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All the Wrong Reasons

... are they the Right Decisions?
von

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Zusammentreffen zweier Ansichten

Der Wagen wurde langsamer und Shaelyn sah sich aufmerksam um. Riesige Gebäude säumten sich in die Höhe. Es war ein Apartmentblock. Diese Tatsache machte sie mehr als stutzig. Denn hatte sie mit einem großen Haus, ja schon einer Villa, gerechnet. Oder einem großen luxuriösem Hochhaus, in denen sich riesige Eigentumswohnungen befanden. Das was sie allerdings erblickte war mehr als kläglich. Man sah ihr ihre Verblüffung genau an, weshalb sie aus der Fensterscheibe starrte. Bizarr, was sich gerade abspielte. Es passte einfach nicht, alleine der Vergleich mit diesem teuren Auto. Sie wollte sich nicht beklagen, nur schien es so absurd. Viele Fragen rauschten augenblicklich durch ihren Kopf.

Watari stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen. Nur um danach seiner Enkelin die Autotür zu öffnen. Man sah ihr an, dass sie verwirrt war. Dies alles würde aber bald geklärt sein, zumindest ein Teil. Er hielt ihr beim Aufstellen der Tür freundlich die Hand entgegen, welche sie ergriff.

Die Hand von ihrem Großvater war warm, was sehr angenehm war, denn kalt war ihr schon die ganze Zeit gewesen. Im Auto hatte eigentlich eine gute Temperatur geherrscht, es hätte aber auch der höchste Sommer sein können und doch würde sie frieren. Der Körperkontakt allerdings war ein wohliges Gefühl. Es lag einfach daran, dass ihr Herz so schmerzte.

Sie stieg aus dem Wagen und zog dabei ihren kleinen Rucksack mit. Der winzige Rest den sie besaß. Watari schloss die Türe und wandte sich an sie. Es war trotz dem schwachen Abendlichts sein freundliches Gesicht zu erkennen. Denn die Laternen der Straßen hatten bereits schon begonnen zu leuchten, wodurch der Schnee, welcher auf den Straßen lag, leicht funkelte.

„Ich werde eben den Wagen wegfahren, bitte warte hier. Wir werden dann gemeinsam hinauf gehen.“ Seine Worte waren ruhig und man sah wie die kalte Luft sofort auf seinen warmen Atem traf. Shaelyn nickte still. Es brachte sie zum Nachdenken. Er parkte den Wagen also nicht vor dem Gebäude. Wollte er den offensichtlichen Reichtum verbergen? Wahrscheinlich, so musste es sein. Watari wandte sich um und stieg in den Wagen. Kurz darauf fuhr er schon in eine kleine Seitengasse.

Indessen ließ Shaelyn ihren Blick durch die Gegend schweifen. Es sah ziemlich ärmlich aus; überall säumten sich größere Gebäude, die eindeutig nur für den Zweck gebaut wurden um darin sein tristes Leben zu führen. Sie bemerkte wie eine Schneeflocke sich auf ihrer kleinen Nase niederließ. Ein Blick, in den immer dunkel werdenden Himmel, verriet ihr, dass es erneut begonnen hatte zu schneien. Langsam hob sie ihre Hand an und öffnete diese. Die weiße Pracht traf auf ihre Haut, woraufhin die kleinen Eiskristalle schmolzen.

Still betrachtete sie die Flocken. In ihrem Kopf herrschte eine Leere. Krampfhaft versuchte sie an einige schöne Erinnerungen festzuhalten. Leider brachte es kaum etwas. Die wunderbaren Momente wurden allerdings zurück gedrängt. Die Unsicherheit wog über, wusste sie einfach nicht was nun folgen würde. Wer war dieser Unbekannte? Da sie nun den Apartmentblock gesehen hatte, glaubte sie nicht daran, dass sich viel Platz darin befand. Somit müsste sie sich doch mit diesem Fremden auseinander setzten. Was dachte sich ihr Großvater dabei? War dieser Fremde wirklich ungefährlich? Sie hoffte inständig, dass dieser wenigstens normal wäre. Oder ebenso freundlich wie ihr Großvater. Vielleicht war es auch jemand aus dem Waisenhaus?

Sie blickte zum Gebäude hinauf. Wenn es jemand aus dem Waisenhaus war, dann war dieser jemand sicher nicht normal. Ein Schauder fuhr ihr durch den Körper, umgehend musste sie an diesen kleinen Jungen denken, mit diesen weißen Haaren. Er war wirklich nicht normal gewesen, ziemlich unheimlich sogar. Der Blick war starr gewesen und dieser abschätzende Blick, dann diese Sitzposition. Sie wollte nicht weiter nachdenken. Noch hatte sie keinen blassen Schimmer auf was sie wirklich stoßen würde... Mit sehr viel Spannung wartete sie auf Watari. Der auch endlich aus der Seitengasse heraus kam, mit einem Handy an seinem Ohr. Mit wem telefonierte er denn jetzt?

