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Lauter Einzelteile

26 Teile des Lebens, die sich Sterben nennen
von

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Heimatfront

Wir wussten nicht, wohin wir laufen sollten, wohin sie schießen würden. Die Kugeln fitschten über die Straße, aber sobald man sie hörte, war es bereits zu spät. Die Flieger kamen so tief herunter, dass man sogar die Leute sehen konnte, die in ihnen saßen.

Die Menschen brannten, als die Bomben herabfielen. Phosphorbomben. Viele sind in die Flüsse gesprungen, obwohl die Strömung sie nach unten ziehen konnte. Zuerst verbrannt, dann ertrunken.

Mir wurde schlecht, als unser Funkgerät die Worte abfing:

"Ich sehe hier lauter Einzelteile, gute Arbeit."

Aber sie konnten ja nicht sehen, wer hier unten starb. Und sie hatten Recht, denn von den Menschen blieb nicht viel übrig.

"Tritt ihm mal in die Seite", sagte der eine, während er sein Gewehr über die Schulter warf, "vielleicht lebt er noch."

"Blödsinn, schau dir doch mal den Bauch an. Das sind bestimmt keine Blähungen."

"Bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf."

"Wieso? Der Tod hat doch auch keinen."

Am Rande hatte man große Becken und Eimer aufgestellt, um die einzelnen abgerissenen Gliedmaßen darin zu sammeln. Auf den unkenntlichen Körperteilen lag eine Haut aus feuchtem, menschlichem Haar.

"Helm ab zum Gebet!"

Nach dem Kampf nahmen alle Soldaten die schweren Eisenhelme vom Kopf und beteten, auch wenn sie schon lange nicht mehr an Gott glaubten. Einmal hörte ich einen sagen:

"Jesus kann mich mal gepflegt am Arsch lecken."

Auf meiner Suche landete ich schließlich beim Friedhof, wo die Soldaten ein paar Löcher gruben, um die toten Körper da reinzuwerfen. Einer musste es ja machen, sonst türmten die sich noch bis zum Himmel.

"Wen suchst du? Dann geh mal hinter die Leichenhalle, da liegen noch welche."

Ich war noch ein Kind, doch das interessierte niemanden. Die Toten waren alle nebeneinander aufgebahrt, ab und zu notdürftig mit einem Tuch bedeckt. Während ich auf meiner Suche die gesamte Reihe entlangging, schauten mich einige von ihnen an. Und grinsten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2010-03-11T09:23:07+00:00 11.03.2010 10:23
Echt hammer qeil *____*
deine FF´s und one-shots sind toll
lq.
Hony
Von:  Digitalis
2009-12-24T19:40:38+00:00 24.12.2009 20:40
Hey du,

ich bin gerade über deinen Bericht gestolpert.
Bericht deshalb, weil DAS für mich sicher keine FF (im Sinne des eigentlichen Wortes nämlich FANfiktion) ist.

Trotz deiner Wahl des Themas, oder gerade deswegen, bin ich total beeindruckt.
Deine Wortwahl fesselt und ich gestehe, dass ist beim Lesen ehrlich schlucken musste.

Im Grunde kann ich mich meinen "Vorrednern" nur anschließen.
Wirklich beeindruckend und erschreckend zugleich.
*Daumen hoch*

LG
Dat Miezekätzchen
Von:  angeljaehyo
2009-07-16T20:06:09+00:00 16.07.2009 22:06
Wie wunderbar mir doch der Krieg am Arsch vorbeigeht, während ich hier bequem in meinem Bett sitze/liege und mir nur um meine scheiß Grippe Sorgen mache.

Das hast du mir mit diesem Text schön gezeigt, und das finde ich wirklich gut.
Obwohl du (hoffentlich) wahrscheinlich gar keine wirkliche Ahnung vom Alltag eines Soldaten oder eines Kriegsopfers hast, ist deine Darstellung schon so schrecklich.
Da stellt sich einem die Frage, wie schlimm eine von einem dieser Zeugen ist? Ohne den Schleier der Zeit und des Vergessens dazwischen, sondern die echten Gedanken des Moments.

Gut, knapp und klar geschrieben. Gefällt sehr.
Von:  Nachtwandler
2009-06-24T19:39:00+00:00 24.06.2009 21:39
- uh. Ich muss ehrlich sagen, dass ich ziemlich schockiert war, als ich den Text zum ersten Mal gelesen habe, wahrscheinlich deshalb, weil du den Krieg und seine grauen- und ekelhaften Folgen so unbeschönigt, realistisch und nüchtern umsetzt.
Im Nachhinein muss ich allerdings sagen, dass ich beeindruckt bin, zum einen davon, dass du dieses Thema gewählt hast und zum anderen durch die Art, wie du es geschrieben hast, unaufgeregt, aber auch genau so, dass einem das Szenario noch grotesker, noch verzerrter, noch schrecklicher erscheint. - ich finde keine richtigen Worte dafür, sorry.
... es hätte beinahe ein Teil von "Im Westen nichts Neues" sein können.


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