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Der Junge in mir

-Junge sein macht viel mehr Spaß-
von

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Und sie ist...

Prolog: Und sie ist…
 

Mein Name ist Sam. Ich bin 17 Jahre alt, habe kurze, kackbraune Haare und langweilige hellbraune Augen. Doch als wäre das nicht genug, bin ich auch noch weiblich. Keiner meiner jetzigen Freunde weiß das und ich bin froh darüber. Ich will gar nicht wissen, was die Jungen und vor allem die Mädchen sagen würden, wenn sie es herausbekämen. Sie würden mich töten, wen nicht sogar schlimmeres.

Ich saß im Café, den Kopf auf der Tischplatte, die Augen geschlossen, als mich eine Hand an der Schulter packte und mich grob rüttelte.

“Noch fünf Minuten!”, meinte ich träge und legte die Arme über meinen Kopf. Lautes Lachen erklang.

“Oh, wie süß!”, erklang eine weibliche Stimme.

“Mensch Sam, jetzt steh endlich auf! Wir wollen los.”, meinte ein Junge und ich hob den Kopf und blinzelte. Vor mir standen drei Mädchen und einige Jungen, deren Gesichter ich alle kannte. Jedenfalls mehr oder weniger. Ich heulte theatralisch auf, als Jake mich am Ohrläppchen nach oben zog. Widerwillig folgte ich den Menschen aus dem Café und boxte Jake in die Seite, woraufhin er mein Ohr endlich losließ. Ich seufzte leise und brachte einen größeren Abstand zwischen ihn und mich. So trottete ich den Leuten hinterher, die mich geweckt hatten, nur wegen einem blöden Film!

“Hey, nicht wieder einschlafen, Sam!”, wisperte mir ein Mädchen zu und ich grinste die Blonde nur listig an.

“Wozu gehen wir sonst ins Kino?”, fragte ich treudoof, wie ich nun mal bin.

“Um den Film zu gucken und vielleicht…” Sie brach ab.

“Vielleicht…?”, fragte ich und hätte mich dafür ohrfeigen können. Natürlich wusste ich, was man sonst noch im Kino tat, aber ich hatte nun mal eine vorschnelle Klappe. Das Mädchen, ich glaube Susan war ihr Name, öffnete den Mund, aber ich kam ihr zuvor und wedelte schnell mit den Händen.

“Schon gut, du musst es nicht sagen! Ich weiß es selbst.” Sie nickte grinsend und mein Gesicht wurde sehr warm. Warum musste ich mich aber auch immer in solche unangenehme Situationen bringen? Ich seufzte leise und steckte die Hände in die Hosentaschen. Das mit dem Schlafen im Kino konnte ich mir dann abschminken. Sonst würde ich es wohl nicht überleben.

“Sag, hörst du mir überhaupt zu?” Ich sah auf und blickte das blonde Mädchen fragend an. Dann schüttelte ich den Kopf und sie ging fluchend zu dem Rest der Bande. Warum sollte ich auch lügen? Sie würde es eh nur bereuen, schließlich war ich ein Mädchen und eindeutig nicht homosexuell geprägt. Zumal dieses Mädchen keinerlei Charakter hatte. Ein unsanfter Schlag auf die Schulter ließ mich nach vorne taumeln.

“Ach Sam! Da machen sich die Mädchen schon an dich ran und da lässt du sie einfach abblitzen! Was ist nur los mit dir?”, grinste Jo mich frech an. Seine schwarzen Haare fielen ihm in die Stirn und er schob sie sich mit einer raschen Geste hinters Ohr.

“Jo, du weißt doch, ich warte auf die Richtige. Und dieses Hühnchen ist das sicherlich nicht!” Der Junge neben mir lachte laut auf und legte seinen Arm um meine Schulter.

“Nur weiß keiner, wann DIE Richtige auftaucht, nicht wahr?” Ich nickte nur. Es war meine Ausrede, die ich schon immer hatte benutzen müssen. Ich könnte natürlich auch sagen, dass ich schwul wäre, aber dann würde vermutlich keiner mehr mit mir sprechen. Ausprobiert hatte ich es zwar auch noch nicht, aber ich war mir mit meiner Vermutung ziemlich sicher.

“Komm schon, Sammy! Dieses ständige Warten ist nicht gut. Weder für dich, noch für deinen kleinen Freund.”, meinte Jo lächelnd. Wieder wurde ich rot. Ich spürte es genau. Ich entzog mich Jos Arm und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

“Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du mich nicht Sammy nennen sollst! Und verdammt, lass das mit den Anspielungen!”, schimpfte ich ihn aus. Der Schwarzhaarige zog einen Schmollmund.

“Aber du hast nun mal so ein feminines Gesicht!”, meinte er und mir stockte der Atem. “Jetzt los! Wir haben noch zehn Minuten!” Lächelnd sprang er kurz vor mir her, dann rannte er in das große Kinogebäude hinein und ich machte mich auch langsam auf den Weg hinein. Hatte er mich durchschaut? Mein bester Freund seit drei Jahren, sollte mich jetzt durchschaut haben? Jetzt? Nach drei Jahren?

Ich betrat das Gebäude und sofort wurden mir eine Kinokarte, eine große Coca Cola und eine große Tüte Popcorn in die Hände gedrückt. Ich blickte Jo fragend an, der mich nur dümmlich angrinste und mich mitsamt Mitbringseln weiter in das Innere des Kinos zog.

“Jo, nicht so schnell!”, nörgelte ich, doch der Junge lachte nur auf und zog mich weiter.

“Mensch, Sam, du bist eine lahme Ente!”, lachte er und zog mich weiter. Vor uns kam die Schlange der Kartenabreiser zum Vorschein und wir wurden langsamer, stellten uns an.

“Wo sind die anderen?”, fragte ich Jo, aber der zuckte nur die Schultern.

“Keine Ahnung. Wir werden sie sicherlich nach dem Film sehen!”, meinte er und gab dem Kartenabreiser seine Karte. Ich folgte seinem Beispiel. Dann gingen wir weiter in Richtung des Kinosaals.

“Was soll das heißen? Ich dachte, wir gehen alle in den selben Film.”, sagte ich und sah auf die Kinokarte.

“Ja, das wollten wir, aber der Film war direkt nach Hannes ausverkauft. Tja und da habe ich mir gedacht, dass ich mit dir in einen anderen Film gehe. Was dagegen?”, fragte er immer noch grinsend. Ich schüttelte den Kopf.

“Nein, nicht wirklich, aber musste es unbedingt ein Animationsfilm sein?”, fragte ich ihn. Er grinste nur und nickte.

“Jup! Das passt irgendwie zu mir!” Ich lächelte.

“Ja, das allerdings!”, sagte ich und wir betraten den Kinosaal, um uns auf die Sitze fallen zu lassen. Dann hielt ich Jo die Popcorntüte entgegen. Er sah mich erst fragend an, dann lächelte er glückselig und nahm sie mir, nur um mir seine Nachos in die Hand zu drücken.

“Besser?”, fragte er grinsend. Ich nickte nur und schob mir einen dreieckigen Chip in den Mund, was Jo wieder mal zum Lachen brachte.

... doch nur ein Junge

Hui... ein neues Kapitel...

Na ja, auch egal... Viel Spaß für die, die es vielleicht lesen...

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Kapitel 1: …doch nur ein Junge

Auf der Leinwand klammerte sich das Mädchen fest an den Jungen, der vor ihr auf dem Drachen saß. Ich schluckte schwer. Mir liefen immer mehr Tränen über die Wangen. Ich schloss gequält die Augen. Der arme Hicks. Ich wollte diesen Film nicht zu Ende sehen. Ich wollte nicht wissen, ob es nun ein Happy End gab, oder nicht. Ich wollte hier einfach nur raus. Weg von diesem freudigen, romantischen Film. Weg von diesem langsam unbequem werdenden Kinositz. Weg von Jo.

Ich öffnete die Augen, setzte die 3D-Brille ab, schnappte mir mein Zeug und verließ so schnell ich konnte das Kino. Es war mir vollkommen egal, ob ich damit irgendjemanden störte, oder nicht. Ich wollte mir einfach kein Liebesgedödel angucken. Leise seufzend lies ich mich auf einem der großen Sessel vor dem Kino fallen. Wieso musste so was ausgerechnet jetzt kommen? Jetzt, wo ich alleine mit Jo im Kino war? Es lag nicht an Jo. Ganz sicher nicht. Es lag daran, dass ich mir meinen Ruf als Jungen mit Tränen zunichte machen konnte. Und das wollte ich nicht. Ich wollte nicht schon wieder umziehen und meine Freunde hinter mir lassen. Nicht schon wieder.

“Sam?”, hörte ich eine Stimme und blickte so nach unten, dass mir die Haare ins Gesicht fielen. Ich wollte nicht, dass Jo mich deswegen auslachte. Ich wollte nicht, dass er sah, wie ich weinte.

“Hey, alles klar bei dir?”, fragte er und hockte sich vor mich. Ich drehte den Kopf zur Seite und schluckte schwer.

“Ich… ich wollte dir nicht den Film verderben, tut mir Leid!”, sagte ich leise und ich wusste, dass es sich nicht aufrichtig anhörte. Aber es war mir gerade wirklich egal.

“Klar!”, meinte Jo und zog mich an den Armen nach oben. Ich blickte ihn erschrocken an und er schüttelte den Kopf. “Du kannst mich nicht anlügen! Sag mir, warum du weinst!”, sagte er mit Nachdruck und ich schluchzte leise.

Wieso konnte er mich so gut durchschauen? Warum liefen mir die Tränen in Strömen die Wangen hinab? Warum nahm mich dieser Kerl vorsichtig in den Arm und tätschelte meinen Rücken? Ich zuckte zusammen und befreite mich aus seiner Umklammerung, auch wenn es sich verdammt gut angefühlt hatte.

“Hast du dich irgendwie verletzt?”, fragte der vor mir stehende mitfühlend und ich wusste, dass ich ausgespielt hatte. Binden umspannten meinen Brustkorb. Fest und eng. Damit man nichts merkte oder sah. Jedenfalls nicht sofort. Ich schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich zu heftig, denn Jo zog fragend die Augenbrauen hoch und kam einen Schritt auf mich zu. Ich wich zurück.

“Sam, hat dir jemand wehgetan?”, fragte er. Wieder schüttelte ich nur den Kopf. Wieder machte Jo einen Schritt auf mich zu. Ich hielt es nicht mehr aus, begann vom Neuen zu schluchzen und rannte auf die Toilette. Auf die Männertoilette, damit es nicht noch mehr auffiel. Ich ignorierte die Männer, die sich an den Pissoirs vergnügten und schloss mich in einer Kabine ein.

Dann fing ich fast lautlos zu weinen an. Ich wusste nicht genau warum, aber es war mir auch relativ egal. Ich wollte einfach mal meinen ganzen Kummer rauslassen, auch wenn man sich vorstellen kann, dass die Kinotoilette dafür nicht der geeignetste Platz dafür war. Ich ließ alles raus. Bis es zaghaft an der Kabinentür klopfte.

“Sam, komm bitte raus.”, bat mich Jo, aber ich schüttelte nur den Kopf. Dass er mich nicht sehen konnte, kam mir absolut nicht in den Sinn.

“Komm raus. Es nützt dir nichts da drinnen rumzuhocken, Sam.”, meinte er wieder. Dann lachte er leise. “Außerdem macht das Kino auch irgendwann zu, aber ich bleibe auch gerne hier sitzen und warte auf deine Antworten. Wie du willst!” Ich seufzte leise und erhob mich, um kurz darauf die Kabinentür aufzusperren.

“Wieso?”, fragte ich ihn. Er sah mich verdattert an.

“Was ‘Wieso’?”, fragte er zurück.

“Wies willst du die Nacht hier verbringen, wenn du zuhause in einem warmen Bett schlafen kannst?” Jo lachte leise auf.

“Weil du mein bester Freund bist, Sam! Das weißt du doch! Und jetzt komm mit, ich will mit dir reden.” Ich seufzte resignierend und folgte dem Schwarzhaarigen aus der Toilette und dann aus dem Kino hinaus. Davor atmete er tief ein und ich beobachtete ihn dabei.

“Wo gehen wir jetzt hin?”, fragte ich ihn leise und er lachte leicht auf. Mal wieder wurde mein Gesicht sehr warm. Ja, ich hasste solche blöden Situationen.

“Wirst du noch sehen.”, lachte er und ich boxte ihn unsanft für uns beide auf den Arm.

“Lass die blöden Scherze!”, meinte ich und verschränkte die Arme vor der nicht vorhanden sein sollende Brust, die ja aber trotzdem irgendwie da war.

“Welche Scherze meinst du, Sammy?”, fragte mein Gesprächspartner grinsend.

“Ach vergiss es!”, seufzte ich und lief langsam los. Sollte Jo doch sehen, wie er ohne mich Seelendoktor spielen konnte. Doch der Schwarzhaarige holte mich ein. Was mich noch mehr erstaunte, war allerdings, dass er die Klappe hielt und mich von der Seite aus beobachtete. Ich blieb ruckartig stehen und wandte mich zu ihm.

“Was?”, fragte ich laut und ungehalten. Er zuckte nur grinsend die Schultern.

“Warum hast du geweint?”, fragte er statt mir zu antworten. Ich schluckte. Jetzt konnte ich nicht wegrennen. Schade eigentlich.

“Ich hatte was im Auge!”, log ich und machte eine abweisende Handbewegung. Jo zog die Augenbrauen hoch und ich verdrehte die Augen, um endlich weiterzukommen. Langsam wurde es kalt.

“Warum hast du einen Verband um den Brustkorb?”, fragte er weiter. Ich stieß laut die Luft aus. Ich hatte keinerlei Lust auf dieses Frage-Antwort-Spiel. Er kannte mich doch. Er wusste doch, dass ich auf so etwas sehr empfindlich reagieren konnte. Warum also machte er das und brachte mich fast auf die Palme.

“Weil ich mir die Schulter gezerrt habe!”, meinte ich und lief schneller weiter. Ich wollte ihn nicht anlügen. Aber die Wahrheit konnte ich ihm ja auch nicht sagen. Schließlich war ich nicht verrückt.

“Warum lügst du mich an?” Ich öffnete geschockt die Augen, als er plötzlich vor mir stand und meine Schultern festhielt. Ich konnte mich nicht aus dieser Umklammerung lösen, zumal mich diese abgrundlosen, braunen Augen genau fixierten. Diese Augen, die mir schon damals den Atem geraubt hatten, als wir uns kennengelernt haben.

Jo schloss die Augen und ließ mich los. Dann schüttelte er den Kopf und kratzte sich mit der linken Hand im Nacken.

“Vergiss es, Sam. Ich geh Heim, wir sehen uns morgen in der Schule!” Damit drehte er sich um und schritt langsam in der fast dunklen Nacht davon. Ich sah ihm nur fragend nach. Gefühlte drei Stunden später machte auch ich mich auf den Weg nach Hause. Mein Zuhause, bestehend aus einer Ein-Raum-Wohnung im achtzehnten Stock der Willhelm-August-Straße 34, wartete jeden Tag auf mich. Und mit ihr- wie hätte es anders sein können- niemand anderes. Ich lebte allein. Ich schloss die Augen und seufzte. Da wäre ich lieber mit Jo mitgegangen, aber der war ja jetzt irgendwie sauer auf mich. Da kann ich nur sagen: Verstehe einer die Jungen. Ha ha ha.

Eine sehr lange Nacht

Kapitel 2: Eine sehr lange Nacht

Als ich aus dem Fahrstuhl stieg, wusste ich schon, was in der Nacht auf mich zukommen würde: Schlaflosigkeit. So war es immer nach unseren Streits. Ich konnte nicht schlafen und hatte am nächsten Tag tiefe Augenringe, konnte mich in der Schule nicht aufs Wesentliche konzentrieren und am Nachmittag würde ich es nicht mehr aushalten und mich bei ihm entschuldigen. Ich machte immer den ersten Schritt. Warum? Wegen diesem blöden Schlafmangel! Und wenn ich wusste, dass alles wieder gut war, konnte ich wieder selig schlafen.

Ich schüttelte den Kopf und machte mich zu meiner Wohnung, schloss sie auf und betrat sie mit zitternden Händen. Dort angekommen, schloss ich die Tür hinter mir wieder und lehnte mich gegen sie. Dann fuhr ich mir seufzend mit der Hand übers Gesicht.

“Ach verdammt!”, murmelte ich leise vor mich hin und ließ mich nach unten gleiten. Wieso musste ich bei diesem blöden Kinderfilm anfangen zu heulen? Wieso war es immer so schwer, mit Jo ins Reine zu kommen? Wieso war es für mich Gang und Gebe, diesen Jungen anzulügen? Wieso wollte ich ihm die Wahrheit sagen? Wieso hatte ich keinen Mut dazu?

Leise seufzend erhob ich mich wieder und zog meine Jacke aus. Ihr folgten die Schuhe, die ich achtlos in die Ecke beförderte. Dann ging ich in das Wohn- und Schlafzimmer und legte meinen Laptop neben das Bett auf den Schreibtisch, bevor ich mich auf mein breites Bett fallen ließ. Ich schloss die Augen, aber in meinem Kopf kreisten so viele Gedanken, an die ich jetzt nicht denken wollte.

Also stand ich wieder auf und machte mich an meinem Schrank zu schaffen, um Handtücher rauszusuchen. Damit ging ich in mein kleines niedliches Badezimmer, entkleidete mich, machte den engen Verband ab und stellte mich unter die Dusche und ließ warmes Wasser auf mich niederprasseln. Ich wünschte mir sehr, dass dadurch meine kreisenden Gedanken weggespült werden würde.

Doch der gewünschte Effekt blieb aus, sodass ich mit langsam schmerzendem Kopf wieder aus der Dusche stieg und mich trocken rubbelte. Ich ging in das große Zimmer, zog mir Shirt und Shorts an und machte es mir auf meinem Bett bequem. Da mich meine Gedanken langsam nervten, schnappte ich mir die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Wie zu erwarten gewesen war, tönte mir die Titelmusik von ‘CSI:NY’ entgegen und ich rieb mir die Augen. Dann konzentrierte ich mich auf das Fernsehprogramm.
 

“Die folgende Sendung ist für Kinder und Jugendliche unter sechzehn Jah…” Ich schaltete den Fernseher aus und fuhr mir durch die mittlerweile trockenen Haare. Ich lies den Blick durch mein dunkles Zimmer schweifen und erhob mich dann, um zu meinem Balkon zu gehen. Die Tür öffnend fröstelte ich ein wenig, aber die fische Luft tat gut, sodass ich noch einmal tief einatmete. Es stach leicht in meiner Kehle, aber das war mir egal. Als Junge durfte man keine Emotionen zeigen. Wieso hatte ich dann vorhin so geheult? Vor Jo!

Ich seufzte leise, fuhr mir durch die Haare und betrat wieder mein Zimmer. Die Tür schloss ich hinter mir und ich ging wieder zu meinem Bett, wo ich mich in meine Bettdecke einkuschelte. Vielleicht könnte ich ja doch schlafen, nicht, dass ich es noch nicht versucht hätte, aber vielleicht ging es ja…

Das Klingeln meines Handy ließ mich aufschrecken. Wer rief denn jetzt noch an? Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir, dass es kurz nach eins war. Früh am morgen also.

Ich nahm also das klingende Telefon in die Hand, starrte auf den Display und ging ran, ohne wirklich nachzudenken.

“Sam Leut.”, sagte ich und erschrak, als ich wusste, wer mich anrief.

“Hey, hier ist Jo!”, meinte er und räusperte sich. “Ich wollte.. Nun ja, ich wollte mit dir reden! Wegen… du weißt schon!”, stotterte er vor sich hin und ich kam nicht umhin, vorsichtig zu lächeln.

“Dann schieß mal los!”, sagte ich und setzte mich auf. Wer wusste schon, was jetzt kam.

“Das… das ist nicht so einfach Sam!”, stotterte er weiter.

“Versuchs doch einfach!”, meinte ich nur. Es herrschten einige Sekunden Stille, dann seufzte er leise.

“Dann lass mich rein.”, meinte er dann leise und ich erschrak.

“Wie?”, fragte ich geschockt.

“Ich steh unten. Vor deinem Haus… Drückst du auf den Summer?”, fragte er und setzte ein “Es ist ziemlich kalt, weißt du.” dran. Mir entwich ein erschrockener leiser Schrei.

“Scheiße, warum stehst du da?”, fragte ich und stand auf.

“Kann ich dir das nicht sagen, nachdem du mich reingelassen hast? Es ist echt kalt!”, meinte er und seufzte leise. Ich ging zur Tür und drückte auf den Summer daneben. “Danke! Achtzehnter, richtig?” Ich nickte und legte auf. Fuck! Ich rannte in das Bad, schlüpfte aus meinem Shirt und wickelte den Verband wieder eng um meine Brust. Ich hoffte nur, er würde nicht allzu lange bleiben.

Als es an der Tür klopfte, zog ich mir mein Shirt schnell wieder über und fuhr mir nervös durch die Haare. Jo war noch nie hier gewesen. Wer wusste, wie er reagieren würde. Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich die Tür öffnete und Jo in die Augen blickte.

“Hey, wieso bist du…” Weiter kam ich nicht, denn Jo kam auf mich zu uns umarmte mich, sodass ich erschrocken zurückwich. Ich hoffte nur, er würde nichts merken.

“Es tut mir Leid!”, meinte er dann, die Hände in die Hosentaschen gestopft. Ich schluckte schwer und verschränkte die Arme vor der Brust.

“Willst du dich nicht erstmal ausziehen?”, fragte ich leichthin. Jo zog die Augenbrauen in die Höhe. Erst da bemerkte ich, dass er keine Jacke anhatte. “Die Schuhe meine ich!”, sagte ich mit scharfen Unterton und drehte mich auf dem Absatz um. Entweder er blieb, oder er konnte wieder gehen, wobei ich mich nicht entscheiden konnte, was mir lieber wäre.

Die Tür wurde geschlossen und ich hörte, wie man Schuhe ordentlich zur Seite stellte. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und schmiss das Handy auf mein Bett, welches ich gleich darauf auch in Beschlag nahm. Ich beugte mich zu meinem Schreibtisch und schaltete die kleine Lampe darauf an.

“Wie hast du das mit deiner Schulter gemacht?”, fragte man mich und ich drehte mich zu Jo, der im Türrahmen stehen geblieben war. Ich sah ihn fragend an, dann schnallte ich.

“Achso, ähm… nun ja…” Ja, was hatte ich eigentlich gemacht? “Ich bin… bei meinem Vater im Betrieb ausgerutscht.”, sagte ich dann. Stimmte ja auch. Nur habe ich mir dabei nicht die Schulter, sondern das Knie gezerrt. Jo nickte nur und ich stand auf, um zu ihm zu gehen. “Bist du nur deswegen gekommen?”, fragte ich ihn unsicher, darauf hoffend, er würde nein sagen.

“Mehr oder weniger. Ich wollte mich bei dir entschuldigen, dass ich angefangen habe und einfach weggegangen bin und so.”, meinte er leise, zu Boden blickend.

“Sprechen wir uns jetzt aus, oder ist die Sache geklärt?”, fragte ich und packte sein Handgelenk, um ihn mit mir auf mein Bett zu ziehen. Eine andere Sitzgelegenheit hatte ich nicht. Schließlich war ich nicht darauf aus, dass ich Besuch bekam.

“Ich fühl mich schon reichlich besser, nur weil ich es dir gesagt habe, Sam! Ich glaube demnächst werde ich immer den ersten Schritt machen und mich bei dir entschuldigen. Danach fühlt man sich echt toll! So, als ob alles von einem fällt. Es ist ein tolles Gefühl, ehrlich. Ich kann ganz gut verstehen…” Ich hielt ihm den Mund mit meiner Hand zu und blickte ihn verwirrt an.

“Das mit dem ersten Schritt ist ja schön und gut, Jo, aber seit wann bist du so eine Quasselstrippe?”, fragte ich ihn und lächelte ihn lieb an. “Ehrlich, überlass das viele reden mir, oder den Mädchen. Bei dir kommt da nichts Gutes bei raus!”. meinte ich und nahm die Hand von seinem Mund.

“Na herzlichen Dank auch!”, meinte er gespielt entrüstet, aber sein Dauergrinsen erschien schon wieder auf seinem Gesicht. Dann lies er den Blick in meinem Zimmer schweifen. “Hier wohnst du also?”, fragte er mich und nickte. Ich verdrehte die Augen und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, was ihn verdutzt zu mir schauen ließ.

“Sonst wären wir wohl kaum beide hier, oder?”, meinte ich und ließ mich nach hinten fallen. Jo tat es mir gleich und blickte an die Decke.

“Ja, ja, du und deine Feststellungen!”, meinte er grinsend. Ich lächelte und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
 

Wir unterhielten uns noch die halbe Nacht. Über Nichtigkeiten, aber das war uns vollkommen egal. Kurz nach fünf Uhr schlief ich schließlich ein. Was Jo machte, war mir egal. Ich fühlte mich in seiner Umgebung allerdings wohl. Was hatte das zu bedeuten?

Das Erwachen

Kapitel 3: Das Erwachen

“Sam, dein Wecker klingelt!”, meinte jemand schlaftrunken neben mir und versuchte mich an der Schulter zu rütteln.

“Dann mach ihn doch aus.”, murmelte ich verschlafen. Ich hörte keinen Wecker, das war sicherlich nur Einbildung.

“Ich weiß nicht wie.”, kam es wieder von hinter mir. Ich seufzte leise.

“Einfach oben drauf hauen.”, meinte ich nur. Kurz darauf schepperte es kurz.

“Sam! Es klingelt immer noch!”, heulte mein Bettnachbar.

“Dann lass es halt klingeln.”, meinte ich. Jemand packte mich an den Schulter und rüttelte mich unsanft, sodass ich erschrocken die Augen öffnete. Vor mir sah ich Jos verschlafenes Gesicht. Dann vernahm auch ich das Klingeln des Weckers.

“Bitte, mach ihn aus!”, jammerte Jo. Ich schob ihn träge von mir fort und krabbelte über das Bett, um meinen Wecker vom Boden aufzuheben. Er war Jo ja vorhin runtergefallen. Ich drückte auf den obersten Knopf, woraufhin das Klingeln aufhörte, und sah mir die Anzeige an. Es war dreiviertel sieben. Ich ließ mich wieder auf das Bett sinken und schloss die Augen.

Als ein Arm auf meinem Bauch landete, blinzelte ich verwirrt. Dann setzte ich mich schnell auf und sah auf Jo hinab, der neben mir auf dem Bauch lag, alle Gliedmaßen ausgestreckt. Ich legt den Kopf schief und lächelte. Dann nahm ich den Arm von mir runter und stand vorsichtig auf. Ich nahm mir frische Sachen und verschwand im Bad, um mich umzuziehen. Der Verband war über die lange Zeit locker geworden und so musste ich ihn noch einmal eng um mich herum wickeln.

Nachdem ich mich fertig angezogen hatte, machte ich mich in die Küche und setzte Teewasser auf. Dann ging ich wieder in das große Zimmer und setzte mich neben den schlafenden Jungen. Ich wuschelt ihm durch die Haare, er fuhr erschrocken auf und blickte mich fragend an. Ich lächelte.

“Na, gut geschlafen?”, fragte ich ihn. Er blinzelte und nickte. “Schön! Willst du Tee?”, fragte ich ihn. Wieder nickte er und ich erhob mich wieder, um in die Küche zu gehen. Dort stellte ich zwei Tassen auf die Arbeitsplatte und hängte in jede einen Teebeutel hinein. Dann öffnete ich meinen Kühlschrank und nahm Brot, Butter, Wurst und Käse hinaus uns machte mich ans Stullen schmieren. Sobald das Wasser gekocht hatte, goss ich es in die Tassen, die ich beide in das Zimmer brachte. Als ich Jo auf dem Bett liegen sah, verdrehte ich die Augen.

“Hey! Aufstehen!”, sagte ich laut, doch er rührte sich nicht. Ich zischte und stellte die zwei Tassen auf meinen Schreibtisch. Dann klatschte ich in die Hände und ging in das Badezimmer. Dort machte ich einen Waschlappen nass und ging wieder ins Zimmer. Ich beugte mich über Jo, bis zu seinem Ohr runter.

“Aufstehen!”, sagte ich leise. Da er sich nicht bewegte, zuckte ich die Schultern und hob die Hand mit dem Waschlappen über sein Gesicht und drückte ihn aus, sodass ein wenig Wasser auf sein Gesicht tropfte. Er fuhr erschrocken hoch und kurz darauf saßen wir uns von Gesicht zu Gesicht gegenüber. Ich lächelte schief und er hatte verwirrt die Augen aufgerissen.

“DU!”, schnappte er und nahm mir den Waschlappen aus der Hand, bevor er mich auf das Bett zog und sich nun seinerseits über mich beugte, den Waschlappen in der linken, meine linke in seiner Rechten Hand.

“Wag es ja nicht, Jo! Ich bin schon wach! Ich mach dir sogar was zu Essen!”, meinte ich lachend. Jo schnaubte und rollte sich wieder von mir runter.

“Musstest du mich so unsanft wecken?”, fragte er und fuhr sich über das Gesicht. Ich nickte nur.

“Wenn du die anderen beiden Male wieder einschläfst, ist das ja nicht meine Schuld!”, meinte ich lächelnd und stand auf. “Tee steht auf dem Schreibtisch!” Damit verschwand ich in die Küche und schmierte weiter. Mittlerweile war es kurz nach sieben.

“Fuck!”, drang der bösartige Laut aus meinem Zimmer und ich runzelte die Stirn. Was war denn jetzt? “Sam, weißt du, wie spät es ist?”, fragte mich Jo ziemlich dicht an meinem Ohr. Ich wirbelte erschrocken rum. Tatsächlich stand der Junge direkt vor mir. Ein Gesicht aufgelegt, dass mich an einen panischen Schimpansen erinnerte, auch wenn ich solch einen noch nie gesehen hatte.

“Klar!”, meinte ich und nickte zu der Küchenuhr, die über meinem Abwaschbecken hing. “Es ist sieben Uhr sieben!”, meinte ich trocken und drehte mich wieder um. “Wenn du willst, kann ich dir ein paar Klamotten von mir geben.”, sagte ich zu ihm.

“Scheiße, warum bist du so ruhig? Wir werden noch zu spät kommen! Ich hab noch nicht einmal meine Schulsachen hier!”, jammerte er nur. Ich drehte mich wieder zu ihm.

“Das ist nun aber dein eigenes Verschulden. Du hättest ja nach Hause gehen können, um dort zu schlafen.” Oh nein, ich fing schon wieder an, mit ihm zu diskutieren. “Ähm… ich meine, du kannst auch gerne Sachen von mir haben… Zettel, Stifte, was du halt brauchst!”, meinte ich leise. “Aber es wäre gut, wenn ich dir ein paar Sachen geben würde, nicht wahr?” Damit und mit einem roten Kopf huschte ich an ihm vorbei in das große Zimmer hinein, um Boxershorts, Socken, eine Hose und ein Shirt aus dem Schrank zu nehmen. Ich reichte die Sachen an Jo weiter, der bis dahin nur geschwiegen hatte.

“Danke!”, murmelte er dann kaum verständlich und ich packte die letzten Stullen ein. Dann lachte er leise. “Ich soll in deine Sachen passen? Du bist dünner als ich, kleiner als ich und hast einen ganz anderen Geschmack als ich.”, nörgelte er sarkastisch und ich seufzte genervt.

“Dann geh doch nackt, so wie dich Gott erschaffen hat!”, meinte ich grimmig. Ich hatte jetzt keine Lust mit ihm zu spielen, auf welche Art und Weise auch immer.

Plötzlich stand er neben mir und nahm mir die Dose ab, in die ich die Brote gesteckt hatte.

“Was ist los, Sam?”, fragte er und ich schüttelte nur den Kopf. Dann ging ich in das Zimmer, packte meine Schulsachen zusammen und zog mir gleich darauf Schuhe und Jacke über. Jo tat es mir schweigend gleich. Er wusste, dass, wenn ich schlechte Laune hatte, ich einfach nicht reden wollte. Und ich liebte ihn dafür, dass er diese stille Regelung auch einhielt. Manchmal zumindest.

Wir warteten also auf den Fahrstuhl, fuhren nach unten und gingen vier Straßen weiter. Ein Fußmarsch von acht Minuten. Acht sehr schweigsamen Minuten. Dann kamen wir in der Schule an. Als wir gemeinsam das Klassenzimmer betraten und uns zu unseren Plätzen begaben, seufzte ich leise. Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, alles in mich hinein zu fressen.

Unannehmlichkeiten

Kapitel 4: Unannehmlichkeiten

Die gesamten acht Schulstunden verbrachte ich schweigend. Obwohl Jake, Tim, August und Hannah mich immer fragten, was denn mit mir los sei. Ich lächelte sie immer lieb an und schüttelte nur den Kopf. Was mir allerdings misslang, war das Schweigen von Jo. Er ließ sich von mir runter ziehen. Sogar sein allgegenwärtiges Grinsen war verschwunden. Er unterhielt sich weder mit Jake, noch mit seiner Verehrerin Juliane.

Ich ließ ihn den ganzen Tag nicht aus den Augen. Warum war er so mies drauf? Doch nicht etwa wirklich, weil ich nicht auf seine kleinen Spielchen reagiert hatte, oder? Ich verdrehte die Augen bei dem Gedanken an den heutigen Morgen. Es war seine eigene Schuld. Ich war kein Morgenmensch, meist jedenfalls. Ich mochte morgens keine blöden Spiele.

Seufzend schloss ich die Augen und ließ mein Kopf auf die Bank nieder sinken. Es ließ mir einfach keine Ruhe.

“Herr Leut.”, sagte jemand. Ich ignorierte es gekonnt und biss mir auf die Unterlippe. Was, wenn er doch nur wegen mir so drauf war? Halt! Hatte ich etwa Schuldgefühle? Nein, das konnte nicht sein!

“Herr Leut!”, sagte man etwas lauter. Ich öffnete die Augen und lauschte. War das etwa an mich gerichtet?

“Herr Leut!”, schrie man jetzt und ich zuckte zusammen. Dann hob ich den Kopf und sah meinen Lehrer direkt vor mir stehen. Ups!

“Ähm… ja?”, nuschelte ich.

“Herr Leut, es kann nicht sein, dass sie in meinem Unterricht schlafen!”, meinte Herr Knobloch streng und ich hob abwehrend die Hände.

“Ich habe doch gar nicht geschlafen! Ich habe nur meine Augen ein wenig ausgeruht.”, meinte ich treudoof. Die Klasse murmelte und ich vernahm ein unterdrücktes Glucksen hinter mir.

“Das ist das selbe!”, meinte der ach so strenge Lehrer und drehte sich wieder zur Tafel um.

“Meinen sie nicht das Gleiche?”, fragte ich ihn. Shit! Warum konnte ich nicht einfach meine Klappe halten? Ja, ich war verdammt vorlaut und das war eindeutig nicht gut für ein Mädchen wie mich.

“Bitte?”, fragte mich der Grauhaarige, nachdem er sich mir zugewandt hatte. Ich grinste ihn an.

“Na, das Selbe und das Gleiche! Sie kennen doch die Regel: Das Gleiche kann nie das Selbe sein, da das Selbe …”

“Herr Leut! Wenn sie mich weiter mit ihrem unzivilisiertem Gequatsche nerven, dann können sie den Rest des Unterrichts beim Direktor verbringen!”, meinte er ungehalten in meine kleine Rede hinein.

“Aber Sie haben …” Weiter kam ich nicht, denn Jo hatte seine Hand auf meinen Mund gedrückt.

“Er hat es verstanden!”, sagte er leise, den Blick auf den Lehrer gerichtet. Dieser nickte und Jo blickte mich böse an, als der Grauhaarige wieder der Tafel zuwandte.

“Kannst du nicht einmal deine große Klappe halten?”, zischte er mir leise zu und ich starrte ihn mit großen Augen an. “Du gerätst so nur in große Schwierigkeiten!”, meinte er immer noch flüsternd. Dann wandte er sichtlich genervt den Kopf zur Tafel und ich blickte ihn immer noch fragend an. Dann drehte ich auch meinen Kopf wieder Richtung Tafel und lies den Rest der Stunde schweigend an mir vorüber ziehen.
 

Als es klingelte, stand ich schnell auf und packte meine Sachen. Ich flüsterte Jo noch ein “Tut mir Leid” ins Ohr und machte mich dann schleunigst auf den Weg nach Hause. Ich lief nach Hause, freute mich, dass ich sofort in den Fahrstuhl springen und auf den Knopf für die achtzehnte Etage drücken konnte. Während der Fahrt kramte ich meinen Schlüssel hervor und stieg nach einem leisen, aber dennoch verheißungsvollem ‘Pling’, aus. Dann schlurfte ich in meine Wohnung und suchte mein klingelndes Telefon aus der Hosentasche.

Jo rief an. Ich seufzte und drückte auf den roten Hörer. Ich hatte keine Lust auf die Spielchen, die er gerade mit mir abzog, also stellte ich es auf stumm und pfefferte es auf mein Bett.

Ich zog mir Schuhe und Jacke aus und stellte mich in die Küche, um abzuwaschen. Schließlich stapelten sich bei mit Teller und Tassen von vier Tagen.

Als es an der Tür klingelte zuckte ich erschrocken zusammen. Wer wollte sich denn jetzt wieder mit mir streiten? Ich trocknete meine Hände ab und ging um die Ecke. Wieder klingelte es und ich schüttelte den Kopf. So nicht! Nicht mit mir! Ich stellte den Ton der Anlage ab und nahm mir meine Schlafsachen. Dann machte ich mich bettfertig und schnappte mir ein Buch. Mal sehen, ob ich diese Nacht schlafen konnte.
 

Mein Wecker holte mich aus meinem Halbschlaf und ich seufzte leise. Wieso jetzt? Ich hatte gerade die Phase kurz vorm Einschlafen erreicht! Verdammt noch mal! Seufzend streckte ich den Arm aus und brachte meinen Wecker zum schweigen. Dann erhob ich mich, ging zum Fenster, um es zu öffnen und schnappte mir meine Klamotten und ein Handtuch. Ich ging duschen, trocknete mich ab und umwickelte meinen Brustkorb mit dem Verband, den ich zuvor aus dem Schrank genommen hatte.

Mit frischen Sachen ausgerüstet, hängte ich das nasse Handtuch über die Duschstange und kippte das Fenster an. Kurz darauf fing ich an meine Stulle zu schmieren und mein Trinken abzufüllen. Ich packte alles ordentlich in meinen Schulrucksack und machte mich dann ans anziehen der Schuhe und meiner Jacke.

Ich schloss die Tür hinter mir, steckte meinen Schlüssel ein und ging zum Fahrstuhl, welcher auch gleich angerauscht kam. Ich stellte mich hinein, und fuhr in das Erdgeschoss. Als ich jedoch aus dem Fahrstuhl trat, entwich mir ein entsetzter Schrei. Vor mir lag Jo. Zusammengekauert auf dem Boden.

Schäferstunde

Kapitel 5: Schäferstunde

“Jo!”, schrie ich ihn an und das Knäuel zuckte erschrocken zusammen und hob dann den Kopf.

“Sam!”, sagte er leise und lächelte mich strahlend an.

“Verdammt Jo! Steh auf! Sofort!”, bellte ich ihn an und zog an seinen Armen. Als er endlich stand und mich fragend ansah, konnte ich einfach nicht mehr anders. Ich schnaufte und kurz darauf erklang ein Klatschen. Die Ohrfeige in seinem Gesicht. Er hielt sich die Wange und lächelte traurig.

“Danke!”, hauchte er und hustete kurz. Ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn in den Fahrstuhl hinein. Dann drückte ich auf die achtzehn und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.

“Hast du sie nicht mehr alle? Wie kommst du auf die Idee, dich vor diesem Haus einzuquartieren? Es ist arschkalt da draußen. Du hättest…” Weiter kam ich mit meinen Beschimpfungen nicht, denn Jo hielt mir den Mund zu.

“Halt die Klappe, Sam!”, sagte er leise. Ich starrte ihn mit großen Augen an. Wollte er mir jetzt tatsächlich Vorschriften machen? “Es tut mir Leid! Verzeih mir bitte! Aber ich wollte gestern mit dir reden.” Ich nahm seine Hand von meinem Mund und seufzte leise.

“Schwachkopf!”, murmelte ich leise und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Das helle ‘Pling’ ließ uns aufsehen und ich zog meinen besten Freund aus dem Fahrstuhl hinaus. Dann schloss ich die Wohnungstür auf und schob ihn hinein.

“Geh ins Bad, nimm eine warme Dusche. Ich bring dir Sachen und ein Handtuch.”, meinte ich und ging zu meinem Schrank. Jo zog sich derweilen Schuhe und Jacke aus. Ich reichte ihm neue Sachen und ein Handtuch.

“Danke, Sam!”, sagte er leise und wurde rot. Ich lächelte.

“Mach es dir bequem. Ich mach dir noch einen Tee, dann geh ich in die Schule. Und heute Nachmittag gehen wir zum Arzt, wenn du wirklich krank bist. Schlaf ein wenig, okay?” Jo nickte zögerlich und ging in das Bad hinein. Ich setzte Teewasser auf und sah auf die Uhr. Ich hatte noch eine Viertelstunde. Warum war ich heute so früh losgegangen?

Sobald das Wasser gekocht hatte, goss ich es in die Tasse mit dem Teebeutel und brachte sie in das Zimmer auf den Schreibtisch. Ich räumte noch schnell meine Schlafsachen weg, dann setzte ich mir wieder meinen Rucksack auf. Im selben Moment hörte ich Wasserrauschen aus dem Bad. Ich lächelte und verließ die Wohnung.

Dann stürmte ich zum Fahrstuhl und drückte auf die Taste EG. Dort angekommen schritt ich mit schnellen Schritten zur Schule. Ich hasste es zu spät zu kommen. Entweder ich kam zu früh, oder gar nicht. Ich blickte auf meine Armbanduhr und seufzte schwer. Noch zehn Minuten.

Schon seltsam. Wäre ich nicht so früh nach unten gegangen, hätte ich Jo erst später gesehen. Wäre ich dann nicht zur Schule gegangen? Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und erschrak. Ich hatte achtundzwanzig unbeantwortet Anrufe. Davon einer von Jake, einer von Lara und die restlichen von Jo. Ich seufzte leise und stellte meinen Profil wieder auf Vibration. Dann steckte ich es wieder in die Hosentasche und lief weiter.

Kurz darauf, kurz vor dem Schulgebäude vibrierte es in meiner Hose und ich zog es erschrocken raus. Jo rief an. Ich lächelte und ging ran.

“Hey, Schwachkopf!”, sagte ich lächelnd. Er seufzte schwer.

“Hey, Bohnenstange!”, meinte er leise. Ich grinste blöd. “Ich wollte mich nur noch mal bei dir bedanken. Das hätte nicht jeder gemacht.”

“Tja, ich bin nun mal dämlich und lasse heimatlose Hunde bei mir schlafen!”, neckte ich ihn. Wieder ein Seufzen seinerseits und ich lachte nur. “Sorry, aber du kennst mich! Ich kann nicht den ganzen Tag ernst sein. Aber wenn ich dich die ganze Nacht ignorieren kann, dann kann ich mich auch am nächsten Tag ordentlich dafür revanchieren, oder etwa nicht?!”, sagte ich und ging auf das Schulgelände.

“Ja, da hast du recht!”, meinte er und ich wusste, dass er jetzt auch grinste. “Trotzdem: Danke für alles!”

“Schon okay! Leg dich hin und schlaf ein wenig! Bis dann!”

“Bis dann!”, meinte auch er und legte dann auf. Ich grinste, steckte das Handy in die Hosentasche und rannte in das Schulgebäude hinein. Gerade als ich drinnen ankam und die Tür zum Klassenzimmer öffnete ertönte die schrille Schulglocke und mein Lehrer sah mich erstaunt an.

“Sam, sie sind heute aber spät dran.”, meinte er lächelnd.

“Aber noch nicht zu spät!”, konterte ich und begab mich auf meinen Platz. Jake und Elias, die beide vor mir saßen, blickten mich fragend an.

“Du bist noch nie so spät gekommen!”, meinte Jake und zog die Stirn kraus. Ich nickte und setzte mich auf meinen Stuhl.

“Mir ist heute früh etwas dazwischen gekommen. Nicht der Rede wert!”, meinte ich und zog die Jacke aus.

“Na wenn du meinst.”, sagte Eli und zuckte die Schultern, um sich danach wieder nach vorne zu drehen.

“Guten Morgen!”, meinte der Lehrer monoton. Ein müdes Gemurmel erhob sich und ich schmunzelte leicht. Ja, Freitags hatte keiner mehr Lust auf Schule. Weder auf Biologie, noch auf Physik, Deutsch und Englisch.

Trotzdem freute ich mich auf den heutigen Englischunterricht, in dem wir ein typisches englisches Gericht zubereiten wollten. Ich liebte das Kochen, auch wenn ich es hasste, für mich alleine kochen zu müssen.

