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Jenseits von Gut und Böse

~ Dean/Sam :'D
von

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Rote Augen

Eigentlich hatte er vorgehabt, das letzte Stück zum Motel zu laufen, doch schon auf halber Strecke hatte Sam seine Meinung geändert. Er hatte jetzt wirklich keine Lust darauf, Dean unter die Augen zu treten, zumal er das zu Ende bringen wollte, was er begonnen hatte: Den Dämon ausfindig machen, oder zumindest einen Hinweis finden, mit dem er seinem Bruder beweisen könnte, dass es sich bei diesem Artikel nicht nur um einen schlechten Scherz, sondern um eine übernatürliche Erscheinung handelte. Zwar hatte er nur eine handvoll Salz und ein Feuerzeug bei sich – die restlichen Waffen lagen auf dem Rücksitz oder im Kofferraum des Impala – doch das würde für den Anfang genügen müssen. Sam rechnete ohnehin nicht damit, auf die Gestalt höchstpersönlich zu treffen, immerhin war es erst später Nachmittag und bisher war sie immer nur in der Nacht zum 15. November erschienen. Es bestand also kein Grund zur Sorge.

Nachdem er etwa zehn Minuten zu Fuß gegangen war, war er von einem frisch verheirateten Ehepaar mitgenommen worden, das auf dem Weg in die Flitterwochen war. Sam war ihm dankbar, aber auch froh, als er am Ortsschild Point Pleasant wieder aussteigen konnte, da die Frau die gesamte Fahrt über ohne Unterlass geredet und der Mann zum Autoradio geträllert hatte, was man ungefähr mit dem Geräusch einer kaputten Kreissäge vergleichen konnte. Außerdem hatte das Auto – aus welchem Grund auch immer; er wollte es überhaupt nicht so genau wissen – ziemlich stark nach Kohl gerochen. Er hasste Kohl.

Die letzten zwei Kilometer zu seinem eigentlichen Zielort – die stillgelegte Sprengstofffabrik, in deren Nähe die Erscheinung erstmals 1966 gesehen worden war – legte er erneut zu Fuß zurück. Wenn es irgendwelche Spuren gab, dann würde er dort suchen müssen, da war sich Sam fast hundertprozentig sicher. Vermutlich handelte es sich bei der Gestalt um keinen traditionellen Dämon, sondern schlicht und ergreifend um einen ruhelosen Geist, der an einem 15. November ums Leben gekommen war und seither die Gegend in Angst und Schrecken versetzte. Zumindest ließen seine Nachforschungen im Internet darauf schließen.

Es dämmerte bereits, als er das Fabrikgelände erreichte und eisige Windböen ließen ihn frösteln. Warum in Gottes Namen mussten die meisten übernatürlichen Erscheinungen auch im Herbst oder Winter auftreten? Er machte sich eine gedankliche Notiz, dieser Sache irgendwann ebenfalls auf den Grund zu gehen, während er auf das zerfallene Gebäude zusteuerte. Wie erwartet war die Tür verschlossen und zusätzlich durch schwere Eisenketten und ein verrostetes Vorhängeschloss geschützt. Selbst mit dem passenden Schlüssel wäre das Eindringen geradezu ein Ding der Unmöglichkeit.

Auf der Suche nach einem Fenster, durch das er einsteigen könnte, machte Sam sich daran, die Fabrilhalle zu umrunden; vorerst ohne Erfolg. Sämtliche Fenster im Erdgeschoss waren entweder durch Panzerglas geschützt – mit Salz und einem Feuerzeug käme er da nicht sonderlich weit – und die, die es nicht waren, waren mit dicken Brettern vernagelt, um ungebetene Gäste fernzuhalten. Sam fluchte leise, doch dann hellte sich seine Miene schlagartig auf, als er am Ende der Halle ein Fenster bemerkte, dessen hölzerne Barrikade an den Seiten lose herunterhing. Volltreffer!

