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Zweifelhafte Unschuld

Stargate Atlantis
von

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In der Stille der Nacht

Mit der Nacht war das schlechte Wetter zurückgekehrt. Die See war unruhig und stürmte unermüdlich gegen die Grundfesten der schwimmenden Stadt an. Hohe Wellen überfluteten weite Abschnitte der außenliegenden Docks, spülten gurgelnd um die Gebäude und vermischten sich mit den dichten Vorhängen des Regens, der mittlerweile den Platz des Seenebels eingenommen hatte. Das Heulen eines herannahenden Sturmes hallte dumpf in den verlassenen Gängen wieder.

Das kleine Team hatte sich auf eines dieser durch das Meer abgetrennten Docks geflüchtet. Nur um Haaresbreite waren sie den suchenden Wraith entkommen und nur der Drache hatte es ihnen ermöglicht, einen Abstand zwischen sich und den Feind zu bekommen, der sie jetzt in relativem Frieden schlafen ließ. Die Erschöpfung der zurückliegenden Stunden hatte jeden einzelnen von ihnen übermannt und so lagen sie verstreut in dem kleinen Raum, der ihnen für die nächste Zeit als Unterschlupf dienen sollte. Selbst Arokh hatte sich vor den wütenden Naturgewalten in Sicherheit gebracht und hatte Atlantis durch ein Unterwasserdock betreten. Dort, in einem der kleineren Hangar für Jumper, hatte er sich niedergelassen.

Er schlief nicht und so bemerkte er den unerwarteten Besucher, noch ehe sich das Schott zum Gang öffnete. Aufmerksam blickte er dem Schwarzhaarigen entgegen. „Warum schläfst du nicht, so wie deine Freunde?“

Sheppard schien nicht überrascht. „Das habe ich. Doch scheinbar benötigt mein Körper nicht die selbe Regeneration wie mein Team.“ Er lächelte freudlos. Sie beide wussten, warum.

Durch eine riesige Panzerglasscheibe konnte man hinaus auf die tobende See blicken und für den Moment gab sich Sheppard der gedankenverlorenen Beobachtung der zerschellenden Wellen und der Schleier dichten Regens hin. Weiter als ein paar Meter konnte man in der Dunkelheit der Nacht ohnehin nicht sehen, zumal ein ganzer Wasserfall dichter Wasserschlieren über das Glas perlte.

Die Freude, wieder mit seinen Freunden vereint zu sein, war groß. Und auch die Freude über den unerwarteten Beistand von Rhyan und Arokh. Dennoch hatte sich die Lage Atlantis zugespitzt und der Colonel hatte keinen klaren Weg vor Augen, wie er die Gewalt über die Stadt wieder an sich reißen konnte.

Er fröstelte bei dem bloßen Gedanken an die zurückliegenden Stunden. Sie hatten auf Messers Schneide gestanden und nur dem Drachen war es zu verdanken, dass sie alle wohlbehalten und unversehrt hier her gelangt waren.

Das Glas der Scheibe fühlte sich kühl auf seiner Haut an, als er seine Stirn gegen das Fenster lehnte und sich zurückerinnerte. Arokh hatte sie ohne große Schwierigkeiten aufgenommen und zum Krankenflügel transportiert, wo sie endlich wieder auf Ronon, Teyla und Rodney gestoßen waren. Jedoch war die Wiedersehensfreude nur von kurzer Dauer gewesen. Noch immer konnte er Rodneys entsetzten Ausruf hören, als dieser Schritte aus einem der Flure vernommen hatte.
 

„Sie kommen!“

Sheppard fluchte lautstark und zog Rhyan wieder auf die Füße. Zwar schien sie langsam wieder zu sich selbst zu finden, doch die Schwäche in ihren Gliedern blieb. Teyla war glücklicher Weise stark genug, um dem Team aus eigener Kraft zu folgen und so setzten sie sich in verhaltenem Laufschritt in Bewegung. Ronon stürmte voran, dicht gefolgt von Rodney und dem Colonel mit Rhyan. Das Schlusslicht bildeten Teyla und Carson.

„Wo sollen wir hin?“ Der Sateder stoppte an einer Weggabelung und spähte ratlos die dunklen Flure entlang. Sein Herz schlug hart gegen seine Rippen und verlangte nach einer Rast. Doch so wie sich die Lage darstelle, würde diese noch sehr sehr lange auf sich warten lassen.

Die anderen schlossen keuchend zu ihm auf. Noch immer hatten sie das stetige Geräusch ferner Schritte im Rücken. Ronon wiederholte seine Frage.

„Ich weiß es nicht. Ich habe keine einzige Idee.“ Rodney lehnte schwer atmend an der Wand und blickte hilflos zwischen seinen Freunden umher. Sie alle sahen jämmerlich aus. „Wir...“ er brach ab, atmete tief durch und setzte noch einmal an: „Wir schaffen es nicht einmal zu den Jumpern und zu Fuß...“

Standen ihre Chancen, den Suchtrupps zu entgehen, denkbar schlecht. Niemand brauchte diese Tatsache aussprechen. Sie hing wie ein Damoklesschwert über ihnen.

Irgendwo weiter vorne im Gang erklang das Zischen einer Türhydraulik und beendete damit die kurze Pause. Stolpernd setzte sich das Team wieder in Bewegung. Weg von den Geräuschen und weg von dem Licht, in dem sich groteske Schatten bewegten.

„Colonel Sheppard, ich bin in der Tat überrascht, dass Sie nach all dem noch immer den Mut besitzen, sich mir zu widersetzen. Ich dachte, ich hätte meinen Standpunkt deutlich gemacht.“

Alle sechs blieben augenblicklich wie angewurzelt stehen und starrten mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit vor ihnen. Michaels Stimme klang nah, wenngleich auch seltsam verzerrt. Doch jeder einzelne von ihnen rechnete in diesem Moment damit, dass der Wraith unmittelbar vor ihnen auftauchen würde. Sie drängten sich zusammen.

Das kratzende Lachen Michaels hallte durch vielfaches Echo verhöhnt zu ihnen und Sheppard legte lauschend den Kopf auf die Seite. Das klang nicht wirklich wie Michael. „Die Lautsprecheranlage. Er hat weitere Systeme unter seine Kontrolle gebracht. Verflucht soll er sein!“

„Laufen sie nur. Sie und ihr Team, sie können nirgends hin. Sie können mir nicht entkommen.“ Auch wenn seine Stimme lediglich über das Kommunikationsnetz der Stadt bis zu ihnen drang, reichte es doch vollkommen aus, um das Team noch weiter bis aufs Blut zu reizen. Zu viel war in den letzten Tagen vorgefallen, als dass sie noch mit kühlem Kopf auf diese Stimme reagieren konnten. Ronon riss in wildem Zorn einen der Lautsprecher aus seiner Wandverkleidung.

