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Stalker!

oder : Verdammt, ich weiß es nicht! [ Zorro x Sanji. ]
von

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Prolog..?!

.. und so schnell melde ich mich auch wieder zurück.

Hallo ihr Lieben & willkommen zu meiner neuen Fanfiction! :D xD <3

Hier habe ich mal was für mich völlig Neues ausprobiert.

Nicht in den Zusammenstellung, Zorro & Sanji sind ja wohl mehr als klassisch.

Und auch mit der Neuzeit lasse ichs nicht anbrennen, das kennt ihr ja mittlerweile von mir. ;]

Nein, ich rede eher von der Art, wie ich mit den Zeiten umgehe...

Na, ihr werdet es ja noch sehen! :o

Disclaimer (!) : Die Charaktere gehören nicht mir und auch Geld verdiene ich nicht mit ihnen.

Oder an ihnen. Oder bei ihnen. Was auch immer. Schade eigentlich.
 

& jetzt viel Spaß beim Lesen! :D
 

~ Stalker! ~
 

PR0L0G !
 

Tag zusammen.

Vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen, bevor ich euch meine Situation erläutere.

Mein Name ist Sanji.

Mein Vorname muss euch genügen, und auch den Ort wo ich wohne kann ich euch nicht sagen, leider, ich habe eigentlich ganz gern Besuch.

Das hat auch nichts mit euch zu tun, ihr seid sicher wunderbar nette Menschen, aber..

Na, wenn ihr wisst, was mir bis jetzt alles passiert ist, dann wisst ihr auch, wieso ich es einfach nicht sagen kann. Es tut mir Leid.

Ich kann mir denken, welche Frage ihr euch jetzt stellt, wenn ihr nicht schon längst genervt euer Hirn abgeschaltet habt – wer ist dieser Sanji und vor allem, was ist so schrecklich an seiner Situation, das er uns nicht sagen kann wo er sich aufhält?

Also da haben wir uns definitiv falsch verstanden, denn wo ich mich jetzt gerade befinde kann ich euch mitteilen.

Aber alles nach der Reihe.

Wie schon gesagt, mein Name ist Sanji, und ich wohne ganz allgemein gesprochen in einem netten kleinen Vorort einer großen Stadt.

Die Gegend kann man als ruhig beschreiben, Einfamilienhäuser dicht an dicht, kleine Gärten, Spießertum soweit das Auge reicht.

Ich bin alleinstehend, ja ihr hört richtig, ich bin alleinstehend und wohne in einem spießigen Vorort in einer Einfamilienwohnung. Allein.

Und – Bingo! Das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine normale, lockere Beziehung. Für solche Späße hab ich auch normalerweise gar keine Zeit, ich arbeite als Chefkoch in einem 4-Sterne-Restaurant und habe somit menschenverachtende Arbeitszeiten.

Denkt jetzt nicht, ich bin so ein alter, seltsamer Knacker der keine Hobbys hat und sich überlegt, sein Leben mal kurz Revue passieren zu lassen! Ich bin 23 und somit im besten Alter.

Meinem Chef kann ich das jedoch nicht als Ausrede liefern, wenn ich morgens um 5 total übermüdet und betrunken auf der Arbeit auftauche.

Ich bin also ziemlich im Leben eingespannt, habe viel zu tun und leide oft unter enormen Schlafmangel, wenn man wieder ein wichtiges Event war.

Ich bin ziemlich selten zu Hause, aber durch meinen guten Job kann ich mir die große Wohnung leisten, ohne meine Eltern anpumpen zu müssen.

Und das wäre echt das letzte, was ich wollte.
 

Vielleicht noch etwas zu meinem Aussehen. Ich habe blonde, mittellange Haare, schön glatt, ich muss sie morgens nicht mal fönen. Ich habe ein schmales Gesicht, das sagen zumindest alle, schmal und zierlich. Der Rest meines Körpers schließt sich da an. Ich bin normal groß und ansonsten kann man wohl noch von mir sagen, das ich extremer Kettenraucher bin.

Ehrlich! Klar ist das in meinem Job nicht die beste Marotte, aber ich schaffs immer mir irgendwie die Kippe in den Mund zu mogeln.

Achtet eh keiner drauf. 4 Sterne, ha! Wenn die wüssten...
 

So, jetzt dürftet ihr alles wissenswertes von mir erfahren haben – oh ja, ich kann eure fragenden Blicke förmlich vor mir sehen! Denn ihr habt Recht – wenn ich KEIN alter Knacker bin der sein Leben Revue passieren lässt, dann muss irgendwas an meiner Situation rasend interessant sein.

Ich gebe euch vollkommen recht. Meine Situation ist wirklich rasend interessant. Für euch.

Für mich ist sie eher rasend peinlich.

Also, ich versuche euch mal das momentane Bild zu beschreiben, das wohl jeder neutrale Beobachter haben würde.

Das Zimmer, in dem ich mich befinde, ist recht groß, wenn auch nicht sonderlich schön eingerichtet nach meinem Geschmack. Ein bisschen leer, die Wände sind weiß, kein einziges Bild.

Recht trostlos das Ganze. Aber darum geht es jetzt eher weniger.

Der Raum ist schließlich doch gefüllt. Mit einem Bücherregal, einigen sandfarbenen Vorhängen, einem kleinen Beistelltisch, einem großen Bett und einem Kleiderschrank.

Außerdem nehmen ich, eine junge Frau und ein großer Kerl noch Platz weg.

Jaha, wir nähern uns dem Kern der Angelegenheit – mir, dem Mann und der Frau.

Und es ist definitiv nicht so wie ihr jetzt denkt.Wir befinden uns nicht in wilder Ekstase auf dem Bett, treiben es wie die Karnickel und erfreuen uns an unserer Bisexualität.

Momentan wäre ich sogar ganz froh, wenn das so wäre.

Nein, treiben tun es nur die Frau und der Mann, und das nicht auf dem Bett, sondern auf dem Flokati.

Den hatte ich gar nicht in meiner Raumbeschreibung erwähnt, kann das?

Dürfte daran liegen, das ich ihn von meinem momentanen Standort aus nicht wirklich erkennen kann. Oder eher Sitzort.

Denn ich, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, befinde mich just in diesem Moment im Schrank.
 

Ja, ihr habt richtig gehört, Schrank. Verkneift euch das Lachen, es wird noch verrückter.

Stellt euch also folgendes Bild vor. Mann und Frau wälzen sich stöhnend und so gut wie nackt auf dem Boden, wahrlich auf weichem Untergrund, und Sanji sitzt sich den Hintern wund zwischen Boxershorts und Jeanshosen.

Genau in dieser Situation befinde ich mich gerade und ja – ich bin angekotzt, ihr habt richtig geraten.

Mal ganz abgesehen davon das mich diese animalischen Geräusche von Draußen am Denken hindern, frage ich mich ernsthaft, ob ich je wieder das Tageslicht sehen werde.

Denn wenn ich mich nicht freiwillig stelle, heißt aus dem Schrank hüpfe und laut „BUH!“ schreie, dann werde ich für immer hier festsitzen, sterben und verrotten.

In beiden Fällen war es das mit dem Augenlicht, denn er, also der Mann da draußen, wird mir garantiert die Augen ausstechen, um mich dann zu zerteilen, zu kochen und zum Abendessen zu servieren.
 

Ihr glaubt, das wars? Ja, wahrscheinlich wars das wirklich für mich, ihr habt Recht. Egal was ich mache, ich werde eines unnatürlichen Todes sterben. Ob mich nun der Hunger holt oder seine Faust, ist da wahrscheinlich egal.

Aber ich glaube, euch stellt sich langsam aber sicher eine andere Frage, selbst die letzten Idioten unter euch werden langsam auf den Trichter kommen, dass das, was vor meinem Schrankaufenthalt passiert ist, wahrscheinlich auch interessant sein könnte.

Und schon manifestiert sich die Frage in eurem Kopf – wie ist Sanji, der blonde, kettenrauchende Sternekoch, in den Schrank gekommen?

Erster Schock – ich bin reingeklettert. Ziemlich unspektakulär und langweilig.

Jaja, nervt nicht, ich hab eure Frage schon verstanden, bin ja nicht blöd, auch wenn die momentane Situation das annehmen lässt.

Die Geschichte ist länger. Echt viel länger.

Ich kann mir nicht vorstellen, das ihr sie euch ernsthaft anhören wollt.
 


 

Also gut! Euer abwartendes Schweigen treibt mich sonst noch in den Wahnsinn.

Vielleicht nochmal eben was zur Ausgangssituation.

Das Haus hier gehört ganz sicher nicht mir – so geschmacklos lebe ich nicht – nein, es gehört, jetzt haltet euch fest – Lorenor Zorro.
 

Wie, der Name sagt euch nichts?

Okay, ich gebe zu, am Anfang hat er mir auch rein gar nichts gesagt.

Er hat mich nicht mal im geringsten interessiert.

Hätte Nami doch einfach mal die Klappe gehalten...

Verdammt! Ich sollte nicht im Selbstmitleid schwelgen, es lässt sich nicht mehr ändern und ich muss jetzt damit leben. Irgendwie. Auch wenns schwer ist.

Aber alles nach und nach.

Gibt es vielleicht sonst noch was zu sagen?

Ach ja. Die Frau, die bei ihm ist, also bei Lorenor auf dem Flokati, die kenne ich nicht.

Also nicht persönlich.

Ich weiß nur, das die beiden sich jetzt seid einer knappen Woche treffen. Länger nicht, glaube ich.

Ich weiß, das sie mit ihm zusammen arbeitet. Lorenor ist Schauspieler.

Oder Stuntman, so genau hab ich da noch nicht durchgeblickt.

Sie haben sich 4 Mal getroffen, einmal in einem Restaurant, so richtig schön mit Kerzen und so, ein Mal sind sie Schlittschuh laufen gegangen, total kitschig, und zwei mal waren sie jetzt schon bei ihm.

Und zwei Mal hatten sie Sex. Oder drei Mal. Ich zähl die Orgasmen nicht mit.

Aber nur ein Mal hab ich mich bis jetzt dabei im Schrank befunden.

Ich hab mich ehrlich gesagt vorher noch nie in seinem Schrank befunden – das hier ist, wie ihr sicher schon erraten habt, seine Wohnung.
 

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ist das alles komplizierter und vor allem strafbarer als ich dachte.

Scheiße, verdammte.

Die beiden Liebenden scheinen langsam zum Hauptteil des Aktes über zu gehen. Sie stöhnt lauter, recht rythmisch. Von ihm kommt immer wieder ein unterdrücktes Keuchen.

Scheiße, verdammte!

Ich wünschte ich wäre in meiner Wohnung, da wo ich sein sollte, und würde mich für die Arbeit fertig machen.

SCHEIßE!!! Die Arbeit!

Na geil. Gleich noch jemand auf meiner Liste, der sich recht bald meinen Tod wünschen wird.

Was allerdings auch nicht mehr viel ausmacht bei der Liste, die ich bald aufstellen kann.
 

Ja, ich weiß. Ihr wollt langsam echt wissen, wie es dazu gekommen ist, und ich glaube auch, das ich es auch erzählen sollte. Wieso? Zum einen aus Gewissensgründen, zum Anderen wollte ich mir noch einen Platz im Himmel sichern. So auf die Schnelle.

Das Ganze ist, wie schon erwähnt, echt kompliziert und verdreht.

Ihr wollt es echt wissen? Gut. Ich hab euch gewarnt.

Ich werde euch nun die ganze Geschichte erzählen, vom Anfang bis jetzt, während die beiden liebestollen Verrückten da draußen ihrem Orgasmus entgegen steuern.

Alles begann vor – tatsächlich auf den Tag genau – einem Monat.

~ Stalker ! ~
 

N0. 2 - No Title.
 

Dieser Tag vor genau einem Monat hatte schon seltsam begonnen.

Eigentlich hätte ich wissen müssen, das irgendwie sowas passiert. Es lag schon so eine verheißungsvolle Stimmung in der Luft.

Na ja, ich jedenfalls wachte wie jeden Morgen verdammt früh auf, schälte mich aus meinen Kissen und wuselte ins Bad.

Meine Wohnung ist groß und nett eingerichtet, wie ich finde. Große Fenster, mein Schlafzimmer ist im klassischen Stil gehalten mit einem großen Himmelbett und antiken Möbeln, mein Bad schön modern. Mittelalter trifft auf 21. Jahrhundert. So muss das sein, jaja.

Im Bad stellte ich fest, das ich fürchterlich aussah. Vielleicht lags auch am Licht, ich weiß es nicht, jedenfalls glaubte ich die ersten Sekunden nicht, dass das wirklich ich war, der mir da im Spiegel entgegen blinzelte.

Augenränder, blasse Haut, dünnes Haar. Ich sah wie kurz vorm abnippeln aus.

Als wäre ich gerade aus dem Grab gestiegen. Unheimlich, aber mit Pflegeprodukten zu bekämpfen.

Bevor ihr jetzt verwirrt die Augenbrauen hebt – ja, ich benutze Pflegeprodukte für Männer.

Glaubt ihr etwa, Schönheit ist bei jedem angeboren? Ich musste sie mir Tube um Tube erkämpfen.
 

Ich warf mich also in meine Cremes und Pads und überlegte, was ich mit dem Tag anfangen sollte, denn ich hatte ausnahmsweise mal von meinem Chef frei bekommen und mir fest vorgenommen, irgendwas tolles zu machen. Sonst komm ich ja nie dazu.

Als erstes fielen mir da meine Freunde ein, die ich in den letzten Wochen und Monaten ziemlich vernachlässigt hatte. Wir kannten uns alle noch von der Schule, waren schon damals eine Clique gewesen und hatten uns auch danach immer wieder getroffen.

Soweit ich wusste trafen sie sich immer noch. Ohne mich.

Ich nahm es ihnen nicht übel. Glaube ich.

Ein Tag mit ihnen kam mir wie Urlaub vor im Gegensatz zu meinen Arbeitstagen und somit entschied ich mich dafür Ruffy anzurufen, wenn ich mit dem Waschgel und der Feuchtigkeitscreme fertig war.

Kurze Beschreibung von Ruffy: Schwarze Haare, Kugelaugen, immer hungrig, ewiges Kleinkind, die meisten seiner Aktionen grenzten an schierem Wahnsinn. Genau deswegen mochte ich ihn.

Er war mein genaues Gegenteil. Der Einzige, der diesen Verrückten noch im Griff hatte, war Ace, sein großer Bruder. Die beiden glichen sich wie ein Ei dem anderen. Ace war nur nicht ganz so abgedreht.

Natürlich wollte ich die beiden nicht allein bei mir rumhängen haben, das wäre sicher ziemlich witzlos geworden. Ich wäre dauerhaft mit kochen und meine Möbel retten beschäftigt gewesen.

Während ich zum Schrank tigerte und mir Hemd und Jeans heraus fischte nahm ich mir vor, auch Nami, Lysob, Frankie, Nico Robin und Tony Chopper einzuladen.

Die diese fünf Personen sind nicht minder wahnsinnig, dafür aber ein wenig ruhiger.

Auch für sie eine kurze Charakterbeschreibung.

Tony Chopper ist ein großer, verdammt haariger Kerl mit dem größten Herz westlich des Urals.

Er ist Chefarzt im hiesigen Krankenhaus.

Frankie ist Profiboxer. Mir fällt gerade auf, das so ziemlich alle meine Freunde Karriere gemacht haben... egal. Frankie jedenfalls hat mehr Stahlplatten im Körper als ich Knochen hab.

Nami, mein ewiges Herzblatt, arbeitet nicht, braucht sie aber auch nicht, weil sie stinkreich ist.

So weit ich weiß geerbt, genauer hab ich mich aus Sicherheitsgründen nie erkundigt.

Nico Robin ist Archäologin. Ziemlich berühmt. Hat jede Menge alter Grabstätten aus gebuddelt und so was.

Lysob... ah, hier haben wirs, es haben doch nicht alle Karriere gemacht. Lysob ist von Beruf... Angsthase, glaube ich. Nein, mal im Ernst, ich weiß echt nicht was er macht. Irgendwie redet nie jemand drüber und es traut sich auch keiner zu fragen.

Vielleicht ist er ja Pornodarsteller. Mit seiner verdammt langen Nase ist das nicht auszuschließen.

Lysob, der Mann der weiß was Frauen wollen... ich lach mich tot.
 

Das Telefon schon in der Hand schlenderte ich angezogen in die Küche, ebenfalls ein Glanzstück der Moderne. Ich angelte mir zwei Eier aus dem Kühlschrank und schlug sie in eine Pfanne, während ich Ruffys Nummer wählte.

Ja, ich bin multitaskingfähig und verdammt stolz drauf.

„Hallo?“ Ich seufzte. Der Kerl hatte nie gelernt, wie man sich richtig am Telefon meldete.

„Hey Ruffy, ich bins, Sanji.“ - „SANJI!“

Und schon war ich gehörlos.

„Ja, hey.“ murmelte ich, wärend er anscheinend vor Freude quiekend durch seine Wohnung fegte.

Ich hörte Ace im Hintergrund wütend knurren.

„Ich freu mich ja so das du anrufst! Man, das ist super!“ Ich wusste nicht, wie ich auf diesen euphorischen Ausbruch reagieren sollte und versuchte das Unheil, nämlich Ruffys frühzeitigen Tod durch Herzversagen, abzuwenden.

„Gib mir mal Ace.“ - „Ja, okay.“

Wenige Sekunden später hatte ich den schlecht gelaunten Langschläfer am Ohr.

„Sag mal, hast du sie noch alle, Sanji? Guck mal auf die Uhr! Es ist 8 Uhr morgens!“

Ich nickte langsam, während ich auf meine tickende Küchenuhr schielte.

„Ich weiß.“ Sein Knurren wurde wütender.

„Was also verschafft uns die Ehre, das der Sternekoch sich bei uns meldet – um diese menschenverachtende Zeit?!“

Ein kleiner Stich in meiner Brust sagte mir, das ich mich mehr mit meinen Freunden hätte treffen sollen.

„Tut mir Leid, Ace. Ich wollte dich nicht wecken, es ist nur so... ich bin normalerweise noch früher wach und denke nicht daran, das es ja auch Menschen gibt die sowas wie schlafen können. Ich wollte euch fragen ob ihr heute vorbei kommen wollt. Ich hab frei und wollte euch alle einladen.“

Meine Entschuldigung und die Einladung schienen ihn zu beschwichtigen.

„Gern. Aber nicht jetzt.“

Ich lachte und schaltete die Herdplatte an.

„Nein, nicht jetzt. Nachher irgendwann.“ Ich hörte eine Decke rascheln.

„In Ordnung, wir kommen nachher. Bis gleich.“

„Ja, bis gleich.“ Ich legte auf und wählte direkt die nächsten Nummern. Allesamt waren sie zu Hause – Tony war gerade von der Arbeit gekommen, wollte aber doch mal vorbei schauen, Robin hatte eh nicht geschlafen und Nami murmelte nur etwas verschlafen in den Hörer, das sie eventuell auch kommen würde.

Lysob meldete sich wie immer mit einem Zittern in der Stimme, sagte aber sofort zu.

Erfreut über diese guten Nachrichten richtete ich mir mein Ei auf frischem Toast und Gewürzen an und verschlang es in wenigen Minuten.
 

Der Lärm, der kurze Zeit später durch mein geöffnetes Küchenfenster zu mir nach drinnen drang, ließ mich aufhorchen.

Ich hatte ja schon erwähnt, das ich in einer sehr ruhigen Gegend wohne. Lkw's fahren hier so gut wie nie durch, und parken tun sie schon mal gar nicht.

Zuerst dachte ich mir nichts dabei – Ausnahmen bestätigen schließlich die Regel, auch hier parken wohl ab und an mal große Autos.

Als dann aber zum anhaltenden Motorengeräusch noch laute Stimmen kamen, wurde ich neugierig.

Ich weiß nicht, ob es da schon begann. Meine Krankheit.

Ich habe die leise Vermutung, das genau in dem Moment, wo ich mich erhob und zum Fenster ging, der Grundstein gelegt wurde.

Zumindest im Ansatz.
 

Ich spähte also aus dem Fenster und erkannte einen großen Lastwagen, der in zweiter Reihe in der Straße parkte. Zweite Reihe bedeutet bei uns, das er alles versperrte. Was nicht so schlimm war, um diese Uhrzeit fuhr hier eh nie ein Auto entlang.

Ich legte meine Arme auf das Fensterbrett und beobachtete, wie mehrere kräftig aussehende Männer gut eingepackte Möbel aus dem Laderaum ins Nachbarhaus schleppten.

Das machte diese Szenario noch interessanter – denn das Haus neben meinem war schon seid ewiger Zeit unbewohnt gewesen, aus einem einfachen Grund – es war absolut renovierungsbedürftig.

Die Farbe blätterte von den Außenwänden, der Garten war zu gewuchert, die Dachlatten hingen gefährlich lose in ihren Angeln...

Insgesamt nicht sehr einladend. Aber ganz offensichtlich hatte sich jemand getraut, dieses Haus zu kaufen.

Mutig, schoss es mir durch den Kopf und ich ließ mir den Wind um die Nase wehen, der aufkam.

Mutig, aber dumm.

Da hat sich aus gutem Grund seid längerem niemand mehr dran getraut.

Die Männer, die da herum wuselten, trugen alle weite Blaumänner, also war der neue Besitzer nicht unter ihnen.

Na, den würde ich schon noch kennen lernen schoss es mir durch den Kopf und ich wandte mich ab, um den Tisch abzuräumen.

Ich sags direkt mal vorher, bevor ihr im Lauf meiner Erzählung noch dumme Fragen stellt – ich bin ein Ordnungsfanatiker. Ich kann es einfach nicht haben, wenn nicht alles da ist, wo es hingehört. Da bekomm ich... Plack. Ganz ehrlich.
 

Die Stimmen von draußen störten mich allerdings ein wenig, irgendwie machten sie mich nervös, also schloss ich das Fenster bevor ich anfing zu spülen.

Die Geräusche fanden sofort ein jähes Ende, ich genoss die Stille die sich um mich schloss. Sie würde nicht mehr lange anhalten, denn nachdem ich fertig war mit spülen und das Bett gemacht hatte läutete es.

Mein Herz machte einen freudigen Sprung und ich wetzte zur Tür.

Ich gebe zu, ich hatte sie wirklich vermisst. So ein bisschen jedenfalls.

An der Tür angekommen hörte ich sie schon lärmen. Ruffy brüllte irgendwas, Ace ebenfalls, Lysob kreischte, Nami fauchte und Robin lachte. Frankie hörte ich weiter entfernt meine Mülltonne bearbeiten. Mit Fäusten.

Ich verfluchte mich selbst das ich nicht meine Möbel irgendwie abgesichert hatte, dann öffnete ich die Tür. Jetzt war es eh zu spät.

„Sanji!“, tönte es mir einstimmig entgegen, ich kniff kurz die Augen zusammen, dann lächelte ich.

„Hey Leute.“ Ich mochte sie schrecklich gerne, ich mag sie heute noch, diese verrückte Meute mit ihren Macken und Fehlern.

Ich wurde umarmt, geknuddelt und per Handschlag gegrüßt.

Alle wuselten sie in meine Wohnung, machten sich ohne Einladung in meinem mit antiken Möbeln eingerichteten Wohnzimmer breit und bewunderten – mal wieder – meine Einrichtung.

„Die muss doch ein Vermögen gekostet haben!“ stöhnte Nami und fuhr mit einem ihrer Finger über die Kommode. Ich stimmte ihr zu.

„Aber ja, Namischatz, aber du weißt ja, ich lebe gern gemütlich.“

Lacht nicht. Sie ist mein Herzblatt und wird es immer bleiben.

Glaube ich. Hoffe ich.

Frankie klopfte auf die Armlehne eines meiner Sessel und ich betete, das er nicht rabiater wurde.

„Nicht sehr stabil.“ teilte er sachlich mit. Er erntete einen abfälligen Blick von Robin.

Meinem zweiten Herzblatt, meiner antiken Schönheit aus Glas.

Ich habe gesagt, ihr sollt nicht lachen! Ich mag die Vorstellung, das alle Frauen mir gehören.

„Das ist eine Antiquität, Frankie! Die muss nicht stabil sein.“

Das schien den jungen Hobbybastler wenig zu interessieren. Er klopfte fröhlich weiter meine Möbel ab. Ich wäre ihm gern gefolgt, doch ich musste mich mit Ace um Ruffy kümmern, der begonnen hatte meinen Kühlschrank umzuräumen oder eher auszuräumen.

Mit dem Mund.
 

Nach einer knappen halben Stunde, in der ich mich in dauerhaftem Stress befunden hatte, hörte ich schließlich Namis engelsgleiche Stimme an mein Ohr dringen.

