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Dicembre

26 Tage Weihnachten
von

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Fünfzehnter Dezember

Sie trafen sich nach dem Frühstück in einem der unbenutzten, fast leeren Säle. Xanxus hatte an einem der Tische gesessen und gewartet, und als Tsuna den Raum betrat, glaubte er, seine Angst fast riechen zu können. Der Junge ahnte sicherlich, was ihm bevorstand. Und vielleicht hatte er Recht damit, hier zu zittern. Wahrscheinlich wäre es angenehmer für ihn geworden, von Xanxus vermöbelt zu werden, anstatt sich von einem gestandenen Mafioso die Meinung geigen zu lassen.

Erneut landete die Mappe auf dem Tisch, dann ließ sich Tsuna ihm gegenüber auf einen Stuhl sinken und seufzte hörbar. »Gut«, meinte er leise. »Ich höre.«

»Ihr seid zu friedlich«, sagte Xanxus unverblümt.

Langsam zog Tsuna die Brauen zusammen, und Xanxus konnte den Widerspruch schon kommen sehen. »Wir sind nicht die Varia«, entgegnete er.

»Das ist auch verdammt gut so«, meinte Xanxus nur trocken. »Aber das reicht nicht. Ich verlange nicht, dass ihr euch so benehmt wie wir. Wir sind nicht umsonst das Meuchelmordkommando, das überlasst ihr weiterhin schön uns. Aber ihr könnt euch trotzdem nicht benehmen wie irgendein beschissener Wohlfahrtsverein. Du bist Vongola Decimo, nicht Mutter Theresa.«

»Die Vongola wurde gegründet, um Menschen in Not beizustehen…«, verteidigte sich Tsuna, und Xanxus fand, dass es schon jetzt eher halbherzig klang.

»Und du hast dir gedacht, mit ein bisschen Speichellecken und Geld zum Fenster rausschmeißen kannst du Italien und Japan die Sonne aus dem Arsch scheinen lassen?«, fragte er kalt. »Funktioniert nicht. Kann ich dir sagen – vergiss es. Von mir aus kannst du mit deinen Leuten den Menschen so viel Gutes tun wie du willst, aber die Vongola ist deshalb eine Mafiafamilie, weil sie eingesehen hat, dass man auch das nicht erreichen kann, wenn man nicht zwischendurch ein bisschen von deinem hübschen kleinen rechten Weg abkommt. Du sollst keinen Völkermord begehen. Aber wenn du nicht an den richtigen Stellen hin und wieder den richtigen Leuten den Arsch aufreißt, machst du dich und deine kleinen Wächter nur lächerlich. Das will keiner von uns, also pass auf.«

Er war gründlich. Xanxus verbrachte die vollen nächsten Minuten damit, ihm zu erklären, was in diesen Unterlagen alles schiefgelaufen war, und er hatte schon lang nicht mehr so viel Spaß an der Arbeit gehabt.

Xanxus ließ den Mafioso raushängen. Der Job bestand nicht nur daraus, bösartig zu sein und hin und wieder Menschen zu töten. Im Gegenteil. Mafioso zu sein bedeutete um einiges mehr. Es war Politik. Es war Rhetorik. Und es war Taktik, es war verflucht viel Taktik. Die Mafia war wie ein Schachbrett, und wer nicht meilenweit vorausdachte, bevor er etwas tat, war sofort verloren. Und wenn man das alles beachtete, dann hatte man sich noch immer nicht um das Wichtigste gekümmert: den Ruf. Eine Famiglia war nichts ohne ihren Ruf.

Höchstwahrscheinlich war Xanxus nicht der erste, der ihm all das sagte. Aber er war sicherlich der erste, der es ihm so sagte. Nein, er nahm kein Blatt vor den Mund, und ja, er übertrieb hin und wieder in seiner Wortwahl, aber ein zehnter Boss hatte sowas auszuhalten. Und wenn er ihn schon nicht vermöbeln durfte, dann wollte er ihn wenigstens zusammenstauchen.

Tsuna saß ihm tapfer gegenüber, wurde jedoch immer kleiner. Und das machte es nur besser für Xanxus. Das war perfekt. Scheiße, das war viel zu perfekt, weil er es viel zu sehr genoss, ihn so zu sehen. Winzig. Eingeschüchtert. Gedemütigt.

Und dann machte Sawada es noch schlimmer für sich selbst, weil er schlicht und ergreifend so verdammt unterwürfig war. Xanxus endete mit einem schroffen »Kapiert?« und Tsuna antwortete bloß mit einem Seufzen. Seine Schultern hingen herab, er blickte niedergeschlagen die Mappe an, schlug sie schließlich zu und stand auf. Xanxus war klar, dass der Junge hoffte, sie waren schon fertig. Aber dafür war die Situation viel zu genial. So schnell würde er ihn nicht aus dieser Sitzung befreien.

»Ich will eine Antwort«, sagte Xanxus leise, blieb ruhig und zurückgelehnt sitzen. »Ob du kapiert hast.«

Tsunas Augen huschten kurz hin und her, bis er ihm ins Gesicht blickte. »Ich habe verstanden, was du mir sagen wolltest«, sagte er langsam und Xanxus ahnte, dass er sich gerade noch tiefer in die Scheiße ritt. »Aber ich bin noch nicht sicher, was davon nun auch so umgesetzt wird. Ich hab meine Leute, ich kann nicht einfach so entscheiden…«

Dass Xanxus aufgestanden war, hatte schon gereicht, um Tsuna zum Schweigen zu bringen. Rasch hatte er eine Hand ausgestreckt, und nun hielt er Tsuna am Kragen fest, die Tischkante bohrte sich wahrscheinlich höchst unangenehm in dessen Unterleib, und noch unangenehmer bohrten sich Xanxus‘ Augen in seine. »Du bist der Boss«, raunte er, und es war grotesk, dass er ihm das sagte, während nur der Tisch zwischen ihnen war und er offenbar die Oberhand hatte. »Also benimm dich auch so. Ich habe gut die Hälfte meines Lebens für diese Famiglia geopfert, Sawada, und wenn ich dir deinen verfickten Arsch bis zu den Ohren aufreißen muss, damit sie nicht verkümmert, dann werd ich das tun. Ich lass mich gerne auf Zusammenarbeiten ein. Aber dafür wirst du auf mich hören müssen, weil ich es bin, der hier jede verfluchte Ecke und jeden beschissenen Winkel kennt. Wenn du willst, dass noch etwas aus deiner Generation wird, dann tu, was ich dir rate. Also besorg dir ein paar Eier und lass die Welt wissen, dass du der verdammte Kopf der Mafia bist.«

Die großen, braunen Rehaugen sahen ihn an und für einen Moment wirkte es fast, als würde er zusammenklappen. Dann beobachtete Xanxus, wie er die Zähne zusammenbiss und die Handflächen auf die Tischplatte drückte. »Lass mich los, Xanxus«, sagte er leise.

Ein kurzes, flüchtiges Grinsen huschte über Xanxus‘ Gesicht. »Ich will erst hören, dass du verstanden hast, was ich gesagt habe«, erwiderte er, ohne sich die Mühe zu machen, seinen Genuss zu verstecken.

»Jedes Wort«, brachte Tsuna hinter zusammengepressten Zähnen hervor, und Xanxus ließ ihn los. Der Junge rückte seinen Kragen zurecht und schnappte sich die Mappe, und dann machte er den Mund auf. Xanxus war sich absolut sicher, dass er irgendetwas sagen wollte, was ihn in die Schranken weisen sollte, irgendetwas wie Vergiss nicht, wo du stehst oder so. War ja auch logisch – wenn Xanxus wollte, dass er sich wie ein Boss verhielt, dann sollte er ihn im Gegenzug auch behandeln wie einer. Aber dazu war er leider überhaupt nicht motiviert. Stattdessen stand er hier und blickte Tsuna noch immer fest in die Augen, und es war allein dieser Blick, der reichte, um ihn dazu zu bringen, den Mund wieder zu schließen und sich kommentarlos abzuwenden.

Xanxus ließ ihn gehen, und dann brauchte er noch ein paar Sekunden, bis er bemerkte, wie verdammt erregt er gerade war.

Es war eindeutig Zeit für Quindicesima.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  dumm
2010-12-15T22:46:42+00:00 15.12.2010 23:46
Kranker Bastard. <3


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