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Zweifelhafte Unschuld

Stargate Atlantis
von

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Unerwarteter Beistand

Atlantis erweckte noch immer den Eindruck einer Geisterstadt, als sich der verschwommene Schatten Arokhs in einen langsamen Sinkflug fallen ließ, um im Schutz der dichten Seenebelschwaden näher an die schemenhaften Türme heran zu gleiten. Kalt und feucht schlangen sie sich durch die Schluchten der Stadt, so dass nur hier und da die Spitze eines Gebäudes im fahlen Tageslicht aufleuchtete. Alles andere bedeckten und verwandelten sie in formlose Schattenwesen. Nichts deutete darauf hin, dass noch irgendetwas in dieser Stadt am Leben war.

Der Wunsch, diese Stille mit ihrem Geist zu erforschen, schien übermächtig, doch Rhyan beherrschte sich. Sie durften nicht wieder die Gefahr eingehen frühzeitig entdeckt zu werden. Der Angriff durch die Drohnen stand ihr noch deutlich vor dem inneren Auge.

Die vergangenen Tage hatte sie stets versucht herauszufinden, was auf Atlantis passiert sein mochte. Immer wieder hatte sie versucht ihre Freunde zu erreichen. Aber alles was sie hatte finden können, war Dunkelheit. So als würde irgend jemand die schwimmende Stadt abschirmen. Ganz selten war das Aufglühen einer Emotion bis zu ihr durchgedrungen und in den meisten Fällen war diese dann von Schmerz gezeichnet gewesen. Eine Tatsache, die nicht unbedingt dazu beigetragen hatte, dass Rhyan ruhiger wurde.

Und dann war dieser Traum über sie gekommen. Es war Sheppard, der wie aus dem Nichts plötzlich vor ihr gestanden hatte. Seine Augen, die so voller Schmerz gewesen waren, hatten sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt. Sie hatte ihn unter Schmerzen schreien hören und war schweißgebadet aus dem Schlaf geschreckt, am ganzen Körper von einer eiskalten Gänsehaut überzogen.

Jetzt, Stunden später und nachdem die Nachmittagssonne den Kampf gegen die noch immer tiefhängenden Nebelbänke zu verlieren begann, wusste sie, dass der Colonel einen unglaublich starken mentalen Ruf ausgesandt haben musste, dass er sie sogar noch in den Tiefen des Schlafes hatte erreichen können.

Behutsam segelte der Drache durch die Schluchten der Bauten und landete schließlich auf einem gut verborgenen Platz in der Nähe des Hauptturmes. Der Wind heulte unangenehm durch die engen Durchlässe und verwirbelte den Nebel zu schattenhaften Wesen. Rhyan glitt lautlos von seinem breiten Rücken und sah sich dann aufmerksam um. Die Nähe der hoch aufragenden Gebäude war mehr zu fühlen, als dass man sie sehen konnte.

„Du irrst dich, Arokh. Du irrst dich gewaltig.“ Sie wandte sich um und begegnete dem unergründlichen Blick seiner in tiefem Feuer glühenden Augen. „Ich habe keine Angst. Außer vielleicht vor dem, was unseren Freunden zugestoßen sein könnte.“

Gemeinsam mit dem Drachen hatte sie immer und immer wieder darüber gegrübelt, was es mit dieser seltsamen und mächtigen Präsenz auf sich haben könnte, die sie bei ihrem ersten Anflug auf Atlantis so deutlich wahrgenommen hatten. Sie glich dem Geist einer Wraith-Königin in erschreckender Weise, und doch war sie durchzogen von Fremdartigkeit und beängstigender Vertrautheit. Eine Mischung, die nicht nur Rhyan unheimlich erschien. Zu sagen, ob es sich bei diesem Gegner um Mensch oder Wraith handelte, war nicht möglich. Grund genug nur mit allergrößter Vorsicht und Bedacht vorzugehen.

„Warte hier, bis du von mir hörst. Und bitte...“ Sie blitzte ihm ein verschlagenes Grinsen zu, „versuch nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen.“

Noch ehe der Drache darauf reagieren konnte, war die junge Frau in den Tiefen des Nebels verschwunden.
 

Die Stille der Stadt lastete schwer und drückte sich fast schon beängstigend auf Rhyans Nerven, als das Schott hinter ihr ins Schloss fiel und damit das Tosen des Windes ausschloss. Ein schmaler Seitengang erstreckte sich leer und düster vor ihr und die junge Frau registrierte mit einem unangenehmen Kribbeln im Magen, dass die Stadt offenkundig nur unter Notstrom lief. Was in allen neun Höllen war hier los?

Sie lockerte 'Leid' in der Schwertscheide und begann so leise wie irgend möglich den Gang hinunter zu laufen. Dass es hier so unheimlich ruhig war, machte es ihr zusätzlich schwer. Jedes noch so kleine Geräusch würde über weite Strecken zu hören sein. Im Gegenzug würde sie dagegen hoffentlich rechtzeitig mitbekommen, wenn sich ihr jemand näherte. Ihr Herz schlug hart gegen ihre Rippen. Sie hatte wahrlich kein gutes Gefühl bei der Sache.

Ihr erster Weg führte sie zum Hangar. Vielleicht war etwas passiert, dass die Atlanter dazu gezwungen hatte, Atlantis aufzugeben und zu evakuieren. Die Jumper würden ihr Auskunft darüber geben.

Ein hastiger Blick in die sie umgebenden Schatten bestätigte, dass sie noch immer allein war, also sie betätigte den Türöffner. Die Dunkelheit jenseits der doppelflügligen Schotts war vollkommen, doch Rhyan benötigte kein Licht, um ausreichend sehen zu können. Ihre Augen glommen in einem tiefen Feuer und ihre nunmehr geschlitzten Pupillen weiteten sich entsetzt, als sie von der Galerie auf das Schlachtfeld am Fuße einer sanft geschwungenen Treppe blickte. Von den menschlichen Körpern, die all diese Fetzen einst gewesen sein mussten, war kaum noch etwas übrig, außer einer Menge Blut. Blut, welches sich zu einem schimmernden See zusammengetan hatte und weiter hinten die Außenwände der Jumper befleckte.

