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Midsummernight-Princess

Eine Dunkelheit im Herzen
von

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Mit dir - Link

„Shan!“, rief Midna, welche auf ihrem Bett gesessen hatte, laut, als Shan zurückkehrte. Sie war wirklich wieder in ihrer wahren Gestalt … Shan ebenfalls. Sie hatte sich bereits gedacht, dass alle Zauber aufgelöst worden waren. Also war sie gleich in die richtige Rolle zurückgerutscht.

Ganondorfs Diadem hatte sie in ihrer Manteltasche. Sie trug wieder dasselbe Gewand wie an dem Tag, an dem Midna gekrönt worden war. Viel Zeit war seither vergangen …

Midna stand auf, rannte stürmisch auf sie zu und umarmte sie. „Du bist wieder da!“, rief sie erfreut aus, „Ich habe schon nach dir gesucht! Ich wusste doch, dass du auf mich warten würdest!“ Sie drückte sie fester an sich, „Ich habe dich so vermisst …“

Shan spürte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Midna … Sie hatte an sie gedacht … Und sie …?

Shan erwiderte die Umarmung und drückte Midna fest an sich. Sie lebte … Midna war …wirklich zurück … Wirklich …

Und sie hatte sich verändert.

Nein … sie hatten sich beide verändert …

Nach kurzer Zeit ließen sie einander los, wagten es aber nicht, ihre Hände loszulassen, welche die jeweilige Hand der anderen fest hielten.

Midna lächelte sie an. „Ich bin jetzt wirklich die Prinzessin des Dämmerlichts … Weißt du, Shan … Ich habe es nicht vergessen – du hast mich vor Zanto gewarnt … Du hattest Recht … Wenn ich …“

Shan glaubte, sich zu verschauen, doch glitzernde Tränen sammelten sich in Midnas Augen an.

„Midna …“, hauchte sie erstaunt.

„Wenn ich nur auf dich gehört hätte …“, brachte aufgelöst Midna hervor, die Tränen verlierend, „Dann … Dann …“ Erneut umarmte sie Shan stürmisch – nur dass sie diesmal zu schluchzen begann.

Midna weinte … vor ihr … Nur vor ihr … Auch wenn sie ihre Schwester war … Midna weinte nicht. Midna war stark. Selbstbewusst … Immer glücklich … und jetzt … jetzt weinte sie …

Shan drückte ihre Schwester fest an sich. Und ihr selbst stiegen erneut Tränen in die Augen.

Und so standen die beiden Schwestern in ihrem Zimmer und weinten bitterlich.


 

Shan war erneut zwiegespalten … Was sollte sie tun? Ganondorf helfen, wie sie es versprochen hatte, oder sollte sie doch an Midnas Seite bleiben? … Beides würde nicht ewig halten …

Link fühlte die Trauer … die unsägliche Trauer … Er glaubte, sogar Midnas Gefühle spüren zu können …
 

„Und als letzte Zutat – die Energie der Schwarzen Fee“; las sie aus dem Buch vor, welches sie danach sorgfältig wieder in ihre Tasche steckte.

Shan befand sich in einer Höhle, fernab von Hyrule, dort wo die Zutaten gelagert waren – und doch oben in der Welt des Lichts. Die Sonne machte ihr keine Probleme. Sie war jetzt immerhin beinahe fünf Jahre hier oben zugegen. Sie hatte alle Zutaten der Reihe nach besorgt.

Es hatte sich viel einfacher angehört, als es wirklich war. Einige der Mittel, die sie brauchte, musste sie stehlen. Andere musste sie sich erkämpfen … Sie erkannte, weshalb Ganondorf ihr das Fechten näher gebracht hatte. Sie hatte im Geheimen auch geübt. Bewohner des Dämmerlichts benutzten eigentlich keine Waffen – sie waren Magier.

Um Zutaten – wie die Schwarze Fee – zu finden, musste sie sehr viel recherchieren. Oftmals handelte es sich um Geheimnisse, die auch besser geheim bleiben sollten … Doch wenn der Schatten sein Begleiter war, hatte man es viel einfacher, an Informationen zu gelangen.

Sie atmete tief durch.