Sofort galt all meine Aufmerksamkeit ihr. So war das schon immer. Sie sprach, ich lauschte. Da konnte ein Presslufthammer neben mir sein Bestes geben, ich hörte sie immer und werde sie wohl auch immer hören.

Das ist so ne Art Naturgesetz. Da wird sich in den nächsten 1000 Jahren nichts dran ändern.

Ich lauschte also ihren Worten, während Frankie meinen Coutchtisch bearbeitete, Lysob auf meinem Sessel kauerte, Robin weiterhin bewundernd umher lief, Tony versuchte Lysob zu beruhigen und Ruffy sich mit Ace einen wilden Fresswettbewerb lieferte.

„Zieht da jemand neben dir ein?“

Eine völlig überflüssige Frage im Angesicht der Tatsache, das die Möbelpacker immer noch nicht fertig waren. Das sagte ich natürlich nicht.

„Ja, mein Täubchen.“ - „Und wer?“

Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern, während sie sich am Wohnzimmerfenster breit machte.

„Keine Ahnung. Muss ein ziemlich abenteuerlicher Kerl sein, wenn er die Schrottbude da gekauft hat. Wahrscheinlich so ein Naturbursche.“ Ich lachte auf, doch Nami blieb ernst.

„Glaub ich nicht. Sieht eher so aus, als hätte er Geld. Die Möbel sehen teuer aus.“

Wieder zuckte ich mit den Schultern, denn es interessierte mich nicht.

„Kann sein. Ja, gut möglich.“ Ich hoffte, das damit das Thema beendet war, und tatsächlich, ein paar Minuten hörte ich nichts von ihr. Die Zeit nutzte ich, um hinter den zwei schwarzhaarigen Brüdern her zu putzen.
 

Dann hallte ein markerschütternder Schrei durch meine Wohnung und ich dachte schon, irgendwer hätte ich was gebrochen oder so, ich war schon im Laufschritt auf dem Weg ins Wohnzimmer, als ich Nami den Satz kreischen hörte, der mein Leben verändern sollte.
 

„OH MEIN GOTT, SIEHT DER GUT AUS!“
 

Ja, lieber Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, das ist der Satz, der alles auf den Kopf stellte, tatsächlich.

Ich weiß, dass das total bescheuert ist. Damit muss ich jetzt leben.

So, weiter im Text.

Mein Herz wummerte natürlich trotzdem wie bescheuert, als ich ihm Wohnzimmer ankam und gehobenen Augenbrauen beobachtete, wie Nami sich die Nase an der Scheibe platt drückte und sich nun auch Nico Robin dazu gesellte, die ungefähr dieselben verzückten Laute von sich gab wie ihre Freundin.

Lysob, Tony, Frankie und ich starrten uns vollkommen irritiert an, dann sahen wir wieder zu den beiden Frauen und lauschten mit wachsendem Unmut ihrem Gespräch.

„Wow, krass! Guck dir die Muskeln an! Ob der Bodybuilder ist?“

„Quatsch, so ein ekliger, aufgepumpter Kerl ist das nun auch wieder nicht. Eher... wohl proportioniert. So würde ich das nennen.“

„Guck mal, sein Gesicht! Richtig männlich, kantig, ernst. Scheiße, der Kerl ist heiß.“

„Untertreib nicht. Der ist mehr als heiß. Der ist einfach nur noch lecker.“

Ich hörte wie Frankie sich laut räusperte, wie Tony das Zimmer verließ und Lysob unbehaglich hin und her rutschte.

Ohne weiter darüber nach zu denken schob ich Nami und Robin vom Fenster weg und sah selbst hinaus.

„Wen um Himmels willen meint ihr?“ fauchte ich.
 

Vielleicht ist es auch falsch, Nami die Schuld zu geben. Es war eventuell auch einfach nur meine Eifersucht, die mich trieb.

Jedenfalls war das der Moment, indem ich ihn zum ersten Mal sah.

Das Erste was mir ins Auge sprang waren seine grünen Haare.

Nein, ich verarsche euch nicht. Grün. Grasgrün. Kotzgrün. Wie auch immer.

Dann sein Körper. Ich sah ihn nur von hinten, sein Gesicht war für mich in diesem Moment nicht einsehbar, aber das musste nicht sein, ich konnte es mir vorstellen.

Und richtig, das war kein Bodybuilder. Das war ein Fleisch gewordener Gott. Ein Adonis.

Ein Gott verdammter Mann.

Und genau das juckte mich vom ersten Moment ordentlich.

Der erste Gedanke der mir durch den Kopf schoss in diesem Moment war 'Arschloch'.

Danach verglich ich ihn augenblicklich mit mir.

Ich war nicht so groß, ich so kräftig, nicht so... männlich eben.

Neben ihm wirkte ich eher wie ein Mädchen. Selbst nur von hinten.

Und ich wollte gar nicht wissen wie das aussah wenn der sich umdrehte.
 

Ich wandte mich hektisch vom Fenster ab und schritt energisch durch den Raum.

„Der neue Nachbar. Na und? Auch nur ein Mann.“ knurrte ich sichtlich beleidigt und hoffte zumindest auf einen tröstenden Blick von Robin, doch ich wurde nicht mal beachtet.

Sofort quetschten sich die beiden Mädels wieder ans Fenster und tratschten weiter.

„Und wie das Licht auf seine gebräunte Haut fällt...!“

Ich wollte nichts mehr davon hören, ging schnaubend in die Küche und verscheuchte die beiden Fresssäcke von meinem Kühlschrank.

Ich hasste es, wenn Nami mir nicht ihre volle Aufmerksamkeit zukommen ließ. Und ich hasste es, wenn ein Mann besser beim weiblichen Geschlecht ankam als ich.

Was glaubt ihr denn, wieso ich mich von Anfang an mit diesen liebenswerten Dummköpfen abgegeben hab? Neben denen sah ich doch aus wie ein Supermodel.

Jetzt jedenfalls hatte ich ordentlich Konkurrenz. Und die wohnte auch noch neben an.

Super. Jetzt hieß es – Taktik!

Ich öffnete meinen Schrank und fischte hektisch ein paar Zutaten heraus.

„Was tust du da?“ Ruffy. Den bekam man nie aus der Küche.

„Ich mache Cocktails.“ murmelte ich abwesend.

„Krieg ich auch einen?“ - „Ja.“ Das sagte ich nur, um ihn los zu werden.

Während ich also Milch und Alkohol vermischte, stellte ich mir das erste Mal die Frage, die ich mir noch sehr sehr oft stellen würde.

Was hatte dieser Kerl, was ich nicht hatte?

Und ich verdrängte die Antwort, auch wenn sie auf der Hand lag.

Er hatte einfach verdammt viel Männlichkeit.
 

„Cocktails!“ Die erwünschte Aufmerksamkeit blieb aus, stattdessen wurden mir die Drinks entrissen und meine Freunde – ja, mittlerweile taten es alle – hängten sich an Fenster und fachsimpelten.

„Meint ihr, der schluckt Mittel, damit der so aussieht?“

„Nein!“, verteidigte ihn Nami, obwohl sie ihn nicht kannte. Sowas hatte sie für mich nie getan.

„Das hat er nicht nötig.“

Ich stand wie bestellt und nicht abgeholt im Raum.

„Ihr kennt ihn doch gar nicht! Ihr kennt nicht mal seinen Namen!“, maulte ich unleidlich.

Frankie drehte sich grinsend zu mir um.

„Na und?“

Das er das sagte, war fast noch schlimmer.

Jetzt hatte ich sie alle an meinen Nachbarn verloren, dachte ich vollkommen perplex.

Ich konnte ja noch nicht ahnen, das ich mich selbst auch schon längst an ihn verloren hatte.

Denn am nächsten Tag machte sich das erste Mal meine Krankheit bemerkbar.

Nur schwach. Nur langsam. Aber sie meldete sich.

Big brother is watching you.

~ Stalker ! ~
 

N0. 3 – Big brother is wachting you.
 

Jetzt kennt ihr den Anfang. Ihr wisst, wie alles begann.

… wie? Ihr wollt auch den Rest hören?

Ja denkt ihr denn, ich hab ewig Zeit? Die beiden liebestollen Rammler da draußen kommen langsam aber sicher dem Höhepunkt näher, und wenn sie fertig sind will ich mir endlich eine Taktik zum Entkommen ausgedacht haben.

Ja, ich weiß, ich weiß, ihr wollt das jetzt wissen, und euch interessiert mein körperlicher Gesundheitszustand wenig. Na gut, wie ihr wollt.

Zum Nachdenken hab ich sicher auch noch Zeit. Vielleicht.
 

Nun gut. Wo war ich stehen geblieben? Ah ja.

Den Rest des Tages verbrachte ich also damit, mich zu ärgern, zu kochen, mich zu ärgern, Drinks zu servieren und weiter zu kochen. Wenn ich sentimental werde, muss ich einfach kochen.

Oder putzen. Aber das hätte nichts gebracht, schließlich würde die Bande kurze Zeit später eh wieder alles dreckig machen. Und das würde mich nur noch mehr frusten.

Sie verbrachten die meiste Zeit damit, am Fenster zu hängen und sich über den Mann auszulassen, der neben mir eingezogen war.

Was so faszinierend an ihm war? Das konnte ich da ja noch nicht wissen, also stellte ich mir diese Frage auch immer wieder. Natürlich warf ich auch immer wieder einen Blick hinaus, versuchte den Fremden per Augenkontakt irgendwie zu töten. Wenigstens ein bisschen weh tun wollte ich ihm.

Doch der Mistkerl erfreute sich bis in die Abendstunden bester Gesundheit, und natürlich ging er nicht rein, nö, war ja klar gewesen.

Nachdem er mit ausräumen und beim ausräumen zusehen fertig war, schnappte er sich seine Katze („Totaaaaal süüüüüß!“) und begann, während sie 'total süß' im Garten Kacka machte, die Büsche aus einander zu nehmen.

Was er da genau tat interessierte mich nicht wirklich, trotzdem bekam ich 1000 mögliche Tätigkeiten an den Kopf geworfen. Der beschnitt die Büsche, mein Gott!

Die diskutierten tatsächlich, ob er da irgendwelche spirituellen Geistesübungen durchführte.

Er-beschnitt-die-Büsche! Das war bitter nötig und ganz nebenbei sah der Holzkopf nicht aus wie ein spirituell Erleuchteter.

Das könnte ich ja gar nicht wissen wurde behauptet, als Nami und Robin als die Letzten meine Wohnung verließen.

Sie aber auch nicht, gab ich patzig zurück.

Am liebsten hätte ich die Tür hinter ihnen geknallt, traute mich dann aber doch nicht den beiden Ladys so unverhüllt zu zeigen, was ich von ihrer Aktion hielt.

Klar war ich sauer. Aber die beiden konnten auch ganz schön giftig werden. Und da wollte ich ganz sicher nicht in der Nähe sein.

Ich begann aufzuräumen, was sich als schwieriger erwies als ich dachte. Schließlich ging ich dazu über, frustiert die gesamte Wohnung durch zu wischen.

Gleichzeitig schwor ich mir, meine so genannten Freunde nie wieder einzuladen geschweige denn rein zu lassen.

Ich wusste selbst, das ich das nicht schaffen würde, denn dasselbe hatte ich mir das letzte Mal auch geschworen.

Ich hielt selten Versprechen, die ich mir selbst gab. Irgendwie schaffte ich das nie.

Wahrscheinlich werde ich das auch nie schaffen. Aber das passt schon. Wenn ich Anderen etwas verspreche, halte ich es eigentlich immer, außer es handelt sich um einen Notfall.

Es war spät, als ich endlich fertig war, zu spät für jemanden wie mich, der am nächsten Tag verdammt früh aufstehen musste. Ich wagte es nicht so richtig auf die Uhr zu sehen, denn ich wusste wenn ich das tat, dann würde ich die Stunden ausrechnen die ich noch schlafen konnte und das würde mich nur unzufrieden machen.

Ich wars zwar eh schon, aber meine Laune war noch nicht am kompletten Tiefpunkt angelangt.
 

Völlig, ohne darüber nach zu denken, warf ich einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster in den Rabenschwarzen Nachbargarten.

Natürlich war er nicht mehr da. Im Dunkeln ließ es sich schlecht schnibbeln. Dafür schien er mit den Büschen aber auch fast fertig zu sein. Die, die ich einsehen konnte, standen akkurat da, wirkten zwar nicht perfekt, aber genau das machte sie irgendwie sympathisch.

Genervt von mir selbst wandte ich mich ab und huschte durch die dunkle Wohnung ins Schlafzimmer.

Sympathisch! Jetzt war ich wirklich verrückt. Seid wann konnten Bäume denn sympathisch sein?

Ich konnte zu diesem Zeitpunkt ja nicht wissen, wie wahnsinnig ich noch werden konnte.
 

In der Nacht wälzte ich mich unruhig in meinem Schlafanzug hin und her. Erst war mir zu warm, dann war mir zu kalt, dann wieder zu warm..

Bis der Wecker um halb 5 klingelte hatte ich mich kein einziges Mal in der Tiefschlafphase befunden und das störte meinen Körper gewaltig.

Ich fühlte mich steif, alt, verrenkt und ausgelutscht.

Stöhnend schälte ich mich aus meiner Decke und schleifte mich wie jeden Morgen ins Bad.

Erschrocken starrte ich mein Spiegelbild an, ebenfalls wie jeden morgen, dann begann ich, mich zu pflegen. Ich mochte diese Prozedur nicht. Ich fühlte mich jedes Mal wie ein Mädchen.

Gleichzeitig aber wollte ich auch nicht hässlich sein.

Ich eitler Vogel.

Außerdem rasierte ich mich an diesem Morgen sorgfältig. Nur mein kleines Kinnbärtchen ließ ich stehen, was mir, wie ich fand, einen verwegenen Ausdruck gab.

Ich schlüpfte in frische Klamotten – heißt ich zog mir Jeans und Hemd an. Manchmal hatte ich das Gefühl, jeden Tag dasselbe zu tragen.

Ich kam damals nicht so recht auf den Trichter, das ich das wirklich tat.

Ich schaltete in der Küche das Licht an und überlegte mir Frühstück zu machen, ließ es dann aber doch bleiben als ich auf die Uhr schielte und feststellte, das ich jetzt schon spät dran war.

Ich kippte eilig ein kaltes Glas Milch hinunter, spülte es schnell ab und verließ dann im Eilschritt mein Haus.
 

Ich lächelte, als ich mich nochmal umdrehte und die Fassade meines eigenen kleinen Häuschens betrachtete. Ich war schon mächtig stolz auf mich.

Schön hell gestrichen, große Fenster, ordentlicher Vorgarten.

Sowas konnte sich nicht jeder leisen und vor allem bekam es nicht jeder hin mit so einem anspruchsvollen Job, alles so perfekt zu halten.

Perfekt. Ein Wort, das ich verdammt gern verwendete. Allerdings nur um Bezug auf meine eigenen Besitztümer.

Mein schwarzer Renault stand da, wo ich ihn abgestellt hatte, logisch. Ich liebte dieses Auto, auch wenn es nur billiger Durchschnitt war. Wir hatten schon viel gemeinsam durch gemacht.

Meine eigene Dummheit – oder war es Eingebung gewesen? - hatte mich aber dazu verleitet, dieses kleine Wunderauto direkt vor dem Haus meines neuen Nachbarn zu parken.
 

Ich hatte ja schon angekündigt, das sich an diesem Tag das erste Mal meine Krankheit bemerkbar machte. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht so recht, ob es wirklich eine Krankheit ist.

Ich habe aber die schwere Vermutung, das mein Verhalten immer krankhafter wurde.

Jedenfalls konnte ich nicht anders, als ich an seinem Haus vorbei ging. Zuerst warf ich einen prüfenden Blick in den Garten, konnte aber nichts weiter entdecken.

Sah halt alles aus wie immer, nur ein bisschen ordentlicher.

Dann betrachtete ich das kleine Klingelschild und das Gefühl, das ich in meiner Magengegend spürte, als ich seinen Namen darauf entziffern konnte, hätte mich schon warnen sollen.

Ich hätte genau in diesem Moment merken sollen, das irgendwas nicht stimmt.

Ich empfand Triumph.

Lorenor Zorro also. Seltsamer Name, passte aber irgendwie zu seinen Haaren.

Zu seinem ganzen Auftreten.

Ich drehte mich zum Auto und schloss es auf.

Ich fragte mich, was der wohl beruflich machte. Wenn man Lorenor Zorro hieß, grüne Haare hatte und den Körper einer Marmorstatur.

Ich stieg kopfschüttelnd ein. Wieso machte ich mir über sowas Gedanken? Ich sollte mich auf meinen Job konzentrieren, das wusste ich, aber das fiel mir irgendwie verdammt schwer, solange ich in der Nähe dieses Hauses war.

Eilig schmiss ich den Motor an, lauschte den beruhigenden Geräusch und parkte aus.

Je weiter ich von zu Hause weg kam, desto besser ging es mir. Ich fühlte mich sogar ziemlich gut.

Ich drehte das Radio auf und begann, zu einem alten Countrysong den Background zu summen.
 

Ich hatte es nicht weit bis zu meinem Arbeitsplatz, gerade mal eine Viertelstunde Fahrt, aber ich hatte das Gefühl, diese Fahrt mit einem erholsamen Schlaf verbracht zu haben, denn als ich vor dem

„Baratié“ anhielt fühlte ich mich fitter als so manchen Tag zuvor.

Die Türen waren noch verschlossen, natürlich, um halb sechs würde sicher niemand kommen um zu essen. Aber man ist ja nicht umsonst Chefkoch.

Ich schlenderte entspannt um meinen Arbeitsplatz herum, zündete mir währenddessen noch eine Zigarette an und zog genüsslich an ihr. Ich wusste, das ich auch während der Arbeit rauchen konnte, aber die obligatorische Morgenzigarette tat trotzdem gut.

„Sanji?“ Ich drehte mich um und erkannte Patty, der mich mit seinem breiten Grinsen fast geistig erschlug. Ich hasste seine morgendliche gute Laune.

„Na, alles klar bei dir?“ Ich nickte langsam und nahm noch einen Zug meines Glimmstängels.

„Hast du dich schon um die Waren gekümmert?“ fragte ich ohne weitere Höflichkeitsformeln. Patty ging mir auf den Sack, seitdem er hier arbeitete.

Der Fischkopf nickte. „Ja, klar.“

Ich fuhr mir kurz durch die Haare und seufzte.

„Gut, danke. Wo ist Carne?“ Patty zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Noch nicht hier.“

Ohne auf seine Worte zu reagieren schob ich ihn bei Seite und betrat den Hintereingang, der direkt in die Lagerräume des Baratiés führten.

Aufmerksam betrachtete ich das Gemüse und den Fisch, während Patty um mich herum wuselte und ununterbrochen plapperte.

„Du glaubst ja nicht, wie frech die Lieferanten mittlerweile geworden sind! Meinen, einen auf dicke Hose machen zu können, nur weil sie was dabei haben was wir bezahlen, das ist wirklich...“

„Patty?“ Der Größere drehte sich zu mir um.

„Ja?“ - „Halt die Fresse.“

Bevor der überrumpelte Koch darauf etwas erwidern konnte, hatte ich die Lagerräume schon verlassen und inspizierte die Küche, der sich bis jetzt nur wenige Köche eingefunden hatten.

Aber damit rechnet man als Chefkoch.

Gutes Personals wächst eben nicht an jeder Straßenecke.

„Morgen, Sanji!“ Ich erwiderte die Grüße knapp und schielte in jeden Kochtopf, bevor ich mir meine Schürze anlegte.

Die allmorgendliche Besprechung war an der Reihe.

Besprechung bedeutete bei uns, dass ich redete und der Rest zu schweigen hatte.
 

„Also Jungs. Ihr wisst, das heute Abend ein dickes Event im Haus steht, deswegen brauch ich ab dem späten Nachmittag eure volle Aufmerksamkeit. Versucht alles hin zu bekommen, Fehler macht jeder mal, aber wenns geht solltet ihr sie minimieren.

Ich werde ein paar Köche zum a la cart kochen einteilen, die Anderen kochen für das Event, verstanden? Wir fangen gleich schon mit den Vorbereitungen an.“

ich hielt mich für einen guten Chef. 20 neugierige Gesichter starrten mich an und langsam trudelten auch die Nachzügler ein.

Ich teilte sie nach und nach ein, alle schienen zufrieden und hochmotiviert, also verdrückte ich mich nach draußen zum Liefereingang, um mir erneut eine zu rauchen.

„Tag, Sanji.“, murmelte es mir entgegen und ich starrte den total übermüdeten Carne überrascht an.

„Was hast du denn letzte Nacht gemacht?“ fragte ich tonlos. Carne winkte ab.

„Party. Zu viel. Alkohol.“, entwich es ihm. Ich schnaubte.

„So kann ich dich hier nicht gebrauchen?“ Carne sah mich erschrocken an.

„Wieso nicht...?“ Ich verdrehte die Augen.

„Guck dich doch mal an! Du...“
 

In diesem Moment leuchteten mir grüne Haare entgegen.

Wenige Sekunden später realisierte ich, das ich mich hinter Carne zusammen gekauert hatte und vorsichtig hinter seinem Rücken zu Lorenor Zorro lugte.

„...Sanji?“, entwich es dem verwirrten Alkoholiker, doch ich hörte seine Stimme nicht mal richtig.

Sein Gesicht war kantig, genau wie ich es mir vorgestellt hatte, jedoch hatte er keinen Bart.

Brauchte er aber auch nicht.

Seine Augen blitzten wie keine Diamanten -

„Sanji!“ Ich schreckte auf, als mich Patty am Nacken packte und gewaltsam in die Höhe zog.

Dieser verdammte Idiot.

„Nicht so laut!“ zwischte ich, doch Patty war viel zu sehr damit beschäftigt, sich aufzuregen.

„Hör mal, schlechte Laune hin oder her, ich kann es einfach nicht gut heißen, wenn wir da drinnen arbeiten und du hier draußen... ja, was tust du eigentlich?“

Wir starrten uns verwirrt an. Patty mich, ich Patty und Carne uns beide.

„Ich geh dann mal.“ sagte dieser schließlich, schickte mir eine letzte Alkoholfahne entgegen und wankte die Straße hinunter.

Ich versuchte mich unauffällig umzusehen, doch mein Nachbar war nirgendwo mehr zu sehen.

Erleichtert atmete ich tief durch.

„Sag mal, was sollte die Aktion gerade eigentlich?“ fragte Patty schließlich, als wir wieder auf dem Weg hinein waren und mein Herz sich immer noch nicht so recht beruhigt hatte.

„Was meinst du?“ fragte ich scheinheilig.

„Wieso versteckst du dich hinter Carne?“ fragte Patty weiter. Der verstand ganz offensichtlich den Wink mit dem Zaunpfahl nicht.

„Hab ich nicht.“ sagte ich ernst und sah ihn mit einem Blick an, der ihm mitteilte, das er jetzt besser die Klappe hielt. Und das tat er auch.

Ich begann, ein paar jüngeren Köchen zu helfen, ich schnitt mit ihnen Möhren und Zwiebeln, half ihnen beim Einstellen der Herde oder beim richtigen Herstellen von Mousse.

Ich war ein guter Chef. Meine Mitarbeiter mochten mich. Glaubte ich.
 

Leider hatte ich beim schälen, helfen und herstellen auch viel Zeit zum nachdenken.

Natürlich schoss mir immer wieder die Frage durch den Kopf, was diese alberne Aktion eben von mir sollte. Aber ich verdrängte die Frage immer wieder, weil dabei ein Gefühl in mir aufkam, das ich nicht kannte, und das ich auch nicht kennen wollte.

Ich verbrachte also den ganzen Tag damit, meinen Köchen zu helfen und selbst ein paar Kunstwerke zu zaubern, und erstaunlicherweise klappte alles wie am Schnürchen.

Nichts ging schief, gerade mal 2 Bestellungen wurden reklamiert – ein super Schnitt.

Jeff, mein Chef, würde stolz auf mich sein, da war ich mir sicher.

Dennoch beschäftigte mich die Frage, was Lorenor Zorro, mein Nachbar, hier um diese Uhrzeit gemacht hatte.

Auf der Straße gab es sonst nur Wohnhäuser und Bürogebäude. In die Richtung, in der er ging, gab es auch nichts weiter, außer...

Die Filmstudios?

Überrascht starrte in den ausgenommenen Fisch an.

Der Kerl war Schauspieler? Na das passte ja.

Ich konnte es natürlich nicht wissen, woher auch, ich hatte ihn nur die Straße hinauf gehen sehen.

Aber ich konnte es beruhigt vermuten und das gab mir wieder dasselbe Gefühl wie am Morgen.

Triumph. Sieg. Irgendwas dazwischen.

„Sanji!“ Ich hob den Kopf starrte Jeff direkt ins Gesicht.

