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Unsterblich

My Immortal ~ Eternal Chronicles
von

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Eos' nächster Plan

Mit großer Irritation betrachtete Eos das Mitbringsel Hyperions, das er statt der Rose nach der Rückkehr präsentiert hatte. Erst hatte die Präfektin ihn dafür tadeln wollen, doch dann war die Betrachtung dieses Wesens doch wichtiger gewesen. Schon auf den zweiten Blick konnte sie erkennen, dass es ein sehr wichtiger Fund war und es daher vollkommen richtig von ihm gewesen war, es mitzubringen.

Die großen, rotbraunen Augen musterten Eos ebenso fasziniert, aber mit einer Naivität, welche die Präfektin gleichzeitig einnehmend und abscheulich fand. Sie wollte das puppengroße Wesen nehmen und es an sich drücken wie einen alten Freund und gleichzeitig wollte sie es wie eine grässliche und vorlaute Kröte gegen die Wand werfen. Diese widersprüchlichen Gefühle verschreckten sogar Eos selbst, weswegen sie hastig zurückwich und sich eine Hand auf ihr Herz legte als könne sie dieses damit beruhigen. „Wie ist dein Name?“

„Nanashi“, antwortete das Wesen gleichgültig.

Der Name sprach etwas in Eos' Inneren an, brachte Saiten zum Schwingen, deren Ton sie allerdings nicht hören konnte. Sie wusste nicht, wer dieses Wesen war, obwohl sie es eigentlich müsste.

Namenlos?“, hakte Eos nach und übersetzte den Namen dabei unbewusst. „Wer ist so herzlos, ein Geschöpf wie dich so zu benennen?“

Lächelnd, als wäre sie sich der Herzlosigkeit nicht bewusst oder als wäre ihr diese vollkommen gleichgültig, zuckte Nanashi mit den Schultern.

Eos wandte sich derweil an Hyperion, da deutlich war, dass dieses Wesen ihr keine Antworten würde geben können. Der Shinobi kniete versteckt im Schatten, so dass die durch das Fenster einfallenden Sonnenstrahlen ihn nicht trafen.

„Verrate mir, wo du sie gefunden hast“, verlangte Eos. „Ich weiß, warum du sie hergebracht hast, aber nicht, wo du auf sie aufmerksam wurdest.“

Erst schien es als würde er wie üblich mit Schweigen antworten – doch plötzlich konnte sie tatsächlich hören, wie er etwas sagte: „Die Höhle der Leviathan-Quelle...“

Geradezu schockiert konnte Eos nichts anderes tun als ihn anzustarren. Sie konnte es noch nicht so recht glauben, dass sie gerade zum ersten Mal seine Stimme gehört hatte. Normalerweise redete er nie auch nur ein einziges Wort, nicht einmal mit ihr und nun das!

Sie fand nur eine einzige Erklärung für diese Veränderung: „Der Einfluss der Rose auf dich, scheint eine Veränderung in dir zu bewirken. Ich weiß nicht, ob mich das freuen soll.“

Immerhin bestand die Gefahr, dass es bedeutete, dass ihr wertvollster Verbündeter sich gegen sie wenden könnte – aber andererseits war das auch ein gutes Zeichen, immerhin hieß es, dass sie mit ihrer Ahnung im Recht war und diese Leana tatsächlich etwas mit ihrer beider Vergangenheit zu tun hatte. Umso stärker brannte in Eos das Feuer, diese Eternal in ihre Hände zu bekommen. Wenn eine kurze Begegnung mit ihr einen solchen Einfluss auf Hyperion verübte, was würde dann erst geschehen, wenn Eos ihr gegenüberstand?

Das Klopfen an der Tür unterbrach ihre Vorstellungen, doch sie war nicht enttäuscht, als Yori, ihrer Aufforderung folgend, eintrat.

Er verbeugte sich tief. „Eos-dono...“

„Du kommst wie gerufen, mein lieber Yori.“

Bei Gelegenheit würde sie ihn fragen müssen, wie er den Augenblick seines Auftritts so wunderbar abpassen konnte, doch vorerst war etwas anderes wichtig. „Schick General Kobayashi in den Roten Wald. Dort wird in den nächsten Tagen die Eternal durchkommen, die ihn bei seinem letzten Einsatz bloßgestellt hat. Er soll sie abfangen und zu mir bringen.“

Yori verbeugte sich noch einmal, um zu zeigen, dass er verstanden hatte. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf die auf dem Tisch sitzende Nanashi. Er wurde augenblicklich blass, verabschiedete sich hastig von Eos und verließ den Raum wieder.

Die Präfektin sah ihm nachdenklich hinterher, nachdem er bereits die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Der gute Yori sah aus als hätte er einen Geist gesehen.“

Sie betrachtete erneut Nanashi, die sie unschuldig anlächelte. War er etwa wegen ihr so blass geworden? Erkannte er das kleine Wesen vielleicht wieder?