Auf in ihr Versteck …

Wenn sie die Schwarze Fee dann gefangen hatte, musste sie das Feenvolk angreifen. Es war ein Warnhinweis in einem Buch gewesen. Die Weiße Fee – die sie nicht berühren durfte, wenn sie die Schwarze Fee in ihrer Hand hatte – konnte mit anderen Feen in Kontakt treten und sich somit erstarken … Sie würde eine ernsthafte Gefahr sein.

Sie erinnerte sich noch genau an Ganondorfs Worte: „Gehe jeder Gefahr aus dem Weg. Vernichte die Gefahr, bevor sie die Chance hat, zu einer Gefahr zu werden.“

Sie wusste, was zu tun war. Ganondorfs Erwecken war ihr oberstes Ziel.

Dieses Versprechen …

Sie musste es einlösen!

Und damit warpte sie sich in die Höhle, die nur schwer gefunden werden konnte, wenn man nicht wusste, wo man suchen sollte. Doch Shan wusste es. Sie wusste es nur zu genau. Sie hatte sich jedes Wort der Beschreibung angesehen und eingeprägt …

Mirai – die Schwarze Fee …

Der Ort, an dem sie mithilfe ihres Ringes landete, war ein einfacher Saal aus Stein. Mehr eine Höhle. Doch es war völlig ruhig. Kein Geräusch war zu hören.

Bis Shan einen Schritt ging. Ihr Schritt hallte und hallte – immer wieder und wieder …

„Wer wagt es, uns zu stören?“, erklang plötzlich irgendwo eine Stimme.

„Shan aus dem Dämmerlicht“, antwortete sie ohne zu zögern. Diese Stimme musste einer der Feen gehören.

Plötzlich erschienen vor ihr zwei wunderschöne Gestalten. Ihre Flügel waren mit Federn versehen – die Flügel der weißen Fee weiß, das reine Licht, die unendliche Reinheit … Die Flügel der Schwarzen Fee Pechschwarz … wie die Dunkelheit … Sie waren Teile der Verkörperung von Nacht und Tag.

Sie waren ultimative Gegensätze. Und es war sehr gefährlich, eine von ihnen zu entfernen. Doch Shan musste es tun … Für Ganondorf …

„So, so … Shan aus dem Dämmerlicht?“, wiederholte die Weiße Fee amüsiert – sie war auch zuvor die Sprecherin, wie Shan erkannte.

„Aber wie kommt jemand wie du an diesen Ort?“, mischte sich die Schwarze Fee nachdenklich und äußerst ruhig ein, „Dies ist doch ein Geheimnis …“

Shan sah ihr in die Augen. „Ich muss einen … einen Freund retten …“, erklärte Shan vorsichtig, „Ich brauche Eure Hilfe … Mirai …“

Yurai sah sich vorsichtig um, dann schaute sie Mirai an. Und letztlich wieder Shan. „Wenn dem so ist – woran leidet jener Freund denn?“

„Er liegt im Griff des Todes …“, erzählte Shan bedrückt – und klang dabei so aufrichtig wie möglich. Sie faltete die Hände. „Bitte, Ihr müsst ihm helfen … Ihr müsst mit mir kommen …“

Yurai war eindeutig misstrauisch.

Mirai hingegen nur besorgt.

„Ich gehe“, beschloss die Schwarze Fee ohne zu zögern.

„Nein, du bleibst …! Du weißt nicht, wer sie ist – oder woher sie weiß, wer wir sind!“, entgegnete Yurai und starrte ihre Schwester erbost – und bekümmert - an.

Ihre Chance.

Shan feuerte schnell einen schwarzen Blitz auf Mirai. Yurai warf sich – wie vermutet – vor sie.

Der Blitz lähmte Yurai. Sie krachte auf den Boden. Dunkelheit bekam einer weißen Fee nicht. Und einer schwarzen noch weniger. Und schon gar nicht Ganondorfs Magie, welche verboten und deshalb nicht in der Reichweite der Feen war, konnten sie abwehren. Mirai sah erschüttert zu Yurai, welche sich nicht rührte.

