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Gerrit und Rahel

Man nannte uns Spinner
von

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Die Sache mit den christlichen Omas...

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"Na, was machst du jetzt?" Meine Schwester drückte mich hart gegen die Wand der Küche und sah mich an.

Sie schob ihr Knie in eine gefährliche Zone und ich würde bei der nächsten ungeschickten Bewegung zum Kastraten-Chor antanzen können.
 

„Ich ersticke!“ Ich versuchte mich aus ihrem Klammergriff zu befreien. Keine Chance, sie hatte mich fest im Griff.
 

„WAS machst du jetzt, Wichser?“ Ich war geliefert. Sie würde mich umbringen. Kaltblütig erdolchen und meine Leiche irgendwo verscharren.
 

„Hör auf, Rahel. Du tust mir weh…“ Ich stemmte meine Hände gegen die Schultern meiner Schwester und versuchte sie von mir wegzudrücken.

Rahel presste sich nur fester gegen mich. „Hör du auf, Weichei. Ich war zuerst am Fernseher.“

„Gar nicht wahr!“ Ich verzog das Gesicht, als Rahel ihr Knie noch weiter anhob. Ich spürte von ihrem spitzen Knie jeden verfluchten Millimeter.

Meine Schwester legte den Kopf schräg und hatte schon wieder diesen durchdringenden Psycho-Blick drauf. Ausserdem trug sie schon wieder Kleider von mir und ihre kurzen braunen Haare standen ihr zerzaust vom Kopf ab.

Es sah chaotisch aus, da sie sich die Haare vor wenigen Wochen einfach selbst geschnitten hatte und unsere Mutter damit in den Wahnsinn getrieben hat.

„Du hast Recht“, sagte Rahel plötzlich und grinste. „Du warst zuerst da, Gerrit.“
 

Hier war was faul. Ich spürte es tief in mir und wusste, dass ich diese Küche nicht mehr lebend verlassen würde.

Rahel würde mich fressen. In Scheiben schneiden und in der Kühltruhe vergraben.

Okay. Sie würde sich wahrscheinlich nicht einmal die Mühe machen mit dem Verstecken und meine Leiche einfach liegen lassen.

Der Polizei und Mom würde sie dann Schulterzuckend erklären, dass es meine eigene Dummheit gewesen wäre, die mich in Stücke gerissen hätte.
 

„Aber da du mich ganz doll lieb hast, lässt du mir den Vortritt, oder Bruder?“ Rahel kam mit ihrem Gesicht ganz nah an meines. Ihr Knie drückte nun unangenehm in meine empfindlichste Region.

Auch wenn wir uns den Mutterleib zur gleichen Zeit teilen mussten und Zwillinge waren, hasste ich sie an diesen Tagen.

Sie drängte sich durch jede Pore meines Körpers und weigerte sich strickt, meinen Körper und meine Gedanken wieder zu verlassen.

Sie machte mir schlicht und ergreifend Angst.
 

„Weiss nicht“, sagte ich langsam. Ich wollte EINMAL ein Mann sein und mich durchbeissen. „Du warst gestern schon den ganzen Tag am Fernseher und…“
 

Rahel strich mir mit ihrer Hand durch meine ganz kurzen braunen Haare. „Natürlich war ich. Wer sonst. Mom vielleicht? Peppe?“
 

Sie drückte ihren Mund auf meinen und ich spürte, wie es schon wieder passierte.
 

Sie verarschte mich. Tief in ihr drin lachte sie sich über meinen fehlenden Kampfgeist eine ab.
 

Eine Tür knallte zu.
 

„Rahel, du Arsch!“ Peppe war unser älterer Bruder und seit kurzem 19. Er hatte scheinbar wieder ein Problem mit seiner Schwester.

Es würde eine Schlägerei geben. Wie immer.
 

Rahel stiess sich von mir ab, verschwand aus der Küche und ich konnte sie mit unserem Bruder streiten hören.

Sie würde gewinnen.

Rahel war eine unbarmherzige Brutalität, die einen Scheiss auf Anstand und gepflegte Normen gab.

In der Schule spuckte sie auf den Boden, verprügelte Mitschüler und hatte sich vor kurzem ohne Erlaubnis von Mom die Unterlippe piercen gelassen.
 

Rahel sah mit dem eher kantigen Gesicht und der spitzen Nase eher wie ein Junge aus und verstärkte diesen Eindruck durch ihr maskulines Auftreten.

Wenn Rahel irgendwo auftauchte, flogen die Fetzen.

Man hielt uns ab und zu fast für eineiige Zwillinge und man war Masslos erstaunt, wenn sie erfuhren, dass Rahel wirklich ein Mädchen war.
 

„Wo sind meine Zigaretten, Rahel?!“ Ich konnte Peppe laut schnauben hören. „Ich schlag dich tot, wenn du es mir nicht…“
 

Rahel lachte. „Halts Maul, Peppe. Ich hab sie weggeworfen. Wenn du so scharf auf Selbstmord bist, dann schmeiss dich vor einen verdammten Zug, Bruderherz.“
 

„Ich hass dich!“ Peppe kam in die Küche gestampft und drehte sich verwirrt zu mir um. Seine grünen Augen musterten mich verwirrt. „Alles klar?“
 

„Weiss nicht.“ Ich stand immer noch an der Wand und zuckte mit den Schultern. „Rahel wollte mich umbringen.“
 

„Ah.“ Peppe nickte nur und fügte dann zur Tür gewandt hinzu: „Was ich bald mit ihr tue, wenn sie nicht aufhört zu nerven!“
 

„Heul doch!“ Rahel kam wieder zurück in die Küche.
 

„Du bist nicht meine Mom, Rahel! Du kannst Gerrit so behandeln, aber ich bin der grosse Bruder, klar? Ich bin nicht dein Anhängsel am Hosenzipfel und lass mich auch nicht von dir manipulieren! Lass also den Scheiss und HALT DICH AUS MEINEM LEBEN RAUS!“
 

Rahel blieb gelassen. Sie war immer cool und liess einen nicht merken, wenn sie kurz vor dem Ausrasten war.

Sie schlug dann einfach zu. Ohne Gnade.
 

„Peppe…“ Sie sprach langsam, als hätte sie einen absoluten Vollidioten vor sich. „Ich beschütz dich nur vor Lungenkrebs, Idiot. Keine Sorge also und lass mich machen.“
 

„Hörst du mir überhaupt zu?“ Peppe strich sich durch seine etwas längeren Haare. Rahel meinte, es wäre eine Schande, dass unser Bruder so lange Haare hatte. Er sähe aus wie ein Mädchen.
 

„Ja“, sagte Rahel ernst. „Und deine Worte gehen mir an meinem Arsch vorbei, Bruderherz. Also lauf und geh wieder mit deiner Freundin spielen.“
 

Peppe warf Rahel einen bösen Blick zu. Keine Chance.

Er machte den gleichen Fehler wie ich. Er sah ihr zu lange in die Augen.
 

Rahel hatte diesen gruseligen Blick, der einen Stunden anstarren konnte. Sie blinzelte kaum und starrte so lange, bis sie einen im Hirn zu Brei verarbeitet hatte
 

Bei Peppe zog es besonders schnell, da unser Bruder nicht gerade der schlauste Mensch der Welt war und sein Hirn voller Müll steckte.
 

„Irgendwann schlag ich dich, Rahel. Und zwar richtig. Deine Zähne können dann alleine zu Dr. Dent flitzen.“
 

Rahel nickte. „Klar. Ich halt mich schon mal bereit.“
 

Peppe rauschte davon und knallte die dunkle Tür der Küche laut zu. Mom war nicht da, sondern auf einer Theaterprobe.

Wäre sie da, hätte sie Peppe in den Arm genommen und ihn gebeten, sich bei ihr auszuweinen.

So war unsere Mutter nämlich. Wut verstand sie völlig falsch und empfand es als emotionalen Hilfeschrei.

Rahel richtete sie fleissig in dieser Einstellung zu Grunde.
 

„Blödmann“, knurrte Rahel und packte mich am Handgelenk. Sie zog mich durch den Flur der Altbau-Wohnung und führte mich zu einen der fünf Sessel vor dem Fernseher.

Da unsere Mutter oft weg war und wir auch des Öfteren umzogen, waren unsere Wohnung spärlich eingerichtet.

Ausserdem hatte jeder seinen eigenen Sessel, da meine Mom der Ansicht war, dass die Sache mit dem Sofa von ihren Kindern völlig falsch verstanden wurde.

Stimmte auch. Wir hatten mal vor Jahren ein altes aus Leder gehabt und entweder Rahel oder Peppe hatten es so für sich eingenommen, dass keine zweite Person darauf Platz gehabt hatte.
 

Der Fernseher stand auf einem alten und abgegriffenen Holztisch und schrie förmlich danach, endlich angeschaltet zu werden und die gigantische Anzahl an schnellen Bildern an uns weiter zu geben, die er noch mit Mühe zurück hielt.
 

„Wir schauen zusammen.“ Rahel schob mich in den Sessel in der Mitte und schaltete die Flimmerkiste an.

Eine blöde Serie lief und war sicher die millionste Wiederholung.
 

Mich und Rahel interessierte etwas ganz anderes.
 

Rahel schaltete durch die Programme auf der Suche nach unserem Film, der trotz dem respektablen Alter fast jedes Jahr vor Weihnachten gezeigt wurde.

Dabei sass sie dicht vor dem Fernseher in einer Art Hocke und ich konnte ein Stück rote Unterwäsche erkennen, da ihre weite Hose ihr halb über den Hintern gerutscht war.
 

„Welches Programm war es, Gerrit-Boy?“
 

Ich schaltete zu langsam. Die Falle wurde so offensichtlich vor meinen Füssen aufgebaut und ich Idiot tappte trotzdem hinein.

Meine Augen klebten an dem Stück Rot und konnten sich nicht rechtzeitig lösen.
 

Rahel schnaubte. Sie sass immer noch mit dem Rücken zu mir, als sie den Kopf in meine Richtung drehte. „Flachpfeife, welches Programm? Du bist doch hier unser Termin-Planer mit dem super Gedächtnis.“
 

Ich kam langsam aber sicher zurück. Ich hob meinen Blick von der verbotenen Zone und sah in die braun-grünen Augen meiner Schwester.
 

„Kanal sechs“, sagte ich und räusperte mich. Der schwere Kloss war wieder da und rutschte langsam meine Speiseröhre hinunter.

Ich würde kotzen müssen. Keine Frage.
 

„Du bist heute nicht sehr schnell im Denken, Gerrit. Echt jetzt.“ Meine Schwester wand sich wieder dem Fernseher zu und fand den Film schliesslich.
 

Es war eine Komödie, aus der unsere Mom auch unsere Namen hatte.

Die Hauptpersonen waren eine Frau und ein Mann, die mehrere Versuche starteten, um in eine Hochsicherheitsbank einzubrechen.

Der Film war aus den frühen achtziger und ein Kult-Hit. Es war zum Ritual geworden, dass wir den Film jedes Mal ansahen, wenn er im Fernseher lief.

Der Typ, der Gerrit spielte, war ein Vollidiot. Jedes Mal, wenn ein versuchter Einbruch scheiterte, sagte er „Hab ich doch gesagt! Es ist nicht unser Tag, Rahel.“

Rahel war im Film eine hinterlistige pseudo-Diebin, die immer auf Gerrits „Hab ich doch gesagt“ – Getue mit einem kurzen „Halt die Klappe!“ antwortete.
 

Der Schluss gefiel mir am besten.

Beide landeten kurz vor Ende doch noch im Knast und Gerrit wollte gerade seinen üblichen Spruch ablassen, als er von Rahel unterbrochen wird.

Diese sitz direkt neben ihm in einer Zelle und meinte, wenn er jetzt was mit „Nicht unser Tag“ ablasen würde, würde sie ihn umlegen.
 

Dann blendete das Bild aus, Schwärze erschien auf dem Bildschirm und man hörte nur noch Gerrits „Es wird die nächsten zehn Jahre nicht unser Tag sein, Rahel.“
 

Dann kam der Abspann. Ich und Rahel bekamen fast alle Namen der Schauspieler aus dem Kopf heraus zusammen, da wir schon als Kinder eine Art Wettbewerbs-Disziplin darin sahen, so viele Namen wie möglich zu lesen und sich zu merken.
 

Der Film war bereits bei der Hälfte, als sich Rahel auf den Sessel neben mir plumpsen liess.
 

„Wegen dir haben wir den Anfang verpasst, Blödmann“, sagte sie und ich schnaubte.
 

Es war ihre Schuld. Sie hatte den Streit mit dem Fernseher angefangen, als ich etwas anderes als sie schauen wollte.
 

Der Film war wie jedes Mal viel zu kurz und wir achtete gar nicht auf den Lärm im Flur.

Peppe stritt sich mit seiner Freundin. Aber das war uns total egal.

Rahel mochte das andere Mädchen nicht besonders, da diese mal erwähnt hatte, dass ich süss sei.

Niemand nannte Rahels Brüder SÜSS.

Rahels Meinung nach sollte man alle weiblichen Wesen auf der Welt vor mir und Peppe warnen, da wir die grössten Blödärsche der ganzen Galaxie waren.

Aber das durfte nur sie sagen. Wenn jemand anderes mich beleidigte, brach Rahel ihm das Genick.
 

Peppe schrie seine Freundin an, diese schrie zurück und verliess die Wohnung. Sicher hatten sie beiden wieder für ein paar Tage miteinander Schluss gemacht.

Nach einer Woche waren sie in der Regel wieder zusammen und feierten einen neuen Anfang.

Peppes Beziehung hing uns allen zum Hals raus.
 


 

Mom kam spät nach Hause.

Sie hatte Proben bis spät in die Nacht und kochte sich gerade in der Küche einen Kaffee, als ich aus meinem und Rahels Zimmer geschlichen kam.

Ich begrüsste sie immer, wenn sie nach Hause kam. Egal wie viel Uhr es war.
 

Rahel hielt das für bescheuert und schlief bereits tief und fest in unserem Doppelbett.
 

„He, Mom.“ Ich umarmte meine Mama und diese drückte mich ebenfalls.

Sie fuhr mir durch die kurzen Haare.
 

Was hatten die Frauen dieser Familie nur mit meinen Haaren?
 

„He, Schatz.“ Sie küsste mich auf den Kopf und roch nach Farbe und Parfüm.

Irgendwie hatten Schauspieler diesen einen merkwürdigen Geruch, der einen immer an grosse Säle und Kronleuchter denken liess. „Geh wieder ins Bett, ja?“
 

Ich nickte und wollte gerade die Küche wieder verlassen, als mir was einfiel.
 

„Rahel wollte mich heute kastrieren.“
 

Meine Mom sah von ihrer Tasse mit Kaffee verwirrt auf. „Wieso das?“
 

Ich zuckte mit den Schultern. „Und wir haben heute den Anfang von unserem Film verpasst.“
 

Mom nickte mitleidig. „Das tut mir Leid, Gerrit.“
 

„Es war Rahels Schuld.“
 

Mom nickte. „Sie zankt gerne, dass weisst du doch. Aber sie liebt dich, Schatz. Also geh wieder ins Bett.“
 

Ich schloss die Küchentür und schlich zurück in unser Zimmer.
 

Es war ein grosser Raum mit einem Kleiderschrank, einem Schreibtisch und einem grossen und wuchtigen Bücherregal.

Der alte Laptop von Mom ging seit Monaten schon nicht mehr, hatte aber immer noch seinen festen Platz auf dem Schreibtisch am Fenster.

Unser Bett stand zwischen Schrank und Bücherregal und passte mit seinem silber lackiertem Gerüst überhaupt nicht zu den restlichen Holzmöbeln.
 

Rahels Haare standen ihr in leicht unterschiedlichen Längen wirr vom Kopf ab und sie hatte sich wie immer auf beiden Seiten des Bettes breitgemacht.

Man sah einfach, dass sie die Haare in rascher Eile selbst bis zur absoluten Verstümmlung geschnitten hatte.

Ihr schien es nichts auszumachen.
 

Ich kletterte unter die warme Decke, schob meine schlafende Schwester etwas zur Seite und war kurz danach ebenfalls eingeschlafen.
 


 

Es war ein guter Morgen.

Das wusste ich, weil ich meine Augen erst um 10 Uhr öffnete und es ein Schulfreier Tag war.

Rahels Hände hatten sich unter mein T-shirt geschoben und ruhten warm auf meinem Rücken.

Ihr Gesicht lag nah an meinem und ich starrte sie eine Weile an.
 

Ich pustete ihr nach einer Weile gegen die Stirn.
 

„Mach das noch einmal und ich reiss dir deinen Arsch auf…“ Rahel hatte die Augen immer noch geschlossen und gähnte leise. „Ich mach ernst, Gerrit-Boy.“
 

Das glaubte ich ihr sofort, als sich ihre Hände über meinen Rücken bewegten und in der Nähe meines Steissbeins liegen blieben.
 

„Ich will aufstehen“, sagte ich und Rahel schnaubte.
 

Sie öffnete die Augen und sah mich an. Unsere Nasenspitzen berührten sich fast. „Aha. Das juckt mich wenig, mon amie.“
 

Rahel war am frühen Morgen wie zäher Kaugummi, den man einfach nicht los wurde.

Man kaute bis zum Umfallen, aber das Zeugs gab einfach nicht nach.
 

„Du bist fies, Rahel.“ Ich befreite mich aus ihrer Umklammerung und stand auf. „Eine echte Hexe, weisst du das?“
 

„Klar.“ Rahel zog sich die Decke über den Kopf. „Immer wieder gerne, Blödmann.“
 

Ich hasste das. „Ziege.“
 

Wie fast jeden Morgen ging ich allein in die Küche und musste meinen schlecht gelaunten Bruder ertragen.

Während einer dieser blöden Beziehungspausen war er die absolute Pest.
 

Mom sass in ihren bequemen Kleidern auf einem der Küchenstühle und grinste mich an. „Morgen, Schatz. Willst du was Tolles hören?“
 

Peppe verzog das Gesicht. „Uns interessiert die blöde Kritik nicht viel, Mom. Ausserdem sagt diese eindeutig, dass das Theaterstück zum Kotzen ist.“
 

Unsere Mutter zuckte mit den Schultern. Sie machte das wie ich und Rahel. „Ja und? Es hat Spass gemacht. Das ist die Hauptsache, Schatz.“
 

„Ich scheiss auf dein Schatz-Getue.“ Peppe stand auf, räumte seinen Teller in die Spüle und fluchte vor sich hin.
 

Mom blieb ruhig. Sie blieb immer ruhig. „Und du, Gerrit?“
 

Ihre grünen Augen bohrten sich in meinen Körper. Sie hatte mich in die Enge getrieben. Und das wusste sie.

Sie machte das aber völlig anders als Rahel. Meine Mom umschmeichelte einen und wurde dann zu einer ruhigen und lautlosen Gefahr, während meine Schwester brüllend ihre Opfer zerfleischte.
 

„Klar“, sagte ich nur und griff nach einem Brötchen. Es war gegessene Sache. Ich würde mir die Kritik anhören müssen. Komme was da wolle.
 

Meine Mom nickte zufrieden und faltete die Zeitung aus. Sie las mir die unendlich scheinende Kritik vor.

Das ganze Theaterstück wurde ziemlich übel dargestellt. Man nannte den spärlichen Bühnenaufbau langweilig, die Story lahm und die Schauspieler beschimpfte man als Witzfiguren, die besser von Hunden ersetzt worden wären.
 

Meine Mom spielte in Theaterstücken mit, die keinen wirklichen Text hatten. Sinn ehrlich gesagt auch nicht und es war wirklich öde.

Die Schauspieler deuteten eher Bewegungen an und man legte vor allem Wert auf die Mimik.

Die menschliche Schönheit des Ausdrucks und so ein Zeugs.

Ich und meine Geschwister waren einmal mit und dann nie wieder. Ich hatte die ganze Zeit neben Rahel gesessen, ihre Hand umklammert und sie angefleht, mich wach zu halten.

Rahel tat mir den Gefallen und lieferte sich mit Peppe eine lautstarke Diskussion über gleichgeschlechtliche Liebe.

Obwohl ich mich nicht muckste, waren mir die verwirrten Blicke der Leute unangenehm gewesen und ich wäre in meinem Sitz am liebsten gestorben.
 

Mom legte die Zeitung zur Seite, stand auf und strich mir durch die Haare. „Weck deine Schwester, wir fahren zur Oma.“
 

Verdammt. Mein Traum von einem guten Morgen war Geschichte. Heute war Omas Geburtstag. Ein schrecklicher Tag, der uns jedes Jahr in tiefe Verzweiflung stürzte.
 

„SCHON WIEDER?!“ Peppe kam in die Küche gestampft. „Wir waren doch erst vor… einem Jahr bei ihr!“
 

„Es ist ihr Geburtstag, Schatz. Da müssen wir durch.“
 

Meine Oma war ein Alptraum. Sie war diese Art von Frau, die jeden Morgen in die Kirche ging und überall diese Jesus-Fratzen hängen hatte.

Sie verabscheute jede Art von Gottlästerrei und sagte ständig Dinge wie „Gott bewahre!“ und „Jesus, gedenke diese Minute!“
 

„Ich will nicht.“ Peppe sträubte sich. Er warf mir einen verzweifelten Blick zu. „Gerrit hasst sie auch! Sag es ihr, du feiger Sack!“
 

Ich sagte gar nichts. Jemand wie Peppe konnte sich das erlauben. Ich war jedoch die Zielscheibe allen Ärgers.