Er steuerte darauf zu und – hätte beinahe laut aufgeschrien, als direkt neben ihm aus einem Baum ein gellender Ruf ertönte. Er fuhr herum. Aus dem Geäst blitzten ihm zwei große, runde, orangerote Augen entgegen, dann raschelte es und die Eule erhob sich in die Luft. Sam atmete erleichtert auf. Kurz kam ihm der Gedanke, dass Dean mit seiner Sicht der Dinge vielleicht doch nicht ganz so falsch gelegen hatte, doch er verwarf ihn, noch bevor er ihn zu Ende gedacht hatte. Eine Eule saß garantiert nicht pünktlich an jedem 15. November auf der nahegelegenen Autobahnbrücke.
 

In der Fabrikhalle war es so dunkel, dass Sam kaum die Hand vor Augen erkennen konnte, da diese Seite des Gebäudes im Schatten lag und die Dunkelheit schneller hereingebrochen war, als er vermutet hatte. Unbeholfen kramte er seine Minitaschenlampe aus der Hosentasche und knipste sie an. Der schwache Lichtstrahl fiel auf den verstaubten Fußboden. Hier und da waren ein paar Dielen durchgebrochen – anscheinend hatte die Halle einen tiefer gelegten Kellerraum. Es roch nach abgestandener Luft und verrostetem Eisen, was wahrscheinlich von den vielen Maschinen herrührte, die immer noch in der Halle aufgebaut waren. Anscheinend hatte sich bei der Schließung der Fabrik niemand darum geschert, was mit ihnen geschehen sollte und so hatte man sie einfach stehen gelassen.

Sam arbeitete sich Schritt für Schritt durch die Dunkelheit vorwärts, bis er an einer hölzernen Treppe angelangte, die steil nach oben führte. Er stellte probeweise einen Fuß auf die zweite Stufe und verlagerte sein Gewicht. Das Knarren, dass das Holz daraufhin von sich gab, klang in der erdrückenden Stille um ihn herum unnatürlich laut, doch wenigstens schien die Treppe sein Gewicht zu halten. Sein Misstrauen ihr gegenüber ließ sich dennoch nicht gänzlich abschütteln, sodass er noch einen kurzen Moment zögerte, ehe er schließlich die ausgetretenen Stufen emporstieg. Bei jedem Schritt ächzte das Holz unter seinen Füßen und jedes Mal hielt Sam instinktiv inne und lauschte, obwohl ihm klar war, dass ihn eigentlich sowieso niemand hören konnte.

Das Fabrikgelände befand sich im Wald; die Autobahn war ein gutes Stück weit entfernt, von der nächsten Stadt ganz zu schweigen. Solange sich in der näheren Umgebung nicht irgendein Obdachloser herumtrieb, war er also wirklich vollkommen allein. Einerseits beängstigend, aber andererseits die perfekte Voraussetzung für sein Vorhaben.
 

Oben angekommen knipste Sam seine Taschenlampe wieder aus. Er befand sich nun auf der anderen Seite des Gebäudes und durch die verglasten Fenster rann silbriges Mondlicht. Es war ohnehin besser, wenn er die Batterien nicht zu sehr beanspruchte, da er nicht wusste, wie lange sie noch mitspielen würden und er hatte keine große Lust, den Weg nach unten und zurück zu dem offenen Fenster im Dunkeln zurücklegen zu müssen.

Sam ließ seinen Blick kurz, aber gründlich durch den ersten Stock schweifen. Viel gab es nicht zu sehen, aber er wusste ja auch noch nicht genau, wonach er eigentlich suchte, also konnte jedes Detail nützlich sein. Anders als im Erdgeschoss standen hier keine Maschinen, sondern einzelne Schreibtische, die durch karge Holzwände voneinander getrennt waren. Schlichte Arbeitsräume ohne Türen, die allerdings ihren Dienst erwiesen. Auf manchen Schreibtischen lagen noch verstaubte Dokumente oder diverses Büromaterial; auf einem fand Sam sogar ein altes Familienfoto, das allerdings derart verblichen war, dass er die Personen darauf nur schemenhaft erkennen konnte, während die meisten Arbeitsflächen wie leergefegt waren – abgesehen von der zentimeterdicken Staubschicht, die sich im Laufe der Jahrzehnte dort angesammelt hatte.

