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Where the heart truly lies

James Norrington x OC
von

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London, Frühjahr 1748 ~ Summerset Palais

London, Frühjahr 1748

Summerset Mansion
 

„Liebes, ich möchte dir gerne Midshipman James Norrington von der Royal Navy vorstellen. Ein äußerst charmanter junger Mann, er stammt aus einer Familie in denen sich alle Männer der Royal Navy verschreiben, er hat die besten Voraussetzungen um einmal Admiral zu werden. Solche Männer musst du dir früh genug schnappen.“, kicherte die junge Lady, die ihre beste Freundin an ihrem Arm durch einen großen Salon führte.

Ein Streichquartett spielte eine heitere Komposition, Kerzen erleuchteten den Raum, es wurde gelacht und sich unterhalten, man pflegte alte Bekanntschaften oder knüpfte neue, an einem Tisch wurden Karten gespielt.

„Wenn ich nicht schon vergeben wäre würde ich mir glatt diesen schnappen.“, kicherte die junge Lady erneut.

„Mary-Anne, du kriegst wohl nie genug.“, schmunzelte ihre Freundin.

„Es wird ja noch erlaubt sein sich Appetit zu holen, oder? Gegessen wird ohnehin zu Hause.“

„Mary-Anne!“

„Sei du erst einmal verheiratet meine Liebe, dann reden wir weiter. Ah, James! Wie wundervoll Sie heute hier begrüßen zu dürfen! Ich hoffe doch ihr habt ein paar spannende Geschichte vom Meer mitgebracht?“

„Guten Abend, Lady Summerset.“

Die Rechte Hand hielt sie dem jungen Mann entgegen, mit der anderen fächelte sie sich Luft zu mit ihrem Fächer. Der junge Mann hatte sich mit einem höflichen Lächeln zu ihnen gewandt, die Hand der jungen Lady ergriffen, sich leicht vorgebeugt und hauchte einen Kuss auf die zarte Hand.

„Es ist schier unmöglich euren charmanten Einladungen nicht folge zu Leisten, Milady.“

„Oh James, ihr versteht es einer Frau zu schmeicheln.“ Kokett lächelte sie und spielte mit ihrem Fächer. „Ich wollte euch die Ehre zuteil werden lassen meine beste Freundin kennenzulernen, Victoria Montague. Victoria, liebes, nur nicht so schüchtern, der junge Gentlemen beißt nicht.“, schmunzelte die Lady kokett und zog ihre Freundin hinter ihrem Rücken hervor.

„Victoria, ich möchte dir James Norrington vorstellen, Midshipman der Royal Navy. James, meine beste Freundin Victoria Montague, ihr Vater besitzt einige Tabak- und Baumwollplantagen in Virginia.“

Ihre Freundin besaß keinen Titel, also musste man anderes anpreisen wenn sie irgendwann heiraten sollte und Länderein in der Neuen Welt zu besitzen waren gerade groß in Mode und heiß begehrt.

„Ich bin hocherfreut ihre Bekanntschaft zu machen, Milady Montague.“

Victoria tat einen kleinen Knicks, ihre Wangen bekamen ein hauchzartes Rot als auch er ihr ihre Hand an seine Lippen hob und sie mit Milady ansprach.

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Midshipman Norrington.“

„Nennt mich einfach James, Milady, Freunde von Milady Summerset sind auch meine Freunde.“, lächelte er.

Ihre Wangen gewannen mehr an Rot als er ihr in die Augen blickte und sie anlächelte. Dieses Grün seiner Augen, das so im Kontrast mit seinem braunen Haar stand, hielt sie auf unerklärliche Art gefangen.

„Huch, man verlangt nach mir, entschuldigt, als Gastgeberin hat man keine Minute Ruhe, James, ich vertraue Ihnen nun meine beste Freundin an, unterhalten Sie sie gut, ich möchte keine Klagen hören.“

Mit schwingenden Röcken wandte sich die junge Lady Summerset ab. Victoria war zwar nicht zum ersten Mal zu so einem Abend eingeladen worden, aber bisweilen war sie immer an der Seite ihrer Freundin gewesen und… nie alleine bei einem Mann.

„Ihr… habt euch… dem Meer verschrieben?“

„Eine alte Familientradition.“, lächelte er. „Da euer Vater Land in der Neuen Welt besitzt, wart Ihr schon einmal dort?“

„Nein. Ich habe meinen Vater nie dorthin begleitet. Ich habe das Meer bisher nur von der sicheren Küste aus gesehen. Es muss aufregend und spannend sein so viel von der Welt zu sehen und alle Weltmeere zu bereisen.“

„Nur halb so spannend wie viele glauben. Bisher habe ich noch keine Piraten bekämpft, falls Milady das meinen.“

„Gibt es denn wirklich solche Piraten?“

„Die gibt es sehr wohl Milady, aber das ist nicht das geeignete Thema an solch einen Abend. Würde Milady mich nach draußen auf einen kleinen Spaziergang begleiten?“

„Es wäre mir eine Freude.“, nickte sie lächelnd und sie ergriff den Arm welchen er ihr anbot.

Für Frühjahr war es schon recht warm und so war es angenehm draußen in der kühlen Brise sich etwas zu erfrischen. Die Frische tat ihr gut und kühlte ihre erhitzten Wangen ein wenig.

„Milady war wirklich noch nie auf hoher See? Obwohl euer Vater Land auf Übersee besitzt?“

„Nein, noch nie. Mein Vater ist der festen Meinung, dass eine Frau nicht auf ein Schiff gehört.“

„Wenn man dem alten Seemannsgarn glauben schenken will, dann bringt eine Frau auf einem Schiff Unglück.“

„Aber die Neue Welt muss doch unheimlich langweilig sein ohne Frauen, oder?“, schmunzelte sie und brachte damit auch ihn zu schmunzeln.

„Ich stelle es mir furchtbar langweilig vor. Darf ich fragen, ob Milady aus London sind?“

„Eine richtige Londonerin.“, lächelte sie. „Und ihr… James?“

„Aus Southampton.“

„Oh, dort hatten wir einmal Verwandte besucht, das ist schon länger her. Aber ich fand es äußerst schön dort… Direkt an der Küste. Ihr seid oft lange auf See, oder?“

„Über Wochen und Monate.“, nickte er.

„Vermisst ihr da nicht manchmal eure Heimat?“

„Ich kenne es nicht anders. Schon als kleiner Junge wurde ich von meinem Vater auf sein Schiff mitgenommen.“

„Also ist das Meer eure große Liebe?“

„Bist jetzt…“, schmunzelte er und sah sie dabei an.

Victoria errötete, atmete tief durch.

„Milady hat noch nie ein Schiff betreten?“

Sie dankte ihm im Stillen das Thema zu wechseln.

„Noch nie...“, schüttelte sie sachte den Kopf.

„Nun… wenn es Milady interessiert… kann ich es gewiss arrangieren, dass ich Milady auf die Victory einlade? Ein prächtiges Schiff, es hat gerade erst die königlichen Docks in Portsmouth verlassen. Es wäre doch passend wenn die Victory besuch von Milady Victoria erhält, oder?“

„Es wäre mir eine große Freude… James…“, lächelte sie.
 

„Victoria! James! Ich habe mich schon gewundert, da entführt ihr mir einfach meine beste Freundin.“

„Verzeiht Milady, Miss Montague war so freundlich mich auf einen kleinen Spaziergang zu begleiten.“

„Ihnen verzeihe ich alles James, schließlich ist meine Victoria bei Ihnen ja in besten Händen.“, schmunzelte sie. „Ich wollte euch nur hineinbitten, das Quartett spielt zum tanzen auf, außerdem wird nach euch verlangt, James.“

„Wenn die Damen mich entschuldigen würden. Miss Montague, es wäre mir eine Ehre wenn Ihr den ersten Tanz mir zusichern würdet.“

„Das tue ich mit großem Vergnügen, James.“

Ein knappes Nicken, eine leichte Verbeugung und er wandte sich von den Damen ab.

„Habe ich dir zu viel versprochen meine Liebe?“

„Hast du etwa vor Kupplerin zu spielen?“

„Er ist ein ehrenvoller, nobler junger Mann der es in der Navy noch weit bringen wird. Als beste Freundin muss ich schließlich ein Auge auf dich haben, außerdem bist du in dem besten heiratsfähigem Alter. James Norrington ist die perfekte Partie für dich Liebes. Groß und stark, gutaussehend und hast du erst seine Augen bemerkt? Außerdem ist er ein perfekter Gentleman. Und er soll wissen wie man ein Schwert handhabt.“, sprach sie anzüglich und kicherte.

„Mary-Anne! Also… also wirklich!“

„Ach, Victoria… nun komm schon… wappne dich erst einmal für den Tanz, jede andere ledige Frau wird dich mit eifersüchtigen Augen durchbohren wollen weil der erste Tanz mit James Norrington dir gehört. Ohne jede Frage ist er heute Abend der bestaussehendste Mann unter meinen Gästen.“

„Du willst mich wirklich mit ihm verkuppeln wie mir scheint.“

„Warte ab, ich werde ihm nur das Beste über dich erzählen. Er wird dir schon noch seine Aufwartung machen.“

„Nein, Mary, das ist nicht nötig.“

„Victoria, es wird langsam an der Zeit, dass du dir einen Mann aussuchst und diesen solltest du dir besser nicht entgehen lassen. Sonst kommt noch irgendeine kleine Adelige dahergelaufen die nicht weiß was sie an ihm hat. Nun komm… wir gehen jetzt wieder rein und tanzen ein wenig, hm? Er gefällt dir, oder?“ Sie lachte leise. „Das sehe ich dir an deinen roten Wangen an meine Liebe. Ach, Victoria… stell dir nur vor… Mrs. Victoria Norrington, Gattin von Leutnant Norrington… Gattin von Commander Norrington, Gattin von Captain Norrington, Gattin von Commodore Norrington… Gattin von Admiral Norrington… Das klingt gut, oder nicht?“

Victoria musste sachte lächeln.

„Ja… schon, das… klingt schon sehr gut. Aber bist du nicht zu voreilig, vielleicht gefalle ich ihm gar nicht so sehr, vielleicht bin ich zu jung, zu unerfahren, zu…“

„Scht… Ruhe jetzt. Seine Familie hat zwar einen Haufen Admiräle hervorgebracht, hat aber dennoch keinerlei Titel. Er kann nicht allzu hohe Ansprüche stellen, keine Lady von Stand würde selbst nicht für einen James Norrington unter ihren Verhältnissen heiraten. Lass mich nur machen. Ich wette mit dir, in spätestens einem Jahr wird er dir die Welt zu Füßen legen. Aber jetzt wirst du ihm erst einmal beim tanzen den Kopf verdrehen.“
 

So begaben sich die beiden Damen wieder in das Innere des prächtigen Anwesens. Es dauerte nicht mehr lange als zum Tanz aufgespielt wurde und wie von ihrer Freundin vorher gesagt, trafen sie schon jetzt die ersten eifersüchtigen Blicken als James Norrington an ihrer Seite auftauchte und sie zum Tanz bat. Die ganze Zeit über konnte sie ihre Augen nicht von ihm lassen. Man konnte schon sagen, dass der junge Mann es ihr angetan hatte und sie sich geschmeichelt fühlte seine Aufmerksamkeit auf sich Ruhen zu haben.

„Milady tanzen als hättet Ihr nie etwas anderes in eurem Leben getan.“

„Vielen Dank, James.“, lächelte sie. „Ihr tanzt auch außerordentlich hervorragend.“

„Noch längst nicht so leichtfüßig wie Milady.“

„Ihr schmeichelt mir zu sehr, mein Herr.“

„Verzeiht Milady, aber… ich kann bei Euch einfach nicht anders.“

Sie musste leise kichern.

„Umgarnt ihr junge Frauen immer so schnell mit schmeichelnden Komplimenten?“

„Nicht bis heute Abend, Milady.“

Sie spürte wie ihre Wangen erröteten und merkte noch rechtzeitig, dass die Musik aufgehört hatte.

„Ich wäre erfreut wenn Milady mir einen weiteren Tanz zusichern würde.“

„Wollt ihr heute Abend etwa keine andere Dame zum Tanz auffordern?“

„Nein. Natürlich nur wenn Milady nichts dagegen auszusetzen hat.“

„Nein, nein! Ich… es… wäre mir eine Ehre.“

„Die Ehre liegt ganz auf meiner Seite.“, lächelte er und es viel ihr schwer dem charmanten Lächeln zu wiederstehen.

„Ihr solltet Euch schämen… so sehr wie Ihr mir schmeichelt, wir kennen uns erst seit heute.“

„Und der erste Eindruck ist immer der Wichtigste. Ich möchte mich Milady nur von meiner besten Seiten präsentieren.“

„Ich bezweifle schon jetzt, dass iIhr überhaupt eine andere Seite habt.“, schmunzelte sie.

„Jetzt schmeichelt Ihr aber mir.“

„Ich finde langsam gefallen daran, James.“, lächelte sie.

„Dann darf ich gespannt sein wie Milady mir noch mehr schmeicheln wollen als mit eurer Anwesenheit?“

„Indem ich Euch vielleicht gewähre den ganzen Abend mit mir zu tanzen?“

„Milady… Ihr habt meine Gedanken gelesen.“

Sie fand wirklich langsam den gefallen daran, auch wenn sie sich noch nicht sicher war, ob er das alles ernst meinte oder nur ein wenig spielte. Aber… das Lächeln in seinem Gesicht schien so ehrlich…

„Dann möchte ich heute mit Vergnügen so gnädig sein und nur mit Euch tanzen, James.“

„Milady sind zu gütig zu mir.“ Lächelnd ergriff er ihre Hand und hauchte einen Kuss auf diese.

„Bei einem so charmanten, jungen Mann kann man gar nicht anders.“

Beide lächelten einander an bevor Victoria auf die Schulter getippt wurde.

„Amüsiert ihr euch gut?“

„Hervorragend, Mary-Anne.“

„Du bist mir hoffentlich nicht böse wenn ich den guten James kurz entführe? Keine Sorge, ich bringe ihn dir unversehrt zurück.“

„Natürlich Mary.“, nickte sie, doch etwas peinlich berührt und ihre Wangen röteten sich. Ihr hauchte er noch einen Kuss auf die Hand ehe er der Gastgeberin seinen Arm anbot, sie diesen ergriff und ihn hinaus auf einen Balkon führte.
 

„Ihr findet offensichtlich gefallen an meiner lieben Victoria?“, schmunzelte sie. „Sie ist auch ein wunderbares Mädchen, immer ist sie so bescheiden. Sie ist viel zu liebevoll für diese Welt.“

„Miss Montague ist eine reizende Persönlichkeit.“

„Fragt Ihr jede reizende Persönlichkeit ob sie den gesamten Abend nur mit Euch tanzen möchte?“, schmunzelte sie. „Verzeiht, ich konnte nicht anders als ein wenig zu lauschen. Ich möchte nur ein bisschen auf sie acht geben, sie ist unschuldiger als ein neugeborenes Lamm. Wenn Ihr euch also für sie interessiert, dann hoffe ich für Euch, dass Ihr nicht mit ihr spielen werdet. Ich kann sonst äußerst unangenehm werden, Mister Norrington. Nun… wie ich bereits sagte, besitzt ihr Vater Land in Amerika und das nicht gerade wenig. Er handelt mit Tabak und Baumwolle. Güter die immer gebraucht werden. Er ist derzeit in Amerika und es wird noch Monate dauern bis er wieder zurückkehrt. Ihre Mutter ist vor drei Jahren verstorben, sie hat noch eine kleine Schwester, Angelica. Victoria ist zurzeit diejenige die den Haushalt und die Ausgaben bei sich zu Hause überwacht und die Erziehung ihrer Schwester. Die Familie besitzt zwar ein kleines Vermögen, aber Mister Montague hält einen Großteil zurück um dies Geld als Mitgift für seine Töchter zu sichern. Victoria hatte es nicht einfach seid dem Tod ihrer Mutter und die lange Abwesenheit ihres Vaters. So ein Abend wie heute ist eine seltene Abwechslung für sie geworden. Und trotzdem hat sie immer ein offenes Ohr für andere Probleme und versucht zu helfen wo sie kann. Als mein Mann und ich uns fürchterlich gestritten hatten, hatte sie tagelang auf ihn und mich eingeredet bis wir uns wieder versöhnt hatten. Sie ist die Güte in Person. Ihr werdet sicher verstehen, dass ich daher nur das Beste für meine Victoria möchte?“

„Natürlich Milady. Ich versichere Ihnen, das meine Absichten ehrlicher Natur sind.“

„Das will ich für Sie hoffen, James. Und nun entlasse ich Euch, geht wieder hinein und lasst Victoria nicht warten mit dem nächsten Tanz.“, schmunzelte sie.

„Milady.“, nickte er und wandte sich ab.

Schmunzelnd beobachtete sie wie die zwei erneut miteinander tanzten und nur Augen für einander zu schienen haben. Sie wusste, dass sie immer ein gutes Händchen als Kupplerin hatte.
 

„Du solltest wieder öfter meine Einladungen annehmen, solche Abende scheinen dir gut zu tun, du wirkst wie ausgewechselt.“

„Danke Mary, ich würde gerne, aber du weißt ich kann nicht jeden Abend damit verbringen mich zu vergnügen.“

„Aber du solltest nicht soviel Zeit verstreichen lassen bis zum nächsten Mal. Ich würde dich hier auch gerne als meinen Gast begrüßen dürfen für längere Zeit, deine Schwester natürlich auch. Dann bräuchtest du dich um nichts sorgen und es würde dir gut tun.“

„Mary, du weißt, dass ich das nicht kann.“

„Nicht so bescheiden meine Liebe. Hier bräuchtest du dich um nichts kümmern, ich habe genügend Bedienstete.“

„Danke Mary, aber nein.“

„Dann versprich es mir für den nächsten Ball. Wenn ich wieder einen Ball ausrichte wirst du vorher mindestens eine Woche vorher hierherkommen und mein Gast sein, versprochen?“

Victoria seufzte leise auf.

„Ja… versprochen.“

„Wunderbar! Dann muss ich ja schnellstmöglich einen Ball organisieren! Ich freue mich schon Liebes.“ Sie gab ihrer Freundin rechts und links ein Küsschen auf die Wange. „Sei Vorsichtig auf den Heimweg, ja? Du solltest dir wirklich angewöhnen meine Angebote anzunehmen.“

„Ich kann das auch zu Fuß, wirklich, ich bin an der frischen Luft und außerdem tue ich gleichzeitig etwas für meine Figur.“

„Aber zu solch einer Uhrzeit.“

„Es macht mir wirklich nichts aus. Gute Nacht, Mary. Es war wirklich ein wunderbarer Abend.“

„Ein wunderbarer Abend mit James Norrington, hm?“, lachte sie leise. „Gute Nacht, Victoria.“

Mit einem Schmunzeln wandte sie sich ab und trat von der Veranda herunter. Etwas anderes hatte sie von ihrer Freundin nicht erwartet. Sie kannte sie gar nicht anders. Auch wenn sie zugeben musste, dass sie wirklich restlichen Abend nur mit James verbracht hatte und… es war wirklich wunderbar gewesen wieder zu tanzen, James war wirklich ein hervorragender Tänzer und sie hatte sich wunderbar mit ihm unterhalten.

„Lady Montague?“

Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie aus diesen hochschrak.

„Oh, James, Ihr… seid noch hier?“

„Ich wollte gerade gehen, Milady ebenfalls?“

Er war auf sie zugetreten, hatte sich umgesehen aber… es verwunderte ihn, dass sie in keiner Kutsche saß.

„Ja, ich muss jetzt wirklich gehen, es war ein wunderbarer Abend, gute Nacht.“

„Ihr habt keine Kutsche?“

„Ich muss jetzt wirklich gehen, auf wiedersehen.“

„Ihr wollt zu Fuß gehen? Das sind fast zwei Stunden bis nach London hinein.“

„Es macht mir nichts aus, es ist warm genug, und… und außerdem muss eine Frau auf ihre Figur achten. Gute Nacht.“

„Milady, es wäre mir eine Ehre wenn ich Euch nach Hause begleiten dürfte.“

„Das ist wirklich nicht nötig.“

„Milady, als Midshipman seiner Majestät verbietet es mir meine Ehre eine Dame nachts um diese Uhrzeit alleine und schutzlos…“

„Das ist edel von Euch aber…“ Sie seufzte leise auf und konnte in seinen Augen lesen, dass er wohl keinen Zweck hatte zu wiedersprechen. „Ich nehme gerne an, James.“, nickte sie sachte. Lächelnd hielt er ihr den Arm hin den sie dankend entgegennahm und er führte sie zu der noch einzigen wartenden Kutsche. Er war ihr beim Einstieg behilflich und erst als sie drinnen saß folgte er ihr. Mit einem kleinen Ruck setzte die Kutsche sich in Bewegung.

„Das ist nett von Euch, danke.“, sagte sie leise, hielt den Blick gesenkt.

„Lady Summerset sagte mir bereits, dass Ihr äußerst bescheiden seid.“, lächelte er. „Es ist eine seltene Tugend heutzutage geworden.“

„Ich schätze Lady Summerset hat Euch einiges über mich erzählt?“

„Einiges.“

Sie seufzte leise auf.

„Ihr habt es seid einiger Zeit nicht einfach, wie ich hörte, Milady. Den Verlust den Ihr zu beklagen habt tut mir aufrichtig leid.“

„Es ist schon lange her. Das Leben geht weiter.“

„Und ich bewundere wie Ihr mit der Situation umgeht.“

Nun blickte sie doch auf.

„Es ist bewundernswert wie ihr Euch für Haus und Familie aufopfert. Die jungen Damen die ich bisher kennengelernt habe, vergnügen sich Abend für Abend auf Bällen, Soupes, in Theatern und Opern. Und Ihr verzichtet auf alles um Euch um den Haushalt und Eure Schwester zu kümmern. Viele würden dies nicht tun. Ich bewundere Euch dafür.“

„Es bleibt mir nichts anderes übrig, aber danke.“ Ein schwaches Lächeln lag wieder auf ihrem Gesicht.

„Ich würde Euch daher gerne in wenigen Tagen auf die HMS Victory einladen. Eure Schwester natürlich auch.“

„Die Einladung nehme ich gerne an.“ Ihr Lächeln wurde etwas stärker. „Sie wird sich freuen, sie war ebenfalls noch nie auf einem Schiff. Ich muss Euch aber vorwarnen James, sie wird Euch über Piraten ausfragen.“

„Dann werde ich sie leider an den Captain verweisen müssen.“, lächelte er.

Sie entspannte sich wieder ein wenig und lehnte sich zurück.

„Wie alt ist Eure Schwester?“

„Sie wurde 15 im letzten Winter. Ein nicht gerade einfaches Alter. Sie möchte nie das tun was man ihr sagt und immer ihren eigenen Kopf durchsetzen.“

„Waren wir anders in dem Alter?“, schmunzelte er.

„Habt Ihr Geschwister?“

Er schüttelte sachte den Kopf.

„Mein Vater war selten zu Hause. Das ist er auch noch heute.“

„Und Ihr seid zur Navy gegangen wie alle anderen in Eurer Familie ebenfalls?“

„Mir blieb nichts anderes übrig. Mein Vater hätte etwas anderes nicht akzeptiert.“

„Ihr seid jung für einen Midshipman.“

Er lachte leise. Das Lachen gefiel ihr, es war warm und offen und mit seiner Stimme...

„Milady, auch ich habe als einfacher Matrose angefangen obwohl mein Vater Admiral seiner Majestät ist. Er sagt stets, dass man sich alles im Leben verdienen und erarbeiten muss.“

„So unrecht hat Euer Vater da ja nicht.“

„Es hat mir zumindest nicht geschadet.“

Sie strich sich mit einer Hand über ihren Oberarm, nur ein dünnes Tuch trug sie um ihre Schultern.

„Ist Euch kalt, Milady?“

„Es geht schon, es…“

Doch da hatte er sich schon die Uniformjacke ausgezogen, war auf ihre Seite der Kutsche gewechselt und hatte ihr die Jacke über die Schultern gelegt.

„Danke.“, lächelte sie sachte. „Das ist… sehr zuvorkommend von Euch.“

„Selbstverständlich, Milady.“

„Ihr seid viel zu nett zu mir James, schon den ganzen Abend macht Ihr mir Komplimente.“

„Wenn ich damit aufhören soll, müsst ihr es mir sagen, auch wenn ich denke, dass ich es kaum schaffen werde. Milady sind dafür zu reizvoll.“

„Seid Ihr so charmant zu jeder jungen Damen die Ihr gerade kennen gelernt habt? Ihr seid ja bei weitem nicht sparsam mit euren Komplimenten. Ich hoffe es war keine Fehlentscheidung meinerseits zu Euch in die Kutsche gestiegen zu sein.“

„Milady, ich versichere Euch bei meiner Ehre als…“

Sie lachte leise.

„Ich vertraue Euch, James. Mary-Anne hat mir viel Gutes über Euch erzählt.“

„Ich hoffe es gab auch nur gutes zu erzählen.“

Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen und sein breites Lächeln, dass sie an das eines kleinen Jungen erinnerte der gerade ein Stück Naschwerk stibitzt hatte, steckte sie an und sie konnte gar nicht mehr anders als ebenfalls zu lächeln. Mit leicht geröteten Wangen wandte sie ihren Blick ab.

„Ich weiß gar nicht wie ich Euch danken soll. Ich denke, ich werde Euch dafür zum Tee einladen müssen.“

„Ich wollte eigentlich sagen, dass ein Lächeln von Euch schon Dank genug wäre, aber wenn Ihr mich gleich zum Tee einladen wollt…“

Sie musste leise lachen.

„Ja, ich würde Euch gerne zum Tee einladen als Dank.“

„Die Einladung nehme ich mit Vergnügen an.“

Sie seufzte leise auf.

„Da kennen wir uns erst wenige Stunde und schon lasse ich mich von Ihnen nach Hause kutschieren und lade Sie zum Tee ein… Sie müssen ja glauben, dass ich ein leichtes Mädchen wäre.“

„Das würde ich niemals, Milady.“

„Victoria. Ihr dürft mich Victoria nennen.“, lächelnd blickte sie wieder auf.

„Ich fühle mich geehrt, Victoria.“, lächelte er und nahm ihre Hand in seine, führte sie an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf diese.

Sie konnte irgendwie gar nicht anders in seiner Nähe als zu lächeln und ihn zum Tee einladen. Das war nicht sie selbst. Sie selbst hätte ihn womöglich erst nach Wochen zum Tee eingeladen aber irgendetwas hatte er an sich, dass sie es sofort tat um nicht allzu viel Zeit verstreichen zu lassen, bis sie ihn wieder sah. Was machte dieser Mann nur mit ihr… Sie glaubte schon fast ein dauerndes Lächeln auf dem Gesicht zu tragen.

Nahezu zwei Stunden verbrachten sie in der Kutsche und unterhielten sich angeregt. Als die Kutsche vor dem Haus der Montagues vorfuhr, kannte sie seine Lebensgeschichte und er ihre. Sie hatte irgendwie das Bedürfnis gehabt ihm alles zu erzählen und auch bei ihm war es nicht anders gewesen. Er entstieg als erstes der Kutsche bevor er ihr behilflich war, ihr seine Hand hinhielt und sie diese ergriff. Bis zur Haustür brachte er sie.

„Ich danke Euch vielmals, James. Es war außerordentlich freundlich von Euch.“

„Ich hätte es mir nie verzeihen können Euch zu dieser Stunde alleine nach London laufen zu lassen, Gott weiß, was Euch hätte alles passieren können. Und ich fand es angenehm und amüsant in Eurer Gesellschaft wieder nach London zu fahren.“, lächelte er.

„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Danke noch einmal, James.“, lächelte sie.

„Ich habe es gerne getan, Victoria. Danke für den wunderbaren Abend.“

„Gute Nacht, James.“

„Gute Nacht… Victoria.“, lächelte er, gab ihr erneut einen Handkuss.

Sie konnte sich an diese Geste wirklich gewöhnen. „Ich melde mich schnellstmöglich bei Ihnen bezüglich der HMS Victory, das verspreche ich.“ Sie blieb noch so lange an der Tür stehen bis er wieder in der Kutsche saß und diese davon fuhr, sah dieser sogar noch nach bevor sie sich der Tür zuwandte und diese aufschloss.
 

„Wo bist du so lange gewesen?“

Sie schrak zusammen als sie die Lampe entzündete und plötzlich ihre Schwester auf der Treppe sitzen sah.

„Angelica, du gehörst längst ins Bett! Und du weißt genau wo ich gewesen bin, Mary-Anne hatte mich eingeladen.“

„Wer ist das da draußen? Er hat dich bis zur Tür gebracht. Das ist gewiss seine Kutsche. Wer ist er? Er trägt eine Uniform. Von der Navy. Wo hast du ihn kennengelernt? Du warst mit ihm alleine in seiner Kutsche?“

„Angelica, du stellst zu viele Fragen die dich nicht zu interessieren haben aber bevor du etwas falsches denkst, dieser Mann der mich freundlicherweise nach Hause gebracht hat, ist James Norrington, Midshipman der Royal Navy. Ein guter Bekannter von Mary-Anne, wir wurde heute einander vorgestellt und er wird bald zum Tee hierher kommen und wenn es soweit ist, dann solltest du dich zu benehmen wissen.“

„Aha, du hast ihn schon zum Tee eingeladen und das wo du ihn erst heute Abend kennengelernt hast?“

„Meine Liebe, ich bin erwachsen im Gegensatz zu dir. Und ich kann einladen wen ich will. Rauf auf dein Zimmer mit dir und ab ins Bett. Ich werde ein Wörtchen mit Evelyn reden müssen, du brauchst wohl etwas mehr Beschäftigung damit du um diese Uhrzeit erschöpft schläfst.“

„Ich finde es ungerecht! Du gehst aus und lernst junge Männer kennen und ich muss hier bleiben und versauern!“

„Angelica Maria Montague! Du bist zu jung um an junge Männer zu denken und um solche Uhrzeiten dich auf Abendgesellschaften zu amüsieren! Du solltest lieber deine Französisch und Deutsch Kenntnisse aufbessern satt auf der Treppe zu sitzen und mein Heimkommen zu überwachen!“

„Das ist ungerecht! Ich bin schon 15! Lucy wird schon nächstes Jahr heiraten! Lucy ist bereits schon verlobt!“

„Mit einem Mann denn sie noch nicht einmal gesehen hat. Wenn Lucy von einer Klippe springt, wirst du das dann auch tun?“

„Ich bin alt genug, ich will auch auf eine Abendgesellschaft gehen!“

„So wie du dich gerade aufführst, beweist du mir nicht dass du alt genug wärest.“

Sie sah ihrer Schwester an, dass es nicht viel fehlte bis sie mit dem Fuß aufstampfen würde.

„Rauf auf dein Zimmer, sofort.“

„Das ist so ungerecht!“

Und in diesem Moment stampfte sie mit dem rechten Fuß auf und lief wütend die Treppe hinauf, kurz darauf konnte sie hören wie eine Tür zugeknallt wurde. Victoria seufzte leise auf, stellte die Lampe auf das Tischchen neben der Tür und legte ihr Schultertuch ab.

Es war wahrlich ein schwieriges Alter und es waren solche Diskussionen wo sie sich wünschte ihre Mutter würde noch leben. Sie hatte nie solche Diskussionen mit ihr geführt und unter Mutter hatte sich Angelica auch nie so aufgeführt. Dieses Mädchen würde ihr noch graue Haare bescheren, glaubte sie.

Ihre Gedanken wanderten wieder zu James während sie die Lampe nahm und nach oben zu ihrem Schlafzimmer ging, sich dort die Schuhe auszog und sich des Kleides und des steifen Mieders entledigte samt aller Unterröcke. Ihre Freundin hatte Recht, er war äußerst charmant und hatte ihr den ganzen Abend nur Komplimente gemacht und während der Kutschfahrt hatte sie sich äußerst wohl gefühlt an seiner Seite. Er hatte wundervolle grüne Augen die strahlten wenn er breit lächelte, ja die Augen und das Lächeln haben es ihr irgendwie doch angetan, musste sie zugeben. Der Gedanke ließ sie sachte schmunzeln.

London, Frühjahr 1748 ~ Montague Anwesen

London, Frühjahr 1748

Montague Anwesen
 


 

„Er hat dich bis zur Tür gebracht…“

Victoria ließ klirrend ihren Löffel fallen.

„Angelica, es genügt jetzt. Ich sage es zum letzten Mal.“

„Du sitzt mit ihm alleine in einer Kutsche und ich darf nicht einmal alleine vor die Tür gehen!“

„Angelica, wir sind beim Frühstück. Ich kann dir gerne erzählen wie der Abend war auch wenn es dich nicht zu interessieren hat, aber solche Themen werden jetzt nicht angesprochen oder du kannst heute länger deinen Deutschübungen nachgehen… Es wird Zeit, dass Vater wieder nach Hause kommt…“

„Ich bin auch gespannt darauf was er dazu sagen würde wenn er weiß, dass du mit einem Mann alleine in einer Kutsche gesessen hast und er dich bis zur Haustür gebracht hat, wo du ihn erst wenige Stunden gekannt hast.“

„Ich muss mich dir gegenüber nicht Rechtfertigen, Angelica. James Norrington ist bei der Royal Navy tätig und durch und durch ein Gentleman. Und Vater würde mir gewiss vertrauen, da ich im Gegensatz zu dir alt genug bin und weiß was ich tue. Iss deinen Toast auf und dann gehst du auf dein Zimmer. Nimm dir die Geschichtsbücher zur Hand und dann möchte ich von dir heute Mittag einen Aufsatz auf Deutsch lesen über Königin Elizabeth I.“

Wütend schmiss Angelica ihre Serviette auf den Tisch, war aufgesprungen und nur das Eintreten des Hausmädchens hielt sie davon ab wütend in ihre Zimmer zu stürmen.

„Milady? Ein Brief wurde für euch soeben abgegeben.“

„Danke Martha.“, lächelte Victoria und nahm den Brief entgegen, entfaltete ihn. „Angelica, setz dich bitte wieder.“

Murrend tat das junge Mädchen es.

„Erst soll ich gehen, dann wieder bleiben, entscheide dich einfach…!“

„Hüte deine Zunge junges Fräulein…“

„Ein Brief von Vater?“

„Nein. James Norrington lädt uns in zwei Tagen auf die HMS Victory ein. Ja, auch dich, Angelica. Du solltest bis dahin dein gutes Benehmen wiedergefunden haben.“

Sie selbst war überrascht und hätte nicht so schnell damit gerechnet. Er muss das noch gestern Abend oder heute Morgen in aller Frühe geregelt haben.

„Auf… ein Schiff? Ein richtiges Schiff?“

„Ja, auf ein Schiff der Royal Navy im Londoner Hafen. Zur Mittagszeit sollen wir uns am Howland Great Wet Dock einfinden.“

„Er lädt uns auf ein richtiges Schiff ein?“

„Ja, Angelica.“

„Er möchte etwas von dir.“

Angelica hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihre Schwester skeptisch an.

„Ihr kennt euch erst seid gestern und dann lädt er dich schon ein und sogar mich, wenn er sogar deine kleine Schwester einlädt…“

„Wir kamen darauf zu sprechen, dass Vater in Amerika weilt und er fragte mich, ob ich ebenfalls schon dort gewesen war. Ich sagte nein und dass ich noch nie ein Schiff betreten habe. Daraufhin hatte er den Ausflug auf die HMS Victory angeboten, zufrieden? Da rede ich einmal im Leben mit einem Mann und schon hältst du es mir ununterbrochen vor… gewöhn dich an den Gedanken, Angelica, ich habe vor irgendwann vor zu heiraten, ob es dir gefällt oder nicht.“

„Ich sage ja nur was ich denke.“

„Eine junge Dame sagt aber nicht immer was sie denkt…“

„Was willst du anziehen für den Ausflug?“

„Ich weiß es noch nicht.“

„Aber das ist doch schon in zwei Tagen! Ich überlege gerade ob ich das hellblaue oder… wie wäre es mit einem Reitkleid? Die sind doch perfekt für einen Ausflug und wer weiß wie das Wetter sein wird?“

Sie musste schmunzeln, wenn es plötzlich um Kleidung ging war ihre Schwester immer sofort Feuer und Flamme.

„Dann könntest du doch dein hellblaues anziehen. Das sieht wunderbar an dir aus.“, lächelte Victoria.

„Wirklich?“

Nun war Angelica voll und ganz besänftigt.

„Hmm… vielleicht finde ich damit ja auch jemanden von der Navy…“, schmunzelte sie. „Stell dir nur vor… Wochenlang auf dem Meer zu reisen, durch Stürme zu segeln, Piraten nachzujagen! Das muss doch unheimlich aufregend sein!“

„Aber jeden Tag Fisch essen und keinen festen Boden unter den Füßen zu haben? Du müsstest auf deine Parforcejagd verzichten, Liebes.“

„Hm… aber stell dir doch nur vor wohin man kommen könnte, was man alles sehen könnte! Ich finde es ungerecht, dass Vater uns nie nach Amerika mitnimmt. Ich würde es so gerne mal sehen.“

„Vater hat seine Gründe dafür. Und sei doch froh darüber, dass du dich erst einmal nicht für längere Zeit von deinen Freundinnen verabschieden musst.“

„Victoria…?“

„Ja?“

„Muss ich den Aufsatz immer noch schreiben? Ich verspreche auch mich von der besten Seite zu zeigen sobald wir am Howland Great Wet Dock ankommen, versprochen! Es wird weit und breit niemanden geben der wohlerzogener und artiger ist als ich!“

„Nun… Den Aufsatz kannst du ja immer noch schreiben wenn du dein Versprechen nicht einhältst.“

Die Jüngere sprang auf, lief um den Tisch herum und fiel ihrer Schwester um den Hals.