Was ich in den Wald hineinschrie, kam zurück geschallt und prügelte mich bis zur Ohnmacht nieder.
 

„Stell dich nicht so an.“ Mom grinste. „Mach aber bitte das Haargummi aus den Haaren, Peppe. Du siehst wirklich aus wie eine Frau…“
 

Peppe fluchte, schlug Türen zu und rastete schliesslich völlig aus. Mom trank nur in aller Ruhe ihren Kaffee und lächelte leicht.

Sie hatte ihre Rache bekommen.
 

Meine stand noch bevor…
 


 

Rahel hatte mich eine ganze Stunde lang angeschrien und mich verprügeln wollen, für etwas, was unsere Mutter bestimmt hatte.

Aber so war das.

Ich war Gerrit, der kleine Idiot.

Der Depp, der einfach nicht schnell genug in Deckung gehen konnte.

Als wir schliesslich alle in Moms uraltem Käfer sassen, war ich nah an meinem Ableben.
 

Rahel sass neben mir, hatte wieder einmal Kleider von mir an und fixierte mich mit ihrem Psycho-Blick.
 

Ich sah aus dem Fenster und war erleichtert, als wir an dem Haus meiner Oma ankamen.

Aber auch nur die ersten vier Minuten lang.
 

Oma feierte ihren Geburtstag ziemlich gross. Kirchen-Chor, alte Freundinnen von ihr und der Rest der Verwandtschaft kam vorbei, überstand tapfer die Feier und verpisste sich dann wieder.

Wir gehörten zu dem Rest der Verwandtschaft, der sich bis zum nächsten Jahr nicht mehr meldete.

Zumindest ich und meine Geschwister.
 

Mom schrieb Oma regelmässig Briefe und Fotos von dem letzten Theaterstück.

Oma fand den Job ihrer Tochter totalen Humpuck und hob keins der Fotos auf. Sie landeten recht schnell im Müll.

Aber meine Mom war hartnäckig. Die neusten Fotos waren vermutlich bereits auf dem Weg.
 

Ich begrüsste meine Oma, lies die skeptische Musterung über mich ergehen und war dann aus den Fängen des Monsters.

Ich verschwand schnell in die kleine Küche, in der mehrere Frauen die Kuchen-Aufsicht schoben.
 

Rahel kam mit einiger Verzögerung nach. Sie hatte schlechte Laune und sicher wieder einige Kritik von Oma als Begrüssung anhören müssen.

Es war jedes Jahr das gleiche. Beide Frauen umschlichen sich wie Katzen und warteten auf die Gelegenheit, der anderen etwas anzutun.
 

„Wie alt bist du?“ Eine Frau der Kuchen-Aufsicht musterte mich skeptisch. „In dem Kuchen ist Alkohol, Bursche.“
 

„Aha.“ Ich fühlte mich sofort schuldig. Ich wollte die Gabel schon loslassen und den einzig gut aussehenden Nachtisch stehen lassen, als Rahel mich zur Seite stiess.

Sie fixierte die Frauen abfällig.

„Er ist 16 und hat die Erlaubnis unserer Mutter, also weichet von uns, Kirchen-Dämonen!“

Sie schnitt mir ein riesiges Stück der Sünde und klatschte es auf meinen Teller. Dann reichte sie mir eine Gabel und drückte mir einen Kuss auf den Mund.

„Bitte sehr, mein Alkoholiker.“
 

Ich grinste sie an, die Frauen starrten gross.
 

Keine Minute später wusste jeder auf dem Geburtstag meiner Oma, dass ich Alkoholiker war, meine Schwester eine unfreundliche Mistkröte und wir uns geküsst hatten.

Es war jedes Jahr das gleiche…
 


 

„Mein Sohn ein Alkoholiker?!“ Mom stritt sich mit Oma in der Küche.

Die Gäste waren alle schon gegangen und wir bekamen unsere Strafe, indem wir warten mussten.

Peppe starrte uns böse an.

„Super gemacht, ihr Arschlöcher.“ Er zog an der Zigarette und stiess den Rauch durch die Nase aus. „Wie immer. Ganz grosse Show.“
 

„Rahel ist eine unverschämte Göre!“ Oma hantierte in der Küche. Wir warteten auf dem Balkon und konnten in das beleuchtete kleine Fenster des Raumes sehen. „Sie hat ihm den halben Kuchen auf den Keller getan!“
 

„Himmelswillen, Mutter!“ Mom seufzte. Sie stritt zwar, wurde jedoch nicht wirklich laut. „Es ist Rahel! Ausserdem ist in dem Kuchen ein ganz klein wenig Sekt! Was ist daran schlimm?“
 

„Er hat den halben Kuchen allein gegessen! Deine Schwester hat nicht einmal ein Stück von ihrem eigenen Kuchen bekommen!“
 

Mom suchte nach Argumenten. „Sie hat sicher genug vom Teich genascht. Glaub mir, dass macht sie immer. War das alles?“
 

„Nein!“ Oma war eine schreckliche Frau. Sag ich doch. „Und wie sie aussehen! Hättest du nicht EINMAL nur für mich deine Kinder anständig kleiden können? Gerrit hat die Hose irgendwo bei den Knien hängen und Phillip hat seit Monaten keinen Frisör mehr gesehen! Und Rahel… Gott bewahre! Was ist mit ihren Haaren passiert, Kind? Und dieser Ring… Ich schäme mich für meine eigenen Enkel!“
 

Peppe hasste es, wenn man ihn bei seinem richtigen Namen nannte. Er wurde damals nach Dad benannt und als dieser zur allgemeinen Gefahr wurde, nannten wir unseren Bruder einfach in Peppe um.

Jeder hielt sich an diese Regel. Ausser Oma. Sie hielt es Mom immer noch vor, dass Dad sich damals bis zum Umfallen besoffen hatte.

Mom sprach nie darüber.
 

„Gut.“ Mom wollte gehen. „Ich fahr jetzt nach Hause. Ich schreib dir…“
 

„Ja. Fahr nach Hause und komm wieder, wenn deine Kinder Anstand haben!“ Oma spuckte die Worte förmlich vor Moms Füsse. "Na los! Geh schon!"
 

„Endlich.“ Peppe drückte die Zigarette an einem der Blumentöpfe auf dem Geländer des Balkons aus. „Wir müssen NIE wieder zu Oma.“
 

Nach wenigen Minuten kam Mom uns abholen. Sie sagte die ganze Fahrt nach Hause kein Wort und wir wussten alle, dass wir Mist gebaut hatten.

Auch wenn Mom uns nicht sauer war, hatten wir etwas falsch gemacht.
 

Rahel regte sich im Auto jedoch für die halbe Weltbevölkerung auf. Sie beleidigte die Freunde von Oma nach Strich und Faden und schwor, wenn sie jemals in die Nähe einer Kirche käme, würde sie diesen Gott-Scheiss in die Luft jagen.

Ausserdem wüsste jeder, dass ich kein Alkoholiker und Peppe Peppe war und kein Phillip.
 

Mom liess ihre Tochter schimpfen. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie im Stillen ganz Rahels Meinung war.
 


 

Zuhause sagte Mom immer noch nichts. Sie kochte sich Kaffee und verschwand in ihrem Schlafzimmer.
 

Peppe belagerte den Computer und ich ging unter die Dusche.
 

Das tat ich nach jedem Besuch bei Oma. Es war schrecklich, in ihrem Haus zu sein.

Alles roch nach alten Menschen und verschwendeter Zeit, die man so viel lustiger und besser nutzen könnte.

Eine unerträgliche Normalität lag in der Luft und machte das Atmen fast schwer.

Wie in einem zu engen Käfig. Und der Geruch von alten Menschen blieb hängen. Da war ich mir sicher.
 

Zu meinem Ärger konnte man die Badetür nicht absperren, da Peppe einmal nach mir den Schlüssel geworfen hatte. Bis jetzt hatte ihn noch keiner gefunden.

Rahel kam in einem zu weiten T-shirt und in einer Boxershort von mir ins Bad getrampelt, knallte die Tür zu und fixierte mich unter Dusche.

Es gab nichts, was sie von mir noch nicht gesehen hatte.
 

„Verdammt, Gerrit!“, donnerte sie. Da hatten wir es. Ich war am Arsch, ohne dass ich gross was dafür tun musste. „Wieso hast du im Auto nichts gesagt?! Diese ganzen alten und verschrullten Omas erzählen Scheiss über dich herum und du schluckst das einfach?!“
 

Ich schloss die Augen, lies das Wasser der Dusche über mich laufen und versuchte Rahel auszublenden.

Sie platzte öfters ins Bad, wenn ich meine Ruhe haben wollte.
 

Rahel war wie ein Fluch, den ich nicht los wurde. Sie war überall.
 

„Du bist ein Idiot!“ Rahel trat gegen die Dusche. Dann griff sie nach ihrer Zahnbürste und starrte finster vor sich hin, während sie ihre Zähne putzte.
 

Ich wusch meine Haare und verlies die Dusche schliesslich. Ich wickelte mir ein Handtuch um die Hüfte und trat neben Rahel.

Sie rammte mir ihren Ellbogen in die Seite und schnaubte. Schliesslich reichte sie mir meine Zahnbürste.
 

Wir putzten unsere Zähne und meine kurzen Haare waren fast von alleine schon wieder trocken.
 

Im Zimmer zog ich meine Schlafhose an, mein T-shirt und kroch ins Bett. Nach wenigen Minuten kam Rahel.
 

Sie hob die Bettdecke, liess sich neben mich fallen und gab wieder ihren Psycho-Blick zum Besten.

Ich spürte ihre kalten Füsse an meinen.

„Wieso wehrst du dich nicht gegen die?“ Rahel kletterte auf mich und ihr Gewicht übte einen verboten angenehmen Druck auf meinen Unterleib aus. „Bist du echt so ein Idiot, Gerrit?“
 

Ich steckte in der Scheisse. „Geh runter von mir, Rahel.“
 

„Geh du doch, Spinner.“ Rahel beugte sich zu mir nach unten. Sie sah mich ernst an. „Sag es mir“, verlangte sie. „Wieso bist du so ein Schwächling?“
 

„Lass es doch einmal gut sein…“ Ich verdeckte mein Gesicht mit meinen Händen. „Das sind alte Frauen. Die glauben an über das Meer spazierende Typen und haben sicher andere Probleme als Jungs, die sich schlecht benehmen.“
 

„Scheinbar nicht.“ Rahel nahm meine Hände von meinem Gesicht und drückte sie nutzlos über meinen Kopf zusammen ins Kissen.

Ich war geliefert.

Meine Schwester legte den Kopf leicht schräg und drückte ihren Mund auf meine Stirn.

„Ich lass es aber nicht zu, dass solche Klatschtanten Scheisse erzählen. Und ich küss dich WIE und WANN ich will.“

Rahel drückte ihren Mund auf meinen. „Klar soweit, Matschbirne?“
 

Ich starrte sie an. Alles in mir schrie nach Flucht, aber ich war ein Idiot. Einer, der ständig mit dem Dynamit spielte und dann überrascht war, wenn es einen plötzkich in Stücke zerfetzte.
 

„Ich… weiss nicht“, sagte ich und räusperte mich. Rahels warmer Körper presste sich fester an meinen. Gefährliches Unterfangen.
 

„Ich aber. Und ich hab Recht, Gerrit. Ich mach das schon, keine Sorge.“
 

Ich hatte aber Sorgen und kam gar nicht mehr aus ihnen raus…

Niemals Ruhe vor Rahel

2/5
 

Die Schule war eine Festung. Ein immer wieder von vorne beginnender Kampf gegen die Gesetze der Gesellschaft.

Und ich war der Verlierer. Keine Frage.
 

„He, Gerrit… Ich hab deine Mutter gesehen. Heisses Gestell. Vor allem die fehlende Kleidung.“

Ich versuchte Martin Getscher einfach zu ignorieren. Und ich wünschte, er würde es nur einmal bei mir versuchen.

Martin war in meiner und Rahels Klasse. Er war blöd und hatte es auf mich abgesehen.

Und momentan stand diese Krönung der misslungen Fortpflanzung dicht hinter mir.

So dicht, dass ich seinen verdammten Atem in meinem Nacken spürte.
 

„Ist das wirklich Theater? Ich dachte zuerst es wäre ein Porno ohne Sex, aber da hab ich echt deine Alte auf dem Bild erkannt… Scheisse, Mann.“
 

Das war auch so eine Sache mit Moms Theater. Kleidung würde von der Mimik ablenken und somit trugen die Schauspieler kaum bis gar nichts. Dass niemand bei nackten Leuten auf die Mimik achtete, war bei meiner Mom und ihren Arbeitskollegen immer noch nicht so ganz angekommen.
 

„Komm schon. Sag mal was.“ Martin stand nun so dicht hinter mir, dass ich mit meiner Nase fast die Wand des Schulgangs berührte.
 

Plötzlich verschwand seine schreckliche Nähe.
 

„Martini, du verdammte Fotze.“ Rahel - meine Rettung – kam endlich aus dem Mädchenklo und stiess Martin etwas zurück. „Lass meinen Bruder in Ruhe und fick dich. Das kannst du doch so gut. Ich schwöre. Davon bin ich fest überzeugt.“
 

„Hat dich einer gefragt, Mannsweib?“ Martin vergeudete seine zu viel angestaute Energie, indem er sich mit Rahel streiten wollte. Er hatte keine Chance.

NIEMAND hatte eine Chance.
 

„Hat dich einer eingeladen? Was machst du eigentlich hier?“ Rahel sah sich um. „Das hier ist eine Schule für Jugendliche. Der Kindergarten ist paar Strassen weiter, Kleiner.“
 

Ich drehte mich langsam um und deutete Rahel mit dem Kopf an, dass wir dringend verschwinden sollten.

Noch eine Schlägerei und Rahel war am Arsch.

Die würden meine Schwester mit dem dritten Verweis schmeissen. Keine Frage.
 

Martin grinste. „Scheisse, hast du auch in eurer Beziehung die Hosen an? Oder bezahlt dich Gerrit dafür, dass du seinen verdammten Arsch rettest?“
 

„Ich rette ihn doch nicht.“ Rahel schnalzte mit der Zunge. „Ich zeig ihm nur wie so Typen wie du gefickt werden, klar? Also lauf und geh spielen, bevor ich wirklich die Nerven verliere, Martini.“ Rahels Wortwahl war wieder so zärtlich wie Stacheldrahtzaun. „Hast du nicht gehört? HAU AB, verdammt! Oder ich begeh echt einen Mord.“
 

Martin war keiner von den gerissenen Bösen aus Serien. Er war eigentlich nur ein Stück Holzbrett mit Langeweile. Er würde einen Scheiss machen und genau DA Stehen bleiben, wo er bereits stand. „Sonst was? Willst du mich dann schlagen?“
 

Rahel sah mich an. Ich schüttelte den Kopf.
 

Sie dachte eine Weile über meine Bitte nach und sah wieder zu Martin. Sie würde ihn schlagen. Keine Frage.
 

„Rahel…“ Ich machte einen Schritt nach vorne. „Lass es, komm schon. Ignorier diesen Typ und lass uns gehen…“
 

„Ja, Rahel. Hör auf deinen Lover und verpiss DU dich.“ Martin verschränkte die Arme. „Was ist eigentlich nochmal mit deinen Haaren passiert? Hast du in die Steckdose gefasst?“
 

Rahel gähnte demonstrativ und trat Martin dann dahin, wo es weh tat.

Er hatte seine Deckung vernachlässigt. Ein Fehler, der bei einem Tritt von Rahel Impotenz als Folge haben konnte...
 

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„Sag schon.“ Rahel war wieder auf das alte Thema gekommen. „Warum wehrst du dich so selten, Gerrit? Martin ist ein Witz, verdammt! Dass du unsere Oma und alte Frauen nicht treten willst, kann ich ja irgendwie noch verstehen, aber was zum Henker hält dich bei diesem Arsch davon ab?“

Rahel schlenderte neben mir die Treppe der Schule nach unten. Sie hatte einen Brief der Schule in der Schultasche und Mom würde nur wieder seufzen, unterschreiben und die Sache damit sein lassen.

Dass wir Rahel irgendwann sogar aus dem Knast freikaufen mussten, war nur noch eine verdammte Frage der Zeit.

Meine Schwester war eine tickende Bombe.
 

„Der Typ sieht aus wie Rambo, Rahel.“
 

„Ja und? Peppe sieht aus wie Madonna hundert Jahre jünger und bekommt trotzdem immer wieder seine schrullige Freundin zurück. Mit Aussehen hat das als nichts zu tun.“
 

„Lügnerin.“ Ich steckte meine Hände in die Taschen meiner Hose und sah auf den Asphalt unter meinen Füssen. „Ich hab genug Probleme, Rahel.“
 

„Ach was.“ Rahel nahm meine Hand und verschränkte ihre Finger mit meinen. Meine Hände waren etwas grösser als ihre. Aber das war gut so. Irgendwas an mir musste ihr ja irgendwie voraus sein. Immerhin war ICH der Mann.
 

„Darf ich dein Skateboard haben?“ Rahel musterte mein Brett, dass ich mir unter den linken Arm geklemmt hatte.
 

„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Du machst immer die Achsen kaputt.“
 

„Dann kauf dir bessere.“ Rahel liess meine Finger los und legte einen Arm um mich. „Weisst du, Gerrit… Wenn du nicht mein Bruder wärst, hätte ich dich schon lange abgestochen. Echt.“
 

„Nie im Leben.“ Ich war mir da aber ehrlich gesagt selbst nicht so sicher…
 

„Du hast Recht.“ Rahel drückte mich fester an sich. „So doof bist du gar nicht, Gerrit-Boy. Und jetzt gib mir das Skateboard oder ich leg dir wieder einen Regenwurm ins Bett.“
 

„Es ist auch dein Bett, Rahel.“
 

„Ich weiss.“ Rahel grinste mich an. „Aber ich ekel mich nicht vor diesen Viechern. Also?“

Sie streckte ihre Hände aus. Sie wusste, was sie wollte und sie wusste, wie sie es bekommen würde.

Ich hatte keine Chance.
 

Ich seufzte, reichte ihr mein Skateboard und verabschiedete mich jetzt schon von meinem winzigen Taschengeld.

Es würde alles für neue Achsen draufgehen.
 

-.-.-.-
 

Unsere Mom war wieder einmal bei einer Probe und ich lümmelte mich in meinem Sessel herum.

Es sollte ein guter Tag werden. Immerhin war heute Samstag.
 

Rahel kam gegen ein Uhr mittags ins Wohnzimmer geschlurft und hatte ihre Schlafsachen noch an. Genau wie ich.

Am Wochenende wohnte hier jeder in seiner Schlafausstattung.
 

„Morgen“, sagte ich und hob die Schüssel mit Müsli, die ich mir vor ewiger Zeit gemacht hatte. Inzwischen waren die Flocken eklig aufgeweicht.
 

„Morgen...“ Rahel gähnte und streckte sich ordentlich. Sie stand immer so spät auf. Ich wurde wegen ihrem unruhigen Schlaf immer früh wach. „Mach mal Platz…“ Sie kletterte auf meinen Schoss und nahm mir das Müsli ab. Sie nahm sich einen Löffel davon und verzog das Gesicht. „Wäh. Ist ja schon aufgeweicht…“
 

Ich grinste leicht und legte meine Hände auf ihre Hüfte. „Das kommt davon, wenn man seinem Bruder immer alles abholt.“
 

„Schande über mich.“ Rahel stellte die Schüssel auf den Boden und legte ihren Kopf auf meine Schulter. „Wo ist Peppe?“
 

„Unterwegs. Ich glaub, er hat heute Training.“
 

„Ich versteh immer noch nicht, wie man jemanden wie Peppe auf einen Fussballplatz lassen kann…“ Rahel pustete gegen meinen Hals. „Der Kerl ist eine Gefahr für den Kunstrasen.“
 

Ich schob meine Hände unter ihr Schlafshirt und berührte ihren warmen Rücken. Ich schob meine Finger weiter nach oben, bis ich den Verschluss ihres BHs spürte.

„Sind die Teile nicht unbequem?“
 

Rahel nickte. „Die Pest, glaub mir. Willst du ein paar haben?“
 

Ich schüttelte den Kopf. „Lass mal…“
 

Rahel nickte. „Dacht ich mir. Verpasst nichts, glaub mir.“
 

Nach diesem wenig geistreichen Gespräch schauten wir ein paar Sendungen im Fernseher an und taten das, was wir jeden Samstag bis zur gnadenlosen Erschöpfung taten.

NICHTS.

Ein alles überwucherndes NICHTS.
 


 

Gegen Abend kam Mom nach Hause und platzte in eine angeregte Diskussion ihrer Kinder hinein, was man auf eine einsame Insel alles mitnehmen würde.
 

Man durfte zwei Sachen mitnehmen.
 