Indes versuchte sich Sheppard verzweifelt gegen das Gift, welches diese Worte in sich trugen, zu verschließen. Aber er konnte nicht verhindern, dass eine kleine hartnäckige Stimme in seinem Innern dem Wraith murmelnd beipflichtete und seine Schritte schwerer werden ließ.

„Sie sind wie Ameisen. Einfach überall! Ich...“ McKay prallte von der sich schließenden Zwischentür zurück, die trotz aller Mühen nicht mehr auf den Öffnungsmechanismus reagierte. Blankes Entsetzen flutete durch seinen Körper. „Dieser Bastard. Er wendet die Stadt gegen uns.“

„Nicht die Stadt ist gegen uns, Rodney.“ Sheppard wandte sich um und hastete weiter, doch auch die nächste Tür schnitt ihm im letzten Moment den weiteren Weg ab. Wutentbrannt ließ er seine Faust gegen das unnachgiebige Metall krachen. Dumpf hallte der Schlag durch die trügerische Stille des Ganges.

„Nicht mehr lange, und wir sind hier eingeschlossen.“

Es war genug. Wortlos änderte Sheppard seine Richtung und stieß den Wissenschaftler unsanft vor sich her und durch eine der wenigen Außentüren. Widerstandslos glitt sie in die Wand und gab den Weg auf die Außenareale frei. Dankbar, dass sein lautloses Gebet erhört worden war, trat er hinaus, dicht gefolgt von den anderen.

Kaum aus dem Schutz des Turmes heraus, schleuderte ihnen der Wind wahre Sturzbäche aus Regen entgegen. Binnen kürzester Zeit waren sie bis auf die Haut durchnässt. Doch ein Zurück würde es für sie nicht mehr geben. Ihre einzige Chance würde jetzt einzig und allein nur noch in den Außenanlagen der Stadt zu finden sein.

Stellenweise stand das Wasser knöcheltief zwischen den Gebäuden und machte den Untergrund trügerisch und glatt. Heftige Strömungen zerrten hartnäckig an ihren Beinen.

Sheppard blinzelte gegen das Wasser, das ihm ständig in die Augen lief, an und versuchte vergeblich durch die dichten Schleier irgendetwas zu erkennen. Neben ihm tastete sich Ronon mühsam gegen den böigen Wind geduckt vorwärts – und trat prompt ins Leere. Er warf sich zurück und entging nur knapp einem Sturz in die aufgewühlte See. Hustend nahm er die von Dr. Beckett dargebotene Hand entgegen und stand auf. „Das ist Wahnsinn! So kommen wir niemals irgendwo hin.“ Sein Blick glitt an den anderen vorbei zu der Tür, aus der sie zuvor gekommen waren, und weitete sich entsetzt. Die Falle hatte zugeschnappt.

Von dem Krieger aufmerksam gemacht, drehte sich der Rest der Gruppe ebenfalls um und stellte sich ihren Verfolgern. Mindestens ein Dutzend der Insektenwesen schwärmte auf dem schmalen Ausläufer des Außendocks aus und schnitt den Freunden damit jeden weiteren Fluchtweg ab. Offen blieb nur noch der Weg ins Wasser.

Michaels Mantel bauschte sich im Wind, als er unter der Türzarge hindurch an die Luft trat und mit verschränkten Armen auf seine Beute blickte. Ein hämisches Grinsen umspielte seine Lippen. „Sagte ich nicht, sie können mir nicht entkommen?“ Seine Stimme war fadendünn und wurde beinah sofort von dem heftigen Wind davongetragen.

Das Team blieb dicht beisammen und wich zurück, soweit es das schäumende Wasser zu ihren Füßen gestattete, als unter der Tür noch weitere Wraith erschienen und in Michaels Rücken Aufstellung bezogen. Nur Sheppard, der Rhyan zurück in die Obhut Dr. Becketts geben hatte, blieb wo er war. Hoch aufgerichtet trat er dem Wraith entgegen. Er ignorierte den Regen, der ihm seitlich entgegenschlug und in kleinen Rinnsalen über seinen Körper lief. Für den Moment empfand er nur grenzenlosen Zorn, der alle anderen Gefühle überflügelte und keinerlei Angst zuließ. Es war sein Team, das sich dort hinter ihm zusammendrängte und für den Moment war es auch seine Stadt. Sein Atlantis. Er würde sie nicht einfach wie ein in die Ecke getriebenes Schaf aufgeben. Ebenso wenig wie er die Menschen, die sich noch im Innern der Stadt befanden, aufgeben würde. Für diejenigen, für die Hilfe noch möglich war, waren sie die letzte Hoffnung.

Wenn Michael über die neu gewonnene Kraft und den Kampfgeist des Colonels verwundert war, so zeigte er es nicht. Grimmig erwiderte er den Blick seines Gegenübers. „Was soll das werden, Sheppard? Meine Freunde hier werden Sie in Sekunden in der Luft zerreißen, wenn Sie auch nur den Gedanken hegen sollten, mich anzugreifen.“

John knirschte mit den Zähnen. Natürlich war er machtlos. „Du versteckst dich hinter diesen künstlich erschaffenen Bestien und wagst es nicht einmal, mir allein gegenüber zu treten. Du musstest mich erst schwächen, um deine bösen kleinen Spielchen mit mir treiben zu können. Alles was dich ausmacht ist ein Feigling.“

Michaels Gesicht verzerrte sich in Wut und Hass, als Sheppards Worte zu ihm durchdrangen. „Nicht ich habe mit diesem Spiel angefangen!“

„Nein. Aber wir handelten aus dem Bestreben, unser Volk und die Menschen in dieser Galaxie vor Euresgleichen zu schützen. Ein weiterer Feldzug im Kampf gegen die Wraith, in dem leider du die Schachfigur stellen musstest.“ Sheppard hatte keine Ahnung, wohin ihn dieses Gespräch führen sollte. Er erreichte lediglich, dass Michael mehr und mehr in Rage geriet. Und vielleicht, unwahrscheinlich aber vielleicht, machte er dann einen Fehler. „Diese Experimente stellen dir eine Streitmacht zur Seite. Eine Streitmacht, mit der du ohne Zweifel sowohl Menschen als auch Wraith unterwerfen könntest. Doch mit welchem Ziel? Letzten Endes wirst du alleine sein unter all diesen Biestern, die dir niemals eine Familie oder eine Zugehörigkeit ersetzen können.“

Als Michael seine Arme ausbreitete, stand blanker Hass in seinen Augen. Langsam begannen die Wesen vorzurücken. „Und genau dafür werdet ihr büßen.“ Sein schwarzer Mantel umflatterte ihn wie ein Banner. Dann senkte er seine Arme wieder und gab seiner Streitmacht den stummen Befehl zum Angriff.

Sheppard sprang zurück und duckte sich grade noch rechtzeitig unter der heranstürmenden Kampfmaschine hindurch, die mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu steuerte. Sie beide verloren dadurch das Gleichgewicht, doch das Wesen wurde durch den ungeheueren Schwung des Angriffs weitergetragen und schlitterte über den glatten Untergrund, um in einer aufschäumenden Welle im Meer zu versinken.

