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Rise above the Storm

von

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Kai

Kapitel Eins: Kai

Begleitet von dem durch Mark und Bein gehenden Geräusch der über die schäbigen Fliesen scharbenden messingbeschlagenen Tür trat er in den schon seit Wochen nicht mehr geputzen Flur des alten Mehrfamilienhauses. Von Kopf bis Fuß durchnässt bis auf die Unterwäsche. Und wie erwartet war es hier drin genauso scheiß kalt wie draußen! Verdammter Hausmeister, wie oft hatte er schon versprochen die unzähligen kaputten Fenster zum Innenhof hin auszutauschen? Nichtmal all die kleinen und großen Pfützen schienen dieses 24/7 besoffene Arschloch dazu zu bewegen endlich seiner gottgegebenen Pflicht

nachzukommen.

Kopfschüttelnd wand er sich vom Elend ab und stieg die ersten Stufen der alten Holztreppe herauf bis er den Absatz mit den Briefkästen erreichte. Natürlich waren die meisten der Briefkästen wie immer geöffnet, standen doch sowieso sechs von zehn Wohnungen hier leer. Ganz im Gegensatz zu all den kleinen und großen Insekten die in besagten Briefkästen gradezu wie auf Nährböden zu vegitieren schienen und in unmittelbarer Nähe alles mit einem modrig faulen Geruch beglückten. Gezielt langte er im vorbeigehen nach zwei aus seinem Briefkasten herausragenden Umschlägen, wie jeden Abend wenn er von seiner Schicht heimkehrte und eilte im Laufschritt die knarzende Holztreppe hinauf. Wieso konnte sich eigentlich keiner seiner Mitbewohner morgens, mittags oder wenigstens am frühen Abend die Mühe machen den Briefkasten zu leeren? Mitlerweile war es ja schon fast zu einem Ritual geworden dass er jede Nacht die vor fast 24 Stunden eingeworfene Post einsammelte.
 

Im obersten Stockwerk angekommen wand er sich der einzigen noch intakten Tür zu, fischte mit der rechten einmal in beiden Hosentaschen und zog - wie auch sonst - aus der zuletzt durchsuchten Tasche den Schlüssel hervor. Beladen mit Briefen, Mantel, Rucksack und seiner Umhängetasche dauerte es erfahrungsgemäß einige Sekunden bis hin zu einer Minute bis er es zustande brachte die Tür zu öffnen, einen Schritt ins innere tat und dabei seinen linken Schuh am Türrahmen vom Fuß striff. Der rechte folgte nur einen Augenblick später, daraufhin sein Trenchcoat und schließlich warf er auch seinen Rucksack achtlos in eine Ecke des kleinen Flures. Erleichtert stieß er einen Seufzer aus, trat in die Küche und knippste die kahle Glühbirne an. Die Briefe - beide an seine Mitbewohnerin adressiert - warf er achtlos auf die klebrige Arbeitsplatte. Wirklich viel erwartete der grauhaarige nicht als er daraufhin die Kühlschranktür wenige Zentimeter weit aufzog um einen Blick ins innere dieser Teufelsmaschine zu werfen. Er brauchte nichtmal die Hand auszustrecken um die Temperatur zu überprüfen. Der Techniker war also noch immer nicht aufgetaucht. Wozu hatte er noch gleich zum dritten Mal einen Termin vereinbart und wieder keine Ahnung wie viele Rubel für diese bescheuerte Kunden-am-Arsch-Service Hotline ausgegeben?
 

Einen wohl nicht ganz jugendfreien Fluch noch unterdrückend murmelte er nur ein Paar unfreundliche Worte auf Hinterhof-Russisch und griff nach einer erst vor kurzem aufgerissenen Packung Salami. Dass sie erst vor ein oder zwei Tagen geöfnet worden war hoffte er zumindest inständig. Während er Freund Wurst noch immer argwöhnisch beäugte, fummelte er mit der freien Hand zwei Scheiben Toast aus der schon halb leeren Tüte und ließ seinen Blick anschließend auch über diese Kostbarkeit schweifen. Kein Schimmel, riecht okay, und fühlt sich mehr oder minder gut an. Perfekt. Kaum hatte er besagte Scheiben liebevoll in den Toaster befördert langte er erneut in den lauwarmen Kühlschrank, durchstöberte kurz die - natürlich leeren - Gemüsefächer und förderte ein zu drei-zehnteln volles Glas Mayonaise zu Tage. Auch hier kurz schauen und riechen, das fühlen überging er dezent, und die Zutaten für den "vier Stunden nach Mitternachtssnack" waren komplett.

Sozusagen just right in time, denn schon ertönte neben ihm das, da die Feder im Toaster ihren Zenit schon lang überschritten hatte sehr leise knacken der Brotröstmaschine. Bei all dem Heulen, Trommeln und Brausen da draußen schien es eher Glück, dass er es gehört hatte. Begierig nach einem kleinen Lipidschub angelte er die zwei Scheiben aus den Schlitzen und griff zeitgleich nach einem der Teller auf dem schiefen Regal direkt über ihm um sein täglich Brot darauf zu betten. Länger dauerte es hingegen diese verdammte, schon seit Monaten klemmende Schublade zu öffnen und eines der schon schwarz oxydierten, uralten Messer daraus zu befreien. Der betörende Duft der beiden getoasteten Scheiben wehte ihm geradezu höhnisch um die Nase während er sich noch immer mit dieser verfluchten Lade abmühte und schließlich beschloss der junge Russe, dass es Zeit für drastischere Maßnahmen war. Dem Hunger sei Dank machte es ihm nichts aus mit den Fingern zum Glasboden hinab zu langen und die begehrte Mayonaise nun per Hand auf diesen vor ihm befindlichen, goldbraunen Schmuckstücken zu verteilen. Derweil zog er mit der freien Hand bereits die Plastikverpackung der begehrten Wurst ein Stück weit auf, griff sich einige Scheiben heraus und warf sie auf den bereits geschmierten Toast. Nur einen Augenblick später war die Gourmetmahlzeit angerichtet. Angeblich essen die Augen ja mit. Seine schienen beim Anblick der vor fett nur so triefenden Sandwhiches nicht wirklich hungrig. Sei's drum, ihn tangierte das im Moment sowieso nur peripher.

Hastig drehte er den Wasserhahn zu seiner linken auf, wartete kurz bis sich die bräunliche Tönung des Wassers in ein helles gelb verwandelt hatte und wusch sich die klebringen Flossen. Nur einen Augenblick später machte er sich - den Teller in der Hand - daran die Küche zu verlassen. Zu dumm, dass er zuerst das Licht gelöscht und sich dann zwischen der Anrichte und den wie immer nicht an ihrem angestammten Platz stehenden Stühlen hindurchgezwängt hatte.
 

Endlich im kleinen Wohnzimmer angekommen verpasste er dem hießigen Lichtschalter einen gezielten Ellbogencheck, entdeckte seinen nichtsnutzigen Mitbewohner auf der kleinen Ledersofa und raffte mit der freien Hand das zu seinen Füßen liegene Kissen auf. Mehr oder weniger zufrieden mit sich und der Welt trat er einige Schritte in den Raum hinein, platzierte seinen "vier Stunden nach Mitternachtssnack" auf dem kleinen Couchtisch und ließ sich in den grünen Fernsehsessel fallen. Hastig schlang er das erste der mitgebrachten, selbstgemachten und im Moment mehr als nur wohlschmeckenden Brote herunter. Wie praktisch, dass er kaum das er saß auch schon die Fernbedienung zwischen Armlehne und Sitzkissen aufgespürt hatte. Ein Klick, ein Blick und ein erneutes Seufzen. Schneegestöber. Den Fernseher zu hypnotisieren schied also aus den unzähligen im zur Verfügung stehenden, nächtlichen Freizeitaktivitäten aus. Er nahm den ersten Bissen vom zweiten Brote. "Bliebe der schlafende Mitbewohner...", sprachs, wog das erst vor kurzem vom Boden errettete Kissen in seiner Hand und platzierte es mit einem gezielten Wurf auf dem rotbeschopften Hinterkopf zu seiner rechten. Ein leises Stöhnen folgte.

Und diesem dann die Fernbedienung.



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