Ich seufzte lautlos auf und konzentrierte mich auf den folgenden Unterricht. Photosynthese! Uh, wie spannend! Ich legte meine Arme auf die Tischplatte und bettete meinen Kopf darauf. Ob ich allerdings wach blieb, stellte ich in Frage.
 

Die Hofpause kam langsam. Wir setzten uns auf unsere Mauer, die am äußersten Rand des Schulgeländes stand und von der aus man das gesamte Areal gut überblicken konnte.

“Was hat Jo denn?”, fragte Jake mich. Ich zuckte die Schultern und zog erschrocken mein vibrierendes Handy aus der Hosentasche. Jo rief an. Ich seufzte leise und lächelte.

“Wer ruft an?”, fragte Maria neben mir und ich sah auf.

“Jo!”, antworte ich, und bevor ich auch nur die Gelegenheit hatte, den Anruf entgegenzunehmen, riss es mir Jake aus der Hand und hielt es sich an das Ohr.

“Alter! Beweg deinen Knackarsch hierher! Wo bist du denn?”, fragte er. Ich zog die Stirn kraus. Hoffentlich fiel ihm etwas passendes ein.

“Na klar, wer denn sonst? Also, was´n los mit dir, Süßer?” Süßer? Seit wann nannte Jake Jo Süßer? Überhaupt. Der Spitzname passte gar nicht zu ihm.

“Hast du auch! Aber er war halt zu langsam!” Was? Jetzt übertrieb er aber!

“Jake! Hör auf und gib mir mein Handy wieder!”, schnauzte ich ihn an, aber er setzte sich schnell auf die Mauer, sodass ich nicht rankam.

“Erst, wenn ich weiß, was los ist! Also?” Ich seufzte genervt auf und lehnte mich neben seinen Beinen an die Mauer.

“Und warum rufst du Sam an?”, fragte er weiter. Ich sah ihn irritiert an. Was sollte diese Frage? “Na, du hättest doch auch mich oder Eli anrufen können!” Ich stöhnte auf und stieß mich von der Wand ab.

“Ist das denn nicht egal?”, fragte ich genervt.

“Nein, ist es nicht!”, schrie er hysterisch. Dann verzog er seine Mundwinkel zu einem ungläubigen Lächeln. “Wann hast du Sam denn zuletzt angerufen?”, fragte er.

“Gestern Abend! Mehrere Male!”, erwiderte ich leise.

“Ich rede mit Jo!”, keifte er mich an. Dann wandte er sich wieder dem Telefon zu. “Also?” Ich sah ihn abwartend an. Was würde jetzt wohl kommen?

“Ph!”, machte er plötzlich und ich hob fragend eine Augenbraue. “Wenn es denn unbedingt sein muss!”, murmelte er dann und ich entdeckte meine Chance.

“Ja! Und jetzt gib her!”, meinte ich, entriss ihm das Handy und hielt es mir an das Ohr.

“So! Also, was gibt es?”, fragte ich, während ich mich langsam von der Mauer entfernte. Als ich es leise seufzen hörte, musste ich lachen.

“Warst du wirklich zu langsam?”, fragte er mich.

“Er hat es mir einfach aus der Hand gerissen!”, verteidigte ich mich schmunzelnd.

“Natürlich!”, meinte er. Dann seufzte er erneut. “Sam, ich kann nicht schlafen!”, murmelte er leise.

“Und was genau soll ich dagegen tun?”, fragte ich ihn genauso leise zurück.

“Kannst du mir vielleicht ein Lied vorsingen?”, fragte er. Ich schluckte. Bitte was? Ja, ich war ganz gut in Musik und liebte es zu singen. Aber nur für mich allein. Ich konnte ihm doch schlecht etwas vorsingen! Ich stand hier mitten auf dem Schulhof! Jeder könnte mich hören!

“Sam? Lebst du noch?” Ich grunzte zur Bestätigung. “Ich wollte dich nicht schocken, oder so, aber ich kann echt nicht schlafen!”, meinte er. Ich seufzte leise. Dann klingelte es zum Pausenende und ich machte michauf den Weg ins Schulgebäude.

“Wir haben jetzt Physik… Willst du vielleicht eine Runde mitmachen? Du schläfst bei Eckard doch immer ein. Vielleicht hilft dir das!”, sagte ich und steckte die freie Hand in die Hosentasche.

“Hm. Gute Idee! Aber lass dich nicht erwischen, Sam!”, meinte er leise.

“Ich lass mich doch nicht erwischen. Schon gar nicht vom Eckard!”, sagte ich störrisch und stampfte in den Physiksaal hinein.

“Herr Leut! Handy weg!”, keifte mich mein Lehrer an und ich verdrehte genervt die Augen.

“Also, viel Spaß und schlaf gut!”, murmelte ich in das Handy, bevor ich es auf die Bank legte, wo schon meine anderen Sachen lagen. Die Federmappe war ein gutes Versteck für mein Telefon. Nur deshalb lag sie auf dem Tisch!

Wieder klingelte es und ich seufzte frustriert. Ich hatte wirklich keine Lust auf Physik am frühen Morgen! Nach einigen Minuten, ich war schon fast eingeschlafen, vernahm ich ein leises Schnarchen.

‘Jo, du Schwachkopf’, dachte ich in mich hinein und drückte den roten Knopf auf meinem Handy. Sofort verstummte das Schnarchen. Ich grinste in mich hinein und verstaute das Handy in meiner Hosentasche, um mich wieder auf die Bank zu legen. Nach wenigen Momenten schlief ich ein. Der Unterricht war ohne jo sehr langweilig. Ich konnte ihn ja noch nicht einmal beobachten.

Beichte

Ein neues Kapitel von "der Junge in mir" Ich wünsche viel Spaß beim lesen...

LG
 

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Kapitel 6: Beichte
 

Den Rest des Schultages über meldete Jo sich nicht noch einmal. Er war endlich eingeschlafen, auch wenn ich sein Schnarchen als komisch empfand. In der Nacht, in der er sich entschuldigt hatte, war kein Schnarchen zu hören gewesen. Aber vermutlich lag das auch daran, dass ich vor ihm eingeschlafen, nach ihm aufgewacht bin und einen tiefen Schlaf gehabt hatte.

Etwas jedoch irritierte mich: Seit wann kam er an, um sich zu entschuldigen? Sonst war immer ich es gewesen, die sich bei diesem manchmal ziemlich ungehobelten Macho entschuldigte. Doch seit wann war er so zuvorkommend? Warum rief er mich in einer Nacht ganze sechsundzwanzig Mal an? Warum verbrachte er die halbe Nacht vor meiner Haustür? War er es etwa gewesen, der gestern Abend bei mir geklingelt hatte?

Ich seufzte tonlos auf und schüttelte die Gedanken ab. Englisch. Die Bratpfanne. In ihr brutzelten kleine Würstchen und ich unterdrückte ein Würgen. Warum musste ich die Dinger braten?

“Sam, du kannst die Flamme runterdrehen und die Würste auf den Teller legen.”, meinte meine Englischlehrerin zu mir und wandte sich wieder jemand anderem zu.

Ich tat, wie mir gehießen, stellte den Herd ab und nahm die Würste aus dem noch brutzelnden Öl, um sie Jake, der neben mir stand, auf den Teller zu legen, den er in der Hand hielt. Dabei verzog ich angewidert das Gesicht.

“Nicht so grummelig, Sam!”, meinte Jake feixend und ich hätte ihm am liebsten die Pfanne gegen den Kopf gehauen. Ich brummte ungehalten und legte die letzte Wurst auf den Teller. Die Pfanne legte ich in das Spülbecken, bevor ich mich neben Jake auf den Stuhl setzte und mir, mich anlehnend, die Hände in die Taschen stopfte.

“Ich denke, ich werde heute Nachmittag zu Jo gehen!”, sagte Jake plötzlich und ich zuckte bei dem Namen Jo zusammen. “Willst du vielleicht mitkommen?” Ich schluckte. Jo war bei mir, aber das konnte ich dem Blonden wohl kaum sagen. Ich wollte nicht wissen, wie er darauf reagieren würde!

“Er ist vorhin erst eingeschlafen.”, meinte ich und zog die Schultern nach oben. Wieso lief es mir gerade kalt den Rücken runter? “Ich meine, wir sollten ihn nicht stören, wenn er krank ist. Jedenfalls heute nicht.”, sagte ich zu Jake, der mich erstaunt ansah.

“Wie, er ist vorhin erst eingeschlafen?”, fragte er.

“Nun, er hatte mir vorhin gesagt, dass er nicht einschlafen konnte und dann hat er sich mit uns Physik reingezogen. Hast du das Schnarchen vorhin nicht mitbekommen?”, fragte ich verwirrt.

“Schnarchen? Nein.”, meinte er und ich zuckte die Schultern. “Hast du auch im Unterricht mit ihm telefoniert? Die ganze Pause durch und dann auch noch bei Eckard?” Als ich nickte, lachte er leise auf. “Und er schnarcht? Hab ich noch nie bemerkt. Weder auf Klassenfahrt, noch, als er bei mir übernachtet hatte. Ich zog die Stirn kraus. Also hatte er ihn auch noch nicht schnarchen gehört. “Also ist er wirklich krank!”, vermutete er und ich seufzte lautlos.

“Scheint so!”, sagte ich nur.

“Gut, dann esse ich seine Wurst!”, grinste Jake und ich verdrehte genervt die Augen.

“Du kannst auch gerne meine haben!”, sagte ich und zog meine Hände aus den Taschen, um den Teller zu nehmen, den mir Elias reichte.

“Ach, die wollte ich doch haben!”, murrte er und ich sah ihn fragend an. Gott, er meinte es ernst! Also nahm ich eine der Würste vom Teller und reichte sie Eli, der daraufhin freudig grinste.

“Danke, Sam!”, jubelte er, ließ sich mir gegenüber auf den Stuhl fallen und biss genüsslich hinein.

Ich verdrehte die Augen und fünf Minuten später aß die gesamte Klasse. Nach einer weiteren halben Stunde machten wir uns daran, das Geschirr zu reinigen und das Zimmer aufzuräumen.

“So, Ladies and Gentlemen! I wish you a nice weekend. Good bye!”, sagte meine Lehrerin, ich erhob mich, schwang den Rucksack auf den Rücken und stellte den Stuhl nach oben. Jake hielt mich am Arm fest, was mich ihn erstaunt ansehen ließ.

“Was machst du heute?”, fragte er mich und sah mir direkt in die Augen. Gosh! Was war denn heute los?

“Ich muss noch einkaufen!”, meinte ich und drehte mich zur Tür. Jake folgte mir.

“Kannst du das nicht wann anders machen? Ich würde mich gerne mit dir treffen!”, meinte er und ich spürte die gleißende Hitze in meinem Gesicht. Dann schüttelte ich den Kopf.

“Tut mir Leid, aber ich habe nur noch ein Stück Butter im Kühlschrank!”, sagte ich. Es entsprach auch der Wahrheit. Wieso sollte ich ihn hinsichtlich meines Kühlschrankes auch anlügen?

“Kann ich nicht mitkommen?”, fragte er und ich runzelte verwirrt die Stirn.

“Du willst mit einkaufen kommen?” Er seufzte laut auf.

“Nein, eigentlich nicht, aber ich will was mit dir unternehmen, Sam! Mehr nicht!”, sagte er laut und wich zurück.

“Wir treffen uns doch am Sonntag!”, meinte ich und mir drang ein erneutes Seufzen ans Ohr. “Sorry, aber ich muss jetzt los! Bis Sonntag, halb vier!” Damit wandte ich mich zum gehen.

“Warte!”, kam es wieder von Jake und ich sah ihn über die Schulter hinweg an. “ Wir treffen uns schon um drei.”, sagte er leise und ich nickte.

“Geht klar, bis dann!” Ich sah nach vorne und machte mich auf den Weg nach Hause. Hatte ich was verpasst? Wann hatten die Leute sich entschlossen, sich eine halbe Stunde eher zu treffen? Ich zog meinen Schlüssel aus der Tasche, als ich das Hochhaus betrat und blickte in den Briefkasten. Daraus entnahm ich nur Werbung, die ich gleich wieder wegschmiss.

Ich ging zum Fahrstuhl, fuhr damit in den achtzehnten Stock und blieb vor meiner Tür stehen. Dort fuhr ich mir mit der freien Hand durch die Haare, seufzte leise und entschloss mich dann doch, die Tür zu öffnen. Die Wohnung betretend lauschte ich. Doch zu hören gab es nichts.

Dann ging ich in mein Zimmer hinein und lächelte den Knäuel auf meinem Bett an. Den Rucksack setzte ich ab und stellte ich vor meinen Kleiderschrank ab. Ich ging in die Küche und setzte Teewasser auf. Ich holte zwei Tassen aus dem Schrank und hängte je einen Teebeutel hinein. Sobald das Wasser kochte, füllte ich beide Tassen mit Wasser und ging wieder ins Zimmer, stellte die Tassen auf den Schreibtisch, um gleich darauf das Fenster zu öffnen. Dann nahm ich meine Tasse, meine Kopfhörer und die Fernbedienung vom Schreibtisch und setzte mich vor den Fernseher, den Rücken an das Bettende gelehnt. Die Kopfhörer stöpselte ich in die dafür vorgesehene Buchse und setzte sie gleich darauf auf. Dann schaltete ich den Fernseher ein und suchte mir die Nachrichten.

Doch wirklich konnte ich mich nicht darauf konzentrieren. Mir ging einfach zu viel durch den Kopf. Wieso schlief Jo vor meiner Tür? Wieso verhielt sich Jake so komisch?

Als man mir die Kopfhörer vom Kopf schob, drehte ich mich erschrocken um und erblickte Jo, der mich mit roten Augen ansah.

“Du siehst scheiße aus!”, entfuhr es mir. Jo legte den Kopf schief, öffnete den Mund, aber nur ein leises Krächzen war zu vernehmen. Er räusperte sich und verzog den Mund zu einem gequältem Lächeln.

“Danke!”, krächzte er und legte sich wieder hin. Ich stand auf und untersuchte seine Jacke. “Was…”, krächzte er wieder.

“Klappe!”, schnauzte ich ihn an. “Ich suche deine Geldbörse. Wir gehen zum Arzt!”, meinte ich und zog seine Brieftasche aus der Jacke.

“Aber…”, krächzte er wieder. Ich sah ihn böse an.

“Halt endlich die Klappe, Jo! Trink deinen Tee und zieh dich an!”, zischte ich und schaltete den Fernseher aus. Dann wurde ich von hinten umarmt und auf das Bett gezogen. Sam hockte hinter mir, den Kopf an meinem Rücken.

“Sam!”, krächzte er. “Ich muss nicht zum Arzt! Ich lag nur zwei Stunden da unten.” Ich entwand mich seinem Griff und stand auf.

“Wie meinst du das?”, fragte ich ihn mit zusammengekniffenen Augen.

“Ich war gestern einen Trinken!”

“Allein?”, wollte ich wissen. Er nickte. Im nächsten Moment landete meine Hand mit einem leisen Knall auf seiner Wange. Er schloss gequält die Augen.

“Aus dem Einen wurden mehrere, ab zwölf hab ich aufgehört und um fünf wurde ich schließlich rausgeschmissen.”, sagte er, als hätte ich ihn gar nicht geschlagen. Ich runzelte die Stirn.

“Du hast gar nicht nach Alkohol gerochen!”, sagte ich leise, und er sah mich verwundert an. Dann lächelte er leicht.

“Wie gesagt, ich hab ab zwölf aufgehört und nur noch Wasser getrunken.” Er seufzte leise. “Du hast gestern Abend die Tür nicht aufgemacht, du hast nicht auf meine Anrufe geantwortet. Jedes Mal, wenn deine Mailbox angesprungen ist, kam das nächstbeste alkoholische Getränk.”, meinte er und zog mich neben sich auf das Bett.

“Verdammt, musstest du dich betrinken?”, fragte ich leise und er nickte leicht.

“Du hast mir nicht geantwortet.”, wiederholte er. Ich seufzte.

“Muss immer ich der Grund für deine Taten sein? Du weißt, dass ich meine Ruhe brauche, wenn ich schlechte Laune habe.”, sagte ich und ließ mich nach hinten auf das Bett fallen. Jo seufzte leise und legte sich ebenfalls auf das Bett.

“Ja, tut mir Leid!”

“Hör auf, dich zu entschuldigen!”, meinte ich und erhob mich wieder. “Ich muss noch einkaufen gehen!” Jo hielt mich am Arm fest und zog mich zurück.

“Bringst du mir was?”, fragte er und sah mich bittend an. Ich seufzte leise.

“Nein!”, sagte ich dann und stand auf.

“Aber…”, wollte er schon protestieren und ich legte ihm die Hand auf den Mund.

“Aber du kannst mitkommen! Es ist nicht weit bis zum nächsten Supermarkt.”, meinte ich und nahm die Hand aus seinem Gesicht. Jo starrte mich nur irritiert an. Dann grinste er siegessicher und sprang auf.

“Okay, los geht’s!”, sagte er, trank von seinem nur noch lauwarmen Tee und marschierte dann in den Flur, um sich Schuhe und Jacke anzuziehen. Ich seufzte tonlos und folgte ihm.

Walk away

Hey ho!

Der Song ist von "funeral for a friend" und eigentlich nur in dem Kapitel, weil ich voll von diesem Song geflasht bin XD (so traurig :()

Also, viel Spaß und sorry, dass es nur so kurz ist XD#
 

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Kapitel 7: Walk away
 

Also verließen wir die Wohnung, fuhren schweigend mit dem Fahrstuhl nach unten und verließen das Hochhaus durch die Hintertür. Vor uns erstreckte sich eine lange, grüne Gasse. Ringsum standen mehrere Hochhäuser, sodass nur die Mittagssonne herein scheinen konnte.

“Schön ist es hier!”, sagte Jo sehr leise, aber sehr nah. Ich fluchte leise und sprang einen Schritt nach vorne.

“Erschreck mich doch nicht so, Jo!”, sagte ich leise und blickte ihn böse an. Er lächelte. Dann drehte ich mich wieder um und marschierte weiter durch die Grünanlage. Jo folgte mir pfeifend.

“Wieso wohnst du noch mal alleine?”, fragte er mich. Ich zuckte die Schultern und ging schweigend weiter. Jo seufzte frustriert auf und ich sah zu Boden.

“Das erzähl ich dir nachher, in Ordnung?”, fragte ich leise und im nächsten Moment spürte ich zwei Arme um meinen Bauch, wodurch ich mich anspannte. Ich wand mich in der Umarmung und entkam ihr mit einem Schlag in Jos Seite. Dieser keuchte auf und ließ mich los. Ich drehte mich zu ihm um und blickte in sein strahlendes Gesicht. Es hatte sein Grinsen nicht wegwischen können? Aber ich hatte doch ziemlich fest zugestoßen, oder etwa nicht?

“Tut mir Leid, ich wollte dich nicht nerven!”, lächelte er mich freudig an. Ich seufzte und drehte mich wieder zum gehen. Wieso hatte ich ihn mitgenommen?

“All the Words…”, begann Jo plötzlich zu singen und ich verdrehte genervt die Augen. Nicht, dass er nicht singen konnte, nein, er würde sich wirklich gut in der Schulband machen, aber wieso musste er jetzt singen?

“that we have to say…” Und wieso gerade dieses Lied? War er denn so traurig? Kam mir nicht so vor.

“They don’t leave…” Ich betrat den Supermarkt, der kurz zuvor gerade so zu sehen gewesen war und Jo brach seinen Singsang ab. Wir kauften Milch, Wasser, Cola, Brot, Wurst und vieles mehr. Natürlich kaufte ich auch ein Überraschungsei. Ich hasst Jo dafür, dass sein Hundeblick bei mir wirkte.

“And the waiting is the hardest thing to take, in a moment more, before we break”, begann er nach der Shoppingtour wieder und ich verdrehte wieder die Augen.

“Verdammt Jo, ich kenne das Lied auswendig, du musst es mir nicht so falsch vorsingen!”, zischte ich ihn an und ging voraus. Ich wollte in meine Wohnung. Am besten ohne ihn. Er war mir jetzt einfach zu anhänglich!

“Ich singe nicht falsch!”, protestierte er und ich wusste, dass er mir gerade die Zunge rausstreckte.

“Und wie falsch du singst! Der Sänger zieht das Break mehr auseinander.”, meinte ich und kramte meinen Schlüssel aus meiner Jackentasche, dabei darauf bedacht, nichts fallen zu lassen. Ich hätte mir doch eine Tüte mitnehmen sollen.

“If you have to let it go, and these dreams keep you awake. If you have to let it go, walk away!”, sag er weiter. Ich schüttelte nur den Kopf und schloss die Tür vor mir auf. Ein leises ‘Platsch’ ließ mich nach unten blicken und ich sah die Milchpackung am Boden liegen.

Ich seufzte frustriert auf und stieß die Tür mit dem Fuß auf. Als ich mich nach der Packung bücken wollte, kam mir Jo zuvor, hob sie auf und schmiss sie mir auf die vollen Arme. Ich keuchte leise auf und sah ihn böse an, doch er grinste nur dumm vor sich her.

“And the waiting is the hardest thing to take, in a moment more before we break.”, sang er wieder, nahm mir dabei meinen Schlüssel aus der Hand, lief an mir vorbei durch die Tür und ging zum Fahrstuhl. Gosh, eigentlich wollte ich ihn loswerden!

“Willst du echt noch mit hoch kommen?”, fragte ich ihn und er drehte sich erschrocken um. Dann grinste er wieder.

“Klar, irgendjemand muss dir doch Gesellschaft leisten!”, meinte er und der Fahrstuhl setzte sich mit uns als Fahrgästen in Bewegung.

“Ich brauche keine Gesellschaft! Ich komme auch alleine ganz gut zurecht. Bin schließlich seit fünf Jahren auf mich selbst gestellt.”, sagte ich und rückte die Tüte in meinen Händen zurecht. Sie hing verdächtig schief.

“Und jetzt bin ich da!”, grinste Jo. Ich verdrehte nur die Augen. Das leise ‘Pling’ des Fahrstuhles brach unser Schweigen und wir verließen den engen Raum. Jo schloss meine Tür auf und zog sich in meinem Flur die Schuhe aus. Dann nahm er mir die Tüte aus der Hand und marschierte in die Küche hinein.

Schockiert entledigte ich mich auch meiner Jacke und meiner Schuhe und folgte ihm. Er stand vor meinem kleinen Kühlschrank und packte gerade etliche Sachen hinein, die da gar nicht reingehörten.

“Was sollen die Büchsen im Kühlschrank?”, fragte ich ihn und er zuckte erschrocken zusammen.

“Nicht?”, fragte er mich und sah mich mit seinen rehbraunen Augen wie ein kleines Kind unschuldig an. Ich schüttelte den Kopf und zeigte auf einen Schrank neben der Spüle.

“Da rein.”, murmelte ich und nahm ihm die Dose Pfirsiche ab, um sie selbst in den Schrank zu stellen. Neben den Zucker und die Mandarinen.

“Was ist denn los, Sam?”, fragte er mich und erhob sich. Wir standen jetzt sehr nah beieinander. Nase an Nase. Ich räusperte mich und kniete mich hin, um die Einkäufe weiter einzuräumen. War ich gerade ernsthaft rot geworden? Fuck!

“Mir würde es besser gehen, wenn du jetzt gehst! Jake macht sich sicherlich Sorgen um dich und versucht dich anzurufen.”, murmelte ich und stellte die Milch in das Türfach des Kühlschrankes.

“Jake?”, fragte Jo leise. Ich antwortete nicht, sondern räumte den Käse und die Wurst weg. “Wie du meinst, ich gehe.”, sagte er dann. Ich nickte nur und stellte den Joghurt in den Kühlschrank hinein. “Bye!” Damit stapfte er aus der Küche und zog sich die Schuhe an. Das letzte, das ich von ihm hörte, war die Tür, die laut hinter ihm ins Schloss fiel.

Überraschungen?

Kapitel 8: Überraschungen?
 

Ich seufzte und setzte mich vor meinen Kühlschrank, den ich genervt zuschmiss. Warum hatte ich ihn noch mal rausgeschmissen? Weil er mich nervte! Aber war es wirklich nur das? Ach verdammt, ich wusste es nicht und ich wollte es auch nicht wissen.

Ciao, liebe Träume. Hallo, schlaflose Nacht. Ich stützte den Kopf in die Hände und schrie leise hinein. Gosh, wieso war es mit diesem Jungen immer so schwer zu kommunizieren? Ich biss doch nicht!

Schnaubend erhob ich mich wieder auf meine Knie und packte den Rest der Einkäufe in den Kühlschrank. Dann stand ich auf und ging in mein Zimmer, um die Teetassen von Jo und mir wegzuräumen. Ich spülte gleich ab und nahm mir dann ein Glas, das ich mit Mineralwasser füllte.

Ich wickelte meinen Verband ab und zog mir mein Schlafshirt über. Schließlich hatte ich nichts mehr vor.

Nachdem ich in das Zimmer trottete, zog ich mein Handy aus der Hosentasche, warf einen kurzen Blick darauf und schmiss es dann einfach auf mein Bett. Ich selbst setzte mich daneben und schnappte mir die Fernbedienung, um der Fernseher anzuschalten. CSI: NY. Wenigstens etwas positives…

Wie viele Tage waren seit dem letzten Streit mit Jo vergangen? Einer? Wow, ein neuer Rekord. Ich schaltete den Fernseher wieder aus und ließ mich nach hinten auf das Bett fallen. Toll. Jetzt hatte ich keinerlei Lust mehr, fern zu sehen. Weshalb auch immer.

Ein Vibrieren neben mir ließ mich aufschrecken und ich griff nach meinem Handy. Elias rief an. Ich drückte auf den grünen Hörer und hielt mir das Handy ans Ohr.

“Ja?”, fragte ich hinein und legte mich wieder hin. Ich konnte auch im Liegen sprechen.

“Hey Sam! Was machst du heute noch?”, fragte er mich und ich zog die Augenbrauen hoch.

“Nun ja, eigentlich hatte ich vor, mal wieder zu schlafen. Wieso?” Er hatte mich neugierig gemacht. Wieso meldete sich jetzt bei mir? Er rief mich doch sonst nicht an. Stand jemand in Flammen?

“Grillabend.”, meinte er und ich hörte jemanden im Hintergrund grölen: “Er soll kommen!”

“Warte!”, sagte Elias und im nächsten Moment war eine andere Stimme zu hören: August.

“Alter, beweg dich! Bring was zu trinken mit und alles is klar! Wir treffen uns halb zehn bei Elias!”, meinte er.

“Er soll Jo anrufen!”, meinte Elias im Hintergrund.

“Ach und ruf Jo an. Wenn er gesund ist, dann soll er Knabberkram mitbringen!” Damit legte er auf. Ich sah verwirrt auf mein Handy und seufzte leise. Ich hatte ja nicht mal die Chance bekommen, etwas dagegen zu sagen! Frechheit! Aber typisch August. Ich schüttelte den Kopf und suchte Jos Nummer. Dann drückte ich auf den grünen Hörer und wartete. Das Freizeichen erklang. Ein weiteres Mal. Dann war besetzt. Ich zuckte die Schultern und erhob mich. Sollte er doch dran ersticken, sauer auf mich zu sein!

Ich schickte ihm noch eine SMS mit dem Inhalt: Grillabend. Halb zehn bei Eli. Knabberkram. Dann machte ich mich wieder ins Badezimmer, umwickelte meinen Brustkorb mit dem Verband und zog mir eine verwaschene, blaue Jeans, ein schwarzes Shirt und einen schwarzen Pulli an. Kurz darauf verließ ich die Wohnung, schloss ab und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Dann machte ich mich wieder zum Supermarkt. Schon das zweite Mal am heutigen Tag.

Allerdings war ich ziemlich überrascht, als plötzlich Jo vor mir stand, fünf Tüten verschiedenster Chips in der Hand. Ich lief in ihn hinein und er fluchte leise.

“Sorry, Jo!”, sagte ich und half ihm die Tüten wieder aufzuheben. Er grunzte nur undankbar. Ich zuckte die Schultern und machte mich auf den Weg zu den Spirituosen. Jo folgte mir, den Blick gesenkt. Wir bezahlten unsere Waren und machten uns dann gemeinsam auf den Weg zu Elias. Schweigend. Na Heureka!

Kurz nach der dritten Ecke, die wir passiert hatten, seufzte ich leise. Jo blickte mich fragend an.

“Sorry, wegen vorhin!”, meinten wir gleichzeitig und ich fing an zu lachen. Auch Jo stimmte mit ein. “Kann ich zuerst?”, fragte er dann leise und ich nickte stumm.

“Ich weiß nicht, warum ich immer so überreizt reagiere. Vor allem, nur weil du nicht geantwortet hattest! Sorry. Ich weiß echt nicht, was mit mir los ist. Ich wollte eigentlich nicht gehen.

“Ich wollte eigentlich nicht, dass du gehst, aber zur Zeit strapazierst du meine Nerven schon ganz schön!”, meinte ich und setzte den Bierkasten zum hundertsten Mal ab. Ich war ein Mädchen! Ich durfte Schwäche zeigen! Nun gut, in der Gestalt des Jungen vielleicht nicht, aber das war mir jetzt auch egal.

“Warte, ich nehme den Kasten!”, sagte Jo und schüttete mir die Tüten auf die Arme. Ich lächelte leicht.

“Danke, aber ich hätte das auch geschafft!”, meinte ich und schmiss die Tüten auf den Kasten drauf.

“Zusammen?”, fragte Jo grinsend und packte an der einen Seite an.

“Zusammen!”, nickte ich und griff die andere Seite. Dann hoben wir den Bierkasten hoch und schleppten ihn weiter. Bis zu Elias war es nicht mehr weit. So kamen wir überpünktlich um viertel nach neun bei ihm an. Eli begrüßte uns grinsend.

“Ah, der Kranke, der im Physikunterricht einschläft!”, witzelte er und boxte Jo kameradschaftlich auf den Arm. Dieser sah mich erstaunt an und ich zuckte nur die Schultern. Ich brauchte auch meine Geheimnisse.

“Sind wir zu früh?”, fragte ich, um das Thema abzuschließen und sah über Eli´s Schulter.

“Ja, aber August ist ja auch schon da. Sam, da wartet eine kleine Überraschung für dich im Garten!”, sagte er und schob mich in das Haus seiner Eltern hinein. Fuck! Dabei mochte ich doch keine Überraschungen.

Sonnenstrahlen

Hey ho!

Jo, also hier das neue Kapitel von "Der Junge in mir"... Ich weiß, es ist mal wieder ziemlich kurz, aber das Ende konnte ich irgendwie nicht besser ausschmücken.. Sorry...

Viel Spaß beim lesen,

LG Shinichi_san
 

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Kapitel 9: Sonnenstrahlen
 

Also lief ich durch das kleine Haus, in dem Elias mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern wohnte und verließ es schließlich auf der anderen Seite wieder durch eine Glastür, die in den Garten führte. Wir hatten uns schon oft hier getroffen und jedes Mal fing ich von neuem an diesen Garten mitsamt seinem Ausblick zu lieben und zu genießen.

Dieser Garten war einzigartig. Er hatte zwar Bäume und Blumen, wie jeder andere Garten auch, aber die Atmosphäre war einfach nur himmlisch. Hinter dem Zaun, der das Grundstück abgrenzte, ging es steil bergab und man konnte das Rauschen des Meeres hören, die Wellen, die gegen die scharfen Kanten der Klippen schlugen, die Möwen, die auf ihrer Nahrungssuche schrien. Man war mitten im Herzen der Stadt und doch ganz deutlich am Rande der Klippe zum Meer.

Ich atmete die frische Luft ein, die so wunderbar salzig nach Meer schmeckte und schloss kurz die Augen. Dann seufzte ich leise und sah mich um. August hob die Hand zum Gruß und richtete dann wieder den Blick auf den Grill. Schien so, als würde er es mal wieder nicht richtig hinbekommen, dieses “Monstrum”, wie er es immer nannte, in Gang zu bekommen.

Ich lächelte und sah nach links. Auf einem Ast des großen Nussbaumes hockte Hannah und sah mich erwartungsvoll an. Und wo war jetzt die Überraschung?

“Hey, Sam!”, sagte Hannah und winkte mich zu sich. Ich gehorchte und ging auf sie zu. Vor ihr blieb ich stehen und blickte zu ihr nach oben.

“Hey, Kleine!”, meinte ich und sie grinste mich freudig an. Aus Gründen, die ich nicht verstand, mochte sie es “Kleine” genannt zu werden. Komisches Mädchen.

“Wie geht es dir?”, fragte sie mich und reichte mir ihre Hand, damit ich auch auf den Baum klettern konnte. Ich nahm sie an und kletterte auf den Ast über ihr.

“Wie soll es mir gehen? Mir geht’s ganz gut so weit. Und wie fühlst du dich?”, fragte ich zurück und lehnte mich an den dicken Stamm des Baumes. Das Mädchen zuckte mit den Schultern und lachte leise.

“Seit du da bist, geht es mir spitze.”, meinte sie und wurde leicht rot im Gesicht. Ich schluckte, dann lachte ich leise.

“Na klar.”, sagte ich und schloss kurz die Augen. “So spitze, wie es einem gehen kann, nachdem der Freund mit einem Schluss gemacht hat, nicht wahr?”, meinte ich und blickte in die ziemlich kahle Krone des Baumes. Hannah seufzte leise.

“Richtig. Aber mit dir kann ich mich immer gut unterhalten, Sam. Sieh es ein, ich bin gut drauf, weil du da bist!”, sagte sie und nahm meine Hand in ihre. Ich nahm meine Hand aus ihrer und steckte sie in die Hosentasche. Warum war sie ab und an so verdammt aufdringlich?

“Von mir aus.”, meinte ich nur und sah mich in dem Garten um. Mittlerweile waren auch Jo und Elias in den Garten getreten. Das Bier hatten sie an die Wand gestellt und einige Stühle im Kreis aufgebaut. Elias stand neben August, der versuchte endlich das Feuer zu entfachen, und lächelte dabei böse. Wahrscheinlich hatte er den Grill so präpariert, dass August ihn nicht anbekommen würde. Jo kam gerade aus dem Haus raus und stellte zwei Schüsseln auf den Tisch neben dem Grill.

“Gus wird den Grill wahrscheinlich wieder nicht ankriegen, was meinst du?”, fragte mich Hannah und ich musste lächeln. Ja, sie verstand es, meine simplen Gedanken lesen zu können. Zum Glück aber auch nur diese.

“Meine ich auch.”, sagte ich und zog die Hand aus der Tasche um nach einem Zweig zu greifen, der direkt vor mir hing und strich über die halb kahle Asthaut. “Aber ich will ihm noch nicht helfen. Er soll sich noch ein wenig abmühen!”, grinste ich und zog die Hand wieder zurück. Hannah lachte leise auf.

“Mensch, bist du heute wieder gemein, Sam!”, sagte sie dann und hockte sich so auf den Ast, dass ihr Gesicht kurz vor meinem war. Hossa! “Wie böse bist du genau?”, fragte sie mich und kam noch ein bisschen näher. Ich schluckte, schloss die Auge und drehte den Kopf zu den anderen Partygästen. Als Hannah mich auf die Wange küsste, öffnete ich die Augen und blickte in Jos verwirrtes Gesicht, weit von mir entfernt. Er blickte mich an und ich hatte das Gefühl, gleich vom Ast zu fallen. Mein Gesicht bekam eine knackige rote Farbe und ich sah Jo fragend an. Der schüttelte nur kurz den Kopf, bevor er sich wegdrehte und auf den Zaun zuging, um sich dort abzustützen und auf den Sonnenuntergang zu starren.

Hannah löste sich von mir und seufzte leise.

“Auch gut, dann bleiben wir einfach nur Freunde, die miteinander reden! Geht klar.” Sie sprang vom Baum und drehte sich noch einmal zu mir. “Schon schade, Sam, du bist echt heiß!”, meinte sie und ging zu Elias, um über irgendeinen Witz zu lachen.

“Klar!”, murmelte ich und blickte zu dem dunkel werdenden Himmel hinauf. Der Sonnenuntergang ging weiter.

Er war schön. Rot und Gelb. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, es wäre der letzte gewesen.

Brechreiz

Kapitel 10: Brechreiz
 

Ich beobachtete Jo jetzt schon seit er sich den Sonnenuntergang reingezogen hatte. Er öffnete sein neuntes Bier an diesem Abend (Tim hatte noch einen Kasten und einige stärke alkoholhaltigen Getränke mitgebracht) und trank fast in jedem Moment davon, in der ich mich von Hannah riss, die pausenlos auf mich einredete. Auch einige Whiskey-Cola hatte er schon intus, ebenso Rum-Cola. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt noch etwas von dieser tollen Grillparty mitbekam.

“Hey, Jo, geht’s noch? Das Bier war für Sam gedacht.”, meinte Elias und riss es ihm aus der Hand. Er war mit einer der wenigen, die noch nicht so viel getrunken hatten. So wie ich. Jo grabschte nach der Flasche, griff aber ziemlich daneben und warf die Colaflasche um.

“Gib mir dasch wiede… Isch will dasch noch drinken!”, nuschelte er und versuchte es erneut.

“Vergiss es, du hast heute genug getrunken.”, meinte August, der jetzt neben ihm stand und ihm aufhelfen wollte. “Wir bringen dich nach Hause.” Jo schlug seine Hand weg und funkelte ihn böse an, soweit das in seinem Zustand überhaupt möglich war.

“Du hascht mir nischts zu sachen! Gib mir dasch wiede!”, lallte er vor sich hin und ich drückte meine Hand auf seine Brust.

“Jo, du hast heute wirklich ziemlich viel getrunken! Komm, ich bring dich heim!”, meinte ich, stand auf und reichte Jo meine Hand. Er starrte mich kurz an, dann schüttelte er den Kopf.

“Dasch kanschte verjessen! Isch jeh net heim!”, lallte er und stand bockig auf, die Arme vor der Brust verschränkt. Er wankte gefährlich und im nächsten Moment kippte er nach vorne und ich riss die Augen auf und die Arme nach vorne, um ihn aufzufangen. Sein Gewicht zwang mich jedoch in die Knie, sodass ich mit ihm auf den Boden sank. Hannah stand wenig später neben mir und Jo und half mir, ihn wieder aufzurichten, doch Jo war vollkommen weggetreten.

“Am Besten bringst du ihn heim.”, sagte sie leise zu mir und strich Jo eine Strähne aus dem Gesicht. “Jake, begleitest du ihn?”, fragte sie den Blonden, der sofort aufsprang und sich neben Jo stellte, um ihn zu stützen.

“Wir sehen uns am Sonntag!”, meinte ich zum Gruß. Jake und ich schleppten Jo zu sich nach Hause. Auf halben Weg zuckte Jo zusammen und schlug vorsichtig die Augen auf.

“Wasn los?”, fragte er leise.

“Shhh!”, meinte ich nur.

“Wir sind gleich da.”, sagte Jake leise und Jo tapste vorsichtig neben uns her. Jake ließ seinen Arm los und Jo lief wieder einigermaßen normal. Kurz vor der letzten Kreuzung zog mich Jake am Arm von Jo weg, der alleine vor sich her taumelte. Ich starrte ihn fragend an.

“Sam, ich mag dich!”, sagte er und ich nickte.

“Schön, ich mag dich auch! Aber ich muss Jo heim bringen, bevor er wieder umkippt!”, meinte ich und drehte mich um. Doch Jake schnappte sich wieder meinen Arm und ich wandte mich seufzend zu ihm um.

“Du verstehst das nicht!”, murrte er. Wollte ich es denn verstehen?, schoss es mir durch den Kopf. “Sam ich mag dich wirklich richtig dolle!”, sagte er und sein Griff um meinen Arm wurde fester. Schön, aber warum tat er mir weh, wenn er mich doch so sehr mochte? Im nächsten Moment war sein Gesicht unmittelbar vor meinem und ich schrak zurück. Allerdings unterbrach Jake sein Vorhaben nicht, sondern drückte mir seine Lippen fest auf seine. Ich drückte meine Hände auf seine Brust und schob ihn von mir. Jake sah mich nur fragend an.

“Jake!”, schrie ich ihn an. Um halb zwei Uhr morgens. Im nächsten Moment landete meine Hand auf seiner Wange. Ja, es war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, saftige Ohrfeigen zu verteilen. Jake starrte mich erst fassungslos an, bevor er nickte und den Blick senkte.

“Wir sehen uns!”, sagte er und drehte sich um. Wieso mussten mich heute alle nerven? Es konnte doch nicht sein, dass immer ich das Opfer von irgendwelchen Hirngespinsten wurde.

“Sam!”, schrie Jo hinter mir und ich wirbelte erschrocken herum. Ich hatte ihn ganz vergessen! Nun stand er an der Ecke und hielt sich an der Straßenlaterne fest. Ich lief zu ihm und packte ihn am Arm.

“Gehen wir!”, meinte ich und zog ihn mit mir. Jo trottete hinter mir her und grummelt die ganze Zeit vor sich hin. Ich ignorierte ihn, so gut ich konnte, aber wirklich gelingen, das war nicht der Fall!

“Warum hascht du Hannah jeküsst?”, fragte er mich und ich zuckte zusammen. Ich drehte mich zu ihm um und wartete, bis er auf einer Höhe mit mir war.

“Ich habe sie nicht geküsst!”, sagte ich und zuckte die Schultern. “Sie hat mich geküsst!”, murmelte ich nur und ging neben ihm her weiter. Jo gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf und ich zuckte erschrocken zusammen.

“Du bisch ein Schwachkop. Hätscht nich wegdreht, hätscht jetz ne Freunin!”, lallte er und stützte sich an meiner Schulter, um nicht umzukippen. Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.

“Und wieso hast du so komisch geguckt? Wolltest du Hannah haben?”, fragte ich spitz. Jo schüttelte den Kopf.

“Sch hab nisch komisch juckt!”, verteidigte er sich laut. Ich schüttelte den Kopf.

“Doch hast du!”, sagte ich zu ihm.

“Ne, habsch nisch!”, sagte er.

“Doch!”

“Ne!”

“Doch!” Was wurde das hier? Er öffnete den Mund, wahrscheinlich, um wieder zu widersprechen, aber er rülpste mir nur mitten ins Gesicht. Als nächstes veränderte sich sein wütender Gesichtsausdruck in ein schielen und im nächsten Moment übergab er sich. Ich wich erschrocken zurück, aber zu spät. Ich war über und über mit Erbrochenem bedeckt.

“Na herzlichen Dank auch!”, seufzte ich und sah Jo böse an, der reichlich bleich geworden war.

“Sorry!”, brachte er heraus und griff sich meinen Arm. “Kanscht bei mir duschen! Sch jeb dir Motten von mir!”, murmelte er und zog mich mit sich. Schon seltsam, dass er sich nach dieser Kotzerei noch auf den Beinen halten konnte. Also ließ ich mich von dem Jungen zu sich nach Hause ziehen, wo er versuchte, den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Allerdings misslang es ihm und ich nahm ihm den Schlüssel aus der Hand, um die Tür endlich zu öffnen.

“Danke, Sam.”, meinte er, nahm mir den Schlüssel aus der Hand und torkelte in das große Haus hinein. Die Tür ließ er einfach offen stehen. Ich wollte sie gerade schließen, als Janie, Jos Schwester plötzlich vor mir stand und mich fragend ansah.

“Wasn?”, fragte sie und ich zog die Augenbrauen in die Höhe. Das Mädchen trug nur ein Shirt, das ihr etwas zu lang war und einen Slip. Ich zeigte mit dem Finger auf die Tür, durch die Jo getorkelt war.

“Ich hab deinen Bruder heim gebracht.”, meinte ich und hob die Hand zum Gruß. “Bis bald!” Janie hielt mich am Ärmel fest und zog die Nase kraus.

“Hat er dich so…” Sie deutete angewidert auf mein Shirt. “…zugerichtet?”, fragte sie und ließ mich wieder los. Ich nickte nur. Sie seufzte und schob mich dann in das Haus hinein.

“Typisch! Erst jemanden ankotzen und dann nicht mal dafür aufkommen. So was kann ich nicht leiden!”, murmelte sie und schob mich in das Badezimmer im Erdgeschoss. “Warte hier!”, meinte sie und trat aus dem Bad. “Jo!”, brüllte sie durch das Haus. Ehrlich, ich verstand diese Familie nicht! Es war mitten in der Nacht, Jo war ziemlich betrunken und seine Schwester hüpfte nur in einem Schlafshirt durch die Gegend. Was Ihre Eltern um diese Uhrzeit taten, wollte ich lieber nicht so genau wissen.

“Jo, kümmer dich gefälligst um Sam. Er stinkt!” Interessant! Ich seufzte leise und lehnte mich an die Fliesenwand hinter mir. Ich bezweifelte stark, dass ich die Sache schnell hinter mir hätte.

“Soll sch Motten nehm!”, hörte ich Jo leise nebenan murmeln. Ich hatte keine Lust hier rumzusitzen und zu warten, bis endlich irgendjemand auf die Idee kam, mir ein Handtuch und Sachen zu geben.