Mit einem unterdrückten Schluchzen stürmte sie die Stufen hinab und sank am Rand des klebrigen Sees in die Hocke. Wer war zu so etwas fähig? Es war unmöglich die Handschrift von Wraith. Zitternd streckte sie ihre Hände aus und versenkte ihre Finger in das bereits geronnene Blut. Dann schloss sie die Augen und suchte mit schlagendem Herzen nach einer ihr bekannten Spur. Allein der bloße Gedanke, dass nur ein Tropfen dieses Blutes zu einem ihrer Freunde gehören konnte, ließ sie in ihrer Konzentration wanken. Doch sie fand nichts. Mehr als zwanzig Menschen hatten hier ihr Leben lassen müssen. Aber keiner ihrer Freunde war darunter gewesen.

Sie richtete sich wieder auf und ließ ihren Blick noch einmal über die Docks der Jumper gleiten. Es fehlte nicht einer. Sollte eine Evakuierung über das Stargate also nicht geklappt haben, musste sich die gesamte Belegschaft noch in der Stadt befinden. Es sei denn, ihnen war es ähnlich ergangen wie den armen Seelen zu ihren Füßen.

Rhyan musste sich beherrschen, um nicht mit all ihrem Willen nach Sheppard zu rufen. Wenn es auch nur die geringste Chance gab, dass er und sein Team noch lebten, musste sie diese ergreifen und nicht durch ihre Angst gefährden. Und ganz gleich, wer für dieses Massaker zuständig sein mochte, er würde dafür büßen.

Das Geräusch der Türhydraulik auf der Galerie ließ die junge Frau herumfahren. Mit wenigen Schritten brachte sie sich in den trügerische Schutz der Hangarmauer und schlich behutsam auf einen der Jumper zu. Dort angekommen kauerte sie sich nieder und lauschte angestrengt. Das Licht, das durch die jetzt offen stehende Tür drang, bildete ein helles Rechteck am Boden, in dessen Ausdehnung sich merkwürdige Schatten bewegten. Rhyan schluckte. Wraith waren das offenbar tatsächlich nicht.

Metallenes Klappern auf den Stufen sagte ihr, dass sich die Verursacher der Schatten auf dem Weg nach unten befanden. Am liebsten wäre sie einfach verschwunden, doch abgesehen davon, dass ihr zur Zeit kein Fluchtweg offen stand, musste sie auch wissen, mit was für Gegnern sie es zu tun hatte. Und mit etwas Glück würden die sie zu ihren Freunden führen.

Wenn sich Rhyan irgendwann in ihrer Kindheit einmal ausgemalt hätte, wie außerirdisches Leben wohl aussehen mochte, so wäre ihre Beschreibung den vor ihr auftauchenden Kreaturen wohl sehr ähnlich gewesen. Kalt huschte ein Schauer über ihren Rücken und ließ sie unwillkürlich zittern. Betrachtete sie die langen und vielgliedrigen Gliedmaßen und die scharfen Kanten der armähnlichen Extremitäten, konnte sie sich nur zu bildhaft vorstellen, was den hier gestorbenen Menschen zugestoßen sein musste.

Sie gingen aufrecht und es waren die mächtigen Fußklauen, die dieses metallene Geräusch auf dem Untergrund verursachten. Ihr Gewicht tarierten sie mit einem muskulösen Schwanz aus, der gerippt war wie die Wirbelsäule eines Menschen und in einer tödlichen Spitze endete. Das schwache Licht brach sich auf der feucht schimmernden Panzerung und für einen winzigen Moment auch in den kleinen, bösartigen Augen. Beißzangen, deren innenliegende Kanten einer Säge gleichkamen, schnappten unruhig auf und zu. Auch sie verursachten dabei ein unangenehmes Geräusch.

Leise zog sich Rhyan auf das Dach des neben ihr stehenden Jumpers und wartete flach auf dem Bauch liegend und mit angehaltenem Atem, bis die Wesen ihre Suche einstellten und sich anschickten, den Hangar wieder zu verlassen. Insgeheim war sie dankbar, dass sie keine Spuren hinterlassen hatte. Einen Kampf mit diesen Monstren schätzte sie als äußerst schwierig ein. Aber irgendetwas war passiert, dass ihre Anwesenheit bemerkt worden war.

Behutsam richtete sie sich auf und folgte den Wesen, in dem sie geduckt von einem Jumper zum nächsten sprang. Dann schlüpfte sie durch die Tür, ehe diese im Rücken ihrer heimlichen Führer zugleiten konnte. Sie schlich ihnen in respektvollem Abstand hinter her. Lediglich die durch die Notstromleuchten verzerrten Schatten konnte sie noch vor sich ausmachen.

Scheinbar ziellos bewegte sich der Tross durch die Gänge von Atlantis und Rhyan begann bereits zu zweifeln, überhaupt jemals auf andere Lebewesen zu stoßen. Wann immer sie sich zurückfallen ließ und ihre unmittelbare Umgebung absuchte, fand sie nichts als zurückgelassene Räume und leere Gänge. Immer wieder musste sie sich beeilen, um den Anschluss nicht zu verlieren und wäre dadurch um ein Haar in eine Gruppe mehrerer Wraith gerannt, als sie gedankenlos um eine Ecke bog. Schlitternd kam sie zum Stehen und warf sich in den nächstbesten Raum. Der Trupp war noch etliche Schritte entfernt gewesen und sie konnte nur hoffen, dass das Schaben ihrer Kleidung auf dem glatten Untergrund nicht allzu weit zu hören gewesen war. Ihre zitternden Fingern hielten das Schwert auf ihrem Rücken umschlossen, damit es nicht laut scheppernd zu Boden fiel. So blieb sie mit wild klopfendem Herzen und fest geschlossenen Augen liegen und wartete ab.

Also doch Wraith? Ihr Kopf schmerzte von dem unsanften Zusammenstoß mit etwas, das hier von der Decke zu hängen schien, und sie rieb sich mit einem leisen fluchen den Hinterkopf. Draußen entfernten sich die Schritte der Wraith indes wieder und sie spähte vorsichtig um die Ecke. Merkwürdig. Irgendetwas war anders an diesen Dreien. Sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, was sie so verwunderte, dafür hätte sie einen längeren Blick riskieren müssen. Aber sie hatten eine andere Aura als jeder Wraith, der ihr bislang begegnet war. Vielleicht war das ihr Glück gewesen, weshalb sie nicht gehört worden war. Erleichtert atmete sie durch.

