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Lauter Einzelteile

26 Teile des Lebens, die sich Sterben nennen
von

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Countdown

Und wieder ist ein Jahr vergangen, die Pforten zu nächsten Neuanfängen sind geöffnet, alte Meinungen können abgestreift werden, kurz: ein neues Leben beginnt.

Wie haben Sie Ihren Jahreswechsel vollzogen? Doch hoffentlich auf angenehme Art und Weise, denn mich persönlich stimmt diese Wende immer traurig. Manche Leute sitzen jedes Jahr im Wohnzimmer und sehen sich Dinner for One an, wobei fast, ich betone fast allen Zuschauern die allzu tragische Begebenheit dahinter entgeht. Man trinkt, man plaudert mit Bekannten oder bleibt allein. Nun gut... man besäuft sich, streitet mit Bekannten und bleibt allein. Doch möchte ich nicht zynisch erscheinen. Letztendlich sind das auch nur Bagatellen in Anbetracht der Wucht des alten Jahres, das sich unaufhaltsam in den Abgrund der Vergessenheit stürzt.

Mit einem lauten Knall befördert man sich in neue Entschlüsse, neue Vorsätze und Entscheidungen, und bemerkt dabei nicht, dass die paar Sekunden zwischen zwei Jahren völlig unbedeutend sind. So unbedeutend wie alle anderen Sekunden. So unbedeutend wie die Silvesterraketen, die am nächsten Tag nur noch als lauter Einzelteile die Straße verunstalten, anstatt in bunten Lichtern den Himmel zu schmücken.

Meist steht am Silvesterabend der Weihnachtsbaum noch im Wohnzimmer, direkt neben dem Fernseher, auf dessen Bildschirm eine der unzähligen Silvestersendungen läuft. Der geschmückte Baum sieht jetzt schon ziemlich lächerlich aus, da er entweder bereits nadelt oder, falls er unecht ist, sowieso nur dümmlich krumm im Wege steht. Sollte man keinen Baum besitzen, macht das die ganze Situation auch nicht weniger trostlos.

Sobald sich alles dem Ende entgegenneigt, steht man gemeinschaftlich im Wohnzimmer, jeder ein Glas von dem billigen Sekt in der Hand, da man nicht das Geld hatte, sich Champagner zu leisten, und zählt den Countdown in der Flimmerkiste herunter.

...Drei ...Zwei ...Eins ...Null!

Alles jubelt. Jeder tut so, als würde er sich freuen. Man stößt extra lang mit den Sektgläsern an, um es noch ein wenig hinauszuzögern, sich das Gesöff in den Rachen gießen zu müssen. Viele nutzen dann die Methode, auf Freundschaft, wie es im Volksmund heißt, zu trinken, damit es hoffentlich nicht auffällt, dass man nur kurz am Glas nippt. Es sei denn, man war so klug, sich vorher zu betrinken, dann schmeckt das Zeug nur halb so schlimm.

Schließlich gehen alle nach draußen, man schaut dem Feuerwerk zu oder beteiligt sich sogar aktiv daran. Jeder Mensch hat dieses bestimmte Glitzern in den Augen. Sie wissen schon, was ich meine: die Tränen in den Augen, da man den Sekt gar nicht so widerlich in Erinnerung hatte. War das im letzten Jahr auch schon so gewesen?

Nun steht man auf der Straße, blickt sich um und erkennt viele neue und alte Gesichter. Dort ist der Nachbar, das ist der Enkel, den vorbeilaufenden Mann kennt man nicht... und plötzlich denkt man sich: Eigentlich... ja, eigentlich kennen wir uns alle gar nicht, diese Leute sind wie Fremde. Jeder einzelne.

Im nächsten Moment geht man noch einen Schritt weiter. Das Jahr ist vorbei. Wie war es überhaupt? Hat man irgendetwas erreicht? Sie wissen sicher, wovon ich spreche.

Wussten Sie, dass sich zu Neujahr unglaublich viele Selbstmorde ereignen? Es ist erstaunlich, es gibt tatsächlich noch kluge Menschen, denen eines klar ist: das letzte Jahr war beschissen, das nächste wird auch nicht besser sein. Auf ein Neues?