„Keine Sorge, sie lebt noch“; beruhigte Shan die verängstigte Fee. Mirai war ihrer Größe beinahe ebenbürtig – doch so angsterfüllt wirkte sie richtig klein.

Shan sandte einen viel kleineren dunklen Blitz auf Mirai. Die Fee ließ sich treffen. Sie versuchte nicht einmal, auszuweichen …

Der Blitz entnahm Mirai bereits Energie.

Shan wusste, dass sie mit keinem großen Kampf zu rechnen hatte. Es stand genauso beschrieben. Diese Geheimniskrämerei war ein Schutz für die Feen. Durch ihre Eigenschaften als Gegengewichte konnten sie sich nicht im Kampf erproben. Sie waren schwach. Wichtig, aber schwach …

Sie seufzte … Mirai verkleinerte sich immer weiter, bis sie nur noch eine winzige, kleine Fee war. Pechschwarz, aber ansonsten normal – wie Feen eben aussahen …

Shan widmete Yurai noch einen Blick. Gut, es schien mit ihr alles in Ordnung zu sein … Noch …

Sie hoffte, dass sie keine Weltordnung durcheinander brachte, indem sie diese Feen trennte … Doch bereits Leute vor ihr hatten Tote erweckt … Und die Welt war noch in Ordnung …

Sie hob die kleine, schwarze Fee auf und legte sie sanft auf ihre Hand. Sie umschloss sie vorsichtig, um sie vor Schaden zu bewahren.

„Tut mir leid, Yurai …“, murmelte sie noch, als sie sich davon warpte.

Die weiße Fee reagierte nicht.


 

Die Vorbereitungen waren letztlich abgeschlossen. Wenn nichts dazwischen kam, dann würde sie es schaffen – in etwa einem Monat würde Ganondorf wiedererweckt werden!

… Aber es gab weiterhin Gefahren, die sie ausschalten musste …

Zelda – und Link.

Midna wurde bereits das letzte Mal von Ganondorf besiegt. Sie stellte keine Gefahr da … Nein … das tat sie nicht … Sie brauchte nicht Hand an ihre Schwester zu legen … Das … das würde Ganondorf doch verstehen, oder?

Ein Bild des Mannes tauchte in ihrem Kopf auf … Von seinen leeren, starren Augen, welche gerade aus auf Vernichtung starrten … Vernichtung … Sie würde sie wieder hervorrufen …

Aber … Ganondorf … Er verdiente es doch, oder?

Er war es doch, der ihr geholfen hatte … Der erste Mensch, der sie geschätzt hatte … Derjenige, der ihr einen Zweck gegeben hatte – derjenige, der ihr Sinn verschafft hatte … Sie … Sie musste das alles doch tun, oder?

Sie stand in ihrem Zimmer und kramte in Midnas alten Sachen herum, von welchen einige noch immer hier waren. Sie hätte nie gedacht, dass sie einmal froh sein würde, ganz alleine zu leben. Niemand bemerkte je, wenn sie nicht da war. Keiner bemerkte, dass sie verschwinden konnte. Niemand wusste, dass sie nun die Einzige von ihnen war, die die Sonne betrachten konnte … Niemand anders – nur sie …

Sie fand das Festtagsgewand, welches Midna, dadurch, dass sie Königin war, nicht mehr gebrauchen konnte. Sie streifte es sich über. Dazu noch die Handschuhe, die Schürze …

Für diesen Link sollte es ein unvergesslicher Abgang sein.

Von einer Kopie erschlagen zu werden … Von Midna erschlagen zu werden … Er würde sie nicht auseinander halten können. Niemand konnte das. Auch heute nicht … Wie sollte er es können? Fünf Jahre waren verstrichen, seit er Midnas Gestalt gesehen hatte … Er wusste wahrscheinlich nicht, dass es Shan überhaupt gab … Er würde ihr unvorsichtig in die Falle gehen. Wie jeder andere es tun würde.