“Jo, jetzt mach, sonst kannst du das mit der Wette vergessen!” Ich stieß mich von der Wand ab, da ich nicht damit rechnete, Jo noch einmal zu sehen und ging zur Tür, in welcher ich mit dem Schwarzhaarigen zusammenstieß. Dieser nahm meine Hand in seine und zog mich die steinerne Treppe hoch. Oben angelangt, zerrte er mich in sein Zimmer. Dort stieß er sich den Fuß an der Bettkante, da er das Licht nicht eingeschalten hatte. Er ließ meine hand los und wühlte irgendwo herum. Ich blieb der weile im Türrahmen stehen und ließ meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen.

“Du müsstest dringendst einmal aufräumen.”, murmelte ich, als ich das Chaos in seinem Zimmer etwas erkennen konnte. Er schnaubte nur und wühlte weiter. Etwas später drückte er mir ein Handtuch, eine Hose, eine Boxershorts, ein Shirt und Socken in die Hand. Danach schubste er mich aus dem Zimmer und schob mich in das Bad direkt neben seinem Zimmer.

“Wenn de ferti böscht, sag scheid!”, nuschelte er und gähnte einmal kräftig. “Bin im Zimma!” Ich nickte und schloss die Badtür hinter mir. Wollte ich hier wirklich duschen? Direkt neben Jos Zimmer? Im Haus, wo Jo und seine Familie lebten? War ich wirklich so sorglos?

Anscheinend ja, denn ich seufzte nur leise, schloss die Augen, zog mich aus und stieg dann unter die Dusche. Beachtlich wie schnell ich mich doch immer für den Falschen Sachen entscheiden konnte.

Kaffeepause

SORRY! Hat echt lange gedauert, bis ich mich durchgerungen habe, ein neues Kapitel fertigzustellen, aber die Prüfungen standen an und das Lernen... blablabla...

Wie dem Auch sei: Viel Spaß beim Lesen!

LG, Shinichi_san
 

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Kapitel 11: Kaffeepause
 

Als ich mich fertig geduscht hatte, trocknete ich mich schnell ab und schlang mir wieder meinen Verband um die Brust. Dann zog ich mir Jos Klamotten, die nun wirklich reichlich zu groß waren. Ich seufzte und marschierte mit nassen Haaren und zu großen Hosen aus dem Bad heraus und in Jos Zimmer hinein. Ich schaltete das Licht ein und sah mich um. Überall lagen Klamotten, Essensreste und Papiere rum. Nur das Bett war frei von jeglichem Krimskrams. Darauf lag nur Jo, noch angezogen, aber leise schnarchend. Ich ging langsam zu ihm, den Blick starr auf den Boden gerichtet, damit ich auch ja nicht aus Versehen auf irgendetwas drauf trat.

Vor seinem Bett ging ich in die Hocke und rüttelte ihn leicht an der Schulter. Jedoch rührte er sich nicht. Ich biss mir auf die Unterlippe und rüttelte doller. Diesmal bewegte er sich. Er hob die Hand, drehte sich zu mir und griff grob nach meiner Hand.

“Was denn?”, fragte er schlaftrunken, ohne die Augen zu öffnen. Ich musste leicht lächeln.

“Hast du einen Gürtel? Deine Hose rutscht!”, meinte ich leise und versuchte meine Hand aus seiner Umklammerung zu befreien. Aber Jo grummelte nur und zog mich an der Hand weiter zu sich, sodass ich jetzt über ihn gebeugt da stand.

“Du bischt einfach zu dürr!”, sagte er leise und zog mich neben sich auf das Bett.

“Jo, ich muss…”, fing ich an, doch Jo unterbrach mich ruppig, indem er an meiner Hand zog.

“Klappe! Schlafen!”, zischte er und ich seufzte leise. Seinen Befehlen konnte ich mich fast nie widersetzten. Und da er meine Hand in seiner Gewalt hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als zu tun, was er von mir verlangte.
 

Ich lag in einen weichen Bett. Auf dem Bauch. Arme und Beine von mir gestreckt und ein nerviges Geräusch im Ohr. Ein Kichern. Ich schnaubte genervt und legte den linken Arm über meinen Kopf. Leider verstummte das Kichern nicht. Im Gegenteil, es wurde etwas lauter.

“Aufstehen, du Schlafmütze!”, meinte man halb kichernd zu mir und ich drehte mich zu der Stimme, ein Auge dabei öffnend. Vor mir sah ich Janies Gesicht.

“Was machst du in meinem Zimmer?”, fragte ich und drehte den Kopf wieder auf die andere Seite. Wieder erklang dieses nervige Kichern.

“Die Frage ist: Was machst du im Zimmer meines Bruders, Jo?”, sagte sie und stützte sich auf die Matratze ab. Ich hob den Kopf und drehte ihn zu dem jüngeren Mädchen. Ich starrte sie irritiert an.

“Hm?”, meinte ich und Janie sah mich erfreut an.

“Tja mein Lieber, da ist eine Erklärung fällig!” Wie konnte man so früh am morgen und nach nur so wenigen Stunden Schlaf nur so verdammt wach sein? Ich seufzte leise und drückte das Gesicht wieder in das Kissen. Was sollte ich denn jetzt dazu sagen? Plötzlich öffnete sich die Tür.

“Was?”, wurde gefragt und ich drehte den Kopf zur Tür. Davor stand Jo und blickte etwas säuerlich zu seiner Schwester. Diese lächelte ihren Bruder nur entschuldigend an. “Raus.”, meinte er leise und sachlich. “Alle beide!”, setzte er dran. Ich blickte ihn fragend an. Beide? Als Janie aufstand und an ihrem Bruder vorbeilief, folgte ihr ein weiteres Mädchen. Also war ich nicht gemeint? Na Gott sei dank! Hinter den Mädchen, zog Jo die Tür zu und kam zu mir, um sich neben mich auf die Bettkante zu setzen. Ich legte mein Gesicht auf das Kissen und beobachtete ihn mit dem linken Auge.

“Alles klar bei dir?”, fragte ich ihn dann.

“Hab noch zweimal gekotzt, aber sonst ging es gerade so. Bei dir?” Ich zuckte erst die Schultern, dann nickte ich. “Gut, willst du was essen?” Ich schüttelte den Kopf und er atmete laut aus. “Tee?” Wieder Kopfschütteln. “Kakao?” Ich seufzte fast genervt auf.

“Kaffee, mit Milch! Mit viel Milch.” Jo lächelte und erhob sich wieder, um kurz darauf das Zimmer zu verlassen. Ich seufzte kurz, dann nutzte ich die Gelegenheit, setzte mich auf, zog das T-Shirt hoch und wickelte den Verband neu um meine Brust. Allerdings störte mich die Tür, wodurch ich erschrocken aufblickte.

“Hey Sam, sag mal, hast du…” Weiter kam Janie nicht, denn sie starrte mich erstaunt an. “Oh!”, meinte sie und biss sich auf die Lippe. Ich seufzte gequält auf.

“Komm rein und mach die Tür zu!”, bat ich das Mädchen und sie folgte meiner Bitte ohne zu murren. Ich vollendete mein Werk und zog das Shirt wieder runter.

“Du… bist ein… Mädchen?”, fragte sie mich flüsternd und ich nickte mit gesenktem Blick. “Oh Gott, das ist ja…” absurd? Dämlich? Hirnrissig? “…voll schade!” Ich zog irritiert die Augenbrauen nach oben.

“Wie?”, fragte ich nur. Ich glaube meine Stimme klang gerade etwas zu sehr nach einem quietschendem Teenager-Mädchen, als sie sollte.

“Aber irgendwie auch richtig toll!” Was? Hatte das Mädchen einen Schuss, oder warum wusste sie nicht, wie sie die Tatsache nun aufnehmen sollte? “Du bist meine neue beste Freundin!”, verkündete sie strahlend und ich sprang auf.

“Was? Nein!”, schrie ich sie fast an.

“Oh doch!”, meinte sie und grinste mich triumphierend an. “Oder soll ich Jo etwa von deinem kleinen Geheimnis erzählen?” Ups! Ich schluckte und setzte mich wieder auf das Bett. Dann schüttelte ich den Kopf. “Oh, wir werden in naher Zukunft sehr viel Zeit miteinander verbringen!”, drohte sie und zog mich in eine kurze, aber dennoch heftige Umarmung. Und schon wieder öffnete sich die Tür und Janie sprang lachend von dem Bett, um kichernd an Jo vorbei zu preschen und das Zimmer zu verlassen. Hinter sich schloss sie die Tür. Jo sah erst die geschlossene, dann mich irritiert an.

“Was geht den hier ab?”, fragte er und kam auf mich zu. Jo reichte mir die Tasse und stellte sich direkt vor mich. Ich nahm die Tasse und trank einen Schluck davon. “Hast du was mit meiner Schwester?” Ich verschluckte mich und hustete. Jo sah mich nur weiterhin fragend an. Ich beruhigte mich und schluckte dann. Meine Kehle kratzte furchtbar, aber ich unterdrückte ein erneutes Husten.

“So was willst du von mir wissen?”, sagte ich und schüttelte den Kopf. “Frag mich das, wenn ich weiß, was sie vorhin gesagt hat, ja?” Jo seufzte und setzte sich neben mich auf das Bett. Ich nahm einen weiteren Schluck von meinem Kaffee.

“Ist der Kaffee in Ordnung?”, fragte er. “Irgendwie ist es etwas zu viel Milch geworden, oder?” Ich schüttelte den Kopf.

“Ist lecker! Willst du mal probieren?” Ich hielt ihm die Tasse entgegen und beugte mich ein wenig zu ihm. Jo schluckte kurz, sein Kehlkopf sprang auf, bevor er nach der Tasse griff und sie mir aus der Hand nahm. Er drehte die Tasse, bis der Griff in seiner rechten Hand lag und hob sie an seinen Mund. Er schloss die Augen, was mich innerlich schon fast zum Platzen brachte, und trank einen Schluck. Dann nahm er sie runter, öffnete die Augen und sah mich angewidert an. Ich konnte nicht anders, als in schallendes Gelächter auszubrechen.

“Pfui! Ich versteh immer noch nicht, wie du das Zeug trinken kannst!”, meinte er und stellte die noch fast volle Tasse auf einen leeren Fleck auf seinem Boden neben dem Bett. Ich ließ mich derweil auf das Bett fallen und seufzte leise, als ich einen Blick auf die Uhr über Jos Tür warf. Es war halb elf. Mist! Um elf sollte ich bei meinem Vater sein und ihm im Restaurant helfen, so wie jeden Samstag.

“Ich muss los!”, meinte ich und richtete mich wieder auf. Jo stand auf und stellte sich vor mich.

“Wohin willst du gehen?”, fragte er mich und hockte sich hin. Verdammt, warum waren seine Augen so verflucht schön und dunkel? Und warum wusste ich jetzt nicht mehr, was ich sagen wollte? “Sam?”, fragte er. Ich schluckte, schüttelte den Kopf und stand auf. Jo schubste ich einfach um und nahm mir einen Gürtel, der neben der Tür auf einem Wäschestapel lag. “Hey! Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen!”

“Doch kann ich!”, sagte ich und fädelte den Gürtel durch die Schlaufen an der Hose.

“Sam, was ist denn jetzt schon wieder?”, seufzte er und stand nun direkt hinter mir. Ich machte die Gürtelschnalle zu und zuckte die Schultern. Dann ging ich an ihm vorbei und nahm mir die am Boden stehende Tasse, um sie mit einem Zug auszutrinken. Ich setzte die Tasse ab und schüttelte kurz den Kopf. Dann stolperte ich an Jo vorbei aus dem Zimmer und trabte die Treppe runter. Die Tasse stellte ich auf die Kommode und nahm meine Jacke vom Hacken an der Garderobe.

“Oh, Sam!”, erklang es nun hinter mir und ich drehte mich langsam um. Vor mir stand eine großgewachsene Frau, mitte 40 mit aschblonden, gefärbten Haaren und einem strahlenden Lächeln auf den Lippen. “So früh schon hier?”, fragte sie erstaunt und ich lächelte sie freundlich an. Ups! Ich konnte ihr nicht sagen, dass ich hier übernachtet hatte, und schon gar nicht mit Jo in einem Bett. Oh Gott, wenn ich jetzt daran dachte, wurde mir richtig warm im Gesicht. Klar, ich mochte ihn, aber er sollte doch davon nichts wissen!

“Sam!”, schrie Jo mich an und ich erwachte aus meinen Tagträumen. “Da bist du ja!”, meinte er dann und seine Mutter packte ihn erstmal am Kragen.

“Da ist ja der Übeltäter!”, sagte sie und bugsierte ihren Sohn in die Küche. “Ach, Sam, zieh dich fertig aus und komm erstmal richtig rein!”, sagte sie zu mir und ich zog irritiert die Augenbrauen hoch. Reinkommen? Ich wollte gerade gehen, verdammt! Also hängte ich mein Jacke wieder an den Hacken und lehnte mich dann an den Türrahmen zur Küche. “So Jo, dann erklär mir doch mal bitte, seit wann du Kaffee trinkst!”, sagte Anastasia dann wieder zu ihrem Sohn. Ich musste schmunzeln. Mal sehen, was nun kam.

“Nun ja, ähm… seit… seit…” Sein Blick schweifte durch die Küche und blieb dann an mir hängen. “Seit Sam mich dazu genötigt hatte, es zu kosten!”, meinte er und klang sogar ziemlich überzeugend, was ich ihm beim besten Willen nicht zugetraut hatte.

“Und warum lässt du dann den Kaffeesatz in der Maschine? Das Pulver steht auch noch offen rum und die Milch sollte vielleicht auch wieder in den Kühlschrank, meinst du nicht?”, meinte Anastasia halb grinsend. Ich sah mir die Arbeitsfläche einmal genauer an, indem ich mich neben sie stellte und musste leise auflachen. Die Milch lag neben der offenen Kaffeepackung, das Kaffeepulver lag überall verstreut und Wasser lief kreuz und quer auf der Platte. Die Kaffeemaschine selbst hatte vermutlich auch schon bessere Zeiten gehabt, denn da war kein Filter unter dem Kaffeesatz. Ein Wunder, dass der Kaffee wirklich geschmeckt hatte.

“Och, Mum!”, murmelte Jo und steckte die Hände in seine Hosentaschen. Ich lachte leise auf und nahm die Milchpackung von der Platte, um sie in den Kühlschrank zu stellen.

“Nichts da!”, meinte Anastasia und klopfte mir auf die Finger, die Milch hatte ich schon verstaut. “Wer Dreck macht, hat ihn auch wieder wegzumachen!” Dann drehte sich die Blondine zu mir. “Und du hilfst ihm nicht dabei!”, sagte sie und ich kicherte in mich hinein. Sie kannte mich einfach zu gut. Jo verdrehte genervt die Augen und lehnte sich mit dem Hintern an die Arbeitsplatte.

“Och Menno!”, sagte er und fing sich einen bösen Blick seiner Mutter ein, bevor diese den Raum verließ und uns alleine in der Küche ließ.

Tätigkeiten

Sorry, ist schon wieder etwas kurz geraten... Aber naja, mehr ging einfach nicht rein!

Trotzdem viel Spaß damit...
 

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Kapitel 12: Tätigkeiten
 

“Sag jetzt bloß nichts Falsches!”, murmelte Jo und ich konnte mir ein wissendes Grinsen einfach nicht verkneifen. Er musste sich echt schon ziemlich Mühe gegeben haben, zumal er noch nie vorher Kaffee gemacht hatte, sondern heute wahrscheinlich das erste Mal. Für mich! Ich schluckte und mir wurde plötzlich ganz warm im Gesicht. Sollte das jetzt vielleicht noch irgendetwas bedeuten? Ich biss mir auf die Unterlippe und ließ meinen Blick auf den grauen Fliesenboden wandern. “Alles klar?”, fragte Jo mich da und ich zuckte erschrocken zusammen.

“Hm? Klar!”, murmelte ich leise und blickte wieder nach unten. Verdammt, warum kamen in letzter Zeit nur so viele Gedanken? Und warum drehten diese sich alle um Jo?

“Bist du dir sicher? Du siehst irgendwie nicht so gut aus!”, meinte er und hockte sich vor mich hin, um mir in die Augen zu sehen, aber ich drehte den Kopf nur zur Seite. Ich hatte Angst. Angst, dass er darin etwas sah, was er nicht sehen sollte. Angst, mich selbst zu verlieren in diesen braunen Augen. Jo nahm mein Kinn in seine Hand und drehte so mein Gesicht zu ihm. “Was ist los, Sam?”, fragte er und ich konnte einfach nicht anders. Es musste sein. Ansonsten würde ich nur in noch größere Schwierigkeiten geraten, als ich eh schon war. Ich schüttelte seine Hand ab, stand auf, ließ ihn dumm rumhocken und ging in den Flur, um mich anzuziehen. “Sam?”, fragte Jo, der nun hinter mir stand. Ich drehte mich zu ihm und nahm ihm die Jacke ab, die er in seiner Hand hielt, wohl um mich aufzuhalten, doch ich schaute ihn nur bittend an und er ließ los.

“Sorry, Jo!”, murmelte ich leise. “Muss los, Dad wartet auf mich.”, fügte ich hinzu und öffnete dann die Haustür, um endlich in die Freiheit zu treten. Ich wollte ihn nicht verletzen, ganz sicher nicht, aber ich wollte wenigstens noch etwas Männlichkeit behalten und nicht vor seinen Augen anfangen irgendwelchen Rotz zu stammeln. Dazu fehlte mir gerade der Sinn und vor allem der Alkohol, der mich dazu anstiften würde. Bei dem Gedanken grinste ich matt in mich hinein. Ich sprang die drei Treppenstufen geschwind runter und lief, nein, ich rannte über den Kiesweg vor dem Haus bis zur Straße, weiter bis zur nächsten Kreuzung und immer weiter, bis ich am Restaurant meines Vaters ankam und flach und schnell vor mich hin atmete. Ich war vollkommen außer Atem. Ungewohnt, aber irgendwie tat es gut. Vielleicht sollte ich das mal öfters machen. Nur so, um meine Gedanken nicht hören zu müssen, sondern nur den Wind, der an mir vorbeiprescht. Nur die Geräusche der Autos, die an mir vorbeirasen. Nur das Winseln der Hunde, bei denen ich nicht anhalten konnte.

“Sam?”, hallte es in meinem Kopf und ich sah verwirrt auf. Vor mir stand mein Vater. Ein vierunddreißigjähriger Mann mit braunen Haaren und einem sehr charmanten Lächeln, wie meine damaligen Freundinnen meinten. Er war sehr hoch gewachsen, so um die 1,96m groß und hatte immer eine stürmische Frisur, so, wie auch heute. Ich lächelte ihn breit an, und er wuschelte mir durch die Haare.

“Sorry, bin etwas spät dran!”, meinte ich und versuchte meine Haare wieder zu richten, was mir sicherlich nicht gelang, aber das war mir dann auch egal.

“Schon in Ordnung, Sam!”, meinte er und schubste mich in das Lokal hinein. “Was macht die Schule, Großer?”, fragte er und ich unterdrückte ein Seufzen. Typisch! Er wollte einfach nicht einsehen, dass sein geliebter Sohn ein Mädchen war, aber mir sollte es, um ehrlich zu sein, recht sein. Wir gingen durch das noch leere Restaurant und ich bereitete mich seelisch auf das heutige Geschäft vor. Schule?

“Schule ist in Ordnung. Ich habe eher andere Probleme.”, meinte ich und ging mit meinem Vater im Gepäck durch die Küche, in der schon ein Koch und ein Lehrling am werkeln waren.

“Wie meinst du das?”, fragte mein Vater und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ach verdammt! Er würde es doch eh nicht verstehen. Er würde mich nur weiterhin fragend ansehen und nicht wissen, was er dazu beitragen sollte, so wie immer. Also zuckte ich die Schultern und winkte ab.

“Schon gut. Ist egal.”, meinte ich nur und lächelte ihn an. Mein Vater sah mich noch immer irritiert an. Fuck, wie bekam ich ihn dazu, mir zu glauben.

“Maik?”, kam es in diesem Moment aus der Küche und ich atmete erleichtert auf, als mein Vater sich zur Küche drehte. Er drehte sich noch einmal zu mir, schüttelte dann den Kopf.

“Sorry, Großer, aber sprechen noch darüber, ja?” Damit ließ er mich allein und ich seufzte resignierend. Wir würden nie darüber sprechen. Weder heute, noch morgen, noch irgendwann. Mein Vater war zwar jung und von mir aus auch recht attraktiv, aber er war verdammt vergesslich. Bei ihm passte der Spruch ‘Wenn der Kopf nicht angewachsen wäre, würde man ihn vergessen’ so verdammt gut. Bei dem Gedanken daran konnte ich nur Grinsen. Dann schüttelte ich den Kopf, ging in die Umkleide für die Angestellten und schloss meinen Spind auf, um mich umzuziehen. Schwarze Hose, weißes Hemd, schwarze Weste, schwarze Schuhe. Meine Haare versuchte ich noch einmal zu bändigen, was mir jedoch mal wieder nicht gelang. Dann putzte ich mir noch meine Zähne und seufzte danach leise mein Spiegelbild an.

Wieso konnte ich nicht das Mädchen sein, das ich war? Warum wollte niemand einsehen, dass ich auch hübsch sein könnte, wenn ich es wäre. Aber würde man mich überhaupt ansehen? Mich überhaupt beachten? Beachten wollen? Ich schloss traurig die Augen, bevor ich noch einmal tief einatmete und mir über das Gesicht fuhr. Dann schloss ich meinen Spind und verließ den Raum. In der Küche angekommen, starrte ich verwirrt zu dem Lehrling, der auf einem Stuhl stand und irgendetwas an der Lampe an der Decke erledigen wollte.

“Oh, hey, Sam!”, sagte er und nickte mir zu. “Kannst du mir mal bitte den Schraubenzieher geben?”, fragte er und ich nahm das Ding von der Arbeitsplatte in der Küche, um es anschließend an den Jungen weiter zu reichen.

“Was machst du, Damon?”, fragte ich ihn interessiert und starrte zu ihm hoch. Der angesprochene mit den fastroten Haaren lachte nur leise.

“Etwas, was nicht in meinem Ausbildungsvertrag steht!”, meinte er, lachte jedoch schon wieder. “Die Lampe ist irgendwie kaputt. Ich soll sie schnell austauschen, bevor das Geschäft losgeht.”, sagte er und sah wieder nach oben. Anscheinend war er gerade fertig geworden, denn er betrachtet zufrieden sein Werk. “Kannst du mal bitte anmachen?”, bat er mich und ich drückte auf den Lichtschalter rechts neben der Tür, an der ich immer noch stand. Ein monotones Summen ertönte und dann wurde Licht. Welch ein Wunder in der heutigen Zeit! Damon jedenfalls freute sich tierisch und sprang gut gelaunt von dem Stuhl. Ich schüttelte nur den Kopf und ging langsam in den Gastraum hinein. Ich stellte mich hinter die Bar und blätterte in dem Buch, in dem alle Veranstaltungen und Ereignisse festgehalten wurden. 1 große Reservierung im Rosensaal: Hochzeit. 3 weitere Reservierungen im Hauptraum: jeweils zwei Personen. Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht und atmete laut aus. Der Abend konnte ja heiter werden.
 

Ich polierte gerade das letzte Glas aus der Spülmaschine, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und ich mich verwirrt umdrehte. Vor mir stand mein Vater.

“Ach, Sam, was würde ich nur ohne dich tun?”, fragte er. Ich zuckte nur die Schultern und stellte das polierte Glas in den Schrank hinter mir. “Soll ich dich noch nach Hause fahren? Ich meine, es ist schon fast zwei Uhr morgens! Für junge Menschen nicht gerade sicher.” Für junge Menschen. Er würde mich wahrscheinlich nie als Mädchen akzeptieren. Ich lächelte ihn dankend an, schüttelte aber den Kopf.

“Geht schon. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen!”, meinte ich und hängte das Handtuch über einen Griff der Kühlzellen hinter der Bar.

“Wie du meinst! Aber pass auf dich auf! Bis morgen!” Ich nickte, ging in die Umkleide, die so still und verlassen wirkte und zog mich rasch um. Mein Verband war lose, aber ich hatte keine Lust und keine Geduld, ihn jetzt neu zu machen. Also machte ich mich auf den Weg in meine Wohnung. Ich konnte nicht mehr! Ich war fix und fertig, meine Füße taten mir unheimlich weh. 14 Stunden hatte ich jetzt dort verbracht. Mit 3 Stunden Pause, wohlgemerkt, aber ich konnte einfach nicht mehr. Ich war müde. Müde. Ich wollte schlafen. In mein Bett fallen und nicht mehr aufstehen.

Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und kam nach einer halben Stunde in meiner Wohnung an. Nichts und niemand hatte mich aufgehalten. Sonst würde ich jetzt wahrscheinlich nicht in meiner Wohnung stehen. Ich steifte die Schuhe ab und zog die warme Jacke aus. Mich meiner Sachen entledigend ging ich in mein Zimmer und wickelte auch den Verband ab, den ich nur neben das Bett pfefferte. Ich zog mir noch mein Schlafshirt an, schmiss mich in die Kissen und schlief bald darauf ein.

Solarenergie

Warnung: Culcha Candela... Sehr viel davon XD'

Sorry, aber ich war am Samstag beim "summer opening" und es war einfach HAMMER!!!! Da musste ich einfach die Jungs mit rein bringen... XD''

Nun aber viel Spaß beim lesen

LG, Shinichi_san
 

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Kapitel 13: Solarenergie
 

“Sag doch mal Soooo!”, hörte ich es leise neben mir und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, auch, wenn ich noch gar nicht richtig wach war.

“Soooo!”, machte ich leise und verschlafen.

“Solahahar!”, kam es wieder neben mir.

“Solahahar!”, sang ich mit.

“Energihihi!”, klang mein Handy wieder neben mir.

“Energihihi!”, machte ich noch ein Runde mit und griff neben mich, um vielleicht endlich an das Telefon ranzugehen.

“Solarenergie!”, machte es noch mal und ich drückte auf den grünen Hörer.

“Solarenergie!”, meldete ich mich und musste leise lachen. Vielleicht hätte ich dieses Lied doch nicht als Klingelton nehmen sollen.

“Sam?”, fragte mein Gegenüber und meine durch dieses Lied hervorgerufene Fröhlichkeit ging sofort flöten.

“Ja?”, fragte ich leicht säuerlich und richtete mich in meinem Bett auf. Draußen war es zwar schon etwas hell, aber immer noch zu dunkel, um aufzustehen. Warum musste man mich gerade heute und gerade so früh wecken? Heute war Sonntag, verdammt! Sonntag!

“Solarenergie?”, fragte mein Gegenüber und ich seufzte leise.

“Ich bin umgestiegen, weißt du! Solarenergie ist viel praktischer und preiswerter! Klar, man muss für die Installation eine ganze Menge bezahlen, aber am Ende hat man die Nase vorne! Du weißt schon, Klimaerwärmung und…”

“Sam!”, wurde ich unterbrochen. Ich schnaubte genervt. Wieso musste Jake mich genau jetzt anrufen?

“Was denn?”, fragte ich und ich merkte, wie die Wut in mir aufkeimte. “Du wolltest eine Antwort und da hast du sie. Ist doch nicht meine Schuld, wenn du zu mir sagst, du wolltest wissen, was ich mit Solarenergie meine! Also entweder du kommst jetzt zur Sache oder du legst auf und lässt mich weiter schlafen!”, meinte ich laut und stand auf, um das Fenster zu öffnen.

“Was? Hab ich dich etwa geweckt?”, fragte er mich und ich schnaubte wieder laut.

“Stell dir vor!”, meinte ich und atmete tief die frische Luft ein, die durch das offene Fenster wehte. “Wie spät ist es denn überhaupt?”, fragte ich und seufzte leise.

“Es ist zehn nach drei!” Ich blinzelte. Es war schon Nachmittag?

“Oh!”, meinte ich und fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. “Sorry!”, murmelte ich also nur. Um drei wollten wir uns schließlich treffen.

“Ist okay! Kommst du dann noch?”, fragte er und ich hörte ihn leise seufzen. Ich überlegte kurz.

“Ja. Ich geh schnell duschen, zieh mich um und dann mach ich mich auf den Weg, in Ordnung?”, fragte ich und hörte nur ein zustimmendes Grummeln. Ich verabschiedete mich von Jake und legte dann auf. Noch einmal atmete ich tief ein und aus, bevor ich das Fenster schloss und die Stereoanlage anschaltete. Ich legte die CD ein, die gerade in meinem Blickfeld lag und drückte auf Play. Dann öffnete ich den Kleiderschrank und holte mir neue Sachen heraus. Ebenso ein Handtuch und einen neuen Verband.

“Die Welt geht unter, doch bei uns ist Party, Halli Galli!”, sangen Culcha Candela und ich quiekte kurz auf. Dann drehte ich die Lautstärke auf und hüpfte zum Takt durch die Wohnung. Ich stieg unter die Dusche und sang aus voller Kehle mit.

“Herzlich Willkommen, herzlich willkommen, in unsrer schönen, neuen Welt! Ab heute bleibt nichts, wie es war, alles wird auf den kopf gestellt!”, grölte ich und lies das Wasser weiter auf mich prasseln. Culcha Candela. Sie konnten mir einfach alles schlechte aus dem Kopf singen. Diese Band schaffte es Tag für Tag, mich sauwohl zu fühlen, auch wenn es mir einfach nur richtig dreckig ging! Ich verschwendete dann keine Gedanken an mein Leben, an den Grund, weshalb ich Junge spielte, weshalb ich mich überhaupt hier aufhielt und mich halb zum Arsch machte!

Ich stieg aus der Dusche, trocknete mich ab, machte den Verband eng um meine Brust und zog mich an. Warum?- spuckte es mir trotzdem die ganze Zeit durch den Kopf.

“And I know by now- all I want is you!”, sangen sie diesmal. Chica- eindeutig! “Und wenn du jetzt mit mir…” Ich schaltete die Anlage ab und seufzte leise. Auch wenn ich diese Jungs einfach nur liebte, ich hatte gerade beschlossen, ein wenig nachzudenken. Also setzte ich mich auf die Bettkante und legte den Kopf in die Hände.

Drei Jahre war ich jetzt schon hier! Drei Jahre als Junge, und jetzt hatte Janie, ein Mädchen, dass noch nicht mal direkt in mein soziales Umfeld gehört, herausbekommen, dass da noch etwas anderes in mir schlummert. Ich fragte mich langsam, ob ich es noch länger aushalten würde, mich hinter meiner Fassade zu verstecken, denn langsam aber sicher fing diese an zu bröckeln. Ich hatte Angst! So wie damals, als ER es herausgefunden hatte. Ich hatte so verdammte Angst vor ihm. Er machte mir immer noch Angst.

“Sag doch mal Soooo!”, erklang es und ich drehte mich erschrocken um. Wer rief denn jetzt schon wieder an. “Solahahar!”, sang es weiter. Ich nahm mein Handy von der Bettdecke und blickte auf das Display. Jake rief an. “Energihihi!” Ich seufzte und drückte auf den roten Hörer. Ich war ja schon halb auf dem Weg! Er sollte sich beruhigen, verdammt noch mal!

Ich stand auf und ging in den Flur, um mir Schuhe und Jacke überzustreifen. Dann steckte ich mein Handy in die Hosentasche, schnappte mir meinen Hausschlüssel und verließ nach einem kurzen Blick hinein, die Wohnung. Ob die Jungs mich wirklich vermissen würden, wenn ich nicht auftauchte? Ich wusste es nicht und um ehrlich zu sein wollte ich es auch nicht. Ich wollte alleine sein, mir weiter Gedanken machen, mich mal wieder ausheulen, so wie das letzte richtige mal, vor zwei Jahren. Aber nein, ich war schon auf dem Weg zur Eishalle, um mich mit meiner Clique zu treffen, die Jo, Jake und ich damals ins Leben gerufen haben. “The ordenary ones” Komischer Name, ich weiß, aber da ich nur Mittelsmann war, hatte ich mit dem Namen nichts zu tun. Neben der Eishalle standen einige Personen, die gemeinsam lachten und redeten. Ich seufzte leise und marschierte dann zu den anderen.

“Sam!”, riefen drei Personen auf einmal, was andere dazu brachte, sich ebenfalls zu mir zu drehen und mich ebenfalls lauthals zu begrüßen. Ich hob nur den Arm, um jeden zu begrüßen und stellte mich dann alleine neben den Eingang und verschränkte die Arme.

“Hey, stimmt was nicht?”, fragte man mich und ich sah auf, um direkt in Hannahs Augen zu blicken. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wollte nicht mit ihr reden. Nicht über sie, nicht über mich, nicht einmal über das Wetter.

“Ne, is alles klar!”, murmelte ich und sofort hörte ich Hannah seufzen. Ich zuckte nur die Schultern und wandte den Blick ab. Kurz darauf spürte ich einen Arm auf meiner Schulter.

“Mensch Sam! Was ist denn los?”, fragte sie weiter. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wollte meine Ruhe haben. “Gut, dann frag ich halt nicht weiter!”, meinte sie und lehnte den Kopf auf meine Schulter, da sie nun direkt neben mir stand. “Ich frag dich etwas anderes, okay?” Sie wartete gar keine Antwort ab, sondern plapperte gleich drauf los: “Jake ist vorhin gegangen. Nachdem er dich angerufen hat. Was hast du denn gesagt?”, wollte sie wissen.

“Wann? Das erste, oder das zweite mal, als er angerufen hat?”, fragte ich sie und ihr Kopf schnellte von meiner Schulter.

“Er hat dich zweimal angerufen?” Ich nickte nur. “Hm… Ich hab nur einmal mitbekommen, dass er dich angerufen hat. Das war so kurz vor vier.”, meinte sie und ich runzelte die Stirn. Hatte ich wirklich so lange zum duschen und anziehen gebraucht? Dann zog ich mein Handy aus der Hosentasche und drückte eine Weile auf den Tasten rum, bis ich das erreichte, was ich gesucht hatte. Ich drückte einmal nach unten. Tatsache! Jake hatte kurz vor vier angerufen gehabt. Hannah zuckte die Schultern. “Nun ja, ist auch egal. Heute ist sowieso ein komischer Tag.”, meinte sie und hockte sich auf den Bordstein, der die Halle umgab. Ich zog die Stirn kraus und hockte mich neben sie, das Handy noch in der Hand haltend.

“Wie meinst du das?”, fragte ich sie und sie sah mich lächelnd an.

“Na ja, weißt du, Jake ist heute viel zu früh da gewesen. Schon viertel vier, als ich gekommen bin, saß er auf dem Geländer und hat traurig drein geblickt. Dann kamst du zu spät und Jo kommt gar nicht. Er meinte, er hätte noch was zu erledigen. Ph! August war gestern Abend mit ihm im Club und meinte er hätte ne hübsche Blondine aufgerissen, die er heute unbedingt noch flachlegen wollte. Also, ich bitte dich, er hatte…”

Nein, ich hörte nicht mehr zu. Ich wollte gar nicht weiter zuhören. Wieso musste sie, ausgerechnet sie, mir mitteilen, das Jo sich ein neues Schäfchen gesucht hatte, mit dem er perverse Spielchen spielen wollte. Ich wollte so etwas nicht wissen. Ich wollte es mir vor allem nicht vorstellen, wie und wo sie miteinander…

“Sam?”, fragte mich Hannah und unterbrach somit meine Gedanken. Ich schüttelte den Kopf und erhob mich langsam. Scheiße! Mir war plötzlich so verdammt schlecht!

“Sorry, Hannah, aber ich mach wieder los, war wohl doch nicht so eine gute Idee, heute hierher zu kommen. Sag allen einen Gruß von mir, ja?” Ich hob die Hand zum Gruß und rannte dann von der Eishalle weg. Zu meinem Vater. Den gesamten Weg. Oh, Fuck, wenn das so weiter ging, würde ich irgendwann noch Marathonläufer! Und das wollte ich sicherlich nicht werden.

“Sag doch mal Soooo!”, erklang es und ich blieb ruckartig stehen. “Solahahar!” Ich blickte auf das Display und schüttelte den Kopf. Jo rief an. “Energihihi!” Mein Atem ging viel zu schnell. “Solarenergie!” Mein Herz schlug in einem Tempo das mir so gar nicht passte. “Sag doch mal Soooo!” Ich wollte nicht rangehen. “Solahahar!” Allerdings wusste ich auch nicht, warum ich ihn nicht einfach wegdrückte. “Energihihi!” Sollte ich vielleicht doch abheben? “Solarenergie!” Mein Daumen bewegte sich schleichend über die Tastatur des Mobiltelefons. “Sag doch mal Soooo!” Ich atmete noch einmal tief durch. Dann hörte das Klingeln auf und ich schloss die Augen. Wieso hatte er angerufen? Ich dachte er legt seine neue Flamme flach. Warum musste ich an diesem Wochenende nur von soviel Mist umgeben sein?

Wieder musste ich an IHN denken. An den Kerl, weswegen ich jetzt hier war. Leicht erzitterte ich. Ich biss mir auf die Unterlippe und unterdrückte den Drang, laut zu schluchzen. Ich war in der Öffentlichkeit. Und in der Öffentlichkeit war ich ein Junge. Und Jungs hatten nicht zu weinen. Sie waren stark. Keine Schwächlinge, die wegen jeder Kleinigkeit in Tränen ausbrechen mussten. Sie waren keine Mädchen. Trotzdem floss mir eine Träne die Wange hinunter und ich schluckte schwer. Nein, nicht jetzt. Nicht hier, verdammt! Also rannte ich weiter, die Schritte nicht zählend, die ich tat. Die Stimmen missachtend, die ich hörte. Die Geräusche ausblendend, die mir entgegen schallten. Nicht auf die Menschen reagierend, die mich verärgert ansahen, wenn ich in sie hineinlief. Ich rannte einfach. Und es tat gut.

“Sag doch mal Soooo!”, schallte es da aus meiner Hosentasche und ich blieb wieder erschrocken stehen. “Solahahar!”, Ich kramte es schnell aus der Hosentasche und blickte drauf, bevor ich den grünen Hörer drückte.

“Hey, Dad!”, sagte ich leise und völlig außer Atem.

“Sam, wo bist du?”, fragte er und ich sah mich kurz um.

“Noch eine Kreuzung.”, meinte ich und ging langsam weiter, versuchte, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen.

“Ah, gut. Bis gleich!” Damit legte mein Vater wieder auf und auch ich steckte das Handy wieder in die Hosentasche. Gosh, warum riefen heute alle an? Hatten die denn alle kein Leben oder niemand anderen, den sie belästigen konnten? Ich blickte wieder nach vorne und blieb erschrocken stehen. Nein, das konnte nicht sein. Ich wich einen Schritt nach hinten und mein Gegenüber lächelte mich kalt an. Verdammt, ich wollte nicht mehr!

Bettgeflüster

Kapitel 14: Bettgeflüster
 

“Hallo Sam!”, meinte mein Gegenüber und ich machte noch einen Schritt nach hinten. Nein. Wieso jetzt? “Wir haben uns lange nicht mehr gesehen!”, meinte er und im nächsten Moment hatte er seine Hand fest um mein Handgelenk gelegt. Der Weißhaarige Junge wollte nicht, dass ich wegrannte. Das wusste ich nur zu gut. Leider. Leider kannte ich ihn.

“Was willst du hier, Marcus?”, fragte ich ihn und er fing lauthals an zu lachen.

“Ach, Sammy-Schatz. Das müsstest du doch theoretisch wissen, nachdem ich dich drei Jahre lang gesucht habe, ohne einen geringsten Hinweis, wo du hingehst. Du kannst dich darauf verlassen, dass dich dein früheres Leben jetzt einholt! Ich brauche dich, Sam!” Ich blickte ihn verwirrt und schockiert an. Dann schluckte ich hart und schwer.

“Erstens: Ich weiß, dass ich dir nichts wert bin, also wieso sollte ich dir glauben, dass du, gerade DU, Marcus, mich drei Jahre lang gesucht hättest. Zweitens: Wenn du es doch getan hättest, dann wäre ich schon längst wieder in deiner Gewalt, weil du, wenn du jemanden suchst, diesen nach drei Tagen gefunden hast, egal welche Strecke dazwischen liegt. Und Drittens: Ich habe keinerlei Lust, wieder in mein ‘früheres Leben’ zuschlüpfen. Was denkst du, warum ich hier bin? In dieser Gestalt? Als Mädchen wäre ich vermutlich genauso dran wie damals bei dir.”, schrie ich ihn halb an, die letzten Worte jedoch etwas leiser sagend. Der Weißhaarige lächelte mich überfreundlich an und ich konnte mir ein seufzen gerade so verkneifen. Ich und meine große Klappe.

“Oh Sammy, wie ich dich vermisst habe!”, sagte er und zog mich näher zu sich, was, obwohl ich mich so stark ich konnte dagegen wehrte, ihm ohne große Anstrengung gelang. Ich hasste ihn. Er war derjenige, der mich zwei Jahre lang gedemütigt, verletzt und zu allem Überfluss auch noch vergewaltigt hatte. Ich schlug um mich, den plötzlich auftretenden Schmerz in meinem Handgelenk völlig missachtend. “Ganz ruhig, Kleine!”, meinte er halb lachend und ich hob mein Knie, um ihn jenes in die einzige verletzliche Stelle an seinem Körper zu rammen, die er besaß. Als er kurz in sich zusammensackte, nutzte ich die Gelegenheit, mich aus seinem Griff zu befreien und davonzurennen. “Miststück!”, schrie er mir noch hinterher, aber ich schüttelte im Laufen nur den kopf. Ich wollte nicht hören. Vor Allem wollte ich ihn nicht Hören.

Vor dem Restaurant meines Vaters hielt ich an und holte noch einmal tief Luft. Wieso musste Marcus Silverstone gerade jetzt auftauchen? Jetzt, wo ich gerade kurz davor war, entlarvt zu werden? Wenn ich jetzt an Janie dachte, konnte ich nur den Kopf in den Nacken legen und tief aufatmen. Nein, alles war besser, als ein Leben unter der Gewalt von Silver. Ich musste mich bemühen, den Gedanken an ihn zu verdrängen. Dann ging ich mit gesenktem Kopf in das Restaurant hinein. Mein Vater wartete schon auf mich.
 

Um 23:27 verließ ich das Restaurant und schluckte leicht. Auch, wenn mein Vater nichts gemerkt hatte, so meinte ich allerdings, dass Damon mich die ganze Zeit fragend von der Seite betrachtet hatte, wenn ich in die Küche kam. Ich hatte versucht, mein bestes Lächeln aufzusetzen, aber irgendwie hatte es meine Augen nicht erreicht. Ich war vollkommen neben der Spur. Heute auch die Erste, die ging.

Auf dem Weg nach Hause blickte ich auf mein Handy und seufzte leise. Was war denn heute mit den Leuten los? Wieso um alles in der Welt rief mich Sam achtmal an und schickte mir drei verfluchte SMS? Warum ich denn nicht ranginge? Weshalb ich mich nicht bei ihm melde? Was er falsch gemacht hätte? Ich schüttelte den Kopf und steckte das Handy wieder weg. Ich wollte nicht sauer auf ihn sein, war es eigentlich auch gar nicht. Aber warum hatte ich so ein komisches Gefühl im Bauch? Wieso dachte ich die ganze Zeit an das Mädchen, welches das Privileg hatte, den ganzen Tag mit ihm zusammen zu sein.

Moment! Hatte ich wirklich gerade Privileg gesagt? Oh, was war nur los mit mir? Ich schüttelte den Kopf und erinnerte mich an Silver. Was würde er wohl noch anstellen, nur um mich wieder zum Mädchen zu machen, das ihm jeden Wunsch von den Augen ablas? Ich wusste es nicht und langsam bekam ich Kopfschmerzen vom vielen Nachdenken! Zuhause angekommen, zog ich mich aus, stellte meinen Wecker und duschte mich ausgiebig, dabei mal wieder ein Lied vor mich her summend. Diesmal allerdings von Miley Cyrus: 7 thing I hate about you. Ich trocknete mich ab, zog mein Schlafshirt an und rollte mich auf meinem Bett zusammen, das Lied immer wieder vor mich her murmelnd.

Ich war kurz vorm einschlafen, die Augen hatte ich schon geschlossen, klingelte es an der Tür. Ich zog sie Stirn kraus und schüttelte den Kopf. Nein, ich wollte jetzt nicht. Ich wollte schlafen, verdammt!

Es klingelte erneut und ich erhob mich seufzend und nahm den Hörer der Sprechanlage in die Hand.

“Ja?”, fragte ich und ich war mir sicher, dass es reichlich verschlafen klang. Mir aber egal!

“Hey, ich hätte gedacht, dass du schon schläfst!”, murmelte man in die Anlage und ich erkannte leider nicht, wer mir das sagte. Ich seufzte leise auf.

“Tu ich aber nicht, also, was gibt es?”, fragte ich zurück.

“Kann ich hochkommen? Ich will das nicht zwischen Tür und Angel besprechen.”, meinte man auf der anderen Seite und ich war leicht irritiert. War es wirklich ein Mädchen, dass mich da gerade besuchen wollte?

“Ich weiß nicht recht.”, sagte ich nur. Ich hatte keinerlei Lust meinen Verband jetzt wieder um zu machen und mich wieder ordentlich anzuziehen.

“Sam, hast du überhaupt eine Ahnung, wer hier steht?”, wurde ich angeschnauzt und ich wich erschrocken von der Anlage zurück.

“Nein, und ich will es auch gar nicht wissen, wenn man mich deswegen gleich so anschreit! Das kann ich nämlich nicht leiden, kapiert?” Ich hörte ein Seufzen auf der anderen Seite und holte noch einmal tief Luft. “Du kannst auch gehen, wenn du nicht weiterreden willst, oder wenn ich dich verletzt haben sollte oder sonst etwas. Mir doch egal!” Ich wollte gerade den Hörer auf die Anlage knallen. Als meine Gesprächspartnerin jedoch leise lachte, überlegte ich es mir dann doch anders.

“Hier ist Janie. Kann ich hochkommen?” Janie? Oh! Ich atmete erleichtert auf und drückte den Summer.

“Achtzehnter Stock!”, setzte ich noch dran, bevor ich den Hörer wieder weglegte. Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. Was wollte sie um diese Uhrzeit noch hier? Musste sie nicht schon längst im Bett sein? Morgen war doch Schule! Langsam ging ich zu der Wohnungstür und machte sie auf, um mich in den Rahmen zu setzen. Ich war müde. Ich wollte jetzt nicht reden. Schon gar nicht mit Janie. Mit einem sechzehnjährigen Mädchen, dass mein Geheimnis wusste und auch noch Jos Schwester war. Ach, wann war das alles so kompliziert geworden?

“Hey!”, wurde ich leise angesprochen und ich blickte nach oben, genau in Janies graue Augen. Diese lächelte leicht und hockte sich vor mich. “Ist dir nicht kalt?”, fragte sie mich und ich schüttelte nur den Kopf. Sie seufzte leise, stand wieder auf und reichte mir ihre Hand. “Lass uns reingehen, ja?” Ich nickte, ergriff ihre Hand und ließ mich von ihr hochziehen. Gemeinsam betraten wir meine Wohnung und Janie blickte sich neugierig um. Ich setzte mich auf mein Bett und Janie setzte sich kurz darauf neben mich, nickte anerkennend. “Schön hast du es hier! Etwas einfarbig, aber sonst: recht ansehnlich!”, meinte sie dann.

“Ja, danke!”, meinte ich und stand auf, nur um mich dann im Schneidersitz hinzusetzen. “Also, was verschafft mir die Ehre deines Besuches und woher hast du meine Adresse?”, fragte ich sie und stützte meine Arme auf meine Knie, um mein Kopf auf die Hände zu legen.

“Jo hat einen Zettel mit deiner Adresse an seiner Wand hängen.”, meinte sie und zuckte die Schultern. “Und der Grund meines Besuches ist ebenfalls mein Brüderchen.” Ich zog verwirrt die Stirn kraus und linste zu dem Mädchen, das neben mir saß.

“Wieso wegen Jo? Was hat er denn schon wieder angestellt?”, fragte ich sie. Jo war nicht wirklich trinkfest, zog sich aber trotzdem immer viel zu viel rein. Bis zum Erbrechen. Ich glaube, dass ist sogar sein Motto.

“Nun ja. Hat dir August von der Blondine erzählt?” Ich setzte mich gerade hin und sah sie irritiert an.

“Hannah hat es mir gesagt. Was ist mit der Blondine?” Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Plötzlich fing Janie laut zu lachen an und ich zog die Augenbrauen hoch. Hatte SIE getrunken? “Was ist so lustig?”

“Er wollte mit ihr schlafen, hat es aber nicht auf die Reihe bekommen und sie ist wutschnaubend zur Tür hinaus. Nur in BH und Slip. Das war echt zum Schreien, sag ich dir!” Wie? Er konnte nicht? Langsam machte sich ein Lächeln in meinem Gesicht breit. Mein Bauch fing plötzlich wieder an zu kribbeln und mein Herzschlag legte an Schnelligkeit zu. Fuck, was war denn nur los mit mir? Ich schüttelte den Kopf und sah Janie streng an.

“Deswegen bist du zu mir gekommen? So spät? Hättest du nicht anrufen können?”, fragte ich Janie, die sich jetzt auf die Unterlippe biss und den Blick senkte.

“Das wollte ich noch fragen: Kann ich heute bei dir übernachten? Jo ist gerade echt sauer auf mich, so, wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich will heute nicht nach Hause. Bitte, Sam!” Ich seufzte und legte den Kopf in den Nacken. Dann blickte ich auf die Uhr und nickte langsam.

“Von mir aus! Ich müsste sogar noch ein paar Klamotten haben, die dir passen könnten.” Janie blickte auf und sah mich erstaunt an.

“Du hast noch Mädchensachen?”, fragte sie mich. Ich lächelte und nickte.

“Ja, ich habe meine BHs noch nicht verbrannt.”, meinte ich und sie musste lachen. Ich stimmte mit ein und erhob mich, um ihr noch ein paar Schlafsachen zu geben.

“Sag doch mal Soooo!”, erklang mein Handy, als ich Janie ein Shirt und eine Boxer reichte, die sie nur misstrauisch betrachtete. “Solahahar!” Ich nahm das Handy von meinem Schreibtisch und lugte auf das Display. “Energihihi!”

“Dein Bruder!”, sagte ich leise zu Janie, die sofort den Blick hob um mich anzustarren.

“Solarenergie!”, klingelte es weiter. Janie schüttelte nur den Kopf, aber ich hatte schon den grünen Hörer gedrückt.

“Hey, Jo!”, sagte ich und setzte mich zu Janie, die nervös auf ihrer Unterlippe kaute.

“Du bist noch wach! Gut!”, sagte er und ich zog die Stirn kraus.

“Wieso gut? Was ist los?”, fragte ich gleich und Janie sah mich gespannt an.

“Meine Schwester ist weg. Schon seit einer Stunde! Sie hat sich nicht abgemeldet oder einen Zettel geschrieben. Sie ist irgendwo und ich mache mir Sorgen! Kannst du mir helfen, sie zu suchen?”, fragte er und ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen.

“Dann hab ich meinen Teil schon erledigt!”, sagte ich leise und Janie legte den Kopf auf meine Schulter.

“Wie meinst du das?”, fragte Jo und ich musste grinsen.

“Janie sitzt neben mir.”, antwortete ich ihm. Ein Schnauben kam vom anderen Ende.

“Was macht sie bei dir? Sie soll nach Hause kommen! Mum und Dad machen sich Sorgen und ich auch!”, sagte er und ich konnte mir vorstellen, wie er die Zähne fest auf einander presste, um nicht zu schreien. Janie nahm mir das Telefon aus der Hand und atmete einmal tief durch.

“Ich schlafe heute hier! Mach dir keine Sorgen, Sam wird mich schon nicht anfallen, ist schließlich auch nur ein Mä…” Ich hielt ihr die Hand auf den Mund und sie verstummte sofort, um sich sofort wieder auf die Lippe zu beißen. “ähm… ein mä… mächtig müder… Mensch.”, stotterte sie, als ich die Hand wieder wegnahm. Ich lachte leise und nahm das Telefon wieder an mich.

“Ich pass schon auf sie auf.”, versicherte ich Jo und schickte Janie mit einer Geste der Hand ins Badezimmer, um sich endlich fertigzumachen. Sie folgte meiner Anweisung sofort.

“Ich zähl auf dich, Kumpel! Sie ging als Jungfrau und so will ich sie auch wiederhaben!”, murmelte er und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

“Als ob gerade sie DIE Richtige wäre, nicht wahr?! Mach dir nichts vor. Ich werde ihr kein Haar krümmen!”, sagte ich und Jo schnaubte wieder nur.

“Das will ich doch stark hoffen. Schlaft gut, Sam!” Damit legte er auf.

“Du auch, Jo!”, murmelte ich, bevor ich das Telefon weglegte und mich rücklings auf das Bett schmiss. Verdammt, wieso war mir plötzlich so schlecht? ARGH!

Gefühle?!

Jaja, es ist mal wieder etwas kürzer getreten, aber hey, dafür ganz viel Janie *freu* Ich mag das Mädchen einfach *g*

Viel Spaß...
 

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Kapitel 15: Gefühle?!
 

Der nächste Morgen begann viel zu früh, weil Janie sich unbedingt noch schminken wollte und mich vor dem Schlafen gehen dazu genötigt hatte, den Wecker eine Stunde vorzustellen, damit sie genügend Zeit dazu hatte. EINE GANZE STUNDE! Ich wollte sterben, als mein Wecker dreiviertel sechs klingelte und Janie neben mir nicht die Kraft fand, das Ding abzuschalten.

“Janie, steh auf!”, murrte ich, aber das Mädchen brummte nur ungehalten. “Komm schon, ich wollte mich nicht hübsch machen, sondern du, also mach das auch, verdammt!” Ich schubste sie aus meinem großen Bett und hörte einen leisen Rums, als sie auf dem Boden ankam.

“Au!”, sagte sie leise und richtete sich wieder auf. “Was soll das? Ich wäre doch gleich aufgestanden!” Ich drehte den Kopf auf die andere Seite und brummte nur vor mich hin. Hauptsache, sie war endlich aus dem Bett raus. Doch zu meinem Entsetzen schaltete sie das Licht an und ich blinzelte erschrocken.

“Ey, mach das Licht aus! Ich will schlafen!” Janie schenkte mir noch einen spöttischen Blick, bevor sie sich an meinem Schrank zu schaffen machte. “Dritte Schublade!”, meinte ich und zog die Decke über den Kopf. Ich war jetzt nicht in der Lage aufzustehen.

“Wow! Du hast ja echt geile Klamotten!”, meinte Janie und ich seufzte tief.

“Toll, kannst du dich bitte leise darüber freuen? Ich würde gerne die Augen noch für zehn Minuten zu machen. Darf ich das?”, fragte ich leicht genervt.

“Ja, ich gehe ja schon!”, meinte sie und kurz darauf war das Licht aus.

“Danke!”, murmelte ich, bevor ich noch einmal kurz einnickte.
 

“Hey, Sammy! Aufwachen!” Man rüttelte an meiner Schulter und ich brummte unwillig. “Ach komm schon.”, meinte man und ich drehte mich auf die andere Seite, nur um Janie genervt anzuschauen. “Ich hatte auch keine Lust zum Aufstehen. Aber wir müssen zur Schule.” Ich brummte erneut und richtete mich langsam auf. Janie setzte sich in Bewegung und begab sich in die angrenzende Küche. “Willst du Tee? Kaffee?” Ich schnaubte. Was sollte das? Sie war das erste Mal in meiner Wohnung, ein Mädchen, dass ich kaum kannte, und fragte mich, ob ich etwas trinken wollte. Das war doch nicht normal.

“Tee.”, sagte ich dennoch und stand von meinem Bett auf. Aus meinem Schrank holte ich eine neue Shorts, eine Hose und ein ausgewaschenes Shirt. Dann ging ich in das Bad, band mir meinen Verband um die Brust und zog mich an. Janie summte die ganze Zeit irgendein Lied in der Küche vor sich her. Ich hoffte nur, sie würde mich heute nicht noch mehr nerven. Fertig angezogen marschierte ich aus dem Bad raus und ging in mein Zimmer, um mein Fenster aufzureißen und die frische Luft hinein zu lassen. Dann streckte ich mich einmal genüsslich und gähnte tief. Ich schloss kurz die Augen, bevor ich mich umdrehte und meine Bettdecke zusammenlegte, um sie ordentlich auf das Bett zu legen.

“Hier.”, sagte Janie vor mir und ich hob den Blick. Sie reichte mir eine Teetasse mit dampfendem Inhalt. Ich nahm sie entgegen und lächelte sie freudig an.

“Danke.”, meinte ich und pflanzte mich auf meinen Teppich. Janie tat es mir gleich und nippte an ihrer Tasse. Ich ließ meinen Blick über ihre Sachen gleiten. Sie hatte sich für meinen alten, roten Pulli und eine verwaschene, enge Jeans entschieden.

“Entschuldige, wenn ich mich hier gleich so breit gemacht habe, aber ich fühl mich hier irgendwie wohl. Da konnte ich einfach nicht anders.”, meinte sie und ich musste grinsen.

“Schon in Ordnung. Aber bitte warn mich das nächste Mal vor, wenn du bei mir übernachten willst.”, grinste ich sie an und nahm einen Schluck von meinem Tee. Dann warf ich einen Blick auf die Uhr und seufzte resignierend auf. “Wir müssen los.”, sagte ich, trank meinen Tee aus und erhob mich, um Janie hochzuziehen. Sie nickte lächelnd, brummte aber trotzdem genervt. Dann lachte sie laut auf und ich blickte sie verstört an.

“Du tust mir total Leid, Sammy!”, sagte sie und ich grummelte wütend.

“Bitte, nenn mich nicht Sammy! Das kann ich nicht leiden!”, fuhr ich sie an, woraufhin sie seufzte und nickte. “Warum tu ich dir Leid?”, fragte ich sie dann. Sie lachte noch einmal.

“Wegen Jo! Er wirft immer ein Auge auf mich und ist mit keinem Typen zufrieden, den ich anschleppe. Jetzt hab ich bei dir geschlafen, und er hat schon letztens total überreagiert, als ich dich umarmt hatte. Er ist eine Glucke! Richtig schlimm in letzter Zeit! Immer wieder das selbe! Ich will nicht mehr die kleine Schwester sein, die ständig von ihrem Bruder beobachtet und kontrolliert wird. Er hat doch auch ständig seine Bettgeschichten. Tagein, tagaus ein neues Blondchen, dass sich nicht mal den eigenen Namen merken kann…” Sie hatte sich richtig in Rage geredet und so wie es aussah, würde sie jetzt nicht einfach wieder aufhören.

“Hey, ist ja gut, ich rede mit ihm!”, sagte ich und schon wieder bereute ich meine vorlaute Klappe. Wie immer! Janie hörte tatsächlich auf zu quasseln und zog ihren Schnürsenkel fest, während ich mir die Jacke anzog.

“Du willst mit ihm reden? Worüber?”, fragte sie und blickte von ihren lila Chucks auf. Wollte sie mich auf den Arm nehmen? Sie plapperte doch ohne Pause und konnte sich nicht merken worüber?

“Na darüber, dass er dich nicht wie ein kleines Kind behandeln soll. Dass dir seine ewigen Weiber auf den Wecker gehen.”, sagte ich und steckte den Schlüssel in meine gepackte Schultasche. Janie riss erschrocken die Augen auf.

“Nein, bloß nicht, sonst kommt ihm noch in den Sinn, dass ich dir das von Blondchen gestern erzählt habe. Dann bekomme ich wieder Ärger!” Ich seufzte gequält auf und schob das Mädchen aus meiner Wohnung hinaus, die Tür hinter ihr schließend.

“Dann halt nicht. Aber irgendjemand muss es ihm doch sagen, oder etwa nicht?”, fragte ich das schwarzaarige Mädchen, welches sich auf die Unterlippe biss und die Schultern zuckte.

“Ich weiß nicht.”, meinte sie dann leise und ich seufzte, während wir in den Fahrstuhl stiegen. “Aber ein anderes Thema: Ich bin der Meinung, dass Jo endlich eine feste Beziehung braucht, findest du nicht auch?”, fragte sie. Ich schluckte und meine Kehle war plötzlich staubtrocken. Mir wurde mal wieder schlecht. Nein, ich wollte nicht über Jo und seine vermeintliche Freundin reden und schon gar nicht darüber nachdenken. Ich zuckte die Schultern und räusperte mich.

“Ich kann da nichts zu sagen.”, meinte ich leise, als wir den Fahrstuhl im Erdgeschoss verließen. Janie öffnete die Haustür und trat in die Kälte hinaus. Sofort zitterte sie leicht.

“Ich finde, die Person, die am besten zu Jo passt… bist du, Sam!”, sagte sie fast flüsternd und senkte den Blick. Ich blieb erschrocken stehen und blickte sie erstaunt an.

“Ich?” War das ihr Ernst? Anscheinen, denn sie nickte, biss sich aber weiterhin auf die Unterlippe. Ich schüttelte den Kopf. “Nein, das geht nicht! Ich mag Jo, klar, aber doch nur als Freund!”, sagte ich zu ihr, was sie leise auflachen ließ. Sie ging weiter und ich folgte ihr.

“Warum hast du dann heute Nacht seinen Namen im Schlaf geflüstert?” Ich zog irritiert die Augenbrauen nach oben.

“Hab ich das?”, fragte ich sie, was das Mädchen wieder zum Lachen brachte und mich rot werden ließ. Weshalb wusste ich selber nicht. Aber das Kribbeln in meinem Bauch war wieder da. Na ganz toll.

“Oh ja, das hast du!”, sagte sie und grinste mich lieb an. “Und ich glaube sogar, dass Jo auch etwas mehr für dich übrig hat. Er hat dich nämlich lautstark verflucht, nachdem die Tusse weg war.” Und deshalb sollte er etwas für mich übrig haben, na ich wusste ja nicht.

“Das hat mit mir sicherlich nichts zu tun. Er wollte nur Dampf ablassen.”, wiegelte ich ab, doch Janie schüttelte den Kopf.

“Nein, ich habe es genau gehört. Er sagte: ‘Verflucht, warum Sam!’ Es ergibt anders gar keinen Sinn! Er hat an dich gedacht, als er Blondchen vögeln wollte, hat es somit nicht geschafft und dich verflucht, weil du ihm den Kopf verdreht hast und ihm nicht mehr aus dem Kopf gehst! Verstehst du das denn nicht?” Ich schüttelte den Kopf.

“Willst du mir damit wirklich sagen, dass er in mich verliebt sei? Nein, ganz sicher nicht. Und ich bin auch nicht ihn verliebt, falls du das jetzt auch noch andeuten willst. Verdammt, ich muss mich hier als Junge durchschlagen! Ich kann es mir nicht leisten, gerade jetzt schwach zu werden und das Mädchen in mir wachzurütteln. Dazu habe ich keine Zeit und vor Allem keine Gelegenheit. Jo, Jake, Elias, August, sogar Hannah. Sie würden mich verachten. Ich kann das nicht machen. Such dir bitte jemand anderen, dessen Leben du auf den Kopf stellst, ich kann da nicht mitmachen. Tut mir Leid.” Damit wandte ich mich von Janie ab und rannte zur Schule.

“Verdammt, Sam!”, schrie sie mir hinterher, aber ich wollte sie nicht hören. Ich rannte auf den Schulhof und wurde dann langsamer. Ich ging langsam in das Schulgebäude und in mein Klassenzimmer, setzte mich auf meinen Platz ganz hinten in der Klasse, zog meine Jacke aus und legte den Kopf auf die Tischplatte. Shit. Wieso erzählte mir Janie so etwas? Hatte sie nicht einmal gesagt, sie stand selber Mal auf mich? Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich wollte sie nicht mehr verstehen, vielleicht lag es daran. Aber hatte sie vielleicht doch recht? Dieses blöde Kribbeln. Wo kam es her? Was hatte es zu bedeuten? Warum suchte es mich heim? Und wieso musste ich jetzt an Silver denken? Mir stiegen die Tränen in die Augen, die ich sofort wieder runter schluckte. Ruhig, Sam. Nicht schwach werden. Du musst stark sein! Du musst ein Junge sein. Zumindest gefühlsmäßig. Keiner durfte mich durchschauen. KEINER!

Prügel

Kapitel 16: Prügel
 

Als der Stuhl neben mir gerückt wurde, schreckte ich hoch. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich nicht mehr alleine war.

“Wo ist Janie?”, wurde ich gefragt und ich zuckte abermals zusammen. Ich schüttelte den Kopf, bevor ich Jo ansah.

“In ihrem Klassenzimmer.”, sagte ich in normaler Lautstärke. Er starrte mich böse an, aber ich hielt seinem Blick stur stand. Ja, ich konnte auch mal stur sein. Aber halt nur, wenn ich das auch wollte.

“Was wollte sie bei dir?”, fragte er und ich verdrehte genervt die Augen.

“Reden.”, sagte ich und er seufzte gequält.

“Erzähl keinen Scheiß!”, meinte er und presste die Zähne zusammen.

“Ich erzähle keinen Scheiß! Frag sie doch selber, warum sie zu mir kommt und sich bei mir ausheult, weil du deine Bettgeschichten nicht befriedigen kannst und sie dann anmotzt.”, schrie ich ihn an. Jo stand auf und zog mich am Kragen meines T-Shirts zu sich hoch.

“Wenn du meiner Schwester auch nur ein Haar krümmst, dann bist du dran!”, würgte er mir entgegen und ich schnaubte nur.

“Herr Stranitz! Loslassen!”, sagte irgendjemand, aber ich blickte nicht zu der Person, und auch Jo ließ nicht los. Seine Augen waren voller Zorn und Wut. Ich starrte ihn nur böse an.

“Jo, lass ihn los!”, sagte jemand anderes ziemlich leise und Jo löste seinen Blick von mir. Auch ich drehte mich zu der Person, die seine Aufmerksamkeit erhielt. Elias. Jo schnaubte angepisst und ließ mich los. Ich stolperte einen Schritt zurück und plumpste auf meinen Stuhl.

“Herr Stranitz, Herr Leut, es ist mir vollkommen egal, ob sie sich prügeln wollen oder nicht.”, meinte unsere Lehrerin zu uns und ich zog die Augenbrauen hoch. “Aber nicht in meinem Unterricht. Sie gehen beide in das Direktorat. Herr Hohrn, sie gehen mit, damit wir nachher nicht den Leichenwagen rufen müssen.”, meinte die Dame in Pink und Jo grunzte genervt. Elias atmete geräuschvoll aus. Ich erhob mich von meinem Stuhl und folgte den beiden auf den Flur.

“Man, was ist los mit euch?”, fragte Elias uns und Jo schnaubte wieder nur. Ich zuckte die Schultern und steckte die Hände in die Hosentaschen. Jo war mein bester Freund und jetzt wollte er mich verprügeln, weil seine Schwester meinte, ich müsste ihre beste Freundin sein? Ich war in der Hölle gelandet und es war nicht so heiß, wie alle immer behaupteten. “Leute, ich rede mit euch! Also? Was ist los?” Jo zog die Schultern noch ein Stück nach oben und ich seufzte leise.

“Es geht um Janie!”, meinte ich leise. Sofort drehte sich Jo wieder um und stellte sich direkt vor mich. Wut, Zorn und sogar etwas Trauer lagen in seinem Blick und ich wich erschrocken zurück. Wieso musste er mich immer erschrecken?

“Es geht nicht um Janie!”, schrie er mir ins Gesicht und ich zog die Augenbrauen hoch. Das war doch nicht sein Ernst, oder?

“Klar geht es um Janie!”, schrie ich ihn an und er schüttelte den Kopf.

“Es geht nicht um Janie!”, sagte er etwas leiser, den Blick starr auf mich gerichtet.

“Um was geht es denn dann? Um deine verdammte Eifersucht? Verdammt, sie ist ein Mädchen und will selbst Erfahrungen sammeln. Lass sie fliegen!”, schrie ich ihn an und er zuckte leicht zusammen.

“Wie redest du von ihr? Spinnst du? Sie ist frei. Ich will nur ein Auge auf ihren Bekanntenkreis werfen. Ich habe keine Lust, dass sie am Ende wegen irgendeinem dahergelaufenen Trottel möglicherweise noch die Schule abbrechen muss.”, schrei er nun auch wieder und ich schnaubte.

“Jo!”, rief Elias dazwischen und Jo drehte sich kurz zu ihm.

“Lass mich jetzt bloß in Ruhe!”, zischte er ihn an und wandte sich wieder mir zu. “Glaubst du wirklich, dass du das Zeug dazu hättest, mit meiner Schwester zusammen zukommen? Ich nicht!”, brüllte er nun fast.

“Jo!”, griff Elias wieder ein, aber Jo reagierte gar nicht auf ihn, sondern fixierte nur meine Augen.

“Vielleicht schon. Vielleicht will ich das aber auch gar nicht. Vielleicht will sie einfach nur mit mir befreundet sein? Wäre das denn so schlimm? Wenn sie mich zum Freund hätte?”, fragte ich ihn schreiend.

“Sam!”, schrie Elias und ich zeigte ihm die hohle Hand. Ich war wütend. Ich konnte ihn jetzt nicht gebrauchen.

“Ja, das wäre die reinste Katastrophe!”, schrie Jo nun wieder.

“Jo!”, schrie Elias schon wieder dazwischen. Jo atmete laut aus, drehte sich zu Elias und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Ich wich erschrocken zurück. Bis jetzt hatte ich noch nie gesehen, wie Jo handgreiflich wurde.

“Klappe, verdammt!”, schrie er und wandte sich wieder mir zu. “verstehst du denn nicht, dass es hier gar nicht um Janie geht? Hier geht es um dich! Um dich, mich und unsere Freundschaft!”, schrie er weiter mich an. Mein Blick lag auf dem nun am Boden liegenden Elias, der sich mit beiden Händen die Nase hielt. Bei Jos Worten allerdings, siegte die Wut in mir und ich blickte wieder zu ihm auf.

“Freundschaft?”, fragte ich ihn schreiend. Ich lachte höhnisch auf. “Mittlerweile sehe ich keine Freundschaft zwischen uns. Sonst würdest du anders reagieren und dich eventuell für deine Schwester freuen!”, schrie ich weiter auf ihn ein. Gott, jetzt sah ich mich schon selbst als ihre Beziehung an.

“Mich für sie freuen? Wegen dir? Sicherlich nicht!” Er hob die Hand und im nächsten Moment fand ich mich auf dem Boden wieder, einen stechenden Schmerz in meinem Gesicht. Ich schloss gequält die Augen. Ach Fuck! “Würdest du dich freuen, wenn deine Schwester jemanden anschleppt…” Erneut landete ein Fausthieb auf meinem Gesicht und ich fiel gänzlich auf den Rücken. “… der dir selbst viel bedeutet?” Wieder ein Schlag und ich spürte einen metallischen Geschmack im Mund. Nein, oder? Aber Moment, was hatte er gesagt? Ein weiterer Schlaf traf mich im Gesicht und ich biss mir schmerzhaft auf die Unterlippe, um nicht zu schreien. Meine Hände konnte ich nicht bewegen. Irgendjemand oder irgendetwas lag darauf. Die Augen hatte ich geschlossen, ich wollte nicht sehen, wie mich Jo verprügelte. Wieder ein Schlag, diesmal ziemlich nah an meinen Lippen, was mich zu einem erschrocken Keuchen verführte. “Verdammt, schau mich an, wenn ich dich prügle!”, schrie er mich an und ich atmete einmal tief durch, bevor ich die Augen öffnete. Auf mir hockte Jo, sein Gesicht war verschmiert mit roten Sprenkeln. Und seine Augen waren feucht.

“Weinst du?”, fragte ich leise und ein Beben durchzuckte ihn. Dann spürte ich einen erneuten Schlag in meinem Gesicht. Ich hatte die Augen nicht geschlossen, sah, dass Jo sich die Hände vors Gesicht hielt und plötzlich anfing laut zu schluchzen. “Nein!”, sagte ich noch leise. Dann fielen meine Augen zu und es wurde schwarz. Die Schmerzen in meinem Gesicht waren wie weggeblasen. Dunkler Nebel umhüllte mich und wiegte mich sanft, hielt mich warm. Ich war frei, war mein erster Gedanke. Ich kann fliegen, war der zweite. Ich will das nicht, war allerdings der dritte.
 

“Sam?”, fragte eine leise Stimme neben meinem Ohr und ich öffnete blinzelnd die Augen. Vor meinem Gesicht war das von Elias, dessen Nase leicht geschwollen aussah. Er rückte ein Stück von mir ab und hielt sich kurz die Nase.

“Wie fühlst du dich?”, fragte er mich und ich dachte scharf nach. Ja, wie fühlte ich mich eigentlich? Ich holte tief Luft und plötzlich schmerzte mein ganzes Gesicht. Es zwickte, zog und zerrte. Ich keuchte leise und erschrocken auf. Dann schluckte ich vorsichtig.

“Dem Sterben nahe.”, meinte ich leise und sofort hatte ich wieder diesen ekligen Geschmack nach Blut im Mund. Ach Mist! Elias lächelte leicht und nickte dann.

“Weißt du, wo du ficht gerade befindest?”, fragte er mich weiter und ich runzelte irritiert die Stirn, was wieder einige stechende Schmerzen hervorrief. Dann sah ich mich um. Ich lag auf einem Bett. Oder einer Liege. Rechts von mir lag ein Fenster, durch welches helles Licht drang. Der Rest des Raumes war farblos und in einem mausgrau gehalten. Elias saß auf einem Stuhl und sah mich fragend an. Um seine Frage zu beantworten nickte ich leicht. Er zog eine Augenbraue nach oben. Die rechte von mir aus gesehen. Es war typisch für ihn und es sah zum schreien bei ihm aus. “Und wo wäre das?”, fragte er mich und stützte seine Arme auf die Liege, woraufhin er den Kopf auf seine Hände bettete. War das sein Ernst?

“Auf dem Mond!”, sagte ich immer noch ziemlich leise. Mein Hals tat verdammt weh. Elias konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

“Gut, du machst Scherze, das bedeutet: Dir geht es besser, als du aussiehst!”, meinte er und ich lachte versuchsweise, was aber nur in einem Röcheln endete.

“Sehe ich wirklich so schlimm aus?”, fragte ich ihn und hob eine Hand an meine Stirn. Mir war so verdammt warm und alles tat weh. Elias seufzte leise.

“Du sahst schon mal besser aus, sagen wir es so.” Er grinste leicht. “Aber Jo hat sich wirklich ins Zeug gelegt.” Das Grinsen verschwand von seinen Lippen und er seufzte erneut. “Verdammt, warum hast du dich denn nicht gewehrt, Sam?”, fragte er und ich zuckte lediglich die Schultern und schloss die Augen, den Schmerz verdrängend. “Soll ich Jo reinholen?”, fragte er mich und ich zuckte wieder nur die Schultern.

“Wozu? Damit er da weiter machen kann, wo er aufgehört hat?”, fragte ich leicht bissig und linste zu dem Braunhaarigen, welcher sich nun hinstellte und die Arme vor der Brust verschränkte.

“Es geht ihm ziemlich dreckig. Klar, er hat dich ganz schön zugerichtet, aber er war halt sauer und…”

“Er war halt sauer!?”, schreie ich ihn fast an, obwohl er ja eigentlich gar nichts dafür kann. “Ich schlag auch nicht auf jeden ein, auf den ich halt sauer bin!”, sagte ich laut. Elias zuckte erschrocken zusammen.

“Er hat die Kontrolle verloren, ja! Aber jetzt…” Fing er schon wieder damit an?

“Nein!”, rief ich ihm entgegen und setzte mich schnell auf, wodurch mir irre schwindlig wurde. Ich griff mir schnell an meinen Kopf und versuchte das Drehen aufzuhalten.

“Geht es?”, fragte Elias mich und ließ sich seufzend neben mir auf den Stuhl sinken. Ich nickte kurz, bevor ich den Kopf schüttelte. Ein leises Lachen kam von Elias und ich blickte ihm in die blauen Augen.

“Ich muss dir was sagen, Elias!”, meinte ich leise und biss mir auf die Unterlippe. Mein Kumpel sah mich neugierig an und ich musste schlucken. Scheiße, warum musste ich es ihm jetzt sagen? Warum überhaupt?

“Na dann schieß mal los!”, sagte er und reichte mir ein Glas Wasser, das vorher vermutlich auf dem Boden gestanden hatte.

“Oh, danke!”, meinte ich und ließ mir reichlich Zeit beim Trinken. Ich musste es ihm sagen! Ich hatte schon zu lange geschwiegen. Er hatte ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren.

“Also?”, fragt er, nachdem ich das Glas endlich leer getrunken hatte. Ich schluckte noch einmal, biss mir auf die Unterlippe und atmete einmal tief durch.

“Ich bin kein Junge.”, sagte ich leise und ziemlich unverständlich, wie ich fand.

“Hm?”, machte Eli und schaute mich fragend an. “Wie bitte? Ich hab dich nicht verstanden!”, sagt er leise lachend. Na toll!

“Ich bin kein Junge!”, sagte ich etwas lauter und trotzdem noch so leise, dass es nicht aus dem Raum getragen werden konnte. Ich schloss kurz die Augen. Ich hatte immense Angst vor seiner Reaktion. Als ich die Augen wieder öffnete, weil er nichts sagte, blickte ich in sein strahlendes Gesicht hinein. Ein unerwartetes Bild. Ich sah ihn leicht schockiert an. Dann lachte er leise.

“Ich weiß!”, sagt er und strich mir eine Strähne meiner kurzen Haare hinter das Ohr. “Und ich bin der Meinung, dass das Mädchen, das du bist es mittlerweile auch weiß, richtig?”, fragt er und ich konnte nicht anders, als erleichtert aufzulachen. Scheiße, ich hatte mir das viel Schlimmer vorgestellt!

Chancenlos

Hehehe!

Fettes Sorry, dass ich jetzt erst poste, aber ich hatte echt keine Zeit und keinen Nerv *sorry*

Trotzdem viel Spaß!

LG, shinichi_san
 

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Kapitel 17: Chancenlos
 

“Seit wann?”, fragte ich ihn leise und Elias seufzte fragend auf.

“Wie seit wann? Schon immer!”, lächelte er und stand auf. Er streckte sich ein wenig, bevor er mich abwartend ansah. “Soll ich dich nach Hause bringen?”, fragte er mich, was mich nur den Kopf schütteln ließ.

“Wie… wie hast du es rausgefunden?”, fragte ich ihn weiter. Er lachte leise auf, was mich dazu veranlasste, mir auf die Unterlippe zu beißen. Elias streckte sich kurz, bevor er sich wieder auf den Stuhl setzte.

“Welcher Junge hat schon so weiche Hände…” Er fuhr mir mit seinen Fingerspitzen über meine rechte Hand und atmete tief aus. “ Welcher Junge wird gleich rot, wenn man ihn fragt, wann er sein erstes Mal hatte…” Er sah mir in die Augen und ich musste schlucken. Ui, was war denn jetzt los? “Welcher Junge ist schon so dürr und hat eine ‘Wölbung’, die eher für Mädchen üblich ist?”, fragte er mich und sein Gesicht war nur noch ein paar Zentimeter von meinem entfernt. Ich hatte Angst. Nicht vor Elias, sondern vor dem nächsten Ereignis, dass passieren könnte.

“Ich…”, sagte ich leise und blickte ihm in die blauen Augen. Plötzlich legte sich ein schiefes Grinsen auf seine Lippen und er war wieder aufgestanden. Ich atmete erleichtert auf. Ich wollte gar nicht wissen, was noch hätte geschehen können.

“Na gut, ich bring dich heim!”, sagte er und reichte mir die Hand, damit ich aufstehen konnte.

Ich schüttelte erneut den Kopf und stand ebenfalls auf. Wieder überkam mich ein leichter Schwindel, aber ich schloss nur kurz die Augen, bevor ich mit Elias im Schlepptau den Raum verließ. Von Jo war keine Spur zu sehen, sollte mir auch Recht sein! Am Haupteingang der Schule gab mir Elias meinen Rucksack und sah mich erneut fragend an. “Soll ich wirklich nicht mitkommen?”, fragte er und ich schüttelte den Kopf. Schon wieder.

“Ich werd schon heil zu Hause ankommen!”, meinte ich. Wobei heil hier irgendwie ein Falsches Wort war. Ich schmiss den Rucksack auf meinen Rücken und marschierte dann nach Hause. Elias würde mich abmelden. Das hatte er mir versprochen.

Zuhause zog ich mir wieder Schlafsachen an, bevor ich mich einmal in meinem Badezimmerspiegel betrachtete und die Augen etwas weitete. Oh, ich sah echt scheiße aus! Meine linke Wange war rot und geschwollen, meine Nase hatte geblutet, wie die trockenen, braune Spur von ihr bis zu meinem Kinn mir bewies und rund um mein linkes Auge wurde es schon blau. Na toll! Herzlichen Glückwunsch, Jo, du hast ganze Arbeit geleistet. Ich hoffte nur, dass alles schnell abheilen würde. Ich wusch mein Gesicht und begab mich dann in die Küche, um mir einen Beutel gefrorener Erbsen aus dem Gefrierfach zu nehmen.

Den Kopf schüttelnd begab ich mich in mein Zimmer, sah auf meinen Wecker, der mir nach einem Blick auf die Anzeige verriet, dass es halb zwölf war, und legte mich in mein Bett. Auch wenn ich nicht wirklich müde war. Ich schaltete den Fernseher ein und ließ ihn nebenher laufen. Ich konzentrierte mich nicht auf das Programm, ich wollte nur ein wenig Ablenkung von meinen dröhnenden Gedanken. Ich verstand einfach nicht, warum Jo mich zusammengeschlagen hatte! Ich hatte ihm nichts getan und so gewalttätig hatte ich ihn noch nie gesehen. War er wirklich nur deswegen so ausgetickt, weil es seine Schwester war? Oder weil er meinte, dass ich ein schlechter Umgang für sie wäre? Und warum zum Henker musste Elias alles wissen? Ich meine, schön und gut, dann muss ich ihm nichts mehr erklären, wenn ich irgendwann mal den Mut dazu aufbringen würde, etwas zu verraten, aber dennoch hatte ich Angst. Angst, dass ich viel zu früh aufflog. Obwohl eigentlich nichts mehr zu früh war. Theoretisch war es schon viel zu spät. Ich seufzte und ließ mich nach hinten auf das Bett fallen. Irgendwie hatte ich keine Lust mehr.

“Sag doch mal Soooo!”, kreischte mein Handy und ich runzelte die Stirn. Wer rief mich denn jetzt an? “Solahahar!” Ich kramte das Telefon aus der Hose neben meinem Bett und sah irritiert auf das Display. Dad rief an. “Energihihi!” Ich runzelte die Stirn, nahm die Erbsenpackung vom Gesicht und drückte auf den grünen Hörer, um das Gespräch anzunehmen.

“Ja?”, fragte ich in das Telefon und setzte mich richtig hin.

“Sam, geht es dir gut? Bist du zuhause?”, fragte mein Vater mich und ich keuchte erschrocken.

“Woher weißt du, dass ich zuhause bin?”, fragte ich zurück und mein Vater seufzte leise auf.

“Deine Schule hat angerufen. Du wurdest zusammengeschlagen? Von wem? Ich zeig den Mistkerl an! Sag…” Was war denn jetzt kaputt?

“Dad!”, rief ich in das Telefon. Mein Vater wurde mit einem Mal still und ich seufzte leise. “Mir geht es gut! Mein Gesicht ist leicht geschwollen und blau-rot-grün-gelb-gesprenkelt, und du zeigst ihn nicht an!”, meinte ich und schloss gequält die Augen.

“Sam, ich lasse nicht zu, dass dir jemand wehtut. Nicht noch einmal! Du bist mein Kind! Mein…” Er stockte. Dann schluckte er. “Mein kleines Mädchen!”, sagte er leise und ich zuckte erschrocken zusammen. Es kribbelte in meiner Nase und ich musste leise schluchzen.

“Dein… dein kleines…” Oh Gott, jetzt fing ich auch schon an zu stottern. Und langsam kamen mir auch noch die Tränen. Shit! “…kleines Mädchen?!” Mein Vater seufzte leise.

“Du bist also zuhause?”, fragte er, ohne auf mich zu achten. Ich nickte, war mir nicht mehr darüber bewusst, dass ich mit ihm telefonierte und er mich nicht sehen konnte. “Bis gleich!”, sagte er und schon war die Verbindung unterbrochen. Hatte mein Vater tatsächlich gerade gesagt, dass er mich als Mädchen sah? Hatte ich irgendetwas verpasst? Wieso wurde mir gerade so schwindlig? Waren das noch die Nachwirkungen der Schläge, die Jo mir verpasst hatte? Ich schluckte und legte mich auf mein Bett. Den Fernseher schaltete ich aus. Es hatte keinen Sinn mehr, die Gedanken flossen nur so aus mir heraus. Ablenkung konnte ich jetzt vergessen.

Mir ging es richtig schlecht. Mein Magen streikte und rumorte die ganze Zeit, Hunger hatte ich jedoch nicht. Mein Kopf schmerzte und vor meinen Augen drehte sich das gesamte Zimmer, sodass ich mich mit meinen Händen in die Bettdecke krallte, um mich festzuhalten. Mir war schlecht. Leise schluchzte ich, dann kamen wieder Tränen.

Das Klingeln an meiner Wohnungstür, ließ mich ruckartig aufspringen, was wiederum dazu führte, das mein Schädel noch mehr brummte. Ich stöhnte leise auf, bevor ich mich zu meiner Tür begab und mit müden Augen durch den Spion linste, um sie kurz darauf zu öffnen.. Davor stand mein Vater, die Haare vom Wind völlig zerzaust, die Jacke völlig falsch zugeknöpft, den Kragen von seinem Hemd stand nach oben und sein linker Schuh war nicht zugebunden.

“Dad, wie siehst…”, begann ich, doch mein Vater kam mir zuvor und nahm mich fest in den Arm. Ich zuckte erschrocken zurück. Das hatte er noch nie getan. Doch er ließ sich nicht erschrecken, sondern drückte mich noch fester an sich. Schon wieder flossen die Tränen und ich musste leise schniefen. Dann hob ich langsam die Arme und erwiderte zögerlich die Umarmung meines Vaters.

“Ist bei dir alles in Ordnung? Du siehst schlimm aus!”, fragte er leise und dicht an meinem Ohr. Ich schluchzte nur leise. Dann ließ Maik mich wieder los und bugsierte mich in mein Zimmer auf mein Bett. Ich ließ es geschehen. Es war mir egal. Ich hatte schon so lange nicht mehr geweint. Es war Zeit, endlich einmal alle Mauern einzureißen und mich meinem wahren Ich zu stellen. Es war Zeit, die Wahrheit zu sagen. Jedem! Aber ich hatte höllische Angst. Angst davor, dass man mich verachten würde, Angst davor, dass man mich auslachte. Angst davor, was Jo sagen würde, wie er reagieren würde. Ich seufzte leise.

“Ja, alles in Ordnung.”, meinte ich und ich wusste, dass es nicht überzeugend klang.

“Und warum soll ich den Kerl nicht anzeigen? Er hat dein Gesicht entstellt! Dich geschlagen! Das ist fahrlässige Körperverletzung! Er hat eine Strafe verdient!”, sagte mein Vater und hockte sich vor mich. Ich zog die Schultern nach oben.

“Ich glaube er hat seine Strafe schon erhalten.”, murmelte ich leise. Elias hatte schon gesagt, dass Jo sich grauenvoll fühlte und ich glaubte ihm vollkommen. Jo war noch nie ausgerastet. Er würde es vermutlich auch nicht mehr und irgendwie war es ein sehr seltsames Gefühl zu wissen, dass ich die Erste war, die seinem Zorn erliegen musste. Es stach im Herzen und trotzdem lief mir auch ein kalter Schauer den rücken runter.

“Sam, du musst aber etwas tun!”, sagte Maik und drückte meine linke Hand.

“Ich weiß!”, murmelte ich. “Ich geh später zum Arzt!” Damit ließ ich mich rücklings auf mein Bett fallen, hörte meinen Vater laut seufzen. “Ich weiß, dass du willst, dass ich ihn anzeige, aber das tue ich nicht! Er ist ein Freund von mir. Ihm ist die Hand ausgerutscht, mehr nicht. Es passiert!” Mein Vater stand schnell auf und schnellte auf die Balkontür zu.

“Das ist nicht dein Ernst, oder? Die Hand ausgerutscht? Sag mir, wer es war!”, meinte er, der Glasscheibe zugewandt. Ich seufzte tief und richtete mich wieder auf.

“Nein.”, murmelte ich vor mich hin. Ich wollte es ihm nicht sagen! Wer wusste schon, was er Jo antun würde. Maik schnaubte, bevor er sich wieder mir zuwandte und sich mit der Hand durch die Haare fuhr.

“Verdammt, Samira!” Ich sah ihn leicht irritiert an, dann lachte ich leise auf und sprang von meinem Bett, um meinem Vater um den Hals zu fallen. Er hatte meinen richtigen Namen ausgesprochen, das Erste Mal seit elf Jahren. Er seufzte leise und erwiderte meine Umarmung, drückte mich nach einer kurzen Zeit aber wieder von sich und lächelte mich entschuldigend an. Ich grinste nur zurück. Endlich hatte ich es geschafft, meinem Vater zu beweißen, dass ich ein Mädchen bin, dass ich zerbrechlich bin. Dass er mein Vater war! “Es tut mir Leid, Sam! Ich hab die ganzen Jahre nur…” Ich schüttelte schnell den Kopf.

“Schon in Ordnung, Dad. Es ist schön zu wissen, das du dich noch daran erinnern kannst, welchem Geschlecht ich nun angehöre! Aber sag jetzt nichts. Bitte.”, meinte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Mein Vater nickte und seufzte dann leise.

“Geht klar! Ich… ich geh dann mal wieder! Brauchst du noch was?”, fragte er und ich musste wieder leise lachen. Gott, es fühlte sich gut an, so umsorgt zu werden. Trotzdem schüttelte ich den Kopf.

“Nein, ich komm schon klar, danke Dad!”, meinte ich und setzte mich wieder auf mein Bett. Maik schüttelte den Kopf.

“Wenn was ist, dann ruf mich an, versprochen?” Ich seufzte leise, bevor ich nickte.

“Ja, versprochen!”, sagte ich dann und hob Zeige- und Mittelfinger zum Schwur. Maik nickte noch einmal, legte mir kurz die Hand auf die Schulter uns verschwand dann ohne ein weiteres Wort. Er wusste, dass ich ihn nicht anrufen würde. Er würde das tun.

“Mr. Sandman, bring me a dream!”, erklang mein Handy und ich zuckte zusammen. Seit wann hatte ich denn diesen Klingelton? “Make him the cutest, that I ever seen!” Ich runzelte die Stirn und blickte auf mein Display. Eine Neue Nachricht. Ich drückte auf das Wort ‘öffnen’ und las mir die Mitteilung durch.

“Jo fragt an, wie es dir geht!” Sie war von Elias. Ich biss mir auf die Lippe und drückte auf ‘antworten’.

“Warum fragt er mich nicht selbst?”, schrieb ich zurück und sendete sie ab. Warum wollte Jo wissen, wie es mir ging? Wieso konnte er mich das nicht selber fragen? Mein Handy klingelte wieder. Neue Nachricht.

“Er traut sich nicht. Meint, er will sich keinen blöden Kommentar von dir abholen von wegen: Erst zusammenschlagen und dann fragen, wie es den Narben geht.”, stand da. Ich runzelte die Stirn.

“Aha!”, schrieb ich zurück. Keine Minute später erhielt ich einen neue Nachricht.

“Und, wie geht es dir?”, schrieb Eli mir. Ich lachte leise auf. Gut, dann schrieb ich jetzt halt mit Elias, um Jo glücklich zu machen. Wie er wollte.

Party...

Hehehe!

Ähm, ja... hat ja mal wieder lange gedauert....

Um ehrlich zu sein, hab ich keine Lust, mir eine Ausrede einfallen zu lassen!^^

Ich danke allen Reviewern und hoffe, dass sie weiterhin so freundlich zu mir sind und weiter Kommentare hinterlassen! Und Ihr anderen!!!: Schön, dass ihr es auf eurer Favo-Liste hat, das freut mich ehrlich!!!!
 

LG, Shinichi_san
 

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Kapitel 18: Party...
 

Das Bett war so verdammt bequem. Ich wollte nicht mehr aufstehen. Nie wieder. Nie wieder essen, nie wieder trinken, nie wieder… Ich musste zufrieden grinsen. Nie wieder Silver! Ich müsste ihn nie wieder sehen. Einfach liegen bleiben und nichts mehr hören…

“Mr. Sandman, bring me a dream!”, erklang mein Handy und ich öffnete die neue Nachricht. Sie war von Elias. Wieder.

“Du wirst es bereuen, wenn du es ihm nicht sagst!”, stand da und ich seufzte gequält. Es ging immer noch um Jo. Und darum, dass ich nicht wusste, wie ich ihm die Wahrheit sagen sollte.

“Vielleicht aber auch, wenn ich es tue. Er wird vollkommen ausrasten!”, schrieb ich Eli zurück und setzte mich auf. Kurz darauf ertönte mein Handy wieder. Hatte er so schnell zurück geschrieben? Ich sah auf das Display und zog die Stirn kraus. Sie war von August.

“Geht es dir gut? Wir treffen uns heute um neun bei Elias. Du kommst doch, oder?”, hatte August geschrieben. Ich tippte ein wenig auf den Tasten herum, dachte angestrengt nach. Sollte ich gehen? Irgendetwas war da im Busch.

“Sag doch mal Soooo!”, erklang mein Handy und ich nahm gleich ab.

“Hast du auch gerade eine Nachricht von August bekommen?”, fragte mich Elias und ich musste leise lachen.

“Du weißt also selbst nichts von dem Trip?”, fragte ich ihn.

“Nein, aber du kommst doch, oder? Ich habe keine Lust mich alleine mit August, Jake und Hannah zu betrinken! Bitte!” Ich seufzte leise und musste lachen.

“Ja, wir sehen uns dann um neun bei dir.”

“Und da reden wir weiter!”, sagte er laut. Ich schnaubte.

“Ja!” Damit legte ich auf. Eigentlich hatte ich keine Lust, mich mit den anderen zu treffen. Schon gar nicht, wenn ich so aussah, wie momentan. Ich knallte mir wieder den Erbsenbeutel auf das Gesicht und seufzte tief. Man, was brockte ich mir da nur immer ein. Wenn ich nachher zu den Leuten gehen würde, was käme dann? Würden Sie mich auslachen, weil ich mich gegen Jo nicht verteidigt hatte? Würde Jo vielleicht auch da sein? Oh Gott, nein, damit würde ich nicht klar kommen. Obwohl ich es ihm ohnehin sagen muss. Aber heute? Nein Danke! Andererseits waren auch die anderen da, also konnten sie mich ablenken und Jo, wenn er wieder seine Phase hatte aufhalten. Ach verdammt!

Lustlos seufzend schnappte ich mir wieder mein Handy und stellte den Wecker auf viertel nach acht. Dann lehnte ich mich schwer in meine Kissen und schloss demonstrativ die Augen. Warum war ich denn so müde? Kurze Zeit später war ich weggenickt.
 

Ein unermüdliches Piepen riss mich aus meinem tiefen Schlaf. Ich rieb mir müde über die Augen und warf die Packung Erbsen auf den Fußboden. Gähnend schaltete ich den Wecker meines Handys aus und richtete mich auf. Mir tat noch alles weh und ich bezweifelte, dass die schmerzen so schnell nachlassen würden. Schließlich hatte sich Jo, laut Elias Bericht, nicht zurückgehalten. Urks! Warum dachte ich jetzt schon wieder an Jo und seine Schläge?

Ich schnaubte und machte mich daran, mich zu duschen, meinen Verband um meinen Brustkorb zu wickeln und mir Schuhe und Jacke anzuziehen.

Dann machte ich mich auf den Weg zum Supermarkt, holte eine Kiste Bier, die mitleidigen Blicke der Passanten ignorierend, und ging dann auf dem kürzesten Weg zu Elias. Alle Gedanken wieder ausblendend. Nur auf die Geräusche des Abends lauschend.

Sieben Minuten nach neun Uhr kam ich bei Elias an und drückte seufzend auf den Klingelknopf. Fast augenblicklich wurde die Tür aufgerissen und Elias starrte mich mit großen Augen an. Dann griff er meinen Arm und zog mich hinein. Den Bierkasten stellte ich einfach auf den Boden und senkte den Kopf.

“Sorry, bin zu spät!”, murmelte ich und streckte mich vorsichtig. Elias gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf.

“Warum hast du dein Handy nicht mit?”, fragte er leise und zog mich in die Küche des großen Hauses. Ich zuckte die Schultern.

“Weiß nicht. Ich dachte, ich bräuchte es nicht.”, sagte ich und setzte mich auf einen der sechs Stühle, die in der Küche standen.

“Verdammt! Ich hab mir Sorgen gemacht!”, sagte er laut und ich zuckte unbeteiligt die Schultern. Elias atmete zitternd aus. “Was machst du jetzt mit Jo?”, fragte er dann leiser. Ich hob den Kopf und starrte zu Elias, der an der Küchenzeile lehnte und mich fragend ansah. Ich schüttelte den Kopf.

“Eigentlich will ich gar nichts machen!”, antwortete ich ihm und seufzte leise.

“Du musst!”, kam es von Elias und ich schloss die Augen.

“Ich weiß!”, schrie ich halb zurück. “Aber ich will nicht, dass er mich hasst!”, sagte ich laut dazu.

“Wer soll dich nicht hassen?”, kam es von der Tür und ich drehte mich erschrocken um.

“Jo!”, hauchte ich und stand schnell auf, als hätte mich meine Mutter bei Drogenmissbrauch erwischt.

“Hey Sam!”, sagte dieser leise und kam einen Schritt in die Küche, um Elias einen schnellen Blick zuzuwerfen. Dieser stieß sich von der Küchenzeile ab und ging an mir vorbei zur Tür.

“Ich schau mal, ob August draußen klar kommt!”, sagte er grinsend und verschwand dann.

“Eli!”, rief ich ihm noch hinterher, aber er war schon außer Hörweite. Verflucht!

“Sam, es tut mir wirklich Leid, was gestern passiert ist!”, sagte Jo hinter mir und ich drehte mich zu ihm. “Ich hätte nicht so überreagieren sollen!”, meinte er. Ich schüttelte den Kopf und stand auf. Dann ging ich zu ihm, blieb direkt vor ihm stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.

“Mit einem Tut mir Leid kommst du gerade nicht weit! Sieh mich an, Jo! Und dieses ‘überreagiert’ ist etwas zu tief gegriffen! Mein Vater wollte dich anzeigen und ich frage mich gerade, warum ich ihm gesagt habe, dass er es lassen solle. Du hast mich verletzt, Jo. Nicht nur körperlich!” Ich drängte mich an ihn vorbei und machte mich wieder auf den Weg zu Elias. Ich wollte hier weg. Ganz schnell! Wobei ich nicht einmal wusste, warum ich ihn anschrie und seine Entschuldigung nicht annahm.

“Sam!”, rief mir Jo hinterher und gleich darauf wurde ich von seiner Hand aufgehalten und zu ihm gedreht. “Darf ich es dir wenigstens erklären, bevor du wütend davon stampfst?”, fragte er mich. Ich schnaubte.

“Als ob es da noch viel zu erklären gäbe. Hast du mir eine Chance gegeben, das zu erklären, was zwischen mir und deiner Schwester lief? Wieso sollte ich dir diese Chance geben? Du hast mich zusammengeschlagen, weil ich dir nicht gut genug für deine Schwester bin, obwohl ich nichts mit ihr angefangen hatte. Du bist nicht besser als Marcus!”, schrie ich ihn an. Und sofort weiteten sich meine Augen. Fuck! Jetzt hatte ich doch tatsächlich Silver angesprochen.

“Es tut mir Leid, dass ich dir keine Chance gegeben habe, aber ich war nun mal richtig stinkig, weil Janie dir etwas anvertraut hatte und mir nicht. Ich war nicht sauer auf dich, sondern auf Janie und es tut mir unendlich Leid, dass ich das gerade an dir ausgelassen habe. Außerdem…” Er stockte und zog die Augenbrauen hoch. “Wer ist Marcus?”, fragte er dann und ich schloss gequält die Augen. Ach verdammt noch eins. Ich drehte mich um und fuhr mir mit den Händen durch die Haare.

“Das geht dich nichts an!”, murmelte ich in mich hinein und zog die Schultern hoch. Ich durfte ihm nichts sagen. Jedenfalls nichts, was mit Silver zu tun hatte. Wieder zog mich Jo zu sich herum.

“Verdammt noch mal, Sam! Ich reiß mir hier den Arsch auf und du weigerst dich mit mir zu reden! Was soll der Müll?”, fuhr er mich an. Ich schüttelte seine Hand ab.

“Seit wann reagierst du so explosiv? Ich habe einige Dinge, die noch nie jemand über mich erfahren hat und ich habe in nächster Zeit nicht vor das zu ändern.”

“Warum? Erzähl mir etwas, das noch keiner weiß, womit ich der erste wäre. Etwas, was heiß und neu ist.” Warum kam er immer näher auf mich zu? “Erzähl mir von deinen Gefühlen!” Scheiße, was war denn jetzt los? Wieso rückte er mir plötzlich so auf die Pelle und trieb mich in die Ecke? Was hatte er denn nur vor? “Erzähl mir von deinen Träumen!” Niemals! Ich schubste ihn mit beiden Händen und meiner ganzen Kraft von mir und schüttelte überfordert den Kopf.

“Was mit mir los ist? Ich frage mich eher, welcher Käfer dir ins Hirn gekrochen ist! Was ist los mit dir? Wieso führst du dich so auf?” Jo seufzte frustriert auf.

“Ich weiß es doch selbst nicht!” Was? Er gab zu, dass etwas mit IHM nicht stimmte? Dass ER ein Problem hatte? “Seitdem Janie dich so sehr in Ihr Herz geschlossen hat, als was auch immer, bin ich…” Wieder stockte er. Ich sah ihn eindringlich an. Jetzt war ich doch gespannt. “Seitdem bin ich nicht mehr ich selbst. Du hast es am eigenen Leib erfahren. Vorher hatte ich noch nie jemanden geschlagen. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll, aber ich weiß, dass ich mich schrecklich fühle, wenn du mich anschreist! Dass ich kurz vorm ausrasten bin, wenn du dich einfach wegdrehst! Dass ich mich immer frage, wie es dir geht, wenn du nicht in meiner Nähe bist!” Na, OHA! Ich musste schlucken.

“Dann hast du jetzt wahrscheinlich noch einen Grund auszurasten.”, sagte ich leise und blickte ihm direkt in die Augen. Au weia. War es jetzt wirklich die richtige Zeit, das zu tun? Oh, verdammt! Ich hatte Angst! Höllische Angst… nicht nur vor seiner Reaktion.

Flucht

Nicht erschrecken, denn es kommt anders, als ihr denkt

Viel Spaß!
 

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Kapitel 19: Flucht
 

“Warum?”, fragte Jo leise und zog die Augenbrauen nach oben. Ich blickte kurz zu meinen Schuhen, dachte angestrengt nach. Ich wollte es ihm sagen! Dann seufzte ich leise und blickte ihm wieder in die Augen.

“Weil ich es nicht sagen kann.” Damit rannte ich an ihm vorbei und aus dem Haus. Ich wusste es war falsch, aber ich hatte keine Ahnung, was ich sonst machen sollte. Ich lief immer weiter. Es war mir vollkommen egal. Doch trotzdem liefen mir Tränen aus den Augenwinkeln und ich musste schluchzen. Verdammt.

Ich hielt schnaufend an und sah mich um. Geradeaus ging es zu mir nach Hause. Nach links zu meinem Vater und nach rechts … zum Friedhof. Ich schwenkte nach rechts und biss mir auf die Unterlippe. Dann schloss ich kurz die Augen und atmete einmal tief durch. Die Augen öffnend schüttelte ich den Kopf. Dann ging ich weiter. Richtung Friedhof. Mit dem Gedanken, dass ich es Jo doch hätte sagen sollen.

Gosh! Warum war zur Zeit alles so verflucht kompliziert? Und warum hatte ich so eine große Klappe, die nichts von dem Geschwafel meines Hirns für annehmbar hielt, heraus zu lassen?

Seufzend lehnte ich mich an den Grabstein, den ich zielsicher angestrebt hatte. ‘Joy Wills’ stand darauf. ‘Geliebte Freundin, Tochter und Enkeltochter.’

Ich vermisste sie.
 

~

“Das kannst du nicht machen!”, schrie ich ihn an und wehrte mich gegen die vier starken Arme, die mich zurückhielten. “Lass sie in Ruhe. Sie hat dir nichts getan!”, schrie ich verzweifelt, aber Marcus zog noch mehr an Ihrem Arm. Das blonde Mädchen schrie gequält auf. “Marcus! Lass es!”, rief ich wieder, aber der weißhaarige Junge lachte nur laut auf.

“Du weißt, was ich hören will, Samira!”, sagte er laut und presste seinen Mund auf den des Mädchens, das neben ihm hockte und wimmerte. Noch mehr Tränen flossen aus Ihren Augen. Ja, ich wusste, was er hören wollte, aber ich konnte es einfach nicht aussprechen. “Es liegt allein an dir, Sie zu retten.”, meinte er und ich schlug mit der Faust auf die Brust des Schwarzhaarigen, der mich festhielt. Er zuckte nicht einmal zusammen. Ich war zu schwach!

“Lass Sie gehen!”, murmelte ich leise.

“Sag es, Sam!”, gab er zurück und holte nun auch noch ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche heraus.

“Verdammt!”, murmelte ich. Dann nickte ich und der Schwarzhaarige und sein Glatzköpfiger Freund ließen mich los. Es musste glaubwürdig klingen. Ich hasste ihn! Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sah ich nicht ihn, sondern das Mädchen in seinen Armen an. “Ich liebe dich!”, sagte ich leise und hob den Blick, um ihm in die Augen zu sehen. Sie blitzten wütend. Sein Mund zuckte und formte sich zu einem triumphierenden Grinsen. Er ließ das Mädchen los, welches zu Boden sank. Ich wollte schon auf sie zu rennen, als er mir mal wieder zuvorkam und das aufgeklappte Messer in Ihren Rücken stach. Sie schrie auf und wimmerte. Ich sah sie nur mit großen Augen an. Dann erwachte ich langsam aus meiner Starre und rannte zu dem röchelnden Mädchen. “Joy!”, sagte ich leise und ich musste schluchzen.

“Samira!”, spuckte sie. “Hau ab!” Sie hustete noch ein paar mal. Dann war das Leben aus Ihr gewichen. Ich schluckte die Tränen runter, die gerade in mir aufstiegen. Ich stand auf und ging die drei Schritte auf Marcus zu, die er noch von mir entfernt war. Ich wollte ihm wehtun. Ihm das Herz raus reißen. Ihm das Leben aushauchen. Doch noch bevor ich auch nur den kleinen Finger bewegen konnte, spürte ich einen harten Schlag auf den Hinterkopf. Danach war es schwarz.

~
 

Als eine Hand meine Wange lang strich schlug ich erschrocken die Augen auf.

“Wie ein in die Enge getriebenes Rehkitz!”, sagte jemand undicht würde am liebsten tot umfallen!

“Töte mich!”, bat ich meinen Gegenüber, der darüber nur lachen konnte. Er reichte mir seine Hand und zog mich hoch, als ich ihm die meine hinhielt.

“Das kann ich nicht, Samira.”, meinte Marcus und ich musste leise seufzen.

“Wieso nicht? Bei Joy hast du auch nicht lange gezögert!”, murmelte ich und klopfte meine Hose ab.

“Kann sein, aber Joy hatte ich nicht geliebt.” Ich runzelte die Stirn und blickte ihn fragend an. Dann schnaubte ich.

“Lass das!”, schimpfte ich und ging an ihm vorbei. Sofort packten mich zwei starke Hände an den Handgelenken und zogen mich zurück. Ich seufzte und blickte dem Schwarzhaarigen, der mich festhielt, böse an. “Ganz toll!”, sagte ich leise.

“Du siehst schlimm aus. Wer hat dich so zugerichtet?”, fragte Silver mich.

“Das geht dich nichts an!”, murmelte ich. Dann wandte ich mich an Silver. “Was soll denn das?”, fragte ich ihn. Er grinste nur triumphierend.

“Was denkst du?”, fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf.

“Das ist nicht dein Ernst, oder? Du kannst mich nicht mitnehmen. Ich habe hier auch noch Dinge zu erledigen!”, schrie ich nun.

“Du weißt, dass mir das alles egal ist. Du bist etwas, was ich will, und ich bekomme alles, was ich will.”, sagte er und lief langsam los. Ich wurde von dem Schwarzhaarigen nach vorne geschoben und stolperte fast über die Gräber. Ich passte mich an seinen Laufstil an.

“Wenn ich das wirklich wäre, wieso hast du mich dann drei Jahre in Ruhe gelassen? Du hast noch nicht einmal nach mir gesucht!”, schrie ich ihn an. Marcus lachte laut auf.

“Du wurdest die ganze Zeit beobachtet, mein Schatz! Was glaubst du, warum ich gerade jetzt hier auftauche? Weil mir gesagt wurde, man würde dir zu nahe kommen.”, sagte er, nachdem er sich zu mir gedreht hatte.

“Wer soll mir zu nahe gekommen sein?”, fragte ich ihn und versuchte den linken Arm frei zu bekommen. Verdammt, ich war immer noch zu schwach.

“Ein gewisser Jake.”, meinte er und sah mich wütend an. “War er es auch, der dich verprügelt hat?”, fragte er, die Augen zu Schlitzen verengt. Ich versuchte es zu unterdrücken, aber es ging nicht und so fing ich lauthals an zu lachen. Marcus sah mich zweifelnd an.

“Jake?”, fragte ich dann lachend. “Jake soll mir zu nahe gekommen sein? Jake ist schwul!” Ich musste feixen. “Jake kann keiner Fliege was zu leide tun!” Ich wusste nicht, warum ich lachte, aber ich konnte einfach nicht anders.

“Wer war es dann?”, fragte Silver. Ich sah auf und hörte auf zu lachen.

“Ich dachte, du lässt mich beobachten.”, sagte ich und stolperte, als mich der Schwarzhaarige mich wieder schupste, weil Marcus weiter gegangen war.

“Mein Mittelsmann hat sich abgeseilt.”, meinte er und ich zog die Augenbrauen hoch.

“Wer war es?”, fragte ich ihn. Ich hatte ein richtig mieses Gefühl bei der Sache. Ich hoffte nur, dass er jetzt nichts falsches sagte.

“Ach niemand besonderes.”, wich er aus und ging durch die Pforte des Friedhofes. Der Schwarzhaarige und ich folgten ihm.

“Wer?”, fragte ich weiter.

“Frank. Stopf ihr das Maul. Sie soll endlich ruhig sein.”, meinte Marcus leise. Ein Schnauben erklang hinter mir und im nächsten Moment ließ er mich los undicht spürte einen harten Schlag auf dem Kopf.

“Verdammt, Marcus!”, schrie ich, bevor alles um mich herum schwarz wurde.
 

Als ich die Augen aufschlug, war es hell. Mein Kopf schmerzte höllisch. Ich blinzelte noch ein paar Mal, bevor ich mich umsah. Ich befand mich auf dem Rücksitz eines Autos. Einer Limousine, um genau zu sein. Ich hob die Hand und griff mir an den Kopf. Man, musste der Kerl so fest zuschlagen? Ich setzte mich auf und sah mich weiter um. Die Fensterscheiben des großen Autos waren getönt und vor mir befand sich ein Schränkchen, auf dem zwei Sektgläser standen. Leer. Ich seufzte leise und versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war abgeschlossen.

“Verflucht!”, rief ich aus. Die andere Tür wurde aufgerissen und kurz darauf saß Silver neben mir.

“Hat er dir sehr wehgetan?”, fragte er mich und beugte sich zu mir. “Zeig her!”, sagte er und nahm meinen Kopf zwischen seine Hände, zog mich zu sich. “Hm, scheint ne Beule zu werden.”, meinte er leise und sehr nah an meinem Ohr. Ich schob ihn weg und sah ihn wütend an.

“Ist deine Schuld!”, murmelte ich. Er lachte leise und beugte sich zu dem Schränkchen, öffnete ihn und holte einen Eisbeutel aus dem Gefrierschrank heraus, den er mir reichte. Ich nahm ihn an und drückte ihn auf meine geschwollene Schläfe. “Wo sind wir?”, fragte ich ihn mit geschlossenen Augen. Er schnaubte leise.

“Zwischen hier und da.”, sagte er und ich öffnete die Augen.

“Warum willst du mich unbedingt zurückbringen?”, fragte ich.

“Weil du nun einmal die Beste bist.”, sagte er. Ich schnaubte. Na klar, gerade ich. “Und weil du diejenige bist, die ich liebe.”

“Mach keine dummen Scherze, darauf habe ich gerade gar keinen Bock. Also?”, fragte ich ihn leicht genervt. Er seufzte.

“Es ist so. Ich liebe dich. Ich will dich nicht mehr mit jemanden teilen! Weder mit den Freiern noch mit deinen Freunden. Du gehörst mir.”, sagte er und beugte sich wieder zu mir. Bitte was?

“Das ist nicht dein Ernst, oder? Vor vier Jahren hätte ich dir das vielleicht noch geglaubt, als du mir gesagt hattest, ich wäre etwas besonderes. Ich wäre es wert, ein Mädchen zu sein.” Scheiße, schon wieder kamen die Tränen hoch. “Du warst der Erste Mensch in meinem Leben, der hinter meine Fassade geblickt hatte, gesehen hatte, dass ich ein Mädchen war. Doch…” Ich schluchzte leise. Verflucht noch eins. “Doch trotzdem hast du mich tief verletzt, Silver. Du hast Joy getötet, obwohl du versprochen hattest, Sie in Ruhe zu lassen. Das ist ein grober Vertrauensbruch, Silver. Ich…” Wieder schluchzte ich. “Ich hasse dich!”, schrie ich die letzten Worte. Der weißhaarige Junge sah mich fassungslos an. Ja, ich hatte ihm endlich mal die Meinung gesagt. Das blöde an der ganzen Sache jedoch war, dass ich mich in Seinem Auto befand und ich keinerlei Ausweg sah.

Pink

Ja, na schönen guten Abend, die Dame und Herren...

Ich hab mal wieder etwas länger gebraucht, aber Zorro brachte mich dann doch zum weiterschreiben ^^'

Danke an alle reviewer und viel Spaß beim Lesen...

(Oh Gott, ein Kapitel, vollkommen ohne Jo!!!)
 

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Kapitel 20: Pink
 

“Du hasst mich?”, fragte Marcus mich und ich schluckte schwer. Dann nickte ich schwach.

“Du hast es geschafft, mich dazu zu bringen.”, sagte ich zu ihm. Er seufzte tief und schüttelte den Kopf.

“Es war nicht klug von dir, mir das zu sagen! Was erwartest du jetzt von mir? Dass ich dich laufen lasse, weil ich dich nicht umstimmen kann? Dass ich dich für immer in Ruhe lasse?” Er lachte laut auf. “Das kannst du vergessen, Samira.” Er nahm mir den Eisbeutel ab und schmiss ihn auf den Boden der Limousine. Dann drückte er mich nach hinten, sodass ich auf der Rückbank lag. Ich keuchte erschrocken auf. Ich schubste ihn von mir weg und setzte mich halb auf.

“Lass den Scheiß, Marcus.”, schrie ich ihn an. Er lachte nur auf. Als nächstes merkte ich einen stechenden Schmerz auf meiner Wange. Er hatte mir eine Ohrfeige gegeben. Es hatte mich nicht überrascht, dass er mich schlägt. Er war gewalttätig. Schon immer. Nur ließ er die Drecksarbeit meistens von seinen Handlangern erledigen.

“Was willst du als nächstes tun, Sam?”, fragte er mich und ich zog die Augenbrauen hoch.

“Wie meinst du das?”, fragte ich ihn ,was ihn erneut zum Lachen brachte. Er schubste mich von dem Sitz und ich landete ziemlich unsanft auf dem Boden der Limousine. Ich setzte mich auf und sah ihn fragend an.

“Was soll denn das?”, zischte ich ihm zu und wieder erklang nur das Lachen. Ich schnaubte genervt. Kurz darauf verstummte das Lachen und ich spürte ein Gewicht auf meinen Beinen. Als ich aufsah, saß Silver halb auf mir. Ich keuchte erschrocken auf und versuchte ihn von mir runter zu schieben, aber er schnappte sich meine Handgelenke und drückte mich weiter auf den Boden. Ich wehrte mich, so sehr ich konnte, aber seinen Griffen entkam ich nicht. Er nagelte mich auf dem Boden der Limo und lehnte sich über mich.

“Du kannst jetzt nicht weg, tut mir außerordentlich Leid.”, lachte er und kam noch ein Stückchen näher zu mir. Ich schüttelte wild den Kopf und versuchte, mich von ihm zu befreien. “Sam, halt still, sonst tu ich dir am Ende noch weh.”, meinte Marcus und legte sich auf mich. Ich keuchte kurz auf. Er war so scheiße schwer. Ich blickte ihn böse an und im nächsten Moment drückte er seine Lippen auf meine und ich verspürte einen sehr staken Brechreiz. Ich schob ihn von mir runter, weil er sich entkrampft hatte. Ich setzte mich schnell auf und robbte zur Tür, um sie aufzureißen. Kurz darauf landete mein Erbrochenes auf dem Bordstein der Straße, an der wir standen. Ein widerlicher Geschmack füllte meine Mundhöhle und ich musste ein paar mal husten. Verdammter Müll. Ich griff mir an den Kopf und schloss gequält die Augen.

“Was machst du nur?”, fragte mich Marcus. Ich konnte ihm nicht antworten.
 

Das nächste, was ich sah, als ich die Augen öffnete, war ein pinkes Tuch, einen Meter über mir. Ich schloss die Augen wieder und schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht hier sein.

“Sam?”, fragte man mich, aber ich reagierte nicht. “Samira, bist du wach?”, fragte man mich erneut und ich dachte kurz nach. Das war nicht Marcus, der da mit mir sprach. Ich schlug also die Augen auf und richtete mich vorsichtig auf. Vor mir saß ein Mädchen, ca. 15 Jahre alt, mit schlohweißen Haaren. Ich blinzelte kurz und musterte ihr Gesicht. Diese Nase kannte ich doch. War das nicht…

“Hey, alles klar, Samira?”, fragte sie mich und sah mich misstrauisch an. Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte sie weiter an. Das war doch…

“Gott, Sam, du machst mir Angst, wenn du mich noch weiter so anstarrst, als hätte ich dir gesagt, ich wäre schwanger.”, meinte sie und zog die Stirn kraus. Ich räusperte mich leicht, dann blickte ich ihr in die silbernen Augen und wusste es wieder.

“Marlene.”, sagte ich leise und sie legte den Kopf schief. Dann grinste sie leicht und nickte, bevor sie näher kam und mich umarmte. Ich seufzte leise, dann erwiderte ich die Umarmung leicht.

“Oh, Sam, ich hab dich vermisst!”, sagte sie leise und ließ von mir ab, um sich neben mich auf das große Bett zu setzen.

“Und ich kann nicht verstehen, warum du immer noch hier bist, Lenne!”, murmelte ich und sah mich in dem Zimmer um. Hier war ich schon mal. Es war mein altes Zimmer. Hier hatte ich gewohnt, als Silver mich gefangen genommen hatte. Alles war kitschig rosa, pink und voller Plüsch. Etwas, was ich gar nicht leiden konnte.

“Marcus ist gut zu mir, verkauft mich nicht, versklavt mich nicht. Ich kann mich frei bewegen. Er erfüllt seine Pflichten, als das, was er ist: Mein Vormund und mein großer Bruder.”, erzählte sie mir und ich seufzte tief. Das arme Mädchen wurde schon mit zehn Jahren mit Vergewaltigungen und Nutten konfrontiert. Sie wusste, wie alles ablief, konnte sich aber sicher fühlen, weil Marcus sie beschützte, wie seinen eigenen Augapfel. Ich schüttelte nur den Kopf.

“Wie ist es dir in den letzten drei Jahren ergangen?”, fragte ich sie. “Ich meine, als ich dich das letzte Mal gesehen hatte, warst du elf.” Das weißhaarige Mädchen sah mich schockiert an.

“Ich war zwölf… also, fast jedenfalls!”, Um ihre Nasenspitze sah man einen leichten Hauch rosa. “Die letzten Jahre waren schlimm. Ohne dich hatte sich hier niemand wohlgefühlt. Die Freier sind abgesprungen, weil sie die miesen Gesichter der Mädchen nicht angetörnt hatten. Marcus war immer unterwegs und hatte irgendwelche Geschäfte am Laufen. Auch er sah nicht sonderlich glücklich aus. Immer, wenn er wieder kam, war das Lächeln, dass er noch hatte, als er losgefahren war, wie weggeblasen. Ich hatte mir Sorgen um ihn gemacht.”, berichtete sie mir und ich musste schlucken. Ich hätte nicht gedacht, dass durch meine Abwesenheit so viel passieren könnte.

“Oh.”, meinte ich deswegen nur und starrte auf die pinke Plüschbettwäsche. Marlene erhob sich und streckte mir ihre Hand entgegen.

“Na los, Marcus will mit dir sprechen.”, sagte sie dann mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Ich verzog den Mund.

“Ich aber nicht mit ihm!”, sagte ich daraufhin zu ihr. Sie seufzte tief.

“Komm schon, Samira. Sonst handelst du dir noch mehr Ärger ein. Bitte!” Sie sah mich mit traurigem Gesicht an und ich gab seufzend nach. Meinetwegen… Also gab ich ihr meine Hand, ließ mich von ihr hochziehen und in das angrenzende Bad schleifen. “Du duschst jetzt erst einmal ausgiebig, denn irgendwie stinkst du nach Kotze!”, meinte sie und ich zuckte zusammen. Huch, stimmt, da war ja was gewesen. “Ich leg dir ein paar Sachen hier her. In einer halben Stunde bin ich wieder da und helfe dir mit dem Rest.” Ich nickte und ging zu der überdimensionalen Dusche. Die Frau, die sie sauber machen musste, tat mir wirklich Leid. Marlene verschwand aus dem Bad und zog die Tür hinter sich zu. Ich machte mich derweilen daran, meiner Körperpflege nachzugehen.
 

Ich würde ihn umbringen! Was sollte das denn? Er hatte nicht das Recht dazu, meine Sachen einfach zu waschen!

Also er durfte natürlich schon, aber doch nicht dann, wenn ich danach keine Sachen zum Anziehen mehr hatte. Richtige Sachen! Nicht so was wie das, was ich gerade anhatte. Ich würde ihn verprügeln! Ich meine, mir stehen keine Röcke, auch wenn ich ein Mädchen bin. Und schon gar nicht standen mir pinke Plüschröcke.

Ich stampfte also im pinken Plüschrock und pinken Top durch die Villa der Familie Silverstone und suchte Marcus. Kurze Zeit später riss ich eine große, sonnengelbe Tür auf, hinter der sich ein großer Saal mit einem riesigen Tisch und rund dreißig Stühlen befand. Der Speißesaal. Ich sah mich suchend um und fand Marcus auf einem der Stühle mit einem Telefon am Ohr, den Rücken mir zugewandt. Ich schnaubte und ging auf ihn zu.

“Wo hast du das den schon wieder aufgeschnappt?”, fragte er gerade in den Hörer. Ich schritt weiter auf ihn zu und meine Schritte hallten in dem hohen Raum wieder und Marcus drehte sich zu mir, betrachtete mich kurz von oben bis unten und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

“Hör zu, Michael, ich habe hier gerade Besuch, der dich um Längen schlägt. Ich informiere dich morgen über die weiteren Geschäfte.” Damit klappte er das Handy in seiner Hand zu und legte den Kopf schief.

“Ich weiß ja nicht, was du dir beim Klamotten kaufen denkst, aber das ist eindeutig zu viel des Guten!”, sagte ich laut zu ihm und blieb zwei Meter vor ihm stehen. “Ich will meine Sachen wieder! Sofort!” Marcus lehnte sich ein wenig in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.

“Ich finde dir steht pink unwahrscheinlich!”, meinte er mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen. “Deine Sachen sind die von einem Jungen, der du nun nicht mehr bist. Sie werden ausgeräumt. Verbrannt, was weiß ich. Auf jeden Fall werden sie beseitigt.”, sagte er und stand nun auf, um auf mich zuzukommen. Ich wich ein wenig zurück.

“Nicht jedes Mädchen trägt ständig Röcke und Kleider! Und vor Allem tragen nicht alle Mädchen pink! Ich möchte andere Kleider, wenn ich hier schon festgehalten werde.”, schrie ich ihn an. Er blieb stehen und seufzte leise.

“Du kannst gerne andere Kleider haben. Allerdings weiß ich nicht, wie du auf die Idee gekommen bist, dass du hier festgehalten wirst. Dir stehen alle Türen offen.”, meinte er und machte eine weitausholende Geste mit der Hand. “Trotzdem ist es zu empfehlen in den Grenzen des Anwesens zu bleiben.” Ich schnaubte.

“Vogelfrei.”, brummte ich und drehte mich um. “Ich gehe in das Zimmer.” Ich drehte mich wieder zu ihm um und sah in seine wandernden Augen, die mich genauestens musterten. “Und wenn es möglich wäre, hätte ich gerne eine andere Wandfarbe. Wie gesagt, pink ist nicht meine Sache!” Wieder wandte ich mich um und eilte aus dem Speißesaal hinaus.

“Jawohl, Prinzessin!”, schrie mir Marcus hinterher. Ich schloss die Augen und schüttelte kurz den Kopf, bevor ich wieder in das pinke Zimmer floh.

Essen

Heyhey...

Ich weiß, ich bin wieder ziemlich spät dran...^^' Sorry...

Zur Info: Ich lasse die Umfrage noch bis zum 10.09.2010 laufen und hoffe auf mehr stimmen...

Danke für den Kommentar...

Liebe Grüße...
 

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Kapitel 21: Essen
 

Nun saß ich hier in diesem grauenvollen pinken Zimmer und wusste nicht, was ich machen sollte. Wegrennen, ja, aber weit kommen würde ich ja vermutlich nicht. Ich wollte hier weg. Raus aus dem pinken Zimmer, raus aus den pinken Sachen. Raus aus diesem mit Mädchen vollgestopftem Haus.

Die Tür schwang auf und ich blickte das rothaarige Mädchen fragend an, das den Raum betrat. Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dann kam sie zu mir und setzte sich neben mich auf das Plüschbett.

“Ich soll dich zu Marcus bringen.”, sagte sie und ließ sich nach hinten auf mein Bett fallen. Ich zuckte die Schultern.

“Ich war gerade bei Marcus. Ich will nicht mehr!”, meinte ich leise und stützte meine Arme auf meinen Knien ab, um meinen Kopf darauf zu legen.

“Ich soll dich nicht direkt zu ihm bringen, sondern auf seine Etage.” Ich runzelte die Stirn.

“Wieso soll ich auf seine Etage kommen? Da ist doch nur ein Zimmer und das Appartement von Marcus. Was soll ich da o…” Es ratterte kurz in meinem Kopf, bevor es ‘klick’ machte. “Oh!” keuchte ich erschrocken und stand schnell auf, um mich zu der Rothaarigen zu drehen. “Nein, das ist nicht dein Ernst! Ich mach da nicht mit. Ich lass mich nicht da hoch verfrachten!”, schrie ich sie an. Sie setzte sich etwas auf und stützte sich auf ihre Ellenbogen.

“Pass auf, Süße, ich weiß nicht, wer du bist, und es ist mir auch egal! Ich habe die Aufgabe erhalten, dich aus meinem neuen Zimmer rauszuschmeißen und nach oben zu bringen! Wenn du damit irgendein Problem hast, dann wende dich damit nicht an mich! Und jetzt ab hier!”, meinte sie und blieb dabei völlig ruhig. Ich schnaubte.

“Wer bist du?”, fragte ich sie. Sie lächelte siegessicher und stand auf, um dann direkt vor mir zu stehen.

“Auch wenn das sehr seltsam ist und ich keine Ahnung habe, wer Joy ist, bin ich ihre Nachfolgerin. Aber sonst nennt man mich Lisa.” Mir klappte der Mund nach unten.

“Du weißt nichts von Joy?” Sie zog eine Augenbraue hoch und schüttelte den Kopf.

“Sollte ich denn irgendetwas über sie wissen, weshalb sie eine Nachfolgerin braucht?”, fragte sie und wirkte leicht genervt. Ich schnaubte.

“Joy hatte schon viele Nachfolgerinnen und alle sind so gegangen, wie sie selbst. Hat dir wirklich niemand von der Ersten Maid erzählt?” Ich war leicht geschockt, aber andererseits konnte ich verstehen, weshalb Silver um dieses Thema schwieg. Lisa schüttelte den Kopf und sah mich eingeschüchtert an. “Alle Maids werden getötet. Egal, ob sie Ihn zufrieden stellen, oder nicht.” Die Rothaarige riss die Augen auf, dann schüttelte sie den Kopf.

“Was erzählst du mir hier eigentlich für Scheiße? Seit wann bist du hier? Seit drei Stunden? Woher ‘kennst’ du Joy und wieso willst du mir einen bösen Floh ins Ohr setzen? Ich bin hier zufrieden, also quatsch mich nicht voll, pack deine Sachen zusammen und geh mir aus der Sonne.”, zischte sie mir zu und schubste mich ein Stück von sich. Ich schüttelte genervt den Kopf.

“Wie du willst, aber ich sehe schon, wessen Kopf als nächstes an der Maidwand baumelt.”, meinte ich und schnappte mir meine Jacke von dem Fußende des Bettes und sah sie noch einmal warnend an. “Ich rate dir, von hier zu verschwinden, solange du noch kannst!” Die Rothaarige schnaubte und ließ sich auf das Bett fallen.

“Marlene!”, rief sie laut. Kurz darauf marschierte das weißhaarige Mädchen in das Zimmer. Wenn Blicke töten könnten, wäre Lisa höchstwahrscheinlich vom Stuhl gefallen, aber leider war dem nicht so. “Sie soll hoch! Packst du das?”, fragte sie das kleine Mädchen. Diese verdrehte nur genervt die Augen und zog mich am Arm aus dem Zimmer heraus. Die Tür fiel hinter uns ins Schloss und ich sah Marlene fragend an.

“Ich hasse sie und sie ist die Einzige, bei der ich mich auf das Ende freue!”, grummelte sie und ich seufzte leise.

“Werden den neuen Maids nicht gesagt, was am Ende mit ihnen passieren wird?”, fragte ich das Mädchen neben mir, aber sie zuckte nur die Schultern.

“Weiß nicht.”, sagte sie. “Lass uns gehen, ich muss noch Hausaufgaben machen.” Ich lächelte leicht, dann folgte ich ihr durch den langen Gang bis zur Mitte des Gebäudes, in der eine große, marmorne Treppe nach oben führte.

“Weißt du, warum ich hoch muss? Sonst ist das Zimmer doch für die Maids reserviert, oder etwa nicht?”, fragte ich sie. Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte.

“Ja, sonst. Ich verstehe nicht, was sich in Marcus Hirn abspielt, aber er hat Lisa runtergeschickt und will dich oben haben. Er meinte, er würde gerne ein Auge auf dich haben, dich beschützen, wie er es ausdrückte. Allerdings hatte er dabei so ein seltsames Funkeln in den Augen. Ehrlich, ich will dich nicht oben sehen, aber wenn mein Bruder sagt, du sollst hoch, dann bring ich dich hoch.” Sie seufzte leise. Wir gingen die zweite Treppe nach oben.

“Ich will hier wieder raus, Lenne! Kannst du mir dabei nicht helfen?”, fragte ich sie und drückte meine Jacke enger an mich.

“Tut mir Leid, Samira, ich weiß nicht, wie…” Sie stockte und ich sah sie fragen an. Dann hellte sich ihr Gesicht auf und sie rannte die letzte Treppe nach oben. Ich folgte ihr, so schnell ich in diesem blöden Plüschrock laufen konnte und blieb hinter ihr stehen, als sie den Code für den oberen Bereich eingab. Als die Tür aufschwang, rannte sie sofort nach rechts und ich folgte ihr wieder, die Tür hinter mir schließend.

“Ah, da ist es!”, sagte sie leise und werkelte an einem der vielen Bücherregale rum. Erst jetzt merkte ich, dass ich noch nie hier oben war und sah mich um. Ich befand mich vermutlich in Silvers Bibliothek. “Oh, ich hab es, komm her!”, sagte sie und ich ging zu ihr, die Buchrücken dabei überfliegend. Fast nur Rechtsbücher. Nichts für mich.

“Also, was hast du gefunden?”, fragte ich die kleine Schwester von Marcus und blickte ihr über die Schulter. Sie grinste mich triumphierend an.

“Den Geheimgang. Marcus hatte mir einmal davon erzählt. Du musst nur dieses Buch…” Sie deutete auf ein Buch mit grünem Einband und goldener Schrift. “… ein wenig rausziehen und dann kannst du schon durchgehen. Du müsstest vor dem Gelände an einem Busch rauskommen.” Ich nickte und musste leicht grinsen.

“Der führt direkt zu einem Busch!”, näselte ich und versuchte Bully nachzumachen. War aber wahrscheinlich nicht so gut, denn Marlene sah mich nur irritiert an. Ich lächelte leicht und zuckte die Schultern. “Sorry!” Das Mädchen winkte ab und ging mit mir zusammen in die Richtung, aus der wir gekommen waren.

“Merk dir das Buch!”, sagte sie und ich nickte artig. “Ich soll dich in das Wohnzimmer bringen. Den Code solltest du dir merken, fürs erste jedenfalls!” Damit waren wir bei der nächsten Tür und Marlene drückte sechs Zahlen hintereinander auf der Tastatur. 7-3-6-3-8-3. Mal sehen, ob ich mir das merken konnte. Ich war bei so was noch nie gut gewesen. “Gut, da hinten ist die Küche, da findest du alles, was du möchtest. Alkohol, Essen, was dein Herz begehrt.” Oh shit, warum spürte ich so einen Stich im Herzen? Und warum musste ich gerade an Jo denken, und was er wohl gerade machte? Wieso musste ich daran denken, was er sagte, als er mich zusammengeschlagen hatte? Ich seufzte leise.

“Hey, alles gut, du kannst jederzeit abhauen. Ich steh hinter dir, Samira, denk daran. Bei Problemen, drück einfach den blauen Knopf hinter der Stehlampe, oder komm runter, ich bin fast immer im Büro.” Sie nickte mir noch einmal zu, bevor sie mich doch noch einmal umarmte. “Deine Sachen werden nicht entsorgt, ich bewahre sie eine Weile bei mir im Zimmer auf. Sag einfach, wenn du sie brauchst!” Sie ließ von mir ab und wandte sich dann um, schritt davon, die Tür hinter sich schließend.

“Danke!”, murmelte ich leise und ließ mich auf das Sofa fallen und stützte die Arme auf den Knien ab. Ich traute mich nicht, noch mal an mir runter zu sehen. Pink. Grausam. Nein, ich würde mich heute nicht noch einmal ansehen. Also richtete ich mich wieder auf und atmete tief durch. Dann drehte ich mich einmal im Kreis, bevor ich mich auf Erkundungstour begab, denn seltsamer Weise war ich in den Jahren, die ich in diesem Haus verbracht hatte, noch nie hier oben gewesen.

Als Erstes begutachtete ich die Küche. Sehr offen. Sehr groß. Noch nie benutzt, wie es schien. Den Kühlschrank öffnend bestätigte sich dieser Eindruck. Fast nur Bier, Spirituosen und kalte Getränke standen darin. Ich nahm kopfschüttelnd eine Flasche Wasser heraus und entdeckte eine Tupperdose mit rötlichem Inhalt. Ich stellte die Flasche Wasser auf die Arbeitsfläche und musterte die noch geschlossene Dose vorsichtig. Leider konnte ich dadurch noch nicht ausmachen, was es sein sollte. Also nahm ich die Dose aus dem Kühlschrank, den ich daraufhin schloss, und machte den Deckel von der Dose ab.

Es war rot, hatte bräunliche, größere Stücke darin. Ich zog die Stirn kraus und stellte die Dose neben die Flasche Wasser. Dann suchte ich in den vielen Schubladen, bis ich schließlich einen Löffel fand. Wahnsinn. Diesen ließ ich in das Zeug eintauchen, bis etwas darauf war und schob es mir vorsichtig in den Mund. Dann schluckte ich es runter.

“Bolognese.”, murmelte ich leise und sah mich in den Schränken um, ob ich vielleicht einen Topf und Nudeln fand. Vielleicht würde ich noch etwas anderes Essbares finden.

Tanzsache

Hallöchen, meine Lieben, tut mir Leid, ich bin schon wieder zwei Tage zu spät^^

Aber das nächste Kapitel ist schon fast fertig, also wird es pünktlich kommen: nächsten Dienstag.

Ich bin nicht wirklich glücklich mit dem Kapitel, aber ich stells trotzdem online, weil ich keine Ahnung habe, wie ich es noch retten soll...

Danke noch mal an alle Kommentatoren und ich erinnere hier nochmal an die UMFRAGE, die dann morgen ABLÄUFT...
 

LG
 

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Kapitel 22: Tanzsache
 

Zu meiner Überraschung fand ich neben Nudeln und einem Topf auch noch Gewürze, wie Salz und tief im Kühlschrank, unter Wodka, Whisky, Ramazotti und Rum, fand ich sogar noch haltbaren Käse. An dem Induktionsherd hatte ich mich sofort gewöhnt. Er war super leicht zu bedienen und mir kam kurz der Gedanke, ob ich nicht vielleicht hier bleiben wollte.

Doch schnell verwarf ich diesen absurden Gedanken wieder. Ich ließ die Nudeln vor sich hin blubbern und stellte mir einen Teller bereit. Dann wusch ich mir schnell noch die Hände und ging weiter durch die oberste Etage. Durch eine milchige Glastür gelangte ich in ein helles Badezimmer, das eine riesige Eckbadewanne beinhaltete. Meine Augen wurden groß. Wie viele hier wohl rein passten? Ich ging etwas näher und biss mir auf die Unterlippe. Dann drehte ich mich um, checkte die Lage und stieg vorsichtig in dieses riesige Ding. Ich lachte leise. Hier hatten doch mindestens fünf Personen Platz.

Den Kopf schüttelnd stieg ich wieder aus der Wanne raus. Es gab noch ein goldenes Klo in einer anderen Ecke und eine große, marmorne Dusche. Das Waschbecken, ebenfalls aus Marmor fand man neben der Tür. Ich ging zur Tür und drehte mich noch einmal zum Bad. Weiße Fliesen. Ich wollte nicht wissen, wer dieses Ungetüm von Wohnung putzen musste.

In die Küche zurückschlendernd nahm ich mir die Wasserflache zur Hand und füllte ein Glas damit, von dem ich gleich einen Schluck nahm.

Nach einer Weile, in der ich nur dumm vor mich rumgestarrt hatte, kostete ich die Nudeln und goss sie einige Sekunden später schließlich ab, machte mir eine Portion fertig und setzte mich an die Theke und mümmelte es in mich hinein.
 

Aufgegessen, abgespült und verräumt. Mit meinem wieder vollem Wasserglas ging ich zurück zu dem Sofa neben dem sich die große Stehlampe befand, ließ mich darauf sinken und schloss die Augen. Was für ein scheiß Tag! Als ich Schritte hörte, zuckte ich erschrocken zusammen, fuhr hoch und starrte das Mädchen vor mir fragend an.

Marlene legte zwei große Kleidersäcke auf das Sofa und sah mürrisch darauf. Dann wandte sie den Blick mir zu, nur um leise zu seufzen.

“Zieh eins davon an, Marcus holt dich in einer halben Stunde ab. Gott, ich weiß gar nicht, wie wir das so schnell schaffen sollen.”, stöhnte sie leise und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. “Hm. Dürfte nicht so schwierig werden.” Sie biss sich auf die Unterlippe. “Obwohl eine Perücke vielleicht besser wirken würde.”, redete sie weiter vor sich hin. Durch eine schnelle Handbewegung brachte ich sie zum Schweigen.

“Wie meinst du das? Marcus? Halbe Stunde? Und vor Allem: Perücke?”, fragte ich sie und zog ihre Hand aus meinen Haaren. Lenne lächelte kurz, dann zog sie die Stirn kraus und seufzte tief.

“Heute Abend findet ein Ball für höhere Personen im Schloss statt. Natürlich ist Marcus eingeladen. Plus Begleitung. Er hat beschlossen, weder Sina, noch Margo mitzunehmen, sondern dich.”, meinte sie und zog den ersten Kleidersack auf. Zum Vorschein kam ein geblümtes Kleid.

“Heute Abend? Ein Ball? Mit Tanzen und so? Mit Marcus? Nein, niemals!”, rief ich aus. Marlene winkte nur ab.

“Du kannst doch tanzen. Das Kleid sieht ja furchtbar aus.”, meinte sie und zog es aus dem Sack. Darunter lag noch eins.

“Ich habe nicht behauptet, nicht tanzen zu können. Aber wieso mit Marcus? Nein Lenne, tu mir das bitte nicht an.” Das Mädchen lächelte mich traurig an, schmiss das Blumenkleid achtlos auf das Sofa und zog das nächste Kleid heraus. Es war hellblau, hatte dunklere Längststreifen und leichte Puffärmel.

“Tut mir Leid, Samira, ich führe nur Befehle aus. Wie findest du das?” Ich sah sie nur flehend an. Sie wiegte den Kopf hin und her, schmiss mir das Kleid dann über den Arm.

“Lenne, ich will nicht!”, sagte ich laut und gab ihr das blaue Kleid zurück. Sie zuckte die Schultern und hängte es mit einem Bügel versehen an die Stehlampe, um daraufhin den zweiten Kleidersack zu öffnen. Man sah beigen Stoff leicht glitzern.

“Ach, Samira, jetzt stell dich nicht so an. Es ist ein Ball. Einen Ball mit ihm wirst du doch aushalten, oder?” Marlene blickte mich zweifelnd an und ich biss mir auf die Unterlippe.

“Kommst du mit?”, fragte ich hoffnungsvoll. Marlene schüttelte den Kopf und ich verschränkte die Arme vor der Brust. “Dann gehe ich auch nicht!”, meinte ich und lehnte mich an die nächstbeste Wand.

“Samira, Marcus geht mit dir dorthin, um dich der Gesellschaft vorzustellen. Ich habe da nichts zu suchen. Tut mir Leid.”, meinte sie und zog das beige Kleid aus dem Sack. Ich betrachtete es kurz, dann hielt Lenne es mir vor die Nase. “Das ist ganz hübsch. Probier mal.”, sagte sie leise. Ich nickte, nahm es an mich und machte mich auf dem Weg durch die Wohnung Richtung Badezimmer. Marlene folgte mir.

“Wieso hast du da nichts zu suchen?”, fragte ich sie nun. “Ich meine, du gehörst doch auch zu den Silverstones, oder? Dann darfst du da auch hin.” Marlene seufzte leise.

“Lass mich raten: Es ist egal, was ich sage, denn du gehst nur, wenn ich gehe, richtig?”, fragte sie und klang genervt.

“Richtig!”, nickte ich, blieb vor der Glastür zum Badezimmer stehen. Das Mädchen seufzte tief, bevor sie mich leicht anlächelte und dann nickte.

“Schön, ich werde mit meinem Bruder sprechen. Aber ich kann dir wirklich nichts versprechen.” Ich nickte und lächelte sie freudig an. Dann ging ich mit dem Kleid in der Hand in das Badezimmer, um mich dort umzuziehen.

“Wow!”, meinte Marlene, als ich zur Tür heraustrat. Ich blickte sie fragend an. Dann blickte ich an mir herunter und schüttelte nachdenklich den Kopf.

“Meinst du mich, oder das Kleid?”, fragte ich sie leise. Sie lachte auf, bevor sie mich am Handgelenk packte und durch die Küche zog, um mich durch eine weitere Glastür zu schieben. Wir standen in einem hellorangen Zimmer, mit roten Ornamenten an den Wänden. Ein großes Bett mit blassgelben Vorhängen stand in der Mitte des Raumes, beschienen von der langsam blasser werdenden Sonne, die durch ein riesiges Fester fiel. Gegenüber dem Bett befand sich eine große Schrankwand, jedoch wirkte es nicht im geringsten bedrückend, sondern eher einladend.

“Warte, ich hol sie!”, meinte Lenne lächelnd. Ich sah ihr fragend hinterher, als sie eine Holztür neben dem Fenster öffnete und hinein ging. Ich fuhr mir durch die schon wieder viel zu langen Haare (für einen Jungen) und seufzte leise. Ich drehte mich zur Tür und erstarte. Wie?

“Samira, ich habe…” Ich hörte Marlene kaum. Ich sah nur noch ein Mädchen in einem beigen Kleid vor mir, Sie hatte zwar kurze Haare, aber sie sah gut aus. “So ging es mir vorhin auch, Samira. So verdammt weiblich sahst du das letzte Mal aus, als…” Sie verstummte und ich wandte mich ihr zu. Dann nickte ich langsam.

“Als Joy gestorben ist, ich weiß.”, sagte ich leise. Auch Marlene nickte. Dann seufzte sie und hob einen Büschel Haare in die Höhe.

“Ja oder nein?”, fragte sie leicht heißer. Ich blickte wieder in den Spiegel vor mir und zuckte unwissend mit den Schultern. Ich wusste nicht, was sie machen sollte, es war mir auch relativ egal. Lenne lächelte freudig und legte die Perücke auf einen der Stühle neben dem Spiegel. Einen Anderen schob sie mir zu und ich ließ mich darauf sinken. Dann fuhr mir das weißhaarige Mädchen mit beiden Händen durch die Haare, um sie zusammenzubinden und anschließend unter eine Haube zu schieben.

Kurze Zeit später richtete Marlene die letzten Strähnen der Perücke und sah sich ihr Werk im Spiegel an. Es sah gut aus. Eine Hälfte der Haare waren hochgesteckt und der Rest umrandete locker fluffig mein Gesicht.

“Fertig.”, erlöste das Mädchen mich und nickte mir zu. Ich lächelte sie an und seufzte kurz darauf leise. Ich hatte keine Lust, auf einem dämlichen Ball dumm rumzuhüpfen und dann auch noch an Marcus gefesselt zu sein.

Ich stand von dem Stuhl auf und betrachtete noch einmal das Kleid. Es war von der Hüfte aufwärts bis unter die Brust gerafft, genauso an der rechten Seite bis zum Knie. Ansonsten war es knöchellang und hatte nur einen Träger, der über die rechte Schulter verlief. Der Raff am Knie endete in einer kleinen dunkelbeigen Schleife.

“Oh, du siehst gut aus.” Erschrocken drehte ich mich um und wich aus Reflex einen Schritt zurück. Vor mir stand Marcus Silverstone. Ich seufzte erneut, wollte mir durch die Haare fahren, aber ein Schlag auf die Hand, von Marlene ausgehend, hinderte mich an diesem Drang.

“Danke.”, stammelte ich. An beide gewandt. Dann blickte ich ihn fragend an. Er trug einen Pullover und Jeans. Er bemerkte meinen Blick und lachte kurz auf.

“Ich zieh mich jetzt auch um.” Ich nickte und sah Marlene eindringlich an. Diese zuckte unter dem Blick kurz zusammen, bevor sie sich wieder fing.

“Ach, Marcus!”, meinte sie und blickte ihn nun mit Hundeblick an. Sie wusste, dass ich sie verfluchen würde, wenn sie mich mit ihm alleine ließ, auch wenn es auf einem Ball war. “Ich wollte fragen, ob ich vielleicht mitkommen könnte.”, meinte sie und ich drehte den Kopf Marcus zu, der sich gerade seine Turnschuh auszog. Er runzelte die Stirn und zuckte die Schultern.

“Klar. Aber nur, wenn du dir was anziehst, was angemessen ist.”, meinte er, bückte sich nach den Schuhen und verließ den Raum wieder. Lenne nickte, nahm meine Hand in Ihre und gemeinsam gingen wir durch die Wohnung zur Treppe, der wir nach unten folgten. Somit ging ich barfuss die Marmortreppe runter und kam bald in Marlenes mit Teppich ausgelegten Gemächern an.

Erkenntnisse

STOPP!!!!

ANGEHALTEN!!!
 

Dieses Kapitel ist aus der Sicht von Jo geschrieben... Wer es nicht lesen möchte, soll es bitte auch nicht! Ich will niemanden dazu zwingen...

Allen anderen wünsche ich viel Spaß!
 

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Kapitel 23: Erkenntnisse
 

“Mensch, Jo! Du starrst jetzt schon seit fast zwei Stunden auf das Meer. Seit einer Stunde ist keine Sonne mehr da, die du beim untergehen beobachten kannst.”, meinte Elias nun neben mir und ich nickte stumm. Wo war er? Seit Montagabend hatte niemand mehr etwas von Sam gehört. Schon dreizehn SMS hatte ich ihm geschickt. Auf keine hatte ich eine Antwort erhalten. Meine Anrufe blieben ebenfalls unbeantwortet. “Komm schon, was ist los, Jo?”, fragte Eli mich nun. Ich seufzte noch einmal, bevor ich das Handy aus der Tasche zog und auf das dunkle Display starrte.

“Hast du etwas von ihm gehört?”, fragte ich ihn leise und löste die Tastensperre. Eli seufzte leise und zittrig.

“Nein.”, sagte er. Ich drückte auf den grünen Hörer des Telefons.

“Ich bin grad nicht da. Aber ich ruf zurück, wenn..” Ich nahm das Handy wieder runter und drückte auf den roten Hörer. Seit heute Mittag war sein Handy ausgeschalten und nur die dumme Mailbox ging ran.

“Ich verstehe nicht wirklich, warum du dir so große Sorgen machst. Sam ist stark, egal was er macht. Und wenn er sich denkt, er muss nicht zur Schule und sich nicht bei seinen Freunden melden, dann lass ihn. Lass ihm die Zeit.”, murmelte Eli neben mir und ich atmete tief die Meerluft ein. Dann drehte ich mich um und sah zu dem Feuer, welches einen Grillabend abschloss.

“Ich mach mich langsam auf den Weg. Morgen ist wieder Schule.” Damit ging ich langsam über die Wiese auf das Haus zu.

“Dafür hast du dich noch nie interessiert!”, schrie mir Elias hinterher. Ich zuckte die Schultern und verschwand. Es war mir gerade alles zu viel. Sam hatte sich seit zwei Tagen nicht gemeldet und seltsamer Weise habe ich zu nichts Lust. Weder Sex, noch die Steaks heute Abend konnten mich aufmuntern. Ständig gingen meine Gedanken zu Sam. Zu seinen Wunden, die ich ihm zugefügt hatte. Zu seinem Körper, der so dünn und zerbrechlich unter mir bebte, als ich auf ihn einschlug. Dieses Gefühl, dass mich zum Verzweifeln brachte, ich wurde es nicht los. Dieses Gefühl, als würde mein Herz gleich zerbrechen, meine Brust verlassen wollen, mich im Stich lassen und lieber zu einer anderen Person gehören, als zu mir.

Mit hängenden Schultern irrte ich durch die Straßen. Komischer Weise hatte ich heute keinen Alkohol getrunken, war nicht besoffen, bekifft, oder sonst etwas. Ich war nur ziemlich am Boden. Wieso zog er mich so runter? Wieso konnte er mich dazu bringen, auszurasten? Ich hasste ihn dafür.

Ich drehte meine Runden im Park, ließ mich ab und zu seufzend auf eine der Bänke fallen und stand gleich wieder davon auf, weil meine Gedanken trotzdem weiterkreisten und noch schneller und lauter werden zu schienen.

Als ich bei mir zuhause ankam, schlich ich mich in mein Zimmer und ließ mich dort auf mein Bett fallen. Verdammt, was war denn nur los mit mir. Ich seufzte tief, rollte mich auf den Rücken und fuhr mir mit der Hand über das Gesicht.

“Hey.”, kam es leise von meiner Zimmertür und ich drehte den Kopf in die Richtung. Im Türrahmen lehnte Janie, diesmal in einem ordentlichen Pyjama, aus dem nichts raushüpfen konnte, und sah mich treudoof an. Gott, wieso hatte sie diesen Blick auch drauf? Und weshalb bitte erinnerte mich dieser Blick so sehr an Sam, dass ich schon wieder so ein Stechen in der Brustgegend fühlte?

“Hey.”, antwortete ich ihr und setzte mich auf, die Beine zu einem Schneidersitz verschränkt. Janie biss sich auf die Unterlippe, stieß sich vom Rahmen ab und kam dann auf mich zu, um sich neben mich auf mein Bett fallen zu lassen.

“Du bist früher da, als ich erwartet hatte.”, sagte sie leise und zeigte auf die Uhr, die über meiner Tür hing. Es war gerade einmal kurz vor halb elf. Ich schnaubte. “Ist irgendetwas passiert?”, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf und ließ mich wieder nach hinten fallen. “Jonas, was ist los?”, fragte sie leise und ich hörte leichte Beunruhigung mitschwingen. Ich seufzte leise.

“Hast du in letzter Zeit etwas von Sam gehört?”, fragte ich sie. Das schwarzhaarige Mädchen neben mir nickte. Ich sah sie fragend an. “Wann?” Sie atmete tief ein und dachte angestrengt nach.

“Montag morgen. Als Sam mich bei sich hat schlafen lassen.”, meinte sie und ich grummelte, als sie mich schon wieder an diese ganzen blöden Geschehnisse erinnerte. “Wieso fragst du? Was ist mit Sam?” Wieso hatte ich eine kleine Schwester, die immer gleich wissen wollte, was hinter meinen Fragen und Antworten steckte? Ich grummelte nochmals, aber leider ließ meine Schwester nicht locker, sondern piekte mich auffordernd in die Seite. “Sag schon!”, forderte sie.

“Ich hab ihn seit Montag Abend nicht mehr gesehen.”, sagte ich leise. “Sam geht nicht ans Telefon, antwortet nicht auf SMS und war weder in der Schule, noch bei unseren Treffen. Ich weiß nicht, wie ich es am besten ausdrücken soll, aber…” Ich seufzte gequält auf, als sich Janie auf mich stürzte und mich panisch ansah.

“Wie jetzt? Seit Montag Abend?” Ich nickte. Plötzlich fing sie ganz unvermittelt an ganz breit zu grinsen. Okay, jetzt machte sie mir eindeutig Angst. “Aber du vermisst Sam, hab ich recht?”, meinte sie dann kichernd. Ich schubste sie von mir und schüttelte schnell den Kopf. Vermissen? Vielleicht ein Kleines bisschen, aber das gab ich doch nicht vor meiner kleinen Schwester zu.

“Ich mache mir nur etwas Sorgen um ihn! Was, wenn er sich in Schwierigkeiten befindet? Wenn er ins Meer gefallen ist, obwohl er gar nicht schwimmen kann. Wenn er durch einen Autounfall im Krankenhaus liegt und niemanden erreichen kann, weil sein Handy zertrümmert wurde. Oh Gott, seit heute Mittag ist es aus, was wenn…” Weiter kam ich gar nicht, denn Janie drückte mir ihre Hand auf meinen Mund. Ich sah sie verstört an.

“Mal nicht gleich den Teufel an die Wand. Vielleicht will Sam einfach mal ein wenig Abstand zu allem.”, meinte sie und drückte mich wieder auf die Matratze, um sich dann an mich zu kuscheln und mir kurz mit den Händen durch die Haare zu fahren. “Woher willst du eigentlich wissen, dass Sam nicht schwimmen kann?”, fragte sie dann leise, aber ich zuckte die Schultern.

“Keine Ahnung. Er war nie mit uns Schwimmen, hatte für den Sportunterricht fast immer Entschuldigungen und war nie mit auf Klassenfahrten. Ich weiß nicht, ob er schwimmen kann.”, gab ich zu bedenken und knüpfte an meinen letzten Gedanken an: “Aber was, wenn wirklich etwas passiert ist?”, fragte ich leise. Janie kicherte leise.

“Du bist ein verliebter Trottel! Sam wird schon nichts passieren.”, sagte sie und erhob sich wieder. Moment, wie war das gerade? Verliebter Trottel?

“Ich bin nicht verliebt!”, meinte ich und setzte mich ebenfalls auf. Janie blickte mich nur empört an.

“Wenn du nicht verliebt bist, dann bisch die Kaiserin von China. Du hast dir noch nie so viele Sorgen um jemanden gemacht, außer um mich. Da musste etwas dahinter stecken. Du bist verliebt, du Narr, sieh es ein!” Damit war sie aus meinem Zimmer verschwunden und zog die Tür hinter sich zu.

“Verliebt?”, murmelte ich vor mich hin. Nein, das konnte nicht sein. Sam war doch ein Junge und das hieße ja, dass ich … Nein, das … Oh Gott.
 

Eine halbe Stunde später befand ich mich auf einer Parkbank und versuchte ansatzweise klar zu denken.

“Man, Jo! Wegen dir bin ich extra noch mal aus dem Bett gekrochen, weil du meintest, dass es sehr wichtig wäre, also, was ist los?”, fragte mich Jake nun schon zum dritten Mal in dieser Nacht. Ich biss mir auf die Unterlippe und blickte in den dunklen Himmel.

“Wie hast du herausgefunden, dass du schwul bist?”, fragte ich leise in die stille Dunkelheit hinein. Jake hielt kurz die Luft an, dann lachte er leise.

“Wieso fragst du mich das?”, startete er den Gegenangriff. Ich zuckte die Schultern und blickte auf meine Hände.

“Ich wollte es nur mal so wissen.”, sagte ich dann und lehnte mich ein Stück weiter nach vorne, um auch mal meine Schuhspitzen betrachten zu können. Gott, es war so verflucht peinlich, hier zu sitzen und mit Jake über Homosexualität zu reden. Wieder lachte der Junge neben mir leise.

“Nun gut, ich bin mir dessen bewusste geworden, als sich unseren Gemeinschaftskundereferendar an mir vergriffen hatte.”, schmunzelte er und ich hob den Blick zur Seite, um ihn irritiert anzusehen.

“Was?”, fragte ich ihn. Er hat sich an dir vergriffen? Sexuelle Belästigung?” Der Blondhaarige lachte wieder, nur etwas lauter.

“Ich hätte es vielleicht anders ausdrücken sollen. Er hat mich auf ein Eis eingeladen, ich habe die Einladung angenommen und danach sind wir halt zusammen im Bett gelandet. Der Wille war da. Auf beiden Seiten. Sozusagen eine zweiseitige Willenserklärung.”, witzelte er und ich seufzte tief. “So, und was ist jetzt mit dir? Warum willst du das wissen?”, fragte er mich und stupste mich mit dem Ellenbogen an. Wieder musste ich seufzen.

“Ich glaube, ich habe mich verliebt.”, murmelte ich vor mich hin und betrachtete wieder meine Schuhspitzen. Hm, die waren auch mal weißer gewesen. Jake fuhr mir kurz durch die Haare, dann seufzte auch er.

“Liebe. Es ist ein schönes Gefühl, nicht wahr. Wenn man weiß, dass da ein Mensch ist, mit dem man zusammen sein möchte, seine Zukunft zusammen mit diesem einen Menschen verbringen will. Wenn man weiß, dass man auch geliebt wird. Hach, das ist ein schönes Gefühl! Und, wer ist die Glückliche, die du dein Eigen nennst?” Ich starrte ihr irritiert an. Was?

“Du verstehst das Falsch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Person nichts anderes als rein freundschaftliche Gefühle für mich hegt.”, meinte ich leicht verwirrt. Woher weiß er so viel über Gefühle? Seit wann?

“Wer ist es denn?”, fragt er und wieder lag ein riesiges Grinsen auf seinen Lippen.

“Ich glaube, ich bin schwul.”, meinte ich ohne wirklichen Zusammenhang. Jake zog eine Augenbraue nach oben und blickte mich schweigend an. “Sam”, murmelte ich dann leise und fuhr mir mit der Hand durch die Haare.

“Ach ja, Sam. Scheint einigen den Kopf zu verdrehen, Jo. Aber ich glaube, um deine Neigungen musst du dir keinerlei Gedanken machen.” Ich sah ihn irritiert an. Hä? “Vielleicht solltest du dich einfach mal auf den Weg machen und mit Sam reden. Da sind noch einige Sachen zwischen euch zu klären.”, meinte Jake wieder und erhob sich. “Und nun entschuldige mich bitte, da wartet ein Bett auf mich.” Damit ging er und ließ mich im Park zurück. Wie sollte ich denn mit Sam reden, wenn ich ihn nicht erreichen konnte. Ein Gedankenblitz durchfuhr mich und ehe ich mich versah, befand ich mich auf dem Weg zu seiner Wohnung.
 

Mit einem leisen ‘Pling’ entließ mich der Fahrstuhl in die achtzehnte Etage und ich stürmte zu der Wohnung, deren Eingangstür einen großen Spalt offen stand. Ich rannte in das große Zimmer und blieb erschrocken stehen, als ich mich einem Mann Mitte 30 mit braunen Haaren und einer schwarzen Lederjacke gegenüber befand. Er blickte mich fragend an und ich sah mich verstört um. Ich war doch richtig, oder war das der falsche Stock?

“Wer bist du?”, fragte er mich und ich zuckte erschrocken zusammen. Wieso fragt er das?

“Wer sind Sie?”, stellte ich also die Gegenfrage und blickte mich weiter um. Ja, ich war hier eindeutig richtig. Das war Sams Einrichtung. “Wo ist Sam?”, setzte ich noch an meine Frage. Mein Gegenüber lächelte verbittert und hielt Sams Handy in die Höhe.

“Das wüsste ich auch gerne. Ich bin Maik Leut, Sams Vater. Ich konnte ihn seit Montag Nachmittag nicht erreichen und dachte mir, ich schau mal nach. Doch ich fand nur eine leere Wohnung vor.” Er nickte mir zu. “Du bist dran.” Ich schüttelte leicht überfordert den Kopf. Das war Sams Vater? Nun gut, beim genaueren Hinsehen bemerkte man viele Ähnlichkeiten.

“Mein Name ist Jonas Stranitz. Ich bin einer von Sams Mitschülern und versuche ihn ebenfalls schon seit Montag Abend zu erreichen.”, sagte ich und ließ mich erschöpft auf das Bett sinken. “Sie wissen also auch nicht, wo er sein könnte?”, fragte ich und sah ihn leicht lächeln, was mich stark an Sams Lächeln erinnerte. Er hob auffordernd die Hand und ging Richtung Tür, das Handy Sams immer noch in seiner Hand haltend.

“Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee?”, fragte er mich. Erst zögerte ich, doch dann nickte ich und folgte ihm aus der Wohnung. Vielleicht könnte er mir noch etwas erzählen, was ich noch nicht wusste. Und ich glaube, das war eine Menge.
 

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Über Kommentare würde ich mich wieder tierisch freuen^^

LG, shinichi_san

Fünf Sterne

Kapitel 24: Fünf Sterne
 

Eine Limousine brachte uns ins Schloss. Was denn auch sonst? Die Fahrt verlief ruhig, mit Ausnahme von Marlene, die die ganze Zeit laut und nervös vor sich her plapperte. Ich hätte ihr am liebsten die Klappe gestopft, wenn ich sie nicht noch dafür bräuchte, mich in bestimmten Momenten von Marcus und der ‘Gesellschaft’ abzuseilen. Aber zum Glück dauerte die Fahrt nicht allzu lange, sodass ich ihrem nervösen Geschwafel etwas ausweichen konnte.

Als der Wagen dann an Geschwindigkeit verlor und schließlich zum stehen kam, stieg ich leise seufzend aus und schüttelte leicht den Kopf. Oh man, ich hatte absolut keine Lust, weder auf Tanzen, noch auf irgendwelche gesellschaftlichen Dinge, die Silver da ausheckte. Ich hob den Blick und betrachtete erstaunt das riesige Gebäude vor mir. Es war auf jeden Fall… alt. Nun gut, dass hatten Schlösser nun einmal an sich, aber trotzdem… es war alt. Und groß. Zwei Türme mit spitzen Dächern hoben sich links und rechts neben dem Hauptgebäude von eben jenem ab und ließen das gesamte Bild majestätisch wirken.

“Gefällt es dir?”, wurde ich leise gefragt und widerwillig musste ich schlucken, als ich Silvers Stimme so dicht und so leise neben mir hörte. Seine Hand legte er wie selbstverständlich auf meinen Rücken und ich atmete tief ein. Auch wenn es mir nicht Recht war, so durfte ich mich nicht dagegen wehren. Nicht hier, nicht vor Menschen, die noch einiges an Bedeutung für mich haben könnten. Auf die Frage des Weißhaarigen nickte ich nur ergeben.

“Wow, ich geh auf einen Ball!”, kam es plötzlich von der anderen Seite und ich zuckte erschrocken zusammen. Links neben mir stand Marlene und kicherte verhalten. Wie ein kleines Kind, schoss es mir durch den Kopf und ich musste leicht grinsen. Ja, das Mädchen konnte einen eigentlich sehr gut aufmuntern, aber manchmal war sie eine echte Nervensäge.

“Marlene, benimm dich bitte nicht, wie ein kleines Kind, das wissen möchte, wo die Babys herkommen.”, herrschte Marcus seine kleine Schwester an und schob mich vorwärts in Richtung des Einganges. Zögerlich trat ich mit seiner Hand auf meinem Rücken durch den großen Türrahmen, der ins Innere des riesigen Gebäudes führte. Marlene folgte uns ruhig. Doch allmählich machte sich bei mir Panik breit. Ich hatte Angst, furchtbare Angst, etwas falsch zu machen, mich total zu blamieren und vor allem hatte ich Angst vor Marcus und seinen fraglichen Plänen, mich betreffend.

“Guten Abend.”, wurden wir von einem Pinguin begrüßt. Also, es war kein echter Pinguin, aber der Mann im Frack vor uns sah einem verblüffend ähnlich. Vielleicht waren seine Vorfahren ja welche gewesen. Theoretisch könnte ich ihn ja fragen…

“Guten Abend.”, antwortete da Silver und unterbrach meine verwirrenden Gedanken, brachte mich in die Realität zurück. “Silverstone, Marcus.”, betete er vor sich her und zupfte an meinem Mantel. Ich öffnete schnell die zwei Knöpfe und überließ ihn Marcus, der ihn mir von den Schultern nahm und dem Pinguin übergab. “Mit Begleitung.”, fügte er der Vorstellung seiner Person an und nahm nun auch Lenne den Ihrigen Mantel ab, um ihn an diese Frackperson weiterzureichen. Dieser hatte auf einer Liste, die neben ihm auf einem Pult lag, den Stift kreisen lassen und nickte kurz, bevor er eine einladende Geste machte und uns bat, ihm zu folgen.

“Herr Silverstone, ich hoffe, sie haben einen schönen Abend.”, meinte der Frackträger und lief weiter vor uns her.

“Sicherlich.”, meinte Marcus und mir lief es kalt den Rücken runter. Fuck, ich hatte Schiss. “Alles in Ordnung mit dir?”, fragte er mich leise und ich nickte stumm, den Blick starr auf den Fußboden gerichtet. “Samira, wenn etwas nicht stimmt, dann sag es mir bitte.”, meinte er flüsternd und sein Arm schob sich nun weiter um meine Hüfte, um mich ein Stück an sich zu ziehen. Ich schüttelte seinen Arm leicht ab und schüttelte den Kopf.

“Lass.”, flüsterte ich ihm zu und wich einen Schritt zur Seite. Er seufzte leise und legte wieder nur die Hand auf meinen Rücken. Dann schob er mich weiter hinter dem Pinguin her. Wir traten durch eine große Tür und waren kurz darauf in einem großen Saal angekommen, in dem einige Tische standen, die für das Essen eingedeckt waren. Ein vier Gang Menü. Ich seufzte tonlos.

Der Frackträger zeigte auf einen Tisch, an dem schon drei andere Personen saßen. Zwei Frauen und ein Mann. Marcus schnaubte leise neben mir. Ich blickte ihn fragend an und er verdrehte kurz genervt die Augen, bevor er ein falsches Lächeln aufsetzte und den jungen Mann ansah.

“Jack!”, meinte er und der Typ mit den braunen Haaren stand auf, ließ seine Gefährtinnen einfach sitzen und nahm Marcus in den Arm. Nur ganz kurz.

“Marcus!”, meinte er dann und ich runzelte irritiert die Stirn, als ich seine quietschende Stimme hörte. Das tat ja in den Ohren weh. Marcus lächelte immer noch aufgesetzt und zog mich dann leicht zu sich, ehe er mich bettelnd anblickte.

“Wenn ich vorstellen darf: Samira, meine Partnerin.” Ich schluckte schwer. Bite was? “Samira, das ist Jack Daniels. Er hat vor wenigen Monaten das Geschäft seines Vaters erfolgreich übernommen. Daniels Company, sagt dir doch etwas, oder?” Er blickte mich bittend an und ich biss mir auf die Unterlippe, bevor ich leicht nickte.

“Klar, wer kennt die nicht?!”, meinte ich und nahm die mir von Jack entgegen gestreckte Hand vorsichtig an. Er lachte leicht und nickte, bevor er sich wieder zu seinen Damen drehte und sich auf seinen Stuhl fallen ließ. Ich stellte mich vor Marcus, den Rücken zu Jack gewandt und beugte mich leicht zu Silver. Dieser blickte mich leicht erstaunt an. “Muss ich das kennen?”, fragte ich leise und hob die Hand, um ihm über die Wange zu fahren. Mann, wieso musste ich mich so aufführen. Marcus nahm die Hand von seiner Wange und strich vorsichtig mit dem Daumen über meinen Handrücken, bevor er ernsthaft lächelte.

“Nein, musst du nicht.”, sagte er ebenso leise wie ich. “Aber schon alleine, weil er an unserem Tisch sitzt, musste ich ihn dir vorstellen.” Er lachte leise auf. “Beziehungsweise musste ich dich ihm vorstellen, weil ich angeben wollte.” Ich zuckte zusammen und schlug ihn leicht in die Seite.

“Lass das.”, zischte ich nun und drehte mich wieder zu dem Tisch. Marlene hatte sich derweil neben eine von Jacks Begleitungen sinken lassen und unterhielt sich gedämpft mit der blonden Schönheit. Ich atmete einmal tief ein, bevor ich neben der Rothaarigen Platz nahm. Marcus setzte sich zisch Marlene und mich, lächelte mich dabei süffisant an.

“Ich frage mich, ob du noch genügend Platz auf deiner Tanzkarte hast.”, meinte er plötzlich und ich blickte ihn irritiert an. Er nickte nach rechts und ich drehte leicht den Kopf. Ich erblickte einige kleinere Gruppen von jungen, sowie älteren Männern, die sich angeregt miteinander unterhielten. “Bei so vielen Blicken, wie du auf dich ziehst, werde ich wohl kaum eine Gelegenheit haben, mit dir tanzen zu können.” Sein Blick wurde leicht traurig. Ich schüttelte den Kopf.

“Guten Abend.”, sprach jemand neben mir und ich wandte den Blick nach rechts. Vor mir stand ein junges Mädchen in Bluse und Weste und einem Tablett in der Hand. “Kann ich Ihnen einen Aperitif anbieten?”, fragte sie und ich blickte sie fragend an.

“Gerne.”, antwortete Marcus sofort. Ich winkte ab.

“Alkohol?”, fragte ich das Mädchen. Sie nickte und ich schüttelte den Kopf. “Kann ich einen Saft haben? Oder ein Wasser?”, fragte ich und sie nickte wieder. Dann reichte sie Marcus und Marlene ein Glas und ich blickte Marcus böse an. Dieser zuckte die Schultern und nahm Marlene das Glas wieder aus der Hand, die ihn nur verwirt anstarrte. Ich musste leise lachen.
 

Nach dem zweiten Gang, einer doppelten Rinderkraftbrühe mit Gemüsestreifen, wenn ich es recht verstanden hatte, erklang langsame Musik und Marcus stand auf, um mir seine Hand hinzuhalten.

“Ist noch Platz auf der Tanzkarte?”, fragte er und spielte auf das vorhergegangene Gespräch an. Ich verdrehte genervt die Augen, nickte dann aber und stand ebenfalls auf, um mit Marcus zusammen auf die Tanzfläche zu treten und uns zu den leisen Klängen der Musik zu bewegen. Eine Zeit lang tanzten wir nur, schwiegen dabei. Marcus seufzte leise.

“Es tut mir Leid, Sam. Aber ich kann dich nicht ziehen lassen. Ich habe mich in dich verliebt, auch wenn ich nicht recht weiß, warum, aber es ist halt so.”, flüsterte er mir zu. Ich schüttelte den Kopf.

“Lass es sein.”, murmelte ich leise. “Ich will dieses Thema nicht schon wieder ansprechen. Ich will dir auch nicht sagen, dass ich dich hasse, schließlich weißt du das schon.” Ich schnaubte.

“Verdammt, Sam. Woher willst du wissen, dass ich das einfach so hinnehme? Das werde ich nicht. Verlass dich darauf.”, schimpfte er leise.

Dann wirbelte Marcus erschrocken um und gab den Blick auf einen jungen Mann mit schwarzen Haaren frei. Oh Mann, warum mussten mich alle Schwarzhaarigen so aus der Fassung bringen? Weil sie mich so an Jo erinnerten? Verflucht, warum bekam ich diesen Jungen nicht aus meinem Kopf? Was war nur mit mir los, dass ich ständig an ihn dachte und alles in mir zerrte und schmerzte.

“Darf ich ablösen?”, fragte er und ich blinzelte verwirrt. Marcus nickte mir zu und ließ mich dann los, bevor er dem Anderen den Platz überließ. Dieser lächelte mich lieb an, sodass ich schwer schlucken musste. Jo.

“Klar.”, murmelte ich leise, spürte einen riesigen Kloß in meinem Hals. Er nickte und reichte mir seine Hände.

“Mein Name ist Johnny Walker.”, meinte er und ich musste schmunzeln.

“Samira.”, sagte ich. “Samira Leut.”

Romeo und Julia

heyhey...

gleich am Anfang möchte ich mich entschuldigen, dass es so verdammt lange gedauert hat und dass es auch noch so kurz ist... Meine Gründe sind vielleicht nicht für jeden solche Gründe, die man durchgehen lassen kann, aber es war anstrengend...

Okay, genug gelabert...

Hoffentlich viel Spaß!

LG, Sandra
 

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Kapitel 25: Romeo und Julia
 

Die Tatsache der meeresblauen Augen, in die ich blickte, sagte mir, dass ich nicht Jo gegenüber stand, sondern Johnny Walker. Einem 23-jährigen Mann, der das Architektenbüro seines Vaters übernehmen würde, sobald er mit seinem Studium fertig war. Auch die Haare, selbst wenn sie schwarz waren, hatten nichts von Jo an sich. Der dunkelblau Stich, der in seinen Haaren zu finden war, fand sich bei Johnny nicht. Einerseits war ich glücklich, dass es nicht Jo war, der mich als Mädchen sah. Andererseits war ich traurig, ihn nicht sehen zu können.

“Johnny, es tut mir Leid, aber ich müsste mich für eine Weile entschuldigen.”, meinte ich und trat einen Schritt zurück. Er nickte lächelnd. “Bis später.” Damit drehte ich mich um und lief zu einer Treppe, die neben dem Eingang nach oben zu den Toiletten führte. Ich ging nach oben und dann nach rechts. Die nächste Treppe nach oben und durch eine grau-braune Tür auf der linken Seite hindurch. Nein, zu den Toiletten ging ich nicht. Ich musste durchatmen und dafür brauchte ich Luft. Frische Luft.

Jetzt stand ich in einem dunklen Raum, groß und stickig. Nachdem ich mich kurz umgesehen hatte, ging ich zu der nächsten Tür auf der rechten Seite des Raumes, drückte die Klinke nach unten und stand vor einem stockfinsteren Treppenhaus nach oben. Ich blinzelte. Die Treppe sah ziemlich marode aus, aber dennoch stieg ich weiter nach oben.

Auch wenn ich das Erste Mal in diesem Schloss war, ich wollte den Weg zu dem einen Balkon, den ich von draußen gesehen hatte, unbedingt finden. Und das alleine. So schritt ich die knarrende Treppe weiter nach oben und versuchte nicht an der stehenden Luft zu ersticken, das Kratzen im Hals zu ignorieren. Mit wenigen Schritten erklomm ich die steile, dunkle Treppe, achtete nicht darauf, wie verdächtig es karrte und ächzte. Oben angekommen, stieß ich eine schwere Holztür auf und befand mich in einem großen hellen Raum, mit riesigen Fenstern. Ich atmete tief durch, bevor ich zu den wandhohen Fenstern schritt und hinaussah, wo ich endlich den Balkon erblickte. Ich seufzte leise, öffnete mit schnellen Handgriffen die große Tür und trat auf den Balkon hinaus, wo mir gleich kalte Luft entgegen wehte. Ich holte tief Luft und grinste in mich hinein. Irgendwie fühlte ich mich frei, ungebunden … einsam. Mein Grinsen verschwand genauso schnell, wie es gekommen war aus meinem Gesicht. Und schon wieder drifteten meine Gedanken ab. An Jo, wie er vermutlich eine Blondine nach der Anderen abschleppte, was mir einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend einbrachte. An Janie, die sich möglicherweise eine TV-Serie ansah, um nichts von Jo mitzubekommen. An Jake, der sicherlich wieder durch die Bars streifte, auf der Suche nach Frischfleisch. An August, der vielleicht bei Elias saß und sich seine Musik anhörte, weil er nicht einschlafen konnte. An meinen Vater, der höchstwahrscheinlich sauer auf mich war, weil ich nicht zum Dienst erschien.

“Verdammter Mist!”, murmelte ich vor mich hin und schlag die Arme um meinen Oberkörper, da ich zu frösteln begann. Ich wollte zurück. Dorthin, wo ich neue Freunde gefunden hatte. Wo ich Marcus vergessen konnte. Ich schniefte leise und fuhr mir mit einer schnellen Bewegung über die Wange, merkte die leichte Nässe dort. Ach verdammt! Ich schreckte zusammen, als ich leise Schritte hinter mir vernahm und versteifte mich sofort.

“Was tust du hier oben, Samira?” Nein! Was wollte er hier? Ich atmete tief durch, bevor ich Silver antwortete.

“Durchatmen.”, sagte ich leise und schlang die Arme noch mehr um mich. Wieder hörte ich Schritte. Er kam mir näher. Scheiße, warum zum Teufel, war er mir gefolgt? Und vor Allem, warum habe ich nicht gemerkt, dass er mich verfolgt hatte? Kurz darauf legte er seine Hand auf meine Schulter und ich schreckte zurück.

“Durchatmen?”, fragte er mich. “Ich würde es eher weglaufen nennen, nicht wahr?” Er seufzte, dann spürte ich plötzlich zwei starke Arme um mich und erschrak erneut, konnte mich allerdings nicht davon losreisen.

“Lass mich bitte los, Marcus.”, flüsterte ich ihm entgegen, versuchte das Zittern zu unterdrücken, das mich gerade heimsuchte.

“Verdammt, Samira! Nein! Ich lasse dich nicht los. Es reicht mir! Ich will dich endlich als mein Eigentum! Du gehörst jetzt zu mir! Verstanden?”, fuhr er mich an und ich zog den Kopf ein. “Ich lasse dich nicht mehr gehen. Ich brauche dich! Ich will dich und du hast das einzusehen!” Er drückte fester zu und ich schnappte verzweifelt nach Luft.

“Marcus!”, schnappte ich und versuchte ordentlich zu atmen. Doch er drückte noch ein wenig fester zu und lachte nur kalt.

“Sam, du bist mein!”, hauchte er und presste seine Lippen hart auf meine Halsbeuge, was mich nur noch mehr zittern ließ. Er sollte mich in Ruhe lassen. Mich loslassen. Aber er drückte mich weiterhin fest an sich. Ich konnte nicht mehr. Hatte Angst, bald zu ersticken.

“Bitte!”, flehte ich leise, kaum verständlich. Wieder bekam ich nur dieses kalte Lachen als Antwort. Doch dann hörte ich Schritte und ein erschrockenes aufkeuchen.

“Gott, Marcus, lass sie los!”, schrie Marlene und rüttelte an Silvers Arm. Er schnaubte und lies mich los. Ich atmete tief durch und konnte meinen Herzschlag Gott sei Dank wieder beruhigen und auf einem gleichmäßigen Tempo halten.

“Marlene.”, sagte Silver leise. Ich drehte mich um, sah Marlene an, die mich verstört anblickte. “Halt dich verdammt noch mal aus meinen Angelegenheiten raus!”, schrie er sie an und das Mädchen zuckte erschrocken zusammen.

“Entschuldigung.”, murmelte die Weißhaarige vor sich hin und senkte beschämt den Kopf. Marcus schnaubte verächtlich und blickte sie wütend an. Oh Mann, ich wollte nicht hier sein. Schon gar nicht mit Marcus!

“Marcus, ich würde gerne gehen.”, sagte ich leise und blickte ihn fragend an. Wieder dieses verächtliche Schnauben. Nur war es diesmal mir gewidmet und nicht seiner kleinen Schwester.

“Gehen?”, fragte er in einem leicht süffisanten Tonfall. “Jetzt geht es doch erst richtig los!” Sein Ton hatte sich leicht geändert. Er klang fast wie ein bockiges Kind. “Nein, komm schon! Bleiben wir noch ein wenig!” Oh je, jetzt bettelte er schon. Hilfesuchend blickte ich zu Marlene, die mich, den Tränen nahe, fragend anblickte.

“Bitte, Marcus. Das ist mir einfach zu viel auf einmal.”, wollte ich mich rausreden. “Ich habe Kopfschmerzen und das Gefühl hier eh nicht besonders willkommen zu sein. Lass uns gehen!”, bettelte ich ihn an. Er schnaubte nur wieder.

“Komm schon.”, schniefte Marlene und stellte sich neben mich, das Gesicht Silver zugewandt. Sie schluckte kurz und fuhr sich mit der rechten Hand über das Gesicht. “Ich möchte auch nach Hause! Du kannst doch noch hier bleiben, wenn du unbedingt willst.” Oh ja, bitte! Marcus blickte von mir zu seiner Schwester und wieder zurück, dann seufzte er gequält auf und schmiss kurz die Arme in die Luft.

“Haut halt ab! Schickt Frank dann einfach zu mir zurück.”, sagte er und ging an uns vorbei, in das Schloss hinein.

Marlene sah mich fragend an, fing leise an zulachen und umarmte mich kurzerhand.

"Lass uns abhauen!", sagte ich und stupste sie mit dem Ellenbogen an. Marlene nickte und gemeinsamen gingen wir in das Schloss hinein, die Treppe hinunter und durch den riesigen Saal hindurch. Auch auf dem Weg nach unten knarrte diese blöde Holztreppe laut vor sich hin, sodass man eine leichte Angst verspürte, abstürzen zu können. Heil unten angekommen, drehte ich mich um und nickte der Treppe zufrieden zu. Die Tür schließend tapsten Marlene und ich durch den großen Raum, durch den ich auch gekommen war, als es plötzlich leise rummste und wir erschrocken zusammenfuhren. Es rauschte noch eine Weile, dann richtete Marlene sich auf und schritt zurück zu der Tür zum Treppenhaus. Vorsichtig öffnete sie die Tür und Unmengen an Staub und Dreck kam ihr entgegen.

"Au Backe!", murmelte ich und ging einige Schritte auf sie zu. Marlene kam mir nickend entgegen.

"Sie hat uns Ihren letzten Dienst erwiesen!", meinte sie und schritt an mir vorbei, der zusammengefallenen Treppe keinen weiteren Blick widmend. Ich blinzelte kurz, lächelte dann leicht und nickte der Treppe zu.

"Danke.", sagte ich flüsternd, bevor ich mich abwandte und dem Weißhaarigem Mädchen folgte. Durch den großen Saal allerdings, in dem laute Musik spielte und sich vermutlich alle geladenen Gäste herzlichst amüsierten, gingen wir nicht. Eine enge, geschwungene Steintreppe schlängelte sich durch das Schloss bis unter den Haupteingang.

"Mir wurde gesagt, dass wäre der Eingang für das frühere Lumpenfolk, welches in der Küche der ehemaligen Burgherren gearbeitet hatten. Ich dachte mir, dass es nicht so auffällig wäre, wie durch den Kronsaal zu schleichen.", erklärte mir Marlene ihr Vorrangehen. Ich nickte nur, folgte ihr zu der schwarzen Limousine, an der Frank stand und eine Zigarette rauchte.

"Frank, bring uns nach Hause.", befahl Marlene und der Kerl trat seinen Glimmstängel aus, nickte und öffnete uns die hintere Tür des Wagens. Als sich die Tür hinter mir schloss, blickte ich Marlene bittend an.

"Ich habe keine Lust auf diesen Publicity-Scheiß. Marlene, ich will zurück zu meinem Vater und meinen Freunden. Am Besten jetzt gleich.", murmelte ich leise, damit dieser Frank, auch wenn er noch nicht im Wagen saß, ja nichts mitbekam. Marlene seufzte und schnallte sich an. Ungeduldig biss ich mir auf die Unterlippe und blickte sie an. Das Auto fuhr los, da Frank sich gerade gesetzt hatte.

"Ich lass mir etwas einfallen.", meinte sie und bückte sich zu der Minibar, öffnete sie und holte aus dem Gefrierfach einen großen Beutel heraus, den sie mir gleich darauf reichte. Ich blickte sie fragend an. Das Mädchen hingegen holte erst eine Flasche Wasser aus der Minibar, bevor sie sich mir zuwandte. "Das sind deine Sachen. Etwas gefrostet, aber noch ganz.", lächelte sie mich traurig an. Sie griff in Ihre Jackentasche und zückte einen Schlüsselbund, der verdächtig nach meinem Schlüsselbund aussah. Ihn mir reichend nickte sie. Ich wünsche dir ganz viel Glück weiterhin und hoffe, dass du heil zu Hause ankommst, ohne irgendwelche Gefangennahmen oder ähnlichem.", meinte sie, bevor sie auf einen großen Knopf auf der Minibar drückte. "Frank, wir müssen auf die Toilette, kannst du bei der nächsten Gelegenheit bitte anhalten?", fragte sie mit zuckersüßer Stimme. Ein gegrummeltes Ja war die Antwort und sie ließ den Knopf wieder los.

"Ich soll mich während der Toilettenpause wegschleichen?", fragte ich sie unsicher. Marlene nickte und zückte ihr Handy, wählte eine Nummer und hielt es sich an das linke Ohr.

"Hey, hier Marlene. Wir sind gleich da, stehst du bereit?", fragte sie in das Telefon und ich hatte das gedrungene Gefühl, im falschen Film zu sein. Was war hier denn los?

"Marlene?", fragte ich leise, doch sie unterbrach mich mit einer schnellen Bewegung ihrer rechten Hand.

"Ja, perfekt. Also, wir machen es, wie geplant. Fünf Minuten, die Zeit tickt." Damit legte das junge Mädchen auf und blickte mich triumphierend an. "Keine Bange, Sam, alles wird gut." Ich hatte das blöde Gefühl, dass irgendetwas bei Ihrem Plan, wie auch immer dieser aussehen mochte, nicht glatt laufen würde.

Albträume

So, neues Kapitel^^

Danke für die Kommentare und viel Spaß! Freue mich auf Feedbacks.
 

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Kapitel 26: Albträume
 

Das gewohnte ‘Pling’ erklang und Sams Vater verließ mit mir im Schlepptau den Fahrstuhl. Schweigend waren wir runter gefahren und ebenso schweigend liefen wir nun zu einem alten, grauen Fiat, den der Braunhaarige Mann mit einer schnellen Bewegung aufsperrte. Er machte eine auffordernde Handbewegung und ich leistete ihr Folge und ließ mich auf den Beifahrersitz nieder. Kurz darauf saß auch er und legte den ersten Gang ein. Dann fuhr er los und die Fahrt endete bald genauso wie sie begonnen hatte; Schweigend. Langsam fragte ich mich, weshalb ich mit ihm mitgefahren war. Richtig, wegen Sam. Weil ich wissen wollte, wo er war, weil ich wissen wollte, wie er war.

“Was genau siehst du in Sam?”, fragte der Ältere mich plötzlich und ich zuckte erschrocken zusammen. Ich schluckte und drehte Sams Handy in meinen Händen. Ja, was sah ich in ihm? Sehr gute Frage.

“Meinen besten Freund?”, meinte ich und klang dabei vermutlich nicht gerade sicher. Ich war es auch nicht. Vielleicht war da ja doch mehr.

“Bist du dir da ganz sicher, oder schlummert da noch mehr in dir?”, meinte er und lachte trocken. Woher wollten plötzlich alle wissen, was in mir vorging? Was mit mir los war? Weshalb ich mich anders benahm als sonst. Ich seufzte und zuckte die Schultern.

“Sicher bin ich mir schon lange nicht mehr.”, murmelte ich und starrte auf das Handy in meinen Händen. Ausgeschaltet. Nicht bei seinem Besitzer. Funktionsuntüchtig. Der Wagen hielt und ich sah scheu auf. Wir standen vor einem Restaurant. Dem …

“Komm. Ich sollte dir vielleicht etwas zeigen.”, meinte er und erhob sich von dem Fahrersitz, stieg aus dem Auto. Ich seufzte leise, bevor ich seinem Vorbild folgte. Vor dem … zog er einen Schlüssel aus der Jackentasche und schloss die gläserne Eingangstür des Restaurants auf.

“Das Restaurant gehört Ihnen?”, fragte ich leise und der Mann vor mir nickte.

“Ja, Sam hilft mir ab und an.”, meinte er und zog den Schlüssel aus der Schließanlage, um das Restaurant zu betreten. Ich folgte ihm, den Blick umherschweifen lassend.

“Is schön hier.”, murmelte ich, ihm weiterhin folgend. Allerdings irritierte es mich, dass hier kein Mensch anwesend war. “Wo sind denn die Gäste?”, fragte ich ihn. Er lachte leise, bevor er sich mir zuwandte.

“Wir haben geschlossen. Uns fehlt ein wichtiger Bestandteil der Brigade, ohne den wir nicht arbeiten können. Möchtest du etwas essen? Mario hat heute zu viel gemacht.” Ich blinzelte über den schnellen Themenwechsel und schüttelte dann den Kopf.

“Nein danke!”, murmelte ich. Der Mann lächelte leicht gequält, bevor er sich an der Theke zu schaffen machte und mich fragend ansah.

“Kaffee? Cappuccino? Latte?”, fragte er dann.

“Tee, wenn möglich.”, sagte ich und der Mann hinter der Theke nickte, zog einen Teebeutel aus einem Regal vor sich und drückte ein paar Knöpfe.

“Setz dich schon mal.”, meinte er und ich suchte mir einen Tisch, nicht weit von der Theke, ließ mich seufzend auf den Stuhl sinken. Das Telefon legte ich vor mich und betrachtete es nachdenklich. Sam, wo bist du? “Hier.”, meinte Sams Vater und reichte mir ein Glas Tee, bevor er noch einmal hinter die Theke verschwand und mit einem Buch in der Hand zurückkam. “Seit wann kennst du Sam jetzt schon?”, fragte er mich und ich sah auf.

“Seit er an unsere Schule gekommen ist. Also seit drei Jahren.”, sagte ich und konnte fast einen Film in meinem Kopf sehen. Wie wir uns kennenlernten. Sam war damals sehr schüchtern und zurückhaltend gewesen. Immer auf Abstand. Nie ein Wort zu viel sagen. Wie Elias und ich ihn unter unsere Fittiche genommen haben und die Clique gründeten, wobei Sam die ganze Drecksarbeit machen musste. Wie Sam sich immer wieder geweigert hatte, ein Mädchen rumzukriegen. Wie Jake uns erzählte, dass er schwul wäre und Sam ihm sagte, dass das normal wäre. Wir dachten zuerst, er wäre auch schwul. Gut, manche dachten das immer noch. Ich fragte mich allerdings, wie Jake es vorhin gemeint hatte. Ach Gott. Gedankenkreisel!

“Ist dir in der Zeit irgendetwas merkwürdiges an Sam aufgefallen?”, fragte mich der Mann mir gegenüber wieder. Ich schüttelte den Kopf. Viel zu schnell. Die Augenbrauen meines Gegenübers wanderten überrascht nach oben. “Wirklich nicht?” Ich schluckte. Ein riesiger Kloß hatte sich in meiner Kehle breit gemacht.

“Sam…” Ich räusperte mich, weil ich nur ein Krächzen zustande gebracht hatte. “Mich hatte es immer irritiert, dass er keine feste Freundin hatte. Nie. Er hatte uns auch nie jemanden vorgestellt, der wichtig für ihn war.” Ich kratzte mich am Hinterkopf. “Er ging nie mit uns schwimmen. Für den Sportunterricht hatte er immer irgendwelche Entschuldigungen. Die Klassenfahrten hatte er nie mitgemacht. Bei jemanden geschlafen hatte er selten. Und dieser Verband um die Schulter… Ich glaube ihm nicht, dass er sich verletzt hat. Bei was denn?” Ich hatte mich richtig in Fahrt geredet. Seufzend fuhr ich mir mit der Hand über das Gesicht, bevor ich Sams Vater in die hellbraunen Augen blickte, die Sams so verdammt ähnlich sahen.

“Was schließt du aus diesen Aufzählungen?”, fragte er mich und nippte an seinem Espresso. Ich zuckte die Schultern.

“Dass es eine Menge davon gibt?”, fragte ich leicht genervt. Er lachte kurz auf, bevor er mir das mitgebrachte Buch zuschob.

“Nein, das meinte ich nicht.”, sagte er und lachte noch einmal kurz. Dann schlug er die Erste Seite des Buches auf und ich blickte Babyfotos entgegen. Ich blickte in wunderschöne, hellbraune und vor Freude funkelnde Kinderaugen. Insgesamt ein süßes kleines Kind, mit knuffigen kleinen Pausbäckchen. Ich überflog die paar Bilder auf den ersten beiden Seiten und sah den Mann vor mir dann fragend an.

“Süß!”, meinte ich und schob ihm das Buch wieder zu. Er schüttelte den Kopf und schob es wieder zu mir, blätterte dabei auf die nächste Seite, wo mich das Kleinkind freudig und ohne Zähne anstrahlte.

“Das sind alles Bilder von Sam. Mein Geburtstagsgeschenk zum achtzehnten Geburtstag nächste Woche.”, sagte er und ich blätterte vorsichtig weiter. Schon wurden die Gesichtszüge etwas älter, die Augen strahlender.

“Ich weiß nicht, was ich ihm schenken soll. Es ist immer schwierig, etwas für ihn zu finden.”, murmelte ich und blätterte weiter. Maik Leut legte eine Hand auf das aufgeklappte Buch und ich sah fragend zu ihm auf.

“Du wirst feststellen, dass Sam auf den Bildern anders ist, als in deiner Gegenwart. Du darfst es Sam nicht übel nehmen, aber da gab es einige Probleme, die wir hatten und höchstwahrscheinlich immer noch haben. Ich kann dir nicht genau sagen, welche Probleme das sind, aber ich kann dir sagen, dass Sam es ziemlich schwer hatte und immer noch nicht bereit ist, alles genau zu schildern. Das musst du verstehen.”, erklärte Sam´s Vater und ich sah ihn verwirrt an. Was genau wollte er mir damit denn bitte sagen?

“Ich verstehe nicht ganz!”, sagte ich deshalb. Der Braunhaarige biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.

“Schau es dir an, sag mir was du gesehen hast und ich sage dir, ob du richtig liegst. Mehr kann ich nicht für dich tun, ich habe Sam versprochen, nicht darüber zu sprechen, niemanden einzuweihen, ein Geheimnis draus zu machen. Allerdings bin ich auch der Ansicht, dass es Zeit wird, dass sein Umkreis die Wahrheit über uns erfährt.” Was verdammt soll mir dieses Gerede bringen? Ich zog die Augenbrauen zusammen und schob die Hand des Älteren von dem Buch, blätterte weiter. Doch mir zeigte sich immer wieder das gleiche Bild eines kleinen, glücklichen Kindes mit strahlenden, hellbraunen Augen. Irgendwie verliebte ich mich in dieses Kind. So niedlich und süß. Und da ich wusste, dass mir von jeder Seite Sam entgegen sah, hatte ich mich jetzt also schon doppelt in ihn verguckt. Oh verdammt, jetzt sah ich sogar schon selbst, dass ich etwas von ihm wollte. Ich seufzte und blätterte weiter. Und blinzelte verwirrt.

“Wieso trägt er ein Kleid?”, fragte ich leise und strich vorsichtig über das Bild, welches sich mir offenbarte. Sams Vater nickte nur und blätterte für mich weiter. Noch mehr Bilder, auf denen der kleine Junge Kleider trug. Verwirrt starrte ich den Braunhaarigen vor mir an. “Gehe ich recht in der Annahme, dass Sam… “ Ich unterbrach mich selbst, schluckte und schloss kurz die Augen, um mir das alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. “Sam ist ein Mädchen.”, sagte ich leise und der Vater vor mir nickte leicht lächelnd.

“Herzlichen Glückwunsch, du hast es rausgefunden!”, meinte er. Ich schnaubte und richtete den Blick wieder auf den Bildband.

“Wie heißt sie?”, fragte ich, während ich weiterblätterte. Das Gesicht des Mädchens versteifte sich zunehmend auf den Fotos. Ein Mädchen. Sam war ein Mädchen. Ich musste lächeln. Ich hatte mich also doch in ein Mädchen verliebt. Langsam machte es alles einen Sinn. Das Schwimmen, der Verband, einfach alles.

“Das darf ich dir nicht sagen. Sam ist aber eine Kurzform.” Er seufzte und blätterte weiter in dem Buch, bis auf den Bildern ein junger Mann mit weißen Haaren zu sehen war. Sam in seinen Armen. Leicht lächelnd. Ich starrte verwirrt auf das Bild. “Ich habe eine Vermutung.”, meinte Maik und ich sah auf.

“Welche?”, fragte ich und er tippte mit dem Finger auf das Gesicht des Weißhaarigen.

“Marcus Silverstone.”, sagte er und ich runzelte die Stirn. Meinte Sam nicht irgendwann mal, ich sei wie er gewesen?

“Wer ist er?”, fragte ich und klappte das Buch nach einem kurzen Blick auf den Weißhaarigen zu.

“Zu mächtig für uns auf jeden Fall.”, seufzte er und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. “Die Silverstones sind eine reiche Familie, dessen Sohn, Marcus, sich ein Lustimperium aufgebaut hat. Leider wurden sehr viele junge Mädchen, unter Ihnen auch Sam, in Marcus Bann gezogen. Er machte damit viele junge Männer glücklich und sich selbst reicher und gieriger. Nach dem Tod von Joy, eine Freundin Sams, konnte sie sich abseilen und wir haben uns aus dem Staub gemacht. Wir konnten nichts gegen ihn unternehmen, weder wegen Mord noch unsittlichem Benehmen. Er ist zu stark.” Ich musste das erst einmal verarbeiten.

“Sam wurde sexuell vergewaltigt?”, fragte ich nach ein oder zwei schweigsamen Minuten. Maik schüttelte den Kopf.

“Sie wurde genötigt bestimmte Dinge zu tun, die sie nicht tun wollte.”, sagte er und schluckte tief. “Ich sollte dir das gar nicht sagen, aber…” Er seufzte kurz und ich glaubte, sogar ein schniefen zu hören, aber er atmete einmal tief durch, beruhigte sich wieder. “Aber ich will mein kleines Mädchen wieder haben.”, sagte er und ich glaubte dieser Satz war das schwerste, was er seit Jahren gesagt hatte.

Wettlauf

Kapitel 27: Wettlauf
 

Als Frank nach drei Minuten schweigsamer Fahrt endlich den Blinker setzte und wir von der Straße auf einen kleinen Rastplatz fuhren, pochte mein Herz so schnell und hart, dass ich Angst hatte, es würde jede Sekunde, die wir länger in diesem Wagen verbrachten, in tausend Stücke zerspringen. Kaum hielt die Limousine an, schwangen unsere Türen auf und wir flüchteten fast aus dem Auto. Ich mit dem gefrosteten Beutel in der Hand und Marlene mit ihrer Handtasche im Arm. Auch Frank öffnete seine Tür, doch schnell wie ein geölter Blitz stand Marlene neben ihm und gestikulierte wild vor sich her. Frank zuckte die Schultern und stieg aus dem Wagen, zündete sich eine Zigarette an und ging Richtung Tankstelle. Ich sah ihm verwirrt hinterher.

Marlene seufzte kurz und kam dann wieder auf mich zu, nur um mich am Handgelenk zu packen und mit sich zu schleifen. Ich stolperte hinter ihr her und krallte meine Hand in den gefroren Beutel, in dem meine Sachen verstaut waren.

“Samira, du musst mir jetzt gut zuhören!”, meinte Marlene und ich nickte irritiert mit dem Kopf. “Du steigst jetzt in einen gelben Ford Fiesta. Lenny sitzt am Steuer. Er wird dich bis nach Zumpf bringen. Dort wartet bereits Diego auf dich mit einem silbernen Audi A4. Finn fährt dich bis Thalheim, wo dich Robert mit einem grünen VW Golf nach Ulrichsstadt mitnimmt. Von Ulrichsstadt geht’s mit Finn und einem blauen Citroen zu dir. Er wird dich einfach an einer Ampel rauswerfen. Das ist doch okay, oder?” Wir hielten vor der Toilette an und ich blickte das Weißhaarige Mädchen fragend an.

“Bitte?”, fragte ich leicht verwirrt.
 

“Steh auf! Denn der Wind dreht, der Wind dreht jetzt.” Seufzend lehnte ich mich an die kühle Fensterscheibe und blickte auf die schnell vorbeifliegend Landschaft. Marlene hatte sich nur kurz von mir verabschiedet, mit feuchten Augen wohlgemerkt. Ich wollte ihr sagen, dass ich ihr danke, dass sie bei mir was im Brett hat, aber sie hatte abgewinkt und ist einfach gegangen, während Lenny mich in seinen gelben Ford geschoben hatte.

“Wie geht es dir, Sam?”, fragte Robert mich und drehte die Musik ein wenig leiser. Seufzend drehte ich mich vom Fenster weg und sah ihm ins Gesicht, welches er der Straße zugewandt hatte.

“Es könnte besser sein.”, meinte ich und lehnte den Kopf an den Sitz. “Was ist mit dir, Berti?”, fragte ich ihn, was ihn leicht lächeln ließ. Er blickte kurz zu mir und ich sah das freudige Funkeln in seinen grünen Augen.

“Wie lange hat mich keiner mehr so genannt?”, fragte er wohl eher sich selbst als mich. Trotzdem fühlte ich mich gedrungen, ihm zu antworten.

“Seit drei Jahren, würde ich denken.” Er schnaubte und legte mir seine rechte Hand auf das Bein.

“Kleine, du weißt gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!”, meinte er und seufzte frustriert auf. “Damals hatte dein Lachen die Luft gefüllt, alle fröhlich gemacht!”, meinte Robert und ich musste vorsichtig grinsen. “Jeder, der kam, ging mit einem Grinsen. Nur weil du gelächelt oder einen dummen Witz gerissen hast.” Ich vernahm ein erneutes Seufzen und drehte den Kopf wieder zu ihm. Ein trauriges Lächeln umspielte seine vollen Lippen. “Jeder vermisst dieses Glücksgefühl, diesen Tornado, der alle Gefühle auf den Kopf stellt, das fröhliche, beinahe unschuldige, kindliche Lachen der Mädchen. Alle vermissen sie dich!” Ich musste hart schlucken, als er mich traurig anblickte.

“Robert, ich kann nicht zurück!”, flüsterte ich ihm zu, wissend, dass er mich verstand. Ich nickte.

“Ich weiß! Und bitte tu mir den Gefallen und komm nie wieder!”, sagte er hart und vor lauter Überraschung zog ich die Augenbrauen nach oben. “Egal, wie viele Menschen dich zurückholen wollen. Egal, was sie dir auch versprechen oder aufzwingen. Du musst deinen Weg finden. Er liegt nicht bei Marcus, soviel steht fest. Er liegt in deiner Hand und wartet darauf, erkundet zu werden.” Plötzlich hielt er an und schaltete in den Leerlauf, blickte mich mit seinen tiefgrünen Augen fast schon bettelnd an und zog mich über die Schaltkonsole kurz in seine Arme. “Ich wünsche dir viel Glück auf diesem Weg, viele Freunde, die deine Situation verstehen und eine große Liebe, die dich beschützt.” Er lockerte seinen Griff und zeigte auf das blaue Auto, dass nur fünf Meter von uns entfernt parkte. Da steht Finn. Hau ab und lass es dir gut gehen! Alles Gute.” Ich schaute ihn nur verblüfft an und er strich mir lächelnd mit dem Daumen über die Wange.

“Danke!”, sagte ich, war überrascht, dass meine Stimme nicht zitterte. Sehr erstaunlich.

“Nicht weinen, Sam. So was tun Jungs nicht!” Ich lächelte leicht, fuhr mir fahrig über die Augen und nickte anschließend. Dann öffnete ich die Beifahrertür und stieg aus. Ohne einen weiteren Blick zurück zuwerfen, ging ich auf das blaue Auto Finns zu. Hörte nur noch einen startenden Motor und leiser werdende Fahrgeräusche. Jungs weinen nicht. Nein, sie sind stark. Ich bin schwach. Und ich bin ein Mädchen. Glücklich, traurig und verwirrt zugleich.

Als ich zu Finn ins Auto stieg, waren meine Wangen feucht. Der blonde Junge nickte mir einmal kurz zu, dann startete auch er den Motor und wir verließen den Parkplatz. Eine schweigsame Fahrt folgte und ich fragte mich, was Jo wohl gerade tat, ob er wieder irgendeine blonde Nuss zu sich geholt hatte, um ein wenig Spaß zu haben, oder ob sie alle bei Elias saßen, um sich ausgelassen über die Schule zu unterhalten. Dass Jo irgendwo saß und vor sich herstierte, strich ich gleich wieder. Jo war immer in Bewegung, fand immer eine Beschäftigung. Durch ihn kam ich zum Snowboarden. Ich hoffte nur inständig, dass wir das auch weiterführen könnten. Dabei kam mir öfters der Gedanke, dass ich Jo nicht sagen sollte, welchem Geschlecht ich angehörte Am Ende würde er mich einfach fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel, mich nicht mehr beachten. Und davor hatte ich eine riesengroße Angst.

Erst als Finn mich mit dem Ellenbogen anstupste, konnte ich die Gedanken an Jo kurz verwerfen. Der Blonde lächelte mich freundlich an. “Es ist rot. Steig aus, du wirst schon nach Hause finden.” Ich blickte nach draußen, musste mich kurz orientieren und nickte dann.

“Danke.”, sagte ich, stieg aus und schloss die Tür hinter mir. Keine Minute später schaltete die Ampel auf grün und Finn fuhr weiter. Nur kurz blickte ich dem Auto noch hinterher, bevor ich mich in Bewegung setzte. Ich ging in Richtung des Restaurants, das meinem Vater gehörte. Er würde sicherlich dort sein, mich wütend ansehen, wenn ich das Lokal betrete und mich fragen, warum ich mich nicht bei ihm gemeldet hatte und weshalb ich nicht an mein Telefon ging. Natürlich könnte ich ihm die Wahrheit sagen. Er würde es verstehen, schließlich kannte er Marcus Silverstone. Aber er würde sich auch Sorgen machen. Fast unberechtigte Sorgen. Schließlich war ich kein kleines Mädchen mehr, dass immer von Vati bemuttert werden müsste. Ich war stark geworden. Irgendwie. Durch Marcus. Und mein Vater wusste das auch.

Ich zuckte erschrocken zusammen, als mich etwas nasses an der Nasenspitze berührte. Kurz strich ich darüber, blickte daraufhin nach oben in den Himmel und musste leicht lächeln. Es schneite. Das erste Mal in diesem Jahr. Das erste Mal im Februar. Weihnachten war nicht weiß gewesen. Silvester auch nicht. Aber vielleicht würde er liegen bleiben. Vielleicht gab es einen weißen Valentinstag. Schon allein bei dem Gedanken an den 14. Februar zog sich mir der Magen zusammen. Ich würde wieder arbeiten. Lauter verliebten Pärchen Sekt und Essen servieren. Immer mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.

Seufzend ging ich nach links, blickte auf die dunkle Straße mit den paar Laternen, die den Menschen etwas Licht schenkten, um wenigstens etwas zu sehen. Ich lief weiter, ließ mich von nichts beirren und folgte der Straße, schaltete meine Gedanken so gut es ging aus. Nach wenigen Minuten stand ich vor den schwarzen Fenstern des Malaysia und legte verwirrt den Kopf schief. Wieso war das Restaurant zu? Wo war mein Vater? Ich schüttelte den Kopf, legte beide Hände an das kalte Fenster und spähte hinein. Sehen konnte ich nur einen schwachen Lichtschein aus der Küche. Oder war s schon so spät, dass nur noch die Küche am Aufräumen wa? Nein!

Zaghaft klopfte ich an das Fenster. Nichts geschah. Erneut klopfte ich, diesmal etwas kräftiger. Kurze Zeit später sah ich eine Silhouette an der Küchentür, die auf mich zutrat. Dann wurde die Tür aufgerissen und ich zuckte zurück.

“Verdammt, können Sie nicht lesen? Wir haben geschlossen!”, schrie man mich an und ich trat einen Schritt zurück, sodass ich im Laternenlicht stand. “Sam?”, kam es leise und erschrocken von der dunklen Gestalt. Ich nickte nur. “Verdammt, geht es dir gut?” Die Person trat ebenfalls aus dem Schatten.

Erleichtert sprang ich auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. Mein Vater zog mich näher zu sich ich musste leise lachen. “Dad, ich hab dich vermisst.”, flüsterte ich ihm zu. Er schnaubte.

“Marcus?”, fragte er mich. Ich seufzte leise und drückte mein Gesicht an seine Brust. “Ich versteh nicht, wie man ihn frei herumlaufen lassen kann.”, sagte er, zog sich von mir zurück und schob mich in das Innere des Malaysias. “Wie kann der Kerl so etwas tun und dann noch auf freien Fuß sein?”

“Dad!”, warf ich dazwischen, doch es nützte nichts.

“Kinderschänder werden auch weggesperrt! Wieso er nicht?”

“Dad.”, versuchte ich erneut, ihm zum schweigen zu bringen. Vergeblich.

“Er hat die Todesstrafe verdient!”

“Da-”, meine Stimme versagte, als wir die Küche betraten und ich in wunderschöne rehbraune Augen blickte. Shit, was machte er hier?

“Der elektrische Stuhl wäre vermutlich noch besser!” Ich widersprach ihm nicht, da ich ihn sowieso kaum verstand. Ich sah nur noch den Jungen vor mir, der mich fassungslos anstarrte.

Offenbarungen

Es hat mal wieder viel zu lange gedauert, aber nun ist es da un ich hoffe, dass ich im Februar wieder posten kann.

Viel Spaß und lg, Sandra
 

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Kapitel 28: Offenbarungen
 

“Scheiße!”, hauchte ich und auch Jo erwachte aus seiner Starre, sprang auf, blieb direkt vor mir stehen. Dann schlang er seine Arme blitzschnell um mich und ließ mich erschrocken aufkeuchen. Nur kurz wehrte ich mich, bevor auch ich meine Arme um ihn legte.

“Wo warst du denn?”, fragte er leise und ich schniefte kurz auf. Langsam strichen seine Hände behutsam über meinen Rücken. Rauf und Runter. Erst da wurde ich mir wieder bewusst, in welcher Situation ich mich befand. Ich versteifte mich ruckartig und löste mich schnell von Jo. Dieser sah mich aus traurigen Augen an.

“Entschuldige.”, flüsterte ich. “Ich hatte mich nur gefreut, dich zusehen!” Jo nickte und kratzte sich am Hinterkopf, bevor er meinen Vater seltsam anblickte. Verwirrt sah ich von einem zum Anderen. Verstand nicht, was in der Luft lag.

“Schon in Ordnung, Sam!”, gab Jo zurück und ging zu der Küchentür. Mein verwirrter Blick folgte ihm. “Ich glaube, es wäre besser, wenn ich jetzt gehe! Wir sehen uns in der Schule!” Mir noch einmal kurz zunickend verschwand er aus der Küche und wenige Momente später fiel die Ladentür auch zu. Mein verwirrter Blick glitt zu meinem Vater, der mir ein strahlendes Lächeln schenkte. Hatte ich was nicht mitbekommen? Was war hier los?

“Was wollte er hier?”, fragte ich meinen Vater, der gerade ein Buch auf eines der obersten Regale legte und weiter vor sich her grinste.

“Ich würde mich eher fragen, was er bei dir zuhause wollte. Meintest du nicht, dass keiner deiner Freunde wüsste, wo du wohnst?” Der Braunhaarige setzte sich und bat mich mit einer Geste der rechten Hand, dasselbe zu tun. Seufzend ließ ich mich auf den Stuhl ihm gegenüber nieder.

“Seit einer Woche weiß er es und Janie auch. Woher, kann ich dir nicht sagen. Also? Was wollte er? Wie kam er hierher?”

“Mit mir.” Ich blickte meinen Vater erstaunt an. “Er stand plötzlich in deiner Wohnungstür, als ich dich gesucht habe.”

“Was hast du ihm erzählt?”, fragte ich und deutete auf die Espressotasse. Eine Tasse Espresso hieß bei ihm immer dass er irgendetwas zu sagen hatte.

“Nicht viel.”, wiegelte er ab und blickte mich an, als hätte ich ihm eine riesige Packung Nougat geschenkt. “Jetzt bist du dran. Was genau empfindest du für den Jungen?” Ich schluckte kurz, blickte meinen Vater leicht verwirrt an, bevor ich anfing, wie ein Breitmaulfrosch zu grinsen. Mein Vater lachte laut auf. “So, so!”

“Maik, ich…” Mein Vater schüttelte den Kopf.

“Geh schon, Kleines!” Ich biss mir auf die Lippe und blickte ihn zweifelnd an.

“Ich bin mir nicht sicher!”, murmelte ich. Maik lächelte, stand auf und nahm mich vorsichtig in den Arm.

“Wann ist man sich schon mal sicher, hm?” Ich schloss die Augen. Dachte nach.

“Bei Silver… Ich war mir bei Marcus sicher.” Er schnaubte angesäuert.

“Da siehst du es! Komm schon, Kleines, Die Tür ist offen. Lauf!” Ich seufzte kurz, bevor ich nickte. Er ließ mich los und schubste mich Richtung Tür. “Ich fahr dich dann nach Hause.” Ich zog eine Augenbraue nach oben, bevor ich lächelnd den Laden verließ, nach links und rechts blickte, bevor ich eine Person ausmachte, die mit hängenden Schultern davon stiefelte. Typisch!

“Jo.”, sagte ich leise. Es war nur eine Feststellung. Dass er noch nicht fort war. Dass er tatsächlich hier war. “Jo!”, rief ich ihm hinterher, aber er merkte es nicht. Oder wollte es zumindest nicht. Aber nicht mit mir. “Jo! Warte!”, rief ich wieder, diesmal etwas lauter. Doch er ging einfach weiter. Ich murmelte kurz böse Dinge vor mich hin, bevor ich in einen Laufschritt fiel und ihm hinterher rannte. “Verdammt! Jonas! Bleib stehen, Idiot!”, schrie ich im Lauf und tatsächlich blieb der Junge stehen und drehte sich um. Ich stockte kurz im laufen und stolperte prompt über meine eigenen Füße. Mit den Armen rudernd fiel ich nach vorne und wartete auf den Aufprall. Doch der blieb aus. Irritiert öffnete ich meine Augen, die ich vorher vor Schreck geschlossen hatte, und blickte auf zwei Arme, die mich festhielten.

“Idiot, ja?”, fragte man mich und ich zuckte zusammen. Mich aufraffend fluchte ich innerlich. Wieso musste ich jetzt stolpern? Bei ihm? Und warum musste er mich auch auffangen? Wollte er mich wieder selbst verletzen und das nicht der Straße überlassen? “Sieht so aus, als ob du jetzt der Idiot wärst, oder?” Treffer ins Schwarze! Aber das hatte er jetzt nicht gesagt, oder?

Blitzschnell hob ich meinen Kopf und funkelte Jo wütend an. Dann holte ich aus und verpasste ihm eine Ohrfeige. Es klatschte und ich verschränkte meine Arme vor der Brust. Jonas hielt sich kurz die Wange, bevor er mich nickend an lächelte.

" Ja, hab ich verdient!", murmelte er. "Können wir reden?" Ich zuckte die Schultern. Sollte er mal ein paar Schritte nach vorne gehen, nicht immer ich. "Alleine? Jetzt?" Wieder ein Schulterzucken meinerseits. "Sam!", Schrie er auf einmal und ich zuckte zusammen. Er seufzte und fuhr sich durch die schwarzen Haare. "Bitte. Ich möchte in Ruhe mit dir reden. Das sind ein paar Dinge, über die ich gern Bescheid wüsste, weil..." Er stockte und ich biss mir auf die Unterlippe. "Weil ich mich... Irgendwie in..."

"So, können wir los?", schaltete sich mein Vater da plötzlich ein und Jo fiel der Mund zu. Ich seufzte resigniert auf und drehte mich zu meinem Vater.

"Danke.", meinte ich missgelaunt. Der Schwarzhaarige hielt mich am Arm fest. Ich drehte mich nicht um, wollte gerade nicht in diese Augen blicken, die mir so gut gefielen und in denen ich mich verlieren konnte.

"Kann ich mit kommen? Ich würde wirklich gerne mit dir sprechen, Sam." Nickend schüttelte ich seine Hand ab und folgte meinen Vater zu seinem grauen Fiat. Dort stieg ich auf der Beifahrerseite ein. Jo setzte sich hinter mich. Dann fuhr mein Vater los, nur damit eine schweigsame Fahrt folgen konnte. Vor dem Wohnblock blickte mich Maik fragend an.

"Soll ich mit nach oben kommen?" Ich schüttelte den Kopf.

"Nein. Ich rufe dich dann an, ja?" Damit stieg ich aus dem Wagen und zog meinen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Seufzend schloss ich die Tür auf und rief den Fahrstuhl.

“Sam.”, sagte Jo und ich drehte mich zu ihm. Zu meinem Entsetzen hielt er mir mein Handy unter die Nase.

“Wo hast du das her?”, schrie ich ihn an und entriss es ihm. Der Uhrzeit war ich mir zwar bewusst, aber ich war nun mal sauer. Er hatte nichts mit meinem Telefon zu schaffen, verdammt.

“Es war aus. Dein Vater hat es mir in die Hand gedrückt.”, meinte er und betrat den Fahrstuhl, dessen Türen sich kurz zuvor geöffnet hatte. Ich folgte ihm. Er drückte den richtigen Knopf und schon setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Doch auch wenn wir nur rund eine Minute zusammen nach oben fuhren, fühlte es sich an, als würden die Sekunden kriechen, der Fahrstuhl fast stehenbleiben. Es war still. Nur das leise Ruckeln des Gefährtes, in dem wir uns befanden, war zu hören. Langsam bildete ein Kloß in meinem Magen, der sich wohl nicht so schnell wieder auflösen würde. Das Handy drehte ich nervös in meiner Hand. Was würde wohl kommen? Was hatte er mir zu sagen? Hatte ich etwas falsch gemacht? Und warum rannte er erst weg und meinte dann, dass er unbedingt mit mir reden müsste?

“Ich versteh dich einfach nicht.”, sagte ich leise und stopfte das Handy in meine Hosentasche. “Du verwirrst mich total und ich kann mich auf nichts konzentrieren, wenn du in meiner Nähe bist. Was soll das?” Ein leises Pling erklang und ich trat erfreut auf den Flur, war froh, endlich wieder zu Hause zu dein. Allerdings misslang es mir ein wenig, dass Jo auch hier anwesend war. Ich hatte Angst. Angst vor ihm, vor seinen Fäusten und vor diesem Gespräch. Vor diesem Gespräch, wo wohl mehr gesagt werden würde, als nur dumme Floskeln des Befindens betreffend.

“Du musst mich nicht verstehen. Das verlange ich nicht von dir, aber bitte hör mir wenigstens zu, ja?”, meinte Jo hinter mir und ich klimperte seufzend mit meinem Schlüsselbund, um den richtigen Schlüssel für die Haustür zu finden. Ich betrat die Wohnung, holte kurz Luft und verzog das Gesicht. Schnell streifte ich Schuhe von mir, bevor ich durch die Wohnung, auf mein Fenster zu schritt, um es aufzureißen. Tief atmete ich durch, stützte die Arme auf das Fensterbrett und schloss die Augen. Hoffte, dass der Schwarzhaarige weg war, wenn ich die Augen aufmachte. Doch die Geräusche, die ich vernahm, sagten mir das Gegenteil. Ich hörte, wie Jo den Wasserkocher füllte und anschaltete. Wie er in einem meiner Hängeschränke nach den richtigen Teebeuteln suchte und wie er zwei Tasse neben den Wasserkocher stellte. Widerwillig öffnete ich meine Augen und blickte in die von Straßenlaternen und hellen Fenstern beleuchtete Nacht. Wieso jetzt? Wieso hier? Schwer seufzend ging ich einen Schritt zurück und schloss das Fenster wieder. Dann setzte ich mich auf mein Bett und legte den Kopf auf die Hände. Jo goss gerade, so wie ich die Geräusche zuordnen konnte, Wasser in die Tassen, bevor er plötzlich im Türrahmen stand.

“Können wir nicht morgen reden? Ich bin verdammt müde!”, meinte ich und fuhr mir mit der einen Hand durch die Haare. Jo reichte mir eine Tasse und schüttelte den Kopf.

“Sorry, aber ich will es endlich hinter mir haben. Zehn Minuten, ja?!”, bettelte er und ich schloss seufzend die Augen. Wusste er eigentlich, wie ich mich fühlte, wenn er mich mit diesen Wahnsinnsaugen ansah? Ich schnaubte, setzte mich an das Kopfende des Bettes und nahm Jo beide Tassen ab. Auch er setzte sich, nahm mir eine der Tassen wieder ab. Doch anstatt, wie ich erwartet hatte, gleich auf den Punkt zu kommen, schwieg er. Anscheinend fand er seine Tasse interessanter. Frustriert seufzte ich auf und starrte ebenfalls auf meine Tasse.

“Jetzt fang endlich an, sonst schmeiß ich dich gleich wieder raus.”, zischte ich ihn an.

“Dein Vater hat mit mir gesprochen.”, meinte er leise und zögerlich. Ich zog eine Augenbraue nach oben. Was er nicht sagte.

“Hab ich mir schon gedacht.”

“Ich habe dich die ganze Zeit versucht anzurufen, aber du bist nicht rangegangen.” Das war jetzt nicht sein Ernst, oder?

“Das Handy war doch aus.”, warf ich ein. Der Junge neben mir zog scharf die Luft ein.

“Als es noch an war, bist du nicht rangegangen.” Hm. Logisch, ich war ja nicht dagewesen und mein Handy lag die ganze Zeit hier. Wie dumm von mir.

“Passiert. Ich habe auch ab und zu schlechte Laune.”, erwiderte ich nur. Von ihm bekam ich ein erbostes Schnauben zu hören. Um irgendetwas zu tun, nahm ich einen Schluck von meinem Tee.

“Aber du gehst sonst immer ans Handy.”, meinte er und fuhr sich mir einer Hand durch die Haare. Nicht hingucken!, ermahnte ich mich selbst.

“Vielleicht wollte ich einfach nicht mit dir reden.”, sagte ich und drehte die Tasse in meinen Händen.

“Und warum hast du die Anderen dann auch ignoriert? Die hatten doch nichts damit zu tun, oder?” Oh, die hatten mich auch erreichen wollen?

“Kann nicht sein.”, murmelte ich vor mich hin.

“Mensch, wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht. Wo warst du denn?” Das konnte ich ihm nicht sagen.

“Das kann ich dir nicht sagen.”, wiederholte ich meine Gedanken leise.

“Wieso nicht?”, fragte er und sah mich nun forschend an.

“Weil es dich nichts angehet.”, meinte ich wieder.

“Verdammt, Sam, wo warst du?”, schrie er mich nun an und ich wusste nicht, dass er kurz vor einer sehr großen Enthüllung stand.

Märchenstunde

Joho! Ich weiß, ich bin schon wieder zu spät dran, aber ich hab die Zugfahrt doch lieber zum Schlafen genutzt!^^

Sorry, aber trotzdem viel Spaß!
 

Kapitel 29: Märchenstunde
 

Ich hob den Blick und sah Jo direkt in seine wunderschönen, braunen Augen, die mich weit aufgerissen und mit einem wütenden Funkeln anblitzten. Ich musste kurz lächeln, bevor ich mich auf seine Frage konzentrieren konnte. Wo warst du? Gute Frage, Jo. Muss schon sagen: Wahnsinnig einfallsreich. Ich wand den Blick wieder von ihm ab und nahm einen Schluck von dem Tee, den ich in meinen Händen hielt. Aber was genau sollte ich dir antworten?

“Was willst du den hören?”, fragte ich ihn leise und nahm einen weiteren Schluck. Jo neben mir schnaubte erbost. Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ich eine Hand hob und ihm vor das Gesicht hielt. “Meiner Meinung nach”, fing ich erneut an zu sprechen und stand auf, die Tasse kurz abstellend, um mein Handy an das Ladegerät anzuschließen und anzuschalten. “Willst du es nicht hören. Meiner Meinung nach solltest du vergessen, dass ich nicht erreichbar war. Was bringt es dir überhaupt? Ich bezweifle es, das du vor Sorge fast gestorben wärst, also was soll der ganze Aufstand? Was ist los mit dir?” Ich hatte mich wieder auf das Bett gesetzt, die Tasse in der Hand und den Blick stur auf das Bettende gerichtet. Jetzt hob ich den Kopf wieder etwas an und drehte ihn zur Seite, sodass ich ihn wieder ansah. Er hatte seine Stirn gerunzelt und blickte mich nachdenklich an. “Jo, jetzt sag schon, sonst schmeiß ich dich echt raus. Ich bin so verdam-” Weiter kam ich in dem Moment nicht, weil plötzlich seine Lippen auf meinen lagen und eine seiner Hände in meinem Nacken lag und mich so zu sich zog. Kurz war ich wie angewurzelt, bevor ich kurz darauf einging. Intuitiv schloss ich meine Augen. Gott, das tat so gut. Wie lange hatte ich denn darauf bitte gewartet? Und warum küsste er mich jetzt? Was war los? Hatte ich ihn sosehr verwirrt? Oder hatte das etwas mit dem Gespräch zwischen ihm und meinem Vater zu tun? Und schon schaltete sich mein Gehirn wieder ein, ich riss die Augen auf und drückte ihn von mir weg, nicht damit rechnend, dass ich noch eine Tasse in der Hand hielt, deren Inhalt sich nun auf Jo verteilte.

“Oh, shit!”, rief er aus, sprang von meinem Bett und klopfte sich auf Arme, Brust und Beine, seinen eigenen Tee dabei ebenfalls auf mein Bett kippend. “Das ist verdammt heiß!”, rief er aus und ich sah ihn nur sprachlos an. Was? Wie? Wo? Warum? Weshalb? Wieso?

“Was war das?”, brachte ich raus, beachtete die Sauerei auf meinem Bett nicht, sondern blickte den hampelnden Jungen weiterhin verwirrt an. Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Alles war plötzlich wie leer gefegt. Keinerlei Gedanken waren in meinem Gehirn zu finden. Das einzige, was ich gerade vor meinem geistigen Auge sah, waren seine Lippen und seine geschlossenen Augen vor meinem Gesicht. Und mein Herz, das ganz laut ‘noch mal’ schrie.

“Ein Kuss.”, sagte Jo kurz angebunden, bevor er beide Hände an den Saum seines T-Shirts legte und es sich über den Kopf zog. Kurz riss ich die Augen erschrocken auf, bevor ich den Blick abwandte. Was sollte das denn bitte? Wieso zog er sich vor mir aus.

“Das habe ich auch gemerkt.”, meinte ich mit kratziger Stimme und räusperte mich kurz. “Aber warum hast du mich geküsst? Ich meine… du… ich… das geht nicht… wir sind… argh!” Das letzte Wort schrie ich und sprang ebenfalls vom Bett, nur um die Tasse auf den Nachtschrank abzustellen und mir mit beiden Händen durch die kurzen Haare zu fahren. Jo öffnete gerade seinen Hosenknopf, bevor er in seiner Bewegung inne hielt und mich verdutzt anblickte.

“Was ‘argh‘?”, fragte er und kam um das Bett herum auf mich zu. “Hat es dir etwa nicht gefallen? Du bist doch drauf eingegangen!”, meinte er und kam immer näher. Den Blick abgewandt schritt ich mehrere Schritte zurück. Nicht hinsehen! zwang ich mich im Stillen.

“Ich war nur überrascht gewesen.”, murmelte ich leise und keuchte erschrocken auf, als ich mit dem Rücken an eine Wand stieß. Verdammt, wo kam die denn her?

“Ah, überrascht also.” Er kam noch ein Stück näher und lehnte beide Arme an die Wand hinter mich, sodass ich eingesperrt war. “Du fandest es also nicht widerlich? Abstoßend? Ekelerregend?” Irritiert hob ich den Kopf. Was genau wollte er von mir hören?

“Nein, nicht direkt. Weshalb?”, murmelte ich, verlor mich gerade in diesen rehbraunen Augen, die so viel Wärme ausstrahlten und mich doch verdammt amüsiert anblitzten.

“Du hast es doch gerade gesagt. Weil wir zwei Jungs sind!” Oh. Stimmt, da war was gewesen! Shit! “Oder fährst du jetzt auf der selben Schiene, wie Jake?” Ob ich schwul war?

“Na hör mal, du hast mich doch geküsst!”, meinte ich laut und blickte ihn fragend an.

“Ja, und? Du bist, wie gesagt, darauf eingegangen!”, sagte er und schritt noch einen halben Schritt näher an mich heran, drückte sein rechtes Knie vorsichtig zwischen meine Beine.

“Gott, Jo, was soll das?”, schrie ich ihn an und drückte meine Hände gegen seine Brust. “Ich habe dir was zu sagen, und so geht das nicht!”, rief ich weiter. Shit, nein, das hatte ich nicht gerade gesagt. Jo zog die Augenbrauen nach oben und wich ein wenig von mir zurück. Das Knie zwischen meinen Beinen blieb allerdings, wo es war, was mich zum seufzen brachte.

“Du hast mir was zu sagen? Schieß los!”, meinte er und beugte sich so weit runter, dass er mir direkt in die Augen blicken konnte. Ich schüttelte den Kopf und senkte den Blick.

“Nicht so. Geh weg und schau mich nicht so an!”, murmelte ich und drückte ihn ein wenig weiter weg. Versuchte es jedenfalls, weil er sich so nicht bewegte. Der Junge vor mir schnaubte nur.

“Nein, sag mir, was los ist!”, grummelte er. Erneut schüttelte ich den Kopf. Der Junge vor mir seufzte auf, bevor er sich von der Wand abstieß. Ich atmete erleichtert auf und hob den Blick, doch schon lag seine linke Hand an meiner Wange und die rechte in meinem Nacken. Er zog mich von der Wand zu sich heran und drückte seine Lippen schon wieder auf meine. Ich zuckte erschrocken zurück, bevor ich aufseufzte und er durch den gewonnenen Platz seine Zunge plötzlich in meinen Mund schob. Verschreckt biss ich ihm auf diese und er wich abrupt zurück. “Whoa! Fuck, Sam!”, schrie er aufgebracht und taumelte zurück. Ich hingegen rutschte an der Wand nach unten und zog die Beine zu mir ran, um meine Arme darum zu schlingen. “Was sollte das?”, fragte er mich. Ich zuckte die Schultern.

“Kannst du bitte gehen?”, murmelte ich leise und senkte den Blick auf meine Füße, dachte mir nebenher, dass ich dringendst neue Strümpfe bräuchte.

“Sam, sieh mich bitte an.”, meinte Jo aber nur und ich schüttelte schnell den Kopf. Vermutlich zu schnell. “Warum nicht?”, fragte er mich und kniete sich vor mich.

“Will nicht.”, nuschelte ich vor mich hin und verdeckte den Kopf mit den Händen. Ein leises Lachen erklang und kurz darauf lagen Jos Finger an meinen Händen, die sie vorsichtig runter zogen. Dann legte er zwei Finger an mein Kinn und brachte mich so dazu, zu ihm auf zu blicken.

“Sam, ich weiß es doch schon, also sag es mir einfach.” Ich blickte ihn verwirrt an.

“Was weißt du?”, fragte ich ihn irritiert. Jo seufzte einmal kurz, bevor er mich ertappend anblickte.

“Die Tatsache, dass…”, fing er an, kam aber nicht weiter.

“Sag doch mal So!”, kam es von meinem Handy und wir drehten uns beide verwirrt dem Handy zu. “Solahahar.” Aus Reflex griff ich danach und blickte verwirrt auf das Display. Die Stirn runzelnd blickte ich Jo an, der mich auch nur fragend anblickte.

“Es ist deine Nummer!”, sagte ich leise und reichte Jo das Handy weiter. Auch er wechselte auf einen verwirrten Blick, bevor er das Gespräch annahm und sich das Telefon an das Ohr hielt.

“Ja?”, fragte er und ich runzelte die Stirn. So würde ich mich niemals am Telefon melden! “Nein, hier ist Jo, und wer spricht mit mir?”, fragte er seinen Gesprächspartner, bevor er überrascht die Augenbrauen nach oben zog. “Janie? Warum rufst du an?” Bitte? Seine Schwester rief an und er merkte noch nicht einmal an der Stimme der Anruferin, dass sie es ist? “Wie meinst du das?”, fragte er wieder und blickte mich kurz stirnrunzelnd an. Ich zog irritiert die Augenbrauen nach oben. Er schüttelte den Kopf und erhob sich, um sich auf das Bett zu setzen und seiner Gesprächspartnerin aufmerksam zuzuhören. “Nein, nein, so ist das nicht!”, meckerte er in das Telefon und ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass ich gerne das ganze Gespräch hören würde. Verdammt, was war denn nur los mit mir? “Ja, okay, ich frag!” Damit wandte sich Jo wieder mir zu und winkte mich zu sich. Ihn verwirrt ansehend stand ich auf und setzte mich neben ihn auf das Bett. “Sam, Janie lässt fragen, ob du noch ein paar Klamotten für sie hast.”, meinte er und sah mich auffordernd an. Ich schreckte zusammen und wäre fast wieder vom Bett gefallen. Scheiße. Getroffen atmete ich tief ein und aus, bevor ich die Augen schloss und ihm ein Kopfschütteln schenkte.

“Nein, tut mir Leid.”, murmelte ich und im nächsten Moment lag ich rücklings auf meinem Bett und Jo beugte sich über mich, das Handy noch am Ohr.

“Sam hat keine mehr.”, sagte er und drückte auf den roten Hörer. “Was genau hast du mir zu erzählen?”, fragte er mich nun, schmiss das Telefon irgendwo auf das Bett und kam noch ein wenig näher, legte seinrechtes Bein über meinen Unterkörper und saß kurz darauf ganz auf mir. Erschrocken blickte ich ihn an.

“Jo.”, sagte ich leise. “Was soll das? Was hast du verdammt noch mal vor?” Meine Stimme zitterte. Ich hatte Angst. Fürchterliche Angst vor der Enthüllung, die kurz bevor stand. Grausame Angst vor seiner Wut. Einsame Angst, alleine hier zu bleiben, weil er ging.

“Sam, erzähl es mir endlich! Ich will es aus deinem Mund hören! Komm schon!”, versuchte er mich zum Sprechen zu bringen, doch ich schwieg weiterhin. Ich wollte es ihm nicht sagen! Nein, er sollte es nicht wissen! Es sollte sich verflixt noch eins, nichts ändern. Es war gut so, wie es war. Wieso sollte es sich alles verändern? “Gut, wie du willst! Dann sag ich es dir!” Ich blickte verstört in seine rehbraunen Augen. Was? Er wusste es? Wie? Woher?

“Was?”, fragte ich ihn. Er grinste, beugte sich ein Stück zu mir runter und gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn.

Schichtwechsel

Kapitel 30: Schichtwechsel
 

Jo seufzte einmal auf, bevor er sich zurück lehnte und sein Gewicht sich nun ganz auf meinen Oberschenkeln breit machte. Ganz toll.

“Mensch Sam, wieso diese Heimlichtuerei?”, fragte Jo mich und stütze seine Hände neben meinen Oberkörper auf dem Bett ab.

“Ich weiß nicht, wovon du sprichst!”, meinte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. Jo schnaubte genervt und beugte sich ein wenig nach unten.

“Lügner!”, zischte er mir ins Ohr und ich erschauderte. Verdammt noch eins, wieso musste er so eine Stimme haben, bei der es mir eiskalt den Rücken herunterließ, auch wenn er böse auf mich war?

“Jo, lass es!”, flüsterte ich.

„Mach den verdammten Verband ab, hol dir einen Rock und einen BH und sei endlich das Mädchen, das du sein solltest!", schrie Jo mich genervt an und ich zuckte erschrocken zusammen.

"Wie?", fragte ich unsicher.

"Wie heißt du richtig? Samantha?" Ich schluckte hart und schüttelte den Kopf. Dann hob ich blitzschnell die Hände und vergrub mein Gesicht unter ihnen.

„Bitte, hör auf.“, flüsterte ich und hatte Angst, dass man mein Zittern sehr hören konnte. Jo legte seine Hände sanft auf meine und zog sie vorsichtig von meinem Gesicht.

„Nein, Sam. Komm, sprich mit mir. Erklär es mir.“, meinte er und sah mich mit seinen wunderbaren warmen Augen an. Ich schüttelte den Kopf und schloss die Augen.

„Ich will nicht.“, murmelte ich leise vor mich hin. Jo lachte leise auf, was mich irritier blinzeln ließ.

„Komm schon! Ich bin doch schon dahinter gekommen. Jetzt pack schon aus. Wie ist dein Name?“, fragte er mich. Ich seufzte angespannt.

„Samira.“, antwortete ich ihm dann leise. Der Junge lächelte, nickte zufrieden und stieg von mir herunter, um sich neben mich zu legen. Einige Minuten vergingen. Es war still, nur unser Atem war in meinem Zimmer zu hören. Mein Kopf war so gut wie leer gefegt. Ich hatte ihm meinen Namen gesagt. Er wusste, dass ich ein Mädchen war. Und ich glaubte…

„Wer weiß es eigentlich noch?“, fragte ich flüsternd und drehte den Kopf in seine Richtung, dabei erst merkend, dass er mich die ganze Zeit angesehen hatte. Sofort lief ich rot an. Jo zog die Schultern nach oben.

„Keine Ahnung. Dein Vater hat es mir irgendwie gebeichtet.“ Er seufzte leise und legte sich auf die Seite, mich dabei nicht aus den Augen lassend. Ach, es war so klar gewesen, dass mein Vater es nicht für sich behalten konnte. Ich verdrehte die Augen. „Aber ich glaube Jake und Elias wissen es, sie haben so komische Sachen angedeutet und sich auch sonst seltsam verhalten.“ Ich nickte.

„Janie auch.“ Jo starrte mich verwirrt an.

„Meine Schwester wusste es schon vor mir?“, fragte er und ich nickte. „Frechheit!“, meinte Jo und drehte sich wieder auf den Rücken. “Wieso hast du es nie gesagt?”, fragte der Schwarzhaarige mich. Ich zuckte die Schultern und richtete mich ein wenig auf, stützte mich auf meine Ellenbogen.

“Sie hat mich beim umziehen erwischt.”, murmelte ich vor mich, was Jo nur ein leises Schnauben entlockte. “Und ich hab nie was gesagt, weil es da ein paar Dinge gab, die… nun ja, nicht so ganz… einfach sind.”, hing ich noch an, dieses Mal etwas lauter und verständlicher.

“Hast du auch vor, mir diese Dinge zu erklären?”, fragte er mich und fuhr mir mit seiner linken Hand vorsichtig durch die Haare. Genervt seufzte ich auf und wich seiner Hand aus.

“Später vielleicht.”, murmelte ich und stand auf. Ich streckte mich kurz, bevor ich die Arme vor der Brust verschränkte und mich dann zu ihm drehte. Jo lag nun wieder auf dem Bett, den Kopf auf den verschränkten Armen gebettet und strahlte mich an, was mich kurz Luft schnappen ließ. “Okay, du hast die Wahl: Entweder du bleibst hier und schläfst in der Badewanne, oder du gehst jetzt nach Hause!”, sagte ich zu ihm und marschierte zu meinem Kleiderschrank, um mir frische Bettwäsche rauszusuchen. Trotzdem fühlte ich Jos Blick auf meinem Rücken.

“Wieso in der Badewanne?”, fragte er mich. Mit einem weißen Bettlaken in der Hand drehte ich mich zu ihm um und wedelte damit aufgeregt in der Luft herum.

“Ganz einfach!”, fing ich also an und schmiss das Laken auf das Fußende des Bettes, wo kein Jo lag. “Ich bin ein Mädchen, du ein Junge. Wir sind zwar Freunde, aber ich schlafe nicht in einem Bett mit dir!”, meinte ich. Und ich meinte es ernst. Klar, wir kannten uns für meine Verhältnisse schon eine halbe Ewigkeit. Das war für mich trotzdem kein Grund, gleich das Lager mit ihm zu teilen.

“Wir haben doch schon mal im selben Bett geschlafen! Was soll das denn jetzt, Sam?”, maulte er und ich hielt mit meiner Suche nach der übrigen Wäsche inne. Oh. Demütig senkte ich den Kopf und drehte mich wieder ein wenig zu ihm.

“Das ist was anderes.”, murmelte ich kleinlaut und wich seinem Blick aus. Jo schnaubte und ich aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie er aufstand. Ich hob den Blick und starrte geradewegs auf seinen Rücken. Er drehte sich nach einem leisen Seufzen blitzschnell zu mir um und ich blickte nun auf seine Brust. Und schon fühlte ich, wie mir wieder das ganze Blut ins Gesicht floss. Fuck. Schnell schloss ich die Augen und schüttelte den Kopf. Vielleicht konnte ich dadurch den Anblick wieder vergessen, auch wenn er ziemlich lohnenswert gewesen war. Scheiße, was dachte ich da?

“Das ist nichts anderes! Das ist genau dasselbe! Da war ich schließlich auch schon in dich verliebt! Mach es doch nicht noch schwerer, als es eh schon ist!”, schrie er mich halb an. Kurz spannte ich mich an. Er hatte das jetzt nicht gerade gesagt, oder? Erneut schüttelte ich den Kopf, allerdings dieses Mal, um meine Gedanken besser zu ordnen. Es gelang mir allerdings nicht so recht. Ich schluckte, öffnete die Augen, sah ihm in die braunen Augen und trat noch einen Schritt auf ihn zu.

“Sag das noch einmal!”, bat ich ihn leise. Er zog verwirrt die Augenbrauen nach oben, bevor er ein sehr dumm klingendes und stimmungszerstörendes ‘Hä’ hervorbrachte. Seufzend wiederholte ich meine Bitte: “Sag es noch mal!”

“Was meinst du? Dass du alles noch schwerer machst?” Erneut seufzte ich und schlug ihn sanft auf den Hinterkopf. Als ich meine Hand allerdings wieder zurückziehen wollte, hob er die seine urplötzlich und schnappte sich mein Handgelenk, um mich näher zu sich zu ziehen. “Oder dass sich da nichts geändert hat?”, fragte er dicht vor meinem Gesicht. Ein freches Grinsen zierte nun seinen Mund und ich wusste nicht, wie ich in diese Situation schon wieder hineingeraten konnte. Immer ich, hab ich ein Pech! Dennoch wollte ich mich nicht demütigen lassen, also kam ich ihm noch ein kleinwenig näher.

“Nein, die Tatsache, warum sich nichts geändert hat!”, flüsterte ich ihm zu und wich seinem Mund aus, der sich gerade auf meinen drücken wollte. Ha, nun ließ ich ihn zappeln! Er seufzte leise, versuchte, mich erneut zu küssen, doch wieder wich ich ihm aus, sodass er nur meine Wange mit seinen Lippen streifte, was mir trotzdem eine Gänsehaut bescherte. Gott, was tat der Kerl mit mir?

“Hm.”, murmelte er in meine Haare und zog mich nun mit beiden Händen zu sich in eine enge Umarmung. Sollte ich noch Luft bekomme? “Wieso soll ich es noch mal sagen? Anscheinend hast du es ja verstanden!”, nuschelte er und sein warmer Atem kitzelte meinen Nacken. Gänsehaut. Kalter Schauer. Uwah! Aber halt. Nein, oder?

“Gut. Lass los, Jo!”, meinte ich und drückte ihn von mir. Er ließ tatsächlich von mir ab und starrte mich nur verwirrt an. Ich glaube, wäre ich an seiner Stelle, würde ich mich selbst auch nicht verstehen. Aber ich wollte mir das gerade wirklich nicht gefallen lassen. Also ging ich um das Bett herum, hob unter Jos fragenden Blick sein Shirt auf und schmiss es ihm zu. “Du kannst gehen. Danke, dass du da warst, aber ich kann nun auch auf mich selbst aufpassen. Mein Kühlschrank wird mich vermutlich nicht auffressen wollen.”, muffelte ich vor mich hin. Sollte er doch auch mal meine schlechte Laune aushalten. Der Junge auf der anderen Bettseite schnaubte und pfefferte mir das Shirt entgegen, dass direkt in meinem Gesicht landete. Auch ich schnaubte, zog das Shirt wütend von meinem Gesicht, wollte es ihm selbst an den Kopf schmeißen, als vor mir zwei schokoladenbraune Augen auftauchten und mich angriffslustig anfunkelten. Erschrocken wollte ich zurückweichen, aber da war seine Hand schon in meinem Nacken, zog mein Gesicht zu seinem und hielt kurz davon an.

“Samira, ich hab mich in dich verliebt.”, meinte er mit ruhiger Stimme und ich konnte mir ein dümmliches Grinsen nicht verkneifen, als der Sinn in den Worten mein Gehirn erreichte. Das Grinsen wurde noch dümmlicher, als ich seine Lippen daraufhin auf meinen spürte und mich gegen ihn lehnte. Auch seine Mundwinkel verzogen sich nach oben, ich merkte es genau. Langsam schob ich ein wenig von mir, verschränkte meine Hände hinter seinem Nacken, zog ihn zu mir runter und lehnte meine Stirn an seine.

“War das jetzt der Weltuntergang?”, fragte ich leicht sarkastisch. Der Junge vor mir verengte die Augen und nickte stur. Ich verkniff mir ein lautes auflachen und kicherte somit nur leise vor mich hin.

“Kann ich hier bleiben?”, fragte er mich. Ich nickte, ließ ihn los und marschierte zum Schrank.

“Allerdings habe ich keine zweite Decke für die Badewanne, tut mir Leid!”, meinte ich und grinste ihm den Rücken zugedreht in mich hinein. Jo allerdings schien es nicht so lustig zu finden.

“Was? Nein, ich schlaf nicht in der Badewanne!”, beschwerte er sich. Ich zuckte nur die Schultern.

“Nun ja, ich will dich nicht aufhalten, nach Hause zu gehen. Da wartet sicherlich auch eine warme Decke und ein gemütliches Bett auf dich.” Er schnaubte.

“Sam, das ist nicht dein Ernst, oder?” Ich setzte ein ernstes Gesicht auf und drehte mich zu ihm um.

“Doch ist es.”, meinte ich. Wieder schnaubte er, zog sich nun endlich das Shirt über und kam auf mich zu.

“Das ist so gemein!”, schnaufte er und ich musste lauthals anfangen zu lachen. Ich nahm seine Hand in meine und drehte ihn wieder zu mir.

“Du kannst bleiben, kein Thema!”, sagte ich schmunzelnd und es war köstlich, seinen wandelnden Gesichtsausdruck zu beobachten.

Seelenglück

Kapitel 31: Seelenglück
 

“Was genau willst du mir damit sagen?”, fragte mich das Mädchen, das mich drei Jahre lang an der Nase herumgeführt hatte. Ich schnaubte leicht genervt und drehte mich wieder zu ihr um.

“Dass ich mit dir auf den Valentinsball gehen will.”, sagte ich und lief rückwärts weiter. Samira biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.

“Ach, Jonas, das hatten wir doch schon!”, setzte sie an und hob die Arme in die Luft. “Wir haben beschlossen, es nicht gleich an die große Glocke zu hängen!”, fuhr sie fort und blieb stehen. Ihre Mütze wurde vom Schnee noch weißer und ich ging einen Schritt auf das braunhaarige Mädchen zu.

“Ist gut. Aber jetzt lass uns weiter gehen. Elias wartet sicherlich schon.” Dieses Mal war es Sam, die schnaubte und dann an mir vorbei stampfte, die Hände in den Manteltaschen vergraben.

“So wie ich das sehe, wird er sowieso leicht stinkig sein, weil du das Bier vergessen hast.”, murmelte sie und ich musste grinsen. Ich lief ihr hinterher und schlang beide Arme um sie, um das zierliche Mädchen kurz in die Luft zu heben und ihr einen kleinen Schrei zu entlocken.

“Wessen Schuld ist es denn, dass die Läden schon zu hatten, als wir endlich los konnten, hm?”, fragte ich zurück und setzte sie wieder auf den Boden, wo sie sich sofort zu mir drehte und mich böse und auch leicht amüsiert anblickte. Doch anstatt mir einen kindischen Kommentar an den Kopf zu knallen, wie sie es sonst immer tat, zog sie Ihre Hände aus den Taschen, streckte mir die Zunge raus und rannte dann ein Stück von mir weg. Ich musste leise lachen, schüttelte kurz den Kopf, bevor ich ihr hinterher rannte und sie erst vor Elias Haus wieder einholte. Eins musste man ihr lassen: Für ein Mädchen war sie verdammt gut in Form und verflixt schnell. Als ich sie endlich eingeholt hatte, ging auch sofort die Tür des Einfamilienhauses auf und Elias erschien im Türrahmen, konnte Sam aber nur von hinten sehen und wunderte sich vermutlich, weshalb vor mir ein Mädchen stand. Ich lächelte ihn freundlich an und zog Sam kurz in meine Arme. Elias winkte mir zu und ich schob uns beide durch das Gartentor.

“Wolltest du nicht Bier mitbringen?”, fragte er laut und ich musste kichern. Sam trat einen Schritt zurück und grinste mich triumphierend an. Ich schüttelte den Kopf, ließ sie los und ging an ihr vorbei auf Elias zu.

“Ich wurde aufgehalten, aber dafür hab ich was anderes mitgebracht.”, meinte ich und trat neben den Braunhaarigen Jungen. Nicht, dass er uns nach dieser Überraschung noch aus den Latschen kippte. “Kommst du, Sam?”, fragte ich also. Elis Augen wurden groß und er schaute perplex von mir zu Sam und wieder zurück. Samira drehte sich um, die Hände wieder in den Manteltaschen vergraben und ein strahlendes Lächeln aufgesetzt.

“Hey Eli!”, meinte sie und kam auf uns zu. “Jetzt guck nicht so! Du wusstest es doch schon!” Doch Elias zuckte zusammen und trat einen Schritt zurück.

“Warte. Nein… Aber er hat doch gesagt… Was? Ich… Oh Gott!”, stammelte er und ich starrte ihn verwirrt an. Was war denn jetzt schon wieder los? Ich blickte zu Sam, welche die Augenbrauen zusammengezogen hatte.

“Elias?”, fragte sie leise. “Wenn meinst du mit ‘er’?”, fragte sie und ihr Atme ging beunruhigend schnell. Verdammt, was war hier los. Elias riss die Augen noch weiter auf und schüttelte dann schnell den Kopf. Er packte Sam blitzschnell am Arm, blickte sich noch einmal nach links und rechts um und zog sie dann in das Haus hinein. Ich folgte perplex und schloss die Tür hinter mir. Zwar verstand ich diesen ganzen Müll hier nicht, aber das war anscheinend egal.

“Mir wurde mitgeteilt, ‘er’ hätte dich zu sich geholt!”, brabbelte er, als er Sam hinter sich her in die Küche zog.

“Elias, wer ist ‘er’?”, fragte Sam nochmals und ich hörte ihr Stimme zittern. Elias schluckte, ließ Sams Hand los und lehnte sich an die Arbeitsfläche der Küchenzeile hinter ihm.

“Marcus Silverstone.”, murmelte er und Sam wurde bleich. Sie wankte und ich stürzte näher, um sie festzuhalten, doch sie hatte sich schon wieder im Griff und sprang auf Elias zu.

“Woher kennst du ihn? Was hast du mit ihm zu schaffen?” Ich fragte mich gerade wirklich, ob ich Sam vorm zusammenbrechen schützen soll, oder Elias vor Sam retten sollte.

“Sam, bleib ruhig.”, sagte ich leise zu ihr, kassierte dafür einen wütenden Seitenblick und wich dann doch lieber zurück, um mich auf einen Küchenstuhl zu setzen. Mir war das gerade zu viel.

“Sam, ich muss dir das in Ruhe erklären.”, meinte Eli und ich schnaubte. Klar. Probier es ruhig, Elias. “Es ist komplizierter, als du denkst.”

“Was denkst du denn, was ich denke, wie es ist?”, schrie Sam plötzlich und ich streckte meine Hand vorsichtig nach der Ihren aus, um sie ein Stück zu mir zu ziehen. Weg von Elias. Ihren verwirrenden Satz ignorierte ich gekonnt.

“Sam, komm her. Lass es dir erklären.”, meinte ich leise und zog sie auf meinen Schoß. Sie ließ es sich gefallen und lehnte sich sogar ein wenig an mich. Auch Elias nahm Platz uns gegenüber und vergrub kurz die Hände in den Haaren.

“Okay. Vor drei Jahren zog ich von Maifeld hier her. Der Grund war nicht die Versetzung meines Vaters, sondern ein Auftrag eines jungen Mannes namens Silverstone. Er hatte meine kleine Schwester in seiner Gewalt und hatte mir angedroht, sie zu töten, sollte ich diesen Auftrag nicht erfüllen. Also nahm ich an. Ich sollte ein Mädchen, welches sich als Junge ausgab im Auge behalten und alle Jungs, die gefährlich für sie werden könnten von ihr fernhalten.” Er hielt inne und ich musste schlucken. Er war schon von Anfang an nur deswegen auf unserer Schule? Nur um Sam auszuspionieren? Ich lehnte meinen Kopf an Sams Rücken und legte meine Arme um ihren Bauch, um sie ein wenig näher zu ziehen und gleichzeitig festzuhalten.

“Du warst seine Quelle?”, zischte sie leise und brummte leise. “Ich glaub das nicht! Du? Elias, wie konntest du?” Sie seufzte und legte eine Hand auf meine.

“Sam, es tut mir Leid, ich wollte doch nur Miriam vor dem Tod bewaren!”, täuschte ich mich, oder sah ich da Tränen in seinen Augen glitzern? “Doch vor drei Wochen, als ich ihm sagte, dass ich das nicht mehr konnte, hatte er mir ein Bild geschickt. Ein Bild mit den blutigen Überresten meiner kleinen Schwester.”, schniefte er und tatsächlich liefen ihm Tränen über sie Wangen. “Sam, es tut mir Leid. Ich wollte dich nie verraten. Ich habe es nach diesem Bild auch nicht getan. Ich weiß nicht, warum er hergekommen ist und dich mitnehmen wollte. Mir wurde es nur so übermittelt und das war es gewesen.” Er schluchzte und zog die Nase hoch. “Bitte, ich…” weiter kam er nicht, weil er nur noch vor sich hin weinte. Sam schluckte und holte tief Luft, bevor sie auch die andere Hand auf meine legte und sich langsam aus meiner Umarmung befreite.

“Sam.”, sagte ich leise und starrte sie fragend an. Doch sie schüttelte den Kopf, stand auf, nachdem ich sie losgelassen hatte und ging zur Küchenzeile, um von einer Rolle Küchenpapier drei Streifen abzureisen. Dann ging sie zu Elias, drückte sie ihm in die Hand und umarmte ihn kurzerhand.

“Shhh.”, murmelte sie an seinem Hals und ich könnte schwören, eine einzelne Träne auch in Sams Augenwinkeln ausgemacht zu haben.

“Es tut mir so Leid, Sam!”, schniefte Elias wieder.

“Shhh.”, machte Sam erneut und streichelte ihn vorsichtig über das Haar. Ich seufzte, stand auf und ging zur Küchenzeile. Sam sah auf und musterte mich fragend.

“Entschuldige, aber ich brauch jetzt dringend einen Kaffee. Du nicht auch?”, fragte ich und das Mädchen musste vorsichtig lächeln. Sie nickte, setzte sich wieder auf den Stuhl, den ich schon eingesessen hatte, Elias nicht aus den Augen lassend.

“Eli? Möchtest du einen Kaffee?”, fragte sie leise und sah ihn freundlich an. Elias schluchzte noch einmal, bevor er nickte. Auch Samira nickte, erhob sich vom Stuhl und stellte sich neben mich.

“Bleib ruhig sitzen! Ich krieg das schon hin.”, sagte ich und holte aus einem der oberen Schränke die Dose in der hier der Kaffee aufbewahrt wurde. Sam lachte leise und nahm sie mir aus der Hand.

“Damit die Küche dann wieder aussieht, wie ein Schlachtfeld? Ne, lass mal. Geh mit ihm ins Wohnzimmer oder so. Tee für dich?” Ich grinste und nickte, bevor ich zum Tisch ging, mir den schniefenden Eli schnappte und ihn ins Wohnzimmer schob. Sam kannte mich mittlerweile schon verdammt gut. Ich verfrachtete die Heulsuse aufs Sofa und schaltete den großen Flachbildfernseher an. Ich konnte nichts mit weinenden Menschen anfangen.

“Willst du was gucken?”, fragte ich Elias, aber der schüttelte nur schwach den Kopf. Ich zuckte die Schultern und schaltete durch die Programme, bis ich schließlich bei den Nachrichten halt machte.

“In den letzten Wochen war mehrmals von historischen Tagen die Rede. Dieser 11. Februar ist wirklich einer. Mubarak ist nicht mehr Präsident Ägyptens.”, sagte der Sprecher und ich versuchte, ihm meine ganze Aufmerksamkeit zu widmen, aber das Wimmern Elias machte das fast unmöglich. “Die Armee hat im Moment die Macht im Staate.”

“Jonas, kannst du den Kaffee nehmen?”, fragte mich Sam, die jetzt im Türrahmen stand mit drei Tassen in der Hand. Ich sprang auf und nahm ihr eine der Tassen ab, um sie an Elias weiterzureichen.

“Danke.”, schniefte er und schluchzte erneut. Ich nickte nur und nahm Sam den Tee aus der Hand, den sie mir reichte, Dann setzte sie sich neben Eli auf das Sofa und ich nahm wieder auf dem einzelnen Sessel platz.

“So, und jetzt hör auf zu weinen. Ich weiß, dass es wehtut, aber wir können jetzt nichts machen.”, sagte Sam leise und starrte ihre Tasse an.

Elias schniefte noch einmal, bevor er nickte und sich die Tränen vom Gesicht wischte.

Ich schmunzelte und sah wieder auf den Bildschirm.

Heimvorteil

So Leute, das wars jetzt. Endgültig^^

Ich habe fertig...

Danke an alle Leser, die mich fast ein Jahr auf dem Weg bishierher begleitet haben und immer noch dabei sind.

Danke an alle Kommentatoren, die mich immer wieder mit Vermutungen überascht und angespornt haben.

Danke an euch alle!
 

Epilog: Heimvorteil
 

Wir saßen immer noch bei Elias und schauten uns die Tagesthemen an. Ich wusste nicht, warum Jo mittlerweile wusste, dass ich immer gerne auf dem neusten Stand war, aber er hatte sich in den letzten Tage daran gewöhnt, Nachrichten mit mir zu schauen. Elias hatte uns sein Herz ausgeschüttet, saß nun ruhig neben mir auf dem Sofa, den Blick immer noch auf seine Kaffeetasse gerichtet, aus der er vielleicht einen Schluck getrunken hatte. Er hatte zwar für Silver gearbeitet, zwangsweise, mich aber nicht an ihn verraten. Also wollte er vermutlich sehen, was Eli dazu gebracht hatte, aufzugeben. Der arme Junge. Hatte durch mich seine kleine Schwester verloren. Ich hatte das Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein. Dieser Verlust war groß und schwer. Ich fühlte mich verantwortlich. Für eine Tat, die ich nicht begangen hatte. Ich seufzte leise und spürte Jos fragend Blick auf mir. Ich biss mir auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf, widmete mich dann wieder dem Fernseher und erschrak.

“Des Weiteren wurde heute ein junger Mann festgenommen.” Mein Herz setzte kurz aus. “Die Anklage lautet Mord, Prostitution und Geiselnahme.” Und es fuhr in doppelter Geschwindigkeit fort. Wie? “M. Silverstone… erstmal 15 Jahre Haft… lebenslange Strafe… Hohe Summen an Schmerzensgeld.” Ich hörte nur noch Fetzen. Konnte nicht fassen, Marcus dort im Fernsehen zu erblicken. Das konnte nicht sein. Wie sollte so etwas plötzlich funktionieren?

“Sam!”, sagte Elias neben mir und ich nickte nur leicht.

“Die Gemeinschaft wird gebeten, Aussagen über diesen jungen Mann abzugeben, sodass man…” Ich schüttelte schwach den Kopf.

“Samira.”, murmelte Jonas und blickte mich fragend an. Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte in seine warmen Augen. “Sam, ist alles in Ordnung? Du bist ganz blass.” Ich schnaubte kurz, bevor ich mit dem Finger auf die Mattscheibe zeigte. Jo folgte meiner Aufforderung.

“Marcus Silverstone.”, sagte ich leise und konnte nicht anders, als im nächsten Moment anfangen zu lachen. “Er wird eingesperrt!”, jubelte ich und hatte fast vergessen, dass es ihn gab.

“Sag doch mal Soooo!”, fing mein Handy plötzlich an und ich zuckte zusammen. “Solahahar!” Schon vor dem ‘Energihihi’ nahm ich ab, ohne auf das Display zu schauen.

“Sam!”, schrie man mir entgegen und ich war mir nicht sicher, welches Mädchen, mich da gerade ankeifte. Doch es schluchzte kurz. Ich zog die Augenbrauen zusammen. “Bitte, kannst du mich hier abholen? Ich weiß nicht weiter!”, schniefte sie und ich atmete tief durch, froh darüber, die Stimme erkannt zu haben.

“Marlene.”, sagte ich leise, stand vom Sofa auf und bedeutete Jonas, den Fernseher auszuschalten. Dies tat er auch und erhob sich von dem Sessel, um mir, mich irritiert anblickend, zu folgen. “Wo bist du?”, fragte ich das Mädchen am Apparat. Wieder ertönte ein Schluchzen.

“Vor dem Polizeipräsidium in Mannsfeld. Sie haben Marcus gerade abgeführt und ich weiß nicht, wo ich hin soll!”, wieder schniefte sei. “Bitte, kannst du mich abholen?” Ich biss mir auf die Unterlippe und blickte Jo unsicher an.

“Warte kurz, Marlene.” Damit zog ich das Telefon von meinem Ohr und ging einen Schritt auf meinen Freund zu.

“Was ist?”, fragte dieser mich und ich musste schlucken.

“Ich weiß, wir sind noch nicht so lange zusammen, aber kannst du mir einen Gefallen tun?”, fragte ich ihn also. Er schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust.

“Ich würde für dich die Sterne vom Himmel holen, also, was ist?” Ich schluckte und blickte ihn an.

“Marlene sitzt in Mannsfeld fest. Können wir sie abholen? Ich meine, kannst du dir das Auto deines Vaters leihen?”, fragte ich ihn leise. Er lächelte und nickte. Dann nahm er mich in den Arm und lachte leise.

“Na klar! Wie gesagt. Für dich tu ich alles!”, sagte er und ich verbrannte innerlich. Ich schmolz dahin. Ich war Wachs in seinen Händen. Ich lehnte mich an ihn und wusste es endlich. Ich war zuhause angekommen. Als das, was ich war. Als Mädchen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (69)
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Von:  Ushia-sama2011
2011-03-13T10:21:39+00:00 13.03.2011 11:21
Hammer gieles ende

ich wollte fragen ob es eine fortzetung gib es musste ja weiter ghn oderß????



Von:  Zuckerschnute
2011-03-12T15:22:39+00:00 12.03.2011 16:22
Ha! Ich hatte also recht! *im Zimmer rumhüpf*
Aber dass das ganze so tragisch ist hätte ich nicht gedacht! Schrecklich!

Warum wurde Silver jetzt eigentlich verhaftet? Ich dachte er wäre so einflussreich, dass ihm keiner Gefährlich werden könnte.... Ich persöhnlich finde ja, dass fünfzehn Jahre zu wenig sind... aber immer noch besser als nichts! Tschüs Silver! *winkt*
Arme Marlene! Sie konnte doch wirklich nichts dafür! Warum hat sie kein zuhause mehr? Hat sie keine Eltern? Silver war doch relativ gut betucht, da muss es doch einen Ort geben, an dem sie bleiben kann. Aber vielleicht will sie auch einfach nicht alleine sein... Verständlich wärs!

Alles in allem ein gelungener Abschluss! Der finale Paukenschlag oder wie ich es nennen soll.
Von:  Ushia-sama2011
2011-03-12T10:41:22+00:00 12.03.2011 11:41
Hammer kapitel

bin gespannt wie es wseiter geht

schreib bitte schnell weiter
Von:  Ushia-sama2011
2011-03-10T19:11:16+00:00 10.03.2011 20:11
Entlich ght es weiter

bin gespannt wie es weiter geht
Von:  Zuckerschnute
2011-03-10T16:36:44+00:00 10.03.2011 17:36
Na endlich, es ist geschafft! War doch nicht so schwer ihr beiden, oder?
Und nun: Bühne frei für "Operation Übernachtung bei Sam" *lach*
Das wir bestimmt lustig! Sam war ja bisher offenbar nur mit Silver zusammen und das schien ja nicht gerade angenehm gewesen zu sein! Also Jo, sei ein Gentelman! *mahnend den Finger heb*

Allerding wirft etwas bei mir Fragen auf:
Der Titel dieses Kapitels. Warum heißt es Schichtwechsel?

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel!
Von:  Zuckerschnute
2011-02-09T20:08:47+00:00 09.02.2011 21:08
Okay, eine (mehr oder weniger) wilde Knutscherei hatten wir, aber wo zum Teufel bleiben die Geständnisse? Die beiden reden jetzt schon drei Kapiteln (na ja eigentlich die ganze Fanfic) um den heisen Brei herum. Können die endlich mal zu Potte kommen? Macht doch mal hin ihr beiden, sonst fress ich noch meinen Computerbildschirm und der ist verdammt schwer verdaulich, also würde ich das gerne bleiben lassen! Auserdem wäre das der dritte kaputte Bildschirm innerhalb eines Jahres und ich gebe mein Geld wesentlich gerner für Bücher und Malutensilien aus als für so was. Der jetzige ist nämlich erst zwei Monate alt!

Ach ja, eine Frage hätte ich noch!
Du hast doch in deiner ENS geschrieben:
"Da Sam ohne Mutter aufgewachsen ist, hatte sie erstens keine Ahnung vom Mädchensein und wurde von ihrem Vater zunehmend wie ein Junge behandelt, weil er sich mit Mädchenkram nicht auskannte. Sie hat das dann fortgesetzt und sich in dieses Schiksal eingefügt"
Ich verstehe dann aber trotzdem nicht, warum sie sich die Brust abbandagiert. Das muss doch wehtun! Und kann sie damit überhaupt Atmen? Sie muss doch jedesmal beim tief Luft holen Angst haben, dass der Verband abgeht.

Tja, ich hab mal wieder ein recht langes Kommi mit 90% Quatschanteil getippt... aber wenn ich mich erst mal in Rage tippe...

Bis zum nächsten Kapiel!
Von:  Ushia-sama2011
2011-02-09T11:36:05+00:00 09.02.2011 12:36
ich bin gespannt wie es weiter geht
Von:  blue_fullmoon
2011-01-30T21:27:39+00:00 30.01.2011 22:27
Du bist ein Sadist, kann das sein?
Warum immer an den spannenden Stellen aufhören? Schreib bitte schnell weiter >_<
Von:  Zuckerschnute
2011-01-27T19:42:06+00:00 27.01.2011 20:42
Oh man! Du hörst mitten drin einfach auf!
Ich dachte schon: Super, jetzt kommt das große Geständnis und dann kommt so was. Also wirklich!

Ich hab deine Geschichte vor kurzem entdeckt und muss sagen, dass ich die Idee richtig gut finde.
Auch wenn ich nicht so ganz verstehe, warum Sam als Junge rumläuft. Sich vor Marcus zu verstecken kann nicht der Grund sein (zumindest nicht der einzige), da sie das offenbar schon vor der Sache mit Marcus gemacht hat (es sei denn, ich hab was falsch verstanden). Hat ihr Vater sie dazu gezwungen? Aber warum? Nur weil er unbedingt einen Sohn wollte? Das wäre ein für mich ziemlich seltsamer Grund, allerdings weiß ich ja nicht wie es ist, wenn man als Vater unbedingt einen Sohn möchte (ich bin ja schließlich ein Mädchen). Vielleicht klären sich meine Fragen ja in den nächsten Kapiteln, ich bin auf jeden Fall gespannt und die Geschichte hat sich einen Platz auf meiner Favoritenliste gesichert.

Bis zum nächsten Kapitel!

Von:  Ushia-sama2011
2011-01-27T17:55:23+00:00 27.01.2011 18:55
Hammer geiels kapitel

freue mich wenn es weiter geht

schreib bite schnell weiter möchte wissen wie es weiter geht


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