„Danke! Ich verspreche dir mich von der beste Seite zu zeigen! Oh was soll ich nur anziehen? Wirklich das hellblaue Reitkleid?“

„Nimm am besten deine hellblaue Robe aus Taft, die ganz schlichte und dazu den Dreispitz mit den Pfauenfedern. Dazu kannst du dann den Mantenau in derselben Farbe tragen. Eine wahre Dame braucht nicht zu protzen. Schlichtheit zeugt immer noch von Bescheidenheit und ist am elegantesten. Protzen darfst du erst nach einer Heirat.“, schmunzelte Victoria.

„Und meine Haare? Was soll ich bloß mit meinen Haaren machen? Ich sehe wie ein Pudel aus wenn ich sie in Locken tragen und sie einfach so zu belassen wie sie sind ist langweilig!“

„Locken ja, aber wir werden deine Haare zurückstecken, nur eine Locke wird deinen schlanken Hals betonen, Schmuck wirst du keinen tragen.“

„Warum denn nicht?! Ich will wieder einmal die hübschen Ohrringe von Mama tragen!“

„Das wäre zuviel meine Liebe. Eine junge Dame in deinem Alter sollte sich in Bescheidenheit üben. Du weißt, dass Vater immer viel Wert darauf legt. Bescheidenheit, Mäßigkeit, Barmherzigkeit, Güte, Demut und Fleiß. Das sind Tugenden die eine Frau beherrschen sollte. Männer mögen junge Damen die solche Tugenden besitzen, vor allem heutzutage wo sie seltener geworden sind.“

„Jaja… immer soll ich mich zurückhalten und bescheiden sein. Da kann ich doch gleich in ein Kloster eintreten!“

„Nur zu. Vater freut es gewiss, dann spart er sich die Mitgift für dich.“

„Tse, ich werde nie in ein Kloster eintreten! Ich habe besseres zu tun als den ganzen Tag zu beten!“

„Und das wäre?“

„Nun… ich… ich muss hübsch aussehen!“

„Das braucht nicht den ganzen Tag.“

„Ich reite gerne aus!“

„Das tust du nicht jeden Tag.“

„Ich… ich…“

„Geh jetzt rauf auf dein Zimmer, Angelica. Übe ein wenig französisch und dann zeih dich um. Wir werden heute in die Stadt gehen.“

„Oh wunderbar! In die Stadt! Kaufen wir etwas ein? Bekomme ich neue Schuhe? Oder einen neuen Hut? Ich habe das letzte Mal so einen schönen gesehen!“

„Wir werden sehen was sich ergibt. Jetzt mach erst deine Übungen.“
 

„Ich möchte so gerne einen neuen Dreispitz!“

„Du hast erst letzten Monat eine neue Robe bekommen.“

„Und dazu brauche ich aber einen neuen Dreispitz, keinen den ich habe passt dazu.“

„Du musst nicht zu jeder Robe einen passenden Dreispitz haben.“

„Aber was wenn…“

„Nichts da, es gibt keinen neuen Dreispitz.“

„Ein neues Medici?“

„Nein.“

„Ein Fichu?“

„Nein.“

„Schuhe?“

„Nein.“

„Was wollen wir dann überhaupt in der Stadt wenn wir gar nichts kaufen? Ah! Wir fahren zum Hafen, du kannst es wohl nicht abwarten diesen James zu sehen, oder?“, kicherte die Jüngere. „Meine Schwester ist verliebt!“, kam es in einem Singsang von ihr.

„Erstens: Von Liebe kann man da noch nicht reden, er ist mir sympathisch, aber mehr auch nicht und zweitens: Wir fahren nicht zum Hafen und wenn du dich in zwei Tagen auch so kindisch benimmst, werde ich Evelyn sagen sie soll dich künftig fester schnüren.“

Sofort verstummte die Jüngere und saß wieder still und ruhig auf der Kutschbank ihr gegenüber.

„Dann möchte ich dafür ein neues Medici haben…“

„Nein.“

„Einen Fächer.“

Victoria seufzte leise auf.

„Na gut. Wenn wir einen günstigen Fächer finden, bekommst du einen neuen. Aber das war es dann auch erst einmal, verstanden?“

Freudig klatschte ihre Schwester in die Hände. Hatte sie doch noch etwas für sich erbeutet und das wo sie noch immer in der Kutsche saßen.

„Freu dich nicht zu früh. Allzu viel Geld wird nicht ausgegeben für Schnick-Schnack. Du hast auch genügend Fächer zu Hause.“

„Aber ich möchte hübsch aussehen für den Donnerstag. Wenn ich schon auf keine Gesellschaften und Bälle komme, muss ich doch solche Einladungen ausnutzen.“

„Sieh die Einladung von Mister Norrington als Feuerprobe an. Als die Erste, die Zweite wird sein wenn er uns zum Tee besucht. Nur ein kleiner Fehler in deinem Benehmen und du wirst bis du dreißig bist keinen Ball besuchen.“

„Du möchtest diesen Mann wohl wirklich beeindrucken, hm?“

Die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt und sah ihre ältere Schwester mit einer erhobenen Braue an.

„Wenn du nicht bis an dein Lebensende Aufsätze schreiben willst, dann bist du jetzt ruhig.“

Das genügte um Angelica immer zum Schweigen zu bringen. Die Fahrt dauerte auch nicht mehr lange an. Bald hielt die Kutsche schon an und beide Damen entstiegen dieser.
 

„Soll ich da warten wo ich´s immer tu M´Lady?“

„Ja, das wäre nett Michael. Ich plane nicht mehr als drei Stunden ein.“

„Sehrwohl, M´Lady!“

„Wo gehen wir zuerst hin? Ich will zum Tuchmacher! Und zum Juwelier! Ich will auch nur gucken! Essen wir in der Stadt zu Mittag?“

„Ich möchte erst nach frischem Tee schauen, dann können wir gerne zu einem Tuchmacher. Ich wollte ohnehin nach einem neuen Muster für den Salon schauen. Vater hatte letztens erlaubt die Vorhänge zu ersetzen.“

„Warum weiß ich davon nichts?! Mit neuen Vorhängen passen die Möbelbezüge doch gar nicht mehr! Und die Tapete auch nicht!“

„Genau deswegen weißt du nichts davon.“, schmunzelte Victoria. „Statt die Vorhänge nur auszutauschen würdest du gleich den kompletten Salon austauschen.“
 

Beide trugen unifarbene Roben und jede darunter eine weiße Jupe. Victoria hatte sich an diesem Tag für ein Meergrünes entschieden, ihre Schwester für ein Himmelblaues. Um die Schultern trugen beide ein Fichu, so drapiert, dass es erstens ein wenig zusätzlich wärmte und zweitens auch noch brav und anständig das Dekolleté verdeckte. Victoria hatte ihr Haar nach hinten und hochstecken lassen während Angelica das ihre unter einem breitkrempigen Hut versteckte der mit einem Schal aus Organza verziert war, in demselben Blau wie ihrer Robe. Schnell waren sie in dem Meer aus bunten Röcken und Hüten verschwunden das sich in der Stadt tummelte. An nahezu jedem Geschäft blieb Angelica stehen und bestaunte die Schaufenster und deren Auslagen. Daher kamen sie nur langsam voran ehe sie endlich bei dem Teehändler waren. Nun war es an Victoria über die Auslage und das Sortiment zu staunen, denn Tee war ja schließlich nicht gleich Tee. Ein Glöckchen an der Tür läutete als sie den Laden betraten, lenkte die Aufmerksamkeit des Ladenbesitzers auf sie der sie höflich grüßte, fragte ob er den jungen Damen behilflich sein könne die vorerst dankend ablehnten. Sie war gerade auch nicht die einzigen Kunden im Laden.
 

„Hmm, dieser hier riecht gut, mit Jasmin… Und der hier ist mit Nelken.“

„Ich mag kein Jasmin… ich möchte eher etwas Süßes… Oh, der hier ist mit Zimt und Orangen!“

„Es gibt nichts süßes, davon faulen einem nur die Zähne. Such bitte nach einem Brennesseltee*, Pfefferminz- und Kamillentee, ja?“

„Buärg, die sind alle widerlich…“

„Die Pfefferminze hält den Atem frisch, die Brennessel ist für dein Haar und Kamillentee sollte man immer im Haus haben. Du wirst es mir danken wenn du wieder zuviel Zuckerwerk isst und Bauchschmerzen hast. Na los.“

Murrend wandte die Jüngere sich ab und begab sich in dem Laden auf die Suche nach den besagten Tees. Victoria hatte nur noch das Problem, dass sie sich überhaupt nicht entscheiden konnte welchen sie nun nehmen sollte. Warum musste es auch eine so große Auswahl geben?
 

„Ich würde diesen hier empfehlen, ein exzellenter Hochlandtee. Ich persönlich trinke ihn sehr gerne.“

Sie hob ihren Blick als eine weiche, männliche Stimme neben ihr erklang und war überrascht.

„James… was… das… ich bin überrascht muss ich gestehen…“, lachte sie leise und verlegen.

„Guten Tag, Miss Victoria.“, lächelte er, nahm ihre Rechte Hand und hauchte einen Kuss auf diese.

„Guten Tag… James…. Ich muss gestehen… mit einem so schnellen Wiedersehen nicht gerechnet zu haben…“

„Denkt bitte nichts Falsches, Milady. Ich habe euch zufällig im Schaufenster gesehen und… konnte einfach nicht wiederstehen.“

Sein Dauerhaftes, charmantes Lächeln schien ihr von Minute zu Minute immer mehr zu gefallen.

„Ihr tragt ja gar keine Uniform heute.“

„Nein, heute nicht, heute habe ich frei.“, lachte er leise. „Ich war erfreut zu lesen, dass Milady meine Einladung angenommen hat.“

„Es wäre mir unmöglich gewesen dies nicht tun. Wenn ihr so höflich dazu einladet kann man gar nicht anders als zusagen.“, lächelte sie.

„Hier sind die Tees, hast du dich endlich entschieden? Können wir gehen? Du hast schließlich versprochen, dass wir noch zum Tuchmacher gehen…“

„Ihr müsst die junge und reizende Miss Angelica sein nehme ich an? Ich bin hocherfreut euch kennen zu lernen, Milady.“

Angelica verstummte auf der Stelle als James sie ansprach und auch ihre rechte Hand in seine nahm um ihr einen Handkuss zu geben.

„Wenn ich vorstellen darf, Angelica, dass ist James Norrington von der Royal Navy. James, das ist meine jüngere Schwester Angelica.“

„Sehr… erfreut…“, brachte Angelica staunend hervor.

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite… Ich werde die Damen nun wieder alleine lassen, ich konnte nicht wiederstehen als ich euch gesehen habe, Miss Victoria. Ich freue mich auf den Donnerstag.“

„Wir uns ebenfalls, James. Ich wünsche euch noch einen wundervollen freien Tag.“

„Den werde ich ab jetzt haben.“, lächelte er. „Guten Tag die Damen.“, nickte er.
 

„Mach den Mund zu Angelica… das ist rüde.“

„Das ist dieser James?... Warum hast du mir nicht gesagt, dass er so gut aussieht?! Er sieht besser als der Kronprinz aus!“

Sanft schlug sie ihrer älteren Schwester gegen den Arm.

„Das war unfair, ich war völlig unvorbereitet auf solch eine Erscheinung! Du hättest es mir ruhig sagen können!... Er hat uns Milady genannt… Und er hat dich die ganze Zeit angelächelt!“

„Dann lass ihn lächeln… warte hier… ich gehe den Tee bezahlen…“

„Warum hast du auf einmal so rote Wangen?“

„Du kannst schon einmal an die frische Luft gehen.“

„Er hat schicke Beine in den Kniestrümpfen, muss ich ja zugeben und hochgewachsen ist er auch, große Männer sind immer gut.“

„Angelica! Du solltest wirklich an die frische Luft gehen!“

„Und eine wunderbar gerade Nase, das ist selten hierzulande. Ob das seine echten Haare waren oder eine Perücke…? Ich denke eher es war keine Perücke. Das ist ein toller Kontrast mit den hellen Augen. Ich bin gespannt wie er in Uniform ausschaut, gewiss doppelt so gut, eine Uniform macht ja immer viel aus, nun, ich werde es ja am Donnerstag selber sehen. Jetzt bin ich doch noch etwas gespannter auf den Ausflug. Es würde mich nicht verwundern wenn er etwas vorschlagen würde oder mich an einen Untergeben weiterreicht damit ich beschäftigt wäre und er mit dir allein sein kann, er stand schon ganz schön dicht bei dir, muss ich zugeben, und du hast ihm dich bei deinem Vornamen nennen lassen und umgekehrt ebenfalls, ganz schön vertraut dafür, dass man sich erst seid gestern kennt, hm?“

„Warum kann dich Gott nicht einmal mit einer Halsentzündung strafen, so dass du auch mal für mehrere Tage schweigst?“

„Vielleicht hört Gott ja gerne meine Stimme?“, grinste sie breit.

„Oder er ist einfach nur mittlerweile taub geworden durch dein Gerede…“

„Bist du jetzt fertig mit dem Tee, können wir gehen? Vielleicht solltest du dir beim Tuchmacher auch etwas holen, damit du für deinen James am Donnerstag hübsch aussiehst?“

Es war ihr Glück, dass sie gute Reflexe hatte und so den Laden schneller verlassen konnte, als dass ihre Schwester ihr etwas antun konnte.
 


 

*Brennesseltee wurde nicht nur getrunken, sondern äußerlich für das Haar und die Kopfhaut angewandt.

London, Frühjahr 1748 ~ Howland Great Wet Dock

London, Frühjahr 1748

Howland Great Wet Dock
 

„Ich bin so aufgeregt! Ein richtiges Schiff! Ein Schiff seiner Majestät! Ich war noch nie soweit zur Themse vorgelaufen um die Docks zu sehen. Gehört das nicht dem Duke of Bedford? Den Russels?“

„Ja, es gehört den Russels. Aber es dient der East India Company, deshalb sind die Schiffe seiner Majestät dort welche nach Indien fahren. Und wahrscheinlich tut die HMS Victory dies ebenfalls.“

„Oh, das muss so interessant sein, Indien! So exotisch und so schön muss es da sein! Reiten die wirklich auf Elefanten? Und gibt es da wirklich Männer die auf Nagelbrettern schlafen? Ich habe gehört, dass die ganz viele Götter dort anbeten sollen und Kühe dort heilige Tiere sind! Und die Frauen sollen ganz viel Goldschmuck tragen und wunderbar farbenprächtige Stoffe tragen! Stimmt das alles?“

„Das weiß ich leider nicht, Angelica. Ich war noch nie in Indien und kenne niemanden der in Indien war. Vielleicht findest du ja an Bord der Victory jemanden der dir alles über Indien erzählen kann.“

„Ich würde am liebsten selber nach Indien reisen, es soll da wunderbar warm sein und die Sonne soll oft scheinen, das Wetter ist dort sicher besser als hier, obwohl das ja auch nicht schwer ist.“

„Nein, das ist wirklich nicht sonderlich schwer.“, schmunzelte Victoria.

„Sind wir denn bald da? Wie lange dauert es denn noch?“

„Wir sind bald da.“

Angelica rutschte schon die ganze Zeit unruhig hin und her auf der Kutschbank weswegen sie immer wieder von ihrer Schwester ermahnt wurde. Schließlich sollte ihre Robe keine Falten bekommen. Beide hatten sich für Dunkelblau entschieden für diesen Ausflug, sowohl die Robe wie auch der der Rock. Angelica für Taft und Victoria für Atlas*. Bei beiden war die Robe langärmlig, am Wasser war es ja immer noch etwas kühler als in der Stadt. Die Ärmelsäume waren mit Rüschen aus einem helleren Blau besetzt, ebenso wie der komplette Saum am Ausschnitt der Roben. Auf dem Haupte trugen beide einen Dreispitz. Angelicas ihrer war schwarz mit blauen Rüschen umsäumt und geschmückt mit Pfauenfedern. Als Schmuck trug sie lediglich zwei kleine Perlenohrringe. Victoria hingegen trug einen Dreispitz komplett in Blau gehalten, geschmückt mit einer Straußenfeder und helleren Vergissmeinnicht. Ebenso wie ihre Schwester trug auch sie Perlenohrringe und zusätzlich eine schmale Kette aus Perlen die sich um ihren Hals schmiegte. So hatten sich beide Damen für den Ausflug angemessen gekleidet gefühlt und das Familienhaus verlassen und Angelica fand es toll sich genauso zu kleiden wir ihre große Schwester. In dieser Robe fühlte sie sich gleich erwachsener und reifer. Sie hatte sich fest vorgenommen sich von ihrer besten Seite zu zeigen in der Hoffnung, dass sie bald auf einen Ball oder eine Abendgesellschaft mitgenommen werden würde.

„Ich kann es kaum noch erwarten! Wie es wohl auf einem Schiff aussieht? Und im Innern erst? Ich kann mir kaum vorstellen wie so viele Männer dort leben sollen, die Zimmer müssen ja unheimlich klein sein.“

„Ich glaube nicht, dass jeder sein eigenes Zimmerchen auf einem Schiff hat, so groß können die Schiffe gar nicht. Schau, die Hausmädchen von edleren Herrschaften teilen sich doch auch die Zimmer, also werden es die Matrosen sicher auch müssen.“

„Wie die wohl aussehen? Die Zimmer? Das muss doch alles festgenagelt sein, sonst schlingert doch alles hin und her wenn es stürmisch ist. Stell dir nur mal vor, du schläfst und plötzlich bewegt sich dein Bett oder der Tisch kommt auf dich zugerutscht!“

„Du kannst James gleich fragen wenn wir da sind. Er beantwortet dir die Frage gewiss gerne.“

„Ich denke dir würde er sie viel lieber beantworten.“, schmunzelte Angelica und fing sich damit einen strengen Blick ihrer Schwester ein.

Als die Kutsche zum stillstand kam, wussten sie, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Beide überprüften noch einmal den Sitz der Hüte, der Roben und Haare, das Rouge auf den Wangen und die gefärbte Pomade auf den Lippen. Erst dann verließen sie die Kutsche. Vor ihnen erstreckte sich das Howland Great Wet Dock

und ein prächtiges, Majestätisches Schiff ruhte auf dem Wasser. Das musste die HSM Victory sein.

„Das sieht ja richtig hübsch hier aus… es sieht ja richtig idyllisch hier aus. Das sieht gar nicht aus wie ein Dock, eher wie ein großes Wasserbecken mit einem hübsches Schiff zur Dekoration…“

„Ich bin selbst überrascht, muss ich zugeben. Ich hätte nicht erwartet, dass es so hübsch hier aussehen würde.“

Angelica hakte sich bei ihrer Schwester ein und zusammen gingen sie zu dem Hafenbecken. Eine Kaimauer oder einen Pier gab es nicht, stattdessen war das Becken von mehreren Baumreihen umsäumt.

Es war wirklich ein imposantes Schiff was vor ihnen auf dem Wasser stand und in Goldenen Lettern dessen Name auf dem Heck zu lesen war. Als sie weiter gingen konnten sie gerade sehen wie James Norrington das Schiff verließ um die Damen zu begrüßen.

„Er sieht wirklich unheimlich gut aus in der Uniform. Das dunkle Blau sieht schick an ihm aus. Und ich bete, dass Kniebundhosen bei den Männern nie aus der Mode kommen, es geht doch nichts über Männer mit hübschen Beinen, oder?“, kicherte Angelica.

„Benimm dich Angelica! Du bist in der Öffentlichkeit! Denk dran, nur ein Fehler…“

„Ja, ja…“

„Guten Tag die Damen, ich bin hoch erfreut sie hier begrüßen zu begrüßen. Milady Victoria, Milady Angelica.“

Zuerst grüßte er Victoria mit einem Handkuss, dann Angelica. Wie immer trug er sein charmantes Lächeln auf den Lippen. Die Haare trug er lang, streng nach hinten gekämmt und im Nacken mit einem schwarzen Band zusammengebunden. Es waren seine eigenen braunen Haare, keine Perücke, keine Ailes de Pigeon…

„Ich bin erfreut ihnen unsere imposante Lady Victory vorzustellen.“, lächelte er und deutete mit einer ausholende Geste auf das Schiff. „Wenn ich die Damen nun an Bord bitten darf?“

„Mit Vergnügen James.“

Beiden bot er jeweils einen Arm an. Angelica musste ein Kichern unterdrücken als sie sich bei ihm einhakte. Das war so charmant…

„Ist das überhaupt sicher? Das sieht mir sehr wackelig aus.“

„Keine Sorge, Miss Angelica, es ist absolut sicher, ihnen wird nichts passieren, ich würde es gar nicht erst zulassen.“

„Du warst doch so aufgeregt endlich auf ein Schiff zu können, also sein kein Hasenfuß, Liebes.“, schmunzelte Victoria.

„Ich bin kein Hasenfuß…“

Die Holzplanken federten zwar leicht unter dem Gewicht aber der Weg hinauf zum Schiff war dennoch stabil und sicher.

„Willkommen auf dem Deck, meine Damen.“

Angelica löste sich sofort, den Blick nach oben die Masten hinauf gereckt und drehte sich um ihre eigene Achse, staunte und eine Flut an Fragen bildeten sich in ihrem Kopf.

„Hat das Schiff keine Segel?“

„Die Segel sind gerafft, wir liegen hier vor Anker, sie werden nicht gebraucht. Wenn das Schiff in See sticht werden sie wieder entrollt.“

„Das sind ja so viele Seile überall… Was ist das da oben für eine Plattform?“

„Das ist der Ausguck. Der Wachabende hält dort oben Ausschau, zum Beispiel nach Gefahren wie feindliche Kriegsschiffe, Sandbänke, Piratenschiffe, um uns dann rechtzeitig zu warnen.“

„Piratenschiffe? Habt ihr schon einmal welche gesehen? Habt ihr schon einmal gegen Piraten gekämpft?“

„Nein, Milady, ich bin bisher davon verschont geblieben.“

„Wart ihr schon einmal in Indien?“

„Nicht nur einmal, Milady.“

„Das hättet ihr nicht sagen sollen, jetzt wird sie euch stundenlang ausfragen.“, schmunzelte Victoria.

„Solange ihr in meiner Nähe bleibt nehme ich das gerne in Kauf.“, lächelte er.

„Wie ist es dort? Reiten die Menschen dort auf Elefanten? Und gibt es dort wirklich riesige gestreifte Katzen? Und Männer die auf Nagelbrettern sitzen? Und sind Kühe dort wirklich heilige Tiere?“

Er musste leise lachen bei dem Schwall an Fragen.

„Um eure Fragen zu beantworten Milady, es ist ein exotisches Land, es gibt wirklich einige Menschen die dort auf Elefanten reiten, die großen, gestreiften Katzen dort heißen Tiger und sind Raubtiere, die Männer auf Nagelbrettern nennt man Fakire und Kühe sind bei den Indern wirklich heilige Tiere.“

„Beten die wirklich dort viele Götter auf einmal an?“

„Ja, das tun sie, Hinduismus nennt sich ihre Religion.“

„Wird die Victory auch nach Indien fahren?“

„So ist es vorgesehen, Milady.“

„Ich möchte auch einmal nach Indien! Victoria, ich möchte viel lieber nach Indien als nach Amerika! Ich möchte auch die großen Elefanten sehen und die Tiger! Ich möchte auch so eine große Katze haben!“

„Milady, diese Tiere sind keine Haustiere, es mögen aussehen wie große Schmusekatzen, aber es sind gefährliche Raubtiere denen der Mensch nicht zu nahe kommen sollte.“

„Ich möchte trotzdem so einen Tiger einmal sehen! Und erst die großen Elefanten! Stell dir nur mal vor, und all die bunten Stoffe und das Gold!“

„Ja Liebes, es muss gewiss alles wunderbar sein. Aber sind wir nicht hier um uns das Schiff anzusehen? Es ist eine wundervolle Aussicht von hier. Es muss wunderbar sein auf dem Meer zu segeln, das Wasser unter sich zu sehen und irgendwann Land zu entdecken.“

Und kaum hatte sie die Aussicht erwähnt, stürmte Angelica an die Reling.

„Das ist wirklich eine wunderbare Aussicht von hier oben!“

Immer noch Victoria am Arm taten sie wenige Schritte auf dem Deck.

„Gewöhnt man sich nicht irgendwann daran?“

„Ich kann nur für mich sprechen, Milady, aber… mir wird es nie langweilig. Es ist immer wieder von neuem aufregend und spannend in See zu stechen, man weiß nie was einem erwartet. Die See ist unberechenbar und nicht vom Menschen zu bändigen. Unsere Schiffe können noch so groß sein… das Meer ist immer noch die gewaltigere Kraft von beidem.“

„Ihr klingt so als hättet ihr viel Respekt vor dem Meer.“

„Den solltet man haben, wir sind schließlich ganz und gar abhängig von diesem wenn wir zu Wasser sind. Die Gezeiten, die Strömung, der Wind. Schon ein kleiner Sturm kann uns vom Kurz abdriften lassen, ein starker Wellengang kann uns zum kentern bringen, ein Tsunami ist der sichere Untergang für jedes Schiff.“

„Tsunami? Was ist das?“

„Eine riesige Flutwelle die durch Erdbeben oder Vulkanausbrüche verursacht wird. Aber sie tritt nur in der nähe von Küsten auf, nie auf dem offenem Meer. Erst vor zwei Jahren wurde die Stadt Callao in Peru durch ein Erdbeben und einem darauffolgendem Tsunami vollständig zerstört.“

„Das klingt furchtbar.“

„Keine Sorge, Milady, England hat solche Katastrophen nicht zu fürchten.“

„Wie nennt man das hier?“, erklang Angelicas Stimme wieder.

„Das ist die Rehling, Milady und diese Seite des Schiffes nennt man Steuerbord, die linke Seite nennen wir Backbord. Und worauf wir jetzt stehen ist das Hauptdeck. Den vorderen Teil nennen wir Bug und den hinteren Heck.“

„Und die ganzen Seile hier?“

„Das ist die Takelage.“

„So viele neue Begriffe auf einmal, ich glaube ich kann mir das alles nicht auf einmal merken… sind denn keine Matrosen an Bord?“

„Das Schiff ist neu, Milady, es hatte erst vor kurzem seine Schiffstaufe gehabt. Die Crew wird nach und nach mit dem Schiff vertraut gemacht. Daher war es mir auch möglich sie beide einzuladen.“

„Weswegen wir ihnen sehr dankbar sind, James.“, lächelte Victoria.

„Wo schläft man denn auf einem Schiff, Mister Norrington? Es sieht mir noch groß genug aus für so viele Zimmer.“

„Nur die Offiziere haben auch ihre eigenen Zimmer, Kajüten nennen wir diese, auf einem Schiff. Die Matrosen schlafen in einem Schlafsaal.“

„Das muss doch ganz schön eng sein.“

„Auf einem Schiff hat man keine andere Wahl, Milady. Ich hab nun mittlerweile das Glück den Rang eines Midshipmans zu bekleiden.“, lächelte er.

„Und wie lange wollt ihr das noch sein, James?“

„Ende des Jahres werde ich das Offiziersexamen zu Leutnant ablegen, Milady.“

„Dann wünschen wir ihnen schon jetzt viel Glück dafür.“

„Danke, Milady. Nun, da ich die Damen zur Mittagszeit hierher eingeladen habe, war ich so frei ein kleines Essen zu arrangieren, falls die Damen hungrig sind.“

„James, ihr habt euch viel zu viel Mühe gemacht. Das hätte wirklich nicht…“

„Oh, ich verhungere schon beinahe! Das war eine großartige Idee von euch! Wo essen wir denn, hier auf dem Deck?“

„Wenn die Damen mir nun folgen würden? Ich werde sie dazu nun unter Deck führen.“

Er löste sich von Victoria und ging ihnen voran, hielt beiden Damen die Tür auf welche unters Deck führte.

„Das ist ja richtig eng hier.“

„Schiffe sind auch nicht für Damen mit ausladenden Roben konzipiert, Milady.“, schmunzelte er bei Angelicas Kommentar.

„Schiffsingenieure nehmen keine Rücksicht auf die Mode wenn sie Konzepte für neue Schiffe erstellen.“

„Eine einfache Lösung um Frauen von Schiffen fernzuhalten, wo wir doch angeblich Unglück bringen auf solch einem.“, lächelte Victoria.

„Eine Dame wie ihr es seid kann nie Unglück bringen. Ihr wäret eher eine Stella Maris.“, lächelte er.

Victoria erwiederte das Lächeln, fühlte sich geschmeichelt.

„Ihr schmeichelt mir schon wieder James.“

„Ihr wundert euch noch?“

Victoria musste leise lachen und Angelica, da es niemand sah, rollte mit den Augen. Das war so was von offensichtlich… Und da versuchte ihre Schwester noch zu dementieren… Dass Erwachsene einfach nicht sagen konnten was Sache ist, würde sie nie verstehen. James öffnete ihnen eine weitere Tür und führte sie direkt in eine Kajüte. Ein herrlich gedeckter Tisch stand dort bereit. Beiden Damen zog er die Stühle zurück bevor er sich selbst setzte.

„Das sieht so herrlich aus, die Mühe hättet ihr euch nicht machen müssen.“

„Die mache ich mir aber gerne wenn ich zwei so reizende Damen hier begrüßen darf.“

„Das riecht schon sehr appetitlich! Was gibt es denn?“

„Als Hauptgang gibt es Shepard´s Pie und zum Dessert Treackle Tart.“

„Oh, ich liebe Treacle Tarts! Ich könnte die den ganzen Tag essen, obwohl es vieles gibt was ich ständig essen könnte, es gibt einfach viel zu viele leckere Speisen auf dieser Welt.“
 

„Ich bin noch gar nicht dazu gekommen euch zu sagen wie atemberaubend schön ihr heute wieder aussieht, Milady.“

„Vielen Dank, James.“, schmunzelte Victoria, die Wangen leicht gerötet.

Nach dem Essen waren sie wieder hinauf aus das Deck gegangen. Angelica war damit beschäftigt sich das Schiff genauer anzusehen und hin und her zu laufen, Victoria selbst stand mit James an der Rehling.

„Ich muss mich noch ein ausdrücklich für eure Einladung bedanken, dass ihr euch die Zeit dafür genommen habt. Ich fand es sehr interessant heute. Ich hätte nie gedacht, dass man soviel wissen und können muss für die Seefahrt.“

„Für euch würde ich mir alle Zeit der Welt nehmen, Victoria. Es ist eigentlich schwer eine Frau für die Seefahrt zu begeistern. Aber ich habe das Gefühl, das es bei euch gar nicht so schwer war.“, schmunzelte er.

„Wenn ihr einem diese so charmant erläutern könnt.“

Er lachte leise.

„Ich würde euch immer noch gerne zum Tee einladen. Wann könnte euch die Navy denn entbehren?“

„Würde Dienstag der Milady passen?“

„Das wäre mir sehr genehm, ja.“

„Dann Dienstag um 5 Uhr. Ich freue mich jetzt schon, ich verspreche pünktlich zu sein.“

„Selbst wenn ihr es nicht wäret würde ich es euch verzeihen.“, lächelte sie.

Er legte seine rechte Hand an seine Brust und seufzte auf.

„Welch eine Ehre, Milady. Wie soll ich mich bloß bei euch bedanken für diesen Großmut?“

Sie musste kichern.

„James… ihr macht mir schon zu viele Komplimente, das ist Dank genug.“

Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen.

„Dann verzeiht ihr mir also alles wenn ich euch nur genügend Komplimente mache?“

„Victoria! Victoria! Ich habe eben im Wasser einen Fisch gesehen! Komm her, schnell! Da unten!“

Diese seufzte leise auf und wandte sich ihrer Schwester zu.

„Ein Fisch, großartig Angelica… Sicher, dass es ein Fisch war und keine Meernixe?“

„Haha, Meernixen gibt es wohl kaum in der Themse… die gibt es bestimmt nur in exotischen Gewässern.“

„In indischen Gewässern gibt es keine, ich habe dort bisher noch keine gesehen.“, warf James ein. „Aber vielleicht gibt es solche in den karibischen Gewässern?“

Angelica sah ihn misstrauisch an.

„So etwas kann es gar nicht geben… der Oberkörper eines Menschen…und der Unterleib eines Fisches… Nein, so etwas kann es nicht geben.“

„Habt ihr solch ein Wesen schon einmal gesehen?“

„Nein.“

„Und woher wollt ihr wissen, dass es sie nicht gibt?“

Er wollte sie damit doch sicher nur aufziehen…

„So etwas gibt es einfach nicht. Wie sollen diese Wesen überhaupt unter Wasser atmen und leben können, das geht nicht. Das ist unmöglich!“

„Aber an die Geister die durch den Tower wandeln glaubt ihr?“

„Sie wurden schon oft gesehen, von mehreren Augenzeugen.“

„Meernixen wurden allerdings auch schon von mehreren Seemännern gesehen.“

„Die zuviel getrunken hatten oder übernächtigt waren.“

„Und die Geister von übernervösen Hausmädchen oder ohnehin ängstlichen Herrschaften…“, schmunzelte er.

Angelica schnaubte leise und wandte sich wieder dem Ausblick zu.
 


 

Anm.:
 

*Atlas = Ungefähr ein Stoff wie das heutige Satin.
 

Howland Great Wet Dock = Das Stück Land gehörte der Familie Russel, dem damals 1. Duke of Bedford. Sie hatten es von John Howland erhalten. Es war eine Mitgift für dessen Tochter, welche die Enkelin von Josiah Child war, dem damals Vorsitzenden der East India Company. Das Dock befand sich in Rotherthithe, damals war London noch kleiner als heute und das Dock lag außerhalb der Stadt. Das Becken war umsäumt von mehreren Baumreihen die als Windschutz dienten, das Familienhaus der Russels befand sich ebenfalls auf dem Gelände. Es hatte keine Kaimauern oder Gebäude die für die Handelsschifffahrt notwendig gewesen wären. Es dienste auch nur als Ausrüstungsplatz oder sicherer Ankerplatz für die Schiffe. Ab ca. 1720 wurde es auch von Walfangschiffen genutzt die von Grönland zurückkamen. Auf der Südseite wurde dann eine Anlage gebaut die Ölwal herstellte. 1763 wurde das Gelände verkauft und das Dock wurde, aufgrund seiner Nutzung der Grönland-Walfänger in Greenland Docks umbenannt.
 

Stella Maris = Der lateinische Name für ´Meerstern`, das ist ein Beiname für die heilige Maria, Mutter Jesus. Somit ist sie eine Schutzpatronin der Seeleute und symbolisiert den rettenden Stern, der dem Nautiker die Richtung deutet. In Vorchristlicher Zeit waren es auch Beinamen der Göttinnen Venus, Aphrodite, Isis und Ishtar.
 

Shepard´s Pie = Eine Art Auflauf der aus zwei Schichten besteht, die erste besteht aus Hackfleisch vom Lamm (daher Shepard) und die zweite aus pürierten oder fein geriebenen Kartoffel.
 

Treacle Tart = Kleine Törtchen in Muffingröße aus Mürbeteig mit Sirup.
 

Die Geister vom Tower = Hiermit ist der Tower of London gemeint. In den vielen Jahrhunderten fanden viele ihren Tod in dessen Mauern. Oft wurden noch nach ihrem Tode unter anderem die Gestalten von Anne Boylen, Lady Jane Gray, Sir Walter Raleight und König Edward V mit seinem Bruder gesichtet.

London, Frühjahr 1748 ~ Montague Anwesen

London, Frühjahr 1748

Montague Anwesen
 

Schon seid Montagmorgen wurde das gesamte Haus auf Vordermann gebracht. Das Parkett wurde gewischt und gebohnert, die Teppiche und Vorhänge ausgeklopft, die Möbel poliert, Staub gewischt, vom Dachboden bis in den Keller. Victoria selbst putzte zusammen mit dem Hausmädchen das feine Porzellan.

„Ich glaube das Haus war zuvor noch nie so sauber gewesen… ist das etwa das Porzellan aus Deutschland?“

„Ja, es ist Mutters Porzellan und du würdest gut darin tun mitzuhelfen.“

„Erwartest du den König zum Tee?“, lachte Angelica. „Das ganze Haus ist auf Hochglanz poliert, Mutters deutsches Porzellan, Emma hantiert schon den ganzen Tag in der Küche und macht Scones, Pasteten und Früchtebrot, wir sind ja bereit für einen königlichen Empfang!“

„Angelica, wir erwarten Besuch. Wie sollte das Haus denn deiner Meinung nach aussehen?“

„Ich will damit nur sagen, dass du es ein klein wenig übertreibst. Es ist Midshipman James Norrington, nicht König George persönlich der hier zum Tee erscheinen wird um 5 Uhr.“

„Wenn du einen Gast erwartest, kannst du das Haus belassen oder putzen wie du willst und das Teeservice benutzen was du möchtest. Aber James Norrington ist mein Gast und daher mache ich alles so wie ich es für angemessen halte.“

„Schon gut.“

Abwehrend hob sie ihre Hände und seufzte dann leise auf.