Für einen kurzen Moment verkrampfte sich ihr Herz. Midna hatte ihr alles erzählt … Alles über die Reise … Einige Aspekte hatte sie bereits im Vorhinein gekannt … Aber andere … Zelda hatte Midna ihre Kraft geschenkt … Midna wäre also schon viel früher gestorben, wenn es Zelda nicht gegeben hätte … Sie konnte Zelda nicht töten … Zelda … Zelda hatte doch Midna gerettet …! Aber einzusperren nützte ihr nichts …

„Sie muss vergessen …“, erinnerte sich Shan selbst an ihre früheren Überlegungen, „Sie muss sich selbst vergessen …“ Sie hatte herausgefunden, dass Erinnerungen der Schlüssel zu allem waren. Ganondorf hatte die Freiheit als ultimative Waffe gesehen. Doch es waren die Erinnerungen … Ihre Erinnerungen an Ganondorf hielten ihre Träume und Wünsche wach … So würde Zelda, wenn sie sich selbst vergaß, keine Gefahr darstellen … Zumindest hoffte Shan das …

Aber sie benötigte noch einen Ersatz für Zelda …

Sie wusste nicht genau, wen sie nehmen sollte … Es sollte jemand Fähiges sein … Jemand, der herrisch sein konnte … aber gut. Gutmütig – dem Volke treu. Wie Midna … Aber Midna war bereits Königin … Sie brauchte jemanden, der seine Vorteile hatte … und der leicht zu kontrollieren war …

Sie ging zu ihrem Bett und hob die Matratze auf, aus welcher sie in danach das Diadem zog, welches Ganondorf ihr anvertraut hatte … Sie würde Midnas Diadem nicht bekommen … Aber … dieser Link würde es wohl erkennen, oder? Ganondorfs Diadem – das Zeichen des Königs des Lichts und der Dunkelheit. Er würde glauben, Midna hätte sich gegen ihn verschworen … Irgendetwas … Irgendetwas, was ihm Schmerzen bereitete, sollte ihm widerfahren … Immerhin hatte Shan auch fünf Jahre lang gelitten … Er hatte ihr Ganondorf genommen … Sie würde ihm sein Vertrauen nehmen! Und sein Leben … Er stellte einfach eine zu große Gefahr dar … Sie wollte noch immer nicht töten … Doch für Ganondorf …

„Alles …“, hauchte sie. Sie würde alles tun … Und so schnallte sie sich das handliche Diadem um den Kopf und verließ ihr Zimmer mit Hilfe ihres Rings.


 

Ordon. Das war das Dorf, in dem dieser Link lebte. In all der Zeit, die sie mit dem Sammeln der Zutaten verbracht hatte, hatte sie nie die Zeit gefunden, diesen Ort aufzusuchen. Sie fragte sich, ob der kleine Held gewachsen war … Ob er überhaupt noch lebte … In ganz Hyrule gab es Siegeshymnen über ihn … Über den Bauern, der zum Helden wurde und sich für das Bauerndasein entschieden hatte … Und darum kaum Kontakt zur Außenwelt hatte.

Ordon war wirklich ein niedlicher Ort … Klein …

Und die Sonne schien hier bestimmt immer wundervoll … Sie stellte sich vor, wie es sein musste, in der Sonne zu sitzen – am Flussufer … Sie hätte Ordon gerne einmal bei Tageslicht gesehen. Aber bei Tageslicht wäre sie auch gesehen worden. Und sie wollte nicht gesehen werden. Nicht von irgendwem. Nur von Link.

Sie sprang vom Hang, auf dem sie stand und schwebte nach unten. Sie wusste nicht genau, wo er lebte – oder wo er war. Sie musste ihn suchen.

Als sie den Weg entlang ging – keine Menschenseele war unterwegs, obwohl es noch gar nicht allzu spät war -, fühlte sie etwas Seltsames. Etwas, was an ihr zog …

Sie wusste nicht, was es war. Dennoch folgte sie diesem Ziehen. Es führte sie zu einem Haus … Einem kleinen Laden, wie ihr schien … Sie schaute durch das Fenster. Ein Mädchen, welches sich um eine Katze kümmerte, stand alleine darin.

Was bedeutete …?

Ihre Augen weiteten sich, als ihr dämmerte, woher sie diese seltsame Macht kannte.

Schicksalskind.