Beim Aufstehen stieß sie erneut mit dem Ding zusammen, das sie zuvor bereits so unverhofft am Kopf getroffen hatte. Wütend schob sie es weg und erstarrte, als sich ihre Finger in warmes, weiches Gewebe senkten. Rhyan schluckte einen Aufschrei herunter und riss ihre Hand zurück. Dünne Fäden einer glitschigen Masse blieben jedoch an ihren Fingerkuppen kleben und zogen sich wie angewärmter Käse in die Länge. Angewidert starrte sie das Ding an. Es hing tatsächlich von der Decke und es gab nicht nur eines davon. Der ganze Raum war gefüllt damit.

Rhyan schnupperte vorsichtig an ihnen und berührte die Oberfläche trotz ihres Widerwillens noch einmal. Sie fühlte sich organisch an und war überzogen mit einem klebrigen Flüssigkeitsfilm und langen, pulsierenden Geschwülsten. Wie ein Sack hing es von der Decke und pendelte in einem für sie unsichtbaren Luftzug. Der Geruch, den sie ausströmten, war abartig und penetrant und die junge Frau beschloss, diesen Raum schnellstmöglich zu verlassen.

Wenn es sich bei diesen Dingern tatsächlich um eine Art von Eiern handelte, die möglicher Weise diese furchterregenden Insektenviecher ausspuckten, würde sie etwas dagegen tun müssen. Nur zuerst musste sie ihre Freunde finden. Danach würde – hoffentlich – noch Zeit genug sein für derartige Unternehmungen.

Sie schlich zurück in den Gang und entschloss sich, der verblassenden Spur des seltsamen Wraith-Trupps zu folgen.

Eindeutig die bessere Wahl, wie sie nach nicht einmal einer halben Stunde feststellte. Die Dreiergruppe hatte die Treppe zum Kontrollraum genommen, in den Rhyan ihnen nicht zu folgen wagte. Zu stark war die Präsenz der Wraith an diesem Ort. Statt dessen folgte sie dem Treppenverlauf nach unten und bewegte sich den verlassen Gang entlang in Richtung Sporthalle. Keine hundert Schritte weiter vernahm sie aus einem der Nebenräume eine gedämpfte Stimme.

Behutsam trat die junge Frau näher an die Tür und lauschte angestrengt. Das Gespräch war viel zu leise, als dass sie es hätte verstehen können. Aber es handelte sich definitiv um menschliche Stimmen, was Rhyans Hoffnung wieder hell auflodern ließ. Es waren also nicht alle Einwohner der Stadt tot.

Das Streitgespräch nahm an Intensität und Lautstärke zu und plötzlich huschte ein verschmitztes Grinsen über Rhyans Züge. Keine Frage, sie wusste wem diese aufgebrachte Stimme mit diesem leicht hysterischen Unterton gehörte. Endlich hatte ihre Suche ein Ende.

Da sie keine Wraith-Präsenz hinter der Tür wahrnehmen konnte, betätigte sie den Türöffner und betrat das dahinter liegende Zimmer. Ihr Grinsen verschwand keineswegs, als sie unmittelbar darauf in die weit aufgerissenen Augen von Dr. McKay und Ronon blickte. Der Anblick war auch trotz aller Dramatik zu seltsam.

Die beiden Männer saßen am Boden, jeweils an Hand- und Fußgelenken gefesselt und, scheinbar zu Ronons großem Missfallen, auch noch aneinander gebunden.

Ein kurzer, forschender Blick in die Runde bestätigte, dass sich lediglich Rodney und der Sateder hier aufhielten. Von Sheppard oder Teyla fehlte jede Spur und der kalte Klammergriff um Rhyans Herz wurde wieder stärker. Sie wurde von Ronons Stimme aus ihrer Starre gerissen.

„Noch so ein unerwarteter Besucher. Aber ein durchaus willkommener.“ Der Krieger nickte ihr zum Gruß entgegen. „Willkommen auf Atlantis, Drachenfrau.“

Mit wenigen Schritten überbrückte Rhyan die Entfernung zu den beiden Männern und schnitt kurzerhand deren Fesseln entzwei. „Ich habe schon herzlichere Willkommen erlebt. Was zum Teufel sind diese Biester? Und was um Himmels Willen haben die Wraith mit ihnen zu schaffen?“ Beide wirkten geschwächt und ausgelaugt. Selbst Ronon wies eine gespenstische Blässe auf, seine Augen wirkten eingesunken und lichtlos und er konnte sich nur mit Mühe in eine aufrechte Haltung wuchten. Rhyan half dem Wissenschaftler auf die Beine.

Dieser schien sich erst langsam von der Überraschung zu erholen. Er starrte sie noch immer ungläubig an, bis Ronon ihn anstieß, dass er beinah vorn über kippte und Rhyan dann mit wenigen Worten über das Nötigste aufklärte. Sie lauschte in stillem Entsetzen.

„Sie haben uns Blut abgezapft, in unregelmäßigen Abständen immer wieder. Danach hat man uns getrennt. Wir wissen nicht wohin sie Sheppard und Dr. Beckett gebracht haben. Aber Teyla liegt mit ihrer Kopfverletzung auf der Krankenstation. Dr. Beckett konnte sich für sie stark machen. Das wird ihr vermutlich das Leben gerettet haben.“ Deutlich konnte Rhyan die Sorge aus der Stimme des Kriegers heraushören. Das Band der Freundschaft zwischen ihm und der Athosianerin war stark.

Fieberhaft versuchte Rhyan nachzudenken. „Wir brauchen eine sichere Basis, von der aus wir unsere Schritte planen und steuern können. Gibt es noch Orte hier in Atlantis, die nicht von den Wraith besetzt worden sind?“

Als sich alle Blicke zu Rodney wandten, verzog dieser in hilfloser Verzweiflung das Gesicht. „Woher soll ich das wissen? Vermutlich werden sie den Bereich, in dem wir unseren ach so glorreichen Angriff gestartet haben, noch immer nicht betreten haben. Er ist zu weit von den wichtigen Punkten dieser Stadt entfernt und nach dem, was wir bisher über den Feind erfahren konnten, sind es nicht viele genug, um ganz Atlantis zu besetzen. Aber wie wir wissen, müssen sie das ja auch gar nicht.“ Er schnaubte.