John hingegen strampelte hilflos in dem Versuch, wieder auf die Füße zu kommen. Er rutschte weg und landete schmerzhaft wieder im Wasser, dessen Strömung gierig an seiner durchnässten Kleidung zerrte. Sein Blick war unverwandt auf die nächsten zwei Angreifer gerichtet, die mit tödlicher Präzision auf ihn zukamen. Dieses Mal würde er nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Er war ihnen schutzlos ausgeliefert, mit nichts weiter als seinen Händen, um sich gegen die tödlichen Klauen zu verteidigen. Sinnlos. Sie würden ihn mühelos aufschlitzen. Für ihn würde der Kampf hier und jetzt enden.

Kalt umschloss diese Erkenntnis sein wild jagendes Herz, erstickte die Angst und die Zweifel, die ihn beim Anblick dieses übermächtigen Gegners zur Flucht zwingen wollten. Er würde nicht weichen. Entschlossen stemmte er sich gegen den Sog der Meeresströmung. Sein Team würde er bis in den Tod verteidigen. Semper Fi...

Durch das Heulen des Sturms erklang ein langgezogenes, markerschütterndes Brüllen und kündigte den riesenhaften Schatten an, der undeutlich aus dem Dunst des Regens und der tiefhängenden Wolken dem Pier entgegen stürzte. Mit einer katzenhaften Drehung warf er sich in der Luft herum und entfaltete seine weit ausladenden Schwingen. Das Dock erzitterte, als der Drache in der schmalen Lücke zwischen Menschen und Wraith zur Landung ansetzte. Dabei zuckten seine Vorderklauen mit tödlicher Schnelligkeit vor und schleuderten Sheppards Angreifer wie Spielzeugpuppen hinaus in das Unwetter. Seine Krallen scharrten mit lautem Knirschen über den Untergrund und für den Moment strauchelte das mächtige Wesen, auf der Suche nach Halt. Sein Schwanz peitschte über die sich hastig duckenden Menschen hinweg und mähte mehrere Wraith und Hybridwesen davon. Seine Flügel schlugen auf den Wind, erzeugten ein beängstigendes Knallen. Dann hatte er sein Gleichgewicht zurück. Gleich einer Kobra schnellte sein gehörnter Schädel vor und das mächtige Gebiss zertrümmerte die eisenharte Panzerung von Michaels Wesen mit Leichtigkeit. Der Vormarsch geriet ins Stocken.

Konfrontiert mit diesem unerwarteten Gegenspieler, wich Michael in den Schutz des hinter ihm aufragenden Turmes zurück. Er floh von dem überfluteten Dock, hinauf auf einen verwinkelten Balkon, der ihm – so hoffte er – ausreichend Schutz vor dem Blick des Feindes bot. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Für den Moment war er machtlos gegen die entfesselte Gewalt des Drachen.

Unter ihm streckte Arokh seine dem Team zugewandte Schwinge aus, um sie aufsteigen zu lassen. Sein mächtiger Körper schirmte sie derweil wirkungsvoll von den Attacken durch Michaels verbliebene Geschöpfe ab. Seinen einschüchternder Blick ruhte auf dem Gegner. Er verhielt sich vollkommen still, solange er die Menschen an sich hochklettern fühlte, doch im Innern seines leicht geöffneten Maules glomm einer stummen Drohung gleich das satte Blau-Rot des Drachenfeuers, immer wieder begleitet von kleinen Flammenzungen, die über seine Lippen leckten.

Und schließlich konnte Michael nur in ohnmächtigem Zorn zusehen, wie sich der Drache mit Sheppard und seinem Team auf dem Rücken umwandte und dem sturmverhangenen Himmel mit einem beherzten Satz entgegen sprang. Von seinen Geschöpfen blieb nichts als feiner Staub, der sich im reißenden Sturm schnell verflüchtigte.
 

Gedankenverloren beobachtete John, wie sein kondensierter Atem auf der Scheibe langsam wieder verschwand. Er hätte froh sein sollen, noch am Leben zu sein. Er müsste Arokh mehr als nur ein wenig dankbar sein. Das war er auch. Selbstverständlich. Doch das Wissen, ihre vielleicht größte Trumpfkarte bereits aufgedeckt zu haben, bereitete ihm Übelkeit.

„Was hätte ich für eine Trumpfkarte sein sollen, wenn du und dein Team jetzt kalt und leblos auf dem Meeresboden treiben würdet?“

John gab sich nicht einmal die Mühe darauf zu antworten. Er wusste ja selbst, dass es Unsinn war. Und er hatte auch nicht erwartet, dass der Drache seine Gefährtin kampflos in die Hände der Wraith fallen lassen würde. Aber wo war der Weg, der sie alle aus dieser Sackgasse herausführen würde?

Michael wusste jetzt, dass sie bereit und entschlossen waren, zurück zu schlagen und vielleicht verunsicherte ihn das. Aber es hinderte ihn nicht daran, mit seinen Experimenten fort zu fahren. Nach allem, was Rhyan über den seltsamen Raum mit den Eiern berichtet hatte, schritt das Projekt in beängstigendem Tempo voran. Und Sheppard hatte nichts in der Hand, um das zu verhindern. Schlüpften all diese Wesen, die sich zur Zeit noch in den Eiern befanden, standen sie einer Übermacht gegenüber, der sie hoffnungslos unterlegen sein würden. Vielleicht traf der Vergleich mit Kakerlaken ja doch eher zu als der Vergleich mit Gottesanbeterinnen, die wenigstens noch so etwas wie Anmut in ihrer Art besaßen.

„Es wird keinen schnellen Weg aus diesem Kampf geben, Sheppard.“ Der Drache blickte nachdenklich auf den Soldaten, der noch immer still vor der großen Scheibe stand. Er hatte in den letzten Monaten oft an der Seite der Atlanter gekämpft und kam nicht umhin, sich immer wieder darüber zu wundern, mit welcher Vehemenz und mit welchem Nachdruck diese im Grunde so schwachen und verletzlichen Menschen um eine Sache kämpften. So wie auch dieses Mal. Es schien aussichtslos, sich gegen einen derart überlegenen Gegner zu stellen. Doch der Widerstand in dem Colonel war dadurch nur noch größer geworden und Arokh zollte ihm stillen Respekt für diese Entschlossenheit.

Er brummte leise und hauchte Sheppard behutsam seinen warmen Atem in den Nacken, der sich daraufhin endlich umdrehte, ein schwaches Lächeln auf den Zügen. Es war kalt in dem kleinen Hangar und die Wärme der mächtigen Feuerbestie daher äußerst willkommen. Für einen Herzschlag blickten sich Drache und Soldat stumm in die Augen.

