt ihm die Hand hin, als er es ihr nicht sofort gleich tat.

Er ergriff ihre Hand.

„Ich rette dich“, versprach er, als sie ihn aufzog.

Sobald er stand, lächelte Shan erneut. „Nie im Leben.“

Link legte seine beiden Hände auf ihre Schultern, drückte sie ein klein wenig nach unten und beobachtete, wie sie sich vor ihm hinkniete, sichtlich in fragender Erwartung, was jetzt kommen möge.

Mit einer Hand nahm er sanft Ganondorfs Diadem von ihrem Kopf.

Und dann schenkte er ihr einen Kuss auf ihre Stirn.

Er umarmt sie daraufhin sanft, indem er sich auf ihre Höhe stellte. „Ich rette dich“, hauchte er ihr zu, „Versprochen.“

Sie erwiderte die Umarmung. „Das letzte Mal, als mir jemand auf diese Weise etwas versprach …“

„… Ich bin nicht Ganondorf“, wies er sie sanft hin, „Mir bedeuten Versprechen etwas.“

„Grüße Midna von mir“, bat sie ihn noch einmal.

„Wir begrüßen sie zusammen“, antwortete er erneut.

Sie lachte leise. „Wir werden sehen … Link …“

Sie löste sich aus der Umarmung und lächelte ihn noch einmal an. „Man sieht sich, Link.“

Ehe er reagieren konnte, färbte sich der Himmel tiefschwarz und die Welt begann, sich in tausend Scherben zu teilen, zu zerspringen.

Link fühlte, wie er selbst ebenfalls zu Scherben wurde – und wie die Scherben sich zerstreuten.

Er wurde zurückgezogen.

Weggezogen.

Nach draußen. Als Scherben.

Zurück in die Mittsommernacht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Ciel_Phantomhive-
2013-02-01T14:00:30+00:00 01.02.2013 15:00
Man lass endlich ihn mal etwas mit Ilya machen. ûu QQ
Nja alles in allem wie immer ein wunderbares Kapitel. <3 Und es hat doch net so ewig gedauert bis en neues kam. XDD
Freue mich wieder aufs nächste und Shan ist ja echt mal Midna's Zwillingsschwester XDD
muhahah >D

Liebste Grüße dein -Ciel_Phantomhive-



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