„Eine hübsche Frau und einen mit Solarenergie betriebenen Fernseher.“ Peppe war sich seiner Sache ganz sicher. „Was willst du mit einem Kühlschrank, Gerrit? Die Insel hat keinen Strom.“
 

Ich schüttelte den Kopf. „Eine Kühltruhe, kein Kühlschrank. Die wird mit so Akkus betrieben und wenn die ausgehen, ersauf ich mich im Meer.“
 

Rahel schlug mit ihrer Faust auf den Küchentisch. „Ha! Ich würde einen Helikopter mitnehmen, den ich fliegen könnte. Dann kann ich immer hin und her fliegen und mich verkrümeln, wenn es mir auf der Insel zu doof wird.“
 

„Und was noch?“ Ich stiess meine Schwester an. „Es müssen ZWEI Sachen sein.“
 

Peppe nickte eifrig. „Klare Sache, Rahel. Selbst du Kratzbürste stehst nicht über dem Gesetz.“

Rahel nickte. „Schon gut, heult nicht gleich. Als zweites würde ich dann Gerrit mitnehmen.“
 

„Den?“ Peppe schüttelte den Kopf. „Als deinen Lakai, oder was?“
 

Rahel schüttelte ebenfalls den Kopf. „Gerrit hat ziemlichen Unterhaltungswert, du Trottel. Dein beschissener Solarenergie-Fernseherscheissdreck kann dagegen einpacken, Peppe.“
 

„Rahel…“ Mom hatte den Brief von der Schule gefunden. Er lag seit gestern Abend auf der Arbeitsfläche neben der Spüle und hatte gelangweilt auf diesen Moment gewartet. „Was ist das hier?“ Sie klang wie immer ruhig.
 

„Hohe Worte“, sagte Rahel sarkastisch. „Den Göttern scheint mal wieder die Sonne aus dem Arsch und sie wollen dir nur einen Gruss ausrichten.“
 

„Du hast dich schon wieder geschlagen?“ Mom sah Rahel ernst an. „Was war es diesmal?“
 

„Ich hab mich nicht geprügelt. Ich hab Martin den Idioten nur kurz getreten. Er wollte sich einfach nicht verpissen.“ Rahel verschränkte die Arme. „Willst du jetzt meine Innereien herausnehmen und mich ins Fegefeuer stecken, Mom?“
 

Mom seufzte und schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht, Rahel.“
 

„Also.“ Meine Schwester nickte zufrieden. „Dann ist die Sache erledigt.“
 

„Ein Bett“, sagte ich plötzlich und stiess Rahel an. „Ich hol noch ein Bett mit.“
 

Rahel dachte darüber nach. „Und dann? Man kann auch auf Sand schlafen.“
 

„Ich nicht.“ Ich war fest entschlossen. Ich würde dieses eine Mal gewinnen. Nur einmal.
 

„Vergiss es, Gerrit-Boy.“ Rahel stand auf. „Mom, sag deinem verdammten Sohn mal, dass er ein riesen Waschlappen ist.“
 

„He!“ Peppe schnaubte. „Kann ja nicht jeder so…“
 

„Ich mein Gerrit, Peppe.“ Rahel boxte ihren älteren Bruder gegen den Arm. „Dich Fotze fragt gerade keiner.“
 

„Rahel…“ Mom sah ihre Tochter ruhig an. Sie legte die Hände vorsichtig auf die Tischplatte und dachte nach. „Ist doch schön, wenn dein Bruder sich nicht von der Gewalt fangen lässt.“
 

„Er ist das totale Opfer in der Schule, Mom!“ Rahel funkelte mich an. Ich war schon wieder ohne zu fragen im Mittelpunkt des Geschehens. „Er könnte zumindest einmal den Mund aufmachen! Aber nein!“
 

„Lass ihn doch.“ Peppe grinste gehässig. „Gerrit ist nun mal ein ruhiger Typ. Ein riesen Langweiler.“
 

„Fick dich, Peppe.“ Rahel schnaubte. Sie war schlecht gelaunt. Keine Frage.
 


 


 

„Du bist ein riesen Idiot.“ Rahel kletterte gegen Abend neben mich ins Bett und klopfte mir auf den Brustkorb.

Wir würden wohl nie erwachsen werden…
 

Rahel liess sich plötzlich auf mich fallen und ich hatte das Gefühl, ich müsste kotzen. Mein Mageninhalt wurde unaufhaltsam Richtung Mund gedrückt.

„Geh runter!“ Ich schnappte wenig erfolgreich nach Luft und Rahel grinste gehässig.
 

„Das hast du dir selbst zuzuschreiben, du Blödmann.“ Meine Schwester strich mir durch die Haare und setzte sich dann neben mich.

Erleichtert und dankbar für die Atemluft setzte ich mich ebenfalls auf.
 

„Du willst mich echt umlegen, oder?“
 

„Natürlich.“ Rahel zuckte mit den Schultern. „Ich sorge nur dafür, dass du nicht ganz verweichlichst. Klar, Gerrit-Boy?“

Ich liess mich zurück auf die Matratze fallen und sah an die Decke.
 

„Bist du sauer auf mich?“ Rahel beugte sich so über mich, dass ihr Gesicht mir die Aussicht auf die Decke versperrte. „Sag schon.“
 

„Immer.“ Ich schob den Kopf meiner Schwester zur Seite und sie seufzte.
 

„Dacht ich mir doch. Du kannst keine Kritik vertragen, Baby. Immer fängst du an zu zicken, wenn man dir die Wahrheit sagt.“
 

„Du übertreibst ja auch immer.“ Ich setzte mich wieder auf. „Es ist meine Sache, ob ich mich wehre oder nicht, klar? Mein Leben. Nicht deins, Rahel. Wenn ich mich nicht mit so Idioten wie Martin prügeln will, tu ich es auch nicht.“
 

Meine Schwester boxte mich hart gegen die Schulter. „Ach?“
 

„Ja, ach! Du bist weder mein Babysitter, noch meine blöde Ersatzmama! Kapier das endlich, verdammt…“
 

Rahel drückte mich zurück auf die Matratze. Meine Hände drückte sie nutzlos neben meinen Körper.

Sie würde mich in Stücke reissen. Und ich würde verlieren. Wie immer…
 

„Du bist mein Bruder, Gerrit. Natürlich hab ich was zu sagen. Du hast kein Leben, Idiot. WIR haben eines, klar? Es gibt kein DU und MICH. Es gibt UNS. Du hast es mir versprochen.“
 

Ja. Und da war ich sechs Jahre alt und wurde mit einer Schaufel aus dem Sandkasten bedroht.
 

„Und wenn nicht?“ Ich versuchte Rahel direkt in die Augen zu schauen.

Die Brauen meiner Schwester zogen sich verärgert zusammen.
 

„Wie was wenn nicht?“, fragte sie gereizt. „Willst du jetzt echt mit mir diskutieren?“
 

„Ja.“ Meine Stimme krächzte so sehr, dass ich mich kaum selbst verstand.
 

Rahel starrte mich finster an, dachte angestrengt nach und ich hatte die ersten Minuten immerhin bereits überlebt.

Eine gute Leistung, meiner Meinung nach.
 

Rahels Finger strichen plötzlich über die Haut meiner Unterarme. Ich zuckte zusammen.

Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus. Es war überall gleichzeitig.

„Du kannst nicht diskutieren, Gerrit. Du bist viel zu blöd dafür.“
 

Ich öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder. Die Finger wanderten weiter.
 

„Du bist zu WEICH für dieses Business, Gerrit-Boy. Glaub mir.“ Rahels Finger berührten jetzt meinen Hals und wanderten zu meinem Schlüsselbein, indem sie sich unter mein T-shirt schoben. „Du bist eine Niete in diesem Gebiet. Das weisst du auch. Also lass den Scheiss und hör einmal in deinem Leben auf mich.“
 

Rahel hatte so kurze Fingernägel wie ich, aber es reichte, um mich damit leicht schmerzhaft zu kratzen.
 

„Au!“ Ich bog den Rücken durch. „Bist du irre?!“
 

Meine Schwester nickte und drückte ihren Mund auf meine Stirn. „Klar doch. Wieso auch nicht?“
 

„Du nervst!“ Ich schob Rahel von mir weg. Ihre Nähe machte mich nervös und ich wollte laufen.

Egal wohin. Einfach weg von Rahel.
 

„Du auch, Gerrit.“ Rahel stand von mir auf. „Du wirst mich nicht los, Gerrit. Stell dich also nicht so an.“
 

Ich schnaubte und drehte mich auf den die Seite.
 

Ich wusste selbst, dass Rahel mich nicht in Ruhe lassen würde. Nie.

Hübsche Carla, Planet der Affen und Rahels Kuss

3/5
 

Es war ein guter Plan.

Zwar nicht genial, aber gut.
 

Ich war auf den Grund meiner Probleme getaucht - von elf Uhr nachts bis drei Uhr morgens - und war fündig geworden. Ich hing nur deswegen so viel mit Rahel rum, weil wir keine Freunde hatten. Peppe lebte mit uns unter dem gleichen Dach, hatte aber seine Ruhe vor uns.

Er hatte Freunde, war oft auf Tour und genoss noch ganz andere Dinge wie Freundin und Sex.

Ich hatte gar nichts von diesen Sachen. Rahel auch nicht, aber sie war selbst daran Schuld.
 

Ich war nur der graue Niemand, der immer im Hintergrund stand, wenn seine bekloppte Schwester wieder einmal um sich schlug.

Mehr nicht.

Und daran wollte ich auch gar nichts ändern, bis auf die Sache mit Rahel und dem wild um sich schlagen.
 

Ich hatte mir über Nacht einen Plan ausgedacht, der vielleicht alles irgendwie leichter machen würde.

Die schwere Last namens Rahel würde verdrängt werden und es wäre Platz für andere Dinge da.

Als erstes wollte ich mich unter die Leute mischen.

Zwar war wenig Erfolg in Sicht, aber wenn ich endlich meinen Schweinehund aus der Wohnung schmiss und mich in der Klasse umsetzte, würde ich vielleicht sogar ein Wort mit jemanden gewechselt bekommen, der nicht mit mir verwandt war.
 

Ich stand am Morgen um sechs Uhr auf und schlich mich leise aus der Wohnung.
 

Den Schulweg ohne Rahel gehen.
 

Es war der erste Schritt in die Freiheit, die ich dringend bräuchte. Es ging einfach nicht mehr.

Rahels Nähe setzte mich unter einen unglaublichen Druck und ich bekam Panik.

Sie hatte es einfach zu weit getrieben gestern. Und das sollte sie ruhig einmal spüren.
 

Um viertel vor acht Uhr war ich der erste Schüler im Klassenzimmer und überredete den höchst verwirrten Herr Schmitz zu einem Sitzplatzwechsel.

Mein Lehrer schob sich immer wieder seine hässliche Brille zurecht und konnte es scheinbar nicht fassen, dass er MICH alleine und pünktlich sah.

Normalerweise kam ich immer mit Rahel auf den letzten Drücker.
 

„Ich…“ Herr Schmitz räusperte sich. „Nun, Gerrit… Das ist etwas spontan. Ich kann nicht jeden nach Lust und Laune so sitzen lassen, wie er will.“
 

„Geben Sie mir einfach nur einen Platz, egal wo. Aber ich will nicht weiter neben Rahel sitzen. Sie… äh… behindert meine… äh… Aufnahmefähigkeit. Genau! Die behindert sie total!“

Das war sogar besser als ich dachte.
 

Herr Schmitz musterte mich abschätzend. Er wusste genau so gut wie ich, dass ich mich noch nie um grosse Aufnahmefähigkeit bemüht hatte.

Ausserdem traute er mir nicht. Würde ich mir ehrlich gesagt aber auch nicht, wenn ich mich nicht selbst kennen würde.

„Gut.“ Er seufzte. „Ich setz dich neben Carla. Sie redet mir ohnehin zu viel mit ihrer Banknachbarin Natascha.“
 

„Und Natascha?“ Ich wusste nicht einmal, dass die zwei Mädchen ein paar Reihen vor mir überhaupt Namen hatten.

Natascha war aber vermutlich die Russin mit den kurzen Haaren, die ständig bei Biologie-Filmen einschlief.
 

„Die sitzt neben deiner Schwester. Rahel würde es sicher gut tun, mal jemand anderes neben sich zu haben.“
 

Natascha aber vermutlich weniger. Ich gab dem Mädchen drei Minuten, dann würde sie vor Verzweiflung aus dem Fenster springen. Mit Sicherheit.
 

Herr Schmitz trug die Änderung im Sitzplan vorne im Pult ein und nickte. Er hielt sich für einen Held. Keine Frage.

„So. Noch einmal ändern tu ich nicht, Gerrit.“
 

„Danke.“ Ich liess mich auf meinen neuen Platz nieder und wartete auf den Rest der Klasse.

Die meisten kamen in der Regel zwanzig Minuten vor Unterrichtsbeginn und es herrschte kurz Verwirrung, als die braungebrannte Carla mit dem neuen Sitzplan konfrontiert wurde.
 

Herr Schmitz erwies sich als echter Kumpel und meinte, es wäre eine Massnahme wegen dem Geschwätz der beiden Mädchen. Er erwähnte kein Wort davon, dass ich ihn darum gebeten hatte.

Natascha rastete völlig aus, als sie mitbekam, neben wem sie sitzen musste und wollte zum Schulsprecher, wurde jedoch ziemlich schnell wieder ruhig, als sie eine Verwarnung von Herr Schmitz bekam.
 

Angepisst liess sich die Russin auf meinen alten Platz fallen und hoffte mit Garantie, dass Rahel krank war.
 

Meine Schwester war aber nicht krank, sondern platze mit einer Verspätung von 30 Minuten plötzlich ins Klassenzimmer.

Ihre Haare standen ihr so wirr vom Kopf ab, dass man meinen könnte, sie hätte in eine defekte Steckdose gegriffen. Ihre Schuhe waren nicht einmal gebunden und man sah ihr an, dass sie sich den Pulli und die Hose in aller Eile angezogen hatte.
 

Rahel fixierte mich neben Carla und schob sich einfach an Herr Schmitz vorbei, der sie tadelnd angesehen hatte.

„Du Arsch!“, fauchte Rahel aufgebracht und trat gegen meinen Tisch. „Was soll der Scheiss?!“
 

„Rahel, ich verlange sofort einen anderen Ton!“ Herr Schmitz zog meine Schwester vom Tisch weg. „Ich hab deinen Bruder aus guten Gründen umgesetzt. Wenn es dir nicht passt, ist das deine Sache. Setz dich jetzt hin.“
 

Herr Schmitz war ein toller Hecht. Ich hatte ihn die ganzen Jahre nie wirklich beachtet und in dem Glauben gelebt, er wäre so schräg wie sein Schnurrbart.

Dabei war er zweifelsfrei MEIN Retter.
 

„Einen Scheiss mach ich!“ Rahel warf Carla noch einen giftigen Blick zu und wütete dann bei Natascha weiter.

Nach wenigen Minuten hatten die beiden Mädchen sich so in den Haaren, dass sie beide einen Klassenbucheintrag bekamen.
 

Den restlichen Unterricht spürte ich Rahels Blick starr auf meinem Nacken.

Carla neben mir beachtete mich nicht gross und fragte nur einmal nach einem Radiergummi.

Hier war ich genau richtig.
 


 

Stück für Stück funktionierte es. Ich musste mich zwar in der fünf Minuten Pause im Besenschrank des Hausmeisters verstecken und auf meine morgendliche Cola aus dem Automaten einen Stock höher verzichten, aber das war es mir wert. Ich würde auf alles verzichten, solange ich Rahel nicht begegnen musste.
 

Ich hatte noch nie so sehr das Läuten der Schulglocke genossen wie heute. Kurz nach dem klingelnden Terror verliess ich mein Versteck und stolperte gerade aus der Besenkammer, als Carla mit Natascha und ein paar anderen Mädchen um die Ecke kam.
 

„Der Spinner.“ Natascha schnaubte und blieb nicht einmal stehen. „So Typen wie du kommen immer aus der Besenkammer. Sieht man in jedem Film.“
 

Carla stiess Natascha mit ihrem Ellbogen an und grinste. Sie war seit dem letzten Urlaub in Spanien unglaublich braun und ihre Zähne strahlten fast weiss aus ihrem Gesicht. „Alles okay?“

Sie blieb sogar kurz stehen und sah mich direkt an.
 

„Bestens.“ Ich räumte einen umgestürzten Wischmopp zurück und schloss schnell die Tür. In Sekunden war ich im Klassenzimmer und stürzte förmlich auf meinen Sitzplatz.

Gerettet.
 

Dachte ich zumindest. Unsere Lehrerin in Biologie kam immer zu spät und so sah Rahel die Chance, auf die sie den ganzen Morgen schon gewartet hatte.
 

„Was soll der Scheiss, Gerrit?“ Meine Schwester liess sich auf den Stuhl von Carla nieder. „Du warst heute Morgen einfach weg. Hat dir etwas ins Gehirn gefickt, oder was?“
 

Ich starrte stur an die Tafel. „Geh weg.“
 

„Einen Scheiss mach ich, Gerrit.“ Rahel stiess mich an. „Was soll diese Aktion? Willst du mich für etwas bestrafen, oder wie? Muss ich dir jetzt zu Kreuze kriechen, oder was?“
 

„Entschuldige.“ Carla war mein zweiter Retter an diesem Tag. Sie hatte das Klassenzimmer leise betreten und stellte sich mutig hinter ihren Stuhl. „Du sitz auf meinem Platz.“
 

„Oh!“ Rahel drehte ihren Kopf in Carlas Richtung. „Verzeih mir! Wie dumm von mir! Ich vergass ja völlig, dass mein Bruder den verdammten Arsch auf hat und sich unter deinem zu kurzen Rock verkriechen will!“

Rahel stand so abrupt auf, dass der Suhl umkippte, Carla zurückwich und alle Augen auf uns klebten.

Meine Schwester schaffte es einfach immer wieder, sich in den Mittelpunkt allen Entsetzens zu boxen.

Dummerweise riss sie mich wie immer mit.
 

Und dann, als es schon fast keine Hoffnung mehr gab, kam meine Lehrerin in Biologie in den Raum geflogen.

Sie entschuldigte sich mehrmals, ordnete schnell ihre Unterlagen und fing dann mit dem Unterricht an.

Rahel setzte sich auf ihren Platz und ich wusste, dass mich Zuhause ein riesen Donnerwetter erwarten würde…
 


 

Carla war für ein Mädchen ganz okay.

Auch wenn sie etwas viel über langweilige Dinge sprach, sie hatte eine nette Art an sich.

Sie schlug mich nicht, sie stiftete nicht aus reiner Freude Streit an UND sie war nicht mit mir verwandt.
 

„Cool, dass wir den fast gleichen Weg haben“, sagte Carla und sah auf den Boden. Es hatte sich nach Schulschluss herausgestellt, dass wir fast in derselben Strasse wohnten. „Wie war dein Name nochmal?“
 

„Gerrit“, sagte ich und steckte meine Hände tief in meine Hosentaschen. Ich nahm es ihr nicht übel, dass sie sich nicht meinen Namen merken konnte.

Ich war – wie schon gesagt – ein Niemand in der Klasse. Und dieser Platz gefiel mir.
 

„Oh, ja… Stimmt.“ Carla grinste leicht. „Du bist nicht sehr gesprächig, oder? Aber bei deiner Schwester wundert mich das nicht mal. Ist sie Zuhause auch so ätzend?“
 

Eigentlich mochte ich es nicht, wenn jemand etwas Negatives über meine Familie sagte, aber Carla hatte auf diesem Gebiet voll ins Schwarze getroffen.

„Ja“, sagte ich nur und sah kurz nach hinten.
 

Rahel folgte uns mit einiger Entfernung und sah mich so finster an, dass ich jetzt schon die bald anstehenden Schläge spüren konnte.
 

Ich beschleunigte meine Schritte und Carla machte es mir nach. Bei jedem Schritt wippten ihre schwarzen Locken und sie hatte die längsten Beine, die ich je gesehen hatte.

„Sie macht mir Angst“, sagte Carla plötzlich und drehte sich ebenfalls kurz nach hinten um. „Natascha meinte, sie wäre die Pest als Banknachbar.“
 

Ich sagte nichts.
 

„Hat sie sich die Haare wirklich selbst so zugerichtet?“ Carla sah mich interessiert an. Ihre braunen Augen funkelten so unschuldig, dass ich sofort misstrauisch wurde.

Ich traute Frauen nicht. Es wurde mir bereits in die Wiege gelegt, dass ich mit Misstrauen durch das Leben schlich.

Auch wenn mein Plan eine Freundin beinhaltete – es wurde verdammt nochmal dafür Zeit! – würde Carla nicht die richtige Person dafür sein.
 

Die Art, wie sie stolz durch die Gegend stolzierte, machte mich nervös. Aber nicht die Art Nervosität im Sinne von Angst, so wie ich es von Rahel gewohnt war, eher die Nervosität im Sinne von Verlegenheit.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. So Mädchen wie Carla verstanden nämlich alles mit Leidenschaft gerne falsch und ich fühlte mich… fehl am Platz.

Ja. Fehl neben Carla.
 

„Hat sie sich die Haare jetzt selbst geschnitten?“ Carlas Augen fixierten mich neugierig.