Das sollte sie ihn auch gleich fragen, wenn sie ihn auf seine Auftritte ansprach, aber erneut fiel ihr zuerst etwas wesentlich Wichtigeres ein, so dass sie sich an Hyperion wandte: „Um sicherzugehen, dass Leana auch wirklich den Roten Wald aufsuchen wird, wirst du wieder zu ihr gehen und sie dort hinlotsen, verstanden?“

Zu ihrer Überraschung neigte er den Kopf, stand auf und war bereits im nächsten Moment verschwunden. Leana musste wirklich einen guten Einfluss auf ihn ausüben, so kam es Eos zumindest vor, hatte sie doch für einen kurzen Moment sogar zu spüren geglaubt, dass er sich sogar darauf freute, sie bald wiederzusehen.

Das war ein Grund, warum sie Kobayashi schickte, damit er ihr Leana brachte. Sie wusste nicht, wie Hyperion auf einen solchen Auftrag reagieren würde und die Gefahr, dass er sie verriet, war ihr in diesem Fall zu groß, so dass sie es lieber jemandem überließ, der noch eine Rechnung mit Leana offen hatte. Kobayashi würde mit Sicherheit alles daran setzen, sie in seine Hände zu bekommen.

Sie musste also nur noch warten.

Mit einem zuckersüßen Lächeln wandte sie sich wieder an Nanashi. „Und diese Wartezeit werde ich mit dir überbrücken.“
 

Es grauste Yori immer noch, selbst als er sich bereits weit entfernt von Eos' Arbeitszimmer befand und das garstige Kichern im Gang davor längst verhallt war.

Die Puppe auf dem Tisch war mit Sicherheit keine gewöhnliche gewesen. Das Gesicht, das Haar, ja sogar fast die Kleidung, alles sah ganz genauso aus wie bei der Bedienung in der Ramenbude.

Diese Bedienung, das wusste er als Stammgast genau, war kurz vor der Eternal aufgetaucht, hinter der Eos so ehrgeizig her war.

Es konnte kein Zufall sein, an so etwas glaubte Yori ohnehin nur selten und bei dieser geradezu frappierenden Ähnlichkeit hätte er das auch nicht glauben können, wenn er gewollt hätte.

Einmal mehr keimte in ihm der Verdacht, dass Eos elementar anders war als normale Menschen. Nicht nur aufgrund ihres Verhaltens.

Hinter ihr verbarg sich ein Geheimnis, das möglicherweise noch äußerst gefährlich für die gesamte Präfektur werden könnte.

Er verlangsamte seine Schritte auch nicht, als er sich bereits auf der anderen Seite des Palastes befand. Im Gegenteil. Er stürmte so schnell die Treppe hinunter, dass er beinahe auf einer der letzten Stufen abrutschte und hinunterfiel. Im letzten Moment fand er sein Gleichgewicht wieder, so dass er seinen Weg ohne Probleme bis zu den Übunsgräumen der Soldaten, die an die Ställe angrenzten, fortsetzen konnte.

Erst als er Kobayashi erblickte, wurde er langsamer und hielt schließlich ganz an. Die ungewohnte Anstrengung sorgte allerdings dafür, dass er erst einmal wieder zu Atem kommen musste, was seine brennenden Lungen ihm ein wenig schwer machten.

Kobayashi beachtete ihn derweil nicht. Sein Blick war stur auf das Training seiner Männer gerichtet – zumindest glaubte Yori, dass sie trainierten, denn obwohl sie alle mit ihren Schwertern dastanden, bewegte sich keiner von ihnen.

„Was wird das?“, fragte Yori verwirrt und hielt sich im nächsten Moment die Hand vor den Mund.

Ihm war nicht aufgefallen, dass seine Lungen sich bereits wieder genug erholt hatten, dass er wieder laut sprechen konnte, weswegen ihm die Worte herausgerutscht waren.

Kobayashi schnaubte nur und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das fördert die Disziplin. Sie stehen so lange wie möglich mit ihren Schwertern da, die für sie immer schwerer werden. Wer zuerst aufgibt, übernimmt eine Woche den Dienst einer Küchenmagd.“

Selbst Yori empfand das nicht als sonderlich angenehm. Als er noch einmal hinüberblickte, bemerkte er die angespannten Züge auf den Gesichtern der Männer. Jeder von ihnen schien entschlossen, nicht zu verlieren. Er stellte sich vor, dass das Glück und die Freude jedes Einzelnen sehr groß war, wenn schließlich einer von ihnen nachgab. Sein eigenes Katana erschien ihm immerhin in diesem Moment nach dem Dauerlauf schon extrem schwer und es war lediglich an seinem Gürtel befestigt.

„Was führt dich hier herunter?“, fragte Kobayashi, immer noch ohne ihn anzusehen.