„Willst du dich nicht langsam umziehen? Und deine Haare machen? Mach dich für deinen hübschen James zu Recht, ich putze das Porzellan weiter. Und ich werde es nicht kaputt machen, versprochen.“

„Was versprichst du dir davon?“, misstrauisch sah ihr ihre jüngere Schwester an. „Wenn du freiwillig putzen willst, dann versprichst du dir doch irgendetwas davon.“

„Darf ich meiner Schwester nicht etwas Arbeit abnehmen damit sie genügend Zeit hat sich zu Recht zu machen für einen netten Gentleman?“

„Du willst doch irgendetwas.“

„Nein, ich möchte dir lediglich nur etwas Arbeit abnehmen.“

„Du hast Marys Einladung gefunden.“

„Nun… vielleicht.“

„Angelica…“

„Bitte, bitte, bitte Victoria! Ich möchte auf diesen Ball gehen! Bitte! Ich werde das ganze Porzellan putzen, ich helfe freiwillig Emma in der Küche für die nächsten zwei Wochen! Ich werde das Silber auf Hochglanz polieren! Ich mache alles, Victoria! Wirklich alles! Ich will nur mit auf diesen Ball!“

„Alles…? Du würdest wirklich alles machen dafür?“

Victoria hatte langsam die Tasse sinken lassen welche sie geputzt hatte. Angelica nickte heftig.

„Hm… Dann fang am besten mit Mutters Porzellan an. Und ab Morgen hilfst du Emma bei der Hausarbeit, das bedeutet, dass du ebenfalls so früh aufstehen wirst wie sie. Am Freitag kommt jemand der sich ein wenig um die Rosenbüsche und Blumenbeete kümmert, du wirst helfen, ganz gleich ob Rosen Dornen haben oder nicht. Dem Stalljungen wirst du ebenfalls zur Hand gehen und die Box deiner Stute selber ausmisten, jeden Tag. Verstanden?“

„Und dann kann ich mit zum Ball kommen?“

„Ja, dann werde ich dich mit zum Ball nehmen. Wenn du es bis dahin durchhältst.“

„Oh, das werde ich, das werde ich! Versprochen!“

Und schon scheuchte sie ihre Schwester von ihrem Platz auf um sich selber zu setzen und nahm sich das Porzellanservice vor. Victoria musste Schmunzeln.

„Nun, wir werden sehen wie lange du es aushältst.“

„Ich werde alles so perfekt machen, du wirst mich auf sämtliche Bälle mitnehmen müssen zu denen du eingeladen wirst!“

„Wir werden sehen, Schwesterlein.“

„Und ob du sehen wirst, Schwesterherz! Erklär Vater schon einmal warum ich auf einmal so viele Ballroben brauche.“, nickte sie.

„Ich lasse mich überraschen. Ich ziehe mich dann jetzt zurück. Und denk dran, es ist Mutter Porzellan.“

„Ja, ja, ich gehe sorgsam damit um. Keine Angst… geh und mach dich für deinen James hübsch.“, kicherte sie was bei Victoria nur ein Augenrollen hervorrufen ließ.
 

Victoria wandte sich ab und begab sich hinauf in ihre Räumlichkeiten. Sie musste zugeben, doch ein wenig nervös zu sein und nicht ganz zu wissen wo sie anfangen sollte. Zuerst die Schminke, oder doch die Haare…? Und über die Wahl der Robe war sie sich auch nicht mehr so ganz sicher. Doch die mintgrüne mit den Rosenstickereien und den Rüschen oder die dunkelgrüne aus Damast? Obwohl… das weiße mit dem zarten Blau… nein, das erinnerte sie selber zu sehr an ein Teeservice.

Sie setzte sich erst einmal an ihren Schminktisch und betrachtete eine Weile ihr Spiegelbild ehe sie sich entschieden hatte, zumindest bezüglich ihrer Frisur. Dazu nahm sie sich die Schmuckschatulle die einst ihrer Mutter gehört hatte, öffnete diese und nahm fast schon andächtig einen Kamm heraus, der dazu diente sich diesen in das Haar zu stecken. Ein kleines Kunstwerk für sich, verziert mit kleinen Blumen aus Diamanten und Perlen. Mit ihrer Frisur fertig, steckte sie sich diesen dann sachte ins Haar.

„Mama hätte es bestimmt gefallen.“

Victoria fuhr herum und sah ihre Schwester im Türrahmen stehen.

„Ich dachte du wolltest das Porzellan putzen?“

„Ich wollte nur einmal sehen wie weit du schon bist und welche Robe du nehmen wirst. Deine Haare sehen toll aus.“, lächelte sie und trat etwas näher.

„Danke.“, lächelte Victoria sachte.

„Und welche Robe wirst du tragen?“

„Ich weiß es noch nicht. Ich schwanke zwischen der mintgrünen und der dunkelgrünen.“

„Die Mintgrüne würde ich nehmen. Es ist ein schönes, helles Grün, die Rüschen sind ein wenig verspielt aber elegant und die Stickereien sind wunderschön zierlich. Die perfekte Robe für einen 5 Uhr Tee.“, lächelte sie. „Er wird dich darin ganz bestimmt unheimlich bezaubernd finden.“

„Solche Worte aus deinem Mund?“

Angelica hob ihre Schultern.

„Ich denke mir… wenn du endlich verheiratet bist, bist du mit deinem eigenem Haushalt, deinem Mann und der Gründung einer Familie beschäftigt und kannst mir nicht mehr vorschreiben was ich tun und machen soll, ergo, kann ich dann tun was ich will.“, grinste sie.

„So, so… du willst also, dass ich so schnell wie möglich heirate.“, schmunzelte die Ältere.

„Ganz ehrlich, das sieht ein Blinder. Du brauchst gar kein Rouge mehr in seiner Nähe, deine Wangen werden ganz von alleine rot, ich habe es doch selber gesehen und er überhäuft dich mit Komplimenten! Und er erträgt sogar mich!“, lachte Angelica. „Hoffen wir nur, dass er kein Milk-in-first Anhänger ist. Nicht, dass es noch Streit deswegen zwischen euch geben wird. Aber er sieht mir eher wie ein Tea-in-first Anhänger aus…“

„Du meinst also die mintgrüne Robe sollte ich tragen?“, wollte Victoria wieder auf das eigentliche Thema lenken.

„Oh ja, das ist perfekt für heute Nachmittag. Soll ich Evelyn zu dir schicken?“

„Das wäre nett, danke.“

„Gut, dann gehe ich jetzt weiter Porzellan putzen bis man sich darin spiegeln kann.“

„Putz aber nicht Malereien darauf ab.“, schmunzelte Victoria.

„So putzwütig bin ich gewiss nicht.“
 

Victoria merkte selber nur zu gut, dass sie doch ein wenig nervöser wurde je näher der Uhrzeiger auf die Zahl 5 zurückte. Es war schließlich kein neutraler Boden auf dem sie nun befanden, es war ihr zu Hause, das eigene Heim. Und sie fragte sich schon ein wenig, ob es überhaupt wirklich schicklich gewesen war ihn schon zum Tee einzuladen bei sich zu Hause wo sie sich wirklich erst so kurz kannten. Und sie ertappte sich selber dabei wie sich darum sorgte, ob die Milch nicht zu kalt wäre, der Tee nicht zu stark, ob die neuen Vorhänge überhaupt wirklich so gut zu der Polsterung der Möbel passten und ob sie nicht mehr Blumen in den Salon hätte stellen sollen oder ob das schon zu viele waren.

„Ich bin gespannt was er heute trägt, ob er seine Uniform wieder trägt oder einen einfachen Gehrock?“

Ihre Schwester riss sie aus ihren unsinnigen Gedanken, denn über so etwas fieberhaft nachzudenken war unsinnig in ihren Augen.

„Ich hoffe Uniform, die Uniformen der Navy sehen so schick aus, dieses dunkle Blau, kombiniert mit dem cremigen Weiß und den goldenen Verzierungen… Das sind mal wirklich hübsche Uniformen muss ich sagen. Hatte er nicht gesagt er würde noch in diesem Jahr sein Examen zum Leutnant machen? Das man dafür ein Examen machen muss… ich dachte man wird einfach befördert wenn man etwas großartiges geleistet hat.“

„Du kannst ihn ja selber fragen…“

„Als Leutnant macht er sich bestimmt auch ganz gut, dann trägt er gewiss eine noch hübschere Uniform. Und mehr verdienen wird er dann bestimmt auch. Ich bin ja mal bespannt ob er dir ein kleines Präsent mitbringen wird. Und wenn was es sein wird. Blumen oder Pralinen? Oder etwas ganz anderes? Vielleicht irgendetwas Exotisches von seinen Reisen? Ein Tigerbaby!“

„Übertreib nicht, Angelica.“

„Kann doch möglich sein. Ich hätte zumindest nichts dagegen.“

„Und wie soll das arme Tier Wochenlang auf See überstehen? Wir haben außerdem keinen Platz für eine so große Katze. Du hast deine Stute, das genügt.“

„Naja, wer weiß… wenn du vielleicht bald verheiratet bist...“
 

Ein Klopfen an der Tür hielt Victoria davon ab etwas zu erwiedern und da es genau 5 Uhr war… konnte es nur ein Besucher sein. William, der einzige männliche Bedienstete in diesem Haus, sah die Hausherrin fragend an welche ihm zunickte, das Zeichen, dass er die Tür öffnen sollte. Angelica wollte noch etwas sagen, aber Victoria brachte sie mit einem leisen Zischen zum schweigen. Merklich straffte sie ihren Körper, spannte sich an. Angelica musste sich auf die Zunge beißen um nicht zu lachen bei dem Verhalten ihrer Schwester. Diese war vorgetreten als James Norrington eingetreten war und von dem Bediensteten in den Salon geführt wurde.

„Guten Tag, James.“

„Guten Tag, Milady Victoria. Es ist mir eine Ehre von euch eingeladen worden zu sein.“

„Es ist schön euch hier begrüßen zu dürfen.“, nickte sie.

Es vergingen mehrere Sekunden in denen sie sich einfach nur gegenüberstanden und ansahen bevor Angelica beide mit einem leisen Räuspern wieder in die Realität zurückholte.

„Ich habe euch etwas mitgebracht.“, lächelte er verlegen und holte hinter seinem Rücken ein kleines Holzkästchen hervor.

„Oh, Dankeschön, James. Das wäre nicht nötig gewesen.“

„Es ist nur grüner Tee. Frischer grüner Tee aus China. Vor drei Tagen kehrte ein Schiff der East India Company aus China zurück und sie konnten etwas Tee entbehren für eine reizende, junge Lady.“

„Vielen Dank.“, lächelte sie mit geröteten Wangen und öffnete das Kästchen ein wenig. „Er riecht wunderbar. Als wäre er gerade erst geerntet worden.“

„Ich möchte auch einmal! Direkt aus China? Ist das genauso exotisch und interessant wie Indien? Gibt es da auch Elefanten und Tiger?“

„Das kann ich ihnen nicht beantworten Miss Angelica, ich war leider noch nie in China.“, schmunzelte James.

„Naja, zumindest Tee gibt es in China, also kann es ja ein recht angenehmes Land sein, oder? Solange es da Tee gibt, denke ich, könnte man dort leben. Wäre doch grausam wenn es keinen Tee mehr gibt, oder?“

„Ja, Angelica… das wäre es… Wollt ihr euch setzen?“, fragte dann Victoria, hielt das Kästchen immer noch in ihren Händen.

„Ihr müsst euch einfach den Salon ansehen, James, meine Schwester hat ihn ganz alleine eingerichtet!“

Ohne umschweife hakte sich Angelica bei ihm ein und führte ihn in den Salon des Hauses.

„Sie hat zwar einen leichten Hang zu Blau aber das habt ihr Berufsbedingt ja gewiss ebenfalls, oder?“, schmunzelte sie.

Leise musste er lachen.

„Ja, berufsbedingt.“, nickte er. „Aber eurer Schwester steht das Blau weitaus besser als in meinem Falle.“, lächelte er, warf einen Blick über seine Schulter zu Victoria die ihnen folgte und verlegen lächelte.

„Es ist schön hier. Wenn ihr alles selber eingerichtet habt wie eure Schwester sagt, habt ihr wirklich ein Händchen dafür, Victoria.“, lächelte er als sie saßen.

„Vielen Dank. Aber soviel habe ich gar nicht verändert. Nur einige Kleinigkeiten. Ich habe es größtenteils so belassen wie meine Mutter es gelassen hatte.“

Victoria selbst schenkte allen den Tee ein und bot die Milch dazu an. Angelica stupste unter dem Tisch mit ihrem Fuß den ihrer Schwester an, mit den Augen deutete sie auf James und es schien als wollte sie ihr sagen: ´siehst du, er gibt auch zuerst den Tee und dann die Milch dazu, ganz genau wie du.`.

„Wann müsst ihr denn wieder in See stechen, James? Das nennt man doch so, in See stechen, oder? Wohin führt euch denn die nächste Reise? Wieder nach Indien oder besucht ihr einmal China oder ein noch exotischeres Land? Auf welchem Schiff seid ihr eigentlich stationiert?“

„Ich bin auf der HMS Dolphin.“

„Oh, habt ihr schon einmal Delphine gesehen? So richtige Delphine im Wasser? Ich würde so gerne einmal welche sehen… schwimmen die wirklich neben den Schiffen her?“

„Ich habe bisher nicht viele gesehen, aber ab und zu sieht man einige im Meer. Und ja, sie scheinen auch zuweilen Spaß daran zu haben neben den Schiffen zu schwimmen.“, lächelte er und nahm einen Schluck Tee.

„Müsst ihr England bald wieder verlassen, James?“

„Nicht allzu bald, Milady.“, lächelte er Victoria zu.

„Ich werde ein Weilchen in England bleiben. So schnell wird die Dolphin den Hafen vorerst nicht verlassen.“

„Und wieso das nicht? Hat das Schiff schweren Schaden erlitten?“

„Nur einige kleine Reparaturen sind von Nöten.“

„Also liegt sie gezwungener maßen wie ein Fisch auf dem Trockenen?“, kicherte Angelica.

„Ja, die Dolphin liegt wortwörtlich auf dem Trockenen.“

„Aber es ist doch gewiss auch einmal angenehm wieder in der Heimat zu sein für längere Zeit?“

„Das ist es gewiss, auch wenn man irgendwann wieder Sehnsucht nach dem Meer hat.“

„Habt ihr denn im Moment Sehnsucht nach dem Meer?“

Er hob seinen Blick und sah Victoria an, lächelte.

„Nein. Im Moment habe ich keine Sehnsucht nach dem Meer… Im Moment bin ich auf dem Festland ganz glücklich.“

Angelica nahm ein Schluck Tee damit ihr Grinsen nicht allzu deutlich zu sehen war und stupste mit ihrem Fuß ihre Schwester an dir ihr doch ganz schön verträumt dreinblickte.
 

„Vielleicht bin ich zu vermessen in euren Augen und vielleicht ist es noch nicht angebracht, da wir uns erst so kurze Zeit kennen aber… nächste Woche spielt Händel im Theatre Royal ein neues Oratorium vor, Alexander Balus. Ich dachte mir, wenn es nicht zu vermessen von mir wäre, dass ich Milady dahin ausführen dürfte? Es wäre mir wirklich eine große Ehre und Freude wenn ich dies tun dürfte.“

„Nun… vielleicht ist es wirklich noch nicht angebracht… aber eure Einladung nehme ich liebend gerne an, James.“, lächelte Victoria. „Ich habe Händel schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gehört.“, lachte sie leise.

„Ihr mögt Händel?“

„Oh, ich liebe seine Wassermusik. Ich finde seine Musik ist etwas ganz neues, etwas, was vorher noch nie da gewesen war. Ich denke Händel wird man noch in hundert Jahren hören.“, schmunzelte sie.

„Welch ein Glück ich habe, dass er nächste Woche ein neues Oratorium vorführt.“, lächelte James.

„Ja, da habt ihr Glück. Bach mag ich zum Beispiel gar nicht hören. Seine Musik ist immer so schwer… man kann beinahe schon den Weihrauch der Kirchen riechen wenn man seinen Kompositionen lauscht.“

„Dann muss ich Herrn Händel dafür danken, dass er in London ist… Ich würde euch selbstverständlich abholen, das ist keine Frage.“

„Ich würde mich freuen. Ich war schon lange nicht mehr im Theatre Royal. Und bei so einer charmanten Begleitung…“, lächelte sie. „Ich darf euch dann um 18 Uhr erwarten?“

„Ich verspreche pünktlich zu sein, Milady.“

„Daran werde ich nicht zweifeln.“

„Ich kann es kaum erwarten euch wieder zu sehen, Milady.“

Ein Handkuss und eine leichte Verbeugung folgten.

„Ich wünsche euch noch einen wundervollen Abend, Milady.“

„Den wünsche ich euch ebenfalls, James.“
 

Lächelnd sah sie ihm bis ihre Schwester neben ihr erschien und sie verbal piekste.

„Er lädt dich ins Theater ein?“

„Händel spielt ein Oratorium. Händel sollte man nicht verpassen.“

„Hmhm… du gehst natürlich nur allein wegen dessen Musik mit James in das Theater, natürlich.“, grinste Angelica. „Er trug vielleicht keine Uniform heute, aber er sah dennoch gut aus in dem dunkelblauen Gehrock. Was er wohl für das Theater tragen wird… Bestimmt sein allerfeinstes Justaucorps wenn er dich ausführen wird. Aber nicht, dass ihr in einer dunklen Loge verschwindet.“

„Angelica!“

„Was denn? Ich möchte nur noch nicht Tante werden… das klingt so furchtbar alt… und außerdem, was wohl Vater dazu sagen würde?“

„Er würde sich freuen, dass ein so ehrbarer und nobler Mann wie James Norrington, dazu noch von der Royal Navy, mich zu einem Oratorium von Händel ausführt.“

„Sicher? Vater würde ihn sich doch erst einmal genauer ansehen wollen.“

„Bei deiner Wahl gewiss, aber ich bin älter als du und damit ein Stückchen reifer und weiser.“, schmunzelte sie. „Ich weiß welche Art von Männern gut und schlecht für eine junge Dame sind.“

„Lass mich raten, er zählt zu der guten Art?“

Schmunzelnd sah Victoria ihre Schwester an.

„Sonst würde ich mit ihm nicht in das Theatre Royal gehen und ihn auch nicht zum Tee einladen.“

„Übrigens Tee… ich hätte ja gedacht er würde dir eher Blumen mitbringen, aber Tee? Grüner Tee?“

„Liebes, das ist frischer Tee, direkt auch China, frischer kann er nur sein wenn du ihn selber pflückst.“, lächelte sie. „Mir gefiel es. Blumen verwelken schnell, aber ein guter Tee bleibt dir lange erhalten.“

„Blumen hätte ich dennoch romantischer gefunden, so ein schöner Strauß Rosen… Ich habe noch nie erlebt, dass jemand mit Tee um einen wirbt. Und jetzt leugne es nicht, Schwesterlein, es sieht ganz so als würde er dir den Hof machen! Er macht dir Komplimente, er lädt dich ein, zusammen mit mir, er erträgt mich sogar, er schmeichelt dir unentwegt, er bringt dir Tee mit, lädt dich in das Theater ein…“

„Dann hast du keine Ahnung wie es aussieht, wenn einem der Hof gemacht wird, Schwesterherz. Und solltest du nicht Martha und Emma im Haushalt und der Küche helfen? Vergiss nicht den Ball zu dem Mary-Anne geladen hat.“

Und schon hatte Angelica den Saum von Robe und Rock gerafft und eilte davon um ihren Aufgaben nachzugehen. Für so einen Ball war sie wahrlich bereit beinahe alles zu tun!
 


 


 

Anm.:
 

Die goldenen Regeln des Tees = Der Gast schenkt sich niemals selbst ein, entweder die Gastgeberin oder jemand des Personals der von ihr dazu beauftragt wurde. Mit dem Löffeln wird auch nur sachte gerührt, der Löffel darf den Rand der Tasse nicht berühren um kein Geräusch zu verursachen. Der Löffel streift man dann an der Innenseite der Tasse ab und legt ihn dann auf die Untertasse (hinter der Tasse rechts unter dem Handgriff). Die Tasse wird stets zusammen mit der Untertasse bis zum Kinn gehoben, die Tasse selbst wird so wenig wie möglich bewegt. Während des Tees wird auch nicht geraucht.
 

Milk-in-first / Tea-in-first = die Art wie man in England seinen Tee trink. Traditionell trinkt man dort Schwarztee und um diesen zu mildern geben die Briten Milch in den Tee. Es gibt nun diese die zuerst die Milch und dann den Tee dazugeben, aber auch die, welche zuerst Tee und dann die Milch dazu geben.
 

Scones = Ein Gebäck das immer zur Teezeit gereicht wird und mit Honig, Marmelade Clotted Cream oder Schlagsahne gegessen wird.
 

Alexander Balus = Ein Oratium von Georg Friedrich Händel in drei Teilen, dass am 23.März 1748 Uraufführung im Royal Opera House im Convent Garden London hatte.
 

Theatre Royal / Royal Opera House / Convent Garden London = Es ist das bedeutendste Opernhaus Englands. Hier waren die Royal Opera und das Royal Ballett beheimatet. Obwohl es vorrangig ein Schauspielhaus war, wurden auch hier Opern aufgeführt, wie z.B. von Händel. 1732 wurde es als Theatre Royal eröffnet. Erst 1892 wurde es offiziell in Royal Opera House umbenannt.

London, Frühjahr 1748 ~ Montague Anwesen ~ Theatre Royal

London, Frühjahr 1748

Montague Anwesen ~ Theatre Royal
 

„Du musst mir unbedingt erzählen wie es im Theater war! Ich will alles wissen! Von Anfang bis Ende! Jedes Detail will ich wissen!“

„Ich glaube, das Beste wäre wenn ich dich selber das nächste Mal mitnehme, dann müsste ich dir nicht alles erzählen, weil du es selbst sehen würdest.“

Angelica grinste und bewegte sich ein wenig hin und her. Ihre Methode war nun einfach ihre Schwester so lange zu nerven, bis sie gar nicht mehr anders konnte als sie mit zu nehmen.

„Ganz recht, würdest du dies tun, würde ich auch nicht soviel fragen. Aber da du das ja nicht tust…“

„Angelica, begnüge dich erst einmal damit, dass ich dich zu Mary-Annes Ball mitnehmen werde.“

„Tust du das wirklich?! Oh, ich liebe dich Schwesterherz! Du bist die allerbeste Schwester der Welt!“

Stürmisch drückte sich die Jüngere an ihre große Schwester.

„Vorsicht, das Kleid! Ich kann keine Falten darin gebrauchen!“

Kichernd löste sich Angelica wieder, strich die Robe wieder glatt und ordnete die Volants aus Spitze an den Ärmeln.

„Deinem James würden die gewiss ohnehin nicht auffallen.“, schmunzelte sie.

„Er ist nicht mein James… und vielleicht mag ihm so etwas nicht auffallen, aber dafür gewiss den anderen Damen im Theater.“

„Du wirst mir unbedingt erzählen müssen was die anderen getragen haben! Ich muss wissen was man trägt, Stoffe, Muster, Verzierungen, alles!“

„Es wird keine neue Robe geben, vergiss es meine Liebe.“

Sie steckte sich ihre Ohrringe an, kleine Diamanten in Fächerform an denen jeweils eine tropfenähnliche Perle hing. Dazu trug sie um ihren Hals ein feines Collier aus ebenfalls kleinen Diamanten. Die kostbaren Steine funkelten im Licht der Kerzen und passten perfekt zu den silbernen Stickereien auf ihrer Robe aus Griechisch Grün.

„Aber wenn ich schon auf einen Ball darf?“

„Nein. Du hattest erst eine neue bekommen. Du kannst nicht alle paar Wochen eine neue Robe bekommen.“

„Aber wenn ich doch auf einen Ball mit darf, dann will ich doch besonders hübsch aussehen!“

„Wir holen etwas Silberwerk, dann kann Evelyn eine deiner feineren Robe veredeln.“

„Ich habe soviel gearbeitet, ich habe mir mindestens eine neue Robe verdient!“

„Du hast dir bisher lediglich erarbeitet, dass ich dich mitnehmen werde. Wie willst du bitte Vater erklären, dass du schon wieder eine neue Robe hast? Nein, etwas Silberwerk genügt. Du wirst erstaunt sein wie anders eine Robe dadurch aussehen kann. Dann noch ein, zwei Schleifen und Voilá, du hast eine neue Ballrobe. Und jetzt hör auf zu schmollen, das macht nur Falten.“

„Lügnerin.“

„Dann schau in den Spiegel.“

Victoria legte sich ein kurzes Cape um.

„Und dieses Mal musst du nicht auf der Treppe sitzen und warten bis ich zurück bin. Nach dem Essen gehst du ins Bett, vergiss nicht, für Martha beginnt der Tag um 5 Uhr morgens. Du bist von den Aufgaben noch nicht entbunden. Bis zum Ball habe ich gesagt.“

Von draußen erklang das Knirschen von Kutschrädern und Getrappel von Pferdehufen die verrieten, dass eine Kutsche sich näherte. Hastig überprüfte Victoria noch einmal ihr Spiegelbild, ob die Frisur saß, das Blumengesteck in dieser, strich sich noch einmal Robe glatt.

„Du siehst wunderbar aus, Schwester, alles sitzt perfekt, genau richtig für einen Abend im Theater mit James Norrington, dass du so nervös bist…“, schmunzelte Angelica.

„Ich bin nicht nervös… wenn ich nervös wäre, sehe das anders aus.“

„Ja, ja, darum überprüfst du alle paar Sekunden ob deine Haare richtig sitzen.“, schmunzelte Angelica. „Viel Vergnügen mit Mister Norrington.“

Und mit einem Singsang wandte sich die Jüngere ab.

„Ich bin nicht nervös…“, wiederholte Victoria erneut leise, ertappte sich jedoch dabei wie wieder ihre Hand zu ihrem Haar wandern wollte. Sie tat noch einen tiefen Atemzug bevor sie das Haus verließ.
 

„Milady, ihr seht atemberaubend aus heute Abend.“

„Vielen Dank, James und einen Guten Abend wünsche ich ihnen.“, lächelte Victoria sachte und trat näher auf James Norrington zu der pünktlich auf die Minute war und vor der Kutsche auf sie wartete. Sein Gesichtsausdruck glich dem eines verzauberten.

„Guten Abend, Milady.“, sprach er leise, verbeugte sich leicht und wie immer folgte ein höflicher Handkuss. „Ihr… seht wirklich wunderschön aus heute Abend…“, hauchte er leise. „Nicht, das ihr sonst nicht auch wunderschön aussehen würdet, Milady sehen immer wunderschön aus…“

„Vielen Dank, James.“, lachte Victoria leise und ihre Wangen röteten sich ein wenig mehr. Leise räusperte sie sich dann als sie schon für mehrere Sekunden schweigend einander gegenüberstanden und sich ansahen. Er trug wieder das breite Grinsen auf den Lippen welches sie schon einmal bei ihm gesehen hatte, was ihr so sympathisch war und so ehrlich schien. „Nun, sollten wir nicht langsam… nach Convent Garden?“

„Oh, natürlich Milady, wenn ich bitten darf?“

Wie aus einer Trance erwacht ließ er erst jetzt ihre Hand los, öffnete die Kutschtür und war ihr beim Einstieg behilflich. Verlegen hatte er sich geräuspert. Peinlich berührt hatte er seinen Blick abgewandt. Das war ihm wirklich noch nie zuvor passiert und das war ihm peinlich aber ihr Anblick war so… atemberaubend heute Abend, dass…

„Ich freue mich darauf nach langem wieder Händel zu hören.“

Er blickte wieder auf als sie ihre Stimme erhob und ihn somit aus seinen Gedanken holte.

„Ja, es ist immer ein Genuss seinen Kompositionen zu lauschen. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass dieser Mann sich dazu entschlossen hat in England zu bleiben.“

„Ja, das können wir. Seine Musik ist einmalig. Sie besitzt… immer etwas Heiteres finde ich. Nie so düster und schwer wie Bach zum Beispiel. Er hat zwar auch einige recht heitere Stücke, aber diese sind gering.“

„Ihr mögt Musik, Milady?“

„Ohne Musik würde der Welt doch etwas ganz erhebliches fehlen, oder? Musik kann ausdrücken was wir mit Worten nicht können. Ich könnte mir zumindest eine Welt in der es keine Musik gäbe nicht vorstellen.“

„Spielen Milady ein Instrument? Ich kann mir Milady sehr gut an dem Spinett vorstellen.“, lächelte er.

„Da liegt ihr richtig, James. Ich spiele leidenschaftlich gerne Spinett wenn ich dazu komme. Und ihr, James, spielt ihr ein Instrument?“

„Nein, allerhöchstens die Schiffsglocke.“, schmunzelte er. „Ich würde Milady, gerne einmal spielen hören. Begleitet eure Schwester euch mit ihrer Stimme dabei?“

„Nein und ich singe auch nicht dazu, ich habe früh beschlossen die Welt vor meiner Gesangsstimme zu bewahren.“ Leise lachte sie und entlockte auch ihm ein kleines Lachen.

„Dabei habt ihr eine so wundervolle Stimme. Ich würde liebend gerne eurem Gesang lauschen.“

„Glaubt mir, James, das würdet ihr nicht wollen. Und ihr schmeichelt mir schon wieder.“

„Ich sagte schon einmal, in eurer Nähe kann ich gar nicht anders.“

Schweigend lächelten sich beide an bis zumindest Victoria irgendwann mit erröteten Wangen ihren Blick abwandte. Dennoch konnte sie es nicht vermeiden, dass sie immer wieder verstohlene Blicke auf ihn warf. Er trug heute zwar keine Uniform, aber einen dunkelblauen Gehrock mit silbernen Stickereien und eine Kniebundhose in demselben Blau. Da er den Gehrock offen gelassen hatte konnte sie darunter eine silbrigblaue Weste erkennen. Wie Angelica prophezeit hatte, wenn keine Uniform, dann wohl seinen besten Gehrock. Und sie musste sich langsam eingestehen, dass er in dem dunklen Blau wirklich gut aussah.

Auch er konnte nicht wiederstehen ab und an einen verstohlenen Blick auf ihre Gestalt zu werfen. Die Farbe ihrer Robe stand in einem wundervollen Kontrast zu ihrem Haar, man konnte gar nicht anders als hinzusehen, und die Diamanten ließen ihre Augen noch heller strahlen als sonst. Er würde sie nun viel lieber zum Tanz ausführen, statt zu einem Oratorium. Und um ganz ehrlich zu sein, konnte er Musik bisher nicht viel abgewinnen, sich mehr mit dieser zu beschäftigen hatte er nie die Zeit gehabt und in seinem Leben waren andere Prioritäten gesetzt worden. Natürlich wusste er wer Händel war, natürlich hatte er Händel schon einmal gehört, schließlich komponierte dieser Mann für den König. Dennoch würde er wohl kaum Bach von Händel unterscheiden können. Aber wenn sie Händel gerne hörte, war die Idee mit dem Oratorium hervorragend gewesen, so gut, dass er sich am liebsten selber auf die Schulter klopfen würde. Und für sie würde er stundenlang in einem Konzertsaal sitzen wenn es ihr gefiele.

„Lest ihr gerne, Milady?“

„Ich würde zumindest gerne mehr Zeit haben zum lesen.“, lächelte sie. „Ich habe schon seid Wochen Robinson Crusoe von Dafoe und Gullivers Reisen von Swift angefangen, bin aber nicht weiter dazu gekommen. Und ich würde wirklich gerne wieder die Werke von Pope, Philips und Thomson lesen. Ich lese wirklich nicht viel Poesie aber ihre Werke gefallen mir. Und ihr James? Bevorzugt ihr Prosa oder Poesie?“

„Weder noch.“, lächelte er sachte. „Auch mein Interesse der Literatur gegenüber ist beruflich geprägt. Zurzeit lese ich die Kriegstagebücher von Admiral Sir Robert Holmes.“

„Ich glaube diesen Namen bezüglich der englisch-niederländischen Seekriege einmal gehört zu haben?“

„Da haben Milady richtig gehört, er hatte dem Königreich einige Siege beschert.“, lächelte er.

„Die Royal Navy scheint euer Leben in vielen Bereichen zu bestimmten, scheint mir.“

„Nicht alle, Milady.“, schmunzelte er. „Aber einige ja, das gebe ich zu.“

„Hat da überhaupt eine Frau Platz in eurem Leben, James?“

„Für eine reizende Lady habe ich immer Zeit.“ Erneut musste er schmunzeln und bescherte ihr rote Wangen. Sie sah wirklich liebreizend aus mit den geröteten Wangen und der Gedanke, dass er der Verursacher dieser roten Wangen war, ließ ihn lächeln.

„Aber vielleicht würde euch Robinson Crusoe gefallen? Es geht um einen Schiffbrüchigen Seemann der auf einer verlassenen Insel gestrandet ist und erst nach 28 Jahren gerettet wird.“

„Das klingt wirklich interessant. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann wie man so viele Jahre einsam und abgeschottet von der Außenwelt überleben kann.“

„Ich kann es euch leihen wenn es euch interessiert.“

„Erst wenn ihr es gelesen habt, ich möchte euch nichts vorenthalten.“, lächelte er.
 

Der Bezirk Covent Garden mit dem Theatre Royal lag genau in der Stadtmitte, weswegen die Fahrt bis dorthin nicht lange andauerte. Sachte kam die Kutsche zu stehen vor dem jungen Theaterbau auf dem weiten Marktplatz. Nachdem Victoria ihr Cape in der Kutsche ablegte war James dieser zuerst entstiegen um Victoria hinaus zu helfen. Leise bedankte sie sich bei ihm und hakte sich bei ihm ein als er ihr seinen rechten Arm anbot. Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinauf und betraten das Theater. Alles war hell von Kerzen erleuchtet im Innern. Schon im Foyer des Theaters tummelten sich viele Menschen, da Händel spielte war zu erwarten, dass das Theater ausverkauft war am heutigen Abend. Das wurde auch deutlich als sie sich dann in dem rot und gold ausstaffierten Theatersaal befanden und wirklich bis auf den letzten Platz alles besetzt war. Noch wurde leise gemurmelt, man konnte hören wie das Orchester sich leise einspielte.

„Die Plätze sind hervorragend, James, wie seid ihr an diese gekommen?“

„Mir war jemand noch einen Gefallen schuldig.“, schmunzelte er. „Und ich dachte mir, ein Ausflug mit Milady ins Theater wäre die passende Gelegenheit diesen einzulösen.“

„Ich danke euch noch einmal vielmals für diese Einladung. Ich bin sehr erfreut darüber mit euch zusammen einem Oratorium von Händel beizuwohnen.“, lächelte sie.

„Ich muss euch danken, Milady, dass ihr meine Einladung überhaupt angekommen habt wo wir uns erst seid kurzem kennen.“

„Bei einer so charmanten Einladung wie der euren kann man unmöglich ablehnen.“

Als es im Saal dunkler wurde und der Vorhang sich langsam hob, verstummten alle Gespräche. Es wurde still bis auf die ersten erklingenden Töne des neuen Oratoriums von Georg Friedrich Händel.
 

„Es war eine wundervolle Aufführung. Signora Casarini war eine wirklich wunderbare Cleopatra und Thomas Low ist ein herrlicher Tenor. Ich fand es wirklich großartig dabei gewesen zu sein heute Abend.“

„Es freut mich, wenn es Milady so sehr gefallen hat.“

„Oh, gefallen ist untertrieben, es war großartig! Ich weiß gar nicht wie euch dafür danken sollen mich hierher eingeladen zu haben.“

„Wenn ich euch damit eine Freude gemacht habe, ist das Dank genug, Victoria.“

„Obwohl ihr nichts dagegen hättet wenn ich euch zum Tee einlade?“, schmunzelte sie und musste ein leises Kichern unterdrücken.

„Dagegen hätte ich wahrlich nichts einzuwenden. Im Gegenteil, ich wäre hocherfreut über eine weitere Einladung.“, lächelte er.

„Dann hoffe ich, dass die Navy euch am kommenden Dienstag wieder entbehren kann?“

„Das kann sie, Milady.“ Lächelnd gab er ihr einen Handkuss. Ihm selbst war doch ein wenig schwer gefallen sich auf die Aufführung zu konzentrieren, wo sie so dicht neben ihm saß, ihr Parfum ihm in die Nase stieg. Verständlich, dass sein Blick da zuweilen nicht auf die Bühne gerichtet war, sondern er immer wieder aus dem Augenwinkel zu Victoria blickte. Er musste sich ab und an schon Mühe geben sich auf die Musik und das Schauspiel zu konzentrieren.

Victoria musste leise aufseufzen und tat einen tiefen Atemzug.

„Dann freue ich mich schon darauf euch kommenden Dienstag wieder bei mir begrüßen zu dürfen. Das ist das Mindeste was ich tun kann als Dank für diesen wunderbaren Abend, James. Es war mir wirklich eine Freude.“

„Diese Freude habe ich Milady gerne gemacht. Es ist mir schon Dank genug euch so freudig strahlen zu sehen.“

„Oh, mit einem Theaterbesuch kann man mir immer eine Freude machen.“, lachte sie leise.

„Gut zu wissen, Milady.“, schmunzelte er.

Er führte sie an seinem Arm wieder hinaus aus dem Theater, die Stufen hinab auf den Marktplatz wo die Kutsche auch schon wartete. Beim Einstieg war er ihr erneut behilflich und folgte ihr dann, saß ihr gegenüber und lächelte immer noch sachte, ebenso wie sie es tat.

„Ich muss gestehen, dass ich es schade finde, dass der Abend schon endet. Ich hätte gerne mehr Zeit in eurer Nähe verbracht, Milady.“

„Dabei habt ihr doch schon nahezu drei ganze Stunden in meiner Nähe verbracht.“

„Wenn ihr mich fragt, war das immer noch zu wenig, ihr seid eine so reizende Gesellschaft, da genügen keine drei Stunden in einem Theater.“

Sie spürte wieder wie ihre Wangen sich erröteten und ganz warm wurden.