Sie war also auch noch ein Klatschweib…
 

„Was dagegen?“ Ich wurde wieder etwas langsamer. Das Gefühl, dass Carla zu sehr in mein Leben fuschte, tauchte plötzlich auf und bemächtigte sich meiner Sprachsteuerung. „Selbst wenn. Ist doch ihre Sache, oder?“
 

Carla nickte eilig. „Schon gut. Ich wollte ja nur nachfragen.“
 

Ich wollte gerade noch etwas sagen, aber Rahel sprang mich plötzlich von hinten an und schlang ihre Arme um meinen Hals.
 

Verdammt, ich wusste es! Ich hätte dem verfluchten Frieden und dem unglaublich hübschen Mädchen an meiner Seite nicht trauen dürfen.

So Typen wie ich bekamen NIE etwas umsonst.
 

„Verpiss dich, Mäuschen!“, fauchte Rahel Carla an und drückte fester zu. Ich versuchte nicht einmal, mich zu wehren. „Hau ab und lauf auf deinen Stöckelschuhen nach Hause!“ Rahel spuckte Carla dicht vor die Füsse. „Hörst du schlecht, Puppe? Verzieh dich!“
 

Ich wäre an Carlas Stelle vermutlich in Ohnmacht gefallen, aber diese verzog nur das Gesicht und reckte das Kinn nach vorne. „Lass ihn los.“
 

Ich sah verwirrt in das Gesicht von Carla. War sie Lebensmüde? Dämlicher als ich dachte? Oder einfach nur absolut bescheuert?
 

„Was?“ Rahel liess mich immer noch nicht los. Und es würde nur umso schlimmer werden, je mehr meine Schwester gereizt wurde. Natürlich für mich. Für wenn sonst?
 

„Lass ihn los!“ Carla trat mit einem Fuss auf den Asphalt. „Wenn er sich mit mir unterhalten will, darf er das auch!“
 

„Willst du das, Gerrit?“ Rahel drückte für eine Sekunde so fest zu, dass ich keine Luft mehr bekam und meine Knie nachgaben. „Willst du dich mit Schlampen unterhalten?“
 

„Du tust ihm weh!“ Carla schüttelte den Kopf. „Du bist wirklich irre, Rahel! Du hast einen riesen Schaden, weisst du das?!“
 

„Hat dich einer nach deiner Meinung gefragt, Prinzessin? Wenn du so scharf auf meinen Bruder bist, kann er sich ja gleich die Hose runterziehen und sich von dir eine blasen lassen!“
 

Ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss und wünschte mich weit weg. Sicher gab es wieder genug Zuschauer, damit auch bloss jeder die Story brühwarm miterleben konnte.
 

Carlas roter Mund klappte auf und sie blinzelte mehrmals mit ihren langen Wimpern. „Bitte was?“
 

„Du hast mich schon verstanden.“ Rahel liess mich endlich los. „Wir gehen, Gerrit!“

Meine Schwester packte mich grob am Handgelenk, aber ich riss mich los.

Was Carla konnte, sollte ich auch einigermassen hinbekommen.

Selbst wenn sie eine Klatschtante war… Ich wollte mich EINMAL wirklich durchsetzen.
 

„Nein.“
 

„Was?“ Rahel sah mich gross an. „Wie nein?“
 

„Nein.“ Ich fühlte mich für eine Sekunde wirklich gut. Wie ein echter Mann, oder so. Dann kam das schlechte Gewissen. Es zuckte wie ein Stromschlag durch meinen Körper und ich spürte, wie ich wieder weich wurde.
 

Rahel starrte mich immer noch an. Sie sagte nichts und blickte schliesslich zu Carla.
 

Diese hatte die Arme verschränkt und musterte meine Schwester abschätzig. „Du hast ihn gehört, Freak. Verpiss DU dich.“
 

„Was zum Teufel ist los mit dir?!“ Rahel stiess mich plötzlich fest nach hinten und ich landete mit dem Rücken auf dem kalten Asphalt. „Gestern Abend warst du noch normal, verdammt!“
 

Dann lief sie los. Rahel rannte so plötzlich über sie Strasse, dass ein vollbesetzter Schulbus ziemlich bremsen musste.

Der Busfahrer schlug verärgert auf die Hupe, meine Schwester interessierte das aber nicht viel.
 

Carla half mir tatsächlich hoch. „Sie sollte eine Therapie machen“, sagte sie und ich starrte auf ihren Mund.

Er war wirklich ROT.

Carlas Wangen wirkten trotz ihrer Bräune rosig und ihre Hände waren unglaublich zart.

Ihre Beine, welche in einer durchsichtigen Strumpfhose steckten, waren perfekt und einfach nur göttlich.

Klare Sache: Ich musste hier weg. So schnell wie möglich.

Ich traute keinen Frauen, die sich so hermachten wie Carla. Irgendwo war nämlich immer ein Haken.

Und wenn solche Frauen auch noch wirklich Interesse an mir zeigten, dann war schon dreimal was faul an der Sache.
 

Was hatte ich mir dabei nur gedacht?!
 

Ich rannte wie Rahel einfach los und ignorierte Carlas verwunderte Rufe.
 


 

Ich war klatschnass, als ich Zuhause die Treppe im Altbau nach oben lief und halb verreckend die Wohnung betrat.

Ich streifte meine Schuhe ab, lief in Socken an der Küchentür vorbei und lief wieder zurück, da ich vergessen hatte die verdammte Wohnungstür zu schliessen.
 

„Gerrit?“ Moms Stimme drang aus der Küche. Die Tür war nur angelehnt und ich spähte in den Raum.
 

„Ja?“
 

Mom sah unglaublich hübsch aus. Sie hatte die Haare zusammengebunden und sich für irgendjemanden herausgeputzt.

„Was machst du für eine Hektik? Ist etwas passiert?“
 

„Indirekt.“ Ich musterte Moms Aufmachung. „Kommt ein Typ zu Besuch?“
 

Mom lachte, packte weiter Kekse in den zurechtgemachten Korb und schüttelte schliesslich den Kopf. „Nein, Schatz. Ich hole ein paar Kekse mit zur Premiere.“
 

„Die ist heute?“ Auch wenn ich mich vor den Proben immer drückte, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Immerhin war die Leidenschaft meiner Mom mir so egal, dass ich nicht mal ihren grossen Abend wirklich mitbekam. Ich setzte ein schräges Grinsen auf. „Viel Glück.“
 

„Danke, Schatz.“
 

Ich trat die immer noch offene Wohnungstür zu und eilte in unser Zimmer.
 

Und dort blieb ich mit nassen Kleidern und einem schlechten Gewissen stehen.
 

Rahel lag mit nur einer Boxershort und einem BH bekleidet auf dem Bett, starrte an die Decke und knirschte mit den Zähnen.
 

Hier stimmte was nicht. Das Gefühl hatte ich schon, als Rahel mich nicht gleich bei der Tür zusammengeschlagen hatte.

Entweder Rahel hatte eine Sinneswandundlung in der letzten halben Stunde erlebt oder sie lag bereits im Sterben. Anders konnte ich mir das sonst nicht erklären.
 

Ich fing an, meine nassen Kleider auszuziehen und trockene Kleidung aus dem Schrank herauszunehmen.

Rahel schrie mich immer noch nicht an, noch schlug sie mich brutal zusammen.

Hier lief was schrecklich verkehrt.
 

„Ich will nicht, dass du mit anderen Mädchen redest.“ Rahels Stimme packte mich plötzlich von hinten und ich zuckte leicht zusammen.

Ich hasste es, wenn man mich von hinten ansprach. Es gab einem nur mehr das Gefühl, dass man völlig Schutzlos war.

„Hast du gehört?“ Rahel klang angespannt. Ganz so, als würde sie doch noch vor Wut schreien. „Ich mein es ernst, Gerrit.“
 

Ich zog mich langsam an, drehte mich zum Bett und blieb beim Kleiderschrank stehen. Ich konnte nichts dagegen tun und starrte wie hypnotisiert auf Rahels roten BH mit den Totenköpfen.

Gott, wäre das ein Leben als Büstenhalter… Ich würde sofort mit dem Stück Stoff tauschen. Keine Frage.

Ausserdem war es bei weitem besser als direkten Augenkontakt mit Rahel aushalten zu müssen.
 

Rahel setzte sich auf. Ihre nassen Kleider lagen ebenfalls auf dem Boden des Zimmers. „Hörst du mir überhaupt zu? Egal was dich gefickt hat, werde wieder normal. Hörst du? Was willst du von dieser geschminkten Schlampe?“
 

Rahel schrie immer noch nicht wirklich. Ihr Blick fixierte mich und ich wusste, dass sie wusste, dass ich ihr auf den BH starrte.

Ich war vermutlich der einzige Typ auf der Welt, der je diese Zone über dem Bauchnabel sehen durfte.

Das merkwürdig warme Gefühl stieg wieder auf, was sonst immer nur dann auftauchte, wenn ich Rahel körperlich nah war.

„Ich…“ Was ich? Ich Vollidiot wusste ja nicht einmal meinen eigenen Namen, wenn meine Schwester halbnackt auf unserem Bett lag und wollte wirklich streiten?!

Ich war in eine Falle getappt. Und Rahel hatte sie vermutlich nicht mal absichtlich gelegt.
 

„Du?“ Rahel stand vom Bett auf. Ich beobachtete jede ihrer Bewegungen. Ich schluckte nervös, als die nackten Füsse meiner Schwester den Boden berührten und sie mit der Zunge an ihrem Lippenpiercing herumspielte.

Das machte sie immer, wenn sie über etwas nachdachte.
 

„Du… Ich… Das geht dich nichts an!“ Ich nickte einmal zu viel und fuhr mir nervös durch die Haare. Gott, konnte sie sich nicht einfach was anziehen?!
 

„Natürlich. Du warst heute Morgen einfach weg und ich hab mir schon irgendwelche Entführungsszenen ausgemalt…“
 

„Echt?“ Ich musterte Rahel misstrauisch. „Du hast dir Sorgen gemacht?“
 

Rahel schnaubte, „Natürlich nicht, Idiot… Okay. Ein wenig.“
 

„Nur ein wenig?“ Ich wollte mehr. Ich wollte Millionen schmerzhaft süsser Worte, wie wichtig ich ihr war und lauter übertriebende Entschuldigungen dafür, dass sie sich ständig in mein Leben mischte.

Aber die Frau vor mir war Rahel. Sie würde nie Gefühle aussprechen. Selbst dann nicht, wenn ihr verdammtes Leben davon abhängen würde.
 

„Ein wenig viel, okay? Ich dachte echt, diese verdammten Affen aus dem Film Planet der Affen hätten dich verschleppt.“ Rahel schnalzte mit der Zunge. „Affen kann man nämlich nicht trauen, weiss doch jedes Kind…“
 

Ich musste plötzlich grinsen. Auch wenn ich bis zum Zerreissen nervös war, konnte ich das Zucken um meine Mundwinkel nicht aufhalten.

Seit wir als Kinder einmal heimlich den Film mit dem Affenplanet geschaut haben, hatte Rahel Angst vor Affen-Gangs, die die Menschheit auslöschen wollten.

Abgedreht, aber irgendwie auch verständlich.

Rahel war als elfjähriges Mädchen einmal im Zoo sogar schreiend an dem Käfig mit den Affen vorbei gelaufen und hatte allen Besuchern entgegen gebrüllt, sie sollten um ihr verdammtes Leben laufen.
 

Keiner aus der Familie war seitdem je wieder in einem Zoo gewesen.
 

„Dachtest du?“ Ich lehnte mich leicht gegen das Holz hinter mir. Der Schrank bot zwar keinen Schutz, aber ich fühlte mich angenehm unterstützt.
 

Rahel schnaubte. „Und dann komme ich ins Klassenzimmer und was sehe ich?! DU sitzt neben dem grössten Affen der Welt! Hab ich dir was getan, oder was?! Und dann gehst du mir in den Pausen auch noch aus dem Weg!“
 

Rahel wurde laut. Das war… beruhigend. So schwer es mir auch fiel, ich hatte es irgendwie vermisst.

Auch wenn ich nur wenige Stunden versucht hatte, mit einem blöden Plan ein eigenes Leben zu haben, hatte ich den Lärm meiner Schwester wirklich vermisst.

Gefürchtet, aber auch irgendwie wieder herbeigesehnt.
 

„Ich kann sitzen neben wem ich will, Rahel. Das ist… mein Leben.“ Ich merkte selbst, dass der Spruch lächerlich rüberkam. Ich nahm mich nicht einmal selbst ernst.

Auch wenn ich vor wenigen Stunden noch hart entschlossen war, floss mein Vorhaben nun einfach an mir vorbei. Und ich konnte nichts daran ändern.

Nicht, solange Rahel immer näher kam.
 

Mein Leben? Das klang abgedroschen. Keine Ahnung, wieso ich die Nacht damit verbracht hatte einen Plan der eigenständigen Revolte zu schmieden…

Ich hatte sogar richtig um einen anderen Sitzplatz gekämpft und sass jetzt neben einem verdammt hübschen Mädchen, das mich noch mehr verunsicherte als meine Schwester.
 

War das wirklich eine Verbesserung?
 

Dicht vor mir blieb Rahel stehen. Sie starrte mir direkt in die Augen.

Ich starrte wenig erfolgreich zurück.
 

„Dir hat einer ins Gehirn gekackt, Gerrit. Echt.“ Rahel trat mir absichtlich auf die Füsse und ich drückte mich noch mehr gegen den Kleiderschrank.
 

„Du solltest verboten werden, so blöd bist du.“ Rahel setzte wieder ihren Psycho-Blick ein und ich wollte nur noch weg.

Ich sah die Faust schon auf mich zufliegen, bevor Rahel überhaupt die Hände zu Fäusten ballte.
 

Mit den kurzen und wirr vom Kopf abstehenden Haaren sah meine Schwester aus wie eine Kriegerin, die man mit Stromschlägen quer durch die Schlacht gefoltert hatte.
 

Und dann küsste Rahel mich.
 

Nicht wie sonst, auf diese kameradschaftliche irgendwie lockere Weise. Auch nicht wie bei Oma, als sie mir den Sünden-Kuchen auf den Teller geklatscht hatte.

Rahel Pfaffner, die verdammte Irre und meine leibliche Schwester, küsste mich RICHTIG.
 

Ihr Mund drückte sich fest gegen meinen und ich spürte auf eine angenehme Weise den Ring in ihrer Unterlippe.

Ihre Hände schoben sich langsam unter mein sauberes T-shirt und ich lehnte mich gegen sie.

Ich kam ihr auf eine verboten geklungene Art entgegen, indem ich ihren fast nackten Rücken mit meinen Händen berührte und sie so fest an mich drückte, dass ich beinahe keine Luft mehr bekam .

Mein Hirn war Brei und machte einen feigen Abgang, indem die untere Körperhälfte die Kontrolle an sich riss.
 

Rahels Haut unter meinen Fingern war warm und ihre Hände strichen langsam meinen Rücken rauf und runter.

Rauf und runter…

Rauf und…

Runter...?
 

Rahels Finger berührten mein Steissbein und strichen vorsichtig über die Haut.

Ich zuckte leicht zusammen, da es irgendwie kitzelte und verstörend zu gleich war.

Ohne gross an Folgen zu denken machte ich es meiner Schwester einfach nach.
 

Meine Finger berührten warme Haut, wo sie absolut nichts zu suchen hatten und ich drückte meinen Mund fester gegen den von Rahel.

Sie schmeckte nach Orangensaft und MEINEM Kaugummi, an dem sie sich immer ohne zu fragen bediente…
 

Rahel löste sich mit einem Ruck von mir und ich zog meine Hände wie unter einem Stromschlag zurück.

Ich starrte meine Schwester an und diese starrte zurück.
 

„Du hast einen Ständer, Gerrit.“ Rahel schnippte mir fest gegen die Stirn. Sie war erschreckend ruhig. „Bist doch männlicher als ich dachte, Mädchen.“
 

Ihr Sarkasmus prallte völlig an mir ab. Ich machte mir nicht einmal die Mühe irgendwas abzustreiten und konzentrierte mich ganz darauf, einen verdammten Nervenzusammenbruch zu erleiden.

Meine Beine gaben langsam nach und ich rutschte mit dem Rücken langsam den Kleiderschrank entlang Richtung Boden.
 

OH MEIN GOTT!
 

Ich nahmt tief Luft, vergass jedoch das Ausatmen und verschluckte mich. Ich hustete kurz und kniff dann die Augen fest zu.

Rahel ging neben mir in die Knie. „Gerrit?“
 

Ich spürte ihre warme Hand an meinem Hals und mein Puls beschleunigte sich wieder.

Gotteswillen! Sie soll mich nicht anfassen…

Ich… Sie…

Meine Schwester, heilige Scheisse!
 

„Hau ab.“ Ich versuchte Rahel mit meinen Beinen von mir fern zu halten, aber sie lehnte sich provozierend extra weiter nach vorne.

Ihre Gewicht zwang meine Beine wieder zu Boden und ich ächzte leidend auf.
 

„Vergiss es, Idiot.“
 

„Lass mich…“ In Ruhe? Mein eigenes Leben leben? Auf dem Boden sterben?

Scheisse, was wollte ich sagen?!
 

Rahel seufzte. „Es hat ja keiner mitbekommen, Gerrit. Mach keine Show.“
 

Keine Show?! Meine eigene Schwester hatte mich RICHTIG geküsst und als wäre das nicht schon genug, sprang mein Körper ohne Zweifel darauf an.

Ich war geliefert. Im Eimer. Adieu, du Leben mit reiner Weste.
 

Rahel setzte sich auf meine Knie und ich ächzte erneut, da meine Beine durch diese Belastung unangenehm gerade durchgestreckt wurden.
 

„Das darf man nicht“, sagte ich ernst. Ich sah meine Schwester zum ersten Mal WIRKLICH in die Augen. „So was ist verboten, Rahel.“
 

Geiles Kommentar für jemanden, der sich nicht gerade gegen den Kuss gewehrt hatte.

Ich hatte eigentlich am wenigsten den Moralapostel zu spielen, da ICH es war, der erregt auf dem Boden des Zimmers sass und sterben wollte.

Nicht Rahel.
 

„Was?“ Rahel hob beide Augenbrauen. „Küssen ist verboten? Väter küssen ihre Kinder. Mama küsst dich ab und zu und Peppe…“
 

„Aber nicht so!“ Sie wusste es. Rahel wusste es ganz genau.
 

„Ah.“ Rahel nickte langsam. „DAS meinst du also. Wie böse von mir, verzeih mir.“
 

Die Zimmertür ging plötzlich auf und Peppe lugte in den Raum.

Er wunderte sich inzwischen über gar nichts mehr und machte sich nicht einmal die Mühe, nach irgendwelchen Erklärungen zu fragen.

Rahel war Rahel und hatte einen an der Klatsche. Das reichte meinem Bruder als Erklärung dafür, dass unsere Schwester halbnackt auf meinen Beinen sass und ich verstört dreinschaute.

„Mom fragt, ob wirklich keiner von uns mit zur Premiere will.“ Peppe verdrehte die Augen. „Sie würde sich echt freuen, aber es muss ja keiner, wenn er…“

Den Satz leierte er jedes Mal runter, wenn Mom ihn schmeichelnd darum bat, doch Sicherheitshalber noch einmal mich und Rahel zu fragen.
 

Dieses Mal waren es die schönsten Worte meines Lebens, die je aus Peppes dämlichen Mund gekommen waren.
 

„Ich will mit!“ Mein Hirn schaltete in Sekunden. Ich schob Rahel von mir weg, nickte übertrieben und schaffte es doch noch, Peppes Mund aufklappen zu lassen.
 

„Was?“ Mein Bruder glotzte mich an. „Hast du gekifft, oder was?“
 

Ich eilte zum Kleiderschrank, nahm meinen selten gebrauchten Anzug und eilte an Peppe vorbei.

Die Erregung war purem Entsetzen gewichen und ich wollte nur noch weit weg. Weg von Rahel. Von mir aus auch ans andere Ende der Welt.
 

Mom schaute ebenfalls nicht schlecht, als ich innerhalb weniger Minuten fein angezogen und parat vor ihr stand und sie richtig dazu drängte, endlich die verdammte Wohnung zu verlassen.

Bevor überhaupt einer Widerrede einlegen konnte, sass ich neben Mom im Auto und fuhr zur Premiere, die mich noch nie zuvor interessiert hat.
 

Im Spiegel vom Auto konnte ich sehen, wie bleich ich war. In meinem Gesicht stand das blanke Entsetzen von einem Jungen geschrieben, der sich von seiner Schwester auf eine verbotene Art küssen liess.

Ein Junge, der die ganze Scheisse auch noch genossen hatte. Kein Zweifel.

Mom würde mich aus dem Auto kicken, wenn sie das wüsste…
 

„Danke.“ Mom legte plötzlich ihre Hand auf mein Bein und sah mich kurz an. Sie lächelte und sah wieder auf die Strasse. „Ich freu mich, dass du mitfährst.“
 

„Ich mich auch.“ Ich sank tiefer in den Beifahrersitz und wollte nur noch sterben.
 

Ich war ein Schwein. Ein echt übles Schwein…

Himmel, Arsch und ...

4/5
 

Die Aufführung war bis auf den letzten Platz ausverkauft und ich sass neben einer kräftigen Frau in der ersten Reihe.

Direkt in der Mitte, damit ich auch alles sah.