„Ja, Chef?“ „Hör auf, den Fisch zu vergewaltigen!“

Erschrocken ließ ich das arme Tier fallen.

„Sorry.“ murmelte ich. Jeff nickte.

„Schon okay.“ Dann ging er weiter. Ich war froh drum.
 

Natürlich kam ich nicht abends nach Hause. Ich musste noch beim aufräumen helfen und grundsätzlich kommt jeder Koch erst eine halbe Stunde nach dem letzten Gast aus dem Restaurant.

Das bedeutete für mich, das ich um kurz nach elf mein Auto ein parkte.

Vorsichtshalber vor meinem eigenen Haus.

Ich stieg aus, zupfte meine Kleidung zurecht und starrte dabei wie automatisch in seinen Garten.

Alles ruhig. Auch in den Fenstern brannte kein Licht mehr.

Der hatte sicher nicht so bescheuerte Arbeitszeiten wie ich dachte ich mir, bevor ich langsam den gepflasterten Weg zu meinem Haus hoch ging.

Vielleicht arbeitete der ja auch gar nicht.

Ich hörte seine Katze im Garten irgendwas verbuddeln.

Total süß.

Ich hasste Katzen.

Als auf einmal in einem seiner Fenster Licht aufflammte, erschrak ich mich so, das ich fast panisch auf meine Tüt zusprang, sie aufschloss und in die Wohnung wetzte.

Mein erster Gedanke – hatte er mich gesehen?

Ich wusste damals noch nicht wieso ich das dachte. Später wurde das zu einem meiner Hauptsorgen.

Ich versuchte mich zu beruhigen. Ich hatte mich einfach nur erschreckt redete ich mir ein.

Das Licht hatte mich erschreckt.

Ich wollte eigentlich noch Fernsehen gucken, doch als ich feststellte das ich vom Wohnzimmer aus sein angeschaltetes Licht sehen konnte, verging mir die Lust.

Ich zog mich um, putzte mir die Zähne und ging schlafen.
 

Und glaubt mir, liebe Freunde, das war noch ein total harmloser Tag.

Ich hatte mich ja wirklich nur minimal daneben benommen.

Es kommt noch dicker. Seid ihr bereit?
 

Dann passt auf.

J'adore.

~ Stalker! ~
 

N0. 4 – J'adore.
 

Ganze 4 Tage ging dieses Spielchen gut.

Mit Spielchen meine ich, das sich dieselbe Prozedur wiederholte wie an jenem Tag, als alles begonnen hatte.

Ich stand früh auf, verließ das Haus, betrachtete seinen Garten und die Fenster, registrierte jede Veränderung, fuhr zum Baratié, arbeitete wie ein Blöder, um mich von den lästigen Fragen abzulenken die ständig in meinem Kopf herum geisterten, fuhr spät abends wieder nach Hause, spähte in seinen Garten und hoffte, das die Lichter aus blieben, denn die machten mich auf seltsame Art nervös.

Was jedoch immer schlimmer wurde in diesen 4 Tagen war das verlangen nach diesem einen Gefühl.

Nach Triumph.

Ich empfand es kein einziges Mal in dieser Zeit, nicht mal als ich Patty vor versammelter Mannschaft zur Schnecke machte. Und er danach zu Kreuze kroch wie ein Verbannter.

Das hätte mir ein Machtgefühl geben sollen, doch nach dieser Aktion fühlte ich mich nur müde und erschöpft.

Zwei Mal wachte ich mitten in der Nacht auf, nur um aus dem Fenster im Wohnzimmer zu sehen und beruhigt wieder schlafen zu gehen, nachdem ich gesehen hatte das alle Lichter drüben bei ihm erloschen waren.

Ich machte mir diese 4 Tage keine Gedanken darüber was ich tat und auch über alles was ich danach tat dachte ich nur ganz entfernt nach. Ich glaubte in jenem Moment eigentlich immer, das ich das Richtige machte und erfand sinnlose Ausreden, um mich selbst zu überzeugen.

Wen auch sonst?

Ich sagte mir, dass das vollkommen normal wäre, wenn man wissen wollte was der neue Nachbar so trieb. Schließlich kannte ihn hier keiner und ich konnte schließlich nicht verantworten, das er in meinem ruhigen Vorstadtviertel Ärger machte.

Das ich dabei wie ein altes Waschweib klang, bemerkte ich nicht.

Jeden Morgen, wenn ich in seinen Garten spähte und Abends, wenn ich zu seinen Fenstern schielte, versuchte ich mir selber weiß zu machen, dass das nur zur Sicherheit aller geschah.

Eine lahmere Ausrede gab es wohl kaum, aber sie half mir tatsächlich, nicht daran denken zu müssen, wieso ich das eigentlich alles tat. Ich hatte mich noch nie im Leben so verhalten.

Aber ich übernahm diese Angewohnheiten, als wären sie mir eigentlich angeboren.
 

4 Tage also, an denen ich mich daran gewöhnte, ihn ein wenig zu beobachten. Oder eher sein Haus.

Oder eben die Lichter, die in seinen Fenstern brannten, ab und an.

Tag 5 aber brachte die nächste Stufe meines Wahnsinns in Form eines kleinen Zettels, der am Morgen an meiner Wohnungstür klebte.

Ich bemerkte ihn, als ich zur Arbeit fahren wollte und gerade dabei war, die Tür abzuschließen.

Aus Ermangelung an Licht riss ich den Wisch mitsamt Tesafilm einfach ab und schob ihn mir in die Hosentasche. Konnte ja nicht so wichtig sein. Wahrscheinlich nur die Müllabfuhr, die mir mitteilte das sie ab jetzt immer Dienstags oder sowas kam. Oder die Kleiderspende.

Während ich zu meinem Auto schlenderte, spähte ich also in den Nachbargarten und beobachtete, wie 'Total Süß' sich im Gras herum wälzte.

Ich hatte erwähnt, das ich Katzen hasse?

Der Garten sah mittlerweile ziemlich gut aus. Der Rasen war gemäht, die Büsche wieder in eine gesellschaftsfähige Form gebracht, die Wände schienen auch einen Anstrich bekommen zu haben, das konnte ich nicht so genau sagen, es war eben noch dunkel.

Na, der hatte sich ja ins Zeug gelegt dachte ich noch und stieg mit einem seltsam beruhigten Gefühl in den Wagen ein. Den Zettel hatte ich schon vollkommen vergessen.
 

Als ich ins Baratié schlenderte, hätte ich vor Verblüffung fast aufgeschrien.

Es waren tatsächlich schon alle da! Um diese Uhrzeit! Was war denn hier los?

„Hey, Leute.“ grüßte ich mit einem leicht verwirrten Lächeln.

Ich bekam keine Antwort und das machte mich noch nervöser. Irgendwas stimmte hier nicht.

Die waren nie pünktlich.

Und sonst sahen sie wenigstens auf, wenn ich die Stimme erhob. Jetzt wurde einfach nur geschäftig weiter geputzt. Keine Reaktion.

„Sanji?“ Ich drehte mich um, fast erleichtert, das irgendwer was zu mir gesagt hatte.

Als ich sah das es Patty war, schwand meine Freude.

„Hmja?“ murmelte ich und versuchte, geschäftig zu wirken, genau wie die Anderen.

„Kann ich dich kurz sprechen?“ Ich hob den Kopf und musterte ihn.

„Aber wirklich nur kurz.“, murmelte ich und folgte ihm in die Lagerräume, wo er sich an die Lagerschränke lehnte und mich abschätzend musterte.

„Also, was ist?“ fragte ich genervt.

„Fragst du dich nicht, wieso die Anderen nicht mit dir reden?“ Ich runzelte die Stirn.

„Ähm. Nur ein bisschen. Wieso?“

„Weil du dich das fragen solltest.“ Ich überlegte, ihm eine zu scheuern, ließ es aber bleiben.

„Du hast mich in die Lagerräume gelockt, um mir das zu sagen? Schön. Dann geh ich jetzt.“

Patty griff mich am Arm und kurz hatte ich die schreckliche Befürchtung, das er mir irgendwas antun wollte. Aber er sah mich nur mitleidig an. Ich starrte patzig zurück.

„Sanji. Die reden nicht mit dir, weil du denen auf den Sack gehst.“

Mein Blick wandelte sich von patzig zu überrascht.

„... was tu ich?“ Dann wurde ich von einer Sekunde auf die Andere wütend.

„Wie können die es wagen! Ich bin...“ - „Sanji!“

Ich zuckte zusammen. „Was?“, fauchte ich.

„Deine arrogante Art nervt sie eben. Ich kann damit umgehen, die nicht.“ Ich schob die Augenbrauen zusammen.

„Sag mal, spinnst du? Arrogante Art? Ich glaub es hackt!“

Mit einem Schubs hatte ich Patty aus meinem Blickfeld befördert, ich stürmte in die Küche – doch als ich vor ihnen stand und bemerkte, das mich keiner von ihnen wahr nahm, da blieben mir die bösen Worte im Hals stecken.

Arrogante Art. Arrogante Art? Ich und arrogant?

„Leckt mich doch!“ brüllte ich aufgebracht, drehte mich wieder um, rannte quer durch die Küche und verließ das Baratié durch den Hintereingang, ohne dem Chef Bescheid gesagt zu haben.

Ich sprang in mein Auto, kochend vor Wut, lenkte auf die Straße ein und bretterte mit einem mordsmäßigen Tempo durch die Innenstadt.

Was glaubten die eigentlich, wer die waren?, schoss es mir immer wieder durch den Kopf.

Mich einfach zu ignorieren – ich bin ihr Vorgesetzter!

Ich benahm mich wie ein Kleinkind, das ich einfach abhaute, das wusste ich auch, aber es war mir einfach total scheißegal. Ich wollte nur erst mal heute nicht mehr in die Nähe dieser Menschen.

Ich wollte mich in meiner Wohnung verkriechen und Eis aus einem großen Becher essen.

Und dazu einen blöden traurigen Film gucken und mir die Augen aus dem Kopf heulen.

Ich wollte mich wie ein verletztes Mädchen fühlen.

Und genau diesen Plan setzte ich in die Tat um, als ich vor meiner Tür zu Hause parkte. Ich sprang aus dem Wagen, immer noch vor Wut schäumend, sah nur flüchtig zu Lorenor Zorros Fenstern, da brannte aber kein Licht, also rannte ich weiter und schloss meine Haustür auf.

Drinnen angekommen schälte ich mich aus meiner normalen Kleidung, schlüpfte in meinen Schlafanzug, schnappte mir meinen Eisbecher und pflanzte mich vor den Fernseher.

Eine Liebesromanze war schnell gefunden und ich begann haltlos zu weinen, als die Protagonistin des Dramas in den Tod stürzte.

Ich fühlte mich wie ein verletztes Mädchen und das war gut so.

Gute 2 Stunden später, also als der Film vorbei war, beschloss ich, meine Klamotten zu bügeln und wieder in den Schrank zu hängen, da ich sie ja kaum getragen hatte.

Ich hob also Hose und Hemd vom Boden auf – und da raschelte es verräterisch.

Der Zettel. Den hatte ich natürlich total aus dem Sinn gelassen und ich zog ihn eher desinteressiert heraus, nur, damit beim bügeln nichts passierte.

Als ich dann aber, bei gutem Licht feststellte, das es ein Stück Papier aus einem normalen Schreibblock war, wurde ich neugierig.

Ich faltete oder eher huddelte ihn aus einander.

Die Handschrift, die ich zu sehen bekam, war ordentlich und doch markant männlich.
 

Lieber Nachbar!
 

Ich werde heute Abend eine kleine Party geben und wollte sie nur vorwarnen, das es deswegen ein bisschen lauter werden könnte. Wenn sie das irgendwie stört, würde ich sie bitten bei mir anzurufen oder zu klingeln, ich respektiere ihre Arbeitszeiten.
 

An dieser Stelle musste ich abfällig schnaufen.

Dann las ich aufmerksam weiter.
 

Wenn sie wollen können sie natürlich auch vorbei kommen und mit feiern! Sie sind herzlich eingeladen.

Mit freundlichen Grüßen;
 

Lorenor Zorro, ihr neuer Nachbar.
 

Vollkommen erschlagen starrte ich auf den Namen am Ende des Zettels, dann schielte ich wie aus Reflex aus dem Fenster in seinen Garten. Kein Muks.

Die erste Frage in meinem Kopf – wann hatte er diesen Zettel aufgehängt? Wieso war mir das nicht aufgefallen?

Zweite Frage – sollte ich lieber anrufen oder lieber klingeln?
 

Der Gedanke machte mir dann doch ein wenig Sorge – ja, tatsächlich, manchmal hatte ich an hellere Momente – und ich zwang mich zur Ruhe.

Wahrscheinlich würde mich der Lärm eh nicht stören. Mein Schlafzimmer lag weit genug weg und ganz nebenbei hatte ich einen Schlaf wie ein Toter.

Ich könnte sogar auf seine Feier gehen! Er hatte geschrieben das ich eingeladen war und das würde sicher nett werden. So konnte ich ihn mal ganz in Ruhe kennen lernen.

Eine Sekunde später wusste ich, das ich nicht auf seine Party gehen würde. Es war mir einfach klar.

So viel Ei hatte ich dann doch nicht in der Hose, um das durch zu ziehen.

Ich betrachtete den Zettel, dann strich ich ihn sorgfältig glatt, ging in die Küche und pappte ihn an meine Magnetwand.

Ich betrachtete ihn noch ein wenig, las ihn mir noch ungefähr 2 Mal durch, dann verließ ich die Küche mit einem furchtbaren Gefühl.

Keine halbe Stunde später ging ich wieder zur Magnetwand, holte den Zettel hinunter und verstaute ihn so schnell in meiner Tasche, als wenn es niemand sehen dürfte.

Dann fühlte ich mich wohler.

Ich setzte mich wieder vor den Fernseher und sah mir Talkshows an die langweiliger nicht sein konnten. 'Bin ich schwul? - Jetzt teste ich es!' war das Thema von einer und ich lachte mich halbtot über die geschminkten Tucken mit dem Minderwertigkeitskomplex.

Ich lachte mich quasi über mich selber tot. Traurig, aber wahr. Und mir damals kein bisschen bewusst.

Der Abend kam schneller als ich gedacht hatte – ich vertrieb mir viel Zeit beim kochen und putzen, schließlich hatte ich jetzt endlich mal wieder Zeit für eine Komplettreinigung.

Die ich auch gewissenhaft durchführte. Nach 2 Stunden glänzte jeder Winkel meines Hauses, als wäre es neu gebaut worden. Nur ohne den Bauschutt eben.
 

Ich hatte gerade damit begonnen, das Abendessen zu mir zu nehmen, als ich die Musik das erste Mal hörte.

Sie war nicht schlimm. Eigentlich war sie gut, ich mochte sie, guter Beat und nette Stimmen, die dazu sangen. Ich wippte mit dem Bein und summte leise dazu, während ich spülte und ab und an aus dem Fenster sah.

Ich beobachtete, wie die ersten Gäste ein trudelten. Allesamt sahen sie eine Nummer zu cool für mich aus. Gemachte Haare, Mann wie Frau, schicke Klamotte, alles Marke, irgendwie lässig und cool. Ich wartete auf den ersten Promi, doch ich erkannte niemanden wieder.

Neugierig verfolgte ich, wie sie klingelten und ohne das ich sehen konnte wann jetzt wer aufgemacht hatte, traten sie einfach ein und waren weg.

Im Wohnzimmer versuchte ich mich auf ein gutes Buch zu konzentrieren, doch ich konnte nicht, ständig wanderte mein Blick aus dem Fenster.

Von dort hatte ich sogar noch einen besseren Blick als von der Küche, ich konnte sehen wie ein hinein gingen und die Tür geschlossen wurde, ich konnte ihn jedes mal kurz erhaschen, seine grünen Haare, sein kantiges Gesicht, das sich zu einem Lächeln verzog, wenn er die Gäste erkannte.

Auch sein Lächeln war unglaublich männlich. Beinhart, aber herzlich, fast weich machte es seine Züge. Als hätte er schon viel erlebt und konnte trotzdem lachen.
 

Und schließlich, es musste ja so kommen – tat ich das Erste mal etwas fast strafbares.

Zum ersten betrat ich unerlaubt sein Grundstück. Es war kurz vor Elf und die Party war in vollem Gange. Ich hatte mir wieder Jeans und Hemd angezogen, falls mich jemand sah.

Ich stand vor seiner Tür, die Hand schon zum klingeln erhoben, als es mich plötzlich überkam.

Der Gedanke – dann wusste er ja, wie ich aussah. Wie meine Stimme klang. Wie ich redete.

Ich wich von der Tür zurück, hatte auf einmal das Gefühl, gleich ertappt zu werden bei irgendwas und hechtete in seinen Garten hinter einen Busch.

Der hatte Nadeln und piekte gehörig, doch ich konnte mich hinter ihm in aller Ruhe beruhigen.

Tief durchatmen.

Dann sah ich zum Fenster, in dem Licht brannte und aus dem ich trotz offensichtlicher neuer Verdichtung viele Stimmen und Lachen hören konnte. Und eben die Musik.

Dann schaltete sich mein Hirn aus.

Wie in Trance schlich ich durch den dunklen Garten an das Fenster heran, drückte mich an die Wand und spähte in den Innenraum.

Er war groß, noch recht leer, aber irgendwie nett. Viele Menschen waren da, schick eben, tranken Bier und Wein und redeten mit einander. Ein paar wippten zur Musik, die meisten standen nur rum und quatschten.

Alles schien harmonisch und locker, richtig nett.

Dann betrat er den Raum und ich hielt die Luft an, draußen an der kalten Wand mit dem Hollunderbusch an meiner Schulter.

Er hatte Häppchen in der Hand, servierte sie auf einem Tablett und alle Anwesenden bedienten sich reichlich. Er lächelte in die Runde, sagte ein paar Worte, tänzelte mit einer unglaublichen Leichtigkeit um Hindernisse herum und brachte seine Speise an den Mann.

Ich unterstützte kurz meinen Stolz indem ich mir sagte, das ich die besser hin bekommen hätte.

Die Information über ihn – guter Gastgeber – speicherte sich automatisch in meinem Kopf ab und wurde ein fester Teil meiner Gedanken. Augenblicklich.

Auch sein Aussehen, seine Bewegungen, seine Art zu lachen - alles an ihm wurde gespeichert.

Quasi in meiner Datenbank festgehalten.

Als ich anfing zu frösteln und bemerkte, was ich hier eigentlich tat, da trat ich verwirrt von der Wand weg.

Was sollte das? Der arme Kerl machte nur ne Party, und ich beobachtete ihn als hätte er ein Schwerverbrechen begangen!

Von mir selbst ein wenig verunsichert schlenderte ich möglichst unauffällig in den vorderen Teil des Gartens zurück, wo ich fast über 'total süß' gestolpert wäre, wenn sie nicht protestierend aufgeschrien hätte.

Also die Katze. Ihr wisst schon.

Ich verfluchte sie und ihr ganzes dreckiges Pack und huschte über den Gehweg zurück zu meinem Haus, wo ich die Tür aufriss und wie in Panik in mein Schlafzimmer rannte, ohne wirklich in Panik zu sein.

Dort schmiss ich mich aufs Bett, drückte den Kopf ins Kissen und brüllte mir erst mal das ganze Adrenalin aus dem Körper.

Schließlich sackte ich ein wenig zusammen und schloss entspannter als vorher die Augen.

Das Gefühl, der Triumph, war wieder da und machte mich unglaublich glücklich.

Ich wusste wieder mehr über ihn.

Ich dachte nicht darüber nach, wieso mich das glücklich machte, weil ich wusste, das ich es selbst nicht verstehen würde.

Ich war schon immer ein impulsiver Mensch. Ich handelte meistens ohne den Kopf.

Und so war es auch hier. Würde schon richtig sein, dachte ich mir nur und handelte, wies mir in den Sinn kam, ohne es weiter zu hinterfragen.

Würde schon richtig sein.

Ich entkleidete mich erneut, hatte aber ein wenig Probleme mit dem einschlafen, da ich die Musik hörte und den Drang hatte erneut zu ihm zu gehen.

Ihn zu beobachten.

Doch ich tat es nicht. Natürlich nicht. Ein bisschen Würde hatte ich ja doch noch.

Hatte.

Ich schlief schließlich nervös ein und konnte die halbe Nacht nicht in einen tieferen Schlaf finden, bis mich ein Traum mit sich riss.

Meine Krankheit hatte sich damit verschlimmert. Schon am nächsten Morgen zeigten sich die Auswirkungen. Denn anstatt nur in seinen Garten zu sehen, schlich ich in ihn hinein, um erneut durch sein Fenster zu spähen.

Nichts. Dunkel. Klar.

Ich drehte mich fast enttäuscht ab und ging zum Auto.

Das fühlte sich an, als wäre die Lieblingsserie abgesetzt worden.

Unmotiviert und noch angekotzt vom Vortag fuhr ich zur Arbeit, wo ich erstmal alle anbrüllte und ihnen klar machte, wer hier der Chef war.
 

Und ja, liebe Freunde, es wird sogar noch einen ticken schlimmer.

Ich denke, das ich noch die Zeit habe, euch das zu erzählen. Dann habt ihr es auch so gut wie geschafft.

Wie? Ihr findet es spannend? Gut. Denn jetzt wird es noch spannender. Achtung, los geht’s!

Walking on a line.

~ Stalker! ~
 

N0. 5 – Walking on a line.
 

Nach diesem nächsten Schub – anders kann ich das Fortschreiten meiner Krankheit nicht betiteln – ging es wieder ein paar Tage gut. Nicht, das sich die Lage verbesserte, das meine ich jetzt nicht damit. Es blieb einfach ganz angenehm auf dem selben Level.

Ich beobachtete morgens, noch bevor ich das Haus verließ, seine Fenster.

Registrierte jede Bewegung, auch wenn ich nie wusste ob er es war oder eher 'total süß'.

War mir aber auch egal, denn kurz bevor ich in mein Auto stieg huschte ich jeden Morgen in seinen Garten, vorbei an den Büschen und kleinen Bäumen, drückte mich an die kalte Hauswand und spähte aus dem toten Winkel heraus in seine Wohnung.

Die Fenster wechselte ich dabei ab; mal sah ich ins Wohnzimmer, mal in die Küche.

Ich wusste das sein Schlafzimmer auch ein Fenster hatte, ein ziemlich großes sogar auf gleicher Höhe, doch ich wagte es nicht auch nur einen Blick am Morgen dort hinein zu werfen.

Denn die Gewissheit, das ich ihn dort sehen würde – schlafend, entspannt, fast wie glücklich – trieb mich schon fast in den Wahnsinn, ohne das ich es tatsächlich machte.

Ich fuhr zur Arbeit, tat meinen Job, ignorierte meine Kollegen und erfuhr dieselbe missbilligende Ignoranz. Abends kam ich genervt und gefrustet nach Hause, spähte in seinen Garten, wiederholte das Spiel vom Morgen und verdrückte mich dann ungesehen in meine eigenen 4 Wände.

Die Frage in meinem Kopf, wieso ich dieses Affentheater hier überhaupt vorführte und warum mich diese zwiespältige Hassliebe mit diesem Mann verband, verdrängte ich mit Erfolg.

Ein einziges Mal hatte ich die Zeit, daran zu denken, an einem lauen Abend an dem ich nicht richtig müde war, als ich ins Bett ging.

Die Vorstellung, ein Stalker zu sein, kam mir nicht in den Sinn. Das diese peinliche Aktion nicht ganz normal war, schon. Was sollte dieser übertriebene Wahn, diesen Mann genau zu beobachten?

Dann dachte ich an Nami und ein Stein bildete sich in meiner Kehle, der mich am Schlucken hinderte.

Er war so viel mehr als ich. Nie hatte mich Nami ein mal so angesehen, ein mal so über mich gesprochen. Sie kannte ihn noch nicht mal richtig und lobte ihn in den höchsten Tönen – das tat einfach weh.

Vielleicht will ich mir ja einfach nur was ab gucken dachte ich, als ich langsam in den rettenden Schlaf sank. Vielleicht will ich ja auch nur so werden wie er.

Ja, genau, das war es. Ich wollte mir zumindest ein kleines bisschen dieser unglaublichen, geballten Männlichkeit ab gucken.

Noch heute glaube ich, das dies einer der Gründe ist, wieso ich ihn verfolgte.

Mit Sicherheit kann ich das jetzt aber nicht mehr sagen, das sich im Laufe der Zeit immer mehr entwickelte.

Nämlich genau vor einer Woche. Ehrlich, auf den Tag genau.
 

Es war ein angenehmer Sonntag und ich hatte frei, beschäftigte mich und meinen Kopf schon direkt nach dem Aufstehen mit putzen und wollte meinen üblichen Nachbarschaftsbesuch so weit wie möglich vor mir her schieben. Warum? Ich glaube, ich wollte einfach selbst testen, wie lange ich es aushielt.