Am Ende des Raumes befand sich ein komplett isoliertes Büro ohne Fenster, dafür aber mit einer massiven Tür. Daneben führte eine ebenfalls ziemlich gebrechlich aussehende Treppe in den zweiten Stock, der Sam allerdings keinerlei Beachtung schenkte. Er drehte an dem verrosteten Türknauf und – hob überrascht die Augenbrauen, als die Tür quietschend aufschwang und ihm somit Eintritt in den abgetrennten Raum gewährte. Er knipste die Taschenlampe wieder an.

Anscheinend handelte es sich dabei um das Büro des Abteilungsleiters, denn es war mit weitaus mehr Utensilien ausgestattet, als die viel kleineren Arbeitsräume. An der Wand standen mehrere Regale, in denen sich verschiedene Akten und Ordner stapelten und hinter dem breiten Eichenholzschreibtisch stand ein mit schwarzem Leder überzogener Drehstuhl. Der kümmerliche Rest einer von vor Jahren verwelkten Zimmerpflanze schimmelte in der Ecke des Raumes seelenruhig vor sich hin und Sam verzog angewidert das Gesicht, als ihm der beißende Gestank in die Nase stieg. Er umrundete den Schreibtisch, auf deren Arbeitsfläche jede Menge Papierkram verstreut lag. Sam wollte sie gerade beiseite legen, als sein Blick auf einem herausgerissenen Zeitungsausschnitt hängen blieb, der sich zwischen den einzelnen Blättern befand. Er zog ihn heraus und hielt ihn unter den Schein seiner Taschenlampe.
 

Tödlicher Unfall in der Sprengstofffabrik

William Benning erlag am 15. November 1960 seinen Verletzungen, die er sich während seiner Arbeit in der Sprengstofffabrik nahe Point Pleasant zugezogen hatte. Sein Vorgesetzter, Matthew Callahan, hatte mehrmals beteuert, dass Benning die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hatte und der Firma somit keinerlei Schuld zugewiesen werden konnte. Nachforschungen haben allerdings ergeben, dass der Arbeitsplatz von Mr. Benning nicht zureichend gesichert gewesen war. Mr. Callahan wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Sprengstofffabrik soll noch bis Ende diesen Jahres stillgelegt werden.
 

Sam hielt die Luft an. War das vielleicht des Rätsel's Lösung? Dieser Zeitungsausschnitt und nicht mehr? Wenn ja, dann handelte es sich also wirklich um einen Geist, der ruhelos umherirrte. Das Datum stimmte auf den Tag genau, aber weshalb hatte er sich erst sechs Jahre Zeit gelassen, ehe er zugeschlagen hatte? Hatte er vielleicht doch etwas übersehen? Zu dumm, dass er Dean nicht anrufen konnte, damit dieser im Internet recherchieren könnte. Das hieß, er konnte ihn anrufen, die Frage war nur, ob sich sein Bruder dazu bereiterklärte, ihm bezüglich dieser Erscheinung irgendwelche Informationen zu verschaffen. Anscheinend wollte er mit der ganzen Sache ja nichts zu tun haben.

Sam ließ seine Hand in die Hosentasche gleiten und umfasste sein Handy, hielt dann allerdings inne. Nein, Dean würde ihm mit Sicherheit nicht helfen. Nicht, nachdem er ihn auf offener Straße aus dem Wagen geworfen und daraufhin davongejagt war, als sei der Teufel persönlich hinter ihm her. Naja, das stimmte ja auch, aber … Er schüttelte den Kopf. Das hier war nicht der richtige Ort, um über derartige Angelegenheiten nachzudenken.

Er wollte sich gerade die anderen Papiere noch genauer ansehen, als ein Geräusch die Stille zerschnitt. Es klang seltsam, etwa wie … Flügelschlagen. Sam spitzte die Ohren und runzelte die Stirn. War es möglich, dass sich eine Eule oder ein anderer gefiederter Artgenosse irgendwo in der Fabrik eingenistet hatte und nun, wo es dunkel wurde, auf Beutezug ging? Wieder dieses Geräusch. Und es kam näher. Viel zu nah, dafür, dass der Vogel – wenn es denn nun ein Vogel war – seither nur zweimal mit den Flügeln geschlagen hatte. Außerdem kam es Sam unnatürlich laut vor, was aber durchaus auch daran liegen könnte, dass ihm seine Ohren durch die ansonsten herrschende Stille einen Streich spielten.