Ihr Großvater kam zu ihr und legte währenddessen auf, sodass sie nichts von allem mitgehört hatte. Neugierig wie sie war, konnte sie es nicht für sich belassen: „Darf ich fragen... wer das war?“ Ein Lächeln legte sich auf die Lippen des Alten. „Ich habe uns angekündigt.“, folgte es nett, woraufhin sie überrascht die Augenbrauen hob. Ankündigen?War das nötig?

Der Grauhaarige nickte ihr zu. Es war wohl ein Zeichen zu folgen, das tat sie auch, wenn auch mit einer verwirrten Mine. Mit sehr gemischten Gefühlen betrat sie den Eingangsbereich. Die Stille war nun fast unerträglich, so fand sie. Eindeutig war es bedrückend. Und die Anspannung stieg weiter. Shaelyn konnte schon ihr Herz laut klopfen hören. Als ob gleich etwas folgen würde, was das zu Recht verursachen sollte. Konnte man das Vorahnung nennen? Es würde sich heraus stellen, ob diese Ahnung recht behielt.

„Die Wohnung befindet sich im elften Stock, leider gibt es hier keinen Aufzug. Daher müssen wir also die Treppen benutzen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.“ Seine Stimme brach das Schweigen. Ihr kurzes Kopfschütteln zeigte Watari, dass sie wohl nichts dagegen hatte. Sogleich machten sie sich auf den Weg die unzähligen Treppen hinauf.

Während sie ihm die Treppen hinauf folgte, sah sie sich dabei genau um. Es war doch recht schmutzig, viel geputzt wurde schon mal im Treppenhaus nicht. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor als sie endlich im richtigen Stockwerk ankamen, was zugleich auch in diesem Gebäude das Letzte war. Kurz musste sie jedoch schnaufen. So viele Treppen war sie nicht unbedingt gewohnt, allerdings schien es für ihren Großvater alltäglich. Erstaunlich, wie fit er für sein Alter anscheinend noch war. Er war wohl viel unterwegs.

Watari blieb vor einer unscheinbaren Tür stehen, worauf er einen Schlüssel aus der Hosentasche zog. Das Schloss klackte, woraufhin er auch schon eintrat. Ein seltsames Gefühl in ihrer Magengegend machte sich breit. Die Aufregung stand ihr buchstäblich im Gesicht geschrieben: Immerhin würde sie in dieser Wohnung ein paar Tage schlafen, bis sie eine eigene bekam, noch dazu mit einem Fremden. Erneut kamen Fragen auf. Wie alt wäre dieser denn?

Die Neugierde packte sie erneut. Es war alles so neu, das es einfach nicht zu glauben war. In den letzten Tagen hatte sich soviel verändert. Eine Nacht über diese Eindrücke schlafen würde mit Sicherheit gut tun.

Als sie in den Flur trat war niemand zu sehen. Sofort glitt ihr Blick auf die Möbelstücke, wenn denn wenigstens welche da gewesen wären. Es war doch recht spärlich, nur ein kleiner Ständer, woran man seine Jacke hängen konnte. Sie hoffte, dass nur der Flur so wenig möbliert war. Watari nahm seinen Hut ab und zog seinen Mantel aus, unterdessen schloss Shaelyn die Türe leise hinter sich. Als sie sich umdrehte stand ihr Großvater vor ihr. „Darf ich dir deinen Mantel abnehmen?“ Wieder einmal überrascht zog sie eine Augenbraue hoch. Er hatte wirklich sehr gute Manieren. Sogleich nickte sie schwach.

Als er den Mantel aufgehangen hatte wandte er sich erneut an sie. „Ich zeige dir nun dein Zimmer für die nächsten Tage.“ Das freundliche Lächeln war einfach immer da. Shaelyn nickte schwach auf seine Worte hin. Direkt ging Watari den Flur hinunter und sie folgte still. Mit sehr viel Interesse betrachtete die junge Frau alles. Dann liefen sie an einer offenstehenden Tür vorbei, wo die Schwarzhaarige direkt hindurch blickte. Leider konnte man in diesem Raum nichts erkennen. Es war praktisch stockfinster. Da die Sonne bereits ganz untergegangen war und darin kein Licht brannte.