Jedenfalls war es schon kurz nach 11, ich war reichlich stolz auf mich, besprühte fleißig die Küchenfenster mit Glasreiniger – als mit der rote Ofen auffiel, der gekonnt vor Lorenor Zorros Haus ein parkte und dabei nur knapp einem Unfall mit meinem Renault entging.

Ich runzelte die Stirn, doch genau in dem Moment als die Autotür geöffnet wurde, lief mir der Glasreiniger vor das Blickfeld und ich verbrachte kostbare Sekunden damit, ihn fluchend, eilig und doch gründlich weg zu wischen.

Was ich dann sah, wäre wohl für keinen Mann gut auszuhalten gewesen.

Eine Sexbombe von Frau stieg aus dem Schlitten.

Sie hatte lange, schwarze Haare, die ihr in natürlich und leicht wellig über die Schulter fielen und bis zum Hintern gingen. Sie trug ein Kleid, eng anliegend, in einem krassen Schwarz.

Darauf dann noch Sonnenbrille, zwei dicke Ohrringe und eine schicke Perlenkette.

Schwarze High Heels hatten es sich an ihren unzweifelhaft göttlichen Füßen bequem gemacht und in ihrer Hand schwang sie lässig eine kleine schwarze Tasche.

Ihre Haut dagegen war weiß wie Schnee.

Mir kam es vor, als würde hinter ihr die Sünde selbst her schweben, fröhlich winkend und mit einem Leuchtplakat in der Hand: „Nehmt sie. Sie will es doch auch.“

Sie war quasi die heißere Ausführung von Schneewittchen.
 

Mein Putzlappen fiel mir aus der Hand als ich sie sah, mein Mund klappte unmenschlich weit auf und ich glaubte die ersten Sekunden, das ich halluzinierte, bis ich beobachten konnte wie sie elegant durch den Garten schwebte – sie schwebte! - und ihre zierliche Hand zum Klingeln erhob.

Natürlich klingelte sie bei meinem interessantesten Nachbarn und ich hätte meinen linken Arm darauf verwettet, das sie echt scharf auf ihn war.

Ich konnte es von meinem Standpunkt kaum erkennen, doch ich glaubte doch, ihre Nippel zu sehen.

Und so verdammt kalt war es nun auch wieder nicht!

Ein Schauer durchlief mich, ich schloss die Augen...

Und als ich sie öffnete, war sie verschwunden.

Wie vom Erdboden verschluckt! Überrumpelt zuckte ich leicht zurück, suchte mit den Augen seinen kompletten Garten ab – doch sie war ja nicht wie ich und verkroch sich hinter Hollunderbüschen, also entdeckte ich sie nirgendwo.

Hatte ich vielleicht doch nur halluziniert?

Sah ich jetzt schon Sahneschnitten, die durch fremde Gärten huschten?

Mir war klar, das es nur einen Weg gab, das heraus zu finden.
 

Keine zehn Minuten später schlich ich an seiner Hauswand entlang in Richtung Fenster.

Da ich nicht wissen konnte, wo sich die zwei aufhielten, nahm ich mir nicht fiel Zeit um mein Vorgehen sorgsam zu planen oder gar im Verborgenen zu bleiben.

Ich huschte einfach um das Haus herum, spähte erst ins Wohnzimmer, wo sie sich aber nicht aufhielten, dann warf ich einen eher flüchtigen Blick in sein Schlafzimmer und kam schließlich an seiner Küche an, wo ich sie endlich stehen sah.

Sie lehnte elegant am Tisch, er an der Küchenzeile.

Es gab sie also wirklich, kein Zweifel, und ich beschloss, dem näher auf den Grund zu gehen.

Ich legte mein Ohr auf den Stein, jedoch wurde dadurch meine Geräuschkulisse nicht sonderlich erweitert.

Verdammt! Ich konnte doch nicht mein Ohr auf die Scheibe drücken - das ging echt nicht!

Schneller würden sie mich wohl kaum bemerken und ganz nebenbei würde ich mich dabei sicher schrecklich peinlich fühlen, da war ich mir sicher.

Ich wollte gerade zurück zu mir huschen und ein Glas holen, mit dem ich horchen konnte, als ein quietschender Laut mich erschrecken und in die Hocke gehen ließ.

Sofort schossen Unmengen von Adrenalin durch meinen Körper, ich presste eine Hand auf den Mund und drückte mich gut es eben ging an die kalte Wand.

„... damit ein bisschen gute Luft rein kommt.“, hörte ich ihn sagen.
 

Das war das erste Mal das ich seine Stimme ungefiltert, ohne Glas dazwischen und ohne störende Nebengeräusche zu hören bekam. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter, mein Magen verknotete sich und mit letzter Kraft unterdrückte ich ein triumphierendes Seufzen.

Wieder etwas neues, das ich von ihm wusste.

Die Stimme der Frau war im Gegensatz zu seiner glockenhell, allerdings nicht unangenehm. Sie sprach mit einem leichten französischen Akzent. Ob der jetzt gespielt oder echt war, wollte ich nicht festlegen. Jedenfalls ließ sie das ungemein sexy klingen.

Die Angst, die in mir durch das Öffnen des Fenster ausgelöst wurde, brodelte weiter gemächlich in mir, während ich aufgeregt ihrem Gespräch lauschte.

„Also Lorenor, was haben sie mit mir vor?“ Allein wie sie diesen Satz betonte ließ mich rattenscharf werden. Hätte sie sowas zu mir gesagt, hätte ich wohl nicht lange gezögert und ihr meinen akutesten Wunsch mitgeteilt.

Jedoch sagte sie es nicht zu mir. Und so fiel Lorenors Antwort ein wenig lasch aus.

„Ich dachte, wir könnten Essen gehen.“ murmelte er fast unsicher.

Hätte ich neben ihm gestanden, ich hätte ihm eine auf den Hinterkopf gegeben.

Da machte ihm eine Frau ein so eindeutiges Angebot, und was tat er?

Essen gehen vorschlagen.

Entweder der Kerl war impotent, oder er lebte in Keuschheit.

Beides nicht gerade vorteilhaft, wenn man so eine Dame zu Besuch hatte.

Ich kämpfte mich langsam in die Höhe. Irgendwo aus der Ferne, mein Hirn bekam das nicht so richtig mit, hörte ich total süß leise maunzen.

Ich wollte sie mir schnappen, erwürgen und in irgendeinem See ertränken. Dann gab sie wengistens Ruhe.

„Essen?“ Ihre Stimme klang ein wenig enttäuscht, jedoch nicht ohne Hoffnung.

„Hört sich gut an.“ Ich hörte ihn lachen.

Ein erneuter Schauer auf meinem Rücken, ein Klos im Hals und das Gefühl, ihn für dieses Lachen töten zu müssen.

„Also – darf ich bitten?“

Ein Rascheln, sie lachte, dann Schritte, eine Tür. Stille.

Dann hörte ich die Vordertür, ich drückte mich an die Wand und betete dafür das er nicht nach seinem Dreckstier guckte, und er tat es nicht.

Ich hörte sie durch den Garten stapfen, leise reden, dann vernahm ich eine Autotür, einen Motor und schließlich den Wagen, der davon fuhr.
 

Erst dann stellte ich fest, das ich sie verloren hatte.

Ja, ich dachte tatsächlich – verdammt, ich hab sie verloren!

Sofort rannte ich los, machte einen Hechtsprung über das Katzenvieh, das mir irgendwie folgen wollte, versuchte es abzuschütteln als ich zu meinem Auto sprang und es aufschließen wollte, doch da hatte sich das kleine Miststück schon in meiner Hose verbissen und krallte sich an mich, als hänge ihr leben davon ab.

Da ich keine Zeit hatte das Vieh in den Rinnstein zu befördern oder es tot zu treten, warf ich e samt bei an den dafür vorgesehenen Platz an den Pedalen, setzte mich und schloss die Tür hinter mir.

Total süß knabberte an meinem Schnürsenkel, als ich den Wagen anschmiss, den Motor haltlos überdrehte und der Wagen einen großen Satz nach vorne machte.

Dann brauste ich los, meine Geschwindigkeit war locker das vierfache von dem, was ich hier fahren durfte, doch das interessierte mich nicht, denn kurz darauf kam ihr kleiner roter Flitzer in Sicht.

Erleichterung machte sich in meinem Brustkorb breit.

Ich hatte sie doch nicht verloren.
 

Ich folgte ihnen möglichst unauffällig – hieß, ich fuhr dem Tempo angepasst, aber ein gutes Stück von ihnen weg, so das sie mich nicht bemerkten.

Ich hupte nicht als mir so ein arroganter Sack die Vorfahrt nahm und versuchte, mich wie ein gesitteter Autofahrer zu benehmen, was mir ehrlich gesagt schwer fiel.
 

Zeitweilig dachte ich, die zwei wollten mich verarschen, denn ständig bogen sie in irgendwelche Seitenstraßen ab, nur um dann wieder auf dieselbe Straße zurück zu kehren, auf der sie auch vorher gefahren waren.

Sie bemerkten mich nicht, oh Wunder, hielten schließlich in einer etwas ruhigeren Straße nahe der City an und stiegen aus. Ich parkte meinen Flitzer ein paar Meter entfernt, blieb aber sitzen, während ich beobachtete wie die beiden in Richtung eines Restaurants gingen.
 

Zwei Sekunden später stellte ich fest, das sie vor hatten ins Baratié zu gehen.

Sofort schlugen bei mir alle Alarmglocken.

Ich sprang aus dem Wagen als sie nicht mehr zu sehen waren, die Katze immer noch an meinem Fuß, rannte mit mir quer über die Straße zum Liefereingang, rannte fast Patty über den Haufen der mit einem „Was zum...!“ in die Kartoffeln fiel und sprang in die Küche.

20 erschrockene Augenpaare musterten mich, als ich drei von meinen Untergebenen bei Seite schob, an die Tür zum Innenraum trat und durch das kleine Bullauge schielte.

Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster, sahen sich in die Augen und redeten.

„Sanji...?“ Ich drehte mich hektisch um. Carne starrte mich verwirrt an.

„Was?“, quietschte ich vollkommen dehydriert.

„Ihr habt Gäste! Kümmert euch!“

Ich winkte einen Kellner heran, den ich unsanft aus der Tür schob, natürlich so das man mich nicht sah, und beobachtete dann wie der ein kleines bisschen verstört die Bestellungen der Beiden aufnahm.

Er kam zurück und ich starrte ihn wohl ziemlich manisch an, denn er wich von mir zurück als hätte ich eine Waffe in meiner Hand.

Die Katze kletterte ungeachtet an meinem Hosenbein hoch.

„Und, was haben sie bestellt?“ fauchte ich.

„... Lachs...“ murmelte der arme Kerl und ich drehte mich zu den Köchen um.

„Ihr habt ihn gehört! An die Arbeit!“

„Sanji?“

„SCHNAUZE UND KOCHEN!“

Mein Befehl wurde augenblicklich stumm ausgeführt 20 erschrockene Augenpaare starrten auf ihre Hackbretter und schnippelten, nahmen aus oder kochten zurecht.

Ich beobachtete die beiden währenddessen aufmerksam.

Auch wenn es mich wurmte, das ich nicht hören konnte was sie sagten – wenigstens sah ich ihre Gesten und ihre Gesichtsausdrücke.

„Sanji...?“ - „Was?!“

Patty sah mich an, als wäre ich das 8. Weltwunder.

„Zum einen benimmst du dich wie wahnsinnig. Zum Anderen sind katzen hier drinnen nicht gestattet.“

Ich starrte total süß an. Das Vieh hatte ich ja total vergessen. Hatte sich mittlerweile auf meiner Schulter bequem gemacht.

Ich überlegte, es mit einem Küchenmesser zu filetieren, ließ es aber bleiben.

Dieses Tier gehörte Lorenor. Ich wagte es nicht, es zu schädigen.

„Egal.“ knurrte ich und Patty ging wieder an die Arbeit, wohl voller Angst vor meinem wütenden Augen.

Mir war es egal. Der Kellner brachte nach 20 Minuten das fertige Essen und ich seufzte erleichtert, als ihre Mienen sich angenehm verzogen. Es schmeckte ihnen. Das machte mich stolz.

„Gut gemacht, Jungs! Bin mächtig stolz auf euch.“ lobte ich die versammelte Mannschaft. Die glaubte wohl, das ich irgendeinen Restaurantkritiker auf die Spur gekommen war und ihnen geholfen hatte, denn sie lächelten und nickten.

„Danke auch, Chef.“ sagte einer und ich zuckte mit den Schultern, wobei total süß kreischend mitteilte, das ich das nie wieder machen sollte.

„Hab ja nichts gemacht.“ sagte ich ohne Beachtung für das Tier. Ich schielte noch mal zu ihnen hinaus, dann verabschiedete ich mich mit einem „Macht die Tierhaare hier weg.“ von meinen Kollegen und ging wieder raus zum Auto, in das ich mich seufzend fallen ließ.

Mein Kopf war voller wirrer Gedanken und während ich sie versuchte zu ordnen beobachtete ich total süß, wie sie über das Amaturenbrett fegte.

Dann beschloss ich, nach Hause zu fahren. Zum einen fühlte ich mich schrecklich erschöpft und zum Anderen war mir diese Aktion plötzlich ein wenig peinlich.
 

Ich startete den Wagen, fuhr los und versuchte wieder ordnungsgemäß zu sein, zum Schutz des Tieres. Das flog nämlich zeitweise haltlos durch den Wagen, klatschte sogar einmal an die Rückscheibe und ich musste lachen, als ich das erschrockene Gesicht meines Hintermannes sehen konnte.

Dann kletterte die Katze zu mir auf den Schoß, rammte mir die Krallen in die Schenkel und blieb so vollkommen unbeweglich liegen.

Das Vieh regte mich auf und ich beschimpfte die Viertelstunde, die wir gemeinsam im Auto verbrachten, pausenlos.

Zu Hause angekommen schickte ich das Felltier mit einem Tritt in den Hintern zurück in seinen Garten.

Ich schlurfte zu meiner Wohnung, betrat sie und fläzte mich aufs Sofa, wo ich mir mein Buch nahm und noch ein paar Seiten las, bis ich merkte das ich Hunger bekam und anfing zu kochen.

Ich fühlte mich ungemein gut dabei. Ich wusste genau, wo sich Lorenor gerade aufhielt, und das gab mir ein sicheres Gefühl, irgendwie.

Nach dem Mittagessen, während ich vor dem Fernseher einer Gerichtssendung folgte, hörte ich ihren Wagen bremsen. Ich schielte aus dem Fenster, beobachtete wie die beiden lachend ausstiegen, sie schloss ab, und dann gingen sie gemeinsam durch den Garten in die Wohnung.
 

Ich erhob mich augenblicklich, schlüpfte wieder in die Schuhe, nahm diesmal nicht den Umweg über den Gehweg sondern hüpfte einfach über den Gartenzaun, schlich zum Küchenfenster und belauschte die abschließende Konversation.

„... hat mir wirklich Spaß gemacht.“ säuselte sie gerade verführerisch und Lorenor Zorro lachte leise.

„Ja, mir auch.“ Er schien irgendwas in der Küche zu rücken, vielleicht einen Stuhl.

„Und was nun?“ Ich wusste, was sie wollte.

Er aber nicht.

„Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss jetzt zur Arbeit. Wir drehen eine Mittagsszene.“

Ha! Ich hatte also recht gehabt! Er war Schauspieler!

Ich hatte das Bedürfnis meine Faust in die Luft zu recken, doch ich tat es nicht, aus Sicherheitsgründen.

Sie klang enttäuscht. „Schade. Sehen wir uns nochmal?“

„Klar.“ sagte er ziemlich lässig. Sie lachte leise.

„Wann?“ - „Ich hole dich übermorgen Nachmittag ab.“ Ihre Schuhe kratzten über den Boden.

„In Ordnung, Süßer.“

SÜßER?! Wieso mich dieses Wort so aufregte, ja richtig anekelte wusste ich nicht, doch es kotzte mich echt an das sie ihn so nannte.

Er mochte es.

„Ja, bis dann.“, sagte er mit einem Glucksen.

Die Tür wieder, dann Stille, dann ein Seufzen aus seinem Mund und schließlich hörte ich Wasser rauschen.

Vollkommen durch den Wind griff ich nach total süß, schmiss sie ein kleines Stück von mir weg, erhob mich und verließ den Garten so, wie ich gekommen war.

Vollkommen betäubt vom Triumph, den ich mal wieder empfand, warf ich mich ins Bett und schlief bis zum Abend durch. Mein Geist war wohl vollkommen erschöpft gewesen.
 

Meine Güte. Ihr könnt das ja nicht hören, aber während ich hier so gemütlich im Schrank sitze und euch alles erzähle, beschreien sich die beiden Wilden da draußen wie Tiger. Knurren, fauchen, schreien. Ich fühl mich hier wie im Zoo.

Aber ganz offensichtlich ist es bald vorbei.

Meine Fresse. Die tun es jetzt schon fast ne Stunde. Nicht mal mit ner Tonne Viagra würd ich das durchhalten, fürchte ich.
 

Was? Ihr wollt jetzt endlich wissen, wie ich in den Schrank gekommen bin?

Hat euch schon mal jemand gesagt, das ihr echt ungeduldig seid?

Na gut, dann werde ich euch das noch erzählen. Aber dann ist Schluss! Dann werde ich nicht mehr in der Vergangenheit schwelgen, dann muss ich im hier und jetzt leben, auch wenn ich glaube, das ich es nicht mehr lange tun werde. Ihr wollt es hören?
 

Gut. Spitzt die Ohren.

Strange things.

~ Stalker ! ~
 

N0. 6 – Strange things.
 

Ich hatte also wieder eine Woche, in der sich mein Zustand weder verbesserte, noch verschlechterte.

Die meiste Zeit verbrachte ich mit arbeiten, schlafen, putzen und um sein Haus herum schleichen.

Im Unterbewusstsein realisierte ich langsam aber sicher, dass das alles irgendwie nicht so richtig sein konnte, wie ich es durchzog.

Das konnte einfach nicht seine Richtigkeit haben.

Doch es war schon zu spät, um gegen meine krankhafte Sucht nach diesem Mann etwas zu tun.

Sobald ich beschloss, nicht zu ihm zu gehen, wurde ich nervös. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren, lief ziellos durch die Wohnung, wischte an ein paar Stellen Staub, wollte wieder Fernsehen gucken, las auf einmal doch ein Buch, dann tigerte ich wieder durch mein Haus.

Nach einer knappen halben Stunde, die ich über „meiner Zeit“ war, wurde ich aggressiv. Ich begann mich und meine gesamte Umwelt zu hassen, brüllte Haushaltsgeräte oder meine eigenen Körperteile an, trat nach Möbelstücken und ähnliches.

Wenn eine Stunde verstrichen war, wurde ich depressiv. Ich saß in meinem Sessel, starrte aus dem Fenster, beobachtete seinen Garten und fragte mich, was er gerade tat.

Stellte mir vor, wie er spülte. Oder wie er kochte. Oder die Wäsche wusch. Oder sich die Zähne putzte.

Über 2 Stunden staffte ich es nicht, denn nach 1 ½ setzten körperliche Beschwerden ein – Atemprobleme, Magenschmerzen, Kopfweh, Übelkeit, Schwindel.

Und dann konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Ich schlüpfte in Schuhe und Jacke, verfluchte mich für meine Schwäche und kletterte über den Gartenzaun, um hinter seinen Büschen oder unter den geöffneten Fenstern zu lauschen, was er tat.

Ein paar Mal beobachtete ich ihn auch. Wenn er im Wohnzimmer war ging das ganz gut, da waren die Fenster auf Kopfhöhe zu Ende und ich konnte mich schnell ducken, wenn er einmal hinaus sah.

In dieser Woche speicherte ich viele Dinge in meiner Datenbank – also in meinem Kopf – über ihn ab.

Zu „guter Gastgeber“ gesellte sich noch ein Haufen, der von „Gourmet“ bis zu „Spülmaschinenbenutzer“ reichte.

Ich persönlich verurteilte das benutzen einer solchen Gerätschaft. Mit der Hand wurde alles doch viel sauberer.
 

Ich hatte oftmals ein unglaubliches Glück, ab und an verhalf mir aber auch mein Geschick, das mich Lorenor Zorro nicht entdeckte. Und er schien eigentlich ein recht aufmerksamer Mensch zu sein. Aber aus irgendwelchen Gründen schaffte ich es immer, mich schnell genug zu ducken und vor allem dann zu verschwinden, wenn die Situation eher heikel wurde.

Es gab Abende, an denen ich nicht nach Hause ging. Ich blieb bis kurz vor Sonnenaufgang unter seinem Fenster hocken und stellte mir vor, wie er in seinem Bett lag und schlief.

Die Tatsache, das uns nur eine Wand, eine dünne, einfache Wand von einander trennte, gab mir ein seltsam sicheres Gefühl. Fast, als würde er mich beschützen.

So schlief ich ab und an, wenn das Wetter dem entsprechend war, auch mal unter seinem Fenster ein, einfach weil ich das Gefühl hatte, in einem weichen Himmelbett zu liegen, so beschützt fühlte ich mich.

Ich wachte sehr früh am Morgen mit schrecklichen Schmerzen im Rücken auf, schliff mich in meine Wohnung und verbrachte die restliche Zeit damit, meinen Rücken zu schonen, indem ich im Bett lag und einfach nur an die Decke starrte.

Dann fuhr ich zur Arbeit, fühlte mich wie gerädert und konnte am Abend dennoch nichts anderes tun als mich unter sein Fenster zu hocken und dem zu lauschen, was er tat.

Und heute morgen war es dann soweit. Heute Morgen nahm diese Geschichte eine fast dramatische Wendung.

Am Anfang sah er allerdings noch ziemlich harmlos und fast vorteilhaft für mich aus.

Denn Total Süß hatte sich in meine Küche verirrt.
 

Es war ein ziemlicher Schock für mich, als ich um 7 Uhr über meinen Cornflakes hing, ziemlich müde aber froh, heute erst Abends im Baratié sein zu müssen, als ich erst ein lautes Poltern und dann ein Klatschen hörte.

Verwundert stand ich auf und öffnete das Fenster, denn von dort waren die Geräusche gekommen – ich hätte es wohl besser nicht tun sollen. Keine Sekunde später hatte sich die Katze quasi durch mein Gesicht gehangelt, war auf meine Küchenzeile gesprungen und tigerte nun in Entdeckerlaune durch mein Waschbecken.

Ich stand noch vollkommen perplex mit zerkratztem Gesicht am Fenster, als sie schon aus meiner Spüle und in Richtung Obstschale tänzelte.

Aber so hatten wir nicht gewettet. Ich ließ mir doch von der kleinen Dreckssau nicht meine saubere Küche verunstalten!

Ich schnappte mir die Kleine, achtete nicht auf ihr protestierendes Geschrei, schleppte sie ins Bad und wischte ihr da mit einem alten Handtuch die Pfötchen ab.

Erst, als sie diese Prozedur hinter sich hatte, setzte ich sie auf meinem Flurboden ab.

Sofort begann sie, die Ecken zu erkunden, schnüffelte jedes Möbelstück an und strich dabei immer wieder um meine Beine, während ich leicht genervt versuchte, in Ruhe zu spülen.

„Wieg dich mal bloß nicht in Sicherheit. Ich bring dich gleich rüber, nur das du's weißt.“

Doch Total Süß interessierte sich wenig für meine Worte. Wenige Minuten später hörte ich sie in meinem Bett toben.

Wütend rannte ich ihr nach, schmiss sie aus meinen Laken, ließ sie aber gewähren als sie sich auf meinem Sofa zusammen rollte und dort begann, ein gemütliches Nickerchen zu machen.

Sollte sie doch. Nachher würde sie wieder in seinem Garten landen. Da gehörte sie eben hin.
 

Aus dem 'gleich' wurde dann aber nichts. Ich ließ mich in meinen Sessel fallen und las gemütlich ein Buch, sah ab und an zu ihr und musste mir eingestehen, das sie wirklich niedlich aussah, wie sie da lag, die Augen fest geschlossen, ihr kleiner Körper bewegte sich sanft bei jedem Atemzug...

Und auch die Tatsache, das diese Katze eigentlich Lorenor gehörte, ließ meinen Plan scheitern.

Es fühlte sich gut an, etwas bei mir zu haben, das ihm gehörte.

Den handgeschriebenen Zettel von ihm hatte ich unter mein Kopfkissen gelegt. Ich schlief besser ein und wachte morgens einfach entspannter auf, wenn ich wusste das er da lag, quasi in Sicherheit.

Als es schließlich Mittag wurde und ich die Zeit vergessen hatte, begann ich zu kochen, ohne daran zu denken das Felltier zurück zu bringen. Total Süß strich während meines Mahls um meine Beine und ergatterte sich tatsächlich mit ihren großen, traurigen Augen den einen oder anderen Happen, den sie gierig verschlang.