Einen kurzen Moment starrte Yori blicklos ins Leere, als ihm bewusst wurde, dass er selbst es vergessen hatte – nur um sich gleich danach wieder daran zu erinnern. „Eos-dono hat einen Auftrag für Euch, General Kobayashi.“

Noch einmal schnaubte er, Yori glaubte fast, weiße Rauchwolken aus seinen Nasenlöchern kommen zu sehen, so wie in diesen Bildergeschichten, die er als Kind gelesen hatte. „Was ist es dieses Mal?“

Er erklärte Kobayashi, dass er im Roten Wald eine Rebellin gefangennehmen sollte, aber begeistert wirkte der General nicht. Deswegen spielte Yori seinen letzten Trumpf aus: „Es handelt sich um die Eternal, der du beim Schrein begegnet bist.“

Ruckartig wandte Kobayashi ihm seinen Kopf zu. Er blickte Yori an als wartete er darauf, dass dieser lachend abwinken und ihm dann den echten Auftrag sagen würde, doch er blieb standhaft.

Schließlich schien der General von diesem Auftrag überzeugt und nickte. „Verstanden.“

Er wandte sich seinen Männern zu, den Arm bereits erhoben. „Männer, wir rücken aus!“

Yori bemerkte sofort, wie sie alle erleichtert ihre Waffen sinken ließen, enthusiastisch zustimmten und dann losstürmten, um sich für den Einsatz fertigzumachen.

Obwohl sie auf den ersten Blick alle heillos durcheinanderzulaufen schienen, war bei genauerem Hinsehen erkennbar, dass in dem Chaos eine Ordnung vorhanden war. Jeder Soldat wusste genau, wie der kürzeste Weg zu seiner Ausrüstung war und auch, was er im Anschluss zu tun hatte.

Innerhalb weniger Minuten, in denen Yori die Ereignisse nur staunend betrachten konnte, war die gesamte Truppe einsatzbereit, selbst das Pferd des Generals war gesattelt und schnaubte erwartungsvoll.

„Da bleibt dir die Spucke weg, was, Jungspund?“

Das stolze Schmunzeln war so deutlich in seiner Stimme zu hören, dass Yori erst gar nicht zu ihm hinübersehen musste, um sich von diesem Gesichtsausdruck zu überzeugen.

„Das war großartig“, stimmte der Berater zu. „Solch eine Organisation habe ich noch nie gesehen.“

Selbst unter den Hausangestellten von Eos gab es so etwas nicht. Yori hatte einmal beobachtet, wie zwei Dienerinnen der Präfektin ein Bad vorbereiten wollten und dabei entweder immer wieder miteinander zusammenstießen oder Dinge doppelt erledigten, was höchst ineffizient war. Es hatte Stunden gedauert, bis das Bad endlich fertig gewesen war und dementsprechend wütend war Eos dann auch gewesen. Wenn Yori sich richtig erinnerte, waren die beiden Mädchen umgehend entlassen worden. Eine von beiden, so viel wusste er durch Zufall, arbeitete inzwischen in einem äußerst zwielichtigen Bereich der Präfektur, den er lieber mied, sofern es ihm möglich war.

„Disziplin ist wichtig“, brummte Kobayashi. „Dementsprechend wurden meine Leute gedrillt, bis jeder genau wusste, was er zu tun hat und jeder Handgriff saß.“

In diesem Moment begriff Yori, dass Eos wirklich recht hatte: Solange sie eine solche Armee besaß, würde ihr mit Sicherheit nie ein Feind ernsthaft schaden können.

Der General verabschiedete sich mit einem Handzeichen von dem Berater und ging zu seinem Pferd hinüber. Kaum war er aufgestiegen, brüllte er undeutlich einen Befehl, der von den Soldaten mit einem ebenso undeutlichen Ruf erwidert wurde – und schon setzte sich die gesamte Truppe in Bewegung. Innerhalb weniger Minuten war der gesamte Stall vollkommen leer mit Ausnahme von Yori und einigen Pferden, die noch in ihren Boxen standen und leise schnaubten und mit den Hufen auf dem Boden scharrten als würden sie am Liebsten ebenfalls ausrücken.

Yori dagegen fuhr herum, als er sich von dieser Atmosphäre endlich gelöst hatte, um zu Eos zurückzukehren und ihr zu berichten, dass ihr Auftrag ausgeführt werden würde. Auch wenn es ihm bereits davor graute, wieder in den Gang zurückzukehren, der zu ihrem Arbeitszimmer führte. Sie wusste es wohl nicht und er würde sich hüten, es ihr je zu erzählen, aber dank dieses Ganges wusste er genau, wann sie ihn brauchte – wann immer sie dabei war, einen Plan zu schmieden und mit dem Gedanken spielte, ihn zu sich zu rufen, ertönte in dem Gang ein heiseres Kichern aus unzähligen Kehlen, so kalt und grausam als ob es direkt aus der Unterwelt stammen würde. Jedes Mal fürchtete er wieder, dass dies sein letzter Besuch bei Eos sein würde, dass sie ihn diesen Wesen auslieferte und er war sich absolut sicher, dass es eines Tages auch soweit sein würde. Möglicherweise sogar noch an diesem.

Aber wie üblich war er darauf vorbereitet, als er schließlich die Schultern straffte und die Treppe wieder nach oben ging. Yori fürchtete den Tod nicht – aber der Tod, der dort in diesem Gang hauste, würde lernen, sich vor ihm zu fürchten, wenn es erst einmal soweit war.



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