Plötzlich setzte ihr Herz einen Moment aus, überschlug sich schon im nächsten Augenblick. Ganz klar, da hatte sich etwas bewegt! Das war ihr absolut nicht geheuer. Automatisch beschleunigten sich ihre Schritte. Es war ihr, als ob sie beobachtet wurde. Eine Gänsehaut jagte ihr augenblicklich über dem Rücken. Ein sehr beklemmendes Gefühl beschlich sie. Und eine böse Vorahnung.

Endlich, so fand sie, blieb Watari stehen. Shaelyn schaute auf die Tür, die sogleich geöffnet wurde. Watari schaltete das Licht ein und trat zur Seite, allerdings ehe sie in das Zimmer ging, blickte sie nochmal über ihre Schulter. „Keine Angst.“ Die sanften Worte Wataris ließen sie wieder nach Vorn blicken. „Hier gibt es nichts wovor du dich fürchten musst.“ Nicht ganz überzeugt, bildeten sich tiefe Falten auf ihrer Stirn. Ganz sicher war sie sich da nicht. Und schon jetzt schien es so, als würden ihre schlimmen Befürchtungen wahr werden. Wer hockte schon in kompletter Finsternis und beobachtete im Stillen was vor sich ging? Es konnte ja nur der Fremde sein.

„Sieh dich ruhig um,...“ Der alte Mann deutete mit einer kleinen Handbewegung in ihr Zimmer, sodass sie aus Reflex dem folgte. „allerdings musst du entschuldigen, dass sich so wenig darin befindet.“ Er hatte Recht. Viel war darin nicht und man nahm den Geruch frischer Möbel wahr. „Ich hoffe es genügt so. Leider muss ich mich nun um einige andere Dinge kümmern.“ Shaelyn nickte ihm zu, dieser machte eine kleine Verbeugung und ging den Gang hinunter. Sie sah wie er in den dunklen Raum trat, der ihr vorher sehr unangenehme Gedanken beschert hatte.

Schnell trat sie ein und schloss die Tür, da das unangenehme Gefühl stieg weiter an. Ein Seufzer entfuhr ihrer Kehle. Es fing ja alles schon einmal gut an. Würde sie hier in Ruhe schlafen können? Die Erinnerung an den seltsamen Jungen kam wieder. Umgehend erstarrte sie. Wenn er genauso war? Und hatte er denn einen Grund um sich versteckt zu halten? Abstruse Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Was wenn er allen Grund hatte sein Äußeres zu verbergen?

Shaelyn verzog ihr Gesicht und biss sich auf ihre Unterlippe. Eigentlich verunsicherte sie wenig. Aber das gerade eben war klar ein Fall für sich. Natürlich war die Angst da. Wer verhielt sich schon so und so jemanden hatte sie in ihrer Nähe. Ihr Großvater war zwar sehr nett, dennoch half es ihr wenig. Shaelyn ließ ihre Schultern hängen und setzte sich auf ihr Doppelbett, dabei legte sie ihren Rucksack neben sich. Scharf sog sie die Luft ein und atmete ruhig aus. Es half ein wenig sich zu beruhigen. Dies ließ sie müde werden. Der ganze Tag hatte an ihren Kräften gezerrt. Es war noch sehr früh, doch trotzdem war sie erschöpft. Sie legte sich einfach auf das Bett und schloss ihre Augen. Nichts, an gar nichts wollte sie denken. Es war ihr egal ob das Licht noch an war, oder ob sie ihr schwarzes Kleid noch trug. Hauptsache sie würde sich erholen, oder endlich aus diesem grausamen Traum erwachen. Langsam driftete Shaelyn in einen unruhigen Schlaf.
 

Durch ein Klopfen an der Tür wurde sie langsam wach. Konfus blinzelte sie einige Male. Den Raum kannte sie gar nicht. Wo war sie hier? Außerdem, warum war das Licht an? Dann aber fiel es ihr wieder ein. Es war wie ein harter Schlag in die Magengrube.

Das war das vorübergehende Zimmer in dem sie wohnen würde. Offensichtlich war sie auf dem weichen Bett eingeschlafen. Wie viel Zeit war vergangen? Erneut war das Klopfen zu hören, was sie nun veranlasste sich aufzurichten. Es war bitter kalt im Raum, weshalb sie sich an den Oberarmen fasste und diese rieb. „...Ja?!“, rief sie zögerlich. Shaelyn blickte auf die Tür und sah kurz darauf wie die Türklinke herunter gedrückt wurde. Sofort spannte sich ihr gesamter Körper an. War es ihr Großvater, oder doch der Fremde, der sich nun Vorstellen wollte? Unbewusst hielt sie ihren Atem an.