„Ihr werdet es niemals schaffen, das Herz dieses Projektes, den Wraith den ihr Michael nennt, direkt zu treffen. Er hat euch einmal unterschätzt, er wird es nicht wieder tun. Aber ihr seid klein, schnell und wendig und kennt euch im Gegensatz zu eurem Gegner bestens in dieser Stadt aus. Dies solltet ihr zu eurem Vorteil nutzen.“

Sheppard schnaubte und begann unruhig auf und ab zu laufen. Zum einen, um die Kälte und Steifheit in seinen Gliedern zu vertreiben, zum anderen, um der Unruhe in seinem Innern Herr zu werden. „Diese Tatsache müssen wir schon allein zu unserer Sicherheit nutzen, damit sie uns nicht finden. Ewig werden wir hier nicht vor ihnen geschützt sein.“

„Höre ich da Resignation aus deiner Stimme?“

John warf dem Drachen einen finsteren Blick zu, ehe er seine Wanderung wieder aufnahm. Es gab nichts dazu zu sagen. Menschen starben und er war vollkommen machtlos dagegen. Wenn ihm nichts einfiel, würde auch sein Team dieser Machtlosigkeit zum Opfer fallen, und das könnte er sich niemals verzeihen.

„Lass dich nicht von der Verantwortung auf deinen Schultern lähmen. Ihr habt bereits großen Schaden angerichtet und das könnt ihr auch weiterhin. Der stete Tropfen höhlt den Stein.“

„Oh bitte!“ Sheppard rollte mit den Augen und musterte Arokh mit einer Mischung aus Unglaube und Belustigung.

„Die Brutstätten zu zerstören dürfte für euch doch nun wahrlich nicht schwierig sein.“ Der Drache schien zu grinsen, als er blankes Unverständnis auf dem Gesicht seines Gegenübers erkannte. „Ihr wollt nicht, dass sie noch mehr werden, also zerstört die Eier. Die Ergebnisse der Experimente. So viele sind es nicht, als dass sie diese Orte sonderlich schützen könnten. Rhyan war auch allein, als sie die Eier fand. Sie sind das wahre Herz dieses Kampfes und die Pfeiler die ihr einreißen müsst, um zu gewinnen.“

Der Colonel musste sich beherrschen, sich nicht mit der flachen Hand vor die Stirn zu schlagen. Zwar fühlte er sich ausgeruht, doch sein Geist schien eine Rast bitter nötig zu haben. Wie sonst konnte er es sich erklären, dass er nicht selbst darauf gekommen war? Als er den Drachen das nächste Mal ansah, konnte dieser neue Hoffnung und wiederkehrende Entschlossenheit in seinem Gegenüber erkennen. Jetzt hatte der Gegenangriff wirklich begonnen.

Sheppard überbrückte die Strecke zu dem Schott, welches ihn zurück zu seinen Freunden führen würde, mit wenigen Schritten. Es tat ihm leid, die Schlafenden so unvermittelt wecken zu müssen und damit die Zeit der Ruhe zu beenden. Aber er wollte nicht riskieren, dass sie nur noch vor leeren Brutsäcken stehen würden, wenn sie die Nistplätze erreichten. Keiner von ihnen konnte sagen wie lange diese Wesen zum Heranreifen benötigten.

Noch ehe er durch den schmalen Türspalt schlüpfen konnte, klang ein dumpfes Rumpeln durch die Tiefen der Flure zu ihnen hindurch. Unmittelbar darauf herrschte wieder Stille. Sheppard war unter dem Türsturz stehen geblieben und lauschte angestrengt in die wieder vollkommene Ruhe jenseits des Schotts. Nichts.

Unbehaglich drehte er sich zu dem Drachen um, nur um diesen in ebenso angespanntem Lauschen vorzufinden. Sein Blick aus halb geschlossenen Augen war auf die spiegelglatte Wasseroberfläche über dem Unterwassereinstieg gerichtet. Seine Nüstern blähten sich, als versuchten sie etwas zu wittern, das nicht vorhanden war. Dann erklang das Geräusch wieder und das zuvor stille Wasser kräuselte sich in winzigen Wellen. So als würde eine Erschütterung durch das Dock laufen.

Arokh stieß ein tiefes Grollen aus, das Sheppard noch bis in seine Knochen zu spüren vermeinte. Dann wandte sich die mächtige Echse geschmeidig wie ein Aal in dem beengten Hangar um und ließ sich in das Seewasser gleiten. Einen Herzschlag später war Arokh verschwunden und nur seine Stimme blieb im Kopf des perplexen Colonels zurück. „Beeil dich und lauf zu den anderen! Sie sind auf dem Weg hier her.“
 

Es war nicht nötig viel zu sagen, um den Schlafenden die Müdigkeit vergessen zu lassen. Es genügte vollkommen zu wissen, dass sie hier nicht mehr länger sicher sein würden. Hastig packten sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und machten sich auf den Weg.

„Aber wohin?“ Rodneys Stimme klang dünn und fremd in der sturmschweren Stille. Mit weit aufgerissenen Augen sah er sich um. „Das Dock ist überflutet und vom Rest der Stadt abgeschnitten, schon vergessen?“

„Dann suchen wir uns eben einen Weg.“ Ronon spitze um die Ecke eines weiteren lichtlosen Ganges und bedeutete dem Rest, ihm zu folgen. Nicht, dass er die Sorge des Wissenschaftlers nicht verstehen konnte. Er konnte sie sogar sehr gut nachvollziehen. Doch sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie sie so schnell gefunden werden konnten, würde ihnen jetzt nicht mehr weiterhelfen. „Sie haben einen Weg hier her gefunden? Gut. Dann wird es auch für uns einen Weg geben, ihnen zu entwischen.“ Grimmig warf er einen kurzen Blick über seine Schulter. Es war die einzige Hoffnung, die sie hatten.

Aber schon bald wurde deutlich, dass der aufgewühlte Ozean schon weite Teile dieses Docks in seine Gewalt gebracht hatte. Wasser stand in den Fluren und Räumen und war mittlerweile überall fast knöcheltief. Das Platschen ihrer Schritte und das unablässige Jaulen des Windes machte es unmöglich irgend etwas anderes zu hören als ihr eigenes Vorwärtskommen.

Ein Blick durch eines der Fenster bestätigte, was im Grunde jeder von ihnen schon befürchtet hatte. Jenseits der tiefhängenden und wild zerklüfteten Sturmwolken kündigte ein schwaches Leuchten das Anbrechen des neuen Tages an. Doch wirklich heller wurde es dadurch nicht. Lediglich die Lichteinstrahlung wurde unwirklicher und bizarr. Die See war pechschwarz, gekrönt mit weißem Schaum, und fiel wie ein ausgehungertes Tier über die Außendecks her.