Genau hier …

In Ordon …


 

Sie hatte das Problem mit Zelda gelöst. Dieses Schicksalskind war der perfekte Ersatz für sie. Sie würde sich erst Link entledigen, dann würde sie sich um diese Ilya kümmern … Im Augenblick wusste sie nicht, wie Link auf ihren Zauber reagieren würde … Immerhin war er stärker, als man glauben durfte. Sie musste auf der Hut sein. Es hätte ihr leicht passieren können, dass er eine Immunität entwickelte …

Link war beim Friedhof. Das hatte sie herausgefunden – er wollte sich dort mit Ilya treffen.

Sie hatte Ilya derweil aus dem Laden entfernt, an einen sicheren Ort gebracht, sodass sie nicht auf die Idee kommen konnte, Links und ihr Treffen zu stören – egal wie kurz es werden würde. An diesem bestimmten Ort hatte Shan auch ihre Gedanken gelesen.

Ilya war ein Schicksalskind – es geschah, als sie hilflos mit ansehen hätte sollen, wie der Prinz der Zoras, Ralis, sterben hätte sollen.

Shan beneidete dieses Mädchen … Sie konnte das Schicksal bezwingen … Sie konnte Link im richtigen herbeirufen – und das, obwohl sie sich damals nicht einmal an ihn erinnert hatte … Außerdem war sie in Link verliebt. Schicksalskinder hatten immer Glück – vor allem in dieser Hinsicht. … Je mehr ihnen jemand bedeutete …

Sie musste also sehr vorsichtig sein, wenn sie Link und Ilya zu trennen versuchte … Es war riskant. Beinahe genauso riskant wie bei den Zwillingsfeen …

Doch wenn Link nicht mehr lebte – was sollte ihr dann noch im Wege stehen?

Sie warpte sich zum Friedhof in Ordon. In den letzten fünf Jahren hatte sie sich stark im Umgang mit Ganondorfs Magiemitteln gebessert. Sie hatte hart trainiert … Sie wollte, dass Ganondorf stolz auf sie sein würde …

Vor ihr stand er also … Der Mann mit der grünen Mütze …

Derjenige … derjenige, der Ganondorf …

Haltung. Sie musste Haltung bewahren … Midna … Sie war Midna …

Nein! Wie kam sie nur dazu, so etwas zu denken? Sie …

In diesem Moment hasste sie sich selbst dafür. Für alles. Weshalb tat sie es? Es würde nichts bringen … Nichts, außer eine tiefe Wunde … Aber es war zu spät für einen Rückzieher.

Sie bemerkte, dass er gar nicht vor dem vereinbarten Grab stand. Er begutachtete … ein anderes Grab …

Stillschweigend und lautlos schwebte sie in Links Richtung. Vor wessen Grab stand er?

… Weshalb interessierte sie das überhaupt? … Vielleicht … war es für Midna wichtig? Sie würde ihr irgendwann erzählen müssen, was alles vorgefallen war … Wer sie wirklich war … Was sie getan hatte …Sie würde ihr auch beichten müssen, dass sie den Mann, in den sie verliebt war, getötet hatte … Im Gegenzug zu dem Opfer, was jener Mann von ihr verlangt hatte … War das … gerecht?

Midna würde es entscheiden müssen.

„Das sind deine Eltern?“, stellte Shan leise fest. Es war seltsam, ihn sofort mit „du“ anzusprechen, als ob sie sich schon ewig können würden. Doch noch furchtbarer war es, ihn so anzusprechen, als wäre nichts zwischen ihnen vorgefallen …

„Raito und Kyrie“, antwortete er ihr – wobei er sehr abwesend klang.

„Sind sie schon lange tot?“, informierte sie sich … Wenn ja – dann würde sie ihm sicher einen Gefallen tun, dass er sie endlich sehen durfte, oder? … Wie oft in diesen fünf Jahren hatte sie sich einfach gewünscht, einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen … Wenn sie ein Heilmittel nicht ausfindig machen konnte … Wenn sie die Hoffnung aufgab … Ganondorf …

Erst nachdem er ihr diese Frage beantwortet hatte, sah er sie an. Und sein Blick sprach Bände. Sie unterdrückte ein triumphierendes Lächeln. Er hielt sie für Midna!