Die Türe schwang gemächlich auf und zum Vorschein kam ihr Großvater. Augenblicklich atmete sie erleichtert aus. Er sah sie freundlich an und trat einen Schritt in das Zimmer. Ihr Blick war fragend. Was wollte er denn? „Ich habe Essen angerichtet. Möchtest du nicht etwas zu dir nehmen?“ Die Stimme war sehr angenehm, sie strahlte eine gewisse Wärme aus. Shaelyn sah ihrem Großvater in die Augen, schien sie zu überlegen. Hunger hatte sie eigentlich nicht, das hatte sich nicht geändert. „Außerdem möchte ich dir bei diesem Anlass den jungen Herren Vorstellen.“ Sie sah Watari erstaunt an. In diesem Falle würde sie nicht Ablehnen. Schließlich wollte sie wissen mit wem sie die nächste Zeit verbringen würde. Sagte er aber junger Herr? Bedeutete das, dass er vielleicht in dem selben Alter wie sie war? Dies war nur verwirrender. Warum sollte so ein junger Mann bei ihm wohnen, wenn er nicht Verwandt wäre. Oder steckte hinter der ganzen Sache mehr als vermutet? Die Sache wurde irgendwie immer Mysteriöser.

Shaelyn war neugierig, eindeutig, und es war zweifelsfrei eine schlechte Eigenschaft. Sie wollte es wissen, daher nickte sie schwach. Ablenkung war gut zu gebrauchen, nichts wollte sie lieber als alles vergessen. Das Bett gab leicht nach als sie aufstand, anschließend ging sie zur Tür. Augenblicklich erfasste sie eine Aufregung. Hoffentlich war er wenigstens nett. Sie strich sich ihr Kleid gerade und folgte ihrem Großvater den Gang hinunter. In das Zimmer, das vorher dunkel war, war es nun erhellt. Der Weg führte sie klar in diesen Raum. Auf wen würde sie treffen?

Watari betrat das Zimmer als erstes, kurz darauf bog auch Shaelyn durch die Tür. Starkes Herzklopfen machte sich bemerkbar; diese Aufregung brachte sie ganz durcheinander. War es normal? Wahrscheinlich, denn sie würde ja zwangsweise mit diesem Menschen Zeit verbringen. Außerdem machte alles den Anschein als würde es geheim wirken, dies trug nur weiter dazu bei. Shaelyn war wissbegierig darauf wer es denn so wichtiges war. Sie hob ihren Blick, nachdem sie durch die Tür ging. Sie konnte niemanden ausmachen, jedoch als sie sich weiter umsah, erblickte sie jemanden - oder doch besser etwas, auf einem Stuhl hocken.

Sofort verkrampfte sie sich. Ihr Herz war ihr augenblicklich in die Hose gerutscht. Ihr blieb buchstäblich die Spucke weg. Große runde Augen starrten sie an, die fast schwarz erschienen. Ein stechender Blick, der ihre Gedanken davon fegte und sie es ein wenig mit der Angst zu tun bekam. Sein rabenschwarzes Haar stand wirr in alle Richtungen vom Kopf ab, hing ihm auch in Strähnen vor dem Gesicht, welches leichenblass war. Die düstere Erscheinung wurde von seinen dunklen Rändern unter den Augen weiter untermalt. Und das Nächste was sich in ihren Kopf brannte war seine Sitzhaltung. Er hockte mehr auf dem Stuhl, als das er sitzen würde, zudem mit nackten Füßen. Der erste Gedanke der ihr durch den Kopf schoss war, wie verwahrlost er doch aussah, denn seine Kleidung sah nicht sehr gepflegt aus, da überall Fransen zu sehen waren und auch ein paar Einrisse. Trug er eine weite Jeans, die einen verwaschenen Eindruck machte, und in das weiße Longshirt hätte er mit Sicherheit zwei Mal hinein gepasst.

Der starre Blick mit dem er sie ansah, verursachte einen heftigen Schauder. Und sie dachte schon der Junge, den sie im Waisenhaus gesehen hatte, war seltsam. Doch der sich dort erhob vom Stuhl war das Schlimmste was sie sich hatte Vorgestellt, nein, nicht einmal so hatte sie sich das Schlimmste ausgemalt. Mit einem ausdruckslosem Gesicht kam er ihr immer näher, dabei legte er seinen Zeigefinger an seine Unterlippe. Es wirkte als ob er sie genau mit seinem leeren schwarzen Augen musterte. Ein abschätzender Blick. Shaelyn wagte es nicht einmal laut zu atmen.