„Dort draußen werden wir keinen Weg finden.“ Rodney warf dem Sateder einen vernichtenden Blick zu, ehe ihm etwas einzufallen schien, das wichtiger war als die Schmähung des Kriegers. Er drängte sich an Carson vorbei, der erschöpft neben einer Tür an der Wand lehnte und schob ihn dann mit einem entnervten Knurren zur Seite. „Doktor, würden Sie bitte...“

Carson trat zurück und musterte den anderen mit leisem Missfallen, das unmittelbar darauf von erstauntem Blinzeln abgelöst wurde, als McKay einen Teil der Wandverkleidung löste und dahinter einen Bildschirm zu Tage förderte. Er war dunkel und reagierte weder auf McKays Befehle noch auf seinen unwirschen Fausthieb. Rodney schnaubte. „Sheppard.“

Der Schwarzhaarige riss sich von dem Betrachten des tobenden Unwetters los und trat zu dem stummen Gerät hinüber. Doch auch auf seine Berührung reagierte der Monitor nicht.

„Kommen Sie, Sie müssen sich nur mal etwas mehr darauf konzentrieren!“ Rodney schien wütend, allerdings eher auf den Colonel als auf den unwilligen Bildschirm. Das alles hier raubte ihm schier den letzten Nerv. Eingesperrt zu sein in seinem eigenen zu Hause und den Feind unmittelbar auf den Fersen... das war nicht akzeptabel für sein ohnehin dünnes Nervenkostüm. Und wie immer drohte seine Furcht in zähnefletschende Arroganz über zu schlagen.

„McKay...“

„Nun machen Sie schon! Für Sie sollte das doch ein Kinderspiel sein.“

„McKay!“ Sheppards Augen blitzten und er zog seinen Freund von der Konsole zurück, um ihm ins Gesicht blicken zu können. „Es ist für mich kein Kinderspiel defekte Antiker-Technologie mit Handauflegen zu reparieren. Das Ding ist kaputt, daran kann nicht einmal ich etwas ändern.“

Der Wissenschaftler starrte verbissen zurück und für einen winzigen Moment sah es fast so aus, als wolle er diesen sinnlosen Streit weiterführen.

„Rodney.“ Teyla hob behutsam eine Hand, in dem fruchtlosen Versuch, die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf sich zu lenken. „Dr. McKay, bitte. Was habe Sie gehofft, durch den Monitor zu erfahren?“

Eine gute Frage. Sheppard entließ den Kanadier aus seinem Blick und kehrte zurück ans Fenster. Die Nerven jedes einzelnen lagen blank. Sie durften jetzt nicht anfangen und untereinander streiten. Er kannte McKay zu gut, also sollte er mit dessen Ausbrüchen aus besser fertig werden. Seufzend zwang er seinen Ärger zurück.

„Ich bin mir nicht sicher.“ Fahrig strich sich McKay einige widerspenstige Strähnen aus der Stirn. „Jeder Pier, egal ob es nun Ost-, West, Nord- oder Südpier ist, ist mit dem Kern der Stadt durch innenliegende Tunnelsysteme verbunden. Die Außenbezirke, die wir bereits erkundet haben, waren es jedenfalls. Alles andere wäre auch Schwachsinn.“ Er schien für einen Moment den Faden zu verlieren. „Aber... ich weiß nicht, wir scheinen hier an einem Ort zu sein, den wir noch nicht erkundet haben, sonst würden die Systeme laufen.“

„Oder sie sind durch das viele Wasser einfach kaputt gegangen.“

Rodneys zornerfüllter Blick bohrte sich wie ein Speer in Sheppards Rücken. „Ja vielleicht. Trotzdem... die Wahrscheinlichkeit, dass es auch hier Tunnel gibt, ist groß. Aber ohne den Monitor kann ich unmöglich sagen, ob sie mit Wasser vollgelaufen sind und ob wir sie gegebenenfalls gefahrlos durchqueren können.“

„Aber es ist eine weitaus aussichtsreichere Route als die über die Außenanlagen.“ Teyla lächelte schwach und blickte dann hinüber zu Ronon und Sheppard. „Wir verlieren dadurch nichts und finden vielleicht so auch noch etwas, womit wir kämpfen können.“

„Zum Beispiel Material um Flammenwerfer zu bauen.“ Der Sateder grinste wölfisch.

Sie wandten sich von dem Fenster und damit von dem beunruhigenden Blick auf das tobende Unwetter ab und begannen mit der Suche nach einem geeigneten Abstieg. In den Treppenschächten war es finster wie in der Hölle und die Geräusche des Sturms schienen hier lauter und näher als in den Fluren. Hintereinander tasteten sie sich die Stufen hinab, tiefer und tiefer in die Eingeweide der Basisplattform und das Licht in ihrem Rücken wurde mit jedem zurückgelegten Meter schwächer. Verbissen starrte Sheppard in die alles verschlingende Dunkelheit und versuchte seine nutzlosen Augen zu zwingen, irgend etwas zu erkennen. Doch es war sinnlos. Statt dessen lauschte er aufmerksam in die Tiefe.

„Es ist eine Schande, dass wir keinerlei Licht bei uns haben.“ Dr. Becketts Stimme hallte heiser von den nahen Wänden des Schachtes wieder. Es war ihm nicht möglich, das besorgte Zittern darin zu unterdrücken. Das Wissen, dass der Feind auf der Suche und auf dem Weg zu ihnen war und die Tatsache, dass sich sich hier blind vorwärtsbewegten, ließen ihn schaudern.

John, der den Fuß der langen Treppe erreicht hatte, blieb stehen und wandte prüfend den Kopf von rechts nach links. „Es ist unglücklich, da gebe ich Ihnen Recht, Doc.“ Unmöglich. Allein durch hören konnte er nicht bestimmen, in welche Richtung sie gehen mussten. „Aber es wird unser Vorwärtskommen nur erschweren, nicht verhindern.“ Erschrocken fuhr er zurück, als er neben sich eine Bewegung spürte und kurz darauf zwei sacht schimmernde Punkte ganz in seiner Nähe aufleuchteten. Er hörte Rhyan verhalten lachen und schloss mit einem Fluch die Augen. „Würdest du bitte damit aufhören?“

Ihren Schritten nach zu urteilen, entfernte sie sich wieder ein Stück von ihm. „Wir müssen nach rechts. Weiter hinten wird es wieder heller. Scheinbar ist der Notstrom dort nicht ausgefallen.“ Noch einmal glommen ihre unheimlichen Augen auf, schmale Halbmonde aus gegossenem Kupfer. „Wir sind nicht allein hier unten. Ich höre... seltsame Laute. Aber sie sind noch weit entfernt.“ Sie griff nach der umhertastenden Hand des Colonels und umschloss sie sanft mit ihren langen Fingern. „Haltet euch bei den Händen. Ich werde euch leiten, bis ihr wieder etwas erkennen könnt. Aber seid leise!“

Schweigend folgten sie ihr den Gang hinunter. Jeder von ihnen atmete flach, mit dem beklemmenden Gefühl, jeden Augenblick von hinten aus der Finsternis angegriffen zu werden. Sheppard konnte fühlen, wie sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten und sich die Muskeln zwischen seinen Schultern verhärteten. Hören konnte er nichts. Doch Rhyan beschleunigte merklich und schritt weiter aus als noch am Anfang, bis sie fast rannten. Er konnte Rodneys zitterndes Keuchen hinter sich hören und Carsons unterdrückten Schmerzensschrei, als dieser zum wiederholten Male stolperte. Lediglich der Griff seiner Freunde bewahrte ihn vor einem schmerzhaften Sturz.