Der Sateder ging zur Tür und lugte hinaus in den Flur. Weit und breit war niemand zu sehen. „Was solls, es ist zumindest ein Anfang.“ Er registrierte Rhyans zustimmendes Nicken mit stummer Dankbarkeit. „Wir holen Teyla und ziehen uns zurück. Von dort aus sollte es uns auch möglich sein, Sheppard und Beckett zu finden.“

„Aber...“ McKay blickte konsterniert hinter den beiden her, die soeben das Zimmer durch einen Seitengang verließen. „... wenn sie unser Verschwinden bemerken... werden sie dann nicht erst recht jeden Winkel nach uns absuchen?“ Er zwang den unterschwelligen Schwindel zurück und machte sich daran, den beiden zu folgen.

Ronon blieb so unvermittelt stehen und drehte sich um, dass der Wissenschaftler ungebremst gegen dessen Brust lief. „Haben Sie eine bessere Idee, Doktor?“

Die hatte er nicht. Wie denn auch? Es war etwas vollkommen anderes auf einer Außenmission in feindlichen Kontakt zu treten. Aber dort, wo man eigentlich seinen sicheren Hafen wähnte und sich sicher und zu Hause fühlte, an genau diesem Ort einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein, ohne eine sichere Zuflucht zu haben, ließ ihn innerlich nahezu verzweifeln. Er beschloss ab sofort nichts mehr zu sagen und folgte den beiden Kriegern in trübsinnigem Schweigen. Teyla war verletzt und der Teufel allein wusste wo man Sheppard und Beckett hingebracht hatte. Aber mit Sicherheit hatten seine beiden Führer das bereits bedacht und eine Lösung für all diese Probleme gefunden, nur dass er selber offenbar zu dämlich war, solche Schwierigkeiten zu lösen. Rodney grollte wütend.

Aber es sollte ohnehin alles anders kommen, als geplant. Zu McKays großem Unwillen wurde ein weiteres Mal beschlossen, die Luftschächte zur weiteren Fortbewegung zu nutzen und wieder war es der Wissenschaftler, der dem Trio vorangehen sollte. Rhyan kannte sich nicht aus und Ronon bestand darauf, das Schlusslicht zu bilden. Ihm blieb folglich keine andere Wahl.

Er hatte sich grade mit klopfendem Herzen in die Dunkelheit des schmalen Schachtes gezogen und drehte sich um, um Rhyan eine Hand für den Aufstieg zu reichen, als diese mit einem kehligen Ächzen gegen die Sprossen der Leiter sank. In dem Blick, den sie Rodney unmittelbar darauf zuwarf, stand das blanke Entsetzen und er hätte schwören können, dass er zusehen konnte, wie sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht entwich. Ihr Blick flackerte, was ihn erschreckt zurückweichen ließ, dann löste sie ihren Griff von der Leiter und ließ sich zu Boden fallen.

Ronon, selbst überrascht von der plötzlichen Stimmungswandlung, wurde von ihr zur Seite gestoßen und bekam sie grade noch am Ärmel zu packen, bevor sie um die nächste Ecke verschwinden konnte. „Würdest du uns bitte sagen, was hier los ist?“ Seine Augen blitzten verärgert, auch wenn der Schrecken in den Augen seines Gegenübers den Zorn ein wenig milderte. „Keine Alleingänge. Ich dachte darin wären wir uns einig?“

Zu seiner großen Verwunderung hörte er Rhyan leise aufjaulen, ehe sie sich mit einem fast schon traurigen Blick gegen seinen Griff wehrte. „Lass mich gehen, Ronon. Bitte! Holt Teyla. Ich werde euch folgen, sobald ich kann.“

Satt dieser Aufforderung nachzukommen, zog der Sateder die junge Frau noch ein Stück näher zu sich heran und starrte ihr forschend ins Gesicht. „Nicht bevor du uns sagst, was du da grade erfahren hast!“

„Sheppard.“

Sie sprach so leise, dass er sie kaum verstehen konnte, aber es genügte, um ihn zu überzeugen. Ronon löste seinen Griff. „Was passiert mit ihm?“

Rhyan wischte sich fahrig eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. Ihr Hals war trocken wie Pergament. „Er stirbt, wenn ich ihn nicht bald finde.“

Nun war es an Ronon, kaltes Entsetzen zu verspüren. Nicht einen Moment lang zweifelte er an dem, was Rhyan vorgab gespürt zu haben. Und es stellte ihn vor ein wahrlich verzweifeltes Dilemma. Er schuldete dem Colonel eine Menge und die tiefe Loyalität, die er ihm gegenüber empfand, verlangte von ihm, dass er der jungen Frau bedingungslos zur Seite stehen sollte, wenn sie jetzt loszog, um ihn zu suchen. Doch dann war da noch Teyla, zu der er ein ganz ähnliches Band geknüpft hatte und die er in diesem hilflosen Zustand, in dem sie sich zur Zeit befand, unmöglich allein lassen konnte. McKay mit dieser Aufgabe allein zu betrauen, kam nicht mal im Entferntesten in Frage.

Rhyan schien den Widerstreit im Innern des großen Mannes zu spüren, denn ein schwaches Lächeln huschte über ihre Züge. „Geht jetzt. Wir treffen uns wie vereinbart. Ich werde auf ihn Acht geben, sei unbesorgt.“ Mit einem leisen Zischen zog sie 'Leid' aus der Rückenhalterung, dessen Intarsien bereits in wilder Vorfreude auf einen Kampf in düsterem Rot glommen. Dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und jagte den Gang hinab außer Sicht.
 

Sheppard bracht schwer atmend auf die Knie und schloss für einen winzigen Moment die Augen. Nur einen Augenblick, um sein rasendes Herz wieder zu beruhigen und seine Atmung in weniger schmerzhafte Bahnen zu lenken. In seinem Kopf pulsierte ein hämmernder Schmerz und machte es ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Er fühlte sich so schwach, so unglaublich müde.

Als er seine Augen wieder öffnete, fiel sein Blick auf seine zitternden Hände. Waren das wirklich seine Hände? Die Haut spannte sich um die deutlich hervortretenden Knochen und unter ihr verliefen in tiefem Blau seine Venen. Sein Blick verschwamm und die Welt um ihn herum drohte zu kippen. Was war mit ihm geschehen?

Noch bevor er haltlos zur Seite kippen konnte, wurde er von jemandem gleich einem Welpen im Nacken gepackt und auf die Füße gestellt. Eine mehr als unsanfte Ohrfeige vertreib den Nebel und schärfte seine Sinne noch ein Mal für wenige Augenblicke. Sheppard erinnerte sich dumpf, dass ihm eine solche Behandlung schon öfters zu Teil geworden war und dass sein Kiefer deshalb vermutlich auch so unerträglich brannte.

„Beinah tut es mir leid, dass sich unser kleines Spiel offenbar doch langsam dem Ende zu neigt. Ich hatte gehofft, dass Sie mehr ertragen, Colonel. Aber schlussendlich sind Sie ein Mensch wie jeder andere. Daran hätte ich denken müssen.“ Michael vergrub seine Hand in das dichte Haar seines Opfers und zwang dessen Kopf so weit in den Nacken, dass sich ihre Blicke trafen. „Der Tot klopft an die Tür, Colonel. Können Sie ihn hören?“ Er lachte amüsiert und ließ seine noch freie rechte Hand über die entblößte Brust seines Gegenübers gleiten. Das tiefrote Mal unmittelbar über dessen Herz war ein stummer Zeuge der Freude und der Qual, die Wraith und Mensch in den letzten Tagen miteinander geteilt hatten.

Sheppard wehrte sich schwach, angewidert von dem sadistischen Blitzen in den Augen des Wraith, der sich nun ganz nah zu ihm herabbeugte. „Ihre Lebenskraft wird mich nähren und stark machen, so wie Ihre Gene mein Projekt stärken werden. Sagen Sie Lebewohl zu Ihrem Dasein.“

Schmerz. Gleich einem Feuerwerk explodierte Schmerz in jeder Faser seines Körpers und verschlang seinen Geist in grenzenloser Agonie, als Michael seine Hand auf die Wunde über seinem Herzen presste, um sich ein letztes Mal an ihm zu nähren. Sheppard schrie diesen Schmerz heraus, ohne Hoffnung überhaupt jemals erhört zu werden. Er ertrank in der feuerroten Hitze der Qual, die den letzten Rest seiner Seele bedeutete. Er würde den Tod dankbar empfangen. Zu lange hatten die Tage dieser Folter angedauert.

Der Schmerz riss ab. So plötzlich und endgültig, dass John nach vorne gerissen wurde und kraftlos zu Boden stürzte. Er hörte Schreie und das Klirren von Metall auf Stahl. Dann schwand sein Bewusstsein endgültig und hüllte seinen Geist in Dunkelheit.
 

Rhyan war gerannt wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Angst hatte ihren Schritten Flügel verliehen und sie schlussendlich zu der richtigen Örtlichkeit geleitet. Mit all ihrer Kraft hatte sie ihren Geist ausgesandt und hatte Sheppard zugerufen, er möge stark bleiben und kämpfen. Doch sie hatte nicht mehr zu ihm durchdringen können.

Statt dessen hatte sie die andere Präsenz wahrgenommen. Die selbe, die sie am ersten Tag ihrer Ankunft gespürt hatte und die für den Angriff auf sie und Arokh verantwortlich war. Hass verdrängte die Angst und sie stürzte durch die nicht mal halb offene Tür. Lautlos durchtrennte 'Leid' Kleidung und Körper der beiden an der Tür postierten Wraith, schwang mit einem unheilvollen Bogen über den entsetzt zurückweichenden Menschen hinweg – Rhyan blinzelte überrascht. Dr. Beckett? - und hielt direkt auf den Rücken des über Sheppard gebeugten Wraith zu. Eine Bewegung aus dem Augenwinkel, zu spät um darauf reagieren zu können, und die Klinge des Schwertes klirrte funkensprühend gegen die Panzerung einer grau-blau-gepanzerten Bestie.

Rhyan sprang fluchend zurück, duckte sich unter den niedersausenden Vorderläufen hinweg und führte einen machtvollen Seitenhieb gegen die Beine ihres außerirdischen Widersachers. Erneut prallte die Klinge hell singend von der Panzerung zurück, hinterließ jedoch eine deutlich sichtbare Kerbe. Hinter den tödlichen Fängen des Wesens sah Rhyan Sheppard zu Boden gehen, hilflos in den Armen des Wraith gefangen. Ihr lief die Zeit davon.

Entschlossen verstärkte sie den Griff um das Heft ihres Schwertes, trat von der Gottesanbeterin zurück und katapultierte sich keinen Herzschlag später mit einem mächtigen Satz in die Luft.

Zu perplex von der schnellen Reaktion des Menschen und dem unerwarteten Gegenangriff, reagierte das Wesen viel zu spät und Rhyan landete bereits auf dessen knorrigen Schultern, nur um sich sofort wieder abzustoßen und mit einem wütenden Aufschrei auf den Wraith loszugehen.

Michael, von dem unerwarteten Lärm in seinem Rücken aufgeschreckt, wirbelte herum und entkam so um einen Hauch der Berührung mit 'Leid'. Die schwarze Klinge glitt kreischend über die Wand und fraß sich danach zentimetertief in den Fußboden, unmittelbar an der Stelle, an der er soeben noch neben Sheppard gehockt hatte.

Zeit genug für den Wraith, vor der tödlichen Schneide zurückzuweichen. Für Sekunden starrte er entgeistert auf die wutschnaubende junge Frau, die erneut das Schwert hob, um ihn anzugreifen. Fast zu spät löste er sich aus seiner Starre und sprang zurück in den Schutz seines gepanzerten Leibwächters. Er wusste nicht, wer diese Frau war und wie sie so unverhofft hier hatte auftauchen können. Doch er verspürte nicht den Wunsch, sich jetzt mit ihr zu messen, auch wenn sie ihm Sheppards Lebensessenz für den Moment streitig gemacht hatte. Etwas war unheimlich an ihr und ließ seine Nackenhaare zu Berge stehen.

Rhyans Augen wurden schmal, als sie die Flucht des Wraith verfolgte. „Feigling! Deine Chitin-Wesen werden dich auch nicht vor mir schützen können.“ Damit hob sie 'Leid' und sprang auf die Bestie zu. Hell sang der Stahl auf der harten Panzerung und immer wieder sprühten bunte Funken, wo Klinge und Panzer aufeinander trafen. Unermüdlich bearbeitete Rhyan die Verteidigung des Wesens, tänzelte leichtfüßig um es herum und nutzte die Enge des Raumes, welche es ihr ermöglichte schneller von einem Punkt zum nächsten zu gelangen, während das Biest von seiner Größe in der Bewegung beeinträchtigt wurde.

Als das Schwert schlussendlich doch den Schutz des Wesens durchbrach und eine der Vorderklauen vom Arm getrennt wurde, entschied Michael für sich, dass es an der Zeit war zu gehen. Er floh, verfolgt von Rhyans hasserfülltem Aufschrei.

Sie wollte ihm nach, legte all ihre Verzweiflung und Wut in den nächsten Schwertstreich und durchbrach noch einmal die Verteidigung aus langgliedrigen Extremitäten. Mit einem haarsträubenden Knirschen sprengte die Klinge die Beißwerkzeuge auseinander und bohrte sich in den nunmehr ungeschützten Rachen ihres Gegners.

Das Schwert wurde ihr beinah aus der Hand gerissen, als der gewaltige Körper von Krämpfen geschüttelt zu Boden ging, und nur mit Mühe konnte sie den unkontrolliert zuckenden Klauen ausweichen, ehe sie 'Leid' befreien konnte und sich anschickte, dem Wraith in den Flur zu folgen.

„Rhyan, warte!“

Der Ruf ließ sie unter der Türzarge verharren und durchbrach den Nebel des Kampfes, der sich um ihren Geist gelegt hatte wie dickflüssiger Sirup. Leise sprach Carson noch einmal zu der jungen Frau, so als fürchte er, dass ihr Wahnsinn auch vor ihm nicht Halt machen würde, doch sie senkte das Schwert, blickte ihn einen Moment lang aus verklärten Augen an und trat dann zu ihm herüber.

Er kniete neben einem verkrümmt am Boden liegenden Mann und ein eiskalter Schauer spülte über Rhyan hinweg, als sie auf diesen Mann hinab blickte. „John!“ Klirrend fiel 'Leid' neben ihr zu Boden, als sie neben dem Arzt auf die Knie fiel und zitternd beide Hände nach dem reglosen Colonel ausstreckte. Doch sie wagte nicht ihn zu berühren. Seine Brust hob und senkte sich schwach, doch die Ähnlichkeit mit dem Tod war größer als die Ähnlichkeit zu dem Mann, den sie kannte.

Wie ein Schandmal leuchtete das blutige Mal über seinem Herz, dunkel und unheilvoll und ein krasser Gegensatz zu der blassen Haut. Wie ein Fadennetz verzweigten sich von dort bläulich-schwarze Venen, spannten sich über Brust und Bauch bis hinauf zum Hals. Ein Zittern überlief den schwachen Körper.

„Was...?“ Ihre Stimme versagte und sie blickte nur voller Grauen zu Dr. Beckett, der in bodenloser Verzweiflung neben ihr kauerte.

„Wraith. Sie nähren sich von uns Menschen, von unserer Lebenskraft. Michael hat ein Spiel daraus gemacht. Er hat Sheppard immer wieder Leben geraubt. Jeden Tag ein bisschen mehr. Dabei war seine Kraft ohnehin schon sehr geschwächt, durch die ständigen Blutabnahmen, die dieser Bastard für seine Experimente benötigte. Es hat ihm Spaß gemacht.“ Der Zorn über das Leiden seines Freundes färbte die Stimme des Arztes dunkel. „Ich konnte nichts tun. Gar nichts. Michael zwang mich dabei zu sein und zu beobachten, für den Fall, dass Sheppard zu schnell zu schwach werden würde.“ Er verstummte einen Moment lang und Rhyan gewann den Eindruck, dass er jeden Augenblick neben ihr zusammenbrechen würde, niedergedrückt von dem, was er hatte beobachten müssen. „Ich wünschte, ich hätte ihn sterben lassen können. Aber sie haben Ronon, Teyla und Rodney. Solange er durchhielt, bestand die Chance, dass ich irgendeinen Weg finden würde, uns hier herauszuholen. Uns alle.“

Rhyan schluckte den Klos in ihrer Kehle herunter und wandte ihren Blick ab. Carson war kein Kämpfer und schon gar kein Mensch, der mit Gewalt umgehen konnte. Wie hätte er einen Weg aus dieser Hölle finden sollen? Dazu kam noch, dass niemand jemals vor solch eine Wahl gestellt werden sollte.

Wortlos überwand sie ihre Berührungsängste und barg den noch immer vollkommen regungslosen Sheppard in ihren Armen. Sein Haar fühlte sich strohig unter ihren Fingern an und unzählige graue Strähnen durchzogen das ehemals tiefe Schwarz. Deutlich konnte sie seine Knochen spüren, jede einzelne Rippe. Sein Atem ging rasselnd und schwer und tiefe Lebenslinien hatten sich in sein Gesicht gesenkt. Linien, die von einem Leben voller Schmerz zeugten, nicht eine unter ihnen, die durch Freude oder Lachen entstanden war. Er war ein alter Mann an der Schwelle zum Nirgendwo.

Mit einem tiefen Schluchzen verbarg Rhyan ihr Gesicht an Sheppards Hals. Wie konnte sie zulassen, dass er ging? Dr. Beckett hatte alles Menschenmögliche getan, um sein Leben zu erhalten. Ihn zurück zu holen würde mehr als das benötigen.

Sie schluckte und zwang sich, ruhiger zu werden. Wie genau die Konsequenzen für das, was sie zu tun beabsichtigte, aussehen würden, konnte sie unmöglich vorhersagen. Aber sie erlaubte sich nicht, näher darüber nachzusinnen. Als sie ihre Hand auf die durch Wraith-Hände entstandene Wunde legte, konnte sie Arokh in ihrem Kopf in ohnmächtigem Zorn aufschreien hören. Er tobte und würde sie doch nicht hindern können. Es war ganz allein ihre Entscheidung.

Sie konnte Carson neben sich hören, wie er scharf die Luft einsog, so als könne er fühlen, was dort vor seinen Augen geschehen würde. Dann blendete sie ihre Umgebung aus und ließ ihren Geist in den sterbenden Menschen in ihrem Arm sinken. Sie würde schnell handeln müssen, wenn sie Sheppards Lebensfunken nicht verlöschen lassen wollte.

Dr. Beckett ergriff die junge Frau an den bebenden Schultern, als sie zu straucheln begann, fühlte das Zittern, das ihren ganzen Körper überzog und konnte doch nichts tun, um ihr zu helfen. Er verstand nicht, was sie tat und fürchtete sich im Grunde seines Herzens überhaupt irgendetwas zu machen. Deutlich konnte er sehen, wie die Blässe des Colonels verschwand und sich die dunklen Linien unter der Haut zurückbildeten.

Der Turm erzitterte unter einem mächtigen Einschlag, was ihn voller Furcht aufblicken ließ, und ein langgezogener, klagender Schrei hallte durch die Stille der Gänge. Der Arzt war dem Drachen der jungen Frau noch nie zuvor begegnet und in diesem Moment war er davon überzeugt, dass er diesen Mangel in naher Zukunft nicht beheben wollte. Er war sich sicher, dass es der Drache war, der dort draußen, ausgeschlossen von den Mauern Atlantis, wütete.

Dann, mit einem tiefen Atemzug, kehrte das Leben zurück in den Körper des Soldaten. John schlug die Augen auf, kämpfte einen Moment, um das Bild vor sich scharf zu stellen und fuhr dann aus der liegenden Position auf. Sein Herz machte einen Sprung und durch seine Glieder pulste das schwere Gefühl überschüssigen Adrenalins. Zeitgleich drohte Rhyan endgültig über ihm zusammen zu sacken und er und Beckett griffen zu, um einen schmerzhaften Aufschlag auf dem Boden zu verhindern.

Die junge Frau hustete und krümmte sich in den Händen des Arztes, als wolle sie ihm entfliehen, versuchte sich von den beiden Männern abzuwenden. Doch John, nachdem er den ersten Schrecken in sein Inneres zurückgedrängt hatte, ergriff ihre Handgelenke und hielt sie für mehrere Herzschläge eng an sich gepresst fest. Sie zitterten beide und Sheppard schüttelte sich, um das Durcheinander in seinem schmerzenden Hirn irgendwie in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Aber sein Geist war noch immer wie betäubt und konnte die vorbei zuckenden Bilder in keine logischen Zusammenhänge bringen. Er konnte sich noch daran erinnern, Michael mit sturem Zorn entgegen getreten zu sein. Doch wie zum Teufel war Rhyan hier her gekommen? Atlantis war überfallen worden und seit diesem Moment waren sie vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Rhyan hatte sich zum Zeitpunkt des Angriffes nicht in der Stadt befunden.

Und warum überhaupt saßen sie hier am Boden, mit einem völlig aufgelösten Dr. Beckett an ihrer Seite? Wieso fühlte er sich so merkwürdig? Und wieso benahm sich Rhyan wie ein wildes Tier in Gefangenschaft?

Dumpf zupfte eine weitere Erinnerung an seinem Unterbewusstsein. Ein Gefühl, die junge Frau im tiefsten Innern seiner Seele gespürt zu haben. Doch der Moment lag schon Jahre zurück und hatte unmöglich etwas mit den jüngsten Geschehnissen zu tun.

Rhyans unbändiges Aufbäumen in seinen Armen unterbrach seine wirren Überlegungen und er musste all seine Kraft aufbringen, sie fest zu halten. Irgendwo in seinem Hinterkopf hörte er das ohnmächtige Brüllen des Drachen. Was war denn bloß los?

Er erlaubte der jungen Frau, sich ein Stück von ihm zu lösen, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. Ihre Blicke trafen sich und Sheppard fühlte, wie sich eine eiskalte Hand um seinen Magen schloss.

Sie knurrte ihn an. Ob aus Wut oder aus Schmerz konnte er nicht sagen. In ihren weit aufgerissenen Augen stand so vieles geschrieben. Doch was ihn viel mehr erschütterte war die Tatsache, dass er zwar in ihre menschlichen Augen blickte, dass aber das ursprünglich tiefe Braun ihrer Iris nunmehr mit unzähligen filigranen Äderchen durchzogen war, die in dem feurigen Gelb leuchteten, welches eigentlich nur ihren dämonischen Augen eigen war. Mitten in diesem verwirrenden Farbenspiel stand die nachtschwarze Pupille wie ein unheilvoller Halbmond. Sie knurrte noch mal, doch ihr Wiederstand nahm jetzt merklich ab, nachdem sie Sheppards Blick begegnet war. Dabei wurde deutlich, dass auch ihre Eckzähne deutlich spitzer geworden waren.

Was war nur geschehen?

Sowohl Sheppard als auch Dr. Beckett zuckten entsetzt zusammen, als aus heiterem Himmel die Stimme des Drachen in ihren Köpfen erklang. Er schien vor unterdrückten Emotionen zu zittern und seine Stimme troff vor Verachtung. „Sie hat dir das Leben gerettet, du unsäglicher Trottel!“

Also hatte er sich nicht getäuscht und Rhyan war tatsächlich einmal mehr in seiner Seele gewesen. Trotzdem... als sie ihm das letzte Mal derart zur Seite gestanden hatte, waren die Auswirkungen nicht so katastrophal gewesen.

„Es bedeutet etwas anderes die Beschädigungen eines menschlichen Körpers zu heilen, als gestohlene Lebensenergie zu ersetzen.“ Arokh schien noch immer erbost, doch die Macht hinter seiner Stimme war abgeschwächt und durch etwas anderes ersetzt worden. Resignation?

„Ich verstehe nicht...“

„Das müssen Sie auch nicht, Doktor.“ Es klang nicht wie ein Tadel, dennoch blickte Carson betreten zu seinem Freund, in der Hoffnung auf Beistand. „Sie ist nicht mehr vollkommen menschlich, das wisst ihr. Daher gebietet sie über die Macht, diese menschliche Seite in sich zu verdrängen oder, wie eben vollzogen, weiter zu geben. Die Essenz des Menschseins. Sie hat einen Teil davon aufgegeben, um es an dich weiter zu geben, damit du leben kannst.“

Sheppard fühlte eine ungeheuere Last auf seinen Schultern. Der Drache brauchte ihm nicht weiter zu erklären, was das für Rhyan bedeutete. Er hatte sich früher schon mit ihr über ihre Wandlung in dieses erschreckende Hybridwesen unterhalten und sie hatte ihm gestanden, dass bei jeder Wandlung ein Teil ihres menschlichen Ichs verschwand. Wenn sie ihm nun einen Teil dieser menschlichen Seite übertragen hatte, konnte das nur bedeuten, dass dieser Weg auf drastische Weise verkürzt worden war und sie der dauerhaften Existenz als Mischwesen erheblich näher gekommen war. Jetzt konnte er die rasende Ohnmacht des Drachen verstehen.

„Belaste dich nicht mit der Schuldfrage, Colonel Sheppard. Sie hat sich zu diesem Schritt entschieden und uns bleibt nur, diese Entscheidung zu akzeptieren und sie damit zu ehren.“

Verunsichert durch die Sanftheit des Drachen und dem Mitgefühl, welches er ihm zukommen ließ, nickte er.

„Und jetzt verschwindet von diesem Ort. Ihr seid schon viel zu lange dort und die Wraith sind bereits auf dem Weg. Nicht weit von euch ist eine Außengalerie. Lauft dorthin, ich werde euch zu euren Freunden bringen.“

Mit Carsons Hilfe schaffte es Sheppard auf die Füße zu kommen und Rhyan mit sich zu ziehen. Sie wirkte noch immer verstört und desorientiert. „Wir werden da sein.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  MorgainePendragon
2009-11-07T12:44:58+00:00 07.11.2009 13:44
Was ein Monster-Kapi! Aber ich muss gerade reden... Zumindest früher fiel es mir ja nicht gerade schwer, auch so viel zu schreiben. Na, mal sehen ob das bald wiederkommt.

Jedenfalls: Wieder ein sehr heftiges, spannendes Kapitel, wobei es das nicht mal ganz trifft. Denn es war das spannendste bisher, finde ich. Das... bewegendste. Und bei mir spielt immer der emotionale Teil eine große Rolle. Und diesem Teil kommt hier viel Aufmerksamkeit zu. Gott, der arme Sheppard... Die arme Rhyan... O.o
Er hat ja nun schon hin und wieder durch Nährung diverser Wraith an ihm am Rande des Todes gestanden, aber so gequält zu werden... Du schaffst es, dass mein Mitgefühl für Michael, das IMMER latent vorhanden war, echt auf ein Minimum schrumpft! *faust schüttel* Und dann auch noch Carson dafür einzuspannen. Die müssen doch alle nachher seelische Wracks sein...

Was Rhyan getan hat ist sehr mutig und passt zu ihrem Charakter. Arokhs Wut verraucht meines Erachtens ein wenig zu schnell. Aber er kennt sie wohl besser als wir alle und ist daher resigniert. Sie ist wie sie ist.

Oh und ich muss ENDLICH mal lernen im Geiste "Wraien" (Rhyan) zu sagen. Das "Rhünn" (Rhynn) von Drakan sitzt einfach zu tief... Menscho...
>.<

Oh und gibt es wirklich neun Höllen? Ist ja interessant^^.

Du schreibst von den "Atlantern". Hat es einen Grund, dass du die neuen Bewohner von Atlantis anders nennst als die "alten" Lantianer?

Oh und danke für ein bisschen Fanservice für Mado: "Seine Freundschaft zu der Athosianerin war sehr groß", oder so^^. Hach, dass darf ruhig tiefer werden find ich. Zumindest in Fanfics dürfte das doch möglich sein *angrins*. Ich weiß, ich weiß, dein Hauptaugenmerk liegt woanders. Aber wie bei Auri und Yasha wäre es doch möglich... *dumdidum*
Nyo, diese Story ist ja schon fertig... *drop* Vielleicht mal irgendwann anders... *schnief*

Heute nur zwei kleine Rechtschreibfehler entdeckt: "John bracht in die Knie" und "vertreib" statt "vertrieb". Ganz kleine Sachen. Ich überseh aber auch vieles. Bin ein wenig duselig vom Anitbiotikum^^. Aber es heilt jetzt wirklich. Nächste Woche nochmal ambulant zur Behandlung ins KH, dann dürfte es abgeheilt sein.

Danke für ein weiteres tolles Kapi, dass mir ein Wiedersehen mit diesen wunderbaren Charas beschert^O^. Diese Verbundenheit von Rhyan und Sheppie ist wunderschön beschrieben. Schlimm in diesem Zusammenhang, aber rührend. Ihr Aufjaulen, als sie sein Leid spürt... Herrjeh... *umarm*

Bin gespannt wie's weitergeht.^^
Von: abgemeldet
2009-11-06T15:01:04+00:00 06.11.2009 16:01
Verdammt Nighty!
Das war bis jetzt ja noch das beste Kapitel, ich muss zwar noch weiterlesen, und bin mir ziemlich sicher da nicht weniger geniales vorzufinden, aber das hier ist schon echt ein starkes Stück!
Vorallem löst es so viele verschiedene Stimmungen aus, während man liest, man erlebt es richtig mit.
Du beschreibst alles so lebendig, dass man sich richtig ins Geschehen hinein versetzt fühlt. Dank dir fliegen tausend Bilder durch meine Kopf xD
*wegschleich*
Von: abgemeldet
2009-08-10T12:34:22+00:00 10.08.2009 14:34
Boah...ich schwenke noch immer zusammen Leid durch den Raum und metzele Insekten nieder!!! Was ein Spaß.
Ich mag auch besonders gerne die Verfolgung durch die halbdunklen Gänge von Atlantis...bestimmt flakert das Licht an einigen Stellen!!!! Es ist SSSSOOOOO toll. Ich brauch aber unbedingt nochmal nen Bild von nem Jumper...irgendwie geriet an der Stelle meine Fantasie durcheinander...

Ich werde hier auch nur schnell noch den Kommi zuende schreiben und mich dann an die Fortsetzung machen...ich muss unbedingt wissen wie weit Rhyans Veränderung gegangen ist und wie es ihr jetzt geht und wie die alle in dem Zustand überhaupt noch was reißen können. Jetzt verstehe ich auch langsam dein Dilemma...ich bin mehr als gespannt was du draus gemacht hast.

Außerdem möchte ich ja natürlich auch wissen wie Sheppard zu Rhyan steht...

sorry...ich muss weiterlesen (die anderen Punkte kriegste dann wenn wir uns sehen!!)
Von:  claudine
2009-06-30T21:48:05+00:00 30.06.2009 23:48
Hi,
ich dachte schon, du schreibst hier nicht weiter, umso mehr freute ich mich heute über das super lange Kapitel. *gg*
Na da ist ja Rhyan und Arok noch mal in letzter Minute zur rechten Zeit gekommen.Ist denn John wieder komplett in Ordnung,und für was für einen Preis? Arme Rhyan, sie muss ihn sehr lieben...
Leider konnte Michael entkommen, aber wohin ist er verschwunden? Hoffentlich vernichten sie noch Michaels Brut, es laufen schon genug von diesen Biestern herum.

War wieder sehr spannend, freue mich schon auf die Fortsetzung. :)

LG Claudine


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