Keine Ahnung, wie Mom mir diesen guten Platz noch so spontan besorgen konnte, aber wahrscheinlich buchte sie jedes Jahr heimliche Plätze für mich und Peppe, in der Hoffnung, dass wir doch irgendwann mitkämen.

An Rahel wollte ich nicht denken.
 

Nicht in dem düsteren Saal, in dem alles nach Parfüm roch und ich ständig das Gefühl hatte, dass ich mir selbst vor die Füsse kotzen müsste.
 

Meine Mom trug zum Glück diesmal Kleider. Sie hatte hübsche Sachen an, auch wenn es nicht unbedingt viel war.

Sie spielte so überzeugend, dass es kaum auffiel, dass sie kaum Text sprach.

Wenn man sich wirklich auf die Gesichter der Schauspieler konzentrierte, brauchte es eigentlich gar keine Worte, um den Lauf der Geschichte zu verstehen.
 

Ach du Scheisse. Entweder ich war vor Verzweiflung erleuchtet worden und kannte jetzt alle Geheimnisse der Welt, oder aber meine Erkenntnis kam daher, weil ich den Schauspielern die ganze Zeit wie bescheuert ins Gesicht glotzte.
 

„Geht es Ihnen gut, junger Mann?“ Die Frau neben mir sah so reich aus, dass sie es sich locker leisten konnte, mich anzusprechen.

Normalerweise hörte man direkt ein gereiztes „Psst!“ von anderen Gästen, wenn man den Mund aufmachte.
 

„Klar“, krächzte ich leise.
 

„Psst!“, zischte der Typ im Anzug hinter mir. Sag ich doch…
 

„Sie sehen blass aus.“ Die Frau musterte mich mitfühlend. „Ihre Mutter da oben spielt unglaublich.“
 

Ich sah die Frau verwirrt an. „Woher wissen Sie…“
 

„Psst!“ Der Typ im Anzug hinter mir räusperte sich jetzt sogar und trat leicht gegen meinen Sitz.
 

„Ich kenne sie. Wunderbare Frau.“ Die Frau wand sich wieder dem Geschehen auf der Bühne zu und ich drehte kurz den Kopf, um den Mann hinter mir Vorwurfsvoll anzusehen.

Er beachtete mich gar nicht, sondern starrte auf die halbnackten Schönheiten, die einen merkwürdigen Tanz aufführten.
 

Trotz der schlechten Kritiken gab es immer noch genug notgeile Penner, die sich eine teure Karte für diese 45 Minuten Theater kauften.

Aber das war okay. So Penner wie der Typ da bezahlten sozusagen unsere Miete.
 

Die Musik wurde schneller und ich hatte keine Ahnung, um was es im Moment eigentlich ging.
 

„Wo sind Ihre Geschwister?“ Die reiche Frau beugte sich zu mir rüber. „Oder sind Sie der alleinige Begleiter Ihrer Mutter?“
 

Ach du heiliger Franziskaner! Wo hatte die denn unsere Sprache gelernt?! Alleiniger Begleiter? Alles klar… Wirklich.
 

„Äh…“
 

„Psst!“ Wieder der Mann, aber diesmal bekam er selbst ein „Psst!“ von der Frau neben sich zugeschleudert.
 

„Wunderbar!“ Die Frau sprang plötzlich mit ihrem massigen Körper auf. Einige machten es ihr nach und pfiffen sogar mit den Fingern.

Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass das Stück zu Ende ging.
 


 

Nach dem Theater gab es noch Sekt und Kuchen hinter der Bühne. Natürlich auch Moms Kekse, die ich mir direkt unter den Nagel gerissen hatte.

Eigentlich würde ich normalerweise meine Mom nach Hause drängen, aber heute war alles anders.

Es gab neue Regeln und ich war für jede Minute dankbar, in der ich nicht Zuhause sein musste.

Keine Rahel…
 

Der Name tat weh. Es war kein richtiger Schmerz wie bei einem Unfall, eher ein bedrückendes Gefühl.
 

Meine Schwester hatte eine wichtige Grenze überschritten und alles kaputt gemacht. Alles, was je zwischen uns geschehen war, stand jetzt in einem völlig neuen Licht.
 

Meine Mom stiess gerade mit einigen Schauspiel-Kollegen an, als ich sie sah.
 

Sie trug ein verboten enges Kleid und war in Begleitung eines Mannes, der sicher schon 19 oder 20 war.
 

Carla? Was zum Teufel machte DIE hier?!
 

Das gleiche dachte sie wohl auch und blieb in der Nähe des Bühnenvorhangs stehen, als sie mich neben der aufgebauten Kuchentheke stehen sah.
 

Ihre schwarzen Locken lagen perfekt und ich konnte ihr Parfüm bis hier hin riechen. Es roch schrecklich süss.
 

Carla zögerte kurz, fummelte an der Krawatte des Typen herum und deutete dann in meine Richtung.

Ich starrte immer noch mit vollem Mund zu ihnen herüber.
 

Der Typ nickte, sagte Carla etwas ins Ohr und verschwand dann zu anderen Leuten, die lachend in einem Kreis standen und sich zu amüsieren schienen.
 

„Gerrit?“ Carla kam auf mich zugestöckelt. Ihr Mund war noch roter als sonst und ihre Wimpern sahen fast falsch aus, so lang waren sie. „Was machst du hier?“
 

„Meine Mama“, sagte ich nur mit vollem Mund und deutete auf meine Mom.

Carla wich etwas zurück und verzog das Gesicht angewidert. Was war daran so schlimm? Rahel sprach auch ständig mit vollem Mund…

Der Gedanke bohrte sich fest in meinen Kopf und liess mich nicht mehr los. Er hatte mich fest im Griff.
 

„Oh…“ Carla nickte. „Deine Mom war wunderbar. Meine Tante hat heute Geburtstag und wollte als Geschenk, dass die ganze Familie zu ihrem Auftritt kommt.“ Carla verzog übertrieben das Gesicht. „Sie war Orlanda, die in der dritten Szene verbrannt wurde.“
 

„Das tut mir Leid“, sagte ich mit ehrlichem Bedauern und Carla starrte mich verwirrt an.

Nach kurzem Nachdenken kapierte ich meinen peinlichen Fehler.
 

„Sie spielt nicht sehr gut“, sagte Carla plötzlich und sah sich um. „Ehrlich gesagt will ich und mein Freund schon längst die Fliege machen, aber er hat zu viel getrunken. Wir müssen warten, bis auch der Rest meiner Familie fährt.“
 

Ich nickte nur und kaute still meinen Kuchen. Plötzlich wollte ich nicht mehr neben Carla sitzen. Ich wollte nicht mehr Natascha auf meinem alten Platz sehen und bedauerte Herr Schmitz weichen Charakter.

Wäre er stark geblieben und hätte sich von so einem wie mir nichts sagen gelassen, wäre das heute in unserem Zimmer nie passiert.

Bestimmt nicht.
 

Carla verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich. „Was ist los? Nach der Schule warst du gesprächiger.“
 

Ich brauchte Rahel. Ja. So erschreckend wie es auch war, ich kam ohne sie nicht klar.

Wäre Rahel hier, hätte der Typ mich im Theater sicher kein zweites Mal angezischt, die dicke Frau mir kein Gespräch in einem ausgestorbenen Slang gedrückt und Carla würde mich nicht nerven.

Und sie nervte. Alles an ihr brachte mich plötzlich dazu, den Teller langsam abzustellen und den Mund zu öffnen.
 

Hau ab.
 

Na los, sag es! Sei einmal tapfer, Gerrit! Sie soll verschwinden. Vor allem deswegen, weil ihr blöder Freund dich von da drüben ziemlich aggressiv anschaut, Mann! TU ES!
 

„Noch da?“ Carla sah mich fragend an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Du bist irgendwie genau so schräg wie deine Schwester.“
 

Treffer versenkt. Und zwar genau im wunden Punkt des Abends.
 

„Hau ab.“ Die Worte verliessen meinen Mund plötzlich wie von alleine. Ich war wahrscheinlich überraschter als Carla, die mich gross anstarrte.
 

„Was?“
 

„Du weisst schon.“ Ich mache einen Schritt zurück und winke eilig ab. „Ich muss…“

Kotzen. Ja. Ganz sicher. Sofort. Hier und jetzt…
 

„Alles okay?“ Carla hob eine gezupfte Augenbraue. Gott, ich hasste es, wenn sich Frauen die Augenbrauen zupften…
 

„Nein.“ Ich drehte mich um und war weg. Ich lief schon wieder einfach weg.

Und ein drittes Mal würde mich Carla sicher nicht mehr ansprechen…
 


 

Im Auto war Mom unglaublich glücklich.

Ohne wirkliche Absicht, hatte ich mir auf eine feige Art ziemlich viele Pluspunkte bei meiner Mom gemacht.

Vermutlich konnte ich jetzt ruhigen Gewissens eine Tankstelle ausrauben, ohne dass sie mit mir schimpfen würde.
 

Zuhause liess ich mir unendlich viel Zeit im Treppensteigen. Als Mom die Wohnungstür aufsperrte, war es gelaufen.

Ich konnte mich nicht mehr verstecken. Weglaufen auch nicht wirklich.
 

Der Flur lag vor mir wie ein unendlich langer Weg zum Scheiterhaufen und das einzige Tor zur Freiheit fiel hinter mir ins Schloss.
 

„Gute Nacht, Schatz.“ Mom küsste mich auf die Stirn und sah mich kurz an. „Toll, dass du mitgekommen bist. Wirklich.“
 

„Kein Problem“, krächzte ich und bewegte mich eher mechanisch auf unser Zimmer zu.

UNSER Zimmer mit unserem Bett, unserem Schrank und unseren ganzen anderen Sachen.

Verdammt, ich hatte wirklich kein eigenes Leben.
 

Ich zog meine Schuhe langsam aus, stellte sie sauber zur Seite und nahm lächerlicherweise tief Luft.

Dann stiess ich die Zimmertür auf und… Nichts.
 

Rahel war nicht da.
 

Ich zog mich eilig um und fand meine Schwester im Wohnzimmer. Sie hatte ebenfalls schon die Schlafsachen an und stritt mit Peppe um die Fernbedienung.

Wie immer. Ganz so, als wäre nie etwas passiert.
 

„Gerrit!“ Peppe sah mich als Erster und hob beide Augenbrauen. „Scheisse, warst du echt mit zu der Premiere?“
 

Rahel sah mich kurz an. Sie starrte nicht auf ihre übliche Art, sondern musterte mich eher eingehend.

„Wie war es?“

Kein dummer Spruch? Kein bissiger Kommentar? Peppe schaute zwischen mir und Rahel hin und her.
 

„Hier stimmt was nicht“, sagte er plötzlich. „Was läuft hier? Habt ihr Stress, oder was?“
 

„Nein“, sagte Rahel und boxte ihren älteren Bruder. „Aber wir zwei gleich, wenn du Fotze nicht sofort die Fernbedienung rausrückst!“
 

„Ach?! Willst du mir etwa drohen, du Schwanz?!“
 

„Hört auf, euch ständig mit Genitalien zu beschimpfen…“ Meine Mom sah kurz ins Wohnzimmer hinein. „Macht ausserdem nicht mehr solange. Gute Nacht.“
 

„Nacht, Mom!“, rief Rahel und versuchte Peppe ans Bein zu treten.
 

„Nacht, Mami! Hab dich lieb!“ Peppe streckte Rahel die Zunge raus, die daraufhin das Gesicht verzog.
 

„Schleimer!“, zischte sie. „Arschkriecher!“
 

Ich drehte mich um und ging ohne ein Wort wieder in unser Zimmer.

Dort liess ich mich auf das Bett fallen und fing peinlicherweise an zu weinen.

Wieso wusste ich nicht wirklich, aber die Tränen liefen wie von alleine über meine Wangen.
 

Nach zehn Minuten ging die Zimmertür auf und schloss sich wieder. Rahel setzte sich neben mich und starrte auf ihre Finger.
 

Ich wischte mir schnell über die Augen und richtete mich etwas auf. „Hast du ihn auch geküsst?“

Die Frage war bescheuert. Urdämlich, aber ich musste sie stellen.

Ja. Vielleicht hatte Rahel einfach eine neue Art der Geschwisterliebe entdeckt und testete es jetzt an mir und Peppe aus.

Eine weitere bescheuerte Idee von Rahel. Nichts Ernstes…
 

„Wen?“ Rahel zog die Augenbrauen zusammen. Sie hatte sie nicht gezupft. Ganz natürlich. Und es sah viel besser aus als Carlas Puppengesicht. Auch ihre zerkratzte Wange – von ihrer letzten Schlägerei – sah toll aus.
 

Ich konnte es nicht leugnen. Ich Idiot hatten einen Rahel-Tick. So jemand wie ich konnte nicht alleine leben.
 

„Peppe.“ Ich presste die Lippen fest zusammen.
 

Rahel starrte mich an, als wäre ich Abraham Lincoln persönlich.

Dann fing sie an zu lachen. Sie lachte so laut, dass ein Nachbar wütend gegen die Wand schlug. Auch von unten beschwerte man sich bereits, aber meiner Schwester war das scheiss egal.

Sie liess sich vom Bett fallen, rollte sich hin und her und setzte sich nach einer Weile wieder auf.
 

„Wieso sollte ich Peppe küssen? Vielleicht machst du das heimlich, aber ich würde eher meine Zunge in den Arsch eines Hundes stecken , als…“
 

„Warum dann mich?“ Die Frage musste einfach raus. So wie das HAU AB an Carla. Es war einfach an der Zeit.
 

Rahel musterte mich. „Wieso was warum du?“
 

„Hä?“ Ich starrte meine Schwester überfordert an. Ihre Wortspiele waren die Pest.
 

Rahel verdrehte die Augen und setzte sich neben mich auf das Bett. „Was genau ist dein Problem, Gerrit?“
 

Alles. Das warme Gefühl, was sich in meinem Körper jedes Mal ausbreitete, wenn ich in Rahels Nähe war. Ihr Verhalten. Mein Verhalten. Die ganze Welt. Mein verdammtes Leben. Die Angst, dass alles auf einmal anders war… Aber vor allem der Kuss.
 

„Ich will mein eigenes Zimmer.“ Ich krallte meine Finger leicht ins Laken, für den Notfall, dass mich Rahel vom Bett prügeln würde. „Oder zumindest mein eigenes Bett.“
 

Rahels Mund klappte auf. „Hast du den Arsch auf? Wieso…“
 

„Es ist Zeit, okay?“ Ich glaubte mir nicht mal selbst. Wie sollte ich die Lüge dann erst anderen verkaufen?

Ich war verloren und es war keine Rettung in Sicht.
 

Rahels Augen starrten mich an. Sie hatte wieder ihren Psycho-Blick drauf und durchbohrte mich damit gnadenlos. Sie machte sich ungefragt in meinem Körper breit, als wäre sie da Zuhause und könnte mit meinem Verstand machen was sie wollte.
 

„Du laberst Scheiss, Gerrit. Und zwar übelst.“ Dann schlug sie mir fest in den Bauch. Ich fiel nach Luft schnappend auf die Matratze zurück und verfluchte meine vergessene Deckung.

Sekunden später blieb mein Herzschlag fast ganz stehen, als sich Rahel das grosse T-shirt mit dem verwaschenen Logo einfach plötzlich über den Kopf zog.
 

Ich starrte auf einen Traum aus roten Stoff. Die Schmerzen in meiner Magengegend waren fast gänzlich vergessen.
 

Da sass sie. Meine verdammte Schwester, in einer Schlafhose von mir und ihrem BH. Sie spielte mit der Zunge an ihrem Piercing herum und kratzte sich am Nacken.

Dann nickte sie.
 

„Fass sie an.“
 

Die Worte blieben quer in meiner Luftröhre stecken und ich bekam sofort überall Gänsehaut.
 

Gott…!
 

„Na los.“ Rahel winkte ab, als wäre diese ganze Sache keine grosse Show wert. „Ist nichts besonderes, glaub mir.“
 

Nichts besonderes? Ich musste hier weg. Ja. Eindeutig. Rahel war durchgedreht und ich würde dafür die Rechnung kassieren.

Rahel war meine Schwester. Ich hatte mir mit ihr fast neun Monate lang den Bauch meiner Mutter geteilt!
 

„Rahel…“ Gott, krächzte ich hier gerade so rum? Wo ist meine Stimme?!
 

„Mein Name.“ Rahel hob eine Augenbraue. „Also?“
 

Nein. Das ging nicht. Auf keinen Fall. Es war schon zu viel schief gelaufen…
 

Aber eigentlich war ich gar nicht in der Lage zu denken. Wer auch immer behauptete, ein 16jähriger Typ wäre bei so einem Angebot in der Lage, allen Ernstes noch zu denken, der war entweder schwul oder päpstlicher als der Papst.
 

Ich wollte es. Und da lag das Problem. Tief verankert in der Wurzel allen Ärgers…
 

Ich setzte mich langsam auf, streckte meine rechte Hand langsam aus und musterte dabei Rahels Gesicht.

Vielleicht verarschte sie mich auch nur und würde mir, sobald ich sie ernsthaft dort berührte, die Hand brechen.

Doch Rahel nickte nur einmal kräftig. Es war für sie eine Angelegenheit, die über die Bühne gebracht werden musste. Tot oder Lebendig.
 

Zögerlich berührte ich mit der rechten Hand zögerlich den Stoff des BHs, nur um sofort ein schlechtes Gewissen zu haben.
 

Du Arsch! Da fasst meine seine Schwester nicht an!
 

„Ich…“ Ich war ein abartiges Schwein. Ja. Das war ich.

Ich verdammter Drecksack fasste meine eigene LEIBLICHE Schwester an den absolut verbotenen Stellen an und es gefiel mir auch noch.
 

Schwanzdenker. Genau DAS war ich. Ein notgeiler pubertierender Pisser.
 

„Du stellst dich vielleicht an! Keine Panik, ich hab keine ansteckende Krankheit!“ Rahel nahm meine beiden Hände ohne die kleinste Spur von Scheu und drückte sie gegen ihre Brüste.
 

Ich war entsetzt. Es war ein ehrliches Entsetzen darüber, dass mich dieser verdammte Hautkontakt so verdammt schlimm erregte.

„Hör auf!“ Ich riss meine Hände unter denen von Rahel weg und hätte mich am liebsten selbst geschlagen. „Das geht nicht! Das geht alles nicht mehr! Ich brauch mein eigenes Zimmer… Oder zumindest mein eigenes Bett!“
 

Ich hatte grosse Töne gespuckt, bevor ich überhaupt ernsthaft darüber nachgedacht hatte. Rahel kaute auf ihrer Unterlippe herum.
 

„Und wenn ich das nicht zulasse?“
 

„Dann…“ Ich suchte verzweifelt nach Worten, fand aber keine. Ich war selbst nicht mal von meiner eigenen Idee mit dem eigenen Zimmer oder Bett überzeugt. Wie sollte ich damit erst eine Chance gegen Rahel - diesen verdammten Diktator! - haben?!
 

Rahel sah mich an. „Du hast ein fettes Problem in deinem Kopf, weisst du das?“
 

Ich schüttelte den Kopf und öffnete den Mund. Ich bekam keinen einzigen vernünftigen Ton mehr heraus.

Als wäre das nicht schon genug, lies mich mein Körper mal wieder im Stich. Ganz feige schob er es alleine mir in die Schuhe, dass der Drecksack weiter unten sich für die neue Denkzentrale hielt und stand wie eine verdammte eins.
 

Wieso? WIESO?!
 

Ich lies mich deprimiert zurück auf die Matratze fallen und starrte an die Decke.

Vor noch nicht einmal 24 Stunden war alles noch in Ordnung gewesen…

Oder?
 

„Rahel?“
 

„Oh, der vertrottelte Niemand kann wieder reden! Na los, überschwemme mich mit Wörtern!“

Es war schrecklich, wenn Rahel sarkastisch wurde. Fast so schlimm wie ihr Psycho-Blick.
 

„Wieso machst du das?“ Ich hob meinen Kopf ein wenig und sah meine Schwester an.

Meine verdammte SCHWESTER, verfickte Scheisse!
 

„Wieso machst du DAS?“ Rahel deutete auf die Beule in meiner Schlafhose.
 

„Ich hab zuerst gefragt.“ Ein erstaunlich genialer Satz, wenn man bedachte, dass ich am liebsten einfach ersticken wollte.

Am besten an meinen eigenen blöden Worten.
 

„Egal. Ich geb die Frage an dich zurück. Frage gegen Frage kann als Antwort gezählt werden.“ Rahel verschränkte die Arme. „Also, Gerrit-boy?“
 

„Das glaubst du dir nicht einmal selbst.“ Ich richtete mich mit den Ellbogen etwas von der Matratze auf.
 

Rahel zuckte mit den Schultern. „Na und? Solange du es abkaufst ist der Rest völlig egal.“
 

Sie war so eine Lügnerin!
 

„Und wenn ich es dir nicht abkaufe?“ Ich lief in mein eigenes Verderben. Aber das war leider nichts Neues…
 

Rahel musterte mein Gesicht. „Weiss nicht. Sag du es mir, du Schwächling.“
 

Ich liess mich wieder nach hinten auf die Matratze fallen und schloss die Augen.

Es war eine reine Schande, was hier ablief. Aber ich konnte weder etwas dagegen tun, noch beherrschte ich die blöden Spielregeln.