„Rhyan, langsamer! Wir sehen nicht das geringste in dieser Schwärze und was wir jetzt am wenigsten gebrauchen können ist ein gebrochenes Bein.“ Er hatte nicht laut gesprochen, doch selbst sein Flüstern kam ihm vor, als jage es wie ein Schrei durch die Stille der Tunnel.

Die junge Frau hielt so abrupt an, dass er und die anderen unsanft aufeinander aufliefen. Eine kühle Hand legte sich auf Sheppards Mund. „Schweig, verdammt!“ Ihre Augen starrten ihn drohend an und obwohl er wusste, dass sie ihm niemals ein Leid zufügen würde, wurde ihm flau im Magen. „Noch haben sie unsere Fährte nicht gefunden, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn wir bis dahin nicht wieder im Licht sind und ihr noch immer so hilflos seid, haben wir keine Chance.“ Sie entfernte ihre Hand wieder und als sie sprach, war ihre Stimme sanfter. „Ich weiß es ist schwer in der Dunkelheit zu fliehen. Aber wir müssen uns beeilen. Ich will keinen von euch verletzen. Aber ich will genau so wenig einen von euch verlieren. Es ist nicht mehr weit. Eigentlich müsstet ihr den Lichtschein schon sehen.“

Die Gruppe starrte mit weit aufgerissenen Augen die Länge des Flurs hinab und tatsächlich. In weiter Ferne schien ein schwaches Leuchten bis zu ihnen vorzudringen. Allerdings...

„Was glitzert da?“ Ronon gab sich Mühe leise zu sprechen. Wohl wissend, dass Rhyan seine Bewegungen erkennen würde, deutete er mit einer Hand den Gang hinunter. „Weiter rechts von unserem Weg.“

„Das...“ Die junge Frau setzte sich wieder in Bewegung. Noch immer schnell, aber nicht mehr rücksichtslos. „Das ist leider noch ein zusätzliches schlechtes Zeichen und bestätigt die Befürchtungen Dr. McKays, dass dieses Tunnelsystem Wassereintritt nichts entgegen zu setzen hat.“

Schon bald wurden ihre Füße nass und das Rauschen von fließendem Wasser lauter. Unruhig sahen sie sich um, konnten aber noch immer nicht viel mehr erkennen als ein dumpfes Leuchten in der Ferne.

„Es scheint ein Leck zu geben. Irgendwo hier in der Nähe.“ Rhyan musste ihre Stimme anheben, um über das Tosen des Wassers hinweg gehört zu werden. „Die Gänge laufen voll, aber noch können wir passieren.“ Sie drückte Johns schweißnasse Hand. „Habt keine Angst.“

Rodney lachte freudlos über diesen Nachsatz. Keine Angst zu haben erwies sich in dieser Finsternis ohnehin als schwierig genug. Das steigende Wasser zu ihren Füßen und die dadurch zunehmende Kälte erschwerte ein mutiges Voranschreiten noch zusätzlich. Schon nach wenigen Metern stand ihnen das eiskalte Seewasser bereits bis zu den Knien. Die Luft war feucht und erfüllt von einem feinen Nebel, der sich spinnenwebenzart auf die erhitzten Gesichter der Freunde legte. Als Teyla eine Hand ausstreckte und an die neben ihr verlaufende Wand legte, fühlte sie das Wasser daran herabfließen.

Jäh endete der Gang und mündete in eine weitläufige Halle. Selbst wer nicht sehen konnte hörte es deutlich am Klang des Wassers. Auf der anderen Seite schien das Licht heller und brach sich glitzernd auf dem kabbeligen Wasser, das den gesamten Boden bedeckte. Niemand konnte sagen, wie tief darunter der Boden tatsächlich war. Undeutlich zeichnete sich die Silhouette einer Balustrade ab, die zwei Schritte hinter dem Türdurchgang begann.

„Ein Hangar.“ Sheppard musste mittlerweile schreien, um das Rauschen zu übertönen. „Wir stehen auf der obersten Galerie. Es muss einer der Unterwasserzugänge sein.“ Kein Wunder, dass die See hier mit solcher Macht hereindrängte. Er trat bis an das Geländer und starrte hinüber, wo der Gang offenbar weiterführte. Er bezweifelte, dass es einen Weg geben würde, der sie am Rand des Hangars entlang zu anderen Seite führen würde. „Wir müssen schwimmen.“ John brauchte die Gesichter seines Teams nicht zu erkennen um zu wissen, mit welcher Begeisterung sie diese Nachricht aufnahmen.

Rhyan war die erste, die sich geschmeidig in die Fluten gleiten ließ. Ihre schimmernden Augen richteten sich einen kurzen Moment auf Sheppard. „Ich werde hinüberschwimmen und sehen, ob es ungefährlich ist.“ Dann verschwand sie.

Der Colonel seufzte und wandte sich dann wieder seinem Team zu. „Ok. Je eher wir von hier wegkommen, desto schneller werden wir auch wieder trocken sein.“ John blinzelte, konnte aber nach wie vor nur schemenhafte Schatten erkennen. „Rodney?“ Er streckte seine Hand aus und ergriff den Schatten, der sich weiter hinten grade versuchte unsichtbar zu machen, am Hemd und zog ihn zu sich. Der Wissenschaftler zitterte, was dem Colonel einen schmerzhaften Stich versetzte.

McKay hasste Wasser wie eine Katze und er hasste Wasser mit Untiefen. Wasser wie dieses hier. Die letzten Tage waren für sie alle nicht leicht gewesen, doch der Kanadier schien grade jetzt am Rande seiner Kräfte angelangt zu sein. Der Anblick der bloßen Strecke nahm ihm den letzten Funken Mut. „John, das schaffe ich nie.“ Er schniefte kläglich.

„Natürlich. Du wirst sehen. Halte dich an meiner Seite, dann wird dir nichts passieren.“ Sheppard atmete tief durch. „Teyla, du bleibst neben Carson. Ronon, du bleibst direkt hinter ihnen.“

Er konnte erkennen, das Rhyan die andere Seite bereits erreicht hatte und das Wasser soeben verließ. „Es ist nicht weit, kommt.“

Zusammen mit Rodney kletterte er über das Geländer und ließ sich langsam mit dem ganzen Körper ins Wasser sinken. Es war eisig und schnürte ihm für einen Moment die Luft ab. Unwillkürlich begann er zu zittern. McKay neben ihm ächzte.