„Nun… ihr seid gewiss auch auf den Ball von Lady Summerset eingeladen, nehme ich an? Dann werdet ihr dort ja die Gelegenheit nutzen können länger als drei Stunden in meiner Gesellschaft verbringen zu können.“

„Das hatte ich vor, Milady.“, lächelte er. „Es gibt wahrlich keine andere Dame mit der ich noch tanzen möchte, ihr scheint mir zur Tänzerin geboren zu sein.“

Nun musste sie doch etwas kichern.

„Ach James, ihr schmeichelt mir wieder zu sehr. So gut kann ich gar nicht tanzen.“

„Ihr seid zu bescheiden, Victoria. Ihr seid eine wundervolle Tänzerin. Ist man einmal in den Genuss gekommen mit euch zu tanzen, möchte man es mit keiner anderen mehr tun.“

„Nun… vielleicht bin ich ja erneut so gnädig und werde den Abend über nur mit euch tanzen?“

„Ich wäre hocherfreut darüber, Milady. Es wäre mir mehr als eine große Ehre, würdet ihr das tun.“

„Nun, wir werden sehen, James. Zuvor steht ja noch ein Tee aus.“, schmunzelte sie. Wenn sie zu sich selber ehrlich war, dann müsse sie sich eingestehen, dass die drei Stunden wahrlich zu wenig waren heute Abend und sie sich wirklich darauf freute ihn wieder zu sehen. Und ihrer Meinung nach die wenigen Tagen bis Dienstag nicht schnell genug vergehen konnten. Sie merkte, dass er ihr langsam mehr als nur sympathisch war und sie sich gerne in seiner Gesellschaft befand. Sie unterhielt sich gerne mit ihm, hörte gerne seine Stimme und welcher Frau würde es nicht schmeicheln mit Komplimenten überhäuft, ins Theater oder auf ein Schiff seiner Majestät eingeladen zu werden?

„Ich habe den Tee probiert den ihr mitgebracht hattet. Ich habe noch nie einen so guten grünen Tee getrunken gehabt, es war ein wahrer Genuss.“

„Das freut mich. Sobald ein Schiff der Company erneut mit Tee an Bord wieder in London einläuft, werde ich mich darum bemühen Milady mehr zu besorgen.“

„Die Mühe müsst ihr euch nicht machen, James.“

„Es ist keine Mühe und selbst wenn würde ich diese gerne für euch tun.“
 

Wieder am Anwesen der Montagues angekommen, war James Norrington ihr erneut behilflich die Kutsch zu verlassen und führte sie selbstverständlich bis zur Haustür.

„Es war mir eine Ehre euch heute Abend in das Theatre Royal ausführen zu dürfen, Victoria.“

„Und es war mir eine Ehre von euch begleitet worden zu sein, James.“

Er nahm ihre rechte Hand in seine und führte diese an seine Lippen, etwas länger als nötig hielt der Handkuss an, blickte ihr in die Augen und lächelte charmant, hielt ihre Hand immer noch in seine, ihre zarte, zierliche Hand…

„Ich wünsche euch noch eine geruhsame Nacht, James.“

„Die wünsche ich euch ebenfalls, Milady. Ich freue mich auf den Dienstag.“

Es folgte noch ein Handkuss bevor er ihre Hand langsam los ließ und sich von ihr lossagen konnte.

„Gute Nacht, Victoria.“

„Gute Nacht, James.“

Langsam ging er Rückwärts zur Kutsche, ließ sie nicht aus den Augen und sie selber musste leise aufseufzen als die Kutsche sich dann immer weiter entfernte bevor sie das Haus betrat und die Tür hinter sich schloss. Immer noch lag ein sachtes Lächeln auf ihren Lippen.

„Hoffentlich vergeht die Zeit schnell.“, sprach sie leise zu sich selbst.

„Damit du deinen James wieder schnell siehst?“

Victoria war leicht zusammengezuckt, hob ihren Blick und sah ihre jüngere Schwester auf der Treppe stehen.

„Ich habe nicht hier gehockt und auf dich gewartet, ich war pünktlich im Bett, ich brauchte lediglich nur ein wenig Wasser, ich hatte Durst.“, setzte diese auch sogleich zur Verteidigung an und kam dann langsam die Treppe hinunter. „Du siehst aus als wenn der Abend ganz wundervoll mit James Norrington war. Lag es an James Norrington oder an Händels Musik?“, grinste Angelica. „Du hast ganz rote Wangen, Schwesterherz.“

„Es war ein wunderbarer Abend, ja, und es ist ein wundervolles Oratorium von Herrn Händel. Du solltest es selber hören. Und jetzt hol dir dein Wasser und dann geh wieder ins Bett. Es ist spät.“

„Natürlich war der Abend nur wunderbar wegen Händels Musik, natürlich.“, grinste Angelica und kam die Treppe hinunter, begab sich in Richtung der Küche. „Ich möchte nur noch sagen, dass dir James ganz gut tut, Schwesterlein, du wirkst wie ausgewechselt.“, lächelte sie.

„Er kommt Dienstag erneut zum Tee…“, sprach Victoria leise, legte sich ihr Cape ab und entfernte sich den Haarschmuck.

„Wirst du ihn jetzt jede Woche sehen oder jeden Dienstag zum Tee einladen?“, schmunzelte Angelica und eilte schnellen Schrittes in die Küche bevor ihre Schwester sie einholen konnte.
 


 


 

Anm.:
 

Griechisch Grün = Alte Farbbezeichnung, heute bekannt als Spangrün
 

Daniel Defoe war ein britischer Schriftsteller (ca. 1659/1661 – 1731) und schrieb u.a. den Roman Robinson Crusoe der 1719 veröffentlicht wurde.

Jonathan Swift war ebenfalls ein britischer Schriftsteller (1667-1745) und schrieb den Roman Gullivers Reisen der 1726 veröffentlicht wurde.

Alexander Pope (1688-1744) und Ambrose Philips (1674-1749) waren britische Poeten, James Thomson (1700-1748) war ein schottischer Poet.

Sir Robert Holmes (1622-1692) war ein britischer Admiral der königlichen Marine und war an dem 2. und 3. englischen-niederländischen Seekrieg beteiligt.
 

Und hier ein paar Auszüge aus Alexander Balus von Georg Friedrich Händel:
 

http://www.youtube.com/watch?v=BLqRJ4JcYGQ Here amid the shady woods
 

http://www.youtube.com/watch?v=eu3PphtkB7U&feature=related Hateful man! Thy sland´rous tongue
 

http://www.youtube.com/watch?v=NIFwJ7bqEqg&feature=related Fury, with red sparkling eyes
 

http://www.youtube.com/watch?v=7r0FNSnQWMQ Ye servants of th´eternal King

London, Frühjahr 1748 ~ Montague Anwesen ~ Summerset Palais

London, Frühjahr 1748

Montague Anwesen ~ Summerset Palais
 

Schon zum dritten Male an diesem Tag las sie sich den Brief durch den sie am Morgen erhalten hatte. Seit sie diesen erhalten hatte, trug sie ein dauerhaftes Lächeln auf ihren Lippen und summte sogar leise vor sich hin, egal was sie tat. Und immer wenn ihr Blick auf den Brief fiel musste sie leise seufzen. Es fiel ihr schwer sich auf andere Dinge an diesem Tag zu konzentrieren, was ihrer Schwester natürlich nicht verborgen blieb. Es war Monatsende und so überprüfte Victoria das Haushaltsbuch und sämtliche Rechnungen. Eher gesagt, sie wollte. Aber seufzend fiel ihr Blick dann wieder auf den Brief.

„Lass mich einmal sehen, was ausgerechnet dich davon abhält deine Aufgaben zu verrichten.“

Noch ehe Victoria etwas machen konnte hatte Angelica über den Tisch gelangt und sich den Brief geschnappt.

„Gib ihn mir wieder her! Der ist nicht für deine Augen bestimmt! Angelica!“

„Oh, ein Brief von deinem James!“ Sie räusperte sich leise. „Meine teuerste Victoria… Oh, du bist seine teuerste Victoria!“

„Angelica! Gib mir diesen Brief sofort zurück! Auf der Stelle!“

„Ich konnte nicht wiederstehen euch zu schreiben, da mir die Tage bis zu unseren nächsten Wiedersehen, zu lang schienen.“

„Angelica!“, fauchte Victoria wütend und kam eilig um den Tisch herum, Angelica floh vor ihr.

„Oh, ja, es dauerte ja noch so lange bis er wieder zum Tee hier ist und dir wieder irgendwelche Blätter aus China schenken kann. Ganz abgesehen davon, dass sein Blick beim letzten Mal nicht immer auf deinem Gesicht gelegen hat…“

„Angelica!“

Diese floh um den Tisch herum vor ihrer älteren Schwester.

„Ich muss euch erneut danken für die Einladung zum Tee. Ich fühle mich geehrt so schnell wieder euer Gast sein zu dürfen… Oh und ihm hat der Abend im Theater sehr gefallen, na ob das am Theater lag und nicht an dir? Er ist ja ganz schön forsch meiner Meinung nach, was Papa wohl dazu sagen würde? Da wird meiner Schwester tatsächlich der Hof gemacht…Ich bin jetzt umso mehr auf den Ball gespannt. Wenn ich euch nicht mehr sehe, kann ich mir ja vorstellen wo ihr hin entschwunden seit.“

„Wenn du mir den Brief nicht auf der Stelle zurückgibst, dann wirst du keinen Ball besuchen bis du Dreißig bist!“

Es war schon regelrecht Zorn der sich im Gesicht von Victoria spiegelte, die Wangen fast glühend rot, bebend vor Wut. Schnell händigte Angelica den Brief ihr über und raffte den Rocksaum um schnellen Abstand zwischen sich und ihrer Schwester zu bringen.

„Meine Korrespondenz hat dich nicht zu interessieren, verstanden?!“

„Die liest dir den Brief aber immer und immer wieder durch und seufzt ständig. Und es ist kein einfaches Seufzen.“, grinste die Jüngere. „Es ist ein… verliebtes Seufzen!“

„Unsinn! Ich kann doch wohl Seufzen wann ich will! Und was willst du davon schon wissen? Gibt es da etwas was ich wissen müsste? Oder Vater?“

„Bei mir gewiss nicht. Aber bei dir? Papa würde es bestimmt interessieren, dass ein Mann der Royal Navy dir den Hof macht und dich bereits ins Theater eingeladen hat. Ohne, dass Papa ihn überhaupt kennt und ohne, dass er Papa überhaupt um die Erlaubnis gebeten hat dich ausführen zu dürfen. Ich würde Papa ja zu gerne schreiben!“, grinste Angelica, stemmte die Hände in die Hüften und fühlte sich ihrer älteren Schwester gegenüber überlegen.

„Du vergisst wohl wer dich zum Ball mitnehmen wird, hm?“, grinste Victoria.

Schlagartig verlor Angelica ihren überlegenen Gesichtsausdruck.

„Das ist ungerecht… das… das ist gemein von dir. Du lässt dich von einem Mann ausführen und ich darf gar nichts!“

„Ich bin auch älter als du. Und damit ist das Thema beendet, verstanden?“

„Ja, ja… Trotzdem ist er ganz schön forsch. Ihr kennt euch höchstens einen Monat… und dann schon so ein Brief. Es klingt ganz so als würde er mehr mit dir wollen als nur Tee trinken… und du seufzt immer auf bei dem Brief… Ich habe gelesen, dass es sich anfühlt als hätte man Schmetterlinge im Bauch…“

Victoria seufzte leise auf. Es gab Tage da würde sie ihrer Schwester gerne den Hals umdrehen wie bei einer Gans. Sie faltete den Brief wieder zusammen und setzte sich, nahm sich nun das Haushaltsbuch vor.

„Ich fühle mich geschmeichelt seine Aufmerksamkeit auf mich gezogen zu haben, wenn du das damit ausdrücken willst.“

„Nun komm schon, ich bin deine Schwester! Mir kannst du doch so etwas erzählen, hm?“

„Dir kann ich wenn so etwas am allerwenigsten erzählen.“

„Was soll das denn heißen?“, empörte sich Angelica.

„Dass du dein Mundwerk einfach nicht halten kannst.“
 

„Oh, ich freue mich so sehr! Ich finde es toll, dass Mary-Anne uns schon früher eingeladen hat! Ich kann auf dem Gelände den ganzen Tag reiten! Es muss wundervoll sein so viele Bedienstete zu haben, gar nichts mehr machen zu müssen! Das muss so traumhaft sein! Wenn Vater nur etwas weniger geiziger wäre, dann…“

„Vater ist nicht geizig. Er denkt nur voraus. Du weißt, dass das Geld als unsere Mitgift erhalten soll. Je höher die Mitgift ist, desto bessere Partien kann man machen und Vater möchte nur das Beste für uns. Außerdem haben wir alles was wir brauchen. Es gibt kein Grund zum klagen. Und jetzt kein Wort mehr darüber, wir sind gleich da. Über Geldangelegenheiten spricht man nicht in der Öffentlichkeit.“

Und schon bog die Kutsche die Auffahrt zum Anwesen der Summersets ein. Die Kutschräder knirschten auf dem Kiesweg, ebenso die beschlagenen Hufe der Pferde. Die Auffahrt war link und rechts von Bäumen gesäumt bevor sich eine große Freifläche vor ihnen erstreckte an deren Ende das Palais stand. Zu beiden Seiten waren kunstvolle Blumenbeete angelegt worden die im Sommer ihre ganze Farbenpracht entfalten würden zusammen mit dem saftigen Grün der Hecken und Rasenflächen.

Der rosa Putz der Fassade strahlte im Licht der Sonne, ebenso wie das Weiß der Fensterfassaden, des verkropften Giebels mit seinen Putten und Voluten und der reichverzierten Balkonfassade mitsamt den angedeuteten Säulen welche den Hauptteil des Palais einrahmten. Sowohl Voluten wie auch die Putten waren mit wenig Gold verziert, genug um das Palais noch prächtiger aussehen zu lassen und nicht geblendet zu werden die Sonne darauf schien.

Angelica konnte gar nicht anders als zu staunen. Und dabei hatte sie noch nicht einmal das Innere gesehen. Sie war schon jetzt hin und weg von dem Anwesen und es wurde nicht besser als die Kutsche anhielt und sie ausgestiegen waren. Gerade in diesem Moment kam Mary-Anne aus der Tür und stürmte schon beinahe auf ihre Freundin zu, nahm sie fest in die Arme.

„Oh, es ist so schön dich hier wieder begrüßen zu dürfen und ich freue mich unheimlich, dass du meine Einladung angenommen hast!“

„Ich muss noch einmal für die Einladung danken.“

„Ach, das ist doch selbstverständlich! Guten Tag Angelica, du bist aber groß geworden, wie lange ich dich nicht gesehen habe, du wirst ja langsam zu einer richtigen kleinen Schönheit! Aber da rede, rede und rede ich, kommt hinein, der Tee wartet bereits, euer Gepäck wird in die Gästewohnung gebracht.“

„Eine Gästewohnung…“, hauchte Angelica ehrfürchtig. Sogar eine Gästewohnung hatte das Palais in welcher sie unterkommen würden…

Im Innern des Palais selbst fiel es der Jüngsten schwer den Mund vor Staunen auch geschlossen zu halten. Allein die Deckenfresken waren so kunstvoll und farbenprächtig… Alles schrie schon förmlich danach, dass hier hoher Adel lebte.

Bevor sie jedoch den Tee einnehmen konnte, entschuldigte sich Victoria, sie wollte sich etwas frisch machen, Angelica wollte es ihr gleich tun, aber… da Angelica ja so eine Quasselstrippe war und Victoria ihr nichts erzählte… Mary-Anne musste schließlich auf dem neusten Stand sein.
 

„Aber nun, meine Liebe, sag mir… was ist da zwischen dir und James Norrington?“, grinste Mary-Anne die nach dem Tee ihre Freundin beiseite genommen hatte und mit ihr in den Garten gegangen war. „Du lädst ihn zum Tee ein, er dich auf ein Schiff und ins Theater… Ihr habt euch jede Woche bisher gesehen, hm? Angelica erzählte mir er habe dir auch einen Brief geschrieben, weil er… nicht mehr abwarten konnte? Und er war erst Vorgestern wieder zum Tee bei dir und er hätte seinen Blick nicht von dir genommen?“, lachte sie leise.

„Diesem Kind muss man das Mundwerk zunähen…“, grummelte Victoria leise vor sich hin.

„Ach meine Liebe, gib es ruhig zu, unser guter James macht dir den Hof. Das ist doch wunderbar! Ich wusste gleich, dass ihr beide gut zueinander passt.“

„Er macht mir nicht den Hof. Ich habe ihn zum Tee eingeladen, na und? Ist das ein Verbrechen?“

„Nein, natürlich nicht. Aber erzähl, wie war denn die zweite Teestunde mit James? Angelica meinte er hätte die Blumen mitgebracht. Sie fand es weitaus romantischer als den Tee, den er dir wohl beim ersten Mal mitgebracht hatte.“

„Der Tee, zur Information, war wirklich wunderbar. Wir haben nur miteinander geredet. Wir haben Tee getrunken und miteinander geredet.“

„Und über was kannst du mit James Norrington reden?“

„Ich hatte erzählt gehabt, dass ich gerade die Romane Gulliver´s Reisen und Robinson Crusoe lese. Als wir ins Theatre Royal gefahren sind. Er hatte nun Robinson Crusoe gelesen seit dem, ich bin ebenfalls dazu gekommen das Buch zu ende zu lesen und… wir haben uns halt darüber unterhalten.“

„Für dich würde er gewiss auch Liebesromane lesen wenn sie dir gefallen würden.“, lachte Mary-Anne leise. „Der Mann versucht ja nach allen Regeln der Kunst dir zu gefallen. Ich bin nun wahrlich auf meinen Ball gespannt. Hat er dich schon gefragt, ob du wieder mit ihm tanzen würdest? Den ganzen Abend?“, schmunzelte sie.

„Du wirst es sehen.“

Mary-Anne musste lachen. Es war für sie nur eine Bestätigung, dass sie einfach immer das richtige Gespür hat und sie würde einen Besen essen wenn die zwei nicht zumindest Verlobt wären bis zum Ende des Jahres.

„Wir müssen dich dann ja besonders herausputzen für den Ball, damit du James völlig den Kopf verdrehst.“, schmunzelte die Blonde. „Obwohl es dazu ja nicht mehr viel benötigt wie Angelica mir berichtete, du erzählst mir ja nichts… Und das wo ich euch miteinander bekannt gemacht habe, das ist nicht nett Victoria.“

„Ich verstehe nicht was das soll, warum ist jeder von der Idee besessen er würde mir den Hof machen, will mir jetzt jeder Mann den Hof machen den ich zum Tee einlade oder mit dem ich in das Theater gehe?“

„Nein, das natürlich nicht, aber ist es nicht schon verdächtig, dass ihr euch erst seit kurzem kennt und euch bisher einmal in der Woche mindestens gesehen habt? Er schenkt dir frischen Tee, Blumen, lädt dich ins Theater ein, erträgt sogar deine kleine Schwester.“, lachte sie. „Bittet dich darum nur mit ihm zu tanzen. Meine Liebe, du musst selber zugeben, dass das nicht der Normalfall ist. Warum versuchst du zu leugnen? Deinem Vater würde er ganz gewiss gefallen, deswegen brauchst du dich nicht zu sorgen. Was ist es, hm?“

Victoria tat einen tiefen Atemzug, seufzte leise auf und brauchte ein wenig bevor sie wieder ihre Stimme erhob.

„Ich weiß nicht was es wirklich ist, wie ich mich verhalten soll, was ich tun soll… Ich… es ist nicht so, dass ich noch nie verliebt war. Als ich so alt wie Angelica hatte ich auch meine Schwärmereien. Aber es waren nur Schwärmereien. So schnell wie sie gekommen waren, waren sie auch wieder verflogen. Aber… ich merke wie ich erröte wenn er mir Komplimente macht. Bei seinem Lächeln wird mir ganz warm. Wenn ich ihm in seine Augen sehe, dann fällt es mir schwer den Blick überhaupt noch zu senken. Er ist immer so höflich und zuvorkommend, ich lausche gerne seiner Stimme. Ich… ich fühle mich ganz durcheinander.“, seufzte sie leise.

„Denk nicht darüber nach.“, schmunzelte Mary-Anne. „Genieße es und lass dich einfach von deinen Gefühlen leiten. Dagegen wehren kannst du dich ohnehin nicht. Ein schönes Gefühl, hm? Wenn da jemand ist der an dich denkt… und du an ihm… du es kaum erwarten kannst ihn wieder zusehen… seine Stimme zu hören… in seine Augen zu blicken… dir ganz warm wird in seiner Nähe und du irgendwann anfängst ganz unanständige Gedanken zu bekommen…“

„Mary-Anne!“

Diese kicherte erneut leise und amüsierte sich herrlich über ihre beste Freundin.

„Wenn es soweit ist, dann sag mir bescheid, ich habe da ein ganz gutes Mittelchen das verhindert, dass du noch vor einer Hochzeit einen kleinen Racker in die trägst.“, schmunzelte sie.

„Das genügt jetzt Mary-Anne!“

„Wie niedlich, du wirst ja ganz rot!“, lachte die Blonde. „Du musst dich doch nicht schämen. Frisch verliebt können wir uns alle nicht zurückhalten. Das ist ganz normal. Oder glaubst du etwa ich wäre noch unberührt bei meiner Hochzeit gewesen? Gott bewahre, ich hatte zum Glück einen sehr einfühlsamen und liebevollen Küchenjungen zuvor gehabt. Sonst wäre ich für mein Leben traumatisiert gewesen. Wichtig ist nur, dass du erst nach einer Hochzeit etwas Kleines unter deinem Herzen trägst. Danach ist das alles gar kein Problem… Deshalb musst mir dann auch sofort bescheid geben, das Mittel schmeckt zwar scheußlich… aber es wirkt!“

„Wie kannst du nur an so etwas denken? So etwas tut man nicht vor der Ehe…! Es sind erst vier Wochen und schon denkst du an so etwas bezüglich James und… schämen solltest du dich!

„Ich komme darauf zurück, wenn du bei mir Anklopfst und nach einem guten Rezept fragst…“, grinste Mary-Anne. „Aber ein Glück, dass er länger in London bleibt, wie ich hörte, hm? Hast du ihn noch etwas Länger. Weißt du wann er wieder zur See fährt.“

„Das konnte er nicht sagen. Er dient auf der Dolphin und die liegt trocken wegen irgendwelchen Reparaturen.“

„Welch ein Glück für eure junge Bekanntschaft. Vielleicht wüsste er mittlerweile auch gar nicht was er dienstags um 5 Uhr Nachmittags tun sollte wenn er nicht zum Tee bei dir ist.“, lachte sie. „Hast es denn schon deinem Vater geschrieben?“

„Was sollte ich ihm denn schreiben…?“

„Dass da ein junger, hübscher Mann der Royal Navy ist der dir sehr sympathisch ist, dem du sehr sympathisch bist, der dich in das Theater einlädt und…“

„Ich habe vor ihm bald zu schreiben… und dann werde ich auch James erwähnen.“

„Braves Mädchen. Da freue ich mich schon richtig auf meinen Ball euch zwei wieder zusammen zu sehen! Nicht, dass ihr aber alleine entschwindet, das schickt sich nun wirklich nicht nach so kurzer Zeit.“

„Ganz gewiss wird das nicht passieren, Mary-Anne…! Unerhört, dass du überhaupt an so etwas denkst…“

„Wie ich sagte meine Liebe, frisch verliebt…“, lachte sie leise. „Aber nun komm, wir sollten uns Gedanken darüber machen was du zum Ball trägst, ich bin zu gerne bereit dir auszuhelfen bezüglich der Robe, du sollst glänzen an dem Abend, du sollst dir James um den Finger wickeln, so dass keine Sirene und Nixe der sieben Weltmeere ihn dir mehr abspenstig machen kann!“

„Übertreibe bitte nicht.“

„Das tue ich keineswegs, ich möchte nur in der ersten Reihe sitzen wenn ihr heiratet und dann solltet ihr denken wem ihr euer Glück zu verdanken habt.“, schmunzelte die Blond und führte ihre Freundin wieder in das Innere des Palais.

London, Frühjahr 1748 ~ Summerset Palais

London, Frühjahr 1748

Summerset Palais
 

„Du siehst wunderbar aus. Sogar die Pompadour wäre neidisch heute Abend auf dich. Selbst der König würde dir heute Abend nicht wiederstehen können.“

„Du übertreibst maßlos.“

„Stimmt… an dem König bist du ja gar nicht interessiert, du willst ja nur James Norrington!“, lachte die Blonde und platzierte noch eine Blume im Haar ihrer Freundin. „Perfekt! Eigentlich müsste man jetzt ein Portrait von dir anfertigen um den Anblick festzuhalten. Einen Abnehmer hättest du ja.“, grinste sie.

„Ach was… du übertreibst… so umwerfend sehe ich gar nicht aus… findest du es nicht doch ein wenig zu protzig? Ich weiß nicht… Ich danke dir wirklich, dass du mir Robe und Schmuck leihst, aber…“

„Kein Aber. Ich tue das gerne für meine beste Freundin und schließlich will ich dich irgendwann unter der Haube sehen um mit dir gemeinsam über das Leid als Ehefrau zu klagen.“, schmunzelte sie. „Und James Norrington scheint mich ganz sicher der Richtige für dich zu sein. Eine Weisheit habe ich bezüglich Männer früh gelernt. Eine Frau hat nicht viele Reize. Aber mit denen die sie hat, darf sie nicht geizen. Um so einen Mann musst du kämpfen, Liebes, da sind alle Mittel erlaubt.“

Victoria seufzte leise und betrachtete erneut ihr Spiegelbild. Die Fuchsbraunen Haare waren gelockt und zu einer eleganten Frisur gesteckt wurden, verziert mit Blumen und einem seidenen Band. Um ihren Hals schmiegte sich ein edles Collier aus nicht gerade kleinen Diamanten, an ihren Ohren baumelten die dazugehörigen Ohrringe. Die Schminke war dezent gehalten. Nur ein wenig Puder, da sie blass genug war, ein wenig Rouge auf den Wangen, rote Pomade auf den Lippen, die Wimpern geschwärzt. Die Robe war in einem gold-gelben Ton gehalten, Rüschen zierten den Ausschnitt und den Saum, Volants aus Spitze an den Ärmel, Schleifen zierten das Bruststück der Robe. Der einfache Rock war mit einem blumigen Muster verziert dessen Blüten in einem kräftigen Karmesinrot erstrahlten.

„Auf solchen Anlässen kann man gar nicht genug übertrieben, Liebes. Und diese Farbe steht dir einfach ausgezeichnet. Obwohl du gewiss in Zukunft alle Nuancen von Blau nur noch tragen wirst aufgrund eines gewissen Herren, hm?“, grinste Victoria erneut und versuchte damit ihre Freundin ein wenig zu necken.

„Ich mochte Blau auch schon vorher… dass ich gerne Blau trage hat nichts mit James zu tun.“

„Hatte, meine Liebe… es hatte nichts mit ihm zu tun, aber jetzt… Ich werde die Musiker anweisen mehr Menuette als üblich zu spielen heute Abend. Ihr sollt ja schließlich euren Spaß haben.“, schmunzelte sie. „Wenn du ihm schließlich versprochen hast mit ihm zu tanzen… dann wunder dich aber nicht, wenn du die Nacht lang nur mit einem tanzt, ist es halt offensichtlich. Nun komm, die ersten Gäste werden bald eintreffen. Deine Schwester ist auch schon ganz gespannt.“

„Seit sie die Einladung gefunden hat gibt sie keine Ruhe wegen dem Ball.“

„Überlass sie nur mir, junge Engländerinnen und der erste Ball, darin habe ich Erfahrung. Konzentrier du dich nur ganz auf deinen lieben James. Er soll sich ja nicht langweilen.“, kicherte sie.
 

Im Foyer und im Ballsaal huschte schon Angelica hin und her vor lauter Aufregung und staunte nur über den Prunk, wie die Kronleuchter funkelten und das Kerzenlicht durch die Spiegel reflektiert wurde. Und erst die Gäste, all die hübschen Ballroben und wenn die Musiker spielen würden… Ihr erster Ball! Und sie liebte ihre Ballrobe, das zarte Rosa mit dem weiß und der Spitze. Sie würde es am liebsten nie wieder ausziehen wollen. Selbst die Schuhe liebte sie. Nun, zumindest jetzt plagten sie noch keine Fußschmerzen aufgrund des Schuhwerks und noch hatte sie vor die ganze Nacht durchzutanzen, ganz gleich wie müde sie am nächsten Tag wäre.

„Ich bin so aufgeregt!“, sprudelte es aus ihr heraus als auch Victoria und Mary-Anne in den Saal kamen. „Das ist alles so wunderschön hier und wenn erst die Musik spielt und die Gäste da sind! Allein wie das ganze Gold schimmert in dem Kerzenlicht, so viele Kerzen überhaupt! Wie haben nie so viele Kerzen zu Hause an, dabei ist so romantisch das seichte Licht! Und wie die Lüster funkeln! Die Kristalle und feinen Blüten und Blumen, sind die aus Glas?“

„Alle drei Lüster in diesem Saal sind aus Murano, feinstes Muranoglas schmückt diese.“, lächelte Mary-Anne.

„Aus Murano…“, staunte Angelica. „Wie wunderbar… echtes Muranoglas…“

„Muranoglas ist einfach das Beste. Das Böhmische ist auch recht hübsch, aber nichts geht über das Glas aus Murano, es gibt nichts edleres was dies betrifft.“, erwiederte Mary-Anne.

„Weiß dein Mann auch wofür er ein kleines Vermögen ausgibt?“

„Ach der, der fragt mittlerweile gar nicht erst, ich bringe zumindest Stil und Leben in dieses Haus.“, schmunzelte sie. „Und glücklicherweise befindet er sich gerade auf seinem Jagdschloss und kommt erst nächste Woche wieder zurück. Es wäre auch zu schade wenn ich mich nicht mit dem adretten Baron von Wenham unterhalten könnte.“

„Ah, du nennst es also seit neustem doch unterhalten?“, schmunzelte Victoria.

„Vielleicht finde ich ja auch jemanden.“, warf Angelica ein.

„Lass das meine Sorge sein, Süße. Du wirst den Abend nicht von meiner Seite weichen, nur so kannst du lernen wie eine Dame von Welt sich auf hohen Anlässen, Bällen und in Gegenwart von Männern gibt und glaub mir, bezüglich Männer habe ich viel Erfahrung. Ich hab es geschafft deiner Schwester einen Mann zu suchen, also wird es bei dir eine Kleinigkeit sein.“. lächelte die Blonde.

Angelica merkte sofort, dass da etwas faul war. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah beide skeptisch an.

„Ich soll ja nur beschäftigt sein damit Victoria mit James alleine kann, hm? Die feine englische Art ist das ja nicht, ich dachte immer eine Dame sei nicht alleine mit einem Mann?“

„Kleines, glaubst du wirklich auf einem Ball wäre man irgendwo alleine?“, lachte Mary-Anne und beugte sich etwas zu ihr hinunter. „Und außerdem, gönn es deiner Schwester… wenn sie verheiratet ist… das lebt sich nicht mehr euch zu Hause, du weißt, was das heißt?“, flüsterte sie verschwörerisch.

„Na gut… dann will es damit mal belassen.“, sagte Angelica und schien etwas besänftigt zu sein. „Aber nur weil ich James mag und er mir sympathisch ist.“

„Du bist eine gute Jüngere Schwester.“, schmunzelte Mary-Anne. „Und so hübsch wie du heute ausschaust, wird es ein leichtes sein, dir einen jungen, hübschen Burschen zu suchen.“, zwinkerte sie noch.

„Lass sie aber ja nicht aus den Augen, nicht dass sie etwas Dummes tut. Und lass sie vor allem nicht alleine mit irgendwem. Sie ist zu hitzköpfig.“

„Ich weiß sehrwohl was sich gehört und was nicht!“

Mary-Anne lachte leise. „Keine Sorge, ich werde schon gut Acht geben auf sie, vertrau mir da ruhig.“

„Erlaucht, die ersten Kutschen fahren vor.“

Ein Bediensteter hatte das Geplauder der drei Damen unterbrochen, welcher in den Saal getreten war, sich höflich verneigt hatte.

„Wunderbar, danke William, ist die Küche auch bereits?“

„Jawohl, Erlaucht.“

„Umso besser! Meine Damen, der Abend kann beginnen.“, schmunzelte Mary-Anne.
 

„Ich möchte endlich tanzen… wann wird denn endlich getanzt?“

„Sei nicht so ungeduldig, das steht einer Dame nicht. Außerdem ist die Zeit zum Tanz noch nicht gekommen, es sind noch nicht alle Gäste da.“

„Das siehst du daran weil dein James nicht zu sehen ist?“, grinste Angelica.

„Trink lieber deinen Champagner… nicht so hastig! Eine Dame stürzt ihn sich nicht hinunter, sei langsam damit… nicht dass er dir noch zu Kopf steigt.“

„Champagner kann bei mir wenigstens nicht soviel Unheil anrichten wie bei dir ein Mann…“

„Angelica!“, zischte Victoria.

„Huuu, ich glaube ich sehe da vorne eine Uniform der Royal Navy… Ha! Jetzt hast du dich verraten, Schwesterchen!“, lachte Angelica und Victoria nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es fort. Ihrer Meinung nach genügte das an Champagner was Angelica schon getrunken hatte. Zur Entschädigung tauchte dafür aber nun wirklich eine dunkelblaue Uniform der Royal Navy samt ihrem Besitzer auf. Angelica merkte aus dem Augenwinkel wie sich ihre Schwester deutlich anspannte und ihre Fächer fester ergriff. James Norrington hatte sie selbst noch nicht gesehen, Angelica konnte zumindest nicht das Grinsen auf seinem Gesicht was er sonst hatte in der Nähe seiner Schwester, manchmal, wenn sie gemein wäre, könnte sie es sogar als ein wenig dümmlich bezeichnen. Halt wie Verliebte nun einmal Grinsen. Außerdem wäre es auch unhöflich nicht der Gastgeberin zu erst Aufmerksamkeit zu schenken was er gerade tat.

„Vergiss nicht zu atmen…“, neckte Angelica ihre Schwester und musste sich ein Grinsen verkneifen. Es war ihr Glück, dass gerade jetzt James´ Blick auf ihre Schwester fiel und diese in dem Moment ohnehin zu nichts anderes mehr fähig war als zu lächeln. Elegant schob er sich an diesem und jenen vorbei bevor er vor ihnen stand, sich höflich verneigte und erst Angelica und dann Victoria mit einem Handkuss begrüßte.

„Milady, es ist mir eine Freude euch heute Abend zu sehen. Ihr seht, mit Verlaub, hinreißend, gar atemberaubend aus.“

„Vielen Dank, James. Es ist mir wie immer eine Freude solche Komplimente von euch zu hören.“, lächelte Victoria.

Angelica indes zog sich still und heimlich zurück, nicht zuletzt weil Mary-Anne sie zu sich gewunken hatte und beide dieses gewisse Lächeln trugen, dass aussagte, dass sie die anderen zwei alleine lassen sollten.

„Und ich bin erfreut euch wieder welche machen zu können.“, schmunzelte er.

Es fiel ihm ohnehin schwer seine Augen von ihrem Anblick zu lösen, aber heute wäre es noch schwerer als sonst. Sie sah einfach so zauberhaft aus, wahrlich atemberaubend. Heute wäre es ein leichtes für sie mit jeder Baronesse oder Gräfin zu konkurrieren. Sie sah so edel aus in diesem Goldgelb und das seichte Licht der Kerzen schmeichelte ihr so sehr, ihre rötlichen Wangen, der Schimmer in ihren Augen… Er wollte seinen Mund öffnen um etwas zu sagen aber da klatschte Mary-Anne schon in ihre Hände und forderte zum Tanz auf.

„Milady, wenn ich bitten dürfte? Es wäre mir eine große Freude wenn ihr mir diesen Tanz schenken würdet.“

„Das würde ich sehr gerne.“, lächelte sie und legte ihre rechte Hand auf seinen Arm den er ihr anbot.

Er führte sie auf das Tanzparkett, man stellte sich in Position und die Musiker begann mit einem Menuett von Händel. Ihm viel erneut auf wie leichtfüßig sie sich bewegte zu der Musik, ebenso leicht und zierlich wie die Musik selbst es war, trotz des sperrigen Paniers und der Robe von denen er wusste, dass diese auch nicht gerade leicht waren. Er selbst war dankbar dafür, dass er sich überhaupt noch auf seine eigenen Schritte konzentrieren konnte. Immer wenn sich ihre Hände berührte, drückte er ihre ein wenig fester, dies erwiederte sie mit einem breiten Lächeln, jedes Mal wenn ihr so nahe kam, dass er ihr Parfüm riechen konnte. Jedes Mal wenn sie neben einander her schritten, jedes Mal wenn sie vor einander standen und auch wenn mehrere Meter sie trennten, lag sein Blick dennoch auf ihr. Als die Musik sich dem Ende neigte und sie wieder einander gegenüberstanden, taten die Damen zum Schluss einen Knicks, die Herren verbeugten sich und James nutzte die Gelegenheit ihr erneut einen Handkuss auf ihre zarte Hand zu hauchen, der Duft von Lavendel fing ihn ein. Lächelnd blickte er ihr in die Augen als er sich wieder aufrichtete, sah das Lächeln auf ihre Lippen.

„Darf ich euch um einen Spaziergang bitten, Victoria?“

„Ich würde es begrüßen, James.“, lächelte sie und hakte sich bei ihm ein bevor sie das Palais verließen und in den Garten traten der mit wenigen Fackeln erleuchtet war.

Es war warm genug, so dass sie nicht fror. Der Kies knirschte und den Schuhe, selbst hier draußen konnte man die Musik aus dem Innern wahrnehmen. Der Mond hatte sich bis zur Hälfte gefüllt, schien jedoch hell und unverdeckt von irgendwelchen Wolken, dazu noch die hellen Sternen die zu Millionen am nächtlichen Himmel prangten.

„Ich… bin wirklich froh, euch so schnell wieder zu sehen.“, begann er und… war dann ein wenig hilflos, da er nicht wusste wie er fortfahren sollte.

„Das bin ich ebenfalls. Was hättet ihr getan, wenn wir uns nicht so schnell wiedergesehen hätten? Hättet ihr mir dann wieder einen Brief geschrieben?“

„Ich… hätte mich dann wohl kaum zurückhalten können.“

„Über einen weiteren Brief hätte ich mich sehr gefreut. Euer erster gefiel mir, er schmeichelte mir sehr.“

„Ich bin erfreut zu hören, dass ich euch auch mit geschriebenen Worten schmeicheln kann.“, lächelte er. Was er ihr eigentlich sagen wollte, fiel ihm doch ein wenig schwer. Es war unsinnig, fast lächerlich, schließlich war es unvermeidlich, daran konnte weder er etwas ändern, noch sie, noch sonst irgendwer, aber eigentlich musste er es ihr gar nicht erzählen, schließlich waren sie nur miteinander ´bekannt` und… er tat einen tiefen Atemzug bevor er wieder seine Stimme erhob und sein Gesicht ihr zuwandte. „Es… gibt da etwas, was ich euch sagen möchte, Victoria.“

Sie waren stehen geblieben und bei seinen Worten blickte sie erwartungsvoll zu ihm auf.

„Und das wäre?“, lächelte sie.

„Nun… es ist so, dass… nun… die… die Dolphin wird wieder früher in See stechen als erwartet und somit… auch ich.“, lächelte er etwas unbeholfen.

Ein ganz klein wenig Enttäuschung machte sich in ihr breit, aber… was hatte sie eigentlich erwartet würde er ihr sagen, hätte er ihr sagen wollen? Das war doch lächerlich. Aber…

„Oh… und… natürlich werdet ihr mit der Dolphin zusammen in See stechen.“, lächelte sie. „Wann… wird es denn soweit sein?“

„In genau 10 Tagen.“, nickte er.

„Oh, so früh schon…? Und… wohin geht die Reise? Werdet ihr lange fort sein?“ Zu spät fiel ihr auf, dass sie sich hätte auf die Zunge beißen sollen um die letzte Frage hinunterzuschlucken. Die Röte stieg ihr stärker in die Wangen.

„Es geht dieses Mal nach Gambia, Westafrika.“, nickte er. „An die Goldküste. Im August sollten wir wieder zurück sein. So ist es zumindest anberaumt.“

„Im August?... Das… ist sehr lange, mehr als drei Monate.“, sagte sie langsam. „So lange werdet ihr fort sein, James?“

„Leider ja, Milady. Wohin die Dolphin geht, muss auch ich gehen. Aber ich verspreche euch zu schreiben. Allein, damit ihr mich nicht vergesst!“

Sie musste wieder leise lachen.

„Aber brauchen die nicht ebenso lange bis sie hier sind, die Briefe?“

„Dafür werde ich euch dann jeden Tag schreiben. Jeden Tag einen Brief.“

„Werdet ihr auch soviel zu schreiben finden?“

„Westafrika ist nicht minder exotisch wie Indien. Es wird viel geben was ich euch schreiben kann, allein um euch das Land zu beschrieben.“, lächelte er.

„Versprecht ihr es mir? Jeden Tag ein Brief?“

„Ich verspreche es, bei meiner Ehre.“, schmunzelte er, nahm ihre Hand in seine und hauchte einen Kuss auf diese.

„Schon in wenigen Tagen… werdet ihr da überhaupt die Zeit haben mich erneut mit einem Besuch zum Tee zu beehren, James?“

„Die Zeit finde ich immer.“, lächelte er. „Komme was wolle.“

„Victoria! Das musst du sehen! Angelica tanzt mit dem Sprössling des Grafen von Laundhill! Und sie macht sich ganz wunderbar!“, erklang die Stimme von Mary-Anne. Es lag ihr fern die zwei zu stören, aber zwei junge Menschen sollten nicht allzu lange zusammen fort bleiben von der Gesellschaft sofern sie nicht aneinander gebunden sind. Nach einer gewissen Zeit beginnt man nämlich sonst darüber zu tuscheln und bevor dies geschehen konnte bei ihrer Freundin, schritt die Blonde lieber ein.

„Wir sollten uns womöglich wieder in das Innere begeben.“, lächelte Victoria entschuldigend und hatte ein Seufzen unterdrücken müssen.

„Natürlich Milady. Verzeiht, da ist es der erste Ball eurer Schwester und ich entführe euch hinfort.“, schmunzelte er.

Sie selbst hätte liebend gerne noch ein wenig mehr Zeit mit ihm an der frischen Luft verbracht, aber es wäre vielleicht doch besser dem Rat ihrer Freundin zu folgen und so begaben sie sich wieder in das Innere des Palais wo erneut zum Tanz aufgefordert wurde und schließlich hatte sie schon zuvor James alle Tänze an diesem Abend versprochen.
 


 


 

Anm:
 

Madame Pompadour (29.12.1721 – 15.4.1764) war eine Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. Im Frühjahr 1745 gelang es ihr auf einem Maskenball die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu ziehen. Noch im selben Jahr wurde sie offiziell zu seiner Mätresse ernannt, die erste Bürgerliche am französischen Hof mit diesem Status. Gleichfalls ernannte er sie zur Marquis mitsamt Land und Wappen.
 

Kerzen waren schon immer ein teures Gut und es wurde damit sparsam umgegangen, sogar an königlichen Höfen wurde genausten Buch geführt über den Verbrauch der Kerzen, z.B. in Preußen. Die Lüster wurden nur zu ganz hohen Anlässen entfacht und dienten sonst nur rein der Dekoration. Man besah sich damals mehr die kunstvollen Lüster als Gemälde an den Wänden. Lüster waren damals auch sehr teuer. In Preußen zahlte der Alte Fritz z.B. 6000 Taler für einen Lüster was umgerechnet auf heute ca. 500.000 Euro wären. Im Vergleich dazu bestand der Jahresverdienst eines Beamten nur aus ca. 100 Talern.
 

Murano ist eine Insel die zu Venedig gehört. Sie wird als Wiege der Glasherstellung angesehen. Alle Glashöfe wurden im 13. Jahrhundert von Venedig nach Murano verlagert um das Geheimnis deren Glasherstellung zu bewahren, ebenso wurde den Arbeitern mit der Todesstrafe gedroht, sollten diese ihr Wissen weitergeben. Die Technik mit der Muranoglas hergestellt wird, beherrscht man allein auf Murano und nirgendwo sonst. Dennoch wurden im 16. und 17. Jahrhundert auch andernorts Glashöfe eröffnet z.B. Deutschland, Niederlanden und Flandern.
 

Zu den Tänzen:
 

http://www.youtube.com/watch?v=4yurw5Cf4HY&feature=related Menuett zu Händels Wassermusik

http://www.youtube.com/watch?v=6fa2wZEsRWM&feature=related Noch ein Menuett zu Händels Wassermusik^^

London, Frühjahr 1748 ~ Londoner Hafen

London, Frühjahr 1748

Londoner Hafen
 

Sie war hin- und hergerissen innerlich. Einerseits hatte sie es ihm versprochen und sie wollte es auch, aber andererseits wollte sie wiederum nicht zusehen wie das Schiff auslief und langsam verschwand. Aber sie hatte es ihm versprochen und im Nachhinein hätte sie sich gewiss gescholten dafür wenn sie nicht noch einen letzten Blick auf ihn geworfen hätte für die folgenden Wochen und Monate. Die kleine blaue Flagge, welche signalisierte, dass ein Schiff bald auslaufen würde, wurde eingeholt. Angelica hatte sie zu Hause gelassen. Sie war ohnehin penetrant genug was dies betraf. Seufzend ließ sie ihren Blick über die HMS Dolphin wandern und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen als sie James entdeckte. Sie konnte nicht anders als ihm zu zuwinken.
 

Er konnte nicht anders als zu Lächeln als er sie unten sah zwischen den anderen Frauen die ihren Männern und Söhnen zu winkten. Sachte hob er seine Hand, zögernd winkte er ihr zu und erntete ein Lächeln von ihr. Sein eigenes wurde ein wenig breiter bis er einen Freundschaftlichen Klaps auf die Schulter bekam.

„Du siehst ganz so aus, als hast du da unten auch endlich ein Mädchen zu stehen, James.“, grinste sein Freund und Kollege Theodore Groves ihn an. „Lass mich raten… die ihn Meeresgrün die dich mit ihren Augen so anhimmelt?“

Augenblicklich verschwand der heitere Gesichtsausdruck und James setzte wieder seine ernste Miene auf, verschränkte die Hände hinter seinem Rücken.

„Ich habe kein ´Mädchen` wie du es auszudrücken pflegst, Theodore…“

„Bist du deswegen dienstags immer verhindert?“, schmunzelte sein Freund. „Wegen der jungen Lady?“

„Das ist hier nicht von Interesse.“

„Komm schon, du hast jemanden zugelächelt und gewunken und deine Eltern habe ich nicht gesehen. Wer ist sie denn? Einem Freund kannst du es doch erzählen.“

„Das gehört nicht hierher, wir sollten auf unsere Posten…“

„Ich hoffe sie ist eine angenehmere Natur als Catherine.“

„Ich kenne keine Catherine.“

Theodore musste auflachen und folgte seinem Freund und Kollegen. Auch er bekleidete den Rang eines Midshipman, würde jedoch zwei Jahre länger als James diesen ausführen bevor er sein Examen zum Leutnant ablegen konnte.

„Muss ich dich so lange fragen bis du aufgibst? Du weißt, ich kann hartnäckig sein.“

„So etwas gehört nicht hierher.“

„Wir trinken heute Abend einen Brandy und dann wirst du mir alles erzählen, selbst wenn die ganze Flasche dazu benötigt.“

Die HSM Dolphin verließ den Londoner Hafen auf der Themse nach Osten um auf offenes Gewässer zu gelangen und über den Ärmelkanal kann auf den Atlantik zu kommen. Alle Männer waren an Deck und gingen ihrer Arbeit nach, der Wind war gnädig und bauschte die weißen Segel auf. Blieb der Wind ihnen weiter wohlgesonnen würde die Fahrt nicht zu lange dauern.

„Nun erzähl. Wer ist die Lady die dich von nun an am Hafen verabschiedet?“

Theodore Groves setzte sich zu seinem Freund an einem Tisch in dessen Kajüte und schob ihm ein Glas Brandy zu. Die See war ruhig und da die Nacht hereingebrochen war mittlerweile und keinen Nachtdienst hatte, konnten sie sich Zeit lassen.

„Und leugne nicht, dein Lächeln sprach Bände. Wer ist sie?“

James Norrington nahm erst einen Schluck aus dem Glas bevor er, nach reichlicher Überlegung, zu sprechen begann.

„Victoria Montague.“

„Montague…“ Theodore schien zu überlegen. „So wie in… Montague and Barish?“

„Ja. So wie in Montague and Barish.“

„Oh James…“ Theodore musste erneut auflachen. „Da lachst du dir eine reiche Kaufmannstochter an… wo hast du sie denn kennen gelernt und vor allem wann?“

„Vor knapp einem Monat. Auf einem Ball der Lady Summerset.“

„Sogar mit der Lady Summerset ist sie befreundet… Und dienstags bist du bei ihr zum… Tee, nehme ich an?“, grinste der jüngere Midshipman.

„Ich bin nur zum Tee bei ihr geladen gewesen.“ Er nahm noch einen Schluck des edlen Alkohols.

„Da muss wohl mehr dahinter stecken als eine angenehme Teegesellschaft wenn sie am Hafen steht und dich verabschiedet. Wie ist sie denn? Wie eine gewöhnliche, reiche und verwöhnte Kaufmannstochter oder…“

„Einzigartig…“, hauchte der Ältere leise, drehte versonnen das Glas in seiner Hand und beobachtete wie das Kerzenlicht die Flüssigkeit in einen Goldbraunen Ton verwandelte. „Sie ist die Schönste auf allen Kontinenten dieser Welt. Selbst wenn man alle 7 Weltmeere bereist wird man kein reizenderes Geschöpf finden als sie. Ihre grünen Augen strahlen heller als die reinsten Smaragde Kolumbiens. Und ihr Haar besitzt so viele Nuancen… im sanften Kerzenschein schimmert es in einem sanften Braun und in der hellen Sonne hat es einen zarten Rotstich… und ihr Lachen ist so… keine Sirene auf allem Meeren kann verlockender klingen… Keine Nixe kann verführerische Lippen haben, keine Fee kann sich zierlicher und eleganter bewegen…“ Er seufzte leise auf bei dem Gedanken als ihm wirklich bewusst wurde, dass er sie für Wochen nicht sehen würde und noch einmal als ihm bewusst wurde, dass er aufgrund von ihr geseufzt hatte.

„Es hat dich ja richtig erwischt, mein Freund.“, schmunzelte Theodore. „Und… wie ist sie sonst so? Abgesehen von ihrem wohl unbeschreiblich wunderschönen Aussehen?“

„Sie mag Händel und ist sehr belesen.“

„Lass mich raten, Happily Ever After…”

„Sie liest Swift und Defoe, Pope und Philips… sie wusste sogar wer Sir Robert Holmes war.“, lächelte er. „Ich hätte noch Stundenlang mit ihr über Robinson Crusoe reden können.“

„Die Frau bringt dich dazu Romane zu lesen?“ Etwas verwundert war Theodore Groves schon, das musste er zugeben. Sein Freund war bei weitem niemand der Romane las. Wenn er Bücher in den Händen hielt, dann waren es Tagebücher großer Admiräle oder sie hatten mit Strategien für Kriege zur See oder generell der Nautik zu tun. Keineswegs war er ungebildet, für jemanden aus dem Bürgertum hatte er die beste Bildung die man haben konnte, aber… er war nicht der Typ der sich mit Romanen befasste oder gar… Musik.

„Deswegen also auch die Karten für Händels Oratorium... Wenn du für sie sogar schon Romane ließt und Konzerte besuchst… Hoffentlich bleibst du der Navy erhalten.“

„Keine Sorge.“, lachte James leise. „Ich habe nicht vor eine Landratte zu werden.“

„Das beruhigt mich. Da kennst du die Dame erst seit kurzem und schon bist du verliebt, mein Freund. Du lässt dir ja dieses Mal Zeit.“, schmunzelte er. „Frisch verliebt und schon für Wochen getrennt. Was wirst du machen?“

Er protestierte gar nicht mehr. Er hatte es sich zuerst selber nicht eingestehen wollen aber als ihm bewusst wurde, dass er nur noch an sie denken konnte und vor allem die Begegnung auf dem letzten Ball, hatte ihm bewusst gemacht, dass er wohl doch verliebt war in Victoria Montague. Nicht zu letzt auch, weil es ihm schwer wurde in der Brust bei dem Gedanken sie erst in Monaten wieder zusehen.

„Es bleibt mir nichts anderes als Briefe zu schreiben.“

„Ich meine, wenn wir zurück sind. Hast du dich schon bei Mister Montague vorgestellt?“

„Er ist in Amerika. Die Gelegenheit hatte ich daher noch nicht.“

„Und dennoch lädst du sie zu einem Konzert ein? James, du bist ein böser Junge.“

Beide Männer mussten schmunzeln und nahmen einen Schluck aus ihren Gläsern.

„Ich… werde sie wohl einladen. Zu meinen Eltern. Meine Mutter würde sie gerne kennen lernen.“

„Das untrügsame Gespür von Müttern.“

„Schon nach zwei Wochen hat sie gefragt `James, wie heißt denn das Mädchen?`.“

„Es gibt nichts, was Mütter nicht herausfinden würden. Auf Victoria Montague.“ Theodore hatte sein Glas zum Toast erhoben, James tat es ihm gleich. „Auf das du bald in den Hafen der Ehe einläufst.“
 

Mit einem schweren Seufzen ließ sich Victoria auf das Sofa im Salon nieder als sie wieder zu Hause war. Es fiel ihr schwer zu akzeptieren, dass sie ihn nun für drei ganze Monate nicht mehr sehen würde, wo es… so normal geworden war ihn mindestens einmal in der Woche zu sehen und bei sich zum Tee zu begrüßen. Drei Monate lang auf sein charmantes Lächeln und jungenhaftes Grinsen zu verzichten, in seine blauen Augen nicht sehen zu können, seine Stimme nicht zu hören und irgendwie wusste sie schon jetzt, dass sie die angenehmen Gespräche mit ihm beim Tee vermissen würde.

Erneut entfloh ihr ein Seufzen und sie blickte sie ein wenig in dem Salon um. Ganz schwer wurde es ihr in der Brust und sie hoffte das Meer bliebe die gesamte Fahrt über ruhig und es möge kein Sturm aufziehen. Sie wollte an solch ein Szenario gar nicht erst denken, aber… was alles auf hoher See passieren konnte…!

„Na, hast du James und gut verabschiedet und ihm etwas mitgegeben damit er dich nicht vergisst? Zum Beispiel… einen Kuss?“

Dieses Mal seufzte Victoria aufgrund ihrer Schwester auf.

„Ja, ich habe ihn verabschiedet indem ich am Pier stand und ihm zu gewunken habe, mehr nicht.“

„Kein Küsschen zum Abschied für den lieben James?“

„Noch ein Wort Angelica und du kannst Aufsätze schreiben bis du deine Hand nicht mehr spürst…“

Schwerfällig erhob sie sich von dem Sofa, nahm ihren Hut und verließ langsam den Salon, wollte hinauf in ihr Schlafzimmer.

Nun war es Angelica die aufseufzte. Der Liebeskummer war ja furchtbar den ihre Schwester hatte, und es war unverkennbar Liebeskummer. So lethargisch und deprimiert klang nur jemand der argen Liebeskummer hatte und seinen Liebsten verabschieden musste. Sie hoffte für ihre Schwester, dass die ersten Briefe von James bald eintreffen würden.

London, Frühjahr 1748 ~ Montague Anwesen ~ Westafrika

London, Frühjahr 1748

Montague Anwesen ~ Westafrika
 

Jeden Tag hoffte Angelica darauf, dass Briefe von James eintreffen würden. Sie hoffte für ihre Schwester, denn mit diesem Kummer den sie mit sich trug, war sie schon fast unausstehlich. Sie schien lethargisch, schien nicht einmal mehr Lust zum sticken zu haben, was sie sonst gerne tat am frühen Abend. Und immer wieder seufzte sie schwer auf. Ganz abgesehen davon, dass sie strenger als sonst war. Entweder die ersten Briefe trafen ein oder er würde dienstags höchstpersönlich zum 5 Uhr Tee vor der Tür stehen!

„Lucy hat mich eingeladen. Für das Wochenende. Wir möchten ein wenig ausreiten. Kann ich Lucy zustimmen?“

„Von mir aus…“, kam es gelangweit von Victoria, die ebenso gelangweit mit dem Essen umging. Irgendwie hatte sie heute Abend auch keinen Hunger und appetitanregend sah das Essen auch nicht aus. Seufzend legte sie die Gabel zur Seite und tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab.

„Du nimmst nicht einmal das Dessert?“

„Ich habe keinen Hunger.“, antwortete Victoria etwas gereizt.

„Entschuldigung… ich habe ja nur gefragt… Nur weil du deinen James vermisst musst du deine Launen nicht an andere auslassen. Ein Glück bin ich am Wochenende bei Lucy…“

„Noch ein Wort und du wirst das Wochenende in deinen Zimmern verbringen…“

„Hauptsache ich muss deine Launen nicht ertragen. Das ist mittlerweile furchtbar… sieh es doch so, jetzt sind es zumindest drei Wochen weniger die du auf ihn warten musst. Hoffentlich mögen die ersten Briefe bald eintreffen, das ist kaum noch auszuhalten mit dir… Wenn er in der Navy ist, müsste dir doch klar sein, dass er nur selten hier sein wird. Gewöhn dich also daran. Und wenn ihr einmal verheiratet seid und er längere Zeit fort ist, kannst du zu Hause wenigstens tun und lassen was du willst, wie Mary-Anne, das ist doch positiv, oder? Wie viel verdient denn ein Midshipman so? Aber wollte er nicht sowieso noch Leutnant werden dieses Jahr? Ich weiß zumindest, dass die Admiräle ganz vortrefflich entlohnt werden. Wenn er einmal Admiral ist, könnt ihr euch ganz bestimmt auch Kronleuchter aus Muranoglas an die Decken hängen. Und regelmäßig Bälle abhalten, zum Dinner laden, zum Tee, ganz oft ins Theater gehen, werdet eingeladen zu anderen hohen Persönlichkeiten, vielleicht sogar an den Hof? Ich meine… als Admiral seiner Majestät…?“

Victoria wollte es eigentlich nicht zugeben… aber ausnahmsweise war sie für den Plappermund von Angelica dankbar, dass sie redete und redete und redete und sie somit doch ein wenig ablenken konnte. Ein klein wenig musste sie dann doch wieder Schmunzeln.

„Stell dir nur vor, auf einem Ball am Hofe! Beim König selber! All diese prächtigen Roben der Damen und die hübschen Gehröcke der Männer! Und stell dir nur vor, eingeladen zu sein in den St. James Palace! Wie prächtig das sein muss! Der König lebt bestimmt nicht bescheiden! Stell dir nur vor, die großen Räume, die hohen Fenster… Ach, das muss wunderbar sein einmal in den St. James Palace eingeladen zu werden…“

„Das ist gewiss eine Ehre…“

„Und dann wirst du in einer prachtvollen Robe mit exotischem Geschmeide, dass dir dein James natürlich aus allen fernen Ländern mitbringt, an seinem Arm die Flure betreten und auf dem selben Parkett wie der König es betritt mit James ein Menuett tanzen.“

„Du scheinst dir ja ganz sicher zu sein, dass das irgendwann einmal eintreffen wird.“

„Selbst ein Blinder würde sehen können, dass ihr gewiss irgendwann heiraten werdet. Er hat dich ja geradezu angehimmelt auf dem Ball, als hätte man euch aneinander geleimt, so unzertrennlich wart ihr gewesen. Er hatte nur Augen für dich gehabt. Und beim Tee war es nicht anders gewesen. Er hatte dich die ganze Zeit angesehen, nur dich. Und ihr lächelt euch beide die ganze Zeit nur an. Das ist so offensichtlich zwischen euch…“

„Vielleicht hast du Recht…“, schmunzelte Victoria
 

Es war am nächsten Morgen als sie beim Frühstück zusammen saßen, dass Martha das Hausmädchen auf Victoria zutrat.

„Verzeiht Milady die Störung, aber einige Briefe wurden für euch soeben abgegeben. Alle haben den gleichen Absender.“

„Danke Martha.“, nickte Victoria. Zuerst war sie ein wenig verwirrt, nahm dann das Bündel an Briefen jedoch entgegen und… mit einem breiten Lächeln ließ sie alles stehen und liegen, sprang auf und eilte in die kleine Bibliothek ihres Vaters, die lag einfach am nächsten. Schnell hatte sie die Tür geschlossen. Auf einem Tisch legte sie das Bündel ab und ungeduldig öffnete sie den ersten Brief. Schon als sie Handschrift sah musste sie aufseufzen.

Ganz wie er versprochen hatte, hatte er jeden Tag einen Brief geschrieben und das Bündel war der Nachweis für zwei ganze Wochen. Mal war der eine oder andere Brief etwas kürzer aber in der Regel zählten sie mindestens 10 Seiten. Jeden Brief las sie mindestens zwei Mal durch und es wundere Angelica nicht, dass sie erst nach über einer Stunde aus der kleinen Bibliothek wieder hervor kam. Das Lächeln auf ihren Lippen konnte man fast schon glückselig nennen und das Bündel Briefe drückte sie fest an ihre Brust.

„Wie geht es ihm?“, fragte Angelica als ihre Schwester wieder in den Salon kam.

„Gut… Der Wind treibt sie schnell voran.“

„Aha… und um dir das zu sagen hat er ein Dutzend Briefe benötigt?“

„Solltest du dir nicht Gedanken über dein Gepäck machen für dein Wochenende bei Lucy?“

Der Gesichtsausdruck ihrer Schwester ließ Angelica ahnen was in den Briefen stehen mochte. Vielleicht konnte er ja mit geschriebenen Worten ausdrücken, was so ohnehin längst zu sehen war zwischen den beiden. In den Briefen stand gewiss mehr als ´Die See ist ruhig, der Wind ist gut`, wie Victoria es sagte. Solche Worte brachten keine Frau dazu so zu lächeln, geschweige denn so träumerisch dreinzublicken. Aber ganz gleich was Angelica versuchte, mehr konnte sie ihrer Schwester nicht entlocken. Und auch an die Briefe selbst kam sie nicht heran.

Abends dann, Victoria war in ihrem Badezimmer beschäftigt, schlich sich Angelica auf leisen Sohlen in die Zimmer ihrer Schwester. Die Suche im Schreibkabinett währte nicht lange aber es beschlich sie ein Verdacht. Liebesbriefe bewahrte man ja auch so nahe wie möglich bei sich auf. Als sie Victoria im Bad auch noch Summen hören könnte, war es eindeutig für Angelica. In einer Schublade ihres Nachttisches wurde sie dann auch fündig. Ein ganzer Stapel an Briefen und alle mit demselben Absender:

Midshipman James Norrington, Royal Navy, H.M.S. Dolphin.

Wahllos nahm sie einen der Briefe und entfaltete diesen.

„Meine liebe Freundin“, war das erste was sie las. Gut, dem Datum nach ist das einer der ersten Briefe. Sie legte diesen zurück und nahm sich den jüngsten Brief.

„Meine liebste Victoria“, lautete die erste Zeile. Angelica musste grinsen und ließ ihre Augen rasch über das Papier wandern. Nicht nur, dass er sie vermissen würden, sondern er könne keine zusammenhängenden Gedanken mehr fassen ohne, dass sie ihm in den Sinn kam, sich nicht mehr auf seine Tätigkeiten und Posten konzentrieren ohne, dass sie ihm durch den Kopf spukte, stünde er am Deck mit Blick auf die See war sie es an wen er denken musste allein aufgrund des Blaus des Meeres und dass er nie gedacht hätte wie viele Nuancen es dieser Farbe gab ehe er sie kennengelernt hatte. Angelica konnte gerade noch den Abschluss des Briefes lesen:

„Ihr ewig zutiefst verbundener und treuer Diener James Norrington“, bevor von hinten die Schublade laut geschlossen wurde und Angelica mit einem Schrecken herumwirbelte. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass das Summen ihrer Schwester verstummt war welche nun wütend vor ihr stand.

„Neugier ist der Tod der Katze…“

„Aber… hat eine Katze nicht auch… 7 Leben?“

„Du wirst bald kein einziges mehr haben!“

Victoria entriss ihrer Schwester den Brief und drückte diesen an sich.

„Du hast nicht in meiner Korrespondenz zu schnüffeln, verstanden?! Die Briefe sind an mich gerichtet und nur an mich! Sie haben dich nicht zu interessieren! Lese ich etwa deine Briefe?!“

„Ich wollte nur… nunja… aber selbst mit Feder und Tinte macht er dir Komplimente, das… ist doch wunderbar! Und wenn er nur noch an dich denken muss und…“

„Raus! Auf der Stelle bevor ich mich vergesse! Raus mit dir oder du wirst für Wochen das Haus nicht verlassen!“

„Schon gut… aber… zumindest… gehst du ihm nicht mehr aus dem Kopf…“

Schnell raffte die Jüngere ihre Röcke und verließ eiligen Schrittes die Zimmer ihrer Schwester als diese bedrohlich einen Schritt näher kam.
 

James Norrington saß derweil in seiner Kajüte an einem schmalen Tisch. Das Kratzen der Schreibfeder auf Papier war das einzige Geräusch was zu hören war. Vor wenigen Tagen, nach über einem Monat Fahrt, waren sie in Afrika angekommen und das einzige was man bei der Hitze dort tun konnte war in einer schattigen, kühlen Kajüte zu bleiben und sich gar nicht erst großartig in der Sonne zu bewegen. Vor wenigen Stunden hatte ein weiteres Versorgungsschiff am Hafen angelegt gehabt und ehe die Dolphin ihren Rückweg in die Heimat antreten würde, würde noch mindestens eine Woche vergehen. Er hielt mit dem Schreiben Inne als es an der Tür klopfte, blickte auf und nach einer Aufforderung des Eintretens wurde diese dann auch geöffnet. Theodore Groves stand mit einem Grinsen im Türrahmen.

„Briefe aus der Heimat für dich, ich dachte mir zumindest einen davon würdest du umgehend lesen wollen.“ Er trat ein und übergab seinem Freund zwei Briefe die beide so dick wie ein Dutzend waren.

James bedankte sich bei seinem Freund und nahm die Briefe entgegen und schon beim ersten war sein Freund ganz vergessen. Hastig hatte er das Siegel gebrochen und faltete die Papiere, war von seinem Stuhl aufgesprungen und begann auf und ab zu laufen. Ein breites Lächeln lag auf seinem Gesicht.

„Soll ich dich… für ein paar Minuten alleine lassen?“, grinste Groves und James wandte seinen Blick ihm zu, zum Teil empört, zum anderen verstört. „Es hat nur so ausgesehen als wenn der Brief dir unheimliche Freude bereiten würde. Ich wollte dich eigentlich nur fragen ob du nicht mitkommen möchtest, wir werden lange genug noch auf dem Schiff sein. Ein bisschen raus, etwas an die Sonne, ein wenig Freiheit… aber… so wie du ausschaust… wärest du mit dem Brief alleine in deiner Kajüte doch sehr glücklich.“, grinste er.

„Ich wüsste nicht was du damit meinen könntest…“

„Natürlich…“, grinste Theodore. „Also, kommst du mit?“

„Wohin soll ich denn mitkommen?“, seufzte er, ja, er wäre im Moment lieber alleine um sich den Brief in Ruhe durchzulesen, war aber dennoch zu höflich um es direkt zu sagen oder zu zeigen. Obwohl die Ungeduld von Sekunde zu Sekunde in ihm anstieg.

„Es gibt hier ein paar Tavernen und wir sollten es ausnutzen solange wir können, dass Schiff zu verlassen. Es würde dir gewiss auch gut tun, vor allem die Sonne. Du sollst schließlich nach hart arbeitendem Mann ausschauen wenn du zurück zu deiner Kaufmannstochter kommst. Also? Warte, bevor du etwas sagst… ließ in Ruhe den Brief und in einer Stunde stehe ich wieder hier und selbst wenn ich dich zusammen mit Charles und Edward vom Schiff tragen muss.“

James seufzte erneut auf als sein Freund gegangen und die Tür geschlossen war. Aber endlich konnte er sich wieder dem Brief von Victoria widmen. Er verschlang ihn nahezu und las ihn sich gleich zwei Mal nach einander durch. Sätze wie „Mein lieber James“, „Mein Herz schlug vor Freude Purzelbäume als ich eure Briefe erhielt“, „Ich erwarte sehnsüchtig eure Rückkehr nach England“ und „Mit tiefster Zuneigung, eure Victoria“, zauberten ihm ein dauerhaftes Lächeln auf die Lippen und ließen ihn Gedanklich dem Hier und Jetzt ganz entrücken. Erneut musste er aufseufzen und tat einen tiefen Atemzug. Er wusste nur noch nicht, ob der Brief ihn die folgenden Wochen überstehen ließ oder ob seine Sehnsucht stärker werden würde. Er tippte auf Letzteres, da sein Herz schon jetzt schneller schlug als seine Augen erneut über die von ihr geschriebenen Zeilen wanderten.

Schnell setzte er sich wieder an den Tisch. Den Brief den er begonnen hatte verwarf er und begann von neuem. Den zweiten Brief den er erhalten hatte war von seiner Mutter, aber der konnte noch ein wenig ungeöffnet liegen bleiben, er würde ihn später lesen. Zuerst musste er wieder sein Inneres in Ordnung bringen in dem er alles zu Papier brachte. Er spürte wie ihm förmlich das Herz aufging bei dem Gedanken an Victoria, bei dem Gedanken an ihrem Antlitz, ihrer Stimme und sich einfach wieder in ihrer Nähe zu wissen. Den Brief musste er mehrmals von vorne beginnen, verschrieb sich mehrmals weil seine Gedanken sich dabei überschlugen. Weit kam er jedoch nicht, pünktlich auf die Minute Groves wieder an die Tür klopfte, wie er versprochen hatte, eine Stunde später.

Sein Freund musste nur ein wenig auf ihn einreden, bis James zustimmte mitzukommen. Vielleicht würde es ihm helfen seinen Kopf etwas zu klären und seine Gedanken zu ordnen, sich nicht mehr wie ein verliebter Jüngling aufzuführen beim bloßen Gedanken an Victoria. Er war ein erwachsener Mann, da konnte er sich nicht wie ein verliebter Halbwüchsiger aufführen! Dennoch würde er sich selber belügen wenn er sich nicht eingestehen würde, noch nie so starke Sehnsucht nach der Heimat gehabt zu haben.
 


 


 


 


 

Anm.:
 

Der St. James Palace war bis 1837 die offizielle Londoner Residenz der britischen Monarchen. Erst als Königin Victoria 1837 in den Buckingham Palace umzog wurde dieser die offizielle Residenz.
 

Rank, Name, Militärische Einheit, H.M.S. (war im 18. Jahrhundert gebräuchlich, erst in der Neuzeit begann man die Abkürzung auszuschreiben) und dann der Name des Schiffs, war die korrekte Addressur für jemanden der Navy oder Marines zu Schiff oder zu Land.

London, Sommer 1748 ~ Montague Anwesen

London, Sommer 1748

Montague Anwesen
 

Mittlerweile war der Sommer in England angebrochen. Es war Anfang Juni und Victoria hatte an eben diesem Junitag ihren 21. Geburtstag. Das schönste Geschenk an diesem Tag hatte sie jedoch in den Morgenstunden schon erhalten. Ein weiteres Bündel Briefe von James war eingetroffen. Ohne Frage das schönste Geschenk an diesem Tag. Die Briefe hatte sie längst gelesen. Es war gerade Mittag und Victoria kümmerte sich ein wenig um den Salon, ordnete die Porzellanfiguren ihrer Mutter auf dem Kaminsims neu an, als sie Schritte hinter sich hören konnte.

„Du brauchst gar nicht erst zu fragen und erst Recht nicht zu suchen, die Briefe von James wirst du dieses Mal nicht finden.“, sprach sie ohne sich umzudrehen mit der Annahme ihre Schwester wäre eingetreten.

„Wer ist James?“

Victoria wirbelte sofort herum als sie die Stimme ihres Vaters vernahm. Überraschung und Schock zeichneten sich in ihrem Gesicht ab. Überraschung weil ihr Vater zurück war, vor ihr stand und sie noch lange nicht mit seiner Rückkehr gerechnet hatte. Und Schock weil er eigentlich noch gar nichts von James wusste…

„Vater… Was… was machst du… schon hier?“

„Das ist mein eigenes Haus.“, lachte das Familienoberhaupt der Montagues. „Ich habe ja wohl das Recht hier zu sein. Und wie könnte ich den Geburtstag meiner großen Prinzessin versäumen?“, lächelte der ältere Mann liebevoll.

Victoria brauchte noch einige Sekunde um das überhaupt zu realisieren, frühsten im Herbst hätte sie mit ihm gerechnet und nun stand ihr Vater doch plötzlich wieder vor ihr. Aber als es ihr dann Bewusst war nahm sie schnell die wenigen Schritte und schon hatte Matthew Montague seine älteste Tochter in den Armen.

„Warum hast du nicht geschrieben, dass du früher kommst?“

„Es sollte eine Überraschung sein.“, lächelt er. „Aber wer ist dieser James von dem du gesprochen hast? Sollte ich ihn kennen?“

„Nun… James ist… er ist…“

„Papa!“

Beide wandten sich der Tür zum Foyer zu in welcher nun Angelica stand und auf ihren Vater zu stürmte. Auch sie nahm er in seine Arme und drückte sie an sich.

„Meine kleine Prinzessin… du bist groß geworden, ich war doch nur ein Jahr fort.“

„Du hattest überhaupt nicht geschrieben, dass du schon so früh zurückkommst! Was machst du denn schon wieder? Läuft alles gut in Amerika? Nimmst du uns das nächste Mal mit? Stell dir vor, Papa, Victoria hat mich auf einen Ball mitgenommen! Und ich habe getanzt! Es war wundervoll!“

„Was hast du denn getan, dass du deine Schwester dazu überreden konntest?“, lächelte er.

„Ich habe zwei ganze Wochen im Haus und in der Küche geholfen und ich habe die Box meiner Stute ganz alleine ausgemistet!“ Und darauf war sie unheimlich stolz, das durchgezogen zu haben.

Victoria hatte schon erleichtert ausgeatmet, vielleicht wäre das Thema James dafür erst einmal beiseite geschoben dank Angelicas Plappermund, aber da freute sie sich zu früh.

„Dennoch möchte ich wissen wer dieser James sein soll.“, wandte er sich wieder an seine älteste Tochter.

„Oh, James ist ganz wunderbar Papa! James ist Midshipman bei der Royal Navy! Im Moment ist er in Westafrika, aber im August soll er wieder zurück sein. Und er schreibt Victoria jeden Tag ein Brief, ganze Bündel an Briefe bekommt sie von ihm und auf dem letzten Ball von Mary-Anne hat Victoria nur mit James getanzt! Er ist ganz verzaubert von ihr! Aber stell dir vor, da lädt Victoria ihn zum Tee ein und was bringt er mit? Tee! Teeblätter hat er ihr geschenkt! Dafür hatte er die anderen Male ihr Blumen mitgebracht. Oh! Und er hatte uns auf die H.M.S. Victory eingeladen gehabt! Das Schiff ist riesig! Ich habe noch nie zuvor ein so großes Schiff gesehen! Aber es ist so furchtbar klein und eng in einem Schiff. Was das bei dir auch so? Hattest du auf dem Schiff auch so schmale Flure und kleine Zimmerchen? Ich könnte es ja da nicht so lange aushalten.“

„Von der Royal Navy…? Hat dieser James auch noch einen Nachnamen?“ Matthew Montague hielt sich an seine jüngste Tochter, sie war so ein Plappermaul, von ihr würde er alles erfahren was er wissen musste über diesen James.

Victoria hatte sich indes mit zutiefst geröteten Wangen abgewandt und sie schwor sich bitterböse Rache zu nehmen an ihre Schwester.

„James Norrington heißt er! Er ist unheimlich charmant und macht Victoria nur Komplimente!“

„Ich habe schon einmal etwas über einen Admiral Lawrence Norrington gehört.“

„Das ist sein Vater.“, nickte Angelica. „Fast seine ganze Familie ist bei der Royal Navy. Aber er hat selber gesagt, dass er noch dieses Jahr Leutnant werden möchte. Aber seit April ist er fort, er dient auf der H.M.S. Dolphin und diese ist im April in See gestochen, nach Westafrika. Es wird noch ein ganzes Weilchen dauern bis er zurückkommt. Du hättest Victoria erleben sollen, sie war unausstehlich seit seiner Abreise bis zum Eintreffen der ersten Briefe.“

„Soso… James Norrington von der Royal Navy…?“

„Und er hatte sie ins Theater ausgeführt! Zu einem neuen Oratorium von Händel!“

„Aha… und ins Theater führt er dich also auch schon aus? Ohne mich vorher um Erlaubnis zu bitten?“

„Nun… du… warst in Amerika, das… das ging ja schlecht, daher… oder?“, kam er zögernd von Victoria. „Und er ist ein ganz ehrenvoller Mann.“

„Hmhm… dann will ich mal abwarten bis er wieder zurück ist… und mal ein Wörtchen mit ihm reden.“

„Vater, er ist wirklich…“

„Er lädt dich ins Theater ein, tanzt mit dir und schreibt dir ein Dutzend Briefe…?“

„Vater, wirklich, er…“

Schmunzelnd legte Matthew einen Arm um die Schultern von Victoria.

„Schon gut, ich vertraue dir, ich würde ihn dennoch gerne kennen lernen sobald er wieder zurück sein sollte. Ich habe ja wohl noch das Recht darauf zu erfahren mit wem meine Tochter in Kontakt steht.“

„Sie stehen nicht in Kontakt, er macht ihr den Hof, ganz eindeutig! Du solltest lesen was er ihr schreibt! In den Briefen nennt er sie mittlerweile…“

„Angelica!“, zischte Victoria drohend.

„Angelica, das ist wirklich nicht die feine Art. Die Korrespondenz deiner Schwester zu lesen…“

„Aber sie erzählt ja nichts… Aber was hast du denn alles mitgebracht aus Amerika? Was trägt man dort, was ist in Mode? Was schaut man sich dort in den Theatern an? Gibt es da auch so prächtige Bälle? Willst du uns nicht das nächste Mal mitnehmen? Ich würde zu gerne einmal Amerika sehen! Warum nimmst du uns nie mit? Victoria kann ja hier bleiben, aber ich würde so gerne einmal mitkommen!“

Er merkte erst jetzt wie ruhig es eigentlich das letzte Jahr in Amerika gewesen war ohne seinen jüngsten Spross an der Seite. Aber irgendwie hatte er das ständige Geplapper doch irgendwo vermisst.

„Langsam, eines nach dem anderen. Zuerst wird heute der Geburtstag deiner Schwester gefeiert. Wir werden noch genügend Zeit haben, dass ich alles erzählen kann, ja? Ich werde so schnell nicht wieder hinüber gehen.“, lächelte er.
 

„Nun, jetzt wo Angelica zu Bett gegangen ist… möchtest du mir nicht ein wenig mehr über diesen James Norrington erzählen?“

Es war abends und Matthew saß noch mit Victoria im Salon und beide tranken zusammen noch einen Tee. Angelica war vor wenigen Minuten auf ihre Zimmer gegangen. Der Tag war auch ein wenig aufwühlend gewesen mit der plötzlichen Rückkehr des Vaters, so waren die anderen beiden alleine im Salon.

Victoria nahm noch schweigend einen Schluck Tee, die Wangen waren leicht gerötet.

„Ich hatte es dir wirklich schreiben wollen. Wirklich. Ich… ich wusste nur nicht…“ Sie tat einen tiefen Atemzug. „James Norrington habe ich auf einem Ball von Mary-Anne kennengelernt. Anfang März. Mary-Anne war schon zuvor mit ihm bekannt gewesen und sie stellte uns einander vor. Wir haben uns ganz nett unterhalten und getanzt. Er war eine angenehme Gesellschaft. Wir sind dann ein wenig spazieren gewesen im Garten und… Nun… Mary-Anne hatte ihm einiges über mich erzählt, um mich… schmackhaft zu machen, wie sie es bezeichnet. So kamen wir darauf zu sprechen, dass du in Amerika weilst zum damaligen Zeitpunkt. Er fragte mich ob ich schon einmal dort gewesen wäre woraufhin ich antwortete, dass ich noch nicht einmal ein Schiff betreten hatte. Er lud dann mich und Angelica auf die H.M.S. Victory ein, die gerade erst ihre Schiffstraufe gehabt hatte. Und… danach… habe ich ihn zum Tee eingeladen. Er lud mich in das Theatre Royal ein zu einem neuen Oratorium von Händel… dann war er erneut hier zum Tee… und noch einmal… Dann waren wir wieder auf einem Ball von Mary-Anne und… dann war er wieder zum Tee…“

„Und ist dann für mehrere Wochen nach Westafrika gegangen?“

Victoria nickte sachte und hatte die ganze Zeit über ihren Vater nicht ansehen können. Es war ihr doch zu einem gewissen Grade peinlich und angenehm.

„Und er schreibt dir Briefe? Viele Briefe?“

Erneut nickte sie sachte, leise räusperte sie sich.

„Es… es sind nur kleine Nichtigkeiten…“

„Deswegen errötest du auch wie eine Klosterschülerin.“, grinste ihr Vater.

Sachte nahm er ihre Hand, lächelte mild und liebevoll.

„Royal Navy, das klingt gut und wenn er die Absicht hat noch dieses Jahr zum Leutnant zu promovieren… Und mit einem Admiral als Vater… denke ich wird er diesen Rang gewiss auch anstreben. Er klingt ganz nach einem netten, noblen Mann. Und ich gespannt ihn kennen zu lernen, den Mann, der meine Victoria dazu bringt zu erröten.“, schmunzelte er. „Erzähl mir mehr, wie sieht er aus?“

„Er… hat strahlend blaue Augen. Augen wie das Meer, blau und tief. Sein Haar ist dunkelbraun, das Gesicht edel geschnitten. Er ist schlank und hochgewachsen. In seiner Uniform sieht er einfach blendet aus, überhaupt wenn er dunkelblau trägt.“

„Du hast schon immer blau gemocht… es hätte mir eigentlich schon früh klar sein sollen, dass es irgendwann jemand von der Royal Navy wird. Frühestens als du mit 4 dein ersten blaues Kleid bekommen hast und es gar nicht mehr ausziehen wolltest.“, lächelte er sanft.

„Das weißt du noch?“

„Du bist drei Tage in dem Kleid herumgelaufen, wir haben es dir einfach nicht ausbekommen, du hast es gar nicht zu gelassen. Erst als ich dir eine Puppe geschenkt habe hast du dich überreden lassen das Kleid doch einmal auszuziehen.“, schmunzelte er. „Blau, blau, blau sind alle meine Kleider…“, begann er leise zu singen.

„Blau, blau, blau ist alles was ich mag.“, setzte sie schmunzelnd das Kinderlied fort.

„Darum lieb ich alles was so blau ist, weil mein Schatz ein Seemann ist.“, beendeten dann beide den Kindersingsang.

„Ich bin wirklich auf diesen Mann gespannt. Angelica berichtete mir er würde dich dazu bringen zu Summen. Und in den Briefen würde ich dich mittlerweile mit ´liebste Victoria` anreden. Stimmt es, dass er dich mit Komplimenten überhäuft?“

„Er ist durch und durch ein Gentleman. Er ist stets höflich und zuvorkommend. Ihm würde nie etwas anderes in den Sinn kommen. Er ist ein ehrbarer Gentleman.“

„Gewiss, Liebes. Ich werde Angelica einschärfen deine Kommoden und Schubladen in Ruhe zu lassen. Mutter hatte auch meine Briefe damals gehütet wie ein Staatsgeheimnis.“, grinste er. „Sag mir nur rechtzeitig bescheid wenn es Zeit wird die Mitgift zu organisieren.“

„Papa! Wir haben bisher nur miteinander geredet und getanzt!“

Matthew Montague musste leise lachen.

„Gewiss doch, mein Liebes.“

Atlantischer Ozean, Sommer 1748

Atlantischer Ozean, Sommer 1748
 

James Norrington stand auf dem Deck der H.M.S. Dolphin und sah hinauf auf das Meer. Schon seit drei Wochen waren sie auf hoher See, der Wind war durchgängig günstig für sie und sie kamen zügig vorran.

Es war das erste Mal, dass er wirklich Sehnsucht nach der Heimat hatte. Normalerweise konnte er gar nicht lange genug auf See sein, aber dieses Mal… Gut, es war auch nicht wirklich Sehnsucht nach der Heimat, vielmehr Sehnsucht nach jemand in der Heimat. Seufzend fuhr er sich mit der rechten Hand über den Nacken, verfluchte Insekten. Es könnten traumhafte Aufenthalte an solch exotischen Orten sein wenn nur die unerträgliche Hitze und diese Insekten nicht wären… Er hatte nicht bemerkt wann eines dieser verfluchten Viecher ihn gestochen hatte, es juckte ein wenig, aber er machte sich nicht weiter Gedanken darüber.

Aber endlich war er wieder auf See und in einigen Wochen wäre er wieder in London. Wahrscheinlich würde sein erster Weg ihn nicht nach Hause führen, sondern zu Victoria. Aber… nein, das konnte er nicht machen. Das würde aussehen als wäre er ein verliebter Jüngling der es nicht abwarten konnte… Nein. Er würde nach Hause gehen und sie erst am nächsten Tag aufsuchen. Das entsprach auch viel mehr der Norm. Etwas anderes würde gar nicht in Frage kommen, Victoria war eine ehrbare Frau, alles andere würde nur Gerede hervorrufen und ihre Schwester war ja schließlich nicht wirklich schweigsam. Außerdem war er es auch seiner Mutter schuldig, dass er zuerst wieder nach Hause kam bevor er irgendetwas anderes tun würde. Er musste Schmunzeln als er daran zurückdachte wie er sich für das Konzert zu Recht gemacht hatte.
 

„Wie heißt denn das Mädchen?“

Er stand gerade vor einem Spiegel im Foyer des Hauses und versuchte sich sein Halstuch möglichst modern und schick zu binden als er die Stimme seiner Mutter vernommen hatte. Eine liebenswürdige Frau Anfang 40, auch wenn manch einer sie jünger schätzen würde. Sie hatte schon sehr früh geheiratet, 17 Jahre jung war sie damals gewesen um in ihrem 18. Lebensjahr hat sie erstes und einziges Kind zur Welt gebracht. Sie hatte ebenso braunes Haar wie ihr Sohn und die gleichen blauen Augen. War er, was die See betraf, ganz wie sein Vater, so hatte er doch von seiner Mutter einige äußerliche Merkmale und Wesenszüge geerbt.

„Was für ein Mädchen?“, hatte er es unschuldig versucht was bei ihr nur ein Seufzen und ein sanftmütiges Lächeln hervorgerufen hatte.

„James… du trägst deinen besten Gehrock und versuchst dir deine Cravatte zu binden um… möglichst mondän auszusehen? Da kann nur ein hübsches Mädchen dahinter stecken wenn du so Eindruck schinden möchtest.“

„Da ist kein Mädchen…“

„Und warum besuchst du dann ein Oratorium von Herrn Händel? Du und Musik?“, musste sie aufglucksen.

„Der Mann komponiert für den König… da denke ich sollte man doch ab und an mal ein Konzert von ihm besuchen…“

„Natürlich…“, hatte sie geschmunzelt und war hinter ihren Sohn getreten, beobachtete seine Gesichtszüge im Spiegel.

„Mutter, da…“

„Mir kannst du nichts vormachen, ich habe dich 9 Monate unter meinem Herzen getragen, ich sehe wenn mein Sohn sich ein Mädchen ausgeguckt hat. James, ich bitte dich, ich bin deine Mutter. Ich werde das ja wohl noch sehen. Ich bin alt aber nicht blind.“

„Mutter, du bist nicht alt.“, lächelte er sachte.

Sie hatte ihre Hände auf seine Schultern gelegt und ihn zu sich herum gedreht, schob seine Hände beiseite und band ihm die Cravatte so kompliziert und schick und modisch, wie nur Frauen es konnten. Sie strich ihm dann noch einmal über die Schultern, das Revers des Gehrocks, richtete die Umschläge der Ärmel.

„Also, mein lieber James… wie heißt sie?“

Er seufzte leise auf, einmal wegen der Prozedur, aber egal wie alt er wäre, er wäre immer ihr Sohn und sie würde es immer und immer wieder tun. Und andererseits… sie hatte Recht, es gab kein entkommen, sie wusste so etwas immer, ganz gleich aus welchen Gründen man sich verrat, ob man nicht beim ersten Hahnenschrei, sondern erst beim zweiten das Bett verließ, ob man nun beim Frühstück seinen Haferschleim gesüßt hatte und man es sonst nicht tat oder aus anderen nichtigen Gründen mit der er sich wohl zu verraten schien.

„Victoria…“

„Ein hübscher, eleganter Name. Ein edler Name. Und weiter? Sie hat doch gewiss auch einen Nachnamen deine Victoria? Hübsche, edle Mädchen haben für gewöhnlich Nachnamen. Nur diese Bordsteinschwalben tragen keine.“

„Mama!“

Sie musste schmunzeln. Mama nannte er sie nur wenn er seine Gefühle nicht beherrschen konnte, ansonsten war es immer das kühle, höfliche ´Mutter`.

„Montague… Ich gehe heute Abend mit Victoria Montague zum Oratorium. Und bevor du weiter fragst, Lady Summerset hat uns miteinander bekannt gemacht.“

„Ah, von Herrn Montague habe ich schon gehört. Montague and Barish oder? Der Schwiegersohn der Cousine deiner Tante väterlicherseits handelt mit ihm wohl mit Baumwolle. Heimischer natürlich. Aber intelligent von ihm das Geschäft auch in Übersee fortzuführen. Weiß er denn, dass du seine Tochter ausführst?“

„Nein…“, erwiederte er kleinlaut. „Er befindet sich in Amerika… ich hatte noch nicht die Gelegenheit…“

Sie musste erneut schmunzeln.

„So, jetzt siehst du wunderbar aus für einen Abend mit deinem Mädchen.“

„Mama, sie ist nicht mein Mädchen.“

Da benutzte er dieses eine Wort schon wieder.

„Du machst dich für sie hübsch und besuchst ein Konzert wegen ihr. Sie muss dein Mädchen sein.“, lächelte sie und drückte ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange. Sie hatte ihm noch einen schönen Abend gewünscht ehe sie davon gegangen war mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Vielleicht hatte er es selber noch nicht bemerkt, aber es hatte ihn wohl wirklich erwischt. Ihr Sohn besuchte sonst nie ein Konzert.
 

Er musste noch immer darüber Schmunzeln. Und wenn er genauer darüber nachdachte… Wie hatte sein Freund es genannt? Das untrügbare Gespür von Müttern? Da war wahrlich etwas dran. Und seiner Mutter hatte er wirklich seit dem nichts mehr vormachen können. Da könnte er noch soviel abstreiten… Sein Vater hingegen würde es wohl erst bemerken wenn er eine Einladung zur Hochzeit erhielt.

„Denkst du an dein Mädchen in der Heimat?“

Aus seinen Gedanken gerissen war James zunächst verwirrt ehe er seinen Freund Theodore Groves neben sich wahrnahm. Wie lange er wohl schon da stand?

„Du hast ein dümmliches Lächeln im Gesicht wie nur Verliebte es haben und starrst ins Nichts.“, erläuterte Theodore schmunzelnd. „Man kann es dir also demnach an der Nasenspitze ablesen woran du gerade denkst oder an wen.“

„Ich habe an gar nichts gedacht.“

„Natürlich…“, schmunzelte sein Freund. „Ob sie dich wohl am Hafen erwartet? Sie wird sicher jeden Tag zur Admiralität gehen und nachfragen wann die Dolphin wieder im heimischen Hafen einläuft.“

„Ich bezweifle, dass sie die Zeit dazu haben wird.“

„Oh, die Zeit wird sie sich bestimmt nehmen. Ich bin schon gespannt sie kennenzulernen.“

„Wer hat etwas davon gesagt, dass du sie je kennenlernen wirst? Sie soll schließlich keinen schlechten Eindruck bekommen durch den Umgang den ich pflege…“, schmunzelte James und etwas gemeines aber gleichzeitig auch Amüsantes lag in dem Lächeln.

„Tse, tse, tse… mein lieber James… als dein bester Freund bestehe ich darauf, dieses Mädchen kennenzulernen und in Augenschein zu nehmen. Ich hatte dich auch vor Catherine gewarnt, hast du auf mich gehört? Nein. Und wir wissen ja was beide daraus geworden ist. Du solltest also besser auf mich hören in Bezug auf Frauen… Es können gemeine Biester sein, schlimmer als alle Ungeheuer der 7 Meere.“

„Jetzt wirst du gemein Theodore, so sind nicht alle. Du bist derjenige der stets an die falschen Frauen gerät.“

„Natürlich, deine Victoria ist das liebreizendste Geschöpf auf der Welt und kann kein Wässerchen trüben. Warte ab bis ihr vermählt seid, ich werde euch dann besuchen und sehen wer die Hosen anhat.“, grinste er.

„Warum muss jeder gleich von Ehe reden…“, seufzte James leise. Er war noch nicht einmal bei ihrem Vater vorstellig geworden und trotzdem sprach jeder davon…

Sein Freund schmunzelte nur, hatte die Unterarme auf die Rehling gestützt.

„Weil du über beide Ohren verliebt bist, mein lieber Freund. Und man sieht es dir sogar an, darum… Komm, wir sollten unter Deck. Der Leutnant wollte uns alle sprechen.“

Er nickte in Richtung Niedergang und machte sich von der Rehling los, James folgte ihm.

„Wer weiß, was der schon wieder von uns will. Die See ist ruhig, weit und breit nichts zu sehen außer Wasser, nicht einmal im Entferntesten ist eine feindliche Flagge zu sichten. Vielleicht will er auch nur wieder Arbeit die er erledigen müsste an uns abgeben, würde mich nicht wundern bei dem faulen Seehund, ich frage mich wie der überhaupt…“

Theodore stoppte inmitten seines Redeflusses als er einen dumpfen Laut vernahm, wandte sich um und sah seinen besten Freund der zu Boden gestürzt war. Sofort war er zu ihm geeilt, ging auf die Knie und versuchte ihn wieder wach zu bekommen.

„James? James, ist alles in Ordnung? James, jetzt mach keinen Unsinn!.. Verdammt!“

Irgendwie hatte er geschafft ihn in dessen Kajüte zu bringen. Schnell war auch der Schiffsarzt da gewesen und hatte ihn untersucht. Ein tropisches Fieber, mehr konnte er nicht dazu sagen. Leider waren die Krankheiten welche die Männer aus den Tropen mitbrachten noch nicht so gut erforscht wie die heimischen. Es war ein Fieber, aber um welches es sich genau handelte, konnte er daher nicht sagen. Zwar sah er den Stich eines Insektes, brachte diesen Anfangs auch mit dem plötzlich Fieber in Verbindung, aber er konnte nicht mehr feststellen welches genau es gewesen war. Es ging ihm ja gut, bis vor wenigen Minuten hatte Theodore ja selbst noch mit ihm gesprochen gehabt.

Die folgenden 2 Wochen verbrachte James mit Fieber und Schüttelfrost im Bett. Er war schnell wieder bei Bewusstsein gewesen, klagte er Kopf- und Gliederschmerzen. Keine Anzeichen für eine tropische Krankheit. Der Arzt gab daher Entwarnung, vielleicht war es doch nur ein verschleppte Verkühlung gewesen, ein kleiner kränklicher Anfall. Vor allem weil sein Patient bei Bewusstsein war und das Fieber sich gering hielt. Nach zwei Wochen schien er auch schließlich wieder ganz gesund zu sein. Daher war auch der anfängliche Insektenstich, der schuldig sein könnte daran, auch schnell vergessen.
 

„Und dir geht es wirklich wieder ganz gut? Du schaust noch etwas fahl aus.“

„Ich kann nicht klagen. Ich fühle mich zumindest wieder sehr gesund. Das Fieber ist verschwunden, ich habe keinerlei Schmerzen mehr…“

„Mach so etwas nicht noch einmal, verstanden? Fang dir in der Heimat etwas ein wenn du unbedingt Patient spielen willst, aber nicht wenn wir gerade aus den Tropen kommen, verstanden? Was soll ich denn sonst deiner Victoria sagen…? Versprich mir eins: Lass dich ja nicht von so einer Krankheit niederstrecken, du wirst gefälligst ehrenvoll in der Schlacht sterben oder irgendwann als alter Admiral im Ruhestand, verstanden?“

Natürlich hatte sich Sorgen gemacht, James war sein bester Freund. Seit er denken konnte waren sie zusammen in der Royal Navy gewesen, nur war James ein wenig fleißiger als er gewesen weswegen er schon kurz vor seinem Leutnantsexamen stand und er selber erst in einem Jahr zu dieser antreten konnte. Außerdem wollte er nicht wirklich in der Rolle stecken eine Todesnachricht überbringen zu müssen. Dabei ging es nicht nur um seine frische Liebe, sondern auch vielmehr die Eltern. James Mutter kannte er gut, er war oft Gast im Hause der Norringtons gewesen und der guten Frau wollte er wahrlich nicht die Nachricht über den Tod ihres Sohnes übermitteln müssen.

„Ich verspreche es.“, schmunzelte James.

„Dann komm jetzt… ein bisschen Sonne kannst du wahrlich vertragen. Mit der Leichenblässe erschreckst du nur jeden. Ein Wunder, dass der Spiegel noch nicht zersprungen ist vor Schreck.“

„Das sagt der Richtige… wir wissen doch beide, dass ich der gutaussehende von uns beiden bin.“, schmunzelte James erneut. „Das kann dir jede Dame bestätigen.“

„Sei froh, dass ich so gnädig bin und dich verschone aufgrund deines Fiebers und du noch schwach wie ein frisch geschlüpftes Kücken bist, sonst würde ich dich jetzt zu Boden ringen.“

„Dich würde doch sogar ein frisch geschlüpftes Kücken zu Boden bringen können.“

„Für jemanden der gerade erst genesen ist, bist du doch ganz schön aufmüpfig. Pass auf, dass ich dich nicht über Bord werfe.“

Aber es war beruhigend seinen Freund wieder lachen zu hören. Dann schien ihm doch wieder ganz gut zu gehen.
 


 

Anm.:
 

Admiralität = Beinhaltet nicht nur den Admiralsstab der Royal Navy, sondern so wurde auch das Gebäude genannt in dem alles bezüglich der Navy geregelt wurde u.a. auch der Postverkehr.

London, Sommer 1748~Montague Anwesen

London, Sommer 1748

Montague Anwesen
 


 

Er spürte schon wie ihm förmlich das Herz aufging bei dem Gedanken gleich vor Victoria zu stehen und ihr zu sagen was er bisher hatte nur schreiben können. Er hatte sich gedanklich alles zu Recht gelegt was er sagen wollte, war es in Gedanken immer und immer wieder durchgegangen. Dennoch befürchtete er alles zu vergessen wenn er vor ihr stand, wenn er wieder ihr Lächeln sah das ihn völlig verzauberte.

Gestern erst war das Schiff wieder in London eingelaufen, er selbst war wieder kerngesund und völlig genesen. An den kleinen kränklichen Anfall dachte er gar nicht mehr. Er hatte sich wahrlich zusammen nehmen müssen, nicht gleich nach der Ankunft zum Hause der Montagues zu stürmen um Victoria nach den vielen Monaten wieder zu sehen, so groß war die Sehnsucht in ihm gewesen.

Nun stand er hier an der Tür, hatte sogar noch frische Blumen besorgt. Ein wunderbarer Strauß auf Damaszener- und Alba-Rosen. Er hatte in Erinnerung, dass sie einst erwähnte es wären ihre Lieblingsblumen. Alba-Rosen in zarten Rosé Tönen und die Damaszener in einem strahlenden Weiß. Sie dufteten so kräftig und lieblich, es musste ihr einfach gefallen.

Als dann endlich die Tür geöffnet wurde, hatte er schon ein breites Lächeln auf den Lippen aber… es war weder Victoria, noch ihre Schwester oder ein Bediensteter der vor ihm stand.

„Ihr müsst James Norrington sein, nehme ich an? Es freut mich einmal das Gesicht zu den ganzen Briefen zu sehen die meine Tochter von Ihnen erhält.“

Aber… hatte Victoria nicht erzählt, dass… ihr Vater… erst im Herbst…? Er merkte selbst wie ihm die Gesichtszüge entglitten und seine Wangen sich plötzlich unheimlich heiß anfühlten. Schließlich… es war nicht die feine Art gewesen Victoria den Hof zu machen, mit ihr zu tanzen, bei ihr zum Tee zu sein und ihr Briefe zu schreiben ohne die Erlaubnis ihres Vater, ohne überhaupt bei ihm Vorstellig gewesen zu sein ohne ihn überhaupt einmal gesehen zu haben!

„I-ich… ich bin… Sir, ich…“

Victorias Vater musste leise lachen, trat zurück und öffnete die Tür weiter.

„Tretet nur ein.“, lächelte er. „Mathew Montague, freut mich den Verehrer meiner ältesten Tochter endlich kennenzulernen.“, schmunzelte er.

„J-James Norrington, Sir… Midshipman der Royal Navy, zu Ihren Diensten, Sir.“

„Kommt, James, ich darf euch doch James nennen?“

„N-Natürlich.“, nickte dieser.

„Dann kommt, James, meine Victoria ist schon ganz aufgeregt seit die Dolphin gestern wieder im Hafen anlegte.“

Er legte dem Jüngeren einen Arm um die Schultern und führte ihn in den Salon.

„Ich habe ja schon viel von euch gehört, meine Töchter wusste nur positives über euch zu erzählen.“

„Dass.. das ist… Sir, es war nie meine Absicht…“

Mathew Montague hob beschwichtigend eine Hand und brachte James somit zum Schweigen.

„Ich war auf einem völlig anderen Kontinent. Ich nehme es euch nicht übel.“, schmunzelte er. „Man kann von jungen Menschen nicht erwarten, dass sie Monatelang warten. Und soweit ich gehört habe, seid ihr ein ganz ehrbarer Mann. Und ich sehe, ihr habt ihre Lieblingsblumen.“

„J-Ja, ich… ich dachte… Sir, ich…“

Mitten in seiner holprigen Erklärung hielt er inne als sie den Salon betraten und seine ganze Aufmerksamkeit auf Victoria ruhte welche sich in diesem Moment erhoben hatte. Sie schien in seinen Augen noch schöner zu strahlen als er sie in Erinnerung hatte. Nun blieben ihm die Worte wahrlich im Halse stecken bei ihrem Anblick. Die Stille wurde erst durchbrochen als Victoria sachte knickste und ihre Stimme erhob.

„Guten Tag, James. Es ist mir eine große Freude euch gesund und wohlbehalten hier wieder begrüßen zu dürfen.“

Wie sehr er den lieblichen Klang ihrer Stimme vermisst hatte…

„Guten Tag… Miss Victoria… Ich… ich bin hocherfreut… euch wieder zu sehen… Oh, die… die hier sind für euch. Ihr… ihr hattet doch Geburtstag gehabt in der Zwischenzeit, oder?“

Nun doch etwas verunsichert hielt er ihr die Blumen hin. Langsam kam Victoria näher, nahm die Blumen an sich wobei sich ihre Finger kurz berührten. So kurz und sachte die Berührung auch war, war es wie ein kleiner elektrischer Schlag für beide, elektrisierend, wie ein heißes Kribbeln das beide durchfuhr.

„Meine Lieblingsrosen… vielen Dank.“, lächelte sie dann und blickte auf als sie das erneute Schweigen durchbrach. „Sie duften herrlich… dass ihr euch noch daran erinnert… ich hatte es nur beiläufig erwähnt gehabt… Es gibt doch keine schöneren Rosen als die Alba und Damaszener…“

„Doch… eine schönere gibt es.“, lächelte er verliebt und für einen längeren Moment konnten beide ihren Blick nicht vom jeweils anderen lösen.

Ein Räuspern holte beide wieder in das Hier und Jetzt.

„Wir sollten uns setzen. Der Tee wird noch kalt.“, lächelte das Oberhaupt der Montagues. Mathew überließ es dann James seiner Victoria behilflich zu sein sich zu setzen.

„Ihr kommt also frisch aus Afrika zurück, James? Ich hoffe die Fahrt war nicht allzu beschwerlich? Es muss doch ein unerträgliches Klima dort sein, oder irre ich mich?“

„Es ist in der Tat ein Klima an das man sich gewöhnen muss, Sir. Es ist eine große Hitze dort. Die Sonne ist dort unbarmherzig, Sir.“

„Das kann ich mir gut vorstellen. War der Wind denn gnädig?“

„Ja, das war er. Der Wind hat uns schnell voran getrieben. Das Gewässer war ebenfalls ruhig.“

„Das hört man gerne. Es muss für einen Seemann nichts Schlimmeres geben als Windstille.“

„Danke für eure Briefe. Ich war über jeden einzelnen sehr erfreut.“, kam nun Victoria zu Wort. „Afrika klingt fast noch exotischer wie Indien.“

„Da kann ich mit Amerika kaum mithalten.“, schmunzelte Mathew. „Wart ihr schon einmal in Amerika, James?“

„Nein, Sir. Bis nach Amerika bin ich noch nicht gekommen. Unsere Fahrten führten uns nur nach Afrika, Asien und um halb Europa.“

„Angelica berichtete mir schon ganz begeistert, dass ihr mehrmals in Indien wart. Ohne, dass sie je dort gewesen ist, schwärmt sie davon. Besonders die Tiger haben es ihr angetan.“

„Sie würde es nie so lange auf einem Schiff aushalten, Vater.“

„Das befürchte ich allerdings auch!“, lachte Mathew leise. „Aber sagt James… ihr seid gewiss nicht nur hier um meiner Tochter Blumen zu überreichen?“

„Sir, mit Verlaub, ich… bin hocherfreut eure Tochter wieder zusehen. Ich… verzeiht, dass ich bisher nicht…“

Erneut brachte das Oberhaupt der Montagues James zum schweigen mit einer Handgeste.

„Ich erlaube es euch meine Tochter zu sehen. Sofern sie dies natürlich möchte.“

Victoria nickte, ein wenig zu stark im nach hinein ihrer Meinung nach.

„Ich… ich bin auch da… ich… ich würde eure Tochter gerne auf unseren Sommersitz einladen. Nach Southampton. Sofern ihr nicht das Geringste dagegen habt. Meine Eltern werden selbstverständlich auch anwesend sein. Es… es wird eurer Tochter an nichts fehlen, es…“

„Das glaube ich euch. Und ich glaube euch auch, dass ihr ein ganz ehrbarer Mann seid und nur die besten und ehrlichsten Absichten habt. Gehe ich Recht in der Annahme, dass eure verehrten Eltern gerne meine Victoria kennen lernen würden?“

„Meine Frau Mutter wäre über einen Besuch eurer Tochter hocherfreut, Sir.“

„Und euer Herr Vater? Ein Admiral der Royal Navy, oder? Immer noch im Dienst seiner Majestät?“

„Ja, Sir. Mein Herr Vater ist Admiral Lawrence Norrington. Er ist derzeit in Gibralta. Er wird erst in wenigen Wochen zurückkehren nach England.“

„Die Royal Navy ist also demnach Tradition in eurer Familie, schätze ich mal?“

„Ja, Sir. So kann man das bezeichnen.“, nickte James sachte und lächelte ein wenig.

„Nun… von meiner Seite aus, habe ich da keinerlei Bedenken. Möchtest du denn mein Liebes?“

„Es wäre… mir eine große Ehre diese Einladung anzunehmen.“, nickte Victoria sachte mit leicht geröteten Wangen. „Wenn du es erlaubst, Vater.“

Mathew musste schmunzeln. Bisher hatte er über den jungen Norrington nur Gutes gehört, die Familie hatte ebenfalls hohes Ansehen. Natürlich hatte er sich erkundigt, es ging schließlich um seine älteste Tochter. Und auch persönlich war der junge Norrington ihm recht sympathisch und da seine Tochter ihn wirklich zu mögen schien… wie ihre Augen strahlten und das eine gewisse Lächeln welches sie trug… Er hätte nicht im Traum daran gedacht die Briefe zu lesen die sie erhalten hatte, aber es waren dutzende die sie von ihm erhalten hatte und jeden einzelnen behandelte sie wie einen Schatz. Er musste ein Seufzen unterdrücken. Sie sah in diesem Moment aus wie ihre Mutter als er ihr den Hof gemacht hatte, Briefe schrieb, Blumen schenkte… Auch ihre Augen hatten gefunkelt wie Sterne, das Lächeln so liebevoll, es hätte Eis zum schmelzen gebracht.

„Dann gebe ich gerne meine Zustimmung. Du wirst Martha mitnehmen, Liebes.“

„Selbstverständlich Vater.“, grinste Victoria nun freudig.
 

Als James nach dem Tee dann gegangen war, fiel Victoria ihrem Vater als erstes um den Hals und drückte diesem einen Kuss auf die Wange.

„Vielen Dank, Vater! Ich freue mich so sehr! Danke, danke, danke! Was hältst du von ihm?“

„Ich finde… James Norrington ist ein sehr sympathischer junger Mann, ehrlich, aufrichtig, ein Gentleman, ehrbar… und es würde doch einiges hermachen jemanden von der Royal Navy in der Familie zu haben, oder? Du magst ihn wirklich sehr, hm? Ich habe noch nie gesehen wie jemand dich so zum Lächeln brachte.“, lächelte Mathew selber. „Und er schien mir ganz als hättest du ihn um den Finger gewickelt.“, grinste er. „Das wichtigste ist doch immer noch, dass er dir gefällt.“

„Ich muss zugeben… dass ich sehr froh über seine Rückkehr bin, Vater.“

„Nun, er scheint der Royal Navy treu ergeben zu sein. Es muss dir also klar sein, dass sein zu Hause die See ist, dass er sich auf einem Schiff gewiss wohler fühlen wird als auf dem Land und er die meiste Zeit des Jahres nicht bei dir sein wird.“

„Das weiß ich Vater. Meine… Launen in den letzten Wochen waren auch kindisch, ich weiß das selber.“

Er gab ihr einen Kuss auf den Schopf und legte einen Arm um ihre Schultern.

„Es ist verständlich. Ihr seid jung. Es hat gerade erst begonnen… da treibt einen halt die Sehnsucht. Ich möchte nur nicht, dass du Unglücklich wirst weil du immer wieder länger von ihm getrennt sein wirst.“

„Umso schöner werden dafür die Wiedersehen sein.“, lächelte sie.

Versonnen sah er seine Tochter einen Moment lang an und seufzte leise auf. Sie war wirklich erwachsen geworden, sein großes Mädchen, ernsthaft verliebt, so ernsthaft, dass sie schon bei den Eltern ihres Auserkorenen vorstellig wurde.

„Aber lass Angelica noch nichts davon wissen. Ich muss mir sonst was von ihr anhören müssen.“

„Das werde ich ihr schon nicht sagen.“, lachte er leise. „Du wirst in aller Ruhe den jungen Mister Norrington besuchen können. Und nun geh auf deine Zimmer und packe mit Martha deine Sachen. Sollen wir noch eine neue Robe für dich zulegen für deinen Besuch? Für den Tee, das Dinner oder zum flanieren?“
 


 


 

Anm.:
 

Damaszener-Rosen & Alba-Rosen ~ Beides sind sehr alte Rosenarten, die Alba-Rose gab es z.B. schon im 15 Jahrhundert, sie bildete sogar die Grundlage der Tudor-Rose, ein Symbol der Vereinigung der Häuser Lancaster und York während der Tudor-Ära. Außerdem wird aus Damaszener-Rosen auch Rosenöl gewonnen.