Und sie fraß definitiv einiges. Sogar den Salat und die Kartoffel aß sie ohne zu meckern.

Ihre unkomplizierte Art schmeichelte mir ein wenig und so durfte sie mit mir einen gemütlichen Nachmittagsfilm gucken.

Und es war echt gemütlich, wie wir uns zusammen auf die Coutch kuschelten, ich ein Taschentuch nach dem Anderen verbrauchte und sie einfach nur ab und an ein Auge öffnete, wenn ich mich zu sehr bewegte.

Sie schnurrte sogar ab und an ganz leise. Mir gefiel das.

So verging der halbe Tag und ich hatte nichts getan außer mit der Katze rum zu liegen und fern zu sehen. Ich hatte keinen Schub, keinen Anfall, verspürte nicht den Drang zu ihm zu gehen.

Das war furchtbar angenehm und ich überlegte, Total Süß einfach zu behalten, doch das konnte ich schließlich doch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.

Sie gehörte nicht mir, und somit hatte ich dazu kein Recht. Sie musste wieder zu ihm in den Garten.
 

Es war vielleicht kurz nach 4, als ich mich endlich dazu durch rang, mich erhob und die kleine Katze auf meine Schulter packte, wo sie auch ganz brav sitzen blieb.

Eigentlich wollte ich sie wirklich nicht abgeben. Ich hatte diese kleine Mistkröte lieb gewonnen, ich mochte sie irgendwie. Doch irgendwann ist aller Tage Abend.

Als ich in meinen Schuhen steckte verließ ich also ein letztes Mal meine Wohnung, um zu ihm zu gehen.

Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, das es das letzte Mal sein würde. Ich ging einfach davon aus,das ich Total Süß absetzten, vielleicht selbst noch etwas bleiben und dann verschwinden würde.

Doch während ich mit meiner neuen kleinen Freundin über meinen Rasen stiefelte, fiel mir sofort das Auto auf.
 

Der kleine roter Flitzer von ihr, von seiner Freundin .. der Gedanke fühlte sich gar nicht gut in meinem Hirn an.. stand vor seinem Haus. Ich verharrte vor dem Zaun schielte erst zum Fenster, doch da konnte ich niemanden sehen, also hüpfte ich ein bisschen verwirrt hinüber.

Ein Drang kam in mir hoch, den ich so bis jetzt noch nicht kannte.

Ich verspürte den dringende Wunsch, sie zu stören. Ich wusste was sie taten oder tun wollten, ich wusste es einfach, und alles in mir schrie danach, sie davon abzuhalten.

Oder es zumindest ein paar Minuten hinaus zu zögern.

Ich wusste nicht wieso ich das wollte. Ich weiß es bis jetzt noch nicht. Ich glaube aber, das war eine gewisse Art von Eifersucht.

Er gehörte mir. Er war mein Objekt. Meins. MEINS.

Ich änderte also meinen Plan, ohne lange darüber nach zu denken. Ich setzte Total Süß nicht einfach ab, ich behielt sie auf meiner Schulter, in welche sie eh schon ihre Krallen gerammt hatte, und nahm sie mit zur Vordertür.

Die Angst, die mich vorher ergriffen hatte, die Panik davor das er wusste wie ich aussah oder wie meine Stimme klang, die fiel von mir ab wie eine alte Haut.

Er sollte seine Finger von ihr lassen. Zumindest ein bisschen.

Ich hatte ihm so viel Zeit geopfert – jetzt sollte er wenigstens ein paar Sekunden mir opfern.

Den Finger schon gehoben durchzuckte mich doch kurz die Angst – wie würde er auf mich reagieren, mit seiner Katze auf der Schulter? - doch diese Angst war schnell überwunden.

Ich klingelte.
 

Allerdings blieb der gewünschte Effekt aus. Die Klingel ertönte von innen, ich wusste natürlich wie sie klang, ich wusste auch wie lange Lorenor normalerweise bis zur Tür brauchte, doch er öffnete nicht.

Ich klingelte nicht noch einmal, denn mir fehlte der Mut und ganz nebenbei fiel mir etwas anderes auf.

Die Tür war angelehnt. Sie war einfach nur angelehnt, nicht richtig geschlossen.

Ein eiskalter Schauer durchlief meinen Körper, einige meiner Muskeln zuckten verräterisch und eine Ader an meiner Stirn pochte aufgeregt.

Ich konnte unbemerkt eintreten. Einfach so. Ohne irgendwie einbrechen zu müssen.

Oh mein Gott. Oh mein Gott. Oh mein Gott!

Mein Herz raste, mein Magen überschlug sich mehrmals und in meinen Venen pumpte unaufhaltsam das Blut, während ich zwei Schritte hinauf ging, jetzt vor seiner Tür stand und sie vorsichtig aufdrückte.

Sie bewegte sich, ohne ein Geräusch von sich zu geben. Fast als wäre sie nur Luft schwang sie auf und gab den Blick auf einen gefliesten Flur frei.

Ich stand in der Türschwelle und betrachtete den schmalen Gang, als würde ich mich in einem Museum befinden.

Die Wände waren gelb gestrichen, eine dünne weiße Bordüre zog sich an der Grenze von Wand und Decke entlang, außerdem schmückten Bilder und kleinere Kunstwerke den Raum. Eine kleine, schmale Kommode war zu erkennen, obwohl das Licht aus war, daneben ein Schuhschrank oder etwas ähnliches, daneben schließlich ein Kleiderständer auf dem zwei dicke Winterjacken und eine dünnere Jacke hingen.

Knappe 20 Schritte konnte man gehen, dann stand man in der Küche, die ich ja schon durch meine Fensterbeobachtungen gut im Blick gehabt hatte und von daher recht gut kannte.

Nach links ging es zum Schlaf- und zum Wohnzimmer, nach rechts zum Bad und in noch einen weiteren Raum. Ich vermutete, das es die Speise- oder Rumpelkammer war.

Total Süß maunzte leise und drückte ihren felligen Kopf gegen meinen, was mich aus meiner Starre riss. Ich drückte das Tier von mir weg, nahm es dann von meiner Schulter und setzte es möglichst leise auf den Boden.

Die Katze trippelte mit ihren Samtpfoten zielsicher in Richtung Küche, wo sie sich vor einen kleinen Trog hockte und begann zu fressen.

Die schien sich hier blendend aus zu kennen, und ich konnte nicht behaupten das ich das nicht auch tat. Ich wusste, wo alles stand, wo ich zum Beispiel die Gläser fand oder ein gutes Buch von Stephen King. Ich wusste sogar, wo sich genau in diesem Moment die Fernbedienung befand.

In der Sofaritze. Neben der Chipstüte.
 

„Hallo...?!“, kam schließlich meine zögernde Frage, auf die ich keine Antwort bekam.

Es wurde auf einmal schrecklich still um mich, als ich die Eingangstür schloss. Ich vernahm das Ticken der Uhr an der Wand im Wohnzimmer, ich hörte den Kühlschrank summen und Total Süß in ihrem Schälchen herum lecken.

Ich wollte Musik anmachen, oder den Fernseher einschalten, oder einfach laut singen. Aber ich traute mich nicht. Ich blieb wie versteinert im Flur stehen.

Denn plötzlich hörte ich sie. Stimmen.
 

Direkt hinter mir, an der Tür.

„... verdammt, die Tür ist ins Schloss gefallen!“ drang seine Stimme gedämpft an mein Ohr. Sie lachte.

„Kann doch schon mal passieren. Hast du den Schlüssel dabei?“ - „Ja.“
 

OH. MEIN. GOTT.

In wenigen Sekunden würde ich tot sein. Diese plötzliche Erkenntnis traf mich mit einer Sicherheit, die mir in der Schädeldecke schmerzte, und ich riss voller Panik die Augen auf.

Wie schon erwähnt wusste ich, wo sich alles befand. Ich kannte jeden Winkel dieser Wohnung, abgesehen vom Raum hinter der Tür auf der rechten Seite. Und ich wollte es auch nicht darauf ankommen lassen.

Guter Rat war teuer, denn ich hörte seinen Schlüssel, der sich unaufhaltsam ins Schloss schob.

Ich hatte keine 5 Sekunden.

Mein Kopf schaltete sich aus. Mein Instinkt, mein Stalkerinstinkt, schaltete sich ein und ließ mich handeln wie in Tier auf der Flucht.

Erstmal rannte ich los. Ich flitzte wie von der Tarantel gestochen durch den Flur, bremste vor seinem Schlafzimmer ab, bog ein.

Ich hörte, wie sich die Tür im Flur öffnete. Ich hörte ihre Schuhe auf dem Boden, ihre Stimmen, ihr Lachen. Alles verschwamm vor meinen Augen, als ich wie paralysiert auf sein Bett starrte.

Kurz betörte mich der Geruch in diesem Raum; es roch nach Pinien und nach Massageöl und nach Entspannung – dann riss ich mich zusammen.

Bloß weg, bloß raus, schieh alles in mir.

Spring aus dem Fenster, klatsch dich an die Wand, erhäng dich mit deiner Krawatte!

Dann fiel der Schrank in mein Blickfeld und ich erkannte ihn als einzige Chance.

Das Fenster zu öffnen würde zu viel Krach machen und zu lange dauern.

Der Schrank war offen. Ich musste eben einfach mal beten und auf mein Glück hoffen.

Das hatte ich zwar in den letzten Tagen schon enorm viel heraus gefordert, doch blieb mir keine andere Möglichkeit.

Während sich mein gesamter Körper mit Adrenalin füllte und jeder Knochen so beweglich wurde wie Gummimasse, machte ich einen leichtfüßigen Satz in den Schrank, quetschte mich in die hinterste Ecke zwischen seinen Shorts und den Jacken, schnappte mir die Tür und lehnte sie leicht an, sodass ich noch einen Blick nach draußen hatte, ohne das man mich sehen konnte.
 

„... du gehst aber ran.“ Ihre Worte, gesäuselt in sein Ohr, während sie ins Schlafzimmer taumelten und er ihren Nacken küsste, ließen einen leichten Würgereiz in mir entstehen.

Ja, er ging ran, keine Frage. Ich brauchte dafür aber keine akustische Untermalung.

Auf die konnte ich dann aber leider nicht verzichten, denn kurze Zeit später begannen sich die Beiden aus zu ziehen, küssten sich wild, das Bett war ihnen dann aber anscheinend doch zu langweilig, denn sie machten es sich auf dem Flokati genehm und begannen, es zu treiben wie die Karnickel.
 

So!

Mein Gott, ich habe einen ganz trockenen Mund.

Meine Zunge fühlt sich auch schon ganz zerfussel an, aber zumindest wisst ihr jetzt, wie der liebe Sanji in den Schrank gekommen ist.

Und glaubt mir, ich hatte Zeit. Ziemlich fiel Zeit. Lorenor und seine Nutte... pardon, seine Freundin... tun es jetzt schon verdammt lange. Ein wenig neidisch bin ich schon.

Auf ihn. Auf ihn! Meine Fresse.

Jedenfalls hatte ich genug Zeit zum nachdenken und gestehe ohne groß zu lügen ein – ich bin ein Stalker, ein Kranker, ein Perverser.

Jemand, der einen Mann verfolgt, einfach nur, um alles über ihn zu erfahren.

Und glaubt mir Freunde, mittlerweile weiß ich Dinge von ihm, die ich nie hatte wissen wollen.

Zumindest am Anfang nicht. Am Anfang noch nicht.

Ich sehe hinaus und stelle fest, das sie langsam aber sicher wirklich zum Ende kommen.

Hoffe ich. Bete ich. Mein Fuß ist nämlich eingeschlafen und mein Becken tut mir weh.

Ich will endlich meinen Tod durch einen gezielten Schlag seiner Faust finden. Das ist immer noch angenehmer als in diesem Schrank zu hocken und ihnen beim stöhnen zu zuhören.

Und – moment! Ist das der lang ersehnte Orgasmus?!

„Lo...Lorenor - AH!!!“ Ja. Das hörte sich doch gut an. Schien ihr ja einen heiden Spaß zu machen, wie sie da zuckend und keuchend unter ihm liegt und er sich wohl ziemlich gekonnt mit einem Stöhnen in ihr ergießt.

BAH. Ich schließe lieber die Augen und konzentriere mich auf meinen Herzschlag. Hört sich an als würde jemand einen Fuß durch Matsch ziehen.

Widerwärtig.

„Oh Baby...!“ Baby. Sie nennt ihn Baby. Ein erneuter Schwall von Übelkeit bildet sich in meiner Brust, während ich beobachte wie er sich erhebt und nach seiner Boxershorts angelt.

Ich sehe sie nackt und mir wird schlecht. Sie ist nicht mehr so schön wie vor einer Woche.

Sie ist hässlich, alt und hässlich, faltig. Vor allem an einer bestimmten Stelle.

Ich möchte gerne weinen, doch ich glaube das würde zu laut sein. Ich lasse es lieber sein.
 

„Ich muss jetzt weg.“ Moment, ich habe wohl etwas verpasst. Neugierig spitze ich die Ohren.

Das schien interessant zu sein.

„Okay...? Wohin?“ - „Muss ich dir jetzt immer sagen, wo ich hingehe?!“

Ah. Ich muss ein Grinsen unterdrücken. Da scheint sich Lorenor aber eine ganz Tolle angelacht zu haben. Die lebt wohl nach dem männlichen „einmal ficken, weiterschicken“ - Prinzip.

Verstehe ich gut. Mag ich bei Frauen aber nicht. Die dürfen gern ein bissen klammern.
 

Sie zieht sich an, schlüpft in Schuhe und Jacke. Ich beobachte ihre Bewegungen.

Sie schwebt nicht mehr. Eigentlich humpelt sie nur noch.

„Also dann. Ich ruf dich an.“ Ein Kuss auf die Wange, mehr gibt es nicht für Lorenor.

Den lässt sie auch ziemlich bedröbbelt mitten im Raum stehen. Nackt. Nur mit einer Boxershorts bekleidet.

Irgendwie ist das ja poetisch. Ich verkneife mir ein Seufzen.

Die Tür fällt im Flur ins Schloss, dann hörte ich ihn leise fluchen.

„Scheiße..!“ Er sammelt seine Kleidung auf, sieht sich nochmal im Raum um, dann verlässt er ihn.

Wenige Minuten später höre ich die Kaffeemaschine in der Küche.

Jetzt. Jetzt oder nie!

Ich springe aus dem Schrank. Scheiße, mein Herz rast ununterbrochen, will mir wohl aus der Brust springen!

Ehe ich wirklich darüber nachdenken kann was passiert ist, öffne ich geschwind das Fenster, springe hinaus und lande weich in seinem Garten, der matschig und schlammig ist.

Es regnet. Passt ja. Ich renne los, mache einen Satz über unseren Gartenzaun, stapfte durch meinen Garten, werde triefnass – als ich seine Stimme höre.

„He, Nachbar!“

Herr im Himmel. Ich bin geliefert.

Komm auf einen Ritt zu mir - uh, ich hab die Tickets hier!

~ Stalker! ~
 

N0. 7 – Komm auf einen Ritt mit mir – uh, ich hab die Tickets hier! [ Deichkind. <3 ]
 

Ich bleibe wie versteinert stehen, verharre mitten in der Bewegung. Und die ist reichlich ungünstig zum verharren – ein Fuß zum weitergehen erhoben, der Andere nicht mal vollständig auf dem Boden, die Arme tief in den Jackentaschen, da es ungemütlich kalt geworden ist.

„He!“, höre ich seine Stimme erneut an mein Ohr dringen, doch es kommt nicht richtig in meinem Hirn an, irgendwie verstehe ich nur die Hälfte.

Obwohl es von einem Wort schwer die Hälfte zu verstehen gibt.

Da rette ich mich aus der ersten Gefahrensituation und rutsche augenblicklich in die Nächste.

Ich habe nun die Wahl. Die Wahl zwischen einer panischen Flucht ins Haus und anschließendem Verstecken unter dem Bettgestell – oder der Konfrontation.

Lange nachdenken muss ich da sicherlich nicht.

Und ne pro- und Kontra liste kann ich mir auch sparen.

Ich drehe mich langsam um, auf meinem Gesicht ein fast steinernes Lächeln.

Scheiße – mein Herz schlägt mir hart und unangenehm gegen eine Brust, ich atme ungleichmäßig und ganz nebenbei bekomme ich Kreislaufprobleme.

Die Erde scheint zu kippen. Das Lächeln auf seinen Lippen lässt mich schlucken.

„Habe ich sie erschreckt?“

Ne. Gar nicht. Ich gucke immer, als wenn ich einen lauernden Tiger beobachte. Ist bei mir ganz normal. Haha.

„Ein... wenig.“ höre ich mich selbst sagen, aber meine Stimme scheint von ganz weit weg zu kommen, vielleicht vom anderen Ende des Gartens.

Ich kann mich nicht daran erinnern beschlossen zu haben zu reden.

Aber manchmal macht mein Körper eben, was er will.

„Das tut mir Leid.“ Es scheint ihm wirklich Leid zu tun. Ich verzeihe ihm besser mal. Bevor er sich weinend vor meine Füße schmeißt.

Verdammt. Jetzt weiß ich gar nicht mehr, ob ich das nun vermeiden oder hervorrufen will.

„Ich habe mich bei ihnen noch gar nicht vorgestellt, oder? Entschuldigen sie, aber ich hatte in den letzten Tagen viel zu tun und musste mich um einige Sachen kümmern.“

Sachen kümmern. Das ich nicht lache. Ich weiß, was du getrieben hast, Lorenor Zorro, und deinen Namen kenne ich auch. Tu also nicht so, als würde es dir Leid tun. Ich hab dich längst durchschaut.

Aber das kann ich ja jetzt schlecht sagen.
 

„Ist schon in Ordnung, das kenne ich. Ich hatte auch viel zu tun, deswegen sind wir uns wahrscheinlich auch noch nicht über den Weg gelaufen.“

Wie ich es schaffe, meine Stimme so sicher und fest klingen zu lassen, weiß ich nicht. Nur ich höre die Angst, die in ihr mitschwingt. Er offensichtlich nicht.

Meine Füße machen sich selbstständig, stapfen in Richtung Gartenzaun, an dem er lässig lehnt.

Wie er eben ist. Lässig. Nur vorhin, da hat er nicht sehr lässig ausgesehen.

Mein Gott. Ich weiß, wie mein Nachbar ohne Höschen aussieht. Ich sollte mich schämen.

Ich glaube ich bin rot, aber das verdecke ich geschickt mit einigen blonden Haarsträhnen, als wir uns die Hand schütteln und ein elektrischer Schlag quer durch meinen Körper mir und allen anderen Organen mitteilt, wer mir gerade die Flosse gereicht hat.

„Lorenor Zorro.“ Genau der. Ich lächle leicht.

„Freut mich.“ Mein Name bleibt mir im Hals stecken und ich brauche 2 Anläufe, um ihn heraus zu würgen. „Sanji.“

Er scheint irritiert, weil er nun nur meinen Vornamen weiß, aber mehr will ich ihm nicht sagen.

Nachher werde ich mein Klingelschild abknibbeln. Nur zur Sicherheit.

„Was machen sie bei diesem Sauwetter im Garten?“ fragt er – wohl, um unser Gespräch in Gang zu halten. Ein eiskalter Schauer läuft meinen Rücken hinunter. Meine Fingerspitzen haben angefangen zu kribbeln.

Ehrlichkeit ist hier fehl am Platz. Eine blitzblanke Lüge dagegen nicht.

„Ich wollte nur mal nach meinen Tulpen schauen.“, murmle ich mit einem verwirrten Lächeln auf den Lippen. Tulpen. Gott. Ich habe nicht mal Vergissmeinnicht. Von Tulpen mal ganz abgesehen.

Er scheint diesen Satz aber eher als Redewendung zu verstehen und lacht.

„Ach so, na dann.“ - „Dasselbe könnte ich sie aber auch fragen.“ Ich kann mich aber auch echt nie zurückhalten! Vorlaut und peinlich, das bin ich.

Er scheint nicht ärgerlich über meine Neugierde zu sein. Er lächelt sogar.

„Ich suche meine Katze.“ HA! LÜGE! LÜÜÜGE!

Fast schießt mir dieses Wort aus dem Mund wie eine Kanonenkugel – LÜGE! - aber ich kann es im letzten Moment zurück halten. Schließlich weiß ich ganz genau, wo sich total süß aufhält.

Ich hab sie schließlich bei ihm abgeliefert.

Wieso also lügt er? Eine Frage, mit der ich mich noch eingehend beschäftigen sollte.

Aber nicht jetzt. Ich bin zu gefangen in der Art, wie er seinen Mund zu einem verlegenen Lächeln verzieht. Er scheint seine Muskeln zu... kräuseln. Ganz seltsam.

„Besser so. Bei so einem Hundewetter sollten Katzen im Haus bleiben.“, scherze ich. Ich bin nicht lustig, das zeigt er mir dadurch, das er nur ein kurzes, unechtes Lachen hören lässt.

Schade.

„Ja, deswegen suche ich sie.“, murmelt er abwesend, während er fast wie in Trance an seinem Pullover knibbelt.

Vielleicht riecht der ja noch nach ihr. Das würde seine abwesende Art erklären.

Gefangen im Geruch einer Sexbeziehung. Muhaha. Der war allerdings ein Brüller.
 

Ich will mich umdrehen und mich mit einem „man sieht sich“ verabschieden, in der Hoffnung das er mich für immer vergisst – aber wieso muss er wieder anfangen zu sprechen?

Der Nachmittagssex scheint seinem Mundwerk ja wohl bekommen zu sein.

Man, ich hau heute ja nur Schenkelklopfer raus.

„Sagen sie mal, mögen sie Kaffee?!“

Was nun? Ja oder nein? Oder doch eher vielleicht?

Ich könnte auch „weiß nicht, kommt drauf an“ sagen. Aber dann wüsste er, wo er bei mir dran ist, wenn er dann weiter redet und ich ablehne.

Da ich heute schon so viel gelogen habe, entscheide ich mich für die Wahrheit.

„Ja, sehr gern.“ Okay. Das war wohl ein bisschen zu viel Wahrheit auf einmal.

Er lächelt zufrieden. Das wars wert.

„Gut – darf ich sie dann auf einen einladen?“
 

NEIN. Nein, darfst du nicht, Lorenor Zorro. Alle auf dieser Welt, nur du nicht. Weil du nämlich erzählen kannst was du willst – ich weiß es eh schon.

„Ja.“ Stopp! Hab ich das etwa gesagt?

„Schön. Kommen sie einfach rüber gehüpft.“, scherzt nun er mit einem Lachen. Ich find das gar nicht komisch.

Ich fühle mich wie in einem schlechten Film. Ich hüpfe zurück in seinen Garten, über den Zaun. Ich weiß ja, wie das geht.

Er schlendert in Richtung Haus und ich folge ihm mit einem unglaublich schlechten Gefühl in der Magengegend.

Ich will sterben. Hier und jetzt. Oder im Boden versinken. Oder irgendwie so.

„Ich könnte nämlich jemanden zum reden gebrauchen.“

....

So langsam macht mir die Quasselstrippe Angst.

Er kennt mich jetzt 10 Minuten und... will mit mir... reden?

Unheimlich. Wahrlich unheimlich.

Jedoch interessiert mich zu sehr, was er von mir will, also folge ich ihm weiter.

Wir betreten den Flur.

„Hier die Schuhe ausziehen, bitte.“ Ich nicke. Das letzte Mal als ich hier war hab ich Dreck gemacht – tut mir Leid. Das wollte über meine Lippen, doch wieder hatte ich sie erstaunlicherweise im letzten Moment im Griff.

Ich schlüpfe aus den Schuhen, ziehe noch die Jacke aus, dann folge ich ihm.

Total Süß turnt auf der Küchenzeile herum.

„Da bist du ja, Mimi!“ Mimi?! MIMI?! Total Süß!! So hieß sie und nicht anders.

Mimi – total süß – wie auch immer – maunzt erfreut und reckt ihren Kopf erst zu Lorenor, dann rennt sie zu mir und streicht um meine Beine.

„Seit wann denn so zutraulich zu Fremden, Mimimaus?“ fragt er in einem Singsang, während er den Kaffee aufsetzt und ich beschließe, mich zu setzen. Einfach so.

Er kann ja nicht riechen, das Mimi... was für ein Name! ... und ich uns schon ewig kennen.

Seitdem er hier wohnt. Wir sind quasi alte Freunde.
 

„Mit Zucker? Oder ohne?“ Huch? Bin ich eingenickt? Mir scheint es so, aber ich reiße mich eilig zusammen. „Ja, mit. Zwei Stücke. Und Milch.“

Er nickt, scheint sich wenig für meine Trinkgewohnheiten zu interessieren, was ich beruhigend finde, tut wie ihm geheißen und reicht mir nun meine Tasse.