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Sas-_-
2014-08-27T12:37:41+00:00 27.08.2014 14:37
Ah, soweit ich weiß, übertrifft die Selbstmordrate sich vor allem an Weihnachten selbst, weil das als letzteres angesprochen wurde :]
Hm, automatisch denke ich natürlich an meine Neujahre, und mal abgesehen vom Lärm, den ich kaum errtragen kann, weshalb ich Oropacks trage, mag ich das Neujahr. Vielleicht auch vornehmlich, weil ich fast jedes Jahr für ein beinahe Massaker sorge :DDD
Mir gefällt dein kurzer Text, zynisch ist er eigentlich trotzdem durch und durch :DD Auch wenn der Erzähler noch von sich behauptet, dass er das nicht so meinen würde. Es klingt alles recht verbittert, als sei es das nun alles wirklich nicht wert :] Die Stimmung, die hier wiedergegeben wird, ist sehr gut geworden, ich kann das alles zwar nachvollziehen, empfinde es aber selbst nicht so. Also, das Neujahr. Okay, die Vorsätze sind Schwachsinn, die mache ich nie und wenn mir Leute von ihren erzählen, hätte ich gern jemanden, mit dem ich wetten kann, wie lange es dauert, bis die ganze Sache kippt :DDD
Ja, tatsächlich weiß ich nicht genau, was ich noch zu deinem Text sagen kann, außer, dass ich hoffentlich bald die Zeit finde, den nächsten Einschuss zu lesen :]

LG
Sas-_-
Antwort von:  halfJack
27.08.2014 19:38
So viel dazu, dass unter den Entwürfen sämtlicher Schriftverkehr auf Animexx gespeichert wird. Da hatte ich wohl Pech, denn die Antwort, die ich dir eben schrieb, wurde mit dem Versenden gelöscht und ist irgendwo in den Tiefen von Werweißwo verschwunden. Nun gut, ich versuche nochmal, alles zusammenzubekommen.

Zuerst danke ich dir für deinen Kommentar! :)
Welcher Feiertag bei der Selbstmordrate der Spitzenreiter ist, war mir bei der Reihenfolge der Nennung nicht unbedingt wichtig. Es schien mir nur bemerkenswert, dass es überhaupt so ist. Vielleicht liegt es an der Sentimentalität, Melancholie, Wehmut, Reue, dass sich Menschen gerade an solchen Tagen für den Tod entscheiden. Mich würde interessieren, wie das wohl in Japan ist, immerhin ist dort Weihnachten kein Familienfest, sondern eine romantische Pärchenzusammenkunft und Silvester wird nicht mit einem großen Knall, sondern besinnlich und ruhig gefeiert.
Übrigens habe ich diesen Text beim Wechsel vom Jahr 2004 zu 2005 verfasst, gleich am ersten Tag des neuen Jahres und ich war beim Schreiben noch immer ein bisschen besoffen. Der nächste Einschuss, "Daneben", ist übrigens die Fortsetzung davon. Die teils ziemlich bescheuerte Fortsetzung. Erwarte also nicht zu viel. :D

Vorsätze implizieren übrigens für mich automatisch, dass man sich nicht daran hält. Das Wort klingt ja schon so ungut und zwielichtig. Man kann sich das Ganze Jahr über Dinge vornehmen, wenn man das wirklich will. Dafür braucht man doch keinen speziellen Tag.

Wie sorgst du denn bitte für ein beinahe Massaker? o.O Du kannst mir auf die Frage auch gern per ENS antworten, falls dir das hier zu öffentlich ist. Wenn du möchtest. Deine Stellungnahme hat mich jedenfalls gefreut. :)
Von:  Blaetterklingen
2010-11-19T11:56:40+00:00 19.11.2010 12:56
Juppi eine neue Überarbeitung^^ ich verstehe die Leute nicht die sagen, das es irgendwann an der Zeit wäre, ein Werk zur Seite zu legen. Meistens bestimmen uns doch die Einfälle und Ideen und diktieren uns, woran wir jetzt weiter arbeiten.
"Doch möchte ich nicht zynisch erscheinen." nur der Erzähler ist in der Neuauflage grandios gescheitert^^

Ist es eigentlich legitim mehere Kommentare zu posten? Nicht, das ich es nicht trotzdem machen würde, immerhin hat sich die Geschichte ja auch verändert, aber was sagt eigentlich Knigge dazu^^
Von:  Blaetterklingen
2010-04-19T16:27:44+00:00 19.04.2010 18:27
Ich kann mich immer wieder daran begeistern, wie du es schaffst, hohen Stil glaubhaft mit Umgangssprache zu verbinden. Darauf ein Prost. Wo es die besseren deutschen Komödianten, mit unbedachten Alltäglichkeiten, schaffen einen zum Lachen zu bringen, bringst du einen zum nachdenken. Ok, ein wenig Schadenfreude über das selbst gemacht elend der Massen stelle ich nach dem Lesen auch bei mir fest^^. Weiter so.
p.S. Denn meisten ist es nur Recht und billig, statt billigen Sekt, noch billigeres Selterswasser auszuschenken, um die Geschmacksknospen zu schonen.


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