Doch er löste die Erstarrtheit, die ihn gefangen genommen hatte und begann, auffällig zu blinzeln. … Wollte … Wollte er sie etwa vertreiben …? Fand er sie unglaubwürdig? Weshalb benahm er sich so, als wollte er aus einem Traum aufwachen?!

„Hat mein Auftauchen dir etwa die Sprache verschlagen?“, fragte sie lächelnd, „Oder bist du immer so schüchtern, wenn dir des Nachts eine Dame am Friedhof begegnet?“ Sie versuchte, so keck wie Midna zu klingen. Midna zu imitieren … Midna … Vor zehn Jahren noch hätte sie sich dafür umbringen können … Und jetzt? Jetzt machte sie es freiwillig … Sie stellte sich sozusagen als Midna vor … Wie sehr die Zeit sie verändert hatte … Die Situation … alles …

Shan war verblüfft, als sie die Antwort vernahm.

„Eigentlich … bin ich erstaunt … hier überhaupt jemanden zu begegnen …“

Eine vorsichtige Antwort …

… Zweifelte er tatsächlich daran, dass sie Midna sein konnte? Was fiel ihm ein? Sie … Sie war doch Midna! Sie sah aus wie Midna – sie redete wie sie … Was fehlte ihr?

„Verstehe …“, sagte sie langsam und unsicher, „Bist du oft hier?“, wechselte sie dann das Thema. Was sollte sie sonst sagen? Er war … er würde ihr nicht glauben, dass sie Midna war, wenn sie ihn jetzt umbringen würde! Es … es war einfach nicht richtig, ihn jetzt zu töten …

Es …

„Nein“, folgte die sehr kurz gehaltene Antwort.

Er blockte. Wollte er wirklich, dass sie verschwand? Oder brauchte er Zeit zum Überlegen … Wieso? Einmal in ihrem Leben wollte sie, dass jemand sie für Midna hielt – zweifellos! – und dann …?

„Ist heute ihr Jahrtag? Ich kann diese Schriftzeichen nämlich nicht lesen – also verzeih die Frage“, sagte sie geradeheraus, wobei ihre Begründung erlogen war. Natürlich konnte sie diese Zeichen entziffern … Aber wenn sie schon beim Thema waren …

„Nein“, antwortete er erneut – genauso geradlinig.

Wieder nur so knapp … Was … Was fiel ihm bloß ein?

Daraufhin schwieg Shan. Was sollte sie noch sagen? Es war offensichtlich, dass er nicht zum Reden aufgelegt war … Weshalb konnte er sie durchschauen?

Warum gelang es ihm …? Bei ihrem ersten Treffen …

Er tat es nicht wie Ganondorf … Er konnte ihr Herz nicht sehen … Er kannte ihre Gefühle nicht … Er würde ansonsten auf den Hass reagieren, den sie gegen ihn empfand … Er hatte Ganondorf getötet …

Warum nur konnte er nicht einfach das tun, was man von ihm erwartete?

„Kennst du mich?“, fragte sie danach. Sie erwartete keine positive Antwort mehr. Aber die Wahrheit … Was dachte dieser Mann nur?

„Warst du bereits bei Zelda?“, fragte er ausweichend.

Ja, er zögerte. Er wusste nicht, ob sie wirklich Midna war … Eine interessante Angelegenheit … Wahrlich interessant …

Insgeheim beantwortete sie seine Frage – nein, noch nicht. Aber wenn sie es war, würde er es bemerken – denn dann würde er diese Frage nicht mehr stellen können.

„Prinzessin Zelda? Nein. Weshalb sollte ich auch zu ihr gehen, wo meine Zeit hier doch begrenzt ist?“, stellte sie ihn auf die Probe. Wenn er sie für Midna hielt, dann würde er doch darauf reagieren – darauf, dass sie ihn vermisste!

„Um ihr zu berichten, dass es einen neuen Zugang gibt. Nicht nur ich war schmerzlich davon betroffen, dass der Spiegel sein Ende gefunden hat“, erklärte er ihr sachlich.