Rahel änderte mal wieder einfach alles nach ihren Vorlieben.
 

Rahel liess sich plötzlich auf mich fallen und presste damit alle Luft aus meiner Lunge.
 

„Geh… runter!“ Ich versuchte meine Schwester von mir wegzudrücken, aber Rahel schlang ihrem Arme um meinen Nacken und drückte ihre Stirn gegen meine.
 

„Geh du doch. Ich war zuerst hier.“
 

DAS war ja so was von gelogen!
 

„Wieso hast du geheult? Sag schon.“
 

Rahel sprang ständig von einem Thema zum nächsten und liess mir keine Zeit in Ruhe darüber nachzudenken.
 

„Ich hab nicht geheult…“
 

„Doch, hast du. Als ich ins Zimmer gekommen bin. Schwächling.“ Rahel küsste mich auf den Mund.

So fest, dass ihre Zähne gegen meine stiessen.
 

Das angenehme Gefühl veränderte sich in ein stechendes Ziehen in der Magengegend und wanderte weiter nach unten.
 

Zuerst dachte ich mein verdammter Blinddarm wäre geplatzt, aber dann kribbelte es unerträglich in den Fingern.

In meinen Ohren setzte ein schmerzhafter Piep-Ton ein und ich wusste, dass ich das hier beenden musste.
 

Ich… sollte Rahel wegstossen. Ja. Ich SOLLTE aber auch bessere Noten in der Schule schreiben, weniger träumen und seit Monaten das Aquarium reinigen.
 

Ich sollte so verdammt viel…
 

Eigentlich…
 

Ein gedämpftes Stöhnen verliess meinen Mund, als Rahel mich auf den Hals küsste.

Es brannte inzwischen in jeder Faser meines Körpers und ich wusste, dass ich am Arsch war.

Wüsste Peppe davon, würde er mir die Scheisse aus dem Leib prügeln. Er würde mich UMLEGEN…

Mom würde mich vermutlich aussetzen. Irgendwo in einen Wald und verhungern lassen.
 

Rahel setzte sich leicht aufrecht, was dazu führte, dass ein unerträglicher Druck auf meinen Unterkörper wirkte und ich kurz wirklich vergass zu Atmen.
 

Himmel, Arsch und… !
 

Ich kniff die Augen zu, krallte meine Hände leicht in Rahels Hüfte und hielt sie somit wenig wirksam an Ort und Stelle fest.
 

Das Brennen tat inzwischen weh und ich wusste nicht, ob es wirklich normal war, dass man so erregt werden konnte. Immerhin war das hier fast Körperverletzung!
 

Rahel verschränkte ihre Finger mit meinen und drückte meine Arme jeweils neben meinen Kopf auf die Matratze.
 

„Was ist?“
 

„Hör auf!“ Ich litt verfickte Qualen, verdammt! „Steh einfach auf und geh… Bitte. Lass mich einfach in…“
 

Rahel beugte sich wieder nach vorne, ich spürte ihr Piercing leicht gegen meine Unterlippe drücken und konnte nicht verhindern, dass ich meinen Unterkörper leicht anhob.

Ich stöhnte heiser auf und Rahel schob ihre Zunge in meinen Mund.
 

Sie war irre, Definitiv! Irgendwas verdammt Schweres war auf den Kopf meiner Schwester gefallen und hatte ihr Bewusst gemacht, dass sie ja vielleicht doch ein Mädchen ist.

Ja. Vielleicht wollte sie nur testen, wie sie auf Typen wirkte oder so ein Scheiss…
 

Ich krallte meine Finger fester in Rahels Hüfte, spürte ihren Mund, der sich gegen meinen drückte und das brennende Gefühl in meinem Körper explodierte schliesslich in Form eines verstörenden Orgasmus.
 

Ich stöhnte so laut, dass mir Rahel den Mund zuhalten musste.
 

Ach du verfickte Scheisse!
 

Ich spürte das unangenehme Gefühl in meiner Schlafhose und Rahels Finger, die sich leicht in meine kurzen Haare krallten.
 

„Wieso machst DU das?“, wiederholte sie ihre Frage von vorhin leise.
 

Ich gab keine Antwort, sondern fing wieder an zu weinen. Ich konnte den Grund nicht wirklich definieren, aber die Tatsache, dass meine Schwester mich so weit treiben konnte, war wie ein spontaner Tod eines geliebten Verwandten.
 

Es tat… weh. Der merkwürdige Schmerz kam von tief Innen und lähmte für Sekunden alle Körperteile.
 

Rahel boxte mich hart in die Seite. „Hör auf zu heulen. ICH bin eindeutig der Typ von uns Beiden.“
 

Ich setzte mich langsam auf und schob Rahel viel zu spät von mir runter. Meine Schwester liess es zu und ich tapste durch das Zimmer zur Tür.

Ich wischte mir mit dem Arm schnell über die Augen und fragte einen recht verwirrten Peppe in der Küche, ob ich bei ihm schlafen dürfte.
 

Mein älterer Bruder wollte eigentlich nur die Werbepause des Films nutzen, um sich in der Küche Fressvorrat zu besorgen, nicht um sich das Gejammer seines kleinen Bruder anhören zu müssen.
 

Ich erzählte Peppe eine erfundene Story von einem Streit mit Rahel und blieb immerhin bei der Sache ehrlich, dass es einfach an der Zeit war, von ihr wegzukommen.
 

„Äh… Okay.“ Peppe liess fast das Gurkenglas vor Verwirrung fallen. „Wenn du willst.“
 

Dann machte er sich ein Sandwich, liess wie immer alles stehen und ging zurück zum Wohnzimmer.

Ausserhalb unseres Zimmers war alles normal.
 

Die Welt war nur innerhalb meines und Rahels Zimmer untergegangen und ich fing fast vor Selbstmitleid wieder an zu weinen.
 


 

Die Nacht auf Peppes Sofa war nicht gerade DIE Lösung, aber es war besser als weitere Nähe zu Rahel.
 

Rahel hatte mich kurz durch Peppes Zimmertür angeschrien, dass ich den Scheiss lassen soll, aber Mom hatte sie beruhigt und gemeint, ich hätte sicher meinen Grund dazu.
 

Ha, wenn Mom nur wüsste!
 

Peppes Sofa war ein Sammelsurium von Kleidern, Chipstüten und anderen Dingen, die ich erst unter mühevoller Räumungsarbeit entsorgen oder an seinen Platz auf den Boden räumen musste.
 

Die Wolldecke juckte, aber das lag daran, dass ich Wolldecken nicht ausstehen konnte. Rahel hatte mich als Kind nämlich einmal dazu gezwungen, auf einer herum zu kauen.

Das quietschende Gefühl, als meine Zähne den Stoff berührt hatten, hatte sich tief in mein Gedächtnis gebrannt und ich bekam jedes mal Zahnweh, wenn ich Wolldecken auch nur anfassen musste…
 

Peppe schlief bereits und ich verschränkte meine Arme hinter dem Kopf und dachte nach.
 

Irgendwann war vier Uhr und ich schlief immer noch nicht.
 

Dafür aber klingelte irgendwann Peppes Handy.
 

Das verdammte Teil lag in meiner Nähe und ich streckte mich danach, sah auf den Display und bekam den Namen ♥Schatzi♥ entgegen geleuchtet.
 

Ich hob ab.
 

„Es tut mir Leid! Ich weiss, ich hätte nicht auf der Party mit dem Typen reden sollen… Aber er ist eigentlich okay! Ich weiss, du kannst ihn nicht leiden, aber da ist wirklich nichts gelaufen! Ich lieb dich, Peppe! Wirklich! Ich würde nie Fremdgehen und ich hab dir von dem Besuch im Schwimmbad nur nichts gesagt, weil ich nicht will, dass du mich im Badeanzug siehst! Gott, ich sehe so fett in dem Teil aus! Es ist schon peinlich genug, wenn ICH mich sehen muss und…“
 

„Peppe schläft.“
 

Peppes Freundin hörte auf zu quasseln und schien kurz zu glauben, sie hätte sich verwählt oder so.

„Wie? Wer ist da?“
 

„Gerrit.“
 

„Oh!“ Jetzt lachte die junge Frau erleichtert. „Scheisse, ich dachte echt ich hätte einem X-beliebigen meine Defizite erzählt! Gerrit, was machst du an Peppes Handy?“
 

„Ich bin sein Anrufbeantworter oder so. Er macht gerade mit einer Blondine rum.“
 

Ich war fies. Immerhin hatte mir Peppe seine Couch geliehen, auch wenn ich gleich auf einem Steinboden hätte schlafen können.

Der war immerhin nicht verkrümelt.
 

„Was?“
 

„War nur ein Witz. Er schläft, wirklich.“
 

„Mach ihn wach!“
 

Wieso waren Frauen so anstrengend?
 

Ich stand auf, warf Peppe fast das Handy gegen seinen Kopf und erklärte ihm kurz und knapp, dass es eine Zicke im Badeanzug sei mit Defizite.

Peppe war noch halb am schlafen, als er ein „Mmh… wer da?“ ins Telefon nuschelte.

Kaum erkannte er die Stimme seiner kurzfristigen Ex-Freundin, sass er Kerzengerade im Bett und war wacher als wach.
 

„Oh Gott! Ich dich doch auch! Natürlich ist alles schon vergessen! Ich hatte einfach Panik dich anzurufen… He! Wein nicht! Ich doch auch! Wirklich!“
 

ICH hatte allen Grund zum Heulen. Leise schlich ich aus Peppes Zimmer und war froh, aus dem Gesülze raus zu sein.
 

Es lohnte sich eh nicht mehr gross zu schlafen…
 

Mit einer Schüssel voller Müsli und einem Löffel bewaffnet schlich ich ins Wohnzimmer, sah ein wenig Fernsehn und schlief schliesslich auf meinem Sessel ein…
 


 

„Gerrit?“ Meine Mom weckte mich besorgt. „Schatz, ist alles okay?“
 

Ich nickte und hatte unglaubliche Nackenschmerzen. Ohne grosse Erklärungen ging ich duschen, eilte rasch und leise ins Zimmer und nahm mir frische Klamotten, ohne Rahel zu wecken.
 

Diese lag in Schlafsachen von mir quer über unser Bett und machte den Eindruck, selbst dann nicht aufstehen zu wollen, wenn das Wohnhaus um sie herum in Flammen stand.
 

Rahel würde sicher noch dem Feuerwehrmann eine reinhauen, der sie aus dem brennenden Bett retten wollte.
 

Ich verliess das Zimmer wieder leise und Mom beobachtete mich besorgt, als ich ins Wohnzimmer kam.
 

„Oma kommt zu Besuch.“
 

Ich nickte und kochte mir Kaffee.
 

„Seit wann trinkst du Kaffee?“
 

Ich zuckte mit den Schultern. „Seit jetzt…“
 

„Was ist los, Gerrit?“
 

„Nichts, Mom. Ich bin nur müde.“
 

Mom sah mich an. Sie glaubte mir kein Wort. „Wenn du das sagst, Schatz.“
 

„Morgen!“ Peppe kam in die Küche geeilt, umarmte mich plötzlich und Mom war nun völlig verwirrt.
 

Ihre Söhne waren über Nacht von Aliens entführt worden und bekamen Gehirnwäsche. Kein Zweifel.
 

„Ich schuld dir was! Verdammt, Gerrit! Wärst du nicht ans Handy, hätte das nicht so gut mit Bianca geklappt! Sie hat wirklich gesagt, dass dieser Blödmann Rick ein Arsch ist!“
 

Mein Bruder drückte mich erneut und Mom schüttelte den Kopf.
 

„Ihr macht mir Angst, alle Beide.“
 

Peppe nickte gut gelaunt, machte sich was zum Frühstück und nach einer Weile kam eine zerzauste Rahel in die Küche.
 

Sie sah genau so müde aus wie ich mich fühlte.
 

„Morgen“, krächzte sie und warf mir einen bösen Blick zu. „Gut geschlafen, ihr Fotzen?“
 

„Immerhin ist meine Tochter noch die gleiche!“ Mom klang wirklich fast erleichtert. „Ich dachte schon…“
 

„Oma kommt?“ Die Nachricht war erst jetzt zu meinem Gehirn vorgedrungen und offenbarte die volle Grausamkeit dieser Ankündigung. „Heute?“
 

Peppe lies mich abrupt los. „OMA?! Aber ich dachte wir hätten unser Pensum für dieses Jahr erfüllt!“
 

Mom zuckte mit den Schultern. „Ich hab sie zu einem Friedensessen für unser Verhalten an ihrem Geburtstag eingeladen.“
 

„Ich scheiss ihr auf den verdammten Teller, wenn sie auch nur einen Schritt in diese Wohnung macht!“ Rahel riss wütend die Tür des Kühlschranks auf. „Ich mein es ernst!“
 

Mom lachte leise. „Ach kommt schon! Sie ist ganz in Ordnung!“
 

„Sie will sich mit Gott verheiraten lassen, Mom!“ Peppe deutete mit seinem Finger einen Kopfschuss an. „Also die Kinder von den zwei Grazien würde ich echt zu gerne mal sehen!“
 

„Kommt schon.“ Mom legte den Kopf schief. „Tut mir den Gefallen, ja? Ihr müsst ja nur beim Essen dabei sein.“
 

„Reicht für ein Leben lang Magengeschwüre!“ Peppe verzog das Gesicht zu einer dramatischen Grimasse. „Erschiess mich eher, als mir ein Essen mit dieser Gottesfanatikerin anzutun!“
 

Rahel nickte und kratzte sich am Kopf. Ihre kurzen Haare standen wie immer in alle Richtungen ab. „Ganz meine Meinung. Ab und zu gibst du echt was einigermassen Sinnvolles von dir, Schwesterherz.“
 

„Witzig!“, zischte Peppe gereizt und ich wurde das Gefühl nicht los, dass Oma uns allen mit ihrem Besuch keinen Gefallen tat.
 

Mom seufzte, stand auf und kochte sie einen Kaffee. Ich hatte meinen eigenen kaum angerührt.

„Versucht es einfach, okay?“
 

Rahel sah mich mit ihrem Psycho-Blick an und ich fixierte tapfer den Boden unter meinen Füssen.
 

Ich war ein Feigling.

Eigene Tatsachen

5/5
 

Omas Anreise war nicht zu verhindern.
 

Wie sehr ich mich auch auf einen anderen Planeten wünschte, es half nichts.
 

Peppe versuchte Mom davon zu überzeugen, dass wir uns einfach alle tot stellen sollten, aber Mom lachte nur und meinte, es würde schon nicht SO schlimm werden.
 

Ich hatte mich ins Wohnzimmer verzogen und tat so, als würde ich ganz konzentriert einen Film über das Leben der Antilopen in Afrika schauen.

In Wirklichkeit glotzte ich einfach nur auf die Flimmerkiste und versuchte mit allen Mitteln Rahel zu ignorieren, die sich nach einer Zeit auf ihren Sessel neben meinen gesetzt hatte.
 

Meine Schwester hatte immer noch die Schlafsachen an und sich noch nicht unter die Dusche bemüht. Aber das war normal.

Rahel kam erst nach STUNDEN in die Gänge und lebte eigentlich in den Schlafsachen.
 

„Egal was du versucht zu tun, lass es sein.“
 

Ich ignorierte Rahels Satz und sah fast schon verzweifelt einem Löwen zu, der eine Antilope jagte.

Die verdammten Tiere waren ziemlich schnell…
 

„Gerrit!“ Rahel verlor nun endgültig die Nerven und hörte damit auf, mich einfach nur böse anzusehen.

Sie stand auf und schaltete den Fernseher aus.
 

„He!“ Ich deutete auf den Fernseher. „Mach wieder an. Ich wollte das schauen…“
 

„Erzähl keinen Durchfall, du Idiot. Glaubst du echt, ich lass mich von dir ignorieren?!“
 

Ich sank tiefer in den Sessel und hatte die lächerliche Hoffnung, dass ich NIE wieder aufstehen musste.

Aber es war ein Wunschtraum. Mehr nicht.
 

Rahel musterte mich ernst. „Findest du es so schlimm, Gerrit?“
 

Verfickter Scheissdreck! Meine Schwester wollte ja wohl nicht im Ernst HIER mitten im WOHNZIMMER über den Vorfall zwischen uns reden?!
 

„Psst!“ Ich stand schnell auf und winkte eilig ab. Immerhin konnte man sich bei Rahel NIE sicher sein. Ihr fehlte immerhin das eigentlich zum Überleben wichtige Schamgefühl. „Sei leiser, Rahel!“
 

„Wieso?“ Rahel verschränkte die Arme. „Vor was hast du Angst?“
 

„Du spinnst!“ Ich schüttelte den Kopf. Sie machte mir vielleicht Spass! Vor was ich Angst hatte?! „Sei jetzt endlich leiser, Rahel! Es muss ja nicht jeder mibek…“
 

„ICH BIN LEISE!“ Rahel stiess mich hart nach hinten und ich landete mit dem Rücken auf dem Boden. „SO WAS VON LEISE! ICH ERZÄHL JETZT DER GANZEN WELT…“
 

Rahel war definitiv total bescheuert!
 

Mit einem Ruck erhob ich mich vom Boden, sprang meine Schwester brutal an und drückte ihr fest die Hand auf den Mund, als wir beide zusammen auf den Holzboden krachten.

Rahel versuchte mir in die Handfläche zu beissen, aber ich hielt ihren Mund nur fester zu, drückte sie mit meinem Gewicht weiter auf den Boden und packte mit der anderen Hand ihre beiden Handgelenke gleichzeitig, da sie mich versuchte zu schlagen.
 

Wäre ich nicht so verdammt sauer auf sie gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich selbst über meine plötzliche Kraft gewundert.
 

„Halt dein Maul!“, zischte ich und Rahel sah mich nur böse an.
 

Peppe lugte je in diesem Moment plötzlich ins Wohnzimmer. „Scheisse“, sagte er. „Ihr macht Krach für eine ganze Armee! Es gibt hart arbeitende Leute, die mit ihrer Freundin telefonieren wollen!“
 

„Mach doch!“, fauchte ich meinen älteren Bruder an und spürte, wie sich Rahel unter mir vom Boden stemmen wollte.

Ich drückte sie hart zurück auf das Holz und tat ihr dabei mit ziemlicher Sicherheit ordentlich weh, aber das hatte sie verdient.
 

Rahel hatte… alles kaputt gemacht! Ja!
 

Es war alles okay gewesen. Ich hatte nichts Verbotenes getan und mich auch nicht wie ein Drecksack gefühlt! Aber RAHEL hatte eine wichtige Grenze einfach überschritten! Sie hatte wie immer einen verdammten Scheiss darauf gegeben, was mir wichtig war!
 

Wir waren Geschwister, verdammt! Zwillinge! Rahel war eigentlich ein Stück ICH bloss weiblich!
 

Man fasste sein anderes Stück ICH nicht an! Man machte einfach nichts Sexuelles mit der Person, mit der man sich Jahre lang eine Badewanne geteilt hatte und die seit Geburt an neben einem schlief!
 

Das war… krank.
 

Vielleicht nicht gerade KRANK aber es überstieg um eine gute Höhe die ethische Grenze.
 

Rahels Faust traf meine Nase, da ich bei meinen Überlegungen den Griff um ihre Handgelenke gelockert hatte.
 

Peppe machte sich ganz schnell aus dem Staub. Er spürte wohl, dass gleich RICHTIG die Fetzen flogen.
 

Rahel boxte mir noch einmal fest ins Gesicht, dann bekam ich ihren einen freien Arm zu fassen und biss hinein.

Rahel schrie auf, stemmte sich vor Schmerzen vom Boden und versuchte mir in den Bauch zu boxen, was ich aber verhindern konnte, da ich mich einfach wieder auf sie legte und mit meinem Gewicht auf den Boden drückte.
 

Ich war der Mann, verdammt! Auch wenn ich mir von meiner Schwester die Nase blutig hauen liess, war ich definitiv DER MANN IM HAUS!
 

Peppe zählte nicht wirklich, weil er eigentlich kaum Zuhause war, wenn er wieder seine Freundin und Herzblatt des Jahres hatte. Ausserdem sah er mit der Frisur wirklich aus wie Madonna bloss einige Jahrhunderte weniger.
 

Rahel schrie laut auf und jetzt war ICH es, der ihr ins Gesicht schlug. Nicht fest, da ich mich das immer noch nicht so wirklich traute.

Vielleicht war ich ja wirklich der Mann im Haus, aber Rahel würde mir ohne Zweifel den Schwanz abbeissen, wenn ich echt Gewalt einsetzen würde…
 

Sie würde mich zusammenschlagen, bis nichts mehr von mir übrig wäre. SO sah es aus…
 

Die restlichen erbärmlichen Wellen von meinem kurzen ‘Ich bin der Mann im Haus‘-Anfall hatten sich nun endgültig wieder gelegt und ich starrte Rahel ins Gesicht.
 

Sie lag unter mir, starrte mich böse an und biss mir wieder in die Handfläche, die ich ihr immer noch auf den Mund drückte.
 

„Ich… hab dich geschlagen.“ Ich starrte meine Schwester an. Ich hatte noch nie eine Frau wirklich geschlagen… Auch wenn Rahel nicht wirklich wie eine Frau rüberkam, war sie meine… andere Hälfte, verfickt!

Ja. Das klang zwar zum einen absolut kitschig, aber auch total eklig, da ich sofort an ein halb aufgeschnittenes Herz denken musste.
 

Rahel sah mich ernst an. Langsam nahm ich meine Handfläche von ihrem Mund und spürte, wie sie sich leicht unter mir bewegte.

„Und jetzt?“, fragte Rahel genervt. „Soll ich jetzt heulen, oder was? Du hättest fester schlagen sollen, Gerrit.“

„Ich…“ Ich stockte und fasste mir an die Nase. Blut tropfte dicht neben Rahels Kopf auf den Holzboden des Wohnzimmers. „Scheisse…“
 

„Las mich machen.“ Ich rutschte etwas von Rahel herunter und liess sie somit endlich vom Boden aufstehen. Sie verschwand kurz und kam mit Verbandszeug zurück.
 

„Bereit?“, fragte Rahel und ich schüttelte den Kopf. Ich hatte mich in der Zwischenzeit auf meinen Sessel gesessen und kannte Rahels Art mich wieder Heil zu machen nur zu gut.

Sie würde mir so weh dabei tun, dass ich wie an unserem letzten Geburtstag ins Krankenhaus musste, weil Rahel meine von ihr gebrochene Nase einfach wieder richtig brechen wollte, es dabei aber nur schlimmer gemacht hatte.
 

Der Arzt, der die Aufgabe der Nasen-Rettung übernehmen musste, musste fast mit seinem ganzen eigenen Körpergewicht gegen meine Nase ankämpfen.
 

Ich hatte noch nie in meinem Leben SO geschrien, da waren sich alle aus der Familie einig.
 

„Fass mich nicht an!“ Ich trat mit meinem linken Fuss in die Luft und machte Rahel damit unmissverständlich klar, dass sie nicht näher kommen sollte, durfte und es aber – wie denn auch sonst?! – trotzdem tat.
 

Sie musterte Fachmännisch meine Nase und es war klar. Ich war am Arsch.
 

„Fass da nichts an, verdammt! Mir hat das letztes Jahr im Februar mit meiner geschroteten Nase wirklich gereicht! Echt!“ Ich versuchte Rahels Kopf wegzudrücken, wurde dabei aber gestört.
 

„Was macht ihr… Oh Gott, Gerrit!“ Mom kam ins Wohnzimmer gewuselt. Sie stiess Rahel etwas ZU grob von mir weg und packte mein Gesicht mit beiden Händen.
 

Wie schon gesagt… Nachdem ich mit ihr zu ihrer Premiere war, war ich für die nächsten hundert Jahre sauber aus dem Schneider.
 

„Rahel!“ Mom wand sich an ihre Tochter. „Was soll der Scheiss?! Wieso musst du ihm ständig wehtun?!“
 

Das hatte ich mich auch schon mehrmals gefragt. Mehrmals? Eigentlich jeden Tag. Jedes Mal, wenn Rahel wieder zuschlug.
 

Ich sah Rahel ernst an, da ich kurz befürchtete, sie würde Mom aus reinem Trotz mir gegenüber alles beichten. Was sie gemacht hatte, was ICH gemacht hatte, wo ICH sie angefasst hatte…

Keine Ahnung, ob ich danach immer noch so sauber dastand. Premiere hin oder her.
 

„Wir haben uns gezofft und DIESE Fotze hier wollte einfach nicht einsehen, dass ICH der Boss bin. Ich kann einfach für nichts garantieren, Mom, wenn dein Sohn so ein verblödeter Vollidiot…“
 

„Rahel! Es reicht!“ Mom schüttelte den Kopf. „Ich wunder mich wirklich, dass Gerrit dich nicht schon längt die Keller-Treppe hinunter getreten hat…“
 

Weil ich ein Feigling war, Angst vor Rahel hatte, ihr in der Regel unterlegen war und sie dafür viel zu sehr mochte.

Ich liebte Rahel, auch wenn ich mir nicht mehr so sicher war, auf welche Weise eigentlich…
 

Meine Finger zitterten kurz und Mom nahm mich plötzlich in den Arm.
 

„Müssen wir ins Krankenhaus? Tut es so schlimm weh?“
 

Ich schüttelte den Kopf und bekam von Mom eine Taschentuch-Ambulance geboten, die sich wirklich sehen liess.
 

Nach fünf Minuten hörte das Nasenbluten langsam auf und es schien nicht so, als wäre was gebrochen.

Rahel bekam sogar richtigen Ärger von Mom, den sie aber nur Augenverdrehend über sich ergehen liess.
 

Um halb drei kam dann der Alptraum in Form einer älteren Frau mit grauem Haaren und einem furchtbaren Mantel.

Oma begrüsste Mom eher steif und liess sich in die Küche führen, als wäre sie die Königin von England, Spanien und Luxemburg zusammen.

Falls Luxemburg überhaupt eine Königin hatte…
 

„Was ist mit deiner Nase passiert, Gerrit?“ Oma deutete auf meine Nase und trank einen Schluck Tee.
 

„Nichts“, log ich und war froh, als Mom Oma mit ihrer Erzählung von der Premiere kurz ablenkte.
 

Oma interessierte das wenig und beim Essen eskalierte schliesslich alles.
 

Es war die Schuld des Salzes. Da war man sich am Schluss eindeutig einig.
 

„Rahel, gib mir das Salz.“ Oma sah von ihrem Teller auf und zu ihrer Enkelin, die ständig auf ihrem Piercing herumbiss und sich laut die Nase putzte.
 

„Das Salz?“ Rahel roch den Braten sofort. „Was für ein Salz?“
 

Mom seufzte und legte ihre Gabel zur Seite. „Das Salz, was direkt neben dir steht, Rahel. Tu jetzt nicht so und gib es Oma.“
 

„Wieso?“ Rahel lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Ist sie die Salzkönigin oder was? Wenn ihr das Essen zu wenig Salz hat, soll sie sich doch das nächste Mal was von ihrem Zuhause mitbringen!“
 

„Du unverschämte…“, setzte Oma an, aber Mom klatschte laut in die Hände.
 

„Leute!“, rief sie und machte eine lächerliche Geste mit den Armen. „Frieden! Kommt schon! Wir sollten es doch zumindest einmal fertig bringen zusammen zu essen ohne…“
 

„Du bist eine unverschämte Köre!“ Oma haute auf den Tisch. „Rahel Pfaffner, du bist das Anstandsloseste, Respektloseste und unverschämteste Mädchen, dass ich je in meinem Leben ertragen musste!“
 

Rahel legte den Kopf schief. „Zählst du die Zeit deiner Jugend in der Steinzeit mit?“
 

„Du verdammte…!“
 

„Mutter!“ Mom packte ihre Mama am Arm. „Bitte. Lass dich nicht von ihr provozieren. Rahel ist im Moment wieder etwas schwierig…“
 

„Etwas?!“ Oma nahm tief Luft und deutete mit einem Finger auf meine Schwester. „Sie ist eine verzogene Göre!“
 

Rahel nahm das Salz, drehte den Salzspender auf und spuckte hinein. Dann drehte sie den Verschluss wieder zu und schob den Behälter über den Tisch zu Oma. „Dein Salz, du letzter Dinosaurier auf Erden. Liebe Grüsse von der verzogenen Göre.“
 

Mom sah Rahel Vorwurfsvoll an, Peppe glotzte gross und ich wollte einfach nur von einem Blitz getroffen werden.
 

„Das lass ich mir nicht bieten!“ Oma schnaubte und machte Anstalten aufzustehen, aber Mom packte sie erneut am Arm.
 

„Bitte, bleib noch…“
 

„Dann lass ich mich lieber lebendig begraben!“ Oma riss sich los und Rahel stand ebenfalls auf.
 

Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass sie auf Oma losging, aber sie fummelte an dem Gürtel ihrer Hose herum, die ihr fast so weit unten hing wie meine.
 

„Rahel, was machst du da?“, fragte Peppe verwirrt, der eindeutig nicht ganz mit seinem Tempo hinterherkam.
 

„Rahel, setz dich wieder!“ Mom wurde nun doch laut und Oma schimpfte laut über uns alle.
 

Und dann liess Rahel die Hose nach unten und zeigte ihrer verstörten Oma schliesslich den nackten Arsch.
 

Der Tag war absolut im Eimer.
 


 

Oma war wütend nach Hause gefahren, Mom sass heulend in ihrem Sessel und wir hatten alle ein schlechtes Gewissen.

Ausser Rahel natürlich.
 

Sie bedauerte nur, dass sie Oma nicht auf den Teller scheissen konnte.
 

Meine Schwester war abartig. Sie war kaputt im Kopf und es war ehrlich gesagt beruhigend.

Wäre sie normal, wären wir beide vermutlich schon längst vor die Hunde gegangen.
 

„Du hast ihr den nackten Arsch gezeigt…“ Ich schüttelte den Kopf. „Das ist… krank.“
 

Rahel zuckte mit den Schultern. Wir konnten Moms Schluchzen bis in unser Zimmer hören.
 

Meine Nase hatte wieder zu bluten angefangen und ich hatte mir einfach ein Taschentuch in die Nase gesteckt. Es war bequemer, als mir die ganze Zeit ein Tuch gegen die Nase zu drücken.
 

Und DANN kam der Hammer.
 

„Ich bin krank“, sagte Rahel und setzte sich neben mich auf das Bett. „Und jetzt? Soll ich mich jetzt erschiessen, oder was? Das Problem sind die Normalen, Gerrit.“
 

Ich schwieg. Vor allem deswegen, weil ich keine Lust auf Streit hatte.
 

„Ich entschuldige mich weder bei Mom, noch bei Oma oder sonst wem. Der einzige, der je von mir ein Sorry hört, ist mein Arsch. Und das nur, weil er Oma direkt ins Gesicht sehen musste.“
 

Ich gab es auf. Ich atmete laut aus und liess mich auf die Matratze fallen. „Ich zieh aus.“
 

„Wie?“ Rahel sah mich an.
 

„Aus unserem Zimmer. Du machst mich krank, verflixt nochmal.“
 

Rahel schwieg. Sie schrie mich nicht an, noch boxte sie mich. Und das war furchtbar.

Sie nickte nur langsam. „Probier es mal, du Pantoffelheld. Sobald du auch nur eine Sache aus dem Zimmer hier nehmen willst, breche ich dich in der Mitte durch.“
 

Ich schwieg. Was denn sonst?
 


 

Auch wenn Rahel behauptete, sie würde sich nie im Leben bei Mom entschuldigen, fuhr sie mit zu einer Probe.

Wir alle fuhren mit und sogar Peppes Freundin – die mit dem Badeanzug und den Defiziten – kam mit und wir alle gaben uns Mühe, Mom nicht zu blamieren.
 

Wir quälten uns sogar in der ersten Reihe 98 Minuten ab und applaudierten sogar noch, als die Probe endlich aus zu sein schien.

Peppes Freundin war sogar so tapfer und fragte unsere Mom über die bereits geplante neue Aufführung aus.
 

Mom platzte fast vor Glück und mir ging es etwas besser.
 

Uns allen ging es besser, auch wenn es keiner zugeben wollte.
 

Als Mom sich noch mit ein paar Kollegen unterhielt und Peppe und seiner Freundin raus eine rauchen ging, passierte die verrückte Drehung in meinem Leben.
 

Rahel kletterte neben mich wieder auf ihren Sitz und sah sich um. Alle Plätze waren –bis auf unsere – leer und es befand sich niemand mehr auf der Bühne.
 

Ich hielt die Luft an, da es sich komisch anfühlte, mit Rahel ganz alleine in einem riesen Saal zu sein.
 

„Es war zum Kotzen langweilig“, sagte Rahel genervt und boxte mich fest. „Oder?“
 

Ich schüttelte den Kopf, obwohl es wirklich öde gewesen war. Aber ich wollte nicht mehr Rahels Meinung einfach übernehmen
 

„Was war denn so spannend?“, fragte Rahel spöttisch. „Der Moment, an dem man CUT gerufen hat, oder was?“
 

„Sie haben nicht CUT gerufen. Das macht man im Film, aber nicht im Theater…“
 

Rahel boxte mich erneut und schüttelte den Kopf. „Scheisse, bist du dämlich! Mir ist es absolut scheiss egal, wo und wann man CUT ruft!“

Und dann drückte sie mir ihren Mund auf die Wange. „Aber dafür hast du ja mich. Damit du nicht an deiner eigenen Blödheit erstickst…“
 

Ich stand auf und machte mit der Hand eine verwerfende Bewegung. „Lass das. Fass mich einfach nicht mehr an.“
 

Und dann ging die Eingangstür auf, Peppe kam mit seiner Freundin herein und war genervt, als wir ihm erklärten, dass Mom noch eine Tratsch-Runde hielt.
 

Zwei Stunden später konnten wir endlich fahren, was aber niemanden von uns den Arsch rettete.

Wir kamen alle Zuhause an, mit der herzlichen Einladung meiner Mom, zur nächsten Premiere zu kommen…
 

Und NIEMAND hatte sich darum gerissen.
 


 

Die nächste Woche verlief relativ normal.

Rahel hatte sich aus Trotz im Unterricht ins Ohr getackert, Carla redete kein Wort mehr mit mir und Herr Schmitz brach unter dem Zicken-Terror von Natascha zusammen und setzte sie wieder neben Carla.
 

Es war mir ehrlich gesagt nur recht, wieder neben Rahel zu sitzen. Sie hatte die letzten Tage nichts getan, was irgendwie… sexuell war.

Und es war schon schlimm genug, daran denken zu müssen, während man in Geschichte neben seiner Schwester sass und sich keine einzige Jahreszahl keines einzigen beschissenen Kriegs merken konnte.
 

Und da Herr Schmitz mich eh auf dem Ast der Verachtung hatte, seit er meiner Bitte mit dem Umsetzen nachgegeben hatte, nahm er natürlich MICH dran.
 

„Gerrit, wann kapitulierte Deutschland?“
 

Die Frage knallte mir so überraschend gegen den Kopf, dass ich sogar ein überraschtes Geräusch von mir gab.

Alle Köpfe der Klasse drehten sich zu mir um und Rahel zeigte ihnen alle den Mittelfinger.
 

„Glotzt nicht so, ihr Atschlöcher. Wisst ihr es?!“, fauchte sie und boxte mich. „Na los, altes Mädchen. Zeig es diesen Pissern!“
 

„Rahel, es reicht.“ Herr Schmitz seufzte. „Also, Gerrit? Langweile ich dich?“
 

„Sogar mehr als sonst“, flüsterte Rahel mir ins Ohr und es war ein ätzendes Gefühl, als ihr Mund mein Ohr berührte. Und das vor allen Klassenkameraden!
 

Einige grinsten, weil sie dachten, Rahel hätte mir die Antwort gesagt. Aber meine Schwester hatte von schulischen Sachen so viel Ahnung wie ein Selbstmordgefährdeter Vogel von Kernphysik.
 

„Rahel, ich hab Gerrit gefragt.“ Herr Schmitz kam langsam näher.
 

Rahel verdrehte die Augen und spielte wieder mit dem Tacker herum.
 

Ich wurde immer noch angegafft.
 

„Er weiss es nicht“, sagte Rahel gereizt und legte den Tacker weg. „Aber dafür kann er nichts, wissen Sie?“
 

Wenn Rahel schon ein SIE benutzte, konnte es nur richtig schlimm kommen…
 

„Rahel…“, sagte ich leise, aber meine Schwester winkte ab.
 

„Wie will man auch gebildet aufwachsen, wenn man auf einer Hauptschule mit Affen abhängt? Ich meine, schauen Sie sich mal ihre Klasse GENAU an… Meine Fresse! Also ich hätte das Lehreramt schon längst abgelegt…“
 

„Raus“, sagte Herr Schmitz nur. „Verlass sofort den Klassenraum, Rahel. Das gibt einen Verweis, verlass dich drauf.“
 

„Klar, Daddy.“ Rahel stand auf und ich befürchtete fast, sie würde die Hose vor der ganzen Klasse runterlassen. Aber sie riss sich zusammen und rülpste nur laut.
 

Einige der Mädchen und Jungs verzogen das Gesicht. Andere lachten leise und ein paar andere glotzten nur dumm, als Rahel laut die Klassentür hinter sich zuknallte.
 

Ich sank tiefer in meinen Stuhl und war erst dann einigermassen aus dem Schneider, als Denis Meier „8 Mai 1945“, sagte und Herr Schmitz nun endgültig von meiner Dämlichkeit überzeugt war.
 

Denis war nämlich nicht gerade der hellste Kopf und erst recht nicht an Geschichte interessiert. Er musterte mich nach seiner Antwort kurz und überlegte wohl, wie er mich in der Pause am besten fertig machen konnte.

Doch dann grinste er nur und drehte sich wieder weg.
 

Mich liess er tatsächlich in Ruhe und es war Martin, der mich in der grossen Pause abfing.
 

Wie immer also.
 

„Hey, Gerrit! Wie geht’s deiner nackten Mom?!“
 

Bestens. Aber das sagte ich sicher nicht laut. Ich warf stattdessen weiter Münzen in den Cola-Automat und hoffte, der Depp würde sich einfach verpissen, wenn ich ihn ignorierte.

Aber ich ignorierte ihn immer und er lernte nicht aus seinen Fehlern.
 

„Ich rede mit dir!“ Martin trat gegen den Automaten und stiess mich weg. Ich landete auf dem Rücken und bekam keine Sekunde später in die Seite getreten.
 

Ein Fehler, da Rahel mich immer zuerst am Cola-Automaten suchte. Wie schon gesagt, so jemand wie Martin wurde aus keiner Schlägerei schlauer…
 

„Hey, Martini!“ Rahel kam auf uns zugestampft. Ihre Hose hing wie immer ganz wie bei einem Jungen weit unten und der Pulli war neun Nummern zu gross. Ihre kurzen Haare standen wie immer ab und sie würde sich eher vor einen Smart werfen, als sich jetzt eine Schlägerei mit Martin entgehen zu lassen. „Warum gehst du Fotze nicht einfach auf den Strich, wenn du so geil darauf bist, Typen anzufassen?!“
 

„Dein Bruder ist höchstens schwul! Ein Arschficker, genau DAS!“ Martin drehte sich zu Rahel um. „Und du bist eine Kampflesbe, Mann!“
 

„Und wenn schon.“ Rahel zuckte mit den Schultern und war nun nah genug, damit sie nach Martins Kumpel mit der schiefen Kappe treten konnte. „Wer bist du? Verpiss dich, oder ich knall dir eine.“
 

Der Typ trat ebenfalls nach Rahel, was ein sehr dummer Fehler war und bekam schliesslich eine Faust ins Gesicht.

Dann spuckte sich Rahel in die Handfläche und drückte diese dem Typen direkt ins Gesicht.
 

Der Typ schrie angeekelt auf, Rahel schlug ihm hart aufs Kreuz und Martin verzog das Gesicht.

Meine Schwester war das einzige Mädchen auf der Schule, dem nicht mal ein notgeiler Kater folgen würde.
 

Ich musste mir ernsthafte Gedanken um meinen Körper machen…
 

„Ich hab dich gewarnt, Muschi.“ Rahel liess den Typ los und sah Martin an. „Lass Gerrit endlich in Ruhe. Wenn du so scharf auf ihn bist, dann schneid dir sein Foto aus dem Klassenfoto aus und hol dir eine runter. Aber VERPISS DICH!“
 

Man sah Martin an, wie abartig er diese Idee fand und wie verdammt sauer er war.

Er und Rahel gingen aufeinander los und es brauchte zwei Lehrer, um die beiden voneinander zu trennen.
 

Rahel wurde mit einem Verweis nach Hause geschickt und Mom unterschrieb diesen seufzend.

Wie gesagt. Die letzte Woche verlief völlig normal…
 


 

Am Abend der Premiere von Moms neustem Stück lag die Laune ganz tief im Keller.

Peppe gab dem Verlangen von Mom und seiner Freundin nach und zwängte sich schliesslich doch noch in seinen Anzug.

Er hatte in der Hose zwar Hochwasser und sah lächerlich zu LANG in dem Teil aus, aber Mom war glücklich und Peppes Freundin küsste ihn zur Belohnung.

Sie selbst trug ein rotes und kurzes Kleid und schien sich irgendwie wirklich auf die Premiere zu freuen.
 

Rahel weigerte sich natürlich strickt was Feines anzuziehen und sass in einer ausgewaschenen Jeans, ihren Turnschuhen und einem Kapuzenpulli von mir schliesslich neben mir und Peppe auf dem Rücksitz unseres Autos.
 

Ich selbst trug ebenfalls meine normalen Kleider, da ich mein Anzugs-Pensum erreicht hatte. Mom hatte mir meine Strassenkleidung durchgehen gelassen, weil ich immer noch ihr Stern am Himmel war.

Immerhin war ICH mit zu ihrer letzten Premiere.
 

Peppe sah angepisst aus dem Fenster, Rahel kaute laut Kaugummi und ich spielte nervös mit meinen Händen herum und lauschte den Frauen, die sich vorne gut gelaunt unterhielten.
 

Mom war aufgedreht und Peppes Freundin übertrieben höflich. Es war die Hölle.
 

Das Stück selbst in dem grossen Theater und dem Parfüm-Geruch ertrug ich die ersten 20 Minuten tapfer, nickte aber wegen der leisen und einschläfernden Musik ein.