Rechts von ihnen tauchten Carson, Teyla und Ronon ins Wasser. „Los schwimmt vor. Wir folgen direkt hinter euch.“

Sheppard griff hinauf, um sich noch einmal ein Stück aus dem Wasser zu ziehen, schlang seinen rechten Arm um Rodneys Brust, der wie eine Klette an den Streben der Balustrade klebte und entsetzt aufkeuchte, als er den kalten und nassen Körper des Colonels an seinem Rücken spürte, und zerrte ihn mit einem Ruck zu sich ins Wasser. Prustend trat der Wissenschaftler um sich, die Augen weit aufgerissen und auf John gerichtet, als sei dieser der Teufel persönlich. „Das...“ Er schluckte Wasser und hustete.

„Spar dir deinen Atem und fang an zu schwimmen!“ John packte ihn an Kragen und Hose und stieß ihn weiter in die Mitte der Halle hinaus. „Ich werde dich nicht schleppen, also beweg dich. Dann wird dir auch wärmer.“

Mit abgehackten Bewegungen fing McKay an zu schwimmen, bewegte sich langsam aber stetig dem gegenüberliegenden Eingang entgegen. Sheppard folgte dicht dahinter.

Erschöpfung und Kälte sorgten schon nach wenigen Metern dafür, dass sich jeder Muskel im Körper schmerzhaft zusammenzog und nur noch mühselige Bewegungen ermöglichte. Laut hallte das angestrengte Schnaufen der Schwimmer über das Plätschern des Wassers. Selbst Rodney hatte seinen gemurmelten Protest eingestellt und kämpfte verbissen, um vorwärts zu kommen.

Plötzlich, kurz nachdem sie die Hälfte der Strecke überwunden hatten, wirbelte der Wissenschaftler mit ungeahnter Geschwindigkeit herum, einen spitzen Schrei auf den Lippen. John, den die Wellen der unverhofften Bewegung ins Gesicht getroffen hatten, hustete krampfhaft. „Was zum Teufel soll das?“ Er wischte sich die gröbste Nässe aus den Augen und funkelte zu McKay hinüber, dessen Blick unstet über die Wasseroberfläche glitt.

„Etwas ist in diesem Wasser.“ Die Stimme seines Freundes zitterte und nur mit Mühe konnte er ein Zähneklappern unterdrücken. Der Colonel bezweifelte, dass Rodney kräftig genug war, um zu simulieren. „Da war etwas an meinem Bein, John. Ich schwöre es!“

Sheppard hatte nichts dergleichen gefühlt, obwohl er dich hinter McKay geschwommen war. Zweifelnd sah er sich um. „Dann sollten wir zusehen, dass wir weiter kommen.“

Statt einer Antwort schrie McKay erneut auf und setzte sich dann mit wild um sich schlagenden Armen und Beinen in Bewegung. Fluchend setzte Sheppard ihm nach. Jetzt hatte er die undeutliche Bewegung unter Wasser auch wahrgenommen. Nur ein winziger Augenblick, in dem sich die Wasserdichte verändert hatte. Aber Rodney hatte Recht. Prüfend sah er sich um und vermeinte irgendwo links von ihnen eine Ungleichmäßigkeit in den Wellen entdeckt zu haben. Sein Magen zog sich zusammen.

Quälend langsam kam der Ausstieg näher. Eben erst hatten die anderen das Ufer erreicht und entstiegen nun hastig dem trügerischen See.

„John, hinter euch!“

Noch ehe Teylas Warnschrei verstummt war, hörte Sheppard hinter sich das unverkennbarer Platschen von Wasser und ein leises Klicken, das beinah in den anderen Geräuschen unterging. Dann wurde er schmerzhaft von etwas im Rücken getroffen und unter Wasser gedrückt. Mit einer entschlossenen Drehung befreite er sich, stieß sich von etwas hartem ab um schoss zurück an die Oberfläche. Seine Lungen brannten.

Rodney war ihm ein gutes Stück voraus, offensichtlich verschont von diesem Angriff. Er ruderte aus Leibeskräften dem rettenden Ufer entgegen, von dem aus ihre Freunde händeringend zu ihnen hinüberriefen.

Kurz entschlossen löste Rhyan ihr Schwert und ließ es zu Boden gleiten. Dann war sie mit wenigen Schritten an den anderen vorbei und hechtete ins Wasser. Dicht gefolgt von Ronon, der sich ihr keine Sekunde später anschloss. Mit nur wenigen Zügen hatte er den erschöpften Wissenschaftler erreicht, schwamm hinter ihn und schob ihn die letzten Meter bis zum Ufer vor sich her.

Rhyan indes setzte ihren Weg zu Sheppard fort und fluchte verzweifelt, als dieser erneut von etwas gepackt und mehrere Meter aus dem Wasser gehoben wurde, nur um dann mit in die Tiefe gerissen zu werden. Für Sekunden war das Schillern von Wasser zu sehen gewesen, das geschmeidig über einen rauen Panzer abperlte.

Sie erreichte die Stelle aufgewühlten Wassers, an der die Bestie mit dem Colonel verschwunden war und tauchte. Das Wasser trübte ihre Sicht und ließ sie lediglich Schemen erkennen, die sich irgendwo knapp außerhalb ihrer Wahrnehmung bewegten.

Unsanft wurde sie zur Seite geschleudert, als etwas haarscharf an ihr vorbei schoss und schmerzhaft seinen Panzer über ihre Haut schob. Unmittelbar darauf spürte sie eine Hand, die sich um ihren Arm schloss und sie kämpfte sich zurück an die befreiende Luft. Die Kälte war Gift, selbst für ihre Muskeln.

Zusammen mit Sheppard durchbrach sie die Oberfläche und sog gierig den Sauerstoff in ihre Lungen. Sie orientierten sich hastig an den Rufen der anderen und setzten sich mit letzter Kraft in Bewegung.

Fast schon in Reichweite der ausgestreckten Hände, spürten sie erneut eine Bugwelle in ihrem Rücken herannahen, die sie ergriff und mit plötzlich viel zu hoher Geschwindigkeit auf die Wand zutrieb. Rhyan spürte das kratzende Suchen von Klauen an ihren Beinen, die der Kollision mit dem wuchtigen Körper ihres Verfolgers vorausging. Ächzend wurde ihr die letzte Luft aus den Lungen gepresst, sie hörte John neben sich unterdrückt aufschreien, dann spülte Wasser über sie hinweg.

Es war die Wand, die ihr haltloses Vorwärtstreiben jäh unterbrach und sie für mehrere Herzschläge hilflos zwischen Metall und Wasser eingeklemmt zurückließ. Die Wand erbebte unter einem dumpfen Aufprall. Dann wurde sie von zwei Paar Händen ergriffen und wie ein nasses Kätzchen ins Trockene gezerrt.

Hustend brach sie in die Knie, für den Moment in einem wilden Kampf mit der aufkommenden Ohnmacht verwickelt. Nur gedämpft drangen die Stimmen des Teams zu ihr durch und mit verschwommenem Blick registrierte sie, dass Sheppard offenbar durch den Schwung der Welle aus dem Wasser und in den Gang hinein getragen worden war. Zusammengekrümmt erbrach er das verschluckte Seewasser.

Außer Dr. Beckett stand nur noch Ronon aufrecht. „Wir müssen weg von hier.“ Der Sateder musterte voll unverhohlener Sorge den trügerisch stillen See. „Solange nicht irgend etwas zwischen uns und diesem verfluchten Wasser ist, können wir nicht rasten.“

Der Sinn hinter seinen Worten war bestechend, doch Rhyans Geist konnte im Moment nur höhnisch darüber lachen und auf die geschwächten Glieder verweisen, die sich anfühlten wie zu heiß gewordenes Gummi. Zudem brannte ihr Bein höllisch, wo sie nur knapp den Klauen ihres Verfolgers entkommen war und sie wurde noch immer von unkontrollierbarem Zittern geschüttelt.

Sie zwang sich trotzdem dazu, in eine halbwegs aufrechte Haltung zu kommen und schaffte es sogar noch, dem nicht weniger zerstört aussehenden Rodney auf die Füße zu helfen. Schwer aufeinander gestützt humpelten sie tiefer in den Gang hinein, immer den unscharfen Gestalten ihrer Freunde hinterher. Zusammen mit Carson hinkte Sheppard, der sich nur, indem er sich mit einer Hand an der Wand abstützte, aufrecht halten konnte, voraus.

Ronon blieb am Wasser zurück, die nachdenkliche Stirn tief gefurcht. Erst als er Teyla rufen hörte, dass sie das nächste Schott erreicht hätten, kehrte er der Halle den Rücken und rannte hinter ihnen her. Er war sich sicher, dass ihn kleine bösartige Augen dabei beobachteten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2009-12-23T12:19:35+00:00 23.12.2009 13:19
*reinschleich*
So endlich konnte ich weiterlesen, nachdem ich am Ende des letztend Kapitels vor Spannung fast umgekommen bin, muss ich leider sagen, dass das bei diesem auch nicht besser ist xDD
Aber immerhin habe ich jetzt Ferien, und damit auch endlich Zeit das hier zu Ende zu lesen *freu*

Ich kann es nur immer wieder betonen, du schreibt wunderbar! Was würde ich geben, um auch nur halb so gut mit Worten umgehen zu können *_*
Aber der Satz hier `Nur Sheppard, der Rhyan zurück in die Obhut Dr. Becketts geben hatte, blieb wo er war.` hat mich erst verwirrt, bis mir einfiel, dass es vermutlich GEgeben heißen sollte ^^;

Ich würde mal glattweg behaupten, dass dieses bisher mein lieblingskapitel ist, da sind soviele tolle Szenen drin, und es wird auch überhaupt nicht langweilig^^
Wenn ich jetzt noch alles auseinander nehme, was mir gefällt dann werde ich nie fertig, darum höe ich jetzt auch auf dir mit meinen ständigen Wiederholungen die Ohren abzukauen :D
*wegschleich*
Von:  MorgainePendragon
2009-11-07T14:03:35+00:00 07.11.2009 15:03
Es ist glattweg erstaunlich, was dieser kleine Satz "Etwas ist in diesem Wasser..." auszulösen vermag... *bibber* Uhhh, die Gänsehaut war echt da, ich schwörs. Das ist genau das blöde Gefühl, aus dem ich NICHT weiter rausschwimmen mag im Meer. Denn da ist auch SEHR VIEL in jenem Wasser... *angst*
Erst dachte ich, jetzt könnten die verfluchten Kakerlaken Michaels auch noch schwimmen... Boah, ey, das wär's ja... Aber es scheint ja noch was GANZ anderes zu sein... da unten... Wieso erinnert mich das jetzt an Sphere?

Gut dass sie das soweit geschafft haben. Bis zur nächsten Gefahr in der sie stecken werden.

Oh ich war am Anfang des Kapis übrigens etwas irritiert, woher Teyla so plötzlich kam. Ich meine, ich hab schon verstanden, dass das eine Rückblende war. Dennoch: Wo haben sie Teyla so schnell aufgegalbelt? Oder hast du das einfach nicht nochmal zusätzlich erwähnt, dass Ronon und Rodney sie aufgetrieben und sich alle danach irgendwo wieder getroffen hatten? Denn ich geh davon aus, dass es so gelaufen ist.

Sonst wieder nur kleine Fehlerchen, auf die du selbst beim nächsten Lesen bestimmt auch stößt, wie zum Beispiel "wie sich die Lage darstelle", "Seinen einschüchternder Blick ruhte...", "Ronon spitze um die Ecke..."...

Ach ja, erwähnenswert niedlich finde ich nach wie vor diese bemutternde, tadelnde Fürsorglichkeit Sheppards für Rodney. "Beweg dich, dann wird dir auch wärmer. Ich schleppe dich nicht da rüber." oder sowas in der Art. Genauso herzerwärmend direkt wie DU auch immer zu deinen geliebten Mitmenschen bist. Da steckt sehr viel von dir in dieser Geschichte und ich entdecke dies obwohl du auch die Charas von SGA sehr gut wiedergibst. Das lässt sich nicht leugnen.^^
Von: abgemeldet
2009-08-11T19:11:59+00:00 11.08.2009 21:11
...kleine bösartige Augen...

SEHR SCHÖN!!!!
Bis auf das, was wir eben telefonisch besprochen haben ist mir hier nichts negatives, aber dafür umso positiveres aufgefallen....

Hat Atlantis eigentlich eine Art Heizung??? Das hätten die Wasserratten jetzt sicherlich bitter nötig.

Muss weiterlesen...
Von:  MuadDib
2009-07-18T19:29:06+00:00 18.07.2009 21:29
ok habs gelsen nun.
ich bin voll baff gerade. das letzte war echt... wahnsinn.
auch wenn die situation in denen sie gerade sind ja nicht so rosig ist, ich machte diese szene in der sie knie tief durch die gänge rennen, und das rauschen und alles. es ist so gut geschrieben das man sich fast schon in der gleichen situation versetzt fühlt. ich zumindestens hab mirs richtig real vorgestellt. (schade das es nicht mal so eine folge in der serie gab.)
mach auf jeden weiter!

lg eli ♥

ps: hör ich da ein bischen slash raus?
Von:  claudine
2009-07-16T20:56:58+00:00 16.07.2009 22:56
Hi,
das lange Warten hat sich echt gelohnt :)Super langes und spannendes Kapitel.
Das Team kommt aber auch nicht zur Ruhe und dann auch noch das klirrend kalte Wasser. Hab bei der Wasserszene mit gezittert, bin froh das sie da erst mal wieder raus sind.
Und warum war Rodney so sauer auf Sheppard?
Freue mich schon auf das nächste Kapitel, bitte schreibe schnell weiter, möchte dringend wissen wie es weiter geht. ;)
LG Claudine


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