… Ah, jetzt hatte er auf ihre Anspielung geantwortete, ohne seine Unsicherheit zuzugeben … Geschickt … Warum war er bloß Bauer geblieben? Dieser Mann hatte Talent für ein Königdasein … Er dachte strategisch … In diesem einen Moment erinnerte er sie an Ganondorf …

Wahrlich …

Nein – Nein! Was dachte sie da? Er war doch nicht … Er war nicht Ganondorf … Er hatte Ganondorf sogar getötet … Er war … böse.

„Wie kommst du auf die Idee, dass jemand anderer außer mir den Zugang nutzen kann?“, wollte sie von ihm wissen, nachdem sie ihm einen sehr bösen Blick zugeworfen hatte. Er war nicht Ganondorf …

„Es gibt einen Tunnel durch die Welten allein für dich?“, kombinierte er – er klang misstrauisch.

Was sollte sie tun? Sie … Sie musste ihn umbringen … Aber … es erschien ihr so … falsch … Aber er war nicht Ganondorf! Woher kam ihre Scheu …? Was … was war nur los …? All die Jahre lang war sie so entschlossen! Und jetzt – jetzt, wo es darauf ankam … zögerte sie?

Schwächling. Verräter.

Kein Wunder, dass sie es nie zu etwas gebracht hatte …

Ehe sie sich versah, fummelte sie an ihrem Ring herum – und dann hob sie die Hand. Sie erklärte ihm, dass es mit diesem Ring möglich war, durch die Welten zu reisen.

Er wirkte überrascht – und doch hatte er noch immer die Geistesgegenwart, nichts Falsches zu sagen. „Es gibt nur dieses eine Exemplar?“, wollte er schließlich von ihr wissen.

Wieso war er so gerissen?

„Meiner Information nach schon. Und ich habe es genutzt. Lediglich um dich zu treffen, Link von Hyrule“, erzählte sie ihm – und versuchte, dabei aufrichtig nett und aufopferungsvoll zu klingen. So, als wolle sie ihm damit verdeutlichen, dass er keine Scheu haben brauchte. Sie war Midna.

Nein! Nein! Nein!

Sie war nicht Midna – sie wollte nicht Midna sein!

Shan … Ihr Name war Shan! Und sie … sie hatte keine Zeit, sich ewig mit Link herumzuschlagen. Sie musste ein Königreich umstürzen und vorbereiten. Sie musste sich noch auf die Suche nach Ganondorfs Leichnam machen. Ja … sie … benötigte ihn … Die wirklich letzte Zutat … Die allerletzte … Und in etwa einem Monat würde ihre Welt erneut strahlen können …

Ehe er zu einer – vermutlich erneut sehr schlauen – Antwort ansetzen konnte, hob Shan ihren Finger und legte ihn auf Links Mund, um ihn damit zum Schweigen zu bringen. Doch diese Geste hatte auch noch eine andere Bedeutung: Es war eine Warnung … „Komm mir nicht in die Quere“, sagte diese Warnung aus …

„Es ist zwecklos“, beschloss sie, „Ich bekomme dich nicht heran, Link. Du bist … wohl wirklich so schlau, wie sie sagt“, gab Shan zu. Damit hatte sie jetzt also verraten, dass sie nicht Midna war.

Nachdem es ihr also nicht gelungen war, ihn auf diesen Weg zu täuschen, brauchte sie einen anderen Weg …Link musste büßen. Büßen für das, was er getan hatte.

„Ich sagte doch gleich, es sei eine blöde Idee. Du würdest sie bereits zu gut kennen. Ein Held vergisst niemanden, erzählt man sich bei uns. Also brachte es wohl von Anfang an nichts, mich nicht vorzustellen. Du bist nicht darauf hereingefallen“, log sie ihm eiskalt ins Gesicht – und klang dabei erschreckend ehrlich.

Er würde wissen wollen, wie sie Midna so ähnlich sehen konnte … Er würde also einen Teil der Wahrheit benötigen.