Mein Kopf landete auf Rahels Schulter und ich war froh, dass wir diesmal nicht in der ersten Reihe sitzen mussten. Hätte Mom mich schlafend gesehen, wäre sie vermutlich von der Bühne auf mich gestürzt und hätte mich verzweifelt gefragt, was sie denn jetzt schon wieder falsch gemacht hätte…
 

Rahel tat zuerst nichts, dann lehnte sie ihren Kopf gegen meinen und gähnte ebenfalls.
 

„Weichei“, sagte sie leise und müde.
 

„Gleichfalls“, sagte ich und spürte, wie Rahel langsam nickte.
 

„Du sagst es, Gerrit. Dagegen hat niemand eine Chance…“
 

Peppe erst recht nicht. Er schlief WIRKLICH und seiner Freundin war es offensichtlich ziemlich peinlich, dass ihr Begleiter neben ihr vor sich hinpennte, während KUNST auf der Bühne gemacht wurde.
 

Ich bekam nur noch die letzten zwei Minuten des Stücks richtig mit, da mich lautes Applaudieren der Zuschauer weckte.

Peppe schreckte ebenfalls hoch und applaudierte einfach mit.
 

Aber selbst das weckte Rahel nicht, die sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte und eindeutig immer noch schlief.

„Rahel…“ Ich stiess meine Schwester an, aber diese gab nur ein Knurren von sich und wollte einfach nicht wirklich wach werden.
 

„Schläft sie?“ Peppe beugte sich zerzaust zu uns. „Scheisse, ich bin auch voll eingepennt…“
 

„Ja, das bist du!“, sagte seine Freundin zickig und es war klar, dass die zwei sich bald schon wieder trennen würden. „Du hast fast alles verpasst!“
 

„War ja auch der Sinn der Sache!“, zickte Peppe zurück und deutete auf mich und Rahel. „Die zwei haben es ja auch nicht bis zur ersten dramatischen Szene ausgehalten!“
 

Die meisten Leute um uns herum standen laut auf, redeten und ein paar ganz verrückte Spinner verlangten laut nach einer Zugabe.
 

„Bloss nicht“, jammerte Rahel, die langsam wach wurde. Sie setzte sich auf, zog die Kapuze vom Kopf und rieb dich den Nacken. „Fuck, tut mir der Arsch weh.“
 

Das Essen hinter der Bühne war langweilig. Mom unterhielt sich mit ihren Kollegen, die Leute standen wieder in festen Gruppen in der Gegend herum und es wurde das gleiche wie bei der letzten Premiere serviert.
 

Carla war jedoch diesmal nicht anwesend und ich beschäftigte Rahel mit der Erzählung meiner Begegnung mit Carla und ihrem Freund.

Natürlich erwähnte ich auch die dramatische Sache mit dem Tod ihrer Tante im dritten Akt oder so.
 

Danach sassen wir herum und langweilten uns.

Zumindest solange, bis Rahel plötzlich aufstand und meinte, sie müsse mir was echt abgefahrenes zeigen.
 

Ich war dumm und bescheuerte genug, um aufzustehen und meiner Schwester zu folgen.

Sie verliess den grossen Raum hinter der Bühne, schob sich an Bühnendekorationen vorbei und steuerte auf den Notausgang zu, als ich begriff, was sie tun wollte.
 

„Rahel!“ Ich packte meine Schwester am Arm. „Scheisse, du löst sofort Alarm aus, wenn du die Tür aufmachst!“
 

Rahel sah mich ernst an. „Und?“
 

„Was und?! Das wird einen riesen Ärger geben!“
 

„Na dann…“ Rahel küsste mich hart auf den Mund. „Dann nimm mal lieber die Beine in die Hand, mein verdammter Sonnenschein.“
 

Und dann drückte sie den breiten Türgriff nach unten, greller Alarm erklang und mir Feigling blieb nichts andere übrig, als verdammt nochmal zu laufen…
 


 

Wir hörten den grellen Ton vom Alarm noch Kilometer weiter und waren immerhin schon über den grossen Parkplatz gelaufen.
 

In der Nähe eines anderen Gebäudes liessen wir uns auf den sauber geschnittenen Rasen fallen und nahmen erst einmal Luft.

Rahel lachte gehässig und ich konnte die verwirrten Rufe vom Parkplatz aus bis zu unserem Versteck hören.
 

Okay, es war ein echt schlechtes Versteck, aber meine Füsse taten unheimlich weh und ich würde selbst dann keinen Meter mehr weiter gehen, wenn mein Leben davon abhängen würde.
 

„Denkst du die Feuerwehr kommt jetzt, oder so?“, fragte ich Rahel besorgt und meine Schwester spuckte auf den Boden.

Sie dachte nach.
 

„Quatsch“, sagte Rahel schliesslich. „Und selbst wenn, man kann uns nichts beweisen.“
 

„Fingerabdrücke an der Tür.“ Ich hielt es nicht für nötig, Rahel daran zu erinnern, dass SIE eigentlich immer als erster Täter in Frage kam.

Egal wo meine Schwester war, es war immer der bequemste Weg für die Polizei, einfach Rahel mit aufs Revier zu nehmen.

Selbst wenn sie durch Zufall nicht der gesuchte Schuldige war, bekam man sie schon noch wegen genug anderen Vergehen dran.
 

„Mom ist sicher sauer.“ Ich liess mich zurück ins Gras fallen. Es war unangenehm feucht am Rücken. „Was sollte das, verdammt?!“
 

Rahel dachte wieder darüber nach. „Woher soll ich das wissen?“, fragte sie dann genervt. „Du kannst vielleicht Fragen stellen.“

Und dann küsste mich Rahel erneut auf den Mund. Es war nicht so fest wie vor wenigen Minuten, kurz bevor sie den Alarm ausgelöst hatte, aber immer noch alles andere als zärtlich.

„Ich mag dich, du Feigling“, sagte Rahel ernst. „Also steh auf und hör auf zu jammern.“
 

„Was?“ Peinlicherweise bekam ich nicht ganz mit, was Rahel gesagt hatte. Es war mir eigentlich auch egal.

Irgendetwas in mir wusste, dass ich nichts ernst meinte. Als ich zu Rahel mal gesagt habe, dass sie mich nie wieder anfassen soll, war es die schlechteste Lüge der Welt gewesen. Sie war so schlecht und halbherzig gemeint, dass ich sie nicht mal selbst ernst nehmen konnte.
 

Und das wusste Rahel. Ausserdem war es hier draussen um Welten besser als in dem Theater, wo man kaum Luft wegen dem ganzen Parfüm bekam und wir vermutlich eh jetzt so was wie Staatsfeind Nummer 1 waren.
 

„Ich sagte, dass ich dich mag. Wir sind Kollegen, du Idiot.“ Rahel boxte mir gegen die Seite und ich zuckte nur etwas hilflos mit den Schultern.

Und dann küsste ich Rahel. Einfach so. Ich nahm mir etwas von ihrer Scheissegal-Einstellung und krempelte sie so um, dass auch ich für wenige Sekunden das Gefühl hatte, dass alles schon irgendwie in Ordnung kommen würde.
 

Die Rufe vom Parkplatz waren langsam verstummt und man hatte scheinbar inzwischen kapiert, dass nichts passiert war, sondern es sich hier lediglich um den Gag von ein paar Idioten handelte, die meinten, dass es lustig wäre, den Notausgang zu benutzen.
 

Rahel liess sich nach hinten fallen und zog mich somit automatisch mit. Das Gefühl, welches eindeutig unmoralischer Natur war, gefiel mir.

In diesem einen Moment, in dem meine Schwester unter mir lag und ich sie verdammt nochmal küsste, löste eine Welle der puren Selbstsicherheit aus.

DAS hier war okay. Auch wenn es 99 Prozent der Welt anders sahen, war der eine scheiss Prozent mein verdammtes Schlupfloch und Paradies.

Und DAS würde mir keiner nehmen, verdammt!
 

Selbst Martin nicht oder sonst wer von diesen Idioten da draussen.
 

Rahel kraulte mich am Nacken und mir kam der erschreckende Gedanke, was ich jetzt eigentlich alles mit ihr tun könnte, als mich meine Schwester in den Hals biss.

Sie stand innerhalb einer Millisekunde auf, schnalzte mit der Zunge und rannte los. Ich sah ihr verwirrt nach und handelte natürlich wieder viel zu spät.
 

„Gerrit!“ Peppe landete plötzlich neben mir im Gras. Ich erstarrte vor Panik, aber der fehlende IQ meines Bruders liess mich nicht im Stich.
 

„Scheisse! Ihr wart das mit dem Alarm, oder?! Mom ist mega sauer und meint, ihr würdet die Hölle auf Erden erleben, wenn wir nach Hause kommen.“
 

Ich starrte auf den feuchten Boden unter mir und die Übelkeit, die sich unbewusst seit einigen Minuten schon angestaut hatte, entleerte sich mit einem Mal.
 

Rahel. Peppe. Mom…
 

Die ganze verdammte Welt spielte mit mir und wäre mein Bruder nur ein wenig schlauer, hätte er genau kapiert, was ich und Rahel da gerade eben gemacht hatten…
 

„Scheisse Mann! Wieso kotzt du?! Hat dich Rahel wieder verprügelt?“ Peppe bewies wie auf Knopfdruck seine bescheuerte Gedankenzentrale. „Du hast da nämlich eine heftige Bisswunde, Mann.“
 

Bevor mich mein Bruder anfassen konnte, übergab ich mich ein zweites Mal.
 

Nichts würde gut werden. Und Rahel, die blöde Kuh, hatte mich einfach hängen gelassen!
 

Peppe half mir auf und brachte mich zu Mom, die schimpfend auf uns zu kam, aber verstummte, als sie mich sah.

Da sich eh alle Welt ihre eigene Realität zusammenreimte, dachte Mom scheinbar, dass ich und Rahel nur den Notausgang benutzt hatten, weil ich mich übergeben musste.
 

Mom nahm mich in den Arm, versicherte mir, dass ich keine Schuld hatte und bat Peppe, Rahel ausfindig zu machen.
 

Es herrschte die reinste Aufruhr im Theater, aber Mom erklärte ihre selbst zusammengebastelte Variante und man beruhigte sich wieder.
 

Man bot mir schrägerweise sogar eine Schüssel an und eine fremde Frau, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, strich mir ständig durchs Haar und meinte, sie hätte einen Sohn in meinem Alter und der hätte auch starke Beschwerden mit dem Magen. Sicher hätte ich das Essen nicht vertragen, da Jugendliche für Käse ziemlich anfällig wären…
 

Keiner fragte MICH was passiert war. Niemand dachte auch nur einen Moment daran, dass ich aus reiner Gewohnheit meiner Schwester durch die Notfalltür gefolgt war und dass ich sie geküsst hatte.

Niemanden schien diese schräge Tatsache überhaupt erst in Erwägung zu ziehen…
 

Ich übergab mich erneut und die fremde Frau mit dem Sohn in meinem Alter bemutterte mich wie einen 3jährigen kleinen Bub.
 

Peppe kam mit Rahel nach gut einer halben Stunde zurück und Rahel schloss ohne Probleme an Moms Variante der Story an.

Sie stellte sich sogar noch als Heldin hin, da sie dafür gesorgt hatte, dass ich nicht mitten in den Gang kotzte.
 

Rahel dichtete sogar noch was von einem Schwindelanfall meinerseits zusammen und dass sie MICH bis zur Wiese geschleppt hätte, damit ich mich an der frischen Luft etwas hinlegen konnte.
 

Jeder schluckte die Story und ich fühlte mich schrecklich. Verraten und als Marionette der erfundenen Wirklichkeiten.
 

Immerhin war ich selbst bei zusammengebastelten Geschichten der Idiot…
 


 

Auf dem Weg zum Auto herrschte Stille. Mom erwähnte den Vorfall nicht mehr und selbst Peppe war still.

Seine Freundin hatte sich an seinen Arm geklammert und war blass vor lauter Aufregung.
 

Als Mom das Auto aufsperrte und Peppe und seine Freundin einstiegen, zog mich Rahel wieder etwas weg von dem Auto.
 

Ich wollte nicht mit ihr reden. Immerhin hatte sie mich wieder blossgestellt. Mich als Idioten präsentiert und kam wie immer sauber aus der Sache raus.
 

„Lass mich in Ruhe…“ Ich löste mich von Rahels festen Griff um mein Handgelenk, aber meine Schwester packte mich erneut.

Sie sah mir direkt in die Augen und dachte kurz nach. Sie kaute nervös auf ihrem Piercing herum und seufzte schliesslich.
 

„Du färbst auf mich ab, Gerrit“, sagte sie leise und ihr Griff wurde noch fester. „Ich kann es inzwischen auch so gut wie du.“

Dann küsste sie mich hart auf die Stirn.
 

„Was?“, fragte ich verwirrt und bemerkte sehr wohl die verwunderten Blicke von Mom, Peppe und seiner Freundin, die bereits im Auto warteten.

Aber vermutlich hatten sie auch für das schräge Verhalten von Rahel eine selbstgebastelte Erklärung.
 

„Weglaufen“, sagte Rahel nur und zog mich wieder zum Auto zurück. „Kapiert?“
 

Nein. Aber das war auch egal, da ich einfach nicht zum Kapieren gemacht war. Ich folgte Rahel einfach. So wie immer.
 

Und es würde mit Sicherheit auch NIE anders sein.
 

E N D E
 


 

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Es ist zu Ende. Ja. Manch ein Leser wird das Gefühl haben, dass irgendwas fehlt. Das stimmt auch. Es wird keinen Epilog geben, aber eine Fortsetzung. Mir sind Gerrit und Rahel ans Herz gewachsen und ich komme einfach nicht mehr von ihnen los.
 

Das Schreiben hat mir Spass gemacht und ich habe das Gefühl, dass die in der Geschichte auftauchenden Personen ihr eigenes Leben führen werden. Ich werde es bei der geplanten Fortsetzung lediglich niederschreiben ;)
 

Nachträglich noch ein schönes neues 2010.



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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Von: abgemeldet
2010-03-24T14:20:05+00:00 24.03.2010 15:20
Also die ganze Geschichte an sich ist gut beschrieben. Mein Fall ist dieses Streithähne-Thematik nicht wirklich... Hab davon daheim genug davon! XD - Aber ich nehme an gerade deshalb konnte ich es auch gut nachvollziehen.
Es ist echt niedlich dieses kleine Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Zwillingen. ^^
Von:  piarona
2010-03-22T02:01:47+00:00 22.03.2010 03:01
interessantes thema. ich finde die charakter von gerrit und rahel total faszinierend. die geschichte ist übrigends auch sehr gut geschrieben ^^
über eine nachricht, wann du mit der fortsetzung beginnst, würde ich mich sehr freuen!

lg, piarona
Von: abgemeldet
2010-01-23T00:55:29+00:00 23.01.2010 01:55
Wie...Schluss?
Ich würde es ja nicht glauben wenn dieses kleine "Ende" nicht unter dem Kapitel stehen würde, aber das mit dem abrupten aufhören kenne ich schon von dir...
Tja, ich hab deine Story jetzt in einem Aufwasch gelesen und muss abschließend sagen, dass du warscheinlich auch über das Züchten von Kunstrasen schreiben könntest und es würde mich köstlich amüsieren.
Will sagen: Schreibtechnisch hast du´s voll drauf. Du lässt deine Protagonisten völlig banale und alltägliche Dinge erleben (z.B.: Der Besuch der Oma) und trotzdem ist es eben nicht langweilig. Das könnte vieleicht daran liegen das du deine Handlungen auf das wesentliche beschränkst, aber ich glaube das es mehr deine wirklich saugeilen Charaktere sind, die einen so an deine Geschichte fesseln. Ich könnte den ganzen Tag nichts anderes tun, als mir von dir erzählen zu lassen, wie sich Gerrit und Rahel gegenseitig die Köpfe einschlagen.
Was mich auch gleich zu den Namen deiner "Sprösslinge" fürt. Ich finde es mehr als genial, dass du dem Leser erzählst wie die Beiden zu ihren abgefahrernen Namen kommen. So viel liebe zum Detail, bin ich ja noch nicht mal von "profesiomellen" Autoren gewonnt. Aber ich bin sowieso ein Fan von kleinen Geschichten in Geschichten.
Und die vielen verschiedenen Charakter deiner Charaktere. (Haha, Wortwitz!) Mal ehrlich, welcher Typ Mensch fehlt den in dieser Chaosfamilie noch? Schläger und Weichei haben wir schon. Dann die überforderte Mutter und der pupatierende Bruder. Die alle auf engsten Raum? Das kann ja gar nicht gutgehen, und tut es auch nicht. Was mich irgendwie zur Story bringt:
Die Grundidee ist so einfach wie genial. Ein verweichlichter Junge, der sich zu seiner Zwillingsschwester hingezogen fühlt, weil die ihn jeden Tag den Arsch rettet und er selbst nicht genau weiss was er will. Nun ist diese Zwillingsschwester aber leider eine brutale Schlägerin, die mit der Gesellschaft nicht zurechtkommt und denkt mit dem Kopf durch die Wand zu müssen. Dieses "Dreamteam" kämpft sich nun durch das Leben und das auf höchst amüsante Weise.
Streng genommen passiert in diesen 5 Kapiteln eigentlich nichts, und spätestens als Gerrit in der Schule wieder neben Rahel sitzt, hat man das Gefühl, wieder am Anfang zu sein. Was aber nicht wirklich stört, denn eigentlich tragen ja deine Figuren die humorvolle Geschichte.
Und bei dir folgt einer Pointe die Nächste, und die meisten deiner Gags zünden, dazu noch ein Hauch Sozialkritik, oh ist das schön!

Auch wenn ich eigentlich kein Fan von Alltags-Stors bin, deine ist wieder großartig geworden und auf die Fotrsetzung bin ich auch schon mächtig gespannt.
(Ach und so nebenbei: Wie sieht es den bei "SchlägerTyp!" aus? Ich warte jetzt schon ewig, aber es geht leider nicht weiter. Wenn du etwas Zeit und Muse findest, investiere sie bitte in Spongebob und Co., ja? ;)

P.S. Waqrum kommentiert dich niemand??? Vielleicht liegt es ja daran das niemand weiß, das es dich gibt. Vielleicht würde es helfen, wenn du deine Storys ein wenig mehr "puschen" würdest, sonnst bleibst du ja auf ewig ein Geheimtipp.

Hochachtungsvoll,
Von:  P-Chi
2010-01-03T22:03:15+00:00 03.01.2010 23:03
Argh, es ist einfach wieder absolut genial geworden <3 <3 <3
Ich liebe Rahel Gerrit auch TOTAL!!!
Es wäre einfach der Hammer wenns ne fortsetzung mit den beiden geben würde! x3 *luv*

glg Angels
Von:  il_gelato
2010-01-03T18:33:09+00:00 03.01.2010 19:33
Guter Schluss!
Aber verstehen kann ich es trotzdem nicht, warum du es umschreiben musstest. Die erste Version würde mich interessieren. Könntest du sie vielleicht auch reinstellen, aber unter einem anderen Titel oder so?
Gerrit ist wohl doch nicht so ein Weichei, wenn er ihr doch noch handfeste Paroli bieten kann!!

ass du ne Fortsetzung machen willst freut mich riesig. Die beiden Verplanten sind mir nämlich auch mächtig ans Herz gewachsen, zum Schluss vor allem Rahel!
Von:  il_gelato
2009-12-04T17:53:28+00:00 04.12.2009 18:53
wo bleibt das nächste Kapitel?!?!?!?!?!?!?!
Von:  il_gelato
2009-11-17T17:32:19+00:00 17.11.2009 18:32
ach du grüne neune!!!!

Gerrit, Gerrit, Gerrit!!! Ich glaube man unterschätzt die Hormone eines Jugendlichen....
Ich blick bei Rahel genauso wenig durch wie Gerrit!
Von:  P-Chi
2009-11-17T15:08:41+00:00 17.11.2009 16:08
°_________________°
Ich ... bin sprachlos.
Das war ja dermaßen GENIAL!!!
Ich bin nur knapp einem Erstickungstod entkommen, als ich so viel gelacht hab!
Rahel und Garret, ich kann einfach nicht genug von den beiden bekommen!! <3 <3 <3
Garret is echt n'schnuckliger Schlappschwanz xDDDD~ *maunz*
Und jetzt kommt auch noch Oma zu besuch .... uuuh, die tun mir echt leid -.-'

glg Angels :DD
Von:  il_gelato
2009-11-08T01:51:05+00:00 08.11.2009 02:51
Der Junge ist echt nicht zu beneiden...
Tolles Kapitel!!!

Mach schnell weiter, will unbedingt wissen, wie es bei den beiden weiter geht!
Rahel tat mir bei der Straßen-Szene mit Carla irgendwie leid...
Von:  P-Chi
2009-11-07T20:51:28+00:00 07.11.2009 21:51
Buahahahaha xDDDDDDDDDDDDDDDDD
WAAAAH, ich LIEBE Rahel und Gerrit!!! <3 <3< <3 <3 <3
Scheiße, war dieses Kapi geil!! *___*
YAAAAAY~ xDDDD
Ich kann mich einfach nicht satt lesen, bei dieser Story! x33

glg Angels


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