Ein drittes Mal erklang das Geräusch von schlagenden Flügeln und ein durchdringender Schrei ließ Sam unwillkürlich zusammenzucken. Es war nicht direkt ein Laut; es kam ihm eher so vor, als würden elektrische Wellen direkt in seinen Körper fahren. Ein durch und durch unangenehmes Gefühl, das ihn dazu veranlasste, schmerzerfüllt das Gesicht zu verziehen und die Augen fest zusammenzukneifen. Was auch immer das da draußen – oder drinnen – war: Es war kein Tier. Aber gewiss auch kein Mensch!

Nachdem das ohrenbetäubende Klingeln in seinen Ohren nachgelassen hatte, steckte er hastig den Zeitungsausschnitt in die Hosentasche und verließ schnellen Schrittes das Büro. Der Strahl seiner Taschenlampe glitt hektisch zwischen den Schreibtischen hin und her und er sah – nichts. Zumindest nichts, was nicht schon vorhin da gewesen war, von einem dämonischen Geist ganz zu schweigen. Er hielt inne und lauschte erneut. Nichts, absolut nichts. Nur wieder diese Stille, die ihn regelrecht zu erdrücken schien. Sam schluckte, dann steuerte er langsam wieder die Treppe an, die zurück ins Erdgeschoss führte. Den zweiten und dritten Stock würde er bei Tageslicht genauer unter die Lupe nehmen; allein mit seiner Taschenlampe und dem Bisschen Mondlicht war es zu würde er es riskieren, eventuelle Details zu übersehen, außerdem hatte er vorerst die Informationen, nach denen er gesucht hatte. Und ganz nebenbei musste er sich eingestehen, dass ihm dieser Ort nicht ganz geheuer war. Nicht bei Nacht.

Während er die knarrenden Treppenstufen hinabstieg, hielt er in unregelmäßigen Abständen inne, doch er hörte nichts mehr. Nichts, außer seinen eigenen Atemzügen und dem Klopfen seines Herzens und das beruhigte ihn wenigstens etwas. Die untere Halle durchquerte er ohne auch nur ein einziges Mal stehen zu bleiben und er konnte schon die Umrisse des Fensters erkennen, durch das er in das Fabrikgebäude eingestiegen war, als der Schein seiner Taschenlampe zu flackern begann – und erlosch. Sam fluchte laut und klopfte mit der Handfläche leicht gegen die Glühbirne. Ohne Erfolg. Scheiße!

Dann schien alles gleichzeitig zu geschehen: Das Flügelschlagen erklang zum vierten Mal – diesmal direkt hinter ihm – gefolgt von einem eisigen Luftzug. Im selben Augenblick ertönte aus der entgegengesetzten Richtung der ohrenbetäubende Knall einer Schrotflinte, eine Kette klirrte und die Tür zur Halle wurde aufgestoßen.

„Sam! Sieh ihm nicht in die Augen!“

Dean!

Sam fuhr herum; versuchte vergebens seinen Bruder ausfindig zu machen; glaubte, seine Konturen nur wenige Zentimeter vor sich zu erkennen, als zwei kreisrunde, glühend rote Augen aus der Dunkelheit aufblitzten. Der stechende Blick ging ihm durch Mark und Bein, er öffnete den Mund, um zu schreien, als ihn bodenlose Schwärze unter sich begrub.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  brandzess
2010-12-09T17:56:49+00:00 09.12.2010 18:56
man ist das spannend! Ich mag die Story^^
War klar das Dean, wenn er ein schlechtes Gewissen hat, Sam suchen geht. süß :3 (luv this pairing)
ichh finds jetzt schon schade das sie pausiert :(
hoffentlich gehts bald doch weiter ;) (wünsch dir vorsichtshalber mal sehr viel inspiration und zeit zum uploaden!)
vlg brandzess
Von:  Fine
2009-12-02T15:33:55+00:00 02.12.2009 16:33
Man, was ist das für ein Wesen?
Und geht es Sam gut?
Zum Glück ist Dean nun doch zur Fabrik gefahren, um Sam zu helfen.
Doch anscheinend umsonst, oder?
Was passiert denn jetzt mit Sam? o.O
Schreib ganz schnell weiter, ja?
Bin schon total neugierig.
Bis dann und LG
Fine


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