War das von ihrem Großvater wirklich ernst gemeint? Sollte sie tatsächlich mit diesem Kerl zusammen wohnen? Der sah nicht sehr vertrauenswürdig aus, geschweige denn nett.

Sie verkrampfte sich immer mehr als er auf sie zu kam. Jetzt bemerkte sie auch seine kuriose Körperhaltung. Er ging gebückt und mit seinem durchdringenden Blick auf sie zu. Sie war unfähig etwas zu sagen, es machte sie sprachlos. Hastig schnappte sie nach Luft. Hatte sie aufgehört zu atmen? War es die Angst? Sollte sie denn Angst vor ihm haben? Watari hatte ihr gesagt er würde sich still verhalten. So sah er auch aus, sein Gesichtsausdruck war immer noch völlig ausdruckslos gleichsam er knapp vor ihr zum Halt kam.

Ihr Herz raste förmlich, dieser Kerl machte ihr eindeutig Angst. Seine ganze Aura schien unheimlich zu sein, dazu diese nichts sagende Mimik. „Ich bin Rue Ryuzaki. Aber nenne mich doch bitte Ryuzaki.“ Eine dunkle Stimme kam über seine fahlen Lippen, die jedoch ruhig klang und ehe er im gleichen nüchternen Tonfall fortfuhr, nahm er den Finger von seiner Unterlippe: „Deine Wohnung wird in wenigen Tagen bezugsfertig sein, bis dahin, werden wir uns diese Wohnung teilen müssen.“

Sie blinzelte nur einige Male und nickte daraufhin rasch. Allerdings fiel ihr gleich weiteres auf: Hatte er sie auch schon geduzt? Nun, sie war noch nicht einmal 17 Jahre alt und sie würde hier zusammen mit ihm wohnen, also war es keine schlechte Idee. Außerdem schien er auch nicht viel älter als sie zu sein, vermutlich vier Jahre oder sogar nur drei Jahre älter.

„Nimm doch bitte Platz ... und iss etwas.“ Er zeigte mit seiner Hand eine einladende Geste, damit machte er klar, dass sie sich setzen sollte. Vielleicht war er doch nicht so schlimm wie sie zuerst dachte. Das hoffte sie zumindest inständig. Shaelyn schluckte und nickte abermals. Irgendwie waren ihre Worte im Hals stecken geblieben. Die Höflichkeit aber zwang sie dazu wenigstens ihm ihren Namen zu nennen. Obwohl sie sich bereits denken konnte, dass ihr Großvater ihm diesen mitgeteilt hatte.

„Ich bin Shaelyn Suzuki.“, kam es doch sehr spärlich von ihr, dabei wich sie seinem Blick aus, der nun leicht skeptisch wirkte. Selbstverständlich wusste er bereits ihren Namen. Watari hatte die Güte besessen ihm den Namen der Person zu nennen, die bald mit ihm in einer Wohnung lebte. Weiterhin versuchte er sie mit seinem Blick einzuschätzen. Ihm war sofort aufgefallen, das sie verängstigt schien und ihm offensichtlich nicht zugetan war. Was ihn allerdings nicht weiter kümmerte. Solange sie ihn nicht störte, gab es keinen Grund sich weiter mit ihr zu befassen. Es war das Beste, sie in Ruhe zu lassen. Somit drehte er sich in einer Bewegung um und setzte sich in gewohnter Haltung auf den Stuhl, dabei beobachtete er genau was sie tat. Zögerlich nahm sie auf dem Stuhl gegenüber platz. Ihr Blick huschte über den angerichteten Tisch. Dieser war mit zahlreichen Süßigkeiten sowie auch einigen normalen Gerichten gedeckt. Er konnte deutlich die Neugierde wahrnehmen, dennoch schien sie sich sehr zurück zu halten. Doch entging seinen dunklen Augen nicht, dass ihr Blick für einen Augenblick auf den Keksen fixiert war. Nachdem sie wohl genügend das Gebäck betrachtet hatte, richtete sie ihren scheuen Blick auf ihn, woraufhin sich ihre Blicke kreuzten. Ihre Anspannung stieg spürbar.