„Guten Durst!“ sagt er freundlich und setzt sich mit seinem mir gegenüber.

Ich möchte gehen. Ich fühle mich wie bei einem Kreuzverhör.

Er sieht mich über den Rand seiner Tasse her an und ich schließe die Augen, weil ich mich fürchterlich entdeckt fühle.

„Erzählen sie doch mal was von hier. Wie ist die Gegend? Sind die Nachbarn nett? Was kann man hier so machen?“

Er will nur eine Umgebungsauskunft von mir. Jetzt fühle ich mich benutzt.

Aber wie er will. Dann erzähl ich ihm eben von hier.

„Ähm. Es ist nett hier. Wirklich, die Nachbarn sind verdammt nett. Sehr tolerant. Man kann auch mal feiern oder Freunde einladen, ohne das die Theater machen. Außer her Humbert ... aber auf dessen Meinung pfeift hier eigentlich jeder. Viel machen kann man hier aber nicht. Wir haben sowas wie eine Dorfdisco,in der sich die Jugend vergnügt. Also alles zwischen 12 und 18. Alle, die Zeit haben, sagen wir es so. Aber sonst... einkaufen. Das geht auch.“

Ich verspüre den Drang, ihn zu duzen, tue es aber nicht.

Er nickt. „Und sonst? Irgendwelche wichtigen Adressen, die ich kennen muss?“

Ich lache einfach mal. „Ja, meine.“

Auch er lacht und ich bin erleichtert, das dieser Witz mal kein Stimmungskiller gewesen ist.

„Na ihre Hausnummer kann ich mir grad noch so merken. Aber ansonsten?“

Ich schüttle den Kopf, weil mir nichts mehr einfällt.

„Ich glaube, hier gibt es sonst nichts wichtiges, außer den Hausfrauen – Überwachungsdienst. Die sind für den neusten Tratsch zuständig.“

Hey! Da könnte ich mich glatt einschreiben. Ich hab da ne richtige Qualifikation für.

Hab quasi ein Praktikum in diese Richtung gemacht. Oder so.

Wir schweigen. Das ist angenehm.

„Und sie? Als was arbeiten sie, das ich sie noch nie zu Gesicht bekommen habe, lieber Herr Nachbar?“ Er lächelt. Ich würde ihm alles erzählen, wenn er mich immer so anlächeln würde.
 

„Ich bin Koch.“ Ich nuschle in meinen Kaffee. Er hat mich aber verstanden.

„Koch? Nicht schlecht!“ - „Und sie?“ Er grinst.

„Ich bin sowas wie... ein Stuntman.“ Wuaaaah. Ich lag also gar nicht so falsch.

Ich freue mich über meinen Erfolg und trinke zur Feier des Tages zwei Schlucke Kaffee auf einmal.

AU! Man, ist der heiß.

Er beobachtet, wie ich die Zunge hinaus strecke und leise keuche, dann grinst er.

„Heiß.“ Danke für den Tipp, Arsch. Oder wie meint der das jetzt?!

„Ja, ich merks.“ Er glaubt wohl, das er urkomisch ist. Ich reiß mich weg. Er auch. Aber richtig.

„Tuts noch weh?“ fragt er schließlich. Meine Zunge baumelt wie ein totes Stück Fleisch aus meinem Mund.

Was, wenn ich jetzt ja sagen würde? Nimmt er sie dann... in den Mund?

Nette Vorstellung. Wundheilung mit Fremdspucke. Mag ich.

Ah, ich muss mich zusammen reißen!

„Ne, geht schon. Alles okay.“ Als ob. Ich will hier weg!

Er nickt, steht auf, nimmt die Tassen und stellt sie in die Spüle.

Wohl, um sie gleich in die Spülmaschine zu räumen. Handwäscher an die Macht!

„Ich hab noch Kuchen, fällt mir da ein!“

Sonderlich gut organisiert scheint der ja nicht zu sein.
 

„Wollen sie ein Stück?“ - „Okay.“ Wieso? Ich könnte heulen. Wieso kann ich nicht einmal die Klappe halten? Er öffnet eine Schranktür und klaubt einen Schokoladenkuchen in einer Tüte heraus.

Wie alt der ist, will ich gar nicht wissen. Ich stelle mir vor, das er topfrisch ist.

Bah. Ist das grüne Schimmel?

Augen zu und durch.

„Großes oder kleines Stück?“ Will der mich umbringen?!

„Klein. Danke.“ Er schneidet ein Stück ab. Das nennt er klein? Scheiße, was ist dann groß?!

Ah. Das ist groß. Ich sehe es an seinem Stück.

Er scheint über einen kräftigen Hunger zu verfügen.

Obwohl. Nach so einem Mittagsfick hätte ich sicher auch Hunger.

Ich sollte daran nicht mehr denke. Ich glaube, ich bin rot. Vielleicht sieht er es ja nicht...?

„Geht es ihnen nicht gut?“ Alle Hoffnungen dahin – er hat es doch gesehen.

„Doch. Mir ist nur etwas warm. Kommt wohl vom Kaffee.“

Wieso um Himmels willen lächelt er so seltsam? Der macht mich total unsicher!

„Na dann ist ja gut.“ Wir schweigen wieder. Sehen uns einfach nur an.

Schon seltsam. Wir müssen gar nicht reden. Jetzt wo wir schweigen fühle ich mich gleich viel wohler. Ich kann seinen Atem hören, ich beobachte seinen Brustkorb.

„Schmeckt's?“ Der schafft es aber auch immer wieder, die schönsten Mome

„nte kaputt zu machen.

„Ja, sehr gut.“ Obwohl das nicht stimmt. Schmeckt wie Pappe. Wie mit Wasserfarben angemalte Pappe. Harr. Das wird ein interessanter Klobesuch nachher.

Ich hab noch nie Pappschiss gehabt...

„Freut mich. Kann ich ihnen sonst noch was gutes tun?“ Ja, du kannst mich gehen lassen!

„Nein, wirklich.“ Ich schweige. Dann glaube ich, etwas sagen zu müssen.

„Schöne Küche haben sie.“ Das schwebt mir schon seid einer Woche im Kopf rum! Die Küche find ich wirklich schön. Und das Schlafzimmer auch.

Mir fällt auf, das es hier außerordentlich gut riecht. Vielleicht fühle ich mich deshalb so wohl?

Es riecht nach frisch gewaschener Wäsche, nach irgendwelchen Ölen, nach Gemütlichkeit, nach Entspannung. Nach Liebe. Irgendwie.

„Danke! War auch nicht gerade ein Schnäppchen.“, gesteht er stolz. Er kann auch stolz sein, finde ich. Ist wirklich schick geworden.

„Soll ich sie mal rund führen?“ Ähm. Wieso?

Na gut, wenn er Spaß dran hat.

„In Ordnung.“ Wir erheben uns, er geht vorraus, ich folge ihm. Warum auch immer.

Ich weiß doch, wo alles ist.

„Hier ist das Schlafzimmer. Da hab ich mir auch Mühe gegeben.“ Ich weiß.

„Und das ist das Wohnzimmer. Verbesserungswürdig. Kommt noch.“ Ich weiß.

„Hier ist das Bad.“ Ich – weiß! Mein Gott!

„Und das ist meine Rumpelkammer.“ Da hab ich wenigstens richtig geraten. Sind wir jetzt durch?

„So, das wars.“ Auch das weiß ich, Mr. Grünhaar. Ich will jetzt nach Hause.

„Und ich muss jetzt gehen – mein Chef flippt aus, wenn ich wieder zu spät komme.“ murmle ich gekonnt entspannt. Oder so ähnlich. Jedenfalls zieht die Masche extrem. Lorenor nickt wissend.

„Ja, das kenn ich. Gehen sie nur, ich will sie nur aufhalten. Danke.“

Ähm?!

„Wofür?“, frage ich, während ich mir die Schuhe anziehe.

„Für das da sein. Hab das grad irgendwie gebraucht.“ Er lächelt ein wenig peinlich berührt.

Er kann ja nicht wissen das ich weiß, das er sitzen gelassen wurde.

Ein bisschen tut er mir immer noch Leid. Aber nur ein bisschen.

Eigentlich bin ich sauer. Fällt mir gerade auf. Anders kann ich das Gefühl nicht beschreiben, das ich empfinde. Ich bin sauer.

Bloß raus aus diesem Höllenschlund!

Jacke ist an. Weg weg weg!

„Also dann.“ - „Hey, das war echt nett.“

Nett?! Der fand das nett? Wie ist er dann, wenn er genervt und böse ist?

Oder sagt er das nur, weil er hier sonst niemanden kennt.

Würde ich sogar verstehen. Man sucht eben Kontakt. Immer und ständig.

Hab ich gehört. Von den anderen Menschen, die noch ein Leben haben.

„Fand ich auch.“ Lüge. Merkt er aber nicht.

Jaha. Wie auch? Ich bin eine wahre Lügenkanone.

„Cool! Hey, was halten sie davon, wenn wir morgen vielleicht mal was machen oder so? Ich würd gern mal wieder was feiern. Oder machen sie sowas nicht?“

Sie. Er sizte mich immer noch, obwohl er schon mit mir feiern wollte.

Ich fühle mich schrecklich alt und unbehaglich, weil ich jetzt schon weiß, was meine Lippen antworten werden, ohne das ich es will.

„Gute Idee! Klar geh ich gern feiern. Morgen?“ Ich klinge so sorgenfrei und lässig. Wie mache ich das nur? Vielleicht haben meine Beobachtungen ja doch gefruchtet.

Mein Magen blubbert wütend und mein Herz wummert weiter. Heute scheint mein Todestag zu sein.

„Ja, morgen Abend, wenn sie da Zeit haben.“ Ich nicke eilig, obwohl ich eigentlich den Kopf schütteln will.

„Ja, klar habe ich Zeit. Aber. Mir wäre das du eigentlich lieber. So alt bin ich eigentlich noch nicht.“ Er lacht und ich fühle mich wie der König aller Player.

„Okay. Sanji.“ Ich nicke. „In Ordnung. Lorenor.“ Wieder grinst er breit. Wie macht der das? Ich kann meine Muskeln nicht kräuseln.

Ich scheine ihn echt glücklich gemacht zu haben, denn ich kann mich endlich umdrehen und seine Wohnung verlassen, ohne das er mich wieder unterbricht.

„Bis morgen dann!“, ruft er mir nach und mir läuft ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter.

Bis Morgen. Hilfe. Wie komm ich da nur wieder raus?

„Ja!“, antworte ich eher zaghaft, weil mir keine Ausrede einfällt, wieso ich doch nicht kann.
 

Vielleicht sage ich morgen einfach, das ich doch arbeiten muss.

Das wär doch das einfachste.

Sorry Lorenor, aber ich muss arbeiten. Musst du eben allein feiern.

Sauf dich zu und fick deine Freundin.

Klasse.

Aber wieso bin ich mir so sicher, das ich das nicht sagen werde?

Wieso weiß ich jetzt schon, das ich mich morgen mit ihm treffen werde?

Verdammt.

Ich brauche eine Dusche und dann will ich ins Bett. Mich interessiert die Uhrzeit oder mein Job gerade eigentlich wenig.

Ich will einfach nur schlafen und an nichts denken müssen. Mein Kopf tut mir weh vom ganzen Nachdenken.

Ich drehe mich um, nur um zu kontrollieren ob er mir nachsieht, aber das tut er nicht.

Freue ich mich jetzt oder bin ich traurig?!

Na das wird ja morgen was werden. Scheiße, verdammte.

FREAK! - Yeah, Baby.

Stalker ! ~
 

N0. 8 – FREAK! ~ Yeah, Baby.
 

Ich esse jeden Morgen Cornflakes. Das ist ein Ritual bei mir, seitdem ich denken kann. Jeden morgen eine halbvolle Schüssel mit Cornflakes und Milch. Natürlich nur, wenn ich die Zeit finde, ist klar. Aber meistens nehme ich mir diese Zeit.

Der Geschmack der kleinen Schokokugeln erinnert mich immer an eine heile Welt ohne Probleme.

Eigentlich widersinnig. Ich hatte diese heile Welt doch auch ohne mein Elternhaus. Zumindest habe ich alles dafür getan, um sie irgendwie aufrecht zu erhalten. Wie sonst könnte man mein zwanghaftes putzen erklären?! ...

Ach verdammt, was bin ich nur so nachdenklich heute Morgen?

Ich sollte einfach meinen Kopf ausschalten und in Ruhe meine Schokoflocken essen, so wie ich es immer tue.

Nur schmecken sie heute nicht wie immer. Sie schmecken wie Dreck. Wie aufgequollener Dreck.

Die Milch hat sie weich und pampig gemacht, fast zäh. Sie knacken nicht. Sie kleben nur.

Das scheint ein echt besch... pardon... bescheidener Tag zu werden.

Ich erhebe meinen Kopf bevor er in die Schüssel sacken kann und schiele aus dem Fenster.

Wie um mich zu verhöhnen scheint die Sonne und ein Vogel singt direkt über meinem Fenster.

Schade, das ich mir nie ein Luftgewehr zugelegt habe.

Ich höre total süß irgendwo miauen. Für mich wird sie nie Mimi heißen.

Ich fühle mich müde und erschöpft, vollkommen erledigt.

Aber ich wundere mich nicht, schließlich habe ich die ganze Nacht nicht geschlafen.

Zum Einen weil ich ständig an heute denken musste.

Zum Anderen, weil ich drei Anrufe auf meinem AB hatte, gestern Abend, nachdem ich nach Hause gekommen war.

Zwei von Jeff, meinem Chef. Einen von Patty.

Beim ersten Anruf bittet mich der hochgewachsener Restaurantbesitzer eher unfreundlich, sofort bei der Arbeit zu erscheinen.

Dann mault Patty mich missmutig an, das ich sofort kommen soll und das er das Schlimmste befürchtet, wenn ich nicht schnell aufkreuze.

Dem Schlimmsten darf ich dann bei der dritten Nachricht lauschen. In der macht mein - Chef, ha! - mir unmissverständlich klar, das ich gar nicht mehr im Baratié auftauchen muss.

Weil ich nämlich gefeuert bin. So sieht's aus.

Ihr könnt euch jetzt vorstellen, was für eine genial verschissene Laune ich gerade habe?

Hat euer Chef euch am Telefon schon mal gekündigt?!
 

„MAU!“ Argh! Vor Schreck schmeiße ich fast meine Cornflakes vom Tisch und starre zum Fenster. Was war denn das jetzt bitte?

Als ich total süß erkenne, die wie eine tollwütige Minifurie an meinem Fenster klebt und sich die Krallen stumpf kratzt, muss ich doch kurz grinsen.

Eins muss man ihr lassen. Hartnäckig ist sie.

Ich stehe auf, bemerke das ich mich kaum bewegen kann, schleife mich zum Fenster und öffne es.

Das Felltier kriecht hinein, starrt mich mit ihrem bösesten Blick an der mir wohl sagen soll was für ein Arsch ich bin, das ich nicht schneller reagiert habe, dann torkelt sie ins Wohnzimmer.

Ich folge ihr nicht, weil ich mich jetzt auch von ihr ein wenig verarscht fühle.

Auch wenn es nun mal in der Natur der Katzen liegt, so zu gucken.

Soll sie doch den Blumentopf anstarren, verdammt!
 

Ich kippe die Flakes in den Mülleimer, stelle die Schüssel ohne sie zu spülen – was ich ziemlich rebellisch finde – in das Waschbecken und überlege, wie ich meine Gliederschmerzen bekämpfen kann, ohne mich mit Drogen voll zu pumpen.

Richtig – ich halte reichlich wenig von Medikamenten. Mein Körper reagiert seltsam darauf.

Fragt einfach nicht.

Ich gehe doch ins Wohnzimmer, weil ich nicht weiß wo ich sonst hin soll, setze mich neben total süß und schalte den Fernseher ein.

Da läuft eine Reportage über Alkoholiker.

Apropos! Der Grund wieso ich mich ursprünglich so vor diesem Tag gefürchtet hatte war ja der gewesen, das ich heute Abend mit Lorenor verabredet war.

Urgh. Sobald ich darüber nachdenke bildet sich ein dicker Klumpen in meinem Magen.

Ich überlege, ob ich gestern nicht ein wenig unfreundlich gewesen bin.

Na ja, eigentlich nicht. Schließlich gibt es einen Unterschied zwischen dem was man sagt und dem was man denkt. Und er scheint mich ja ganz nett gefunden zu haben.

Das allerdings lässt ein leichtes Kribbeln an meiner Hirnhaut entstehen.

Er mag mich. Seltsames Gefühl bei der Tatsache, das ich einen Monat damit verbracht habe ihm hinterher zu rennen wie ein Wahnsinniger.

Moment. Ich bin ein Wahnsinniger.

Komischerweise trifft mich das jetzt kein bisschen. Eigentlich finde ich das sogar ein wenig amüsant.

„Mau?“ Können Katzen reden? Oder vielleicht auch Gesichtsausdrücke deuten?

Dieses Miauen hat jedenfalls wie eine Frage geklungen. Fast wie „wieso grinst du so blöd, Zweibeiner?“

Nur um sie glücklich zu machen antworte ich.

„Kann ich nicht erklären, Kleine. Eigentlich geht es mir beschissen.“

„Mau.“ Das allerdings klang eher nach „Hab Hunger.“ oder sowas.

War wohl doch nichts mit der Kommunikation.

Trotzdem tut es gut, das sie da ist. Sie ist weich und flauschig und wenn ich mit der Hand durch ihr Fell fahre dann schnurrt sie.
 

Wieso tun Menschen das eigentlich nie? Einfach da sein, das können sie nicht. Sie müssen immer reden, oder dumm glotzen, oder irgendwas durch einander bringen.

Und schnurren können sie auch nicht. Sie müssen immer über ihre Gefühle reden. Pah!

Schnurren würde doch vollkommen ausreichen. Und wenns ihnen nicht gefällt sollen sie eben fauchen. Dann wüsste ich wenigstens immer wo ich dran bin.

Bei so Aussagen wie „was denkst du gerade?“ kann ich das zum einen nicht wissen und zum anderen möchte ich nicht antworten!

Denn die ehrliche Antwort - „An nichts bestimmtes“ oder vielleicht auch „an Sex“ - würde für beide Seiten nur Nachteile bringen.
 

Der Fernseher zählt gerade verschiedene Punkte auf, an denen man sehen kann ob man Alkoholiker ist oder nicht.
 

Punkt 1 - Sie trinken jeden Tag.
 

Ob man die Punkte auch aufs stalken anwenden kann?

Wenn ja, dann liegt Punkt eins bei mir vollkommen richtig. Jeden Tag, mehrere Stunden.
 

Punkt 2 – Wenn sie nicht trinken, werden sie aggressiv.
 

Aber hallo! Meine Möbel können ein Lied davon singen.
 

Punkt 3 - Sie geben Unsummen für den Alkohol aus.
 

Musste ich bis jetzt noch nicht; doch ich glaube, ich würde es tun, wenn ich es müsste.

Hey! Eigentlich keine schlechte Idee, sich so eine richtige Spionageausrüstung zuzulegen!
 

Punkt 4 – Wenn man sie auf ihr Problem anspricht, rasten sie aus.
 

Patty hatte ja schon das Vergnügen. Ich bin zwar nicht direkt aus gerastet, aber meinen Zorn hat er schon zu spüren bekommen. Ich hab eben Stil. Ich brülle nicht, ich gucke nur.
 

Punkt 5 (der Letzte) – Sie wissen das sie ein Problem haben, kriegen es aber allein nicht in den Griff.
 

Meine Güte. Scheint bei mir ja höchste Abhängigkeit zu sein. Auch der Punkt stimmt. Ich weiß, was ich tue, aber ändern kann ichs nicht.

Und es jemand anderem erzählen werde ich das ganz sicher auch nicht! Wäre ja noch schöner.

Hallo, ich bin der Sanji, und ich habe ein Problem.

Hallo Sanji!

„Mau?“ Katze, du machst mir Angst. Hör auf mir Fragen in dieser fremden Sprache zu stellen.

„Nichts.“, sage ich, nur damit sie die Klappe hält.

Denn Stumm gefällt sie mir viel besser. Dankenswerterweise hält sie die Klappe.

Ich streichle sie dafür. Bis die Reportage vorbei ist und die Wiederholung von „Nur die Liebe zählt“ anläuft.

In der Hoffnung ein paar Tränen verdrücken zu können lasse ich es laufen.

„Auch heute haben wir wieder tolle Liebespaare eingeladen!“

Schön. Toll. Freut mich.

Wieso sind eigentlich immer alle glücklich, nur ich nicht?

„Also Tammy, was ist los?“ - „Mein Freund lebt momentan in Amerika...“

Ach nein, wie traurig. Sei froh, das du überhaupt nen Freund hast!

„Und hier ist dein Freund, Tammy! Hier ist John aus Amerika!“

... wo sind die Taschentücher...?!
 

Ich schaue es bis zum Ende, die Sendung. Vielleicht, weil ich ein kleiner Masochist bin.

Ich weiß es nicht. Jedes Lachen dieser Menschen und jede Glücksträne macht mich schrecklich unzufrieden.

Irgendwie sind sie alle um mich herum glücklich. Haben tolle Wohnungen, tolle Partner, tolle Freunde, viel Zeit, nen tollen Job.

Und was hab ich? Ne schicke Bude, die ich bald nicht mehr zahlen kann.

Keinen Partner. Freunde, die mich nur stressen.

Viel Zeit – aber auch nur, weil ich keinen Job mehr habe.

... und was soll das bitte jetzt für ein Leben sein?

In was für einem Kartenhaus habe ich eigentlich die ganze Zeit gelebt?!
 

Total Süß beginnt an meinen Fingern zu lecken und ich kraule sie dafür, das sie da ist.

Auch wenn ich gerade das Gefühl habe das alles um mich zusammen bricht – es tut gut, einen warmen Körper bei sich zu haben. Der einen zumindest kurz lächeln lässt.

Die Kleine ist aber auch unverschämt süß.

„Und das wars dann auch für heute mit 'Nur die Liebe zählt!'“

Nicht so dramatisch. Es gibt genug Liebesschnulzen im Fernsehen und wenn ich keine finde, hab ich ja noch meine DVD's. Sissi. Schicksalsjahre einer Kaiserin. Autsch. Damit schick ich mich jedes Mal ins Land der Tränen.
 

Ich finde aber doch eine Schnulze, zu der ich mich wunderbar ausheulen kann.

Total Süß weicht nicht von meiner Seite, liegt einfach bei mir, atmet, hält die Klappe und genau dafür Liebe ich sie. Für einfach mal die Klappe halten.

Ich erschrecke mich, als das Klingeln des Telefons mich aus dem Film reißt.

Das Felltier hebt den Kopf und sieht zu, wie ich zum Hörer gehe, mir die Tränen wegwische und auf den grünen Knopf drücke.

„... ja?“

„Huch?! Ich hab ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dich zu erreichen.“

Mein Herz beginnt unregelmäßig zu schlagen, ich keuche kurz.

„Nami!“, entweicht es mir nun doch.

Das war ein absolut ungünstiger Moment. Wenn sie jetzt beginnen sollte, mir von ihrem neuen Lover zu erzählen, leg ich auf. Einfach so.

Und normalerweise tue ich das bei Nami nicht. Ich kannte die Konsequenzen.

„Wer denn sonst?“ fragt sie zurück und ich gebe ihr recht. Um so eine Uhrzeit ruft nur sie an. Schließlich ist sie die einzige meiner Clique, die nicht arbeiten muss.

„Eigentlich wollte ich dir auf den AB sprechen, aber wenn du jetzt da bist, ist das ja auch gut. Ich wollte fragen, was du heute Abend machst.“

Und Plumps. Schon saß ich in der Grube.

So schnell konnte das gehen.

Während ich total süß beim putzen beobachte, denke ich mir eine Ausrede aus.

„Bin verabredet.“ murmle ich schließlich.

Eine Halblüge. Dafür kann sie mich nicht köpfen.

„Und mit wem?“

Eine berechtigte Frage!

„Mit ein paar Arbeitskollegen.“ Das allerdings ist eine komplette Volllüge und wird mir sicher bald den Kopf kosten. Denn Nami findet bekanntlich alles raus.

Aber vorerst hab ich meinen Hals aus der Schlinge gezogen. Passt also irgendwie.

„Ach so - schade. Ich dachte, wir zwei machen mal wieder was mit einander.“
 

... das darf es doch nicht geben, oder?!

Da renne ich meiner Traumfrau jahrelang hinterher, schenke ihr jede Woche Blumen, trage ihre Taschen, gehe mit ihr einkaufen, lade sie ständig zu mir ein, mache ihr eine Liebeserklärung nach der Anderen – und wenn ich mich mit Lorenor Zorro verabrede, da ruft sie mal selbstständig an und will sich mit mir treffen!