Die Damaszener-Rose: http://www.finerareprints.com/botanical/redoute/15284.jpg

Die Alba-Rose: http://www.schulen.regensburg.de/bbz/projekte/2006_rosen/seite_03.jpg
 

Gibralta wurde 1704 von den Briten erobert, 1713 diesen formell zugesprochen mit dem Vertrag von Utrecht und wurde dann ab 1830 eine Kronkolonie. Es steht unter britischer Flagge, wurde von den Spaniern aber nie anerkannt. Die Straße von Gibralta bezeichnet die Enge an der Europa (Spanien) und Afrika am dichtesten beieinander liegen.

Southampton, Sommer 1748 ~ Landsitz der Familie Norrinton

Southampton, Sommer 1748

Landsitz der Familie Norrington
 


 

Victoria war schon recht nervös je näher die Kutsche sich dem Anwesen der Norringtons näherte. Des Anstandes wegen und als Zofe hatte sie Martha, das Hausmädchen, mitgenommen. In Begleitung zu sein, beruhigte sie auch keineswegs. Es war nicht nur, weil James sie auf dessen Familiensitz eingeladen hatte, sondern allen voran wohl, weil sie nun seiner Mutter vorgestellt wurde. Das oberste Gebot war nun also seiner Mutter zu gefallen, einen guten Eindruck zu machen bei dieser. An so einem Punkt war jede junge Frau nervös. Vielleicht tat es gut, den heimischen Wänden einfach mal zu entkommen, vor allem weil Southampton heutzutage ein Erholungsort war, eine Hafenstadt, direkt am Meer gelegen. Aber der Druck unter dem sie gerade stand war alles andere als erholsam für sie.

„Wir dürften bald eintreffen, Madam.“, erklang die Stimme des Hausmädchens. „Ein Glück liegt Southampton nicht weit entfernt von London und benötigt keine mehrtätige Reise.“

„Ja… zum Glück.“, lächelte Victoria nervös.

Aber sie wusste nicht ob das nun wirklich so vorteilhaft war. Eine längere Anfahrt hätte auch mehr Zeit bedeutet sich gedanklich vorzubereiten. Schließlich dürfte ihr kein Fehler unterlaufen, sie musste den bestmöglichsten Eindruck hinterlassen bei der Frau. Sie schätzte James zwar nicht so ein, dass er seiner Mutter hörig wäre, aber er so, dass er gewiss viel auf ihrer Meinung gab.

Sie fuhren mit der Kutsche noch mehr als eine Stunde bevor sie das Landgut der Familie Norrington erreichten und langsam auf ein stattliches Herrenhaus zufuhren. Eine Allee aus feinem Sand und Kiesel, gesäumt mit tiefgrünen Büschen und feinen, hellen Blumen führte hinauf zu dem Herrenhaus. Es sah alles so hübsch aus, ohne jede Frage das Werk einer Frau. Wenn schon die Auffahrt so hübsch gestaltet war… dann war das restliche Land gewiss genauso schön gestaltet. Sie wusste noch wie James ihr erzählt hatte, dass das Gut 10 Morgen umfasste, ein Geschenk seiner Majestät an seinen Vater für dessen Verdienste in der Royal Navy. Eine großzügige Schenkung, genug Land um es sogar bewirtschaften zu können, genug Land um es zu verpachten, überhaupt genug Land für alle erdenklichen Vorhaben.

Auf der Veranda stand noch niemand als die Kutsche vorfuhr und langsam zum stehen kam. Erst als die Pferde ruhig waren und der Kutsche vom Kutschbock stieg, öffnete sich die Tür des Hauses und gleich vier Bedienstete in blauen Gehröcken und Puderlocken kamen heraus. Einer öffnete die Tür der Kutsche, ein anderer klappte das Treppchen der Kutsche aus und war den Damen beim Ausstieg behilflich, die anderen zwei kümmerten sich um das Gepäck.

Victoria raffte den Saum ihrer Robe und entstieg der Kutsche, musste ihre Augen mit einer Hand abschirmen da die Sonne so sehr schien. Ihr folgte Martha aus der Kutsche. Einer der Bediensteten führte die beiden Frauen in das innere des Hauses. Dort warteten im Foyer bereits James und seine Mutter. James kam sofort auf sie zu, nahm ihre Hände in seine und hauchte einen Kuss auf ihre Rechte.

„Ich bin hocherfreut euch hier willkommen zu heißen, Victoria.“

Lächeln konnte man es nicht mehr nennen, er strahlte schon förmlich wie die Sonne draußen an diesem Tag.

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, James.“, lächelte sie, senkte den Blick und tat einen Knicks.

„Ich würde euch gerne meine Mutter vorstellen, Misses Norrington.“, lächelte er während sie sich wieder erhob und bei ihm einhakte. Seine andere Hand legte sich auf ihre welche auf seinem linken Unterarm ruhte. Als sie vor seiner Mutter stehen blieben, machte Victoria erneut einen tiefen Knicks während James sie einander vorstellte.

„Mutter, das ist Miss Victoria Montague.”

“Ich bin erfreut euch kennenzulernen, Miss Victoria. Mein Sohn hat mir schon einiges über euch erzählt. Umso erfreuter bin ich daher euch hier begrüßen zu dürfen.“, lächelte sie.

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Misses Norrington.“, sprach Victoria und tat einen tiefen Knicks. „Es ist mir eine Ehre ein Gast auf eurem Anwesen zu sein, Misses Norrington.“

„Ich selber bin erfreut euch nun selber leibhaftig zu sehen. James konnte gar nicht aufhören über euch zu berichten.“, schmunzelte sie. „James, würdest du so liebenswürdig sein und im großen Salon nach dem Tee schauen? Ich werde unserem Gast ihre Zimmer zeigen.“

„Selbstverständlich Mutter.“, nickte er und löste sich von Victoria.

Selbst er schien ein wenig nervös zu sein, wie Victoria auffiel, sein Atem ging tiefer und schneller.

James Mutter war auf Victoria zugetreten, hatte ihren Arm bei sich eingehakt und ihre freie Hand auf diesen gelegt und führte sie fort. Zusammen gingen sie die Treppe im Foyer hinauf in den ersten Stock und wandten sich dann rechts, gingen dort einen langen Flur entlang.

„Ihr scheint viel Eindruck bei meinem Sohn hinterlassen zu haben. Er konnte gar nicht aufhören über euch zu schwärmen.“, schmunzelte die Ältere. „Ihr habt ihn sogar dazu bewegt ein Konzert zu besuchen.“

„Ich habe mich sehr geehrt gefühlt über diese Einladung.“

„Gewiss… also… euer Vater handelt mit Baumwolle? Hier und in Übersee?“

„Sehrwohl. Mein Vater besitzt einige Fabriken und zwei Baumwollspinnerein unweit von London. In Amerika besitzt er einige Plantagen auf denen Baumwolle und Tabbakk wächst. Auch überlegt er ob er in Amerika Tee anbaut. In Mittelamerika herrscht ein ideales Klima wie er mir neulich erklärte.“

„Tee ist immer eine gute Wahl. Und wo wir schon bei Tee sind. Mein Sohn scheint eure Teegesellschaften sehr zu schätzen. Er war dienstags immer ganz aufgeregt bevor er wieder an Bord ging. Ich freue mich schon auf den gemeinsamen Tee. Aber natürlich könnt ihr euch erst ausruhen wenn die Reise euch zu sehr erschöpft hat.“

„Vielen Dank, Miss Norrington, aber ich bin ausgeruht. Die Reise war ruhig und angenehm.“

„Das erfreut mich zu hören.“, lächelte Miss Norrington. „Ich hoffe die Zimmer sind zu eurer Zufriedenheit. Mein Sohn war äußerst darauf bedacht, dass alles perfekt sei.“, schmunzelte sie. „Wenn euch etwas fehlt, so scheut euch nicht dies zu sagen. Ihr sollt euch so wohl fühlen wie zu Hause.“

Vor einer der weißen Flügeltüren in diesem Flur blieben sie stehen und Miss Norrington öffnete diese, ließ dann Victoria zuerst eintreten. Victoria war schon ein klein wenig überwältigt. Es war schon fast Luxuriös zu nennen wie die Zimmer eingerichtet waren. Ein kleiner Salon, ein Schlafzimmer, Bade- und Ankleidezimmer zählten zu den Gästeräumen die sich bewohnen dürfte während ihres Aufenthaltes. So Geschmackvoll, so Stilvoll, jede einzelne Farbe schien auf die jeweils anderen genau abgestimmt worden zu sein, wie die Möbel angeordnet waren, selbst die Wahl der Blumen in den Vasen…

„Vielen Dank, Misses Norrington. Ich fühle mich wirklich sehr geehrt.“

„Das muss es nicht. Ich freue mich euch hier als Gast zu haben. Mein Sohn ist so sehr von euch angetan… da freue ich mich euch endlich kennen zu lernen.“, lächelte James´ Mutter. „Aber wenn ihr ausgeruht genug seid, sollten wir nun in den Salon gehen. Mein Sohn wird gewiss von Minute zu Minute die wir fortbleiben nervöser werden.“, schmunzelte sie.

Auch Victoria lächelte sachte und hatte sich nun ein wenig entspannt. Die erste Nervosität und Anspannung war verflogen.
 

Und James war zu diesem Zeitpunkt durchaus nervös. Er bezweifelte nicht, dass Victoria einen guten Eindruck machen würde, aber das Unwissen über das Urteil seiner Mutter, über das was gesprochen wurde, was seine Mutter fragte, was sie von Victoria halten würden, machten ihn doch ein wenig nervös. Natürlich suchte er sich schon selber die Frauen aus, aber… die Meinung seiner Mutter war ihm dennoch wichtig. Gerade die Meinung bezüglich Victorias, da er sie besonders mochte, war ihm wichtig. Er mochte sie nicht nur besonders gerne. Mit gern haben, hatte das was er fühlte längst nicht mehr zu tun. Er würde sogar so weit gehen vorsichtig zu sagen, dass… sie wohl doch… die eine bestimmte war. Er konnte sich zumindest keine andere mehr an seiner Seite vorstellen. Und wenn schon alleine der Gedanke an sie ihn zum lächeln brachte… konnten ihn seine Gefühle doch gar nicht täuschen.

Er horchte auf als er wieder die Absätze weiblicher Schuhe auf dem Parkett hören konnte, richtete sich auf straffte seine Schultern. Als er das Lachen seiner Mutter hören könnte, entspannte er sich merklich. Dann schien ja alles ganz gut zu laufen. Und als beide Frauen in der Tür erschienen, musste er sofort wieder lächeln beim Anblick von Victoria.

„Mein Sohn, ist der Tee soweit? Unser Gast braucht gewiss eine kleine Erfrischung nach der Anreise.“

„Ja, Mutter. Es ist alles bereit.“, nickte er.

„Wunderbar. Es gibt doch nichts Besseres als Tee um die müden Geister zu beleben. Ich hoffe doch ihr seid ein klein wenig hungrig, Miss Montague? Unsere Küche macht die besten Scones in ganz England. Ist doch so, oder James? James bekommt zumindest von diesen nie genug.“, schmunzelte die ältere Dame. „Aber solange er festes Land unter den Füßen hat, muss er das auch ausnutzen, auf hoher See bekommt er diese schließlich nicht.“

„Mutter…“, lächelte James etwas verlegen. „Ich bin bisher noch nicht aufgrund des Mangels an Scones auf dem offenen Meer eingegangen.“

„Natürlich nicht. Aber sobald du heimkehrst, kannst du es nicht abwarten einige zu naschen. Wenn ihr meinen Sohn zum Tee geladen habt, solltet ihr immer reichlich Scones zum anbieten haben.“

„Mutter… du übertreibst maßlos.“

Es war James anzusehen, dass er ein Stück weit verlegen und es ihm sogar ein wenig peinlich war wie seine Mutter über eine… solche Schwäche von ihm sprach.

„Aber schon als kleiner Junge konnte er diesen nicht wiederstehen.“

Jetzt fing sie auch noch an Geschichten aus seiner Kindheit zu erzählen… aber… wenigstens schien das Eis zwischen den Frauen gebrochen zu sein. Auf seine Kosten.

„Eine kleine Naschkatze war er als Kind. Kein Honigtopf, kein Blech voller Kekse, kein Kuchen der zum abkühlen auf dem Fenstersims stand, war vor ihm sicher, er hatte alles gefunden.“, grinste seine Mutter.

Soviel Mühe sich Victoria auch gab, ein leises Kichern konnte sie nicht mehr unterdrucken, auch wenn sie sah, dass sich James doch ein wenig unwohl fühlte und etwas zerknirscht dreinblickte. Aber gerade solch kleine Schwächen, machten einen noch sympathischer.

„Wir sollten uns setzen… der Tee wird sonst kalt, Mutter…“

„Natürlich, mein Sohn.“, schmunzelte Misses Norrington und scheuchten ihren Sohn zu seiner Angebeteten mit einer Handgeste als er ihr selbst behilflich sein wollte sich zu setzen. Stattdessen war ihr ein Bediensteter behilflich währen ihr Sohn Victoria den Stuhl zurückzog.

Diese bedankte sich leise und lächelte sachte zu ihm hinauf. Alleine wie die beiden sich anlächelten, wie sein Blick schon förmlich an ihr hing, so voller Zärtlichkeit. Wahrlich war er es gewesen der vor ihrer Ankunft ein reines Nervenbündel gewesen war, wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her geeilt war, die Dienerschaft anherrschte und darum bemüht war, dass alles perfekt wäre für die Ankunft der jungen Miss Montague. Abgesehen davon, dass er ihr bisher keines der Mädchen die er mal gehabt hatte vorgestellt hatte. Sie freute sich für ihren Sohn, dass er sich ein richtiges Mädchen nun ausgesucht hatte und sie würde in den nächsten Tagen genug Zeit haben, die junge Miss Montague sich genauer anzusehen. Aber wenn sie daran zurückdachte, er hatte freiwillig ein Konzert besucht wegen dem jungen Mädchen… und gerade wegen diesem jungen Mädchen war er nervös und aufgeregt wie ein Schuljunge. Sie sah es an der Art wie er lächelte, wie sein Blick auf ihr ruhte, wie er mit ihr redete, seine Stimme leise senkte… Sie hatte ihren Sohn noch nie so verliebt gesehen, schmunzelte sie für sich alleine. Er hatte es nie vor ihr leugnen können. Ihm hatte sie es sogleich angesehen.
 


 

Anm.:
 

Morgen ~ ist eine britische Maßeinheit. Ein Morgen ummisst die mit einem Ochsengespann pflügbare Fläche an einem Vormittag. Ein Roßmorgen ist dasselbe, nur halt mit einem Pferdegespann. Ein Morgen lag meist zwischen einem viertel und halben Hektar. 10 Morgen entsprechen heute ca. 40.000 Quadratmeter.

Southampton, Sommer 1748~Landsitz der Familie Norrington

Southampton, Sommer 1748

Landsitz der Familie Norrington
 


 

Mit den folgenden Tagen hatte sich Victorias Nervosität weitestgehend gelegt. James Mutter war eine freundliche und angenehme Person. Sie saßen gerne beim Tee zusammen, taten kleine Spaziergänge durch den hübschen Garten und saßen abends am Kamin und stickten. Und seine Mutter gewann ebenfalls mehr und mehr den Eindruck, dass Victoria ein gutes Mädchen war, sie war eine angenehme Gesellschaft, höflich und gebildet, zuvorkommend und freundlich, bescheiden, liebenswürdig und reizend. Sie wusste wann es Zeit war zu schweigen und wann es Zeit war zu reden, wusste immer genau was sie sagen musste, beherrschte die Kunst der Teegesellschaft perfekt und war äußerst geschickt was das Sticken betraf. Sie war eine ruhige, liebenswürdige Person, genau die Art von Person, die ihr Sohn zu Hause brauchte. Und sie war sich durchaus bewusst, was es hieß einen Mann an der Seite zu haben, der die meiste Zeit des Jahres auf See war, sie selbst wusste dies ja nur zu gut. Von daher war es ein klarer Vorteil in ihren Augen, dass Victoria schon während der Abwesenheit des Vaters sich um den Haushalt und die Erziehung ihrer jüngeren Schwester gekümmert hatte. Kein unerfahrenes, kleines Ding, das sofort überfordert wäre sobald er das Haus verließe. Nein, so ein Mädchen brauchte keiner der bei der Navy tätig war. Hinter jedem großen Manne stand immer eine starke Frau, daran war wirklich etwas dran. Sie sprach ja auch aus Erfahrung, ihr Mann, James Vater, war seit Jahren Admiral seiner Majestät, das brachte nun einmal auch Pflichten mit sich und ein gewisser gesellschaftlicher Status dem man gerecht werden musste.

An diesem Tag jedoch war das Wetter so wunderbar, die Sonne so strahlend und der Himmel ohne ein winziges Wölkchen, da konnte man unmöglich den Tag im Hause verbringen, das Wetter war perfekt für einen Ausflug. Am Morgen nach dem Frühstück hatte James Victoria, in einem kurzen Moment wo seine Mutter nicht in der Nähe gewesen war, gefragt ob sie an dem schönen Tag nicht gerne einen kleinen Ausritt wagen würde. Einerseits ließ das Wetter es zu, das Anwesen war außerdem groß genug und… ja, er wollte auch endlich mal alleine mit ihr sein, da ihm doch einiges auf dem Herzen lag. Seit sie hier war, hatte er keine einzige Minute mit ihr allein sein können, stets war seine Mutter in der Nähe gewesen oder hatte Victoria ganz für sich beansprucht. Und zu seinem Glück hatte sie dem Austritt zugestimmt so dass an frühen Nachmittag zwei gesattelte Pferde aus den Stallungen gebracht wurden.

James trug wie immer Blau, die Haare im Nacken mit einer Schleife zusammengebunden und trug sogar dieses Mal einen Dreispitz. Victoria selbst trug ein hellblaues Reitkleid, sowohl die Robe wie auch die Jacke waren in demselben Blau gehalten, verziert mit goldenen Borten wodurch das Reitkleid ein Uniformähnliches Aussehen erhielt. Dies war absolut modisch heutzutage, vor allem die britischen Uniformen unheimlich schick aussahen, dem wollten die Damen natürlich in nichts nachstehen. Dazu die Haare versteckt unter einem Hut und weiße Handschuhe an ihren Fingern.

Er seufzte erleichtert auf als sie sich von dem Herrenhaus entfernten und er nun wirklich mit ihr alleine war.

„Es ist wunderschön hier.“, erklang ihre Stimme und sie ließ ihren Blick über die Umgebung schweifen.

„Wir haben auf dem Gelände noch eine Wassermühle, aber die wurde nie in Betrieb genommen und einen kleinen Hof. Als mein Vater zum Admiral ernannt wurde und er das Land hier geschenkt bekommen hatte… wollte meine Mutter unbedingt es den adeligen gleich tun und ein wenig ländliche Idylle hier schaffen.“, lächelte er sachte.

„Ich finde es wirklich schön hier. Und so nah am Meer, man kann beinahe schon das Salz des Meeres riechen und die Möwen kreischen hören.“

„Seit ihr mit euren Zimmern auch zufrieden?“

„Ganz und gar! Ich bin wirklich begeistert, sie sind so wundervoll eingerichtet… eure Mutter hat soviel Geschmack und Stil. Selbst der St. James Palace kann nicht so schön eingerichtet sein wie das Haus eurer Familie.“

„Ihr schmeichelt zu sehr, Victoria. Aber… meine Mutter scheint eine neue Freundin in euch gefunden zu haben?“, schmunzelte er.

„Eure Frau Mutter ist eine wundervolle Frau. Um ehrlich zu sein, bin ich erleichtert, dass eure Frau Mutter mir so wohlgesonnen scheint.“

„Sie liebt euch, Victoria.“, grinste er, das breite, ehrliche Grinsen eines Jungen der Zuckerwerk naschte. „Sie ist hin und weg von eurer Person. Sie sagte mir selbst, sie hatte selten eine so angenehme Gesellschaft wie die eurige.“

„Ich muss mich noch einmal außerordentlich für die Einladung bedanken.“, lächelte sie. „Ich bin wirklich froh darüber hier zu sein.“

„Und ich bin froh darüber, dass ihr meine Einladung angenommen habt, ich… war doch sehr…“

„Überrascht?“, schmunzelte sie. „Ich war nicht minder perplex. Mein Vater war völlig unerwartet zurückgekehrt. Eine Überraschung für meinen Geburtstag. Aber ihr habt einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen, ihr seid ihm sympathisch.“

„Das erleichtert mich ungemein.“, lachte er leise. „Ich weiß selber, dass es alles andere als angemessen war euch auszuführen ohne ein einziges Mal…“

„Das hat er euch längst verziehen. Als wirklich tugendhaftes Mädchen, hätte ich eure Einladungen gar nicht erst angenommen. Aber mein Vater vertraut mir und es gab ja keine andere Möglichkeit für euch, er befand sich auf einem ganz anderen Kontinent.“

Erleichtert atmete er aus. Er hatte schon Schlimmes befürchtet gehabt. Aber… sie hatte seine Einladung auf den Landsitz angenommen, also… hatte das Urteil ihres Vaters über ihn gar nicht so schlecht ausfallen können.

„Wo… befindet sich denn diese Wassermühle?“

„Folgt mir.“, lächelte er sachte und ritt wenige Schritte voraus.

Nach nur wenigen Sekunden hatte sie zu ihm aufgeholt und ritt neben ihn an der Seite her.

„Ihr habt einmal erwähnt, dass eure Schwester, Miss Angelica, gerne ausreitet und zur Jagd geht.“

„Ja, es ist eine wahre Leidenschaft von ihr. Wenn sie zu einer Jagd geladen ist, kann sie sich kaum halten. Jedem anderen reitet sie davon.“

„Und ihr? Teilt ihr diese Leidenschaft eurer Schwester?“

„Ich habe kein Problem damit auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen. Dennoch habe ich lieber festen Boden unter den Füßen.“, lächelte sie ein wenig.

Sie waren schon eine Weile unterwegs als sich plötzlich der Himmel zuzog. Es kühlte deutlich ab, der Wind wehte etwas stärker. Der Himmel war nun nicht mehr strahlend blau, sondern Wolkenverhangen und grau. Er sah schon bedrohlich nach Regen aus, entfernt war ein leises Grollen zu hören.

„Es sieht nach einem Gewitter aus…“

„Dabei war es bis jetzt so ein schöner Tag gewesen. Dann bleibt uns wohl nichts andere übrig als zurück zureiten.“

„Das ist zu weit, wir würden es nicht rechtzeitig zurück schaffen bevor das Gewitter richtig anfängt… Aber nicht weit von hier steht die Wassermühle, kommt Victoria, bis dahin sind es nur noch wenige Minuten. Dort ist es zumindest trocken.“

Und kaum hatte er diese Worte gesprochen, begann es langsam zu regnen. Schnell wurde der Regen stärker und entfernt war ein leises Donnern zu hören. Doch zum Glück, wie James es gesagt hatte, waren sie nach wenigen Minuten an einer Wassermühle angekommen. Er war ihr behilflich vom Pferd abzusteigen und mit einem kräftigen Ruck hatte er auch die Tür der Wassermühle geöffnet. Erst als Victoria im trockenem war, band er draußen die Pferde fest bevor er ihr ins Innere folgte und die Tür wieder schloss. Zwar waren sie nicht lange im Regen gewesen, aber dennoch waren sie durchnässt und schüttelten als erstes ihre Hüte aus.

„Verzeiht, dass es hier so staubig ist, aber die Mühle wurde nie wirklich genutzt. Meine Mutter fand letztlich nie wirklich Zeit dafür sich hier aufzuhalten und… mein Vater fand sie ohnehin immer überflüssig.“

„Hauptsache wir sind im trockenem.“, lächelte sie.

Der Raum war zwar groß, aber spärlich eingerichtet und eindeutig nicht zum Zwecke erbaut den eine Mühle üblicherweise hatte. Stattdessen befand sich ein Kamin an einer Seite, vor diesem eine kleine Sitzgruppe. Im Großen und Ganzen sah der Raum wie ein kleiner Salon aus.

Victoria zog sich ihre durchnässte Jacke, James tat es ihr gleich mit seinem Gehrock. Sie wrang sich die nassen Haare aus und bemerkte gar nicht wie sein Blick schon fast hypnotisch an ihr hing. Wie ihr nasses Haar ihr Gesicht umrahmte, wie der feuchte Stoff ihrer Robe an ihrem Oberkörper klebte… Er musste sich leise räuspern und den Blick abwenden, gab sich mühe nicht zu erröteten.

„Ich… ich werde nach Decken schauen und… dann anschließend ein… ein Feuer im Kamin entfachen.“, nickte er, schluckte noch einmal bevor den Raum verließ und im ganzen Haus auf die Suche nach wärmenden Decken ging.

Sie nickte ihm lächelnd zu und… wurde doch ein wenig Rot, denn… auch seine Kleidung saß dank des Regens etwas enger als es üblich war. Sie tat einen tiefen Atemzug und versuchte diese Gedanken abzuschütteln, sah sich stattdessen lieber ein wenig um und setzte sich dann auf einen Sessel am Kamin. Es dauerte nicht lange bis James zurückkam und ihr zwei Decken reichte.

„Vielen Dank.“, lächelte sie. „Hoffentlich trocknet alles wieder schnell. Nicht, dass sich noch einer verkühlt.“, lächelte sie. „Und… hoffentlich dauert das Unwetter nicht lange.“

„Ich bin mir sicher, so schnell wie es gekommen ist, so schnell wird es auch wieder aufhören. Da bin ich zuversichtlich.“

Und kurz darauf hatte James im Kamin ein Feuer entfacht das nun langsam seine Wärme verbreitete und ein wenig Licht spendete.

Das dürfte sie eigentlich niemanden erzählen, sie alleine mit James, völlig alleine. Zumindest von ihrer Schwester würde sie es ewig vorgehalten bekommen. Und Mary-Anne würde nur anzügliche Sprüche deswegen machen.

„Ich bin wirklich froh, dass ihr hier seid, Victoria.“, lächelte James etwas verlegen.

Eigentlich hatte er es nutzen wollen mit ihr alleine zu sein und sie eben aus diesem Grund nach einem Ausritt gefragt. Er hatte ihr soviel sagen wollen seit er aus Afrika zurück war, aber hatte nie die Gelegenheit gehabt aber… jetzt… scheute er sich schon fast davor aus Angst es möge in Anbetracht der Situation schäbig klingen und den Eindruck bei ihr wecken, dass er etwas ganz und gar unanständiges von ihr wollte, als hätte er es nur darauf abgesehen, hier in der abgeschiedenen Hütte alleine mit ihr zu sein.

„Ich bin froh, dass ihr mich eingeladen habt.“, lächelte sie. „Ihr habt in wenigen Tagen Geburtstag?“

„Es gibt nur ein kleines Bankett. Nichts Besonderes. Es kommen ein paar Freunde der Familie, ein paar aus der Narvy und… Lady Summerset wird ebenfalls da sein.“

„Da freue ich mich.“, lächelte sie. „Ich habe eurer Frau Mutter schon meine Hilfe angeboten, falls sie welche benötigen sollte.“

„Ich habe schon mit ihr geredet, sie ist euch sehr dankbar dafür und… findet euch sehr reizvoll.“, nickte er. „Ihr… habt einen positiven Eindruck bei ihr hinterlassen.“

„Das freut mich umsomehr.“, lächelte sie nun mit leicht geröteten Wangen.

Eine kleine Stille entstand bevor James seine Stimme wieder erhob.

„Es wird auch etwas Musik geben auf dem Bankett.“

„Wollt ihr darauf hinaus, dass getanzt wird? Und ihr wieder nur mit mir alleine tanzen wollt?“

Er musste etwas Schmunzeln. War das schon so offensichtlich? Er konnte einfach nicht anders, sie war eine so wundervolle Tänzerin und… mit ihr tanzen zu können war einfach…

„Ja… darauf wollte ich hinaus.“, schmunzelte er. „Es… wäre mir eine große Freude mit euch tanzen zu dürfen.“

„Warum… fangen wir dann nicht jetzt damit an?“, fragte sie. Das Lächeln glich mehr einem Grinsen und ein Kichern musste sie unterdrücken.

„Jetzt? Hier?“

„Wieso nicht? Es sieht uns niemand, James. Also kann es keinem von uns peinlich sein.“

„Nun… wenn Milady es wünschen… muss ich ihrem Wunsch folge leisten.“, lächelte er charmant und hatte sich erhoben, verbeugte sich vor ihr, gab ihr einen Handkuss.

Sie ergriff seine Hand und erhob sich, machte einen kleinen Knicks.

„Ich bin hocherfreut.“, lächelte sie.

Und während sie begann leise zu summen, die Melodie eines Menuetts, begannen sie zu tanzen. Nur das Knistern des Feuers, ihre dumpfen Schritte auf dem Boden und Victorias Summen erfüllten nun das Häuschen. Unentwegt lächelten sich beide an, sahen sich in die Augen und zumindest er schien von ihrem Anblick völlig gebannt zu sein. Das feuchte Haar, das immer noch ihr Gesicht umrahmte, an ihren Wangen klebte, die geröteten Wangen, ihre schimmernden Augen…

Victoria selbst erging es nicht anders. Sie konnte sich kaum von seinen tiefblauen Augen lossagen und wollte ihre Hand von seiner gar nicht erst wieder lösen. Darüber hinaus vergas sie irgendwann weiter zu summen und verstummte und bald darauf blieben sie beide stehen, sahen sich lediglich an.

Ihm schien dieser Moment eine halbe Ewigkeit anzudauern in welcher er tief durchatmete und mehrmals all seinen Mut zusammen nehmen musste.

„V-Victoria…?“, hauchte er leise.

„Ja…?“

Auch sie war nur zu einem Hauchen imstande, sah ihn erwartungsvoll an. Würde er nun das sagen… was schon in all seinen Briefen hervorgeklungen hatte? Sie spürte wie ihr Herz begann schneller zu schlagen und sich gleichzeitig ein Knoten in ihrer Brust zu bilden schien, die Aufregung die in ihr zunahm.

„Darf…“ Noch ein tiefer Atemzug. „Darf ich… euch küssen…?“

Sie konnte nur sachte nickten auf seine Worte hin, war ganz angespannt. Seine Worte, seine Bitte, es wäre ihr erster Kuss und dann von ihm, durchaus verständlich, dass sie angespannt und aufgeregt war. Noch ein wenig zögernd legte er eine Hand auf ihre Wange, wie warm sie schien, neigte langsam seinen Kopf zu ihr hinunter. Vor Aufregung hielt sie sogar ihren Atem an, schloss langsam ihre Augen und…

Sie hatte ganz vergessen wo sie sich befanden, es hatte sich angefühlt als würde sie den Boden unter ihren Füßen verlieren, gedanklich war sie dem hier und jetzt längst entrückt. Das… es sich so anfühlen würde… seine warme Hand auf ihrer Wange, die dann mit einer Haarsträhne von ihr spielten, seine Lippen auf ihren… Sie konnte nicht verhindern dabei leise aufzuseufzen und als sie dann ihre Lippen endlich voneinander lösten, musste sie doch schon leise keuchend Luft schöpfen. Mit hochroten Wangen schaffte sie es dennoch ihn anzusehen, ihm schien es nicht anders zu gehen.

„Victoria, ich… ich wollte keinesfalls… ich… ich wollte euch schon länger sagen… ich… Victoria… ich… ich liebe euch…“

Endlich war es raus, endlich hatte er es gesagt, endlich hatte er es ihr gestanden. Einerseits fühlte es sich erleichtert an aber andererseits… fürchtete er schon ihre Reaktion, ihre Antwort, vielleicht hatte er sich auch vollkommen in ihr getäuscht, war sprichwörtlich blind vor Verliebtheit gewesen. Aber da lag er völlig falsch. Sachte legte sie eine Hand auf seine Brust und lächelte sachte.

„Es… es freut mich dies zu hören, James. Ich… muss euch gestehen, dass ich… ebenso fühle… wie ihr.“

Er konnte sein Glück kaum fassen, war so überschwemmt von seinen Gefühlen in diesem Moment, dass er die Etikette völlig vergas, sie an sich drückte und erneut küsste, stürmisch und wild bevor er von ihr abließ und um Verzeihung bat.

Sie musste leise kichern. Wenn es nach ihr ginge musste er sich gar nicht entschuldigen, da konnte er sie schon jetzt immer und immer wieder so stürmisch küssen wie eben.

„Ihr müsst euch nicht entschuldigen, James, es… es ist in Ordnung.“, nickte sie. „Es… es hat mir gefallen…“

„Das… erleichtert mich wirklich… es… es freut mich, Victoria. Ich… ich habe es schon so lange euch sagen wollen… ich trage es schon so lange mit mir herum und endlich… ich… kann mein Glück kaum fassen, dass… ihr ebenfalls so fühlt…“

„Ich fürchte ich… war es schon bevor ihr nach Afrika gegangen seid, ich war so erfreut euch zu sehen auf dem Ball der Lady Summerset und euch wieder zum Tee begrüßen zu können aber… so deprimiert, als ihr die drei Monate fort wart… aber als dann eure ersten Briefe kamen, dass ihr wirklich euer Versprechen gehalten habt mir jeden Tag einen zu schreiben…“

„Ich konnte nicht anders, ich hätte euch noch mehr geschrieben wenn ich nicht Pflichten zu erfüllen hätte.“

Beide lächelten sich an bis er es zögernd wagte sie ein wenig an sich zu ziehen und sie schlicht und einfach in seinen Armen zu halten. Er konnte ein Seufzen unterdrücken als er seine Augen schloss, den Duft ihres Haares einatmete… solange bis das Unwetter aufgehört hatte.
 


 

Anm.:
 

Die Wassermühle: Damals war es durchaus üblich unter dem Adel sich ein wenig ländliche Idylle zu schaffen um sich vom Alltag zu erholen und dem ´einfachen Leben` zu frönen, da vor allem das Leben an der Natur im 18.Jahrhundert mit Freiheit und Schönheit verbunden war. Sogar Marie Antoinette hatte sich auf der Anlage von Schloss Versailles ein kleines Dörfchen, Hameau de la Reine, unter anderem mit einer Mühle, errichten lassen um sich vom Hof und der strengen Etikette zu erholen.

Southampton, Sommer 1748 ~ Landsitz der Familie Norrington

Southampton, Sommer 1748

Landsitz der Familie Norrington
 

„Und wie war dann der Ausflug mit unserem Midshipman?“

„Wir sind in ein kleines Unwetter hineingeraten.“

„Ach herrjeh!“

„Zum Glück war die Wassermühle hier auf dem Gelände nicht weit entfernt. Dort konnten wir Schutz suchen.“

„HmHmm… Ihr zwei alleine in einer Mühle…“, schmunzelte Mary-Anne.

„Nicht das was du wieder denken magst, James ist ein anständiger Mann. Wir haben nur getanzt.“

„Nur getanzt, soso… war das alles?“

„Irgendwie mussten wir uns die Zeit vertreiben bis das Unwetter aufhört.“

„Und das habt ihr mit tanzen gemacht? Meine Liebe… deinen Wangen sind gerötet. Was ist da noch geschehen?“

„Er… er… er hat mir gesagt, dass… er mich liebt und… und hat mich geküsst.“

„Oh, Victoria! Das freut mich für dich! Ist er ein guter Küsser?“

„Mary-Anne!... Ich weiß nicht, was ein guter Küsser ist, ich habe zuvor noch keinen Mann geküsst gehabt… Ist er ein guter Küsser wenn man glaubt den Boden unter den Füßen zu verlieren?“

„Oh, meine Liebe, ich beneide dich um deinen Fang, sogar ein guter Küsser ist er… Du hast absolut Glück mit diesem Mann. Du musst mir alles, jedes Detail, nach der Hochzeitsnacht erzählen, ich möchte alles wissen!“

„Mary! Darüber spricht eine Dame nicht! Also wirklich! Du kannst manchmal auch zu neugierig sein! Das… das…“

„Liebes… ich bin mir sicher, dass er ein zuvorkommender, sensibler und sehr zärtlicher Liebhaber sein wird, so wie er dich jetzt schon allein mit seinen Augen anschmachtet und anhimmelt, wird er gar nicht anders können, du wirst gewiss eine sehr angenehme Hochzeitsnacht haben.“

„Es ist noch viel zu früh um überhaupt an eine Hochzeit zu denken.“

„Bei Männern die sich der See verschrieben haben gibt es kein früh genug. Es braucht nur ein großer Sturm kommen und…“

„Mary! An so etwas denkt man nicht einmal…“

„Liebes… ich glaube du bist schneller verlobt mit James Norrington als du dir träumen kannst.“, lächelte Mary-Anne. „Und ich wünsche dir mit ihm nur alles erdenkliche Glück auf der Welt. Ich will die erste sein der du erzählst wenn er um deine Hand angehalten hat, verstanden?“

„Natürlich.“, lachte Victoria leise.

„Und ich möchte selbstverständlich die Patin eures ersten Kindes sein.“

„Mary! Das ist nun wirklich viel zu…“

„Er wird dich sicher mit einer Heerschar an Kindern beschenken.“

„Mary, das ist jetzt aber wirklich…“

„So ein kräftiger junger Mann wie er ist.“

„Mary!“

„Liebes, Männer sind wie Pferde… man muss sie gut zureiten.“

Victoria schlug ihrer Freundin mit ihrem Fächer auf den Arm, die Wangen waren hochrot und ein empörter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.

„Ich möchte derlei Anspielungen nicht mehr von dir hören! Das… das ist… Wie kannst du nur?! So redet keine Dame! Und ich verbiete dir, dass du so redest in Verbindung mit James!“

Es war der Tag des Banketts und da Mary-Anne wusste, dass ihre Freundin derzeit ein Gast bei den Norringtons war, war sie möglichst früh erschienen um ihre Freundin beiseite zu nehmen. Sie war nicht umsonst Gast bei den Norringtons. So taten sie am frühen Abend nun einen gemeinsamen Spaziergang durch den Garten und Mary-Anne versuchte soviel wie möglich aus ihrer Freundin heraus zukitzeln.

Seit diesem einen gewissen Nachtmittag, hatten Victoria und James nur selten ganz verstohlen ein Küsschen ausgetauscht, es blieb größtenteils bei verliebten Blicken und sachten Berührungen der Hände. Seiner Mutter war eine Veränderung in seinem Verhalten zwar aufgefallen, ab und an schien er nervös zu sein, Sachen entglitten ihm aus den Händen, ein wenig verwirrt schien er zuweilen, aber sie schob es auf den Umstand, dass Victoria anwesend war, dass er aufgrund von ihr ein wenig durcheinander schien. Verständlich wenn man frisch verliebt war.

„Natürlich, meine Liebe.“, lächelte Mary-Anne. „Aber du musst zugeben, dass unser lieber James ein wenig forsch ist oder? Was sagt denn dein Vater überhaupt dazu? Ich meine zu James. Nicht den Kuss.“; schmunzelte sie.

„Mein Vater findet ihn sympathisch.“

„Hmhm… sympathisch… auch wenn er dir den Hof gemacht, dich eingeladen, mit dir getanzt, dir Briefe geschrieben hat, ohne…

„Ja, auch trotz dessen…“, schmunzelte Victoria.

„Dann steht euch ja eigentlich nichts mehr Wege, hm?“

„Fang nicht wieder davon an.“

Mary-Anne musste schmunzeln.

„Nun komm. Lass uns wieder hineingehen. Dein James wird sicher sehnsüchtig auf dich warten und ich will dich ihm ja nicht länger als nötig stehlen.“

„Mary-Anne, bitte schweig still darüber, ja? Es weiß wirklich sonst niemand…“

„Natürlich, verschwiegen wie ein Grab werde ich sein.“, schmunzelte sie.

So begaben sich beide Damen wieder in das Innere, Mary-Anne zog sich zurück und gesellte sich zu einer Gruppe Damen als sie sah wie James auf sie beide zukam und sie wollte ihrer Freundin schließlich genügend Zeit mit ihrem Liebsten alleine gönnen.

Doch kaum war James an Victoria herangetreten mit einem verliebten Lächeln da erhielt er schon einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.

„Das muss die junge Lady Montague sein, von der du schon viel erzählt hast, James, willst du uns nicht vorstellen?“, grinste sein Freund und Kollege Theodore Groves.

„Das… wollte ich gerade tun, Theodore… du hast ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt wie kein anderer.“, grinste James etwas gezwungen, es mag zwar ein Grinsen sein, aber sein Blick sprach anderes. „Wenn ich vorstellen darf, Victoria Montague, Midshipman Theodore Groves.“

„Guten Tag, Lady Montague.“, grinste Theodore und gab ihr einen Handkuss. „Ich bin einer der engsten Freunde von James, während der Afrika-Reise konnte er gar nicht aufhören über euch zu sprechen, umso erfreuter bin ich euch nun selber endlich kennen zu lernen, wir wünschen unserem guten James schließlich nur das Beste.“

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Mister Groves.“, lächelte Victoria charmant. „Ihr seid also auch Midshipman der Royal Navy? Strebt ihr dann auch bald das Leutnantsexamen an wie James?“

„So fleißig wie unser guter James bin ich nicht, bei mir wird es noch ein wenig dauern bevor ich dazu zugelassen werde.“

„Ah ja, ich erinnere mich, dass ein Midshipman drei Jahre mindestens als solch einer dienen muss bevor das Examen zum Leutnant antreten kann, liege ich da richtig?“

„Sehrwohl, Madam, da liegt ihr richtig. Ich bin nicht so zielstrebig wie unser James. Aber er wird das Examen schon bestehen, bald wird er Leutnant Norrington sein, da bin ich sehr zuversichtlich.“

„Das bin ich ebenfalls.“

„Ihr schmeichelt mir wieder zu sehr, Lady Montague.“

„Überlasst das Schmeicheln nur ihm.“, grinste Theodore. „Darin hat er es wahrlich zum Meister gebracht.“

„Ich finde, wir sollten uns setzen, oder?“, wollte James nun alle auf ein anderes Thema lenken, bot Victoria seinen Arm an und führte sie dann an den Esstisch wo schon einige andere Gäste saßen. Er kannte seinen Freund nur zu gut aber er musste nichts weiter befürchten, Victoria und Theodore unterhielten sich noch angeregt und ruhig. Sein Freund ging auch nicht weiter auf die Gefühle ein die er für Victoria hegte.

Erst später am Abend wurde ein wenig getanzt, es wurde Wein getrunken und allgemein war die Stimmung ein wenig lockerer. Andere unterhielten sich oder spielten Karten. Zugegeben, zwischen Victoria und James war es recht eindeutig, sie tanzten wenn nur miteinander, er befand sich immer in ihrer Näher als könne er sich gar nicht weit von ihr entfernen, das Lächeln welches sie sich zuwarfen war stets ein verliebtes und ein guter Beobachter hätte die kleinen heimlichen Gesten entdeckt. Das zufällige Berühren der Hände, den Tonfall wenn sie miteinander sprachen, die Wortwahl. Nicht jedem fiel es auf, aber einigen schon.

„Sie ist wirklich liebreizend, ganz wie du es gesagt hast. Ich habe zwar nicht damit gerechnet, ich dachte du würdest mit deiner Beschreibung maßlos übertreiben.“, lächelte Theodore als er für einen Moment alleine mit James reden konnte. „Aber sie ist wirklich ein ganz guter Fang wie mir scheint. Meinen Segen hast du.“

„Brauche ich den denn?“, schmunzelte James.

„Ich bitte dich, du willst dieser Frau ein lebenslanges Versprechen geben und willst nicht meine Meinung hören? Hast du es ihr denn schon gesagt?“

„Was gesagt?“

„Na was wohl? Hast du es ihr gestanden?“

James seufzte einmal leise auf, nahm einen Schluck Wein ehe er weiter sprach.

„Ja. Habe ich.“

„Und…? Mensch, Junge, muss man dir alles aus der Nase ziehen? Was hat sie gesagt? Dich zum Teufel scheint sie nicht gejagt zu haben, sonst wäre sie glaube ich kaum anwesend.“

„Nein, das hat sie nicht.“, schmunzelte James. „Es… es war… sie empfindet ebenso.“, umschrieb er es. Dass er sich gleich darauf auch geküsst hatte, sagte er lieber nicht. Es war schon unerhört gewesen sie überhaupt auszuführen ohne bei ihrem Vater vorstellig gewesen zu sein.

„Glückwunsch, mein Freund! Da gratuliere ich dir!“

Theodore schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.

„Das ist doch wahrlich ein Grund zum feiern. Dann steht euch ja eigentlich nichts mehr im Wege.“

„Ich warte bis zu meiner Promotion zum Leutnant. Erst dann… möchte ich um ihre Hand anhalten.“

„So ernst ist es dir also.“, schmunzelte sein Freund. „Dann kann ihr Vater sicher nicht nein sagen wenn du erst einmal Leutnant bist.“

„Ich hoffe.“, lächelte James, denn eine andere konnte er sich nicht mehr an seiner Seite vorstellen und… ganz abgesehen davon, dass sie nicht mehr in aller Heimlichkeit kleine Geste austauschen mussten.

„Ich wünsche dir viel Glück in dieser Angelegenheit. Aber so ein Glückspilz wie du bist.“
 

Der Abend dauerte auch nicht mehr allzu lange an. Die letzten Gäste des Abends waren noch Mary-Anne und Theodore. Mary-Anne war dabei sich von Victoria zu verabschieden mit der dringenden Bitte sie auf dem Laufenden zu halten. Auch Theodore wollte sich verabschieden, aber James hatte ihm zuvor versprochen gehabt ein Buch zu leihen und eben dieses wollte er holen.

„Es war wunderbar dich wieder zu sehen Theodore, es ist viel zu lange her, dass du Gast bei uns warst. Ich würde dich gerne wieder einmal länger hier begrüßen dürfen.“

„Vielen Dank Miss Norrington, es ist mir immer wieder eine Ehre ein Gast ihres Hauses zu sein und jede Einladung ist mir eine Freude. Selbstverständlich würde es mich auch freuen irgendwann sowohl sie, Lady Summerset, wie auch sie, Lady Montague, wieder zu sehen.“

„Daran soll es gewiss nicht scheitern.“, schmunzelte Mary-Anne kokett als plötzlich alle aufhorchten als ein dumpfer Aufprall zu hören war.

Alarmiert eilten sie zur Treppe in das Foyer und da lag James.

„Nicht schon wieder…“, entfuhr es Theodore, das war doch auf dem Heimweg von Gambia…

„James?...James!“

„James, was hast du? Sag doch etwas!“

„Sie sollten einen Arzt kommen lassen, das ist auf der Heimreise von Westafrika schon einmal geschehen. Es war angeblich nur ein kleines Fieber, nach zwei Wochen ging es ihm wieder gut. Aber jetzt bin ich mir nicht so ganz sicher.“

„Henry!... Tragt ihn bitte in sein Schlafzimmer, ich lasse sofort nach einem Arzt schicken.“

Ein Bediensteter der von Miss Norrington gerufen wurde, brachte zusammen mit Theodore James auf seine Zimmer, der noch immer bewusstlos schien. Miss Norrington selbst eilte davon um nach einem Arzt schicken zu lassen.

„Es ist schon einmal passiert? In Afrika?“, fragte Victoria nach.

„Ja, er ist plötzlich zusammen gebrochen, ohne irgendwelche Anzeichen zuvor. Der Schiffsarzt konnte nicht genau sagen, ob es ein Tropenfieber war, aber nach zwei Wochen ging es ihm wieder blendet. Er schien wieder ganz gesund… Vielleicht war es doch ein Tropenfieber… diese können unheimlich tückisch sein.“

Victoria flatterte nun doch ein wenig Herz. Ein Tropenfieber?

Southampton, Sommer 1748 ~ Landsitz der Familie Norrington

Southampton, Sommer 1748

Landsitz der Familie Norrington
 


 

Nervös lief sie auf und ab, immer wieder, so dass man schon befürchten musste sie würde Furchen in das Parkett laufen, bis Mary-Anne sie am Arm sanft packte und neben sich auf einen Stuhl zog. So nervös wie Victoria war, war es ja kaum auszuhalten, das arme Mädchen war völlig fertig mit den Nerven. Aber auch nicht verwunderlich und es war zu verzeihen ob der momentanen Situation. James Mutter hingegen schien die Ruhe selbst zu sein, aber vielleicht war das die Ruhe vor dem Sturm. Vielleicht zeigte sie nur nicht die Sorge die sie hatte um ihren Sohn. Sie schien zwar äußerlich ruhig, aber es war ihr anzusehen, dass sie angespannt war.

„Es ist bestimmt nichts ernstes…“, sprach Theodore. Einerseits um die Damen ein wenig zu beruhigen und andererseits vielleicht auch sich selber. Natürlich machte auch er sich sorgen, James war sein bester Freund, sie kannten sich schon lange bevor sie der Navy beigetreten waren. „Es ist bestimmt nur ein kleines Fieber, bald ist er wieder auf den Beinen.“ Er versuchte zuversichtlich zu klingen.

„Und wenn es doch ein Tropenfieber ist?“ Victoria klang so wie sie sich fühlte, aufgewühlt und nervös.

„Wir haben die Tropen schon lange verlassen, ich kenne keine tropische Krankheit die so lange brauchen würde um auszubrechen. Er wird sich bestimmt schnell wieder erholen.“; lächelte Theodore. „Der lässt sich doch von einem lächerlichen Fieber nicht niederstrecken. Glaubt mir, Miss Montague, James ist ein zäher Bursche.“

In diesem Moment öffnete sich die Tür zu James Schlafzimmer und der Arzt der Familie trat heraus. Sofort sprangen alle von ihren Stühlen auf, jeder gespannt was der Arzt nun zu berichten hatte. Dieser schloss leise die Tür ehe er sich den wartenden zuwandte. Da er Arzt für viele Familien die in der Royal Navy tätig waren, kannte er sich recht gut mit Krankheiten zu See und den Tropen aus. Auf irgendein Gebiet musste man sich ja spezialisieren.

„Mister Norrington schläft jetzt. Das wird er fast ausschließlich tun. Soweit ich es jetzt sagen kann, kommt nur eine Diagnose in Frage in meinen Augen. Die Afrikanische Trypanosomiasis. Bekannt als die Schlafkrankheit. Alle Symptome, so wie sie es mir geschildert haben, deuten darauf hin. Diese Krankheit braucht lange um auszubrechen. Die Inkubationszeit kann Wochen betragen. Erst die Symptome die auf eine Verkühlung hindeuten, der Erreger nistet sich langsam ein. Dann wandert er in das Nervensystem. Das ruft dann diese verwirrten, nervösen Zustände hervor und letztendlich… ein dauerhafter schlafender Zustand.“

„Und… was kann man da tun? Wie kann man das Fieber heilen?“, fragte James Mutter.

„Leider… gibt es kein eindeutiges Heilmittel. Ich habe von wenigen Fällen gehört, dass es Monate dauern kann bis der Patient wieder gesund wird. Natürlich Ruhe, wie bei jeder anderen Krankheit auch. Wenn Fieberschübe auftreten, dann sollten sie niedrig gehalten werden. Ich werde regelmäßig kommen um seinen Zustand zu überprüfen, wenn er sich schlagartig verschlechtern sollte, so lassen Sie mich umgehend holen.“

„Und… und einen Aderlass? Das… das soll doch sonst immer…“

„Auf gar keinen Fall. Ich bin keineswegs ein Verfechter von Aderlässen. Außerdem wäre es unklug in seinem Zustand, er ist zu schwach, einen Aderlass würde er kaum überleben.“

„Und.. was können wir sonst tun?“

„Geduldig auf seine Genesung hoffen… und beten hat noch nie geschadet.“

Er nickte noch allen Anwesenden zu bevor er sich daran machte das Haus der Norringtons zu verlassen. Betretenes Schweigen machte sich breit. Alle waren bedrückt ob der Diagnose des Arztes. Keine Aussicht auf eine schnelle Heilung, nicht einmal eine Medizin die helfen könnte… keine Aussicht… auf eine Heilung.

„Kommt, Victoria… wir wollen nach James sehen. Wenn der Herr Doktor nichts zu seiner Heilung beitragen kann… dann müssen wir uns etwas überlegen.“

Evelyn Norrington brach dann das Schweigen und nahm Victoria sachte am Arm und führte sie in das Schlafzimmer ihres Sohnes. Wenn er vielleicht doch wach war, dann würde er gewiss auch sie gerne sehen, dachte sich Evelyn. Und Victoria war schließlich ein gutes Mädchen, es rührte sie wie sehr sie sich um ihren Sohn sorgte. Leise betraten sie das Zimmer in welchem James ruhig schlafend im Bett lag. Zumindest schien es so als würde er nur schlafen. Dennoch war ihm anzusehen, dass er nicht kerngesund war.

„James?... Du sollst wissen, dass wir da sind. Es wird bestimmt alles wieder gut.“

Evelyn hatte sich auf den Bettrand gesetzt und strich ihrem Sohn die Haare zurück.

„Es wird alles wieder gut… Victoria ist auch noch da. Sie kann solange bleiben wie sie möchte.“

„Ich werde erst gehen, wenn ihr wieder gesund seid, James.“, lächelte diese schwach.

„Hörst du? Obwohl es mich jetzt dann nicht verwundern würde wenn du dir Zeit lässt mit deiner Genesung.“, schmunzelte seine Mutter ein wenig. Sie deutete Victoria dann sich einen Stuhl heranzunehmen und sich zu setzen. „Ich werde dafür sorgen, dass er eine gute Suppe bekommt. Eine kräftige Suppe hat noch nie geschadet.“, nickte sie dann langsam und erhob sich wieder. „Redet mit ihm, vielleicht… hört er es ja… und er hört euch schließlich gerne zu.“ Ein schwaches Lächeln lag auf ihren Lippen als Evelyn das Zimmer wieder verließ und leise die Tür hinter sich schloss.

Victoria seufzte schwer auf. Der Gedanke, dass es kein wirkliches Heilmittel gab zermürbte sie. Sie rückte ein wenig näher mit dem Stuhl und ergriff seine Hand, drückte sie sachte.

„Ihr müsst wieder gesund werden James. Versprecht mir, euch zu bemühen wieder ganz gesund zu werden. Lasst euch bitte nicht allzu viel Zeit damit… Ich liebe euch, James… ich will nicht um euch trauern müssen…“ Sie musste erneut schwer aufseufzen. Sie wollte sich den schlimmsten Fall gar nicht erst ausmalen und sie hoffte, dass er zumindest bald wieder wach sein würde. „Musstet ihr euch ausgerechnet diese Krankheit aussuchen? Hätte es nicht eine sein können wogegen die Ärzte schon Heilmittel haben?“ Mit dem Daumen strich sie zärtlich über seinen Handrücken. „Ihr wollt doch noch dieses Jahr eurer Leutnantsexamen ablegen, dazu müsst ihr doch schnell wieder gesund werden… Ich werde solange nicht von eurer Seite weichen bis ihr wieder ganz gesund seid, das verspreche ich… Soll ich euch vielleicht etwas vorlesen?“ Auf dem Nachttisch fand sie ein Exemplar von Daniel Defoes´ Kapitän Singleton. Sie musste schmunzeln. „Ich habe euch wohl auf den Geschmack gebracht Defoe zu lesen, hm? Weit seid ihr ja noch nicht gekommen… Soll ich euch etwas daraus vorlesen?“ Sie schlug die Seite an der offensichtlich stehen geblieben ist, markiert mit einem Eselsohr was sie wieder glatt strich. Das war also seine Art von Lesezeichen, schmunzelte sie innerlich. Sie räusperte sich leise ehe sie begann leise aus dem Buch vorzulesen.
 

So tat sie es auch die nächsten Tage. Immer wieder las sie ihm wenige Kapitel aus dem Buch vor. Abwechselnd saß entweder sie oder seine Mutter an seinem Bett, lasen ihm vor, sprachen mit ihm. Tee und eine kräftige Brühe war das einzige was man ihm einflößen konnte, aber auch nach zwei Wochen war keine Besserung eingetreten. Oftmals schlief Victoria in dem Sessel ein, der mittlerweile an seinem Bett stand. Es war wieder eine dieser Stunden in denen Victoria in dem Sessel eingeschlafen war. Das ständige Hoffen, die ständige Sorge waren doch zermürbend machten alle ein wenig erschöpft. Sie döste gerade vor sich hin, das Buch immer noch aufgeschlagen auf ihrem Schoß, als ein leises Murmeln sie weckte. Kurz sah sie sich irritiert um bis…

„James? James, seid ihr wach?“ Sofort erhob sie sich, setzte sich auf die Bettkante und strich ihm die Haare aus der Stirn. „James, seid ihr wach?“

„Ihr… habt aufgehört… zu lesen…“, erschöpft und müde klang er, die Stimme kratzig und rau. Nur langsam schlug er seine Augen auf, seufzte leise und ein müdes Lächeln legte sich auf seine Lippen.

„Ihr seid wirklich wach!“ Sofort drückte sie sich an ihn, drückte Küsschen auf die Stirn, die Wange, den Mundwinkel, überall wo sie ran kam. Dass er wieder bei Bewusstsein war, ließ ihr ein Stein vom Herzen fallen, erleichterte sie ungemein. „Ich bin so glücklich… endlich seid ihr wieder wach, James…“

„Muss ich… erst krank werden… um so… von euch… behandelt… zu werden?“

Sie musste leise lachen an seiner Brust. „Ich werde euch nur noch so behandeln, damit ihr nie wieder auf die dumme Idee kommt so krank zu werden.“ Tränen der Erleichterung stiegen ihr in die Augen. Wenn er wieder wach war, wieder mit ihr sprach, bei Bewusstsein war, dann konnte er ja nur noch auf dem besten Weg der Besserung sein. Sie half ihm dabei sich ein wenig aufrecht hinzusetzen, legte ein zweites Kissen hinter seinen Rücken und nahm ein Glas Wasser, setzte es an seine Lippen. „Wie fühlt ihr euch? Fühlt ihr euch besser? Fühlt ihr euch immer noch müde? Ihr habt zwei ganze Wochen nur geschlafen.“

„So lange…?“ Er hatte generell überhaupt jeglichen Zeitgefühl verloren. Er wusste weder welcher Tag es war, noch ab morgens oder mittags.

Sie nickte. „Ihr habt nur geschlafen gehabt, die ganze Zeit über. Eure Mutter und ich haben uns abgewechselt. Ihr ward nie alleine. Euer Freund Theodore kam auch fast jeden Tag zu Besuch und hat sich nach eurem wohlergehen erkundigt. Eure Freunde Andrew, Joseph und Edward waren ebenfalls hier und Mary-Anne auch.“, lächelte sie. „Wir hatten solche Sorge, der Arzt meinte es könnte Wochen oder Monate dauern bis ihr wieder vollständig genesen seid.“

„Ich… habe noch nie viel… von Ärzten gehalten.“, lächelte er. Es war ihm deutlich anzusehen, dass die Krankheit sehrwohl an ihm zehrte, dass er noch müde und schwach war und es gewiss noch seine Zeit brauchen würde, bis er wieder auf den Beinen war. „Habe ich… wirklich so lange geschlafen?“

Sie nickte sachte, nahm wieder seine Hand in ihre und drückte sie sanft. „Tag und Nacht. Deshalb würde die Krankheit die ihr habt auch die Schlafkrankheit genannt werden. Wie genau euer Arzt sie nannte weiß ich nicht mehr. Aber ihr müsst sie aus Afrika haben. Deshalb wäret ihr auch auf der Überfahrt erkrankt gewesen.“

„Dann… sollte ich wohl demnächst… Reisen in die Tropen… vermeiden, oder was meint ihr?“, schmunzelte er sachte und seufzte schwer, versuchte tief ein- und auszuatmen, was ihn doch ein wenig anstrengte.

„Nur wenn ihr versprecht wahrlich gesund wieder zurückzukommen.“, lächelte sie und schrak plötzlich zusammen, sprang auf. „Oh verzeiht! Ich sollte sofort eurer Frau Mutter bescheid sagen, dass ihr wach seid! Ich… entschuldigt, oh… ich… ich bin gleich wieder zurück!“

Er lächelte ihr nach als sie aus dem Zimmer rauschte und lehnte sich seufzend zurück. Hatte sie wirklich Tag und Nacht an seinem Krankenlager verbracht? Er meinte sich ab und an dumpf an ihre Stimme erinnern zu können, dass sie vorgelesen hatte und ein Blick auf den Nachttisch bestätigte es ihm auch wo sich mittlerweile mehrere Bücher stapelten.

Es dauerte nicht lange als auch seine Mutter durch die Tür gerauscht kam, sich zu ihm setzte und fest an sich drückte.

„Oh James, du bist wieder wach! Wie geht es dir? Wie fühlst du dich? Möchtest du einen Tee? Soll ich dir ein Bad vorbereiten? Hast du Hunger?“

„Ein Tee genügt… danke Mutter. Ich… fühle mich immer noch müde. Als hätte ich Tagelang Nachtwache auf Deck gehabt.“

„Ich lasse sofort einen Tee kommen.“, nickte sie und kaum hatte er den Wunsch geäußert war Victoria aus dem Türrahmen entschwunden und gab einen Tee in Auftrag.

„Ich… würde gerne… ein wenig mit die Beine vertreten.“

„Ruh dich erst noch ein wenig aus. Ich lasse nach dem Arzt schicken. Er soll sich dich noch einmal ansehen, ja? Morgen vielleicht, hm? Ruh dich lieber noch ein wenig aus. Komm ein wenig zu Kräften.“

Gegen die Worte seiner Mutter kam er kaum an und wiedersprechen konnte er erst recht nicht. Er merkte selber nur allzu gut, dass es sich wahrscheinlich nicht lange auf den Beinen würde halten können. Geschlagen nickte er.

„Du hast Recht… ich sollte es nicht gleich… wieder übertreiben.“

Sie lächelte liebevoll und strich ihm durch die Haare. „Dein Mädchen hat Tag und Nacht an deinem Bett gesessen… ich musste sie dazu zwingen sich zur Ruhe zu legen. Sie hatte große Sorge um dich… Und jeden Tag hat sie dir Stundenlang vorgelesen.“ Dabei nickte sie zu dem kleinen Bücherstapel auf den Nachttisch. „Sie ist ein gutes Mädchen, James… Solltest du dir in den Kopf setzen, irgendwann erneut so schwer zu erkranken, wirst du bei ihr ganz schnell gesund.“, lächelte sie.

Er wollte ihr widersprechen, sagen, dass sie nicht sein Mädchen war, aber… doch… sie war es… sie war sein Mädchen… Der Gedanke ließ ihn lächeln und seufzen. Victoria war sein Mädchen… und er konnte sich kein besseres vorstellen.
 


 


 

Schlafkrankheit ~ Die Schlafkrankheit oder Afrikanische Trypanosomiasis ist eine Tropenkrankheit und wird von der Tsetsefliege übertragen. Die ersten Symptome dieser Krankheit treten erst Wochen nach der Infektion auf, die Krankheit kann sich über Monate hinziehen, meist mehr als ein halbes Jahr. Sie beginnt mit Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen und Anämie. Dann beginnt der Erreger in das Nervensystem einzudringen was zur Folge hat, dass der Patient unter Verwirrungszuständen leidet, unter Koordinations- und Schlafstörungen, Krampfanfällen, Apathie und Gewichtsverlust. Letztendlich fallen die Patienten in einen dauernden Dämmerzustand weswegen die Krankheit auch ihren Namen hat.

Hier habe ich ein wenig geschummelt, da die Krankheit erst Ende des 19. Jahrhunderts von Sir David Bruce als diese benannt und erforscht wurde. Aber durch die lange Inkubationszeit, war sie einfach perfekt für mein Vorhaben!

XVII. Southampton, Sommer 1748 ~ Landsitz der Familie Norrington

Es war wieder ein sonniger Tag, dieses Jahr war der Sommer den Engländern gnädig. Statt stetem Regen, niedrigen Temperaturen und dichtem Nebel, schien die Sonne als wolle sie alle schlechten vorangegangenen Sommer entschuldigen. Erst nachdem die Mittagshitze langsam gewichen war, begaben sich Victoria und James nach draußen. Er wollte jede Gelegenheit nutzen um raus zu kommen. Er konnte nicht länger nichtstuend im Haus seine Zeit vergeuden. Er würde im Moment einiges tun um wieder ein Schiff betreten zu können. Aber der Arzt war der Meinung er solle sich noch schonen, nicht, dass es zu einem Rückfall käme. Er hatte noch nie viel von Ärzten gehalten, er selbst fühlte sich keineswegs mehr krank. Das Laufen strengte ihn zwar noch ein wenig an, aber nach der langen Bettlägerigkeit, ist das auch kein Wunder. Davon abgesehen konnte er nicht klagen, es ging ihm gut. Er fühlte sich kerngesund. Und so furchtbar wie Doktor Heenan die Krankheit bei ihm prophezeit hatte, war sie schließlich nicht gewesen. Er hatte sich nicht monatelang in einem komaähnlichen Zustand befunden, es waren lediglich 2 Wochen gewesen. Gut… seine Mutter und Victoria sahen das vielleicht anders, aber in seinen Augen hatte er sich doch schnell wieder erholt.

Nun ging er mit Victoria am Arm im Garten des Anwesens spazieren. Ihre Anwesenheit erleichterte es ihm zumindest ein wenig, dass er sozusagen noch zu Hause gefangen war. Zumindest einige Vorteile hatte diese Krankheit. Ihre Sorge und Fürsorge bezüglich seiner Person und ihre Nähe, den ganzen Tag in ihrer Nähe sein zu können.

„Und euer Vater hat nichts dagegen, dass ihr immer noch hier verweilt?“ Er blickte zur Seite und da sie ein Stückchen kleiner war als er, auch auf sie hinab. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen und er genoss es alleine sein zu können mit ihr.

„Er hat keineswegs etwas dagegen, dass ich länger euer Gast bin.“, lächelte sie. „Jemand muss euch schließlich gesund pflegen.“, schmunzelte sie ein wenig. Mit der freien Hand hielt sie einem Fächer der die Wärme zumindest etwas erträglicher machte.

„Ich könnte mir auch keine bessere Pflegerin vorstellen.“ Lächelnd nahm er ihre Hand von seinem Arm und führte sie an seine Lippen. Als ihre Hand wieder auf seinen Arm ruhte, legte er seine auf ihre. „Und eure Künste haben schließlich geholfen.“

Sie kamen gar nicht dazu sich weiter zu unterhalten oder den Spaziergang fortzusetzen, da ein Bediensteter aus dem Haus auf sie zugeeilt kam.

„Mister Norrington, Sir! Eure Frau Mutter wünscht euch zu sehen, sie erwartet euch im kleinen Salon. Miss Montague wünscht sie selbstverständlich auch zu sehen.“

„Danke Joseph. Richte meiner Mutter aus, dass wir sofort kommen.“

Der Bedienstete Namens Joseph nickte und eilte wieder in das Innere.

„Unseren Spaziergang müssen wir wohl leider verschieben, ich bin gespannt was meine Mutter von uns möchte.“

„Hoffentlich ist es nichts Ernstes. Hoffentlich sind keine schlechten Nachrichten eingetroffen. Euer Herr Vater befindet sich doch immer noch auf hoher See?“

Er schüttelte sachte den Kopf. „Wenn es etwas Ernstes wäre, wäre sie selber zu uns gekommen. Kommt, wir sollten hinein gehen.“

James führte Victoria in das Innere des Hauses und sogleich in den kleinen Salon wo seine Mutter schon wartete.

„Du hast nach uns geschickt, Mutter?“

Evelyn Norrington erhob sich aus dem Sessel in welchem sie gesessen hatte.

„Diese Depesche ist soeben aus London eingetroffen. Das Schiff deines Vaters ist eingetroffen.“, lächelte sie und schien sogar ein wenig zu strahlen. Schließlich hatte auch sie ihren Mann wochenlang nicht gesehen und auch wenn sie es gewohnt war als Gattin eines Seefahrers, war da dennoch immer eine kleine Sehnsucht jedes Mal wenn er zur See ging.

James lächelte sachte. „Das sind doch gute Neuigkeiten. Und… du möchtest sofort nach London abreisen?“, schmunzelte er. Es war jedes Mal das gleiche. Sobald sein Vater zurück war, begab sie sich sogleich nach London. Es war in all den Jahren schon fast zu einem Ritual geworden.

Sein Lächeln verriet ihr, dass er sich gerade ein klein wenig über ihr Verhalten amüsierte.

„Nun, wenn ich euch guten Gewissens hier lassen kann, James? Ihr seid schließlich jung und frisch verliebt, nicht dass ihr noch etwas Unüberlegtes tut… zum Beispiel die Zimmer wechseln oder Betten zusammenrücken…“

„Mama!“

Sie grinste innerlich. Das war dafür, dass er sich über sie amüsierte. „Ach James, ich weiß doch, dass ihr anständig seid. Ich werde mich dann nach London begeben. Und vergiss nicht mein Sohn: Eine Mutter weiß alles und sieht alles.“, schmunzelte sie. Ihr Sohn sah entsetzt drein während Victoria mit geröteten Wangen den Blick abgewandt hatte. Mit einem Schmunzeln im Gesicht verließ Evelyn den kleinen Salon um eine schnelle Abreise nach London zu organisieren.

„Verzeiht… manchmal… weiß ich nicht was… in meiner Mutter vorgeht.“, wandte sich James an Victoria. Auch auf seinen Wangen lag ein Hauch von Rot und er schien sichtlich verlegen zu sein.

Dass auch er bei dem Thema errötete, fand sie ganz reizend.

„Schon gut, James… Mütter halt.“, lächelte sie, immer noch errötet. „Und am Ende wollen sie dennoch Enkelkinder.“

Beide lachten, immer noch verlegen, auf.
 

Keine 2 Stunden später war die Kutsche bereit zum Aufbruch. Evelyn hatte nur wenig Gepäck, es würde ohnehin nur ein kurzer Aufenthalt in der Hauptstadt werden bevor sie und ihr Gatte zurückkehrten.

„Grüße Vater herzlich von mir. Ich bin gespannt auf seinen Bericht über die Fahrt und Gibraltar.“

„Das werde ich, wie immer. Er wird dir gewiss viel zu erzählen haben. Nichts bereitet dich besser auf dein Examen vor wie ein Vater der selbst ein alter Seebär ist.“, lächelte sie. „Und ich werde ihm auch von deinem Mädchen erzählen.“

„Mutter, Victoria ist kein Mädchen.“, sprach er leiser und eindringlicher.

„Aber deine Frau ist sie noch nicht.“, grinste sie, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich auch von Victoria herzlichst bevor sie in die Kutsche stieg und diese sich mit knirschenden Rädern unter dem Kies in Bewegung setzte.

„Nun… ich denke… es wäre Zeit für ein wenig Tee?“, fragte er Victoria. Ein wenig unsicher war er ja schon, jetzt wo er mit ihr ganz alleine im Haus war, für einige Tage.

Nachdem sie dem Tee zugestimmt hatte, führte James sie wieder in das Innere. Im Teezimmer ließen sie sich dann nieder und warteten bis der Tee serviert wurde.

„Nun, zumindest können wir unsere Spaziergänge jetzt ungestört führen.“, lächelte er.

„Ihr habt euren Vater lange nicht mehr gesehen?“

„Es… sind schon einige Monate, ja.“, nickte er sachte. „Er leistet seiner Majestät gute Dienste und ist ein äußerst erfahrener Mann zur See.“

„Ich stelle mir das… merkwürdig vor. Ihr seid schließlich oft auf See, euer Vater ebenfalls… bekommt man sich da noch zu Gesicht?“

Er lachte leise. „Ja, wir sehen uns noch. Wir sind uns nicht fremd geworden bisher. Aber das bringen der Beruf und der Dienstrang nun einmal mit sich. Als Admiral seiner Majestät, verbringt man nun einmal die meiste Zeit des Jahres auf dem Meer. Einige bevorzugen natürlich das Leben zu Land, Festlichkeiten und Bälle am Hofe. Aber nicht so mein werter Herr Vater. Er braucht einfach ein Schiff unter seinen Füßen.“

„Und ihr wohl auch? Ich habe das Gefühl ihr könntet es kaum noch erwarten wieder eines zu betreten?“, lächelte sie sachte.

„Da habt ihr wohl recht… aber im Moment… bin ich auch ganz glücklich zu Land…“

Bei seinem Lächeln und den Blick den ihr zuwarf, erröteten sich ihre Wangen.

„Soll das heißen ich… ich würde euch… davon abhalten?“

„Nur geringfügig…“, lächelte er.

„Nun… wenn es eine Dame schafft… euch davon abzuhalten ein Schiff zu betreten…“

„Muss sie etwas sehr besonderes sein… Ich würde mit euch gerne einen Ausflug an die Küste wagen. Der Hafen von Southampton ist wundervoll. Nicht so hektisch wie der Londoner. Hier… geht alles etwas gemütlicher zu.“

„Oh, den würde ich gerne einmal sehen. Ich bin mir sicher er wird mir gefallen.“

„Das wird er euch gewiss. Er ist nicht gerade klein. Aber dennoch recht ansehnlich. Vielmehr ist Southampton ein Erholungsort als ein wirtschaftlich groß genutzter Hafen heutzutage. Die großen Schiffseigner sind nach Liverpool und Plymouth gezogen.“

„Dann kann ich wenigsten sicher sein, dass ihr nicht plötzlich ein königliches Schiff besteigt und in See stecht.“, lächelte sie.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Xaris
2011-06-06T17:43:39+00:00 06.06.2011 19:43
Hallo! :)
Hihi, dann werde ich wohl noch viel zum Lesen bekommen, wenn du noch so viel vorhast. XD

Dieses Kapitel war richtig süß! *o* Victoria ist wirklich toll, hoffentlich geht es James dadurch bald besser. :D
Darf ich fragen wie weit du mit der Story bisher bist? :D Wenn ich sehe, wer noch alles vorkommen soll und dran denke, was du noch alles miteinbauen möchtest, tippe ich nicht einmal auf die Hälfte.^^

Bin aufs nächste Kapitel gespannt! *o*
Von:  Xaris
2011-05-10T16:35:25+00:00 10.05.2011 18:35
Hallo :)

Waaah, diese Story ist sooo schön, ich habe sie eben von Kapitel 1 - 15 durchgelesen und hätte ruhig auch noch mehr davon vertragen. *__*
Norrington ist mein Lieblingschar, deshalb finde ich es super, dass ich deine Story entdeckt habe! :D
Dein Schreibstil ist wirklich sehr gut, genauso wie die Handlung! *o*
Eigentlich dachte ich, die Story nähert sich langsam bereits dem Ende, aber wenn ich so sehe, welche Charaktere noch auftauchen sollen, denke ich, dass da noch einiges kommen wird, oder? *_*

Ich freue mich bereits riesig auf das nächste Kapitel! :)


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