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Rise above the Storm

von

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Yuri

Kapitel Zwei: Yuri

Ein Schlag auf den Hinterkopf und ein Ausruf des Schmerzes noch bevor er die Augen aufschlug. Der Sturm schien immernoch zu wüten. "Wach auf!", drang es dennoch an sein Ohr. Zurück kam ein charmantes "Fick dich!" seitens des Rotschopfs.

Grade erst hatte er sich aufgesetzt, da flog auch schon das nächste Wurfgeschoß auf ihn zu - gottlob es war ein Kissen. Ganz ähnlich demjenigen welches bereits zu seinen Füßen lag. Anscheinend hatte er bereits ein Attentat auf seinen Schönheitsschlaf überlebt. Ein kurzer Blick in das grinsende Gesicht seines Gegenübers, dann einer ins dunkel der Moskauer Nacht. Der Regen war stärker geworden, oder? Wieder wand er sich dem grauhaarigen zu, unterdrückte ein Gähnen und fasste nun den wieder laufenden Fernseher ins Auge.

"Kabelfernsehen! Wieso aufwachen?" Eine seiner Augenbrauen wanderte flugs in Richtung Haaransatz. Dann begann er damit sich den Sand aus den Augenwinkeln zu pulen und hätte dadurch beinahe die Antwort in Form eines ausgedehnten Schulterzuckens übersehen. Der junge Mann ihm gegenüber biss genüßlich, ja fast schon lasziv in sein Salami-Mayonaise Sandwhich. Kauend - einmal, zweimal, dreimal - betrachtete er den Rotschopf ihm gegenüber, schloss dann kurz die Augen - siebenmal, achtmal, neunmal - und antwortete schließlich mit halb vollem Mund. "Langeweile." Ein hübscher Anblick, diese weißen Zähne beschmiert mit einer gelborangen Mayosalamibrotmasse.

Dreizehnmal, vierzehnmal, fünfzehnmal. Der Rotschopf hatte in Gedanken mitgezählt. Wer weiß schon ob es daran lag, dass er grade erst aus seinem desynchronisierten Schlaf aufgewacht war, oder ob er sein feuriges Temperament im Zaum zu halten wusste. Funkstille. Vorerst.
 

"Was für ein wundervolles Beispiel plausiblen Denkens. Langeweile, Leute wecken, krieg ich den Rest?" Ein verschmitztes Lächeln schlich sich auf die Züge des aufgeweckten. Sollte der allte Graumann gefälligst Reue zeigen. Okay, zwar war er eigentlich der älteste hier, aber wen störte das schon. So genau wurde in diesem Haushalt noch nie gemeßen. Der vor Mayo und anderem Fett bekleckerte Teller schlitterte mit einem dieser typisch grässlichen Geräusche - Keramik auf Keramik - zu ihm herüber und kam Zentimeter genau am Tischrand zum stehen.

Zugegeben, elegant Essen ging anders, aber das kümmerte ihn im Moment herzlich wenig. Genau genommen sogar noch weniger als der dicke Klecks Mayonaise auf der schwarzen Ledercouch. Ups.

Der erste Bissen war bereits unten, als sein Gegenüber sich erhob und kopfschüttelnd auf eine der beiden Türen auf der anderen Seite des Raumes zutrat. Der rothaarige sah abwechselnd seinem Mitbewohner nach und seinen Fernseher an. Er hätte schwören können, dass soeben das Wort Schwein gefallen war. Nur wo?

Ein kräftiger Windstoß erfasste die halb heruntergelassenen Rolläden des kleinen Wohnzimmers. Rissen und zerrten an den braunen Lamellen, bis sie furchteinflößend knarzten und knackten. Weltuntergangsstimmung eben. Wars bei Lukianenko nicht ähnlich? Er schmunzelte. Ein Buch lesen, wann hatte er das letzte Mal Zeit gehabt? Okay, Lust gehabt. Just in diesem Moment kehrte der Graumann - wie passend - nun mit einer grauen Trainingshose bekleidet zurück. Fuhr sich mit seiner Hand durch die zu allen Seiten abstehenden Haare und wand sich prompt einem der großen, alten und demnach auch schlecht isolierten Fenstern zu.
 

Noch immer hatte der Regen nicht nachgelassen. War der Wind nicht abgeflacht. Ganz im Gegenteil, Blitz und Donner schienen näher heran gekommen, stärker geworden zu sein. Beide blickten sie fasziniert durch das schmutzige Glas nach draußen, folgten den weißen, gelben und blauen Lichtsträngen die überall niedergingen. Doch während sein Gegenüber sich bereits nach einigen Augenblicken wieder abwand, blieb er auf dem schwarzen Sofa mit dem weißen Mayonaisepunkt sitzen. Leicht nach vorn gebeugt, wie gebannt von diesem Schauspiel von Schönheit und Zerstörungskraft. Seine Finger suchten und fanden den letzten, mickrigen Rest des Sandwhiches. Wie ging das doch gleich in der Werbung? So klein und schön und lecker und Rund - egal, mit einem Haps da wars im Mund.

Ganz ähnlich dem Käse, war auch Mayonaise erst nach der Reifung genießbar. Wenn sich Fett und Masse getrennt, in zwei Schichten aufgeteilt hatten. Sein Mitbewohner hatte ein Händchen für sowas. Speisen grade so lange aufzubewahren, bis sie ihren optimalen Geschmack entfalten und zu solch einer Gourmetmahlzeit werden würden.

Und wenn man vom Teufel spricht, taucht er auch meistens auf. So auch der besagter Mitbewohner, die Umhängetasche in der einen, ein kleines Päckchen in der anderen Hand.
 

Während der sich erneut im grünen Fernsehsessel niederließ, leckte sich der Rotschopf genüßlich die Finger. Sogar den letzten Rest der milchig weißen Fettbrühe hatte er vom Teller gekratzt. Nun saß er, den Kopf im Nacken breitbeinig und halb in die Decke eingewickelt auf dem Sofa und ließ ein durch und durch zufriedenes Stöhnen erklingen. "Zigarette danach?" Er wartete nicht mal ab, bevor er dem kleinen Gourmet die Schachtel an den Kopf warf. Obwohl der ja eigentlich ein Paar Zentimeter größer war. Der amüsante Unterton in seiner Stimme entging dem anderen dabei keinesfalls. Genausowenig wie das Fernsehbild, das langsam an Klarheit zu nahm. Der Sturm schien nun in den letzten Zügen.

Geschickt fischte er einen der dünnen Glimmstängel aus der Packung, schob ihn sich zwischen die blassen Lippen und sandte sie postum - retour - zu ihrem Besitzer. Auch dieser nahm sich einen der Lungentorpedos.

Auch Lungenzüge haben mal ein Ende?



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