Meine Organe teilen mir unmissverständlich mit, das mir gerade eine Riesenchance durch die Lappen geht. Und ich weiß das ja auch. Dieser Abend könnte zwischen ihr und mir alles verändern.

Aber sofort schießen mir Lorenor Zorros Worte wieder in den Kopf.

'Hey! Das war echt nett.' Das war echt nett.

„Tut mir Leid, Nami. Ich kann wirklich nicht. Vielleicht ein anderes Mal?“

Ich höre die empörte Wut in ihrer Stimme.

„Mal sehen. Ich ruf dich an.“ Mit diesen Worten hatte sie aufgelegt.

War ja klar. Ich darf das nicht, aber sie darf ohne Tschüss zu sagen auflegen.

Typisch Frauen.

Ich lege ebenfalls auf, schleife mich zum Sofa und beschließe, bis zum Abend gar nichts mehr zu machen. Und schon mal gar nicht ans Telefon zu gehen.

Und so vergeht der Nachmittag doch ganz schnell.

Ich sitze vor dem Fernseher, ab und an weine ich ein bisschen, bis ich den Blick von Total Süß auf mir spüre und glaube zu wissen, was sie denkt - „was für ne Schwuchtel“ denkt sie und das kränkt mich.

Ich schaue mir also noch einen Actionfilm an, erfreue mich an den Spezialeffekten wie ein echter Mann und grinse, wenn irgendwer stirbt.

Auch wenn das nur Show ist. Ich fühle mich männlicher dabei. Und total Süß guckt auch nicht mehr.

Ich schalte gerade auf die Sechs – Uhr – Nachrichten, als es an der Tür klingelt.

Ich sehe an mir hinunter.

„Gehst du, Kleine?“, frage ich die Katze, weil sie wenigstens ein Fell trägt, ich aber immer noch meinen Schlafanzug.

Da sie nicht reagiert, gehe ich zur Tür.

„Wer da?“ rufe ich, während ich versuche durch den Spion etwas zu erkennen, der aber hoffnungslos verdreckt ist. Komisch. Da hab ich noch nie sauber gemacht.

Information gespeichert.
 

„Ähm, hey, ich bins, Lorenor Zorro. Von nebenan.“

Ich bleibe wie angewurzelt stehen, starre die Tür an.

Ich hab doch gewusst, das er heute Abend kommt. Wieso bin ich dann also so geschockt?

Vielleicht weil ich gerade mal nicht dran gedacht hab.

Wieder sehe ich an mir hinunter. Mein Herz wummert gegen meine Brust und ich bekomme Schweißausbrüche.

Verdammt!

„Moment!“, quietsche ich, drehe mich auf dem Absatz um, stürme ins Schlafzimmer, reiße meinen Kleiderschrank auf und befördere den gesamten Inhalt auf mein Bett.

Ich wühle eine schicke Jeans hinaus, ein weißes Hemd und noch so eine Art Weste.

Allerdings in cool. So in schwarz. Mit Knöpfen.

Ich ziehe sie eher notdürftig an, zupfe sie zurecht, mache mir den Hosenstall zu und sprinte zurück in den Flur.

Vor der Tür stoppe ich um mir schnell die Haare zu richten.

Dann greife ich mit zitternden Fingern zum Türgriff und drücke ihn hinunter.
 

Als ich ihn sehe muss ich lächeln.

Nicht weil er lustig aussieht. Sondern weil er eine wahre Augenweide ist.

Auch er trägt eine Jeans, allerdings ist sie ausgebleicht und wirkt lässiger als meine. Darauf trägt er ein schwarzes leicht aufgeknöpftes Hemd und schwarze Schuhe.

Er hat sie rasiert, das sieht man, seine Haut ist schön glatt und seine Haare wirken wie immer lässig verstubbelt und doch gestylt.

„Stör ich?“

JA!
 

„Nein, gar nicht.“ Ich trete bei Seite und spüre meine Beine zittern. Mein Kiefer will auf einander schlagen, als wäre mir kalt, doch mir ist nicht kalt, ganz im Gegenteil. Meine Wagen glühen richtig.

Er tritt ein und sieht sich mit seinen neugierigen Saphiraugen um.

Ich gehe vor, ein wenig eilig, da ich die Schlafzimmertür aufgelassen habe.

„Wow. Das nenn ich mal Stilsicher.“, höre ich ihn hinter mir sagen und ich grinse stolz.

„Danke. Hat mich auch viel Mühe und Zeit gekostet.“

Ich schließe die Tür – und sehe Total Süß, die jetzt neugierig den Kopf gehoben hat.

OH MEIN GOTT – NEIN!

„... Mimi...?“

Ich will sterben. Sofort.

Sanji – angeklagt wegen Katzenentführung von seinem gut aussehenden Nachbarn.

„Was machst du denn hier?“

Wieso lacht er denn? Ist das irgendwie lustig, wenn man die Katze klaut und bei sich einquartiert?

Er dreht den Kopf und sieht mich an.

Ich lehne geschockt an der Schlafzimmertür. Ich glaube, ich bin kreidebleich.

„Tut mir Leid, Mimi ist manchmal echt aufdringlich. Da, wo ich früher gewohnt habe, war das immer ein Problem. Sie wollte immer in die Wohnungen der Nachbarn.“

Ich schaffe es nicht zu lächeln.

„Nein, es war meine Schuld, ich hab sie rein gelassen...!“, nuschle ich, doch er schüttelt den Kopf.

„Schon okay. Sie kann ja hier bleiben. Irgendwann kommt sie immer zu mir zurück. Stimmts, Mimi?“

Er streichelt sie und Total Süß reckt ihm ihren Kopf entgegen.

Würde ich wohl auch machen, wenn er mich am Kopf ... - Moment, WAS?

Ich hab zu wenig geschlafen. Das ist es.

„Also, wollen wir los? Oder ist das irgendwie doch ungünstig?“

Ich bekomme endlich wieder Luft und keuche ein „Nein, gar nicht“ in den Raum, bevor ich ins Schlafzimmer husche und die Tür hinter mir schließe.

Ich brauche eine Auszeit, setze mich kurz aufs Bett und atme tief durch.

Hilfe. Das kann doch nicht gut sein, sowas.

Ich sollte mich beeilen.

Ich flitze ins Bad, wo ich mich eher schlecht als recht fertig mache, schlüpfe in Socken und Schuhe und komme wieder heraus.

Er sitzt auf meinem Sofa und kuschelt die Katze.

Ich muss mir dringend eine Digitalkamera anschaffen.

„Fertig.“, murmle ich schließlich, nachdem ich wieder reden kann.

Er sieht auf, lächelt und erhebt sich.

„Weißt du schon, wo wir hingehen? Ich kenn mich hier ja nicht so aus.“

Green Peach. Green Peach. Green Peach.

„Wie wärs mit dem Green Peach..?“

„Hört sich gut an. Nehmen wir meinen Wagen?“ - „In Ordnung.“
 

Wieso das Green Peach?

Einfache Frage, einfache Antwort. Der einzige Ort, an den meine Freunde niemals gehen würden.

Weil das viel zu stilvoll für die ist. Ha.

Denn das Letzte was ich will ist, das meine Freunde mich im glücklichen Gespräch mit der Marmorstatur Lorenor Zorro sehen.

Vor allem Nami soll ihm kein zweites Mal über den Weg laufen.
 

Ich schlüpfe in die Jacke, er geht schon hinaus, ich folge ihm und schließe die Tür hinter mir ab, dann schlendern wir neben einander den Weg die Straße hinauf.

„Siehst müde aus, Nachbar. Nicht gut geschlafen?“

Na toll. Wir gehen feiern und ich seh müde aus. Da gehen die Frauen ja nur aus Mitleid mit mir mit.
 

Auch wenn ich gerade irgendwie bezweifle, das ich überhaupt eine Frau abschleppen werde.

Irgendwie... bin ich mir da sogar ganz sicher.

„Nein. Ehrlich gesagt gar nicht.“ „Oh. Wieso?“

Also so gut kennen wir uns dann auch noch nicht, Freundchen!

Ich zucke also mit den Schultern.

Er lächelt, dann tritt er an einen schwarzen Mercedes heran.

Sofortiger Hass bestätigt mir, das ich der Besitzer dieses Autos sein will.

Ich – will!

„Einsteigen!“, flötet er und ich folge seinem Ruf, schleiche um das Auto herum und lasse mich auf den Beifahrersitz gleiten.

Meine Finger zittern, als ich mir durch die Haare fahre. Ich bekomme kaum Luft, mein Magen überschlägt sich.

Ich glaube, ich bin noch nie im Leben so aufgeregt gewesen.

Er steckt den Zündschlüssel ins Schloss und der Wagen beginnt zu schnurren wie eine glückliche Katze. Ein Geräusch, das jeden Mann glücklich machen würde – wäre er nicht in so einer Stresssituation wie ich.

Ich muss ein Gespräch in Gang bringen!

Doch er übernimmt das für mich.
 

„Also wenn du zu müde bist, können wir auch schon früh wieder gehen. Ich versteh das. Wir müssen ja alle arbeiten.“

Falsch. Ich darf nicht mehr. Haha. Super.

Da kann ich heute auch mal richtig auf die Kacke hauen, verdammt!

Mit dem Beschluss heute die Sause des Jahrhunderts zu feiern schüttle ich den Kopf.

„Nein, es geht. Heute lass ich die Puppen tanzen.“

Er lacht und ein Schauer läuft meinen Nacken hinunter.

„So mag ich das.“

Ja, ich auch. Ich hoffe, wir sind nicht allzu bald da.

Seine Hand auf dem Schaltknüppel macht mich nervös. Aber das ist gut. Echt gut.

If i were a girl ..

~ Stalker! ~
 

N0. 9 – If i were a girl...
 

Es riecht gut, hier in seinem Wagen.

Ich schließe die Augen, nur für wenige Sekunden, um diesen Geruch vollends genießen zu können.

Vielleicht riecht so Glück. Das vollendete Glück.

Es hüllt mich ein, gibt mir ein warmes Gefühl in der Brust, lässt mich schläfrig und entspannt werden. Ich möchte nie wieder aussteigen. Ich zieh hier ein.

„Sanji?“

Menschen eben. Können keine Sekunde die Klappe halten. Stören grundsätzlich und immer.

Wobei er das darf. Er schafft es schließlich irgendwie, diesen Wagen zu einem Tempel der Entspannung zu machen. Da darf er auch Fragen stellen.

„Hmja?“, murmle ich als Antwort, öffne die Augen aber nicht, weil es mir nicht als nötig erscheint.

„Alles klar bei dir?“ Ein Glucksen ist in seiner Stimme zu hören und auch ich muss lächeln.

„Ja, alles super. Weck mich einfach, wenn wir da sind.“

Er lacht leise und ein erneuter Schauer läuft meinen Rücken hinunter, breitet sich sogar auf meinen Armen aus. Seine Stimme hat einen seltsamen Unterton. Zuerst hört sie sich nur rau und dunkel an, doch wenn man genau hinhört... dann ist da noch was Anderes. Es zieht sich wie ein weicher Seidenschal durch alles was er sagt. Es lässt die Worte die aus seinem Mund kommen hart und gleichzeitig butterweich klingen.

Mit dieser Erkenntnis wird mir klar, das ich niemals so ein Mann sein werde wie er.

Selbst wenn ich mich mehreren Schönheitsoperationen unterziehen würde.

So eine Stimme würde ich nie haben. Ich klinge eher wie ein Rotkehlchen auf Koks. Finde ich.

„Lorenor?“ - „Hm?“ Er scheint konzentriert. Ist mir aber egal.

„Wie klingt meine Stimme eigentlich?“

Ich öffne die Augen nicht, spüre aber kurz seinen Blick auf mir.

Die Frage kommt sicher überraschend für ihn. Aber ich hab meine Stimme noch nie gehört. Wie auch. Man hört sich schließlich selbst anders, als andere einen hören.

„Wieso die Frage?“ - „Interessiert mich einfach.“

Wieder lacht er leise und ich genieße dieses Geräusch, das wie die Brandung eines Meeres in meinen Ohren klingt. Rauschend. Berauschend.

„Ähm. In Ordnung. Also. Deine Stimme.“ Versucht er die Beleidigung jetzt möglichst charmant einzupacken?

„Wie soll man denn eine Stimme beschreiben?“ Okay, wenn man keine Fantasie hat, dann ist das schwierig.

Wow, ich hab tatsächlich etwas gefunden was Lorenor Zorro NICHT hat. Er hat keine Fantasie. Erstaunlich.

Das lässt mich doch hoffen, das es etwas gibt was ich besser kann als er.

„Versuch es eben.“, motiviere ich ihn, um zu sehen ob er sowas wirklich nicht gut kann.

„Hm. Sie hört sich weich an.“ Weich. Klasse.

Schleim ist auch weich. Schleimig und weich.

„Weich?“, frage ich nochmal nach. Vielleicht habe ich mich ja verhört.

„Weich.“, bestätigt er. „Weich und glatt. Kein Kratzen, kein Ziepen, kein Junken, kein Kreischen. Ganz weich.“

Okay, genug davon, jetzt beginnt er mir Angst ein zujagen.

Ich habe also eine weiche Stimme. Interessant.

Ich grinse und kuschle mich tiefer in die Lederbezüge.

„In Ordnung.“, murmle ich und ziehe noch einmal diesen unbeschreiblich angenehmen Geruch ein.

„Weich und glatt.“ Er lacht und ich höre wie seine Hand durch seine Haare fährt.

„Man, du stellst vielleicht Fragen! Wie deine Stimme klingt – keine Ahnung! Wie deine Stimme eben.“ - „Danke. So weit war ich auch schon.“

Wir lachen kurz auf, dann wird das Auto langsamer.

Eher unwillig öffne ich die Augen.

„Weiter fahren.“, knurre ich missmutig, doch das kleine Navigationsgerät das Lorenor auf dem Armaturenbrett angebracht hat gibt unmissverständlich und ziemlich plärrend „Ziel erreicht!“ von sich.

Also sind wir da.
 

„Parkplätze sehen hier aber schlecht aus.“, murmelt mein Fahrer, als er ein zweites Mal um den Block fährt. Ich bin kurz davor, ihn für seine Scharfsinnigkeit den Orden der Intelligenz zu verleihen, als er erleichtert seufzt.

„Da vorn ist ein Parkhaus.“ Schilder lesen kann er also auch.

Anscheinend ist die fehlende Fantasie der einzige Makel, den er besitzt.

Das gibt mir ein unangenehm minderwärtiges Gefühl in meiner Magengegend.

Wir fahren in den kleinen Tunnel, kurven auf das dritte Unterdeck und stellen dort die schicke Karosserie ab.

„Sag mal. Wer von uns soll eigentlich nüchtern bleiben?“
 

Verdammt. Die Frage habe ich mir noch gar nicht gestellt, obwohl sie so wichtig ist.

Denn ich bin eigentlich derjenige, der sich liebend gern voll laufen lassen würde.

„Weiß nicht.“, antworte ich, um die Entscheidung auf ihn abzuwälzen und hieve mich aus dem Wagen. Er tut es mir gleich.

„Dumme Frage. Ich natürlich. Schließlich hab ich dich quasi eingeladen und ich hab dich auch abgeholt. Da bleib ich auch nüchtern.“

So wie er das jetzt sagt klingt das furchtbar ungerecht.

„Nein, ist okay, ich bleibs. Du musstest schon vorher fahren, zurück kann ich mir mal Mühe geben.

Das ist nur fair.“ Er schüttelt energisch den Kopf.

„Die Entscheidung steht. Ich lass die Finger vom Alkohol.“ - „Aber...“

Er wirft mir einen Blick zu, der mich sofort verstummen lässt.

Daraufhin grinst er. Das ignoriere ich.

Dann ist das also beschlossene Sache. Ich saufe, er muss sie heute Abend mit Cola zufrieden geben.

Meinetwegen.

„Aber nächstes Mal fahre ich.“, teile ich eher beiläufig mit, während wir uns an Autos vorbei drücken und zum Aufzug schlendern.

Er fummelt an seinem Hemd herum.

„Beim nächsten Mal?“, fragt er fast scheinheilig, aber ich höre den Unterton.

Ich zucke neutral mit den Schultern.

„Japp.“, antworte ich schließlich und versuche möglichst gleichgültig zu klingen. Was ich natürlich nicht schaffe. Ich klinge ein klein bisschen aufgeregt.

Wir verlassen das dunkle Parkdeck und treten in das verdreckte Treppenhaus. Er drückt den Knopf des Fahrstuhls, ich lehne mich an die Wand.

„Vielleicht geh ich ja nochmal mit dir weg, wenn du dich gut benimmst.“, sagt er mit einem Grinsen und ich rümpfe die Nase.

„Ich benehme mich immer.“, verkünde ich selbstsicher. Er nickt lächelnd.

„Mhm, ja. Das sagen sie alle.“

Diese Kumpelschiene gefällt mir. Macht unser Reden entspannter und lässt mich nicht daran denken, wie er ohne Höschen aussieht.
 

„Träumst du?“

Oh verdammt. Mein Kopf ist wohl – während ich so über diese bestimmte Angelegenheit nachgedacht habe – ein wenig nach unten gesackt. Ähm. So mit den Augen in die Richtung seines Hinterteils.

Scheint ihm aber nicht aufgefallen zu sein. Glücklicherweise ist der Fahrstuhl da, mit einem leisen 'Ping' öffnen sich die Türen und er tritt ein, während ich ihm folge.

Ich glaube, ich bin rot, aber ich hab das mittlerweile mit dem Verdecken ganz gut drauf.

Einfach Kopf nach unten und so tun, als sei man müde.

„Ein wenig.“, sage ich schließlich, nur damit er eine Antwort hatte.

Ich höre seine Kleidung rascheln, dann spüre ich seinen Arm an meinen.

Verdammter Aufzug. Wieso müssen die eigentlich immer so eng sein?

Ich beiße die Zähne zusammen und atme erstmal nicht. Nur vorsichtshalber. Man weiß ja nie.

„... und es ist echt nichts passiert?“

Argh. Wieso klingt er nur so besorgt? Wieso habe ich das Gefühl das es ihn wirklich interessiert, obwohl wir uns erst wenige Tage kennen?

Na ja, eigentlich kennen wir uns noch gar nicht. So richtig.

Ich kenne ihn. Er mich aber nicht.

Man, ist das alles kompliziert!

„...“ - „Du musst es mir nicht sagen.“ Wie lange braucht dieser behinderte Aufzug?

„Vielleicht später. Ich will mir den Abend nicht verderben.“ Ich sehe auf, nur um zu kontrollieren was für einen Gesichtsausdruck er hat.

Doch seine Augen leuchten unbestimmbar auf, als ich aufsehe. Er nickt.

„Ja, in Ordnung. Verstehe ich auch.“ Er seufzt, holt dann Luft.

„Na komm, dann denken wir jetzt auch an was anderes.“ Ich bin seid mehreren Stunden mit dem verdrängen beschäftigt. Aber schön, das du es nochmal angemerkt hast. Ich bin dir sehr verbunden, Lorenor Zorro.

Endlich, endlich öffnen sich die Fahrstuhltüren und wir steigen aus. Ich schnuppere die frische Abendluft und genieße die Stimmen, die lachend und fröhlich quatschend an meine Ohren dringen.

Manchmal finde ich es ganz angenehm, unter vielen Menschen zu sein.

Das schützt vor Blicken.
 

Seine Hand streift meine als er vorbei geht und ich erzittere kurz.

Seine Haut ist weich. So wie meine Stimme, angeblich. Ich lächle.

„Lorenor!“

Ich bleibe stehen und beobachte mit wachsender Überraschung eine Gruppe fremder Leute, die sich freudig strahlend auf den Grünhaarigen zu bewegen.

Er kennt hier ja niemanden. Ha! Wollte der mich verarschen? Die halbe Stadt kannte ganz offensichtlich seinen Namen. Denn jetzt wo er fertig war seine Kumpels zu begrüßen begann er, einige vor dem Club stehende Frauen zu umarmen.

Erneut beiße ich die Zähne zusammen, trete von der Parkhausöffnung weg und schlendete über die Straße zum Eingang des Green Peach.

Das wird ein toller Abend. Das spür ich in meiner linken Gesäßtasche.

Verdammte Scheiße, wer war das denn alles?

„Sanji! He, hier drüben!“

Der hat wohl nicht so ganz verstanden, das ich ihm und seinem hysterisch kreischenden Weibergrüppchen aus dem Weg gehen will.

Ich beobachte aus einiger, sicherer Entfernung wie er die Hand hebt und mich zu sich winkt.

Alles in mir schreit laut NEIN! - aber ich gehe doch hin, langsam zwar, aber ich setze mich in Bewegung und schiebe die Hände in die Hosentaschen, weil ich nicht weiß wo ich sie sonst hin tun soll.

„Also – das sind Cathy, Nina, Alina, Tony...“ Ah. Er zählt die Namen auf. Dabei geht er mit seiner Hand durch die Weiberreihen und deutet bei jedem Namen auf die entsprechende Person. Die mich dann kurz anlächelt und sich wieder dem Opfer ihrer Begierde zuwendet. Nämlich Lorenor Zorro, der Fleisch gewordenen Männlichkeit.

Wer war nochmal auf die Schnapsidee gekommen, mit diesem Übermann weg zu gehen?

„... und Lili.“ Ah? Wir sind durch? Gut. Ich hab nicht zugehört, aber das wird wohl kein Drama sein. Die werden eh nicht mit mir reden.
 

Ich drehe mich um ohne ein Wort zu sagen – und starre in die Gesichter mindestens 8 hoch gewachsener, breiter Kerle die ungefähr in meinem Alter zu sein scheinen.

Ihre Blicke verraten nichts von ihrer Gefühlslage und mir will gerade ein panischer Kreischen entweichen, als einer von ihnen spricht.

„Du bist also der 'Nachbar'?“

Okay. Das ist strange. Woher weiß der das?

„Ähm.“, murmle ich und gehe mir mit der Hand durch die Haare, um meine Nervosität zu überspielen.

„Ja.“, seufzte ich schließlich, als sie nicht aufhören zu glotzen.

Als sich ihre Gesicher aufhellen und mir reihenweise auf die Schulter geklopft wird, bin ich endgültig durch den Wind.

Was um Himmels willen geht denn hier vor? Was wollen die alle von mir?!

„Nett, dich kennen zu lernen, Sanji!“

AH! Die kennen meinen NAMEN!

Wissen die etwa auch wo mein Auto steht?

Meine Finger zittern, als ich sie tiefer in die Hosentaschen schiebe, damit es keinem auffällt.

„Woher...?“, presse ich nun hervor und ich höre sie lachen, auch wenn gerade alles vor meinen Augen verschwimmt.

„Zorro hat schon erwähnt, das du heute mit ihm ausgehen würdest.“

Mir fällt ein, das ich ihn gestern Abend gar nicht beobachtet habe.

Er muss mit ihnen telefoniert haben. Oder so ähnlich.

Ich seufze schwer – es gibt eben doch für alles eine logische Erklärung.

„Ach so, ja. Ähm. Er hätte ja ruhig mal erwähnen können, das er hier regelmäßig von Horden wilder Weiber angegriffen wird.“, murmle ich und bringe damit einen Kerl mit braunen Haaren und breiten Schultern zum lachen.

„Zorro war noch nie hier, soweit ich weiß. Aber so ist das immer. Man geht irgendwo mit ihm hin, und sofort ist er umzingelt von willigen Frauen.“

Wieso nennen die ihn denn Zorro? Das war doch sein Nachname oder hab ich irgendwas verpasst?!

„Ähm. Gut. Dann werde ich mich in Zukunft darauf einstellen.“, sage ich leise, doch bevor ich mich aus dem Staub machen kann drängt mich die Männermannschaft in Richtung Eingang.

„Bist du öfter hier?“, will einer wissen und ich schüttle den Kopf.

„Hab sonst nie Zeit.“, antworte ich.

„Als was arbeitest du?“ - „Wie alt bist du?“ - „Wie lange kennen du und Zorro sich?“

Diese und noch ein paar Fragen mehr prasseln auf mich ein während wie uns den Stempel beim Eingang holen und uns der Türsteher eher beiläufig kontrolliert.
 

Durch einen schmalen Gang geht es hinunter in die Disco, die ein bisschen an einen riesigen Gewölbekeller erinnert. Einige Steinsäulen ragen zur Decke hinauf und unten auf dem fast schwarzen Boden tanzen Menschen, bewegen sich wild im zuckenden Licht.

Es ist von einer Sekunde auf die Andere so laut, das ich kurz die Augen zusammen kneifen muss, um weiterhin gut denken zu können.

Lorenors Freunde schleifen mich quer durch die Disco, vorbei an Tanzenden, vorbei an der Bar und auch vorbei an den ersten Sitzmöglichkeiten, die ich nur zu gern angesteuert hätte.