Unbekümmert hob er von seiner Knie eine Hand um sich kurz darauf am Essen zu bedienen. Unbedingt gewohnt war er es nicht an einem Tisch zu sitzen, alleine für den Zweck um etwas Nahrung zu sich zu nehmen. Doch Watari hatte ihn darum gebeten, damit er Shaelyn Kennenlernen würde. Selten gab es solche Momente, in denen Watari ihn um einen Gefallen gebeten hatte. Es war nichts großartiges, somit willigte er schlussendlich ein. Jedoch musste er sich eingestehen, dass es sehr unhöflich gewesen wäre, dies nicht zu tun. Einen weiteren Grund gab es auch, denn die Neugierde siegte. Ryuzaki musste wissen mit wem er die nächste Zeit verbringen würde und sei es nur ein flüchtiger Kontakt. Es war wichtig sie kennenzulernen, da sie sich in seiner Nähe aufhielt. Es würde sich also noch zeigen, ob man ihr vertrauen konnte, war es von einer großen Bedeutung. Nun, ohnehin würde er ihr nicht mitteilen was für einer Tätigkeit er nach kam, dennoch brachte sie eine Gefahr mit. Die Gefahr seiner Enttarnung. Wäre die Wahrscheinlichkeit zu groß gewesen, hätte er es Watari nicht erlaubt. Somit befand sich alles im normalen Rahmen.

Die dunklen großen Augen irritierten sie, denn sie waren immer noch auf sie gerichtet. Ununterbrochen stierte er zu ihr, machte es ihm anscheinend rein gar nichts aus sie so zu verunsichern. Leicht begann ihr Körper zu zittern, was signalisierte, wie unheimlich ihr das alles war. Auch als er sich einen Donut nahm, wandte er sich nicht ab. Es sah so aus als lauerte er. Auf was?

Sie versuchte Körperbeherrschung zu zeigen und riss sich zusammen, denn diesen Kerl würde sie das nächste Jahr sehen. Außerdem bestand doch nicht wirklich Grund zur Sorge, oder doch? Unweigerlich musste sie schlucken. Aber sie würde sich nicht geschlagen geben, eindeutig nicht!

Die Stimme ihres Großvaters riss sie aus den Gedanken und auch der Blickkontakt mit Ryuzaki brach ab, diesem sie standgehalten hatte. „Möchtest du nichts essen? Oder hast du einen bestimmen Wunsch?“ Watari war neben ihr getreten und lächelte freundlich. Einige Sekunden vergingen bevor sie langsam begann den Kopf zu schütteln.

„Du kannst dich ruhig an den Keksen bedienen.“, mischte sich umgehend Ryuzaki ein. Shaelyn zuckte zusammen und erstarrte direkt danach. Er hatte den Blick auf den Keksen bemerkt? Dabei war es mehr als nur kurzzeitig. Er schien ihr immer gruseliger zu werden. Die Tatsache, sie wurde so genau beobachtet war ihr unangenehm, gerade so wie ein Verbrecher, der jeden Moment zuschlagen könnte. Das war alarmierend.

Sie blickte vor sich auf den leeren Teller, um ihre Aufregung zu lindern. Unangenehm war nicht mehr im geringsten das richtige Wort für das was sie gerade empfand. War das auch wirklich alles real? Das konnte es doch nicht sein, nein, es war garantiert nicht echt, was sich hier alles abspielte. Noch immer spürte sie den durchdringenden Blick auf sich. Heute Nacht würde sie eindeutig die Tür abschließen. Denn ihr, sozusagen, Mitbewohner war ihr absolut nicht sympathisch, gerade zu erschreckend. Bestimmt war er auch ein Perverser, so wie er aussah. Würde das Wort Freak auch passen? Ja mit Sicherheit, den durfte man wirklich nicht auf die Öffentlichkeit loslassen. Schon jetzt war ihm gegenüber eine große Abneigung.

„Ich bin müde, darf ich in mein Zimmer?“ Die Stimme war unsicher und leise, sie hatte sich zu Watari gewandt. Dieser blickte sie besorgt an. „Du hast doch noch nichts gegessen.“, offenbarte er umgehend. „Ich habe keinen Hunger, danke.“, erwiderte sie sofort matt, gleichsam sie aufstand und der Stuhl geräuschvoll über dem Boden rutschte. Sie musste einfach aus diesem Raum. Sie fühlte sich schon mies genug, da musste der komische Freak nicht noch mehr dafür sorgen, dass es ihr noch schlechter ging. Ihr Großvater allerdings war wirklich sehr nett, außerdem sah sie die Besorgnis in seinen Augen. Bevor sie den Raum verließ, legte sich ein sehr kleines Lächeln auf ihre Lippen und drehte ihren Kopf zu ihm. „Vielen dank trotz allem wegen der Mühe, Großvater.“ Mit diesen Worten verließ sie fast fluchtartig den Raum. Ryuzakis schwarze Pupillen verfolgten sie genau, dabei bewegte er verstärkt seine Zehen. Nun neigte er den Kopf etwas zur Seite, woraufhin er den alten Herren anblickte.

Ein paar Sekunden verstrichen, in denen nichts geschah, jedoch legte er seinen Kopf ein wenig schief. Es war eindeutig nicht so verlaufen, wie es ursprünglich geplant war. Offensichtlich war sie aufgrund seiner Anwesenheit sehr beunruhigt gewesen. Ryuzaki führte seinen rechten Daumen an die Unterlippe, an dem er gleich kaute. Ihm stellte sich eine Frage: Hatte er sie so verschreckt? Es war nicht wichtig, daher verwarf er diesen Gedanken schnell wieder. Sein Vertrauter schien aber nicht sehr glücklich zu sein, die Sorge stand ihm offensichtlich im Gesicht geschrieben. Warum sorgte er sich so stark um sie? Sie schien geistig klar zu sein, nun das sie dünn war, fiel ihm natürlich auf, jedoch noch nicht so stark, dass es besorgniserregend war. Zumindest für seine Ansicht.

„Um was sorgen Sie sich, Watari?“, fragte auch gleich der Schwarzhaarige, der sich nun ganz dem gedeckten Tisch widmete. „Sie hatte seit mehr als fünf Tagen nichts mehr an Essen zu sich genommen.“ Der alte Mann trat an den Tisch heran, währenddessen griff Ryuzaki zu der Schale mit Keksen, um einige der Leckereien heraus zu nehmen. Die er auch gleich darauf vergnüglich verspeiste. „Hm...“, folgte es nachdenklich von ihm, als er weiter Kekse an einem Keks knabberte. Das war allerdings besorgniserregend, dabei starrte er auf das Gebäck, welches sie kurzzeitig angesehen hatte.
 

Grauenhaft! Es war einfach grauenhaft. Mit diesem komischen Kerl wollte sie nicht einmal 24 Stunden unter einem Dach leben. Geschweige denn in einer Wohnung. Sie schloss die Tür, noch immer sichtlich erschrocken, hinter sich als sie das Zimmer betreten hatte. Sofort lehnte sie sich an die Tür, dabei biss sie sich auf die Unterlippe. Wohl fühlte sie sich überhaupt nicht. Ein paar Mal holte sie tief Luft, wiederholte das Ganze eine Zeitlang, bevor sie sich auf ihr Bett setzte. Was sollte sie nun tun? Weglaufen wäre eine schlechte Idee, wo sollte sie schon hin? Sie hatte nur ihren Großvater und dieser lebte anscheinend mit diesem seltsamen Typen zusammen. Ein lauter Seufzer erfüllte den Raum. Das Bett knarrte leise als sie sich mit dem Rücken darauf fallen ließ. Wie spät war es eigentlich? Dunkel war es schon als sie hier ankam. Dies sagte aber nichts aus, denn es war immerhin schon Dezember.

Der Blick glitt durchs Zimmer während sie sich aufsetzte. Nirgendwo war eine Uhr zu finden, allgemein war der Raum sehr dürftig eingerichtet. Lediglich das Bett, einen kleinen Schrank und ein kleiner Schreibtisch mit einem Stuhl davor. Die Einrichtung reichte vollkommen aus, nur das keine Uhr zu finden war, die ihr verriet wie spät es denn nun sei, verärgerte sie leicht. Raus gehen würde sie mit Sicherheit nicht mehr, so wenig wie möglich wollte sie ihrem Mitbewohner begegnen. Also beschloss sie, sich wieder schlafen zu legen. Was anderes konnte sie auch nicht machen, sie hatte nichts dabei und das Zimmer zu verlassen kam nun mal nicht in Frage.

So zog sie sich ihr Kleid aus, kramte aus ihrer Tasche ihr Nachthemd, zog dieses kurzerhand über und schaltete das Licht aus. Gerade nachdem sie das Licht ausschaltete hörte sie im Gang eine Bewegung, sofort schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Wer war das? Es war ohnehin egal, denn abgeschlossen war es sowieso und der Schlüssel steckte im Schloss. Die Schritte machten vor ihrem Zimmer halt. Unbewusst hielt sie den Atem an. Shaelyn schreckte hoch, auch wenn es schon längst klar war, dass ein Klopfen folgen würde.

„Ja,...?“ Die Nervosität war nicht zu überhören und ihr Herz pochte wild. Immerhin stand sie im Nachthemd im Zimmer, das sie so jemand sah gefiel ihr überhaupt nicht, vor allem wenn es dieser Ryuzaki war. Die Klinke wurde hinunter gedrückt, was sie hören konnte. Es war dunkel im Zimmer, somit konnte man nichts sehen. Nichts Geschah, für einen Moment. „Bitte schließe die Tür auf, ich möchte dir noch etwas mit in das Zimmer geben.“ Es war die Stimme ihres Großvaters. Eine Erleichterung machte sich augenblicklich in ihr breit. Sogleich schloss sie die Tür auf, die auch sofort knarrte als sie diese aufzog. Kurz war sie geblendet vom Licht, welches aus dem Flur in ihren Raum fiel. Die Augen gewöhnten sich schnell an die Helligkeit und vor ihr stand, wie erwartet, ihr Großvater, allerdings mit einer Schale in der Hand. Shaelyn staunte nicht schlecht, die Schale war gefüllt mit Keksen. Gebannt starrte sie auf das Gebäck. „Du solltest etwas essen Shaelyn. Ich lasse sie dir hier, bediene dich daran, wenn du Hunger bekommst.“ Sie wusste nicht warum aber diese Geste von ihrem Großvater war mehr als fürsorglich. Ein Lächeln schlich sich sofort auf ihre Lippen. Natürlich würde sie die Schale entgegennehmen.

„Vielen Dank,...“ Das war das Einzige was sie heraus brachte und auch die Schale in die Hände nahm. „Ich werde morgen wieder an deine Tür klopfen, wenn es Zeit ist für die Schule.“ Shaelyn nickte nur schwach zur Bestätigung. „Gut, dann wünsche ich dir eine gute Nacht.“ „Dir auch eine gute Nacht“, erwiderte sie sofort, was das Lächeln in dem Gesicht ihres Großvaters nur freundlicher werden ließ, wenn dies überhaupt möglich war. Shaelyn zog hinter sich die Türe zu, diese sie auch wieder verschloss. Für einen Moment lehnte sie sich an ihre Türe. Es war erneut dunkel im Raum aber den Geruch vom Gebäck war deutlich zu riechen. Zimt, Schokolade sogar ein wenig Lebkuchen lag in der Luft. Umgehend knurrte ihr Magen laut.

Sie machte sich, mit der Schale in den Händen, auf den Weg zum Bett. Das sie auch ohne Probleme fand, aber es gab sowieso nicht viel woran man sich hätte stoßen können. Als sie sich auf ihr Bett gesetzt hatte, nahm sie auch gleich den ersten Keks und aß ihn. Er schmeckte köstlich, somit war kein Seufzer zu unterdrücken. Die Schale leerte sich erstaunlicherweise sehr schnell. Dennoch geisterte ein Gedanke die ganze Zeit in ihrem Kopf herum.

Hatte Watari die Idee dazu ihr die Kekse zu bringen?

Was wäre wenn es Ryuzaki war. Immerhin war ihm aufgefallen, dass sie die Kekse so angesehen hatte. Schätzte sie ihn falsch ein? Sie schob schnell den Gedanken von sich. Unsinn! Ihr Großvater hatte es doch, nachdem Ryuzaki es angesprochen hatte, auch bemerkt, dass sie das Gebäck ansprechend fand. Dieser Freak hatte mit Sicherheit nichts damit zu tun, denn im Gegensatz zu ihm, war Watari sehr nett und höflich. Es lag also auf der Hand, dass es ihr Großvater war.

Sie stellte die leere Schale vorsichtig auf den Boden und legte sich auf ihr Bett. Sogleich kuschelte sie sich in die großen Decken. Es war kühl, auch wenn das Fenster geschlossen war. Die Wärme breitete sich schnell unter den Decken aus. Die Müdigkeit nahm immer mehr die Oberhand. Doch trotz allem, ein eigenartiges Gefühl befiel sie. Sie fühlte sich unsicher, denn die Zukunft versprach ihr nicht viel. Es war soviel passiert, was ihr komplettes Leben verändert hatte. Konnte es noch eine schöne Zukunft geben? Diese Hoffnung hatte sie aufgegeben. Und dann wurde ihr auch noch übel. Süßes auf einen lauen Magen bekam ihr wohl nicht. So setzte der Schlaf erst langsam ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Das_Bienchen
2010-01-13T09:36:06+00:00 13.01.2010 10:36
sehr spannend und L hast du wie immer
sehr schön beschrieben!
:DDD

freu mich schon aufs nächste
x3

lg
de debs
Von:  Shiza-Chan
2009-12-14T16:12:32+00:00 14.12.2009 17:12
Schönes Kapitel, bin mal gespannt wie es weitergeht
Bitte bald weiterschreiben :3


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