„Du hast Recht darin getan, dich nicht zu irren. Du hast es vermieden, mich bei ihrem Namen zu nennen oder auf meine Falle zu antworten. Aber nein wolltest du auch nicht sagen. Das ist es wohl, was man von einem Helden zu erwarten hat.“ Sie machte einige Schritte von ihm fort. „Du sprachst die Wahrheit, indem du nichts sagtest, Held von Hyrule.“

Hoffentlich würde er sie jetzt nicht abweisen. Noch mehr abweisen … Sie sollte lieber auf Nummer sicher gehen … Er musste ihr vertrauen … Er durfte zumindest nicht über sie nachdenken …

Sie hob die Hand und der Ring strahlte ein Leuchten aus. „Ich bin nicht meine Schwester. Ich bin nur diejenige, die dir Folgendes ausrichtet: Verlasse Hyrule auf der Stelle!“

Und mit diesen Worten verschwand sie in einem gleißenden Lichtblitz.

Die Blitze erzeugte sie selbst mit Hilfe der Blitze der Dunkelheit. Dadurch wirkte es viel heller – und Helligkeit deutete doch auf „gut“ hin, oder? Und sie musste gut wirken.

Sehr gut sogar …

Immerhin war dies ihre erste Aufgabe gewesen.

Ihre erste wirkliche Aufgabe …

Und sie hatte kläglich versagt.

„Verlasse Hyrule auf der Stelle“, wiederholte sie für sich allein, als sie vor Ilya landete, welche noch immer schlief.

Weshalb hatte sie das gesagt? … Wollte sie … Wollte sie ihn beschützen?

Ganondorf belügen? … Ihm sagen, dass Link tot wäre … Und dabei wäre doch nur anderswo?

Wo auch immer er sein würde … Er würde ihr nicht in die Quere kommen können.

Und dies war doch ihre Aufgabe … Ihn zu verscheuchen …

Er … er erkannte Midna wirklich.

Und … würde er Shan ebenfalls kennen können?

Würde er sie sehen können?

Ihr Herz schlug wild vor Aufregung.

Aber sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte …

Nein … Sollte sie nicht.

Wahrlich nicht …

Sie hatte so kläglich versagt …

So kläglich …


 

Link erinnerte sich. Das erste Treffen mit ihr … Es war … wundersam … Mystisch …Unglaublich … Er wollte es wirklich nicht wahr haben … Aber er fand auch die Bestätigung … Es war sie … Sie … die ganze Zeit …

Shan …

Weitere Bilder flogen ihm entgegen.

Shan in der Höhle. Shan bei ihm. Shan bei Terra. Wieder in der Höhle. Sie weinte …

Sie verriet Link an Ilyas Wachen. Shan hatte Taros Gedanken gelesen und seine Erinnerungen verändert … Ilyas, Taros … Alle … Thelma war auch in ihrer Erinnerung … Sie hatte Claudes und Thelmas Erinnerungen verschoben, sodass sie glaubten, Shan sei die ganze Zeit bei ihnen gewesen … Sie hatte aber gekämpft … Anderswo. Bei dieser Höhle … Gegen … Terra? Und gegen diese Weiße Frau … Diese Höhle ... Dort fand alles statt … Dort kam alles zusammen … Dort …

Jetzt erkannte Link, weshalb die Weiße Frau ihm gegenüber so feindselig war … Es galt eigentlich nicht ihm. Es galt Ganondorfs Schergen.

Shan.

Immer … immer wieder … stellte Shan ihm die Hürden. Wenn sie einen Fehler seinerseits entdeckte, verstärkte sie ihn – dadurch war er zum Beispiel nicht auf den Goronenberg gelangt, wie ursprünglich vorgehabt … Doch dies war kein Fehler … Nicht wirklich …

Shan hatte all diese Fäden gezogen … Diese Stricke … und diese Stricke hatten sich verdichtet.

Doch nicht um seinen … nein …

um ihren schön geschwungenen Hals …



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Ciel_Phantomhive-
2013-01-19T15:16:57+00:00 19.01.2013 16:16
Jai Ilya wurde mal wieder erwähnt, wie nett von dir! û.u
Jedenfalls ein erneut gelunges Kappi un i-wie fände ich echt das Shan supi zu Ganondorf passen würde. *__* xD Ka warum. D:
Jedenfalls freue mich wieder aufs nächste!!!! *-*

Liebste Grüße dein -Ciel_Phantomhive-

Von:  fahnm
2013-01-18T23:55:35+00:00 19.01.2013 00:55
Super Kapi^^


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