Nein, diese Männer wollten an einen Tisch ganz weit hinten, direkt am DJ – Pult.

Da wo es einem richtig das Gehirn zerfetzt.

Das schien ihr Stammtisch zu sein, denn sonst saß hier auch keiner – was mit dem enormen Lärm zusammen hängen könnte.

Ich sehe mich nach Lorenor um, entdecke ihn jedoch nicht.

„Willst du was trinken?“, brüllt mich einer an und ich nicke zaghaft.

Am liebsten irgendwas doppeltes, doch bevor ich das sagen kann ist der Kerl schon verschwunden. Wohl auf dem Weg zur Bar.
 

Einige wollen das ich mich zu ihnen setze, doch ich stehe lieber, ich stehe direkt neben dem Tisch und sehe mich um.

Lorenor ist nicht zu sehen.

Wo bin ich da nur hinein geraten?!

„Hier!“ Der Fremde drückt mit den Drink in die Hand und ich erkenne dankbar, das es Vodka ist.

3,2,1 – meins. Weg mit dem Zeug.

Ich schlucke, es brennt, es brennt höllisch, doch ich muss grinsen.

Dann setze ich mich doch. Die Männer scheinen sich zu freuen.

Sie quatschen und lachen und erzählen mir irgendwas, doch ich höre nicht zu, sitze einfach nur da und nicke an den richtigen Stellen.

Die waren eigentlich ganz okay. Gingen ohne Vorurteile an mich heran. Und das Beste ist, das ich ihnen nicht zuhören muss. Weil die Musik so laut ist, das ich kein Wort verstehe.

Eine Hand senkt sich auf meine Schulter und ich weiß ohne hin zu sehen, wem sie gehört.

„Na, amüsiert ihr euch?“, fragt der Grünschädel und alle nicken synchron.

Ein angenehmes Rauschen macht sich in meinen Ohren breit und was Lorenor als nächstes sagt verstehe ich nicht. Ich konzentriere mich auf das Rauschen und auf die Gesichter der Fremden.

Sie sehen jung aus, zum Teil sogar jünger als ich. Sie sind glücklich. Haben Spaß.

Es gefällt mir, bei ihnen sein zu dürfen, weil das sich anfühlt als wäre ich ein Teil des Ganzen.

Ein Teil des Glücks. Des Männerglücks.

Party, Frauen, Saufen. Rülpsen und Schlafen.

Jaha, so muss das sein!
 

„Hey Sanji, nicht einschlafen!“ Er rüttelt meine Schulter, von der er seine Hand nicht genommen hat, sein Kopf ist gefährlich nah an meinem Ohr, damit ich ihn verstehe, und er grinst.

Ich grinse auch, aber nur um zu verdecken wie geschockt ich eigentlich bin.

Dann schüttle ich den Kopf.

„Lass den armen Kerl doch!“, brüllt ein bei mir Sitzender. Nett, das er mich in Schutz nimmt, wo wir uns doch gar nicht kennen. Menschen können ja so naiv aufdringlich sein. Irgendwie süß.

„Nee, ist schon okay, ich muss es ja noch was machen.“, versuche ich zu antworten, doch meine Stimme ist nicht kräftig genug, sie kommt nur bei Lorenor an, der zustimmend nickt.

Die zuckenden Lichter auf der Tanzfläche lassen kleine weiße Punkte in meinem Blickfeld entstehen. Ich fühle mich betrunken und gleichzeitig total nüchtern.

„Komm, wir sind nicht zum rumsitzen hier!“, kreischt nun ein Anderer und wirft sich wie ein Gorilla in die tanzende Menge.

Wir lachen, also ich auch, dann erhebt sich einer nach dem Anderen, schnappt sich erbarmungslos ein Mädchen das kurz vorher noch an Lorenor geklebt hat und fängt an, mit ihr zu tanzen.

Nur ich. Ich bewege mich kein Stück.

Ich sehe ihnen zu und lächle. Bis seine Hand mich wieder rüttelt.

„Was ist mit dir?“, fragt er und ich zucke nachdenklich mit den Schultern.

„Nichts, wieso?“, frage ich leicht verpeilt zurück. Er lacht. Er lacht viel, fällt mir gerade auf.

Eine gute Eigenschaft. Ich weine viel. Nicht so gut.

„Komm, steh auf, lass uns tanzen!“

Ich hab aber keine Lust.

„Mit wem soll ich denn bitte tanzen? Ich kenn doch niemanden hier im Gegensatz zu dir.“

Seine Antwort: „Klar kennst du jemanden. Mich.“
 

Ooookay. Angst. Große Angst. Sehr große Angst.

Jetzt Panik. Denn ich erhebe mich, vollkommen ohne es wirklich zu wollen – meine Gedanken gehen einen ganz anderen Weg, aber meine Beine zwingen mich zum aufstehen. Dann bewegt sich mein Mund wie von Geisterhand.

„Dann lass uns tanzen.“ Seine Augen glänzen und ich versuche weg zu sehen.

Doch der Kerl ist wie ein Autounfall. Man KANN einfach nicht wegsehen.

Wir gehen zur Tanzfläche, er lässig, ich verspannt.

Er dreht sich zu mir um und lächelt.

Ich schließe die Augen und trete vor ihn, stelle mir jemand ganz anderen vor.

Lysob. Oder Ruffy. Wenn ich mit denen tanzen würde, wäre das sicher nicht so... nervenaufreibend.

Höchstens für meine Füße, die dadurch ziemlich in Mittleidenschaft gezogen werden würden.

Aber ich tanze nicht mit einem Knallkopf. Meine Glieder beginnen sich im Takt der Musik zu bewegen, langsam aber sicher komme ich wieder rein – ich war mal ein guter Tänzer, das haben zumindest meine Exfreundinnen gesagt.

Auch er bewegt sich, doch bei ihm sieht das ganz anders aus. Seine Bewegungen fließen, er tanzt wie ein Tiger auf der Jagd, er tanzt .... heiß.

Und ich mit ihm, bei ihm, nur wenige Zentimeter von ihm getrennt.

Meine Wagen glühen, mein Stirn tut das auch. Mein Magen überschlägt sich ein weiteres Mal, mein Herz rast schneller als je zuvor. Vor meinen Augen beginnt alles zu verschwimmen, als ich seinen Atem spüren kann, als ich seine Brust beobachte die sich schnell hebt und senkt.

Ich lächle, weil das Adrenalin mich dazu zwingt, ich lächle und vergesse alles um mich herum, vergesse den Stress und die Wut und die Trauer und gebe mich dem Moment hin.

Dem Moment, der nur von Lorenor Zorro und der Musik in meinen Ohren gefüllt wird.

Ich tanze lockerer, fühle mich frei, endlos und frei, vollkommen losgelöst.

Sein Gesicht im Neonlicht, das Lächeln, seine Wärme, sein Geruch.

Mein Gott, sein Geruch. Ich sterbe, der Mann riecht einfach zu gut.

Die wirbelnden Gestalten um uns herum, die Frauen die mich neidisch betrachen, mein Stolz, mein Ego, mein Leben. Alles ist vergessen.

Nur er zählt. Alles an ihm.

Seine Augen, die mich suchend mustern, als hätte er etwas in meinem Gesicht verloren.

Die Körper, die Leidenschaft, die Lust. Der Sex.

Der Wille, all das niemals zu vergessen.

Die Dunkelheit, die sich um mich schließt, als ich falle.
 

Die Nacht, die sich auf meine Augen legt, als ich auf dem Boden aufkomme.

I don't know whats right and whats real anymore.

~ Stalker! ~
 

N0. 10 – I don't know whats right and whats real anymore.
 

... ah. Wieso ist es auf einmal so hell...?

Welcher Idiot macht denn das Licht an, wenn ich versuche zu schlafen...?

Wahrscheinlich Ma. Und gleich werde ich herrisch in die Schule geschickt, weil sie vergessen hat das ich schon 23 bin und diesen Ort schon lange nicht mehr besuche.

Ich stöhne kurz auf, lege mir eine Hand auf die Augen.

„Mach das aus...“, murmle ich, doch als ich keine direkte oder indirekte Antwort bekomme quäle ich doch meine Lider nach oben.

Hm. Doch keine Deckenlampe die unfreundlicherweise an geknipst worden ist.

Einfach nur das normale Tageslicht.

Scheiße. Der Tag war eine ganz üble Erfindung.

Und wieso tat mir überhaupt alles weh? Ich habe ernsthafte Probleme mit dem Bewegen meiner Körperteile, mein Rücken schmerzt seltsam und mein Kopf ist eine matschige Birne. Oder ein alter, durchlöcherter Apfel. Apfelsine?!

Wie auch immer, ist doch auch total egal.

Okay. Kurze Ortsanalyse. Unter mir ist es weich, gemütlich, eine Decke liegt mehr oder wenige ordentlich über mir und durch das Fenster hinter mir scheint das Tageslicht.

Ganz klar mein Bett, mein Zimmer, mein Fenster. Allerdings nicht mein Tag.

Ich rapple mich in die Höhe, keuche bei den heftigen Kopfschmerzen die sich quer durch meinen Körper bahnen und bis in meine Zehenspitzen zu spüren sind und versuche aus dem Bett zu kriechen.

Was sich aber als schwieriger erweist als gedacht, wenn man seine Beine nicht mehr kontrollieren kann und diese eher ungelenk wie Pudding hin und her wabbeln.

Vielleicht sollte ich langsam mal zu Arzt. War doch nicht mehr normal, was mit meinem Körper abging.

Wo wir gerade von nicht normal sprechen - wieso kann ich mich eigentlich nicht daran erinnern, was ich gestern Abend gemacht habe?

Ich lege mir erneut die Hand auf die Augen um das schmerzende Tageslicht zu vertreiben und überlege – soweit mir das eben heute möglich ist.

Also. Da war doch was. Irgendwas mit Lorenor Zorro, das weiß ich noch.

Da war doch...

Eine Verabredung, genau! Wir hatten eine Verabredung gehabt. So war das gewesen.

Ja, und dann...?!
 

„Sanji?!“
 

AH!

Wer in drei Teufels Namen war das und – wieso kannte er meinen Namen und rief ihn um (kurzer Blick auf die Uhr) kurz nach zwölf total lässig durch meine Wohnung?!

Hatte ich mir etwa in meiner Gedächtnislücke einen Untermieter angelacht? Himmel hilf!

„Bist du wach?“

Okay Sanji, beruhig dich, ganz ruhig. Die Stimme ist dunkel und rau. Tief und einschneidend. Wer könnte das also sein?

Na da muss ich ja nicht lange nachdenken.

Vollkommen perplex, mit den Füßen auf dem Boden, dem Hintern auf der Bettkante und dem Gesicht zur Tür gedreht antworte ich gedehnt.
 

„Lorenor...?“ Meine Stimme ist nicht mehr als ein heiseres Fiepen, doch da ich wenige Sekunden später eine Antwort bekomme, muss er mich ja gehört haben.

„Du bist wach!“ Irgendwas raschelt, dann Klappern aus der Küche, schließlich Schritte im Flur.

Ein wenig in Panik geratend drücke ich meinen schlappen Körper zurück in mein Bett und schiebe ihn unter die Decke.

Als sein Gesicht im Türrahmen auftaucht, halte ich die Luft an.

Zum Einen weil die Situation absolut seltsam ist.

Ich liege müde und verwirrt in meinem Bett ohne Ahnung davon zu haben wie ich hierher gekommen bin – und im Türrahmen steht Lorenor Zorro, er sieht müde aus, ein paar Ringe hat er unter den Augen, außerdem hat er .... Mehl im Gesicht?!

Ich weiß nicht wieso und will es auch nicht wissen. Mein Hirn ist eh schon vollkommen überlastet.

„Was machst du hier?“, frage ich kraftlos, während ich mich auf meine Arme stützte damit ich ihn ansehen kann.

Die Blicke, mit denen er mich mustert, sind unergründlich, ich kann in ihnen absolut nicht ablesen was er denkt oder was er fühlt. Und es interessiert mich auch gerade nicht die Bohne.

Ich bin dem Nervenzusammenbruch ziemlich nahe.

„Ich hab dich nach deinem Zusammenbruch her gebracht und aufgepasst.“, antwortet er schließlich nach gefühlten 5 Minuten und ich kann nichts anderes tun als überfordert zu nicken.

„Wie geht es dir denn?“ Ich zucke mit den Schultern.

„Gut. Ja, gut. Kannst jetzt gehen.“

Ah, endlich erkenne ich eine Emotion in seinen Augen. Verwirrung.

„Bist du dir sicher? Ich meine, mit sowas sollte man nicht...“

„Ja, mir geht es gut.“ Ich weiß das es unhöflich ist jemanden beim Reden zu unterbrechen, aber er muss verschwinden. Sofort.

Erst mal sagt mein Gegenüber gar nicht, bewegt sich aber auch kein Stück. Er starrt mich nur an, mustert mich von oben bis unten und ich habe das Gefühl, das er mir bis tief ins Innere gucken kann.

Ist er vielleicht fest gewachsen oder sowas?! Meine Message war eindeutig gewesen. Er musste weg. Auch wenn er sicher nicht verstand, wieso.

Er nickt und ich atme erleichtert auf.

„Gut, wie du willst.“ Ich beobachte mit wachsendem Unmut, wie er an der Tür vorbei geht und sich dabei das Mehl, das seltsamer weise auf seinem ganzen Körper verteilt ist, von sich abklopft.

Sehr nett, das er mir wenigstens Arbeit lässt.

Da kann ich gleich den ganzen Flur putzen. Weiter denke ich noch nicht.
 

Ich horche, wie er sich die Jacke anzieht, in die Schuhe schlüpft, die Tür öffnet.

Ich lege den Kopf auf die Beine, die ich jetzt angewinkelt habe, und versuche meinen ungleichmäßigen Herzschlag und die Panik die in meiner Brust brodelt zu beruhigen, was aber nicht so richtig klappen will.

Die Tür fällt ins Schloss und ich kneife die Augen fest zusammen, presse die Zähne auf einander – und doch entweicht mir ein leiser, unterdrückter Schrei.

Er kann nichts dafür, er hat es nur gut gemeint, da bin ich mir sicher.

Und trotzdem kann ich ihn jetzt nicht hier bei mir haben. Es wäre die größte Demütigung, wenn er mich weiter so sehen würde. So schwach, so ausgelaugt, so... hässlich.

Ich will nicht das er mich so kennt. Wo er doch so perfekt ist. Das schmerzt einfach.

Ganz nebenbei sind einfach zu viele Sachen passiert, die ich erst mal verdauen muss.
 

Ich meine, stellt euch mal vor, ich stalkt einen Mann (warum auch immer), der euch dann mit zum feiern nimmt, so unbeschreiblich nett zu euch ist, und ihr fallt in Ohnmacht, wacht zu Hause auf und seht genau diesen Mann über und über mit Mehl bedeckt in der Tür stehen?

Würdet ihr da nicht auch durchdrehen?!

Ich spüre das ich Kopfschmerzen bekomme und presse meine Fäuste gegen meine Schläfen.

Okay Sanji, jetzt komm mal wieder runter. Geh mal alles in Ruhe durch.

Ich kann mich daran erinnern, das ich mit ihm getanzt habe. Eng. Er hat gelächelt.

Als ob ich das vergessen könnte.

Warum ich dann aber einfach umgekippt bin, kann ich mir echt nicht erklären.

Also muss ich nochmal den Abend durchgehen.

Was war denn da... wir sind aus dem Auto, dann waren da seine unzähligen Freunde... von wegen, er kennt hier niemanden! .... und dann waren da seine Kumpels, die waren echt okay, die haben mich mit rein genommen, wir haben gequatscht, ich hab mich wohl gefühlt...
 

Der Drink.

Der junge Kerl, der mir den Drink gebracht hat.

Das muss es gewesen sein! Danach wars immer weiter abwärts mit mir gegangen. Alles war verschwommen gewesen, ich hatte mich ganz seltsam entspannt gefühlt.

Meine Fresse. Sowas passiert aber auch echt nur mir.

Ich hieve meine Beine aus dem Bett, sehe an mir hinunter.

Mein Schafanzug – wie bin ich in den rein gekommen?! - ist vollkommen verschwitzt. Nass. Richtig nass.

Ich beginne mich vor mir selbst zu ekeln und schließe die Augen, um nicht einen erneuten Panikanfall zu bekommen. Denn dem bin ich schon wieder eindeutig zu nahe.

Das alles nimmt mich schrecklich mit. Verdammt nochmal.

Meine nackten Füße auf dem Boden lösen ein Zittern in mir aus. Mir ist kalt.

Ich richte mich auf, stehe allerdings nur unsicher, wanke ein wenig, dann drehe ich mich um und schleife mich in Richtung Bad, wobei ich mich am Bett festhalte.

Ob das klug gewesen ist, ihn weg zu schicken?

Jetzt ist es zu spät. Und anrufen und um Hilfe winseln werde ich sicher nicht.

Ich öffne die Badezimmertür und als ich mich im Spiegel sehe schreie ich kurz auf.

Oh mein Gott. Das bin nicht ich. Und selbst wenn ich das bin – ich bin seid 3 Wochen tot! Zumindest nach meinem Gesicht zu urteilen.
 

Ich trete langsam näher und befühle es ungläubig. Tiefe Falten zieren mein vorher so jugendliches Gesicht. Ich habe glasige Augen, tiefe Ringe darunter, meine Haare sind dünn und ungepflegt, meine Haut irgendwie milchig und weiß.

Was um Himmels willen hat man mir da nur in den Drink geschmissen?!

Hoffendlich kein Angel Dust. Dann waren meine Jahre als jugendlich Aussehender echt gezählt.

Da sah ich morgen aus wie 60. Oder so. Hab ich mal gehört.

Ich stützte mich auf dem Waschbecken ab, weil meine Beine nachgeben wollen, dann entschließe ich mich für ein heißes Bad. Ich lasse das Wasser in meine Badewanne, schnappe mir Badelotion und kippe eine gefühlte Tonne hinein. Das muss reichen. Schönheitskur, ich komme.

Ich riskiere keinen weiteren Blick in den Spiegel, ich entkleide mich sofort und steige in die langsam höher werdenden Fluten.

Ich sehe an mir hinunter. Hm. Der Rest meines Körpers hat sich nur minimal verändert.

Ich bin noch ein bisschen dünner geworden. Das ist aber auch alles.

Beruhigend.

Das Wasser umschließt mich und ich spüre deutlich, wie ein Teil meiner Kraft zurück kehrt.

Ich seufze, mein Herz beginnt wieder gleichmäßig zu schlagen und auch das Gefühl der Panik in meiner Brust weicht langsam aber sicher der Gewissheit, das ich jetzt erst mal nichts zu befürchten habe. Außer irgendwer wirft meinen Fön ins Wasser.

Probehalber sehe ich mich im Bad um, doch der Fön liegt neben dem Klo. Kann also nicht allzu viel passieren.
 

Ich schließe die Augen, drücke mir meine Nase mit den Fingern zu und tauche.

Die Geräusche werden minimiert, ich höre nur das Wasser um mich rauschen und die Luftblasen, die meinem Mund entweichen.

Ich genieße die Stille, bis ich fast ersticke und tauche prustend auf.

Ich höre das Telefon klingeln, doch ich gebe mir nicht die Mühe aus dem Bad zu hetzen und dran zu gehen. Wer das auch immer ist, er kann prima auf den AB quatschen.

Und das würde ich von hier aus schon hören.

Ich beginne mich ein zu seifen, als mein Anrufbeantworter Piept und ich ihre Stimme vernehmen kann.

Ich verharre in der Bewegung. Meine Gliedmaßen werden stocksteif.

„Hey Sanji. Schade das du nicht da bist oder nicht dran gehst, ich wollte nur mal hören wie es dir geht. Hab gehört du bist umgekippt oder so?! Das kommt davon, wenn man so viel arbeitet. Na ja, melde dich mal, ja? Ich mach mir Sorgen. Bis dann!“ Tut. Aufgelegt.

Ich schließe die Augen und seufze.

Das war doch schon immer mein Traum gewesen, oder etwa nicht?

Nami kümmert sich.Sie macht sich Sorgen um mich. Das deutet ja schon auf einen gewissen Gefühlsstand hin.

Das Problem ist nur, das ich mich zwar schon freue – aber dabei bleibt es dann auch.

Es ist die Freude, die man empfindet, wenn Freunde sich halt um einen sorgen.

Das ist nicht die Freude darüber, das sie endlich zu mir findet. Ganz und gar nicht.

Man, ich muss sowas von krank sein, das ich ihr nicht mehr hinterher lief. Irgendwas in meinem Hirn muss durchgebrannt sein oder so.

Aber das Einzige was mir jetzt schon wieder durch den Kopf geistert ist mein verdammter Nachbar.

Was der wohl gerade macht? Ob der überhaupt noch was mit mir zu tun haben will?

Ein seltsames Gefühl, wenn ich daran denke wie er mich vorhin angesehen hat.

Als hätte ich ihm in die Eier getreten.

Ich seufze, richte mich ein wenig auf und greife nach meinem Shampoo.

Vielleicht sollte ich das einfach alles vergessen. Lange kann ich hier eh nicht mehr wohnen. Und sobald ich hier weg bin, ist die ganze Angelegenheit eh Geschichte.

Genau. Das ist wohl das Einfachste. Sobald ich umgezogen bin kann ich alles hinter mir lassen.

Vor allem dieses verwirrende Gefühl an das ich mich erinnern kann, als ich mit ihm getanzt habe.

Dieses unglaublich schöne Gefühl der Sicherheit und gleichzeitig der Freiheit. Das Gefühl, alles gebacken zu kriegen, solange er bei mir ist.

Ach, Bullshit!
 

Ich seife meine Haare ein, dann tauche ich erneut um sie aus zu waschen. Bloß kein Wasserverbrauch.

Ich bilde mir das ganz sicher nur ein. Dieses Gefühl hatte ich wegen dieser verdammten Droge, was es auch immer gewesen ist. Das lag nicht an ihm. Nicht an Lorenor Zorro.

Oh verdammt, wem versuche ich hier eigentlich Rechenschaft abzulegen?!

Ich tauche auf, pruste, wische mir den letzten Rest Schaum aus dem Gesicht und hieve mich wieder aus der Wanne hinaus.

Jetzt sehe ich doch noch mal in den Spiegel. Hey, das hat wirklich geholfen! Ich sehe ein bisschen wacher aus und meine Augen haben dieses glasige verloren. Und meine Haut hat ein bisschen an Farbe dazu gewonnen. Erfreulich, aber noch nicht perfekt.

Aber dafür hat man ja Pflegeprodukte, nicht wahr?

Ich beginne mich mit Cremes ein zuschmieren, langsam und gleichmäßig, damit es am Ende ein gutes Ergebnis gibt. Ich will ja gut aussehen und nicht wüst. Oder sowas.

Ich lausche den Geräuschen meiner Wohnung, die ich schon immer als entspannend empfunden habe. Das Ticken der Uhr, das Summen des Kühlschranks. Die Rohre in der Küche. Oder die Luftschleuse hier im Bad.

All diese Geräusche sagen mir, das ich zu Hause war.

Ich will gar nicht daran denken wie das wird, wenn ich hier weg muss.

Ich sehe mich wehmütig um, unterdrücke aber das Bedürfnis zu weinen und binde mir ein Handtuch um die Hüften.
 

Ich wackle aus dem Bad, öffne meinen Schrank und kleide mich ein – Jeans und Hemd. Gut bewährte Kleidung. Langweilig, aber gut.

Ich bin fertig, zupfte mir noch meine Haare zurecht; da fällt mir Lorenors Auftritt von eben ein.

Die Tatsache, das er über und über mit Mehl bedeckt war, als er meine Wohnung verlassen hat, gibt mir ernsthafte Bedenken.

Denn irgendwo muss das Mehl ja her gekommen sein.

.... oh um Himmels Willen. Meine Küche.

So schnell es meine müden Beine zulassen drehe ich mich zur Tür, hechte auf sie zu, betrete den Flur – und das dritte Mal an diesem Tag bin im einem Panikanfall so nahe, das ich nichts anderes tun kann als auf die Knie sinken und die Augen schließen, damit ich mich wieder beruhige.

Ich befinde mich im Flur, kann aber von hier aus prima in die Küche gucken.

In meine immer saubere Hochglanzküche.

Die jetzt mit einer dünnen Schicht Mehl überzogen ist.

Ich kann sehen, was passiert ist. Ich weiß ja, wo das Mehl steht. Oben auf dem Schrank.

Beim runter holen muss ihm der Beutel irgendwie aus der Hand gerutscht sein.

Und da war es auch schon passiert.

Er hat meine Wohnung verwüstet.
 

Gute 5 Minuten bleibe ich auf dem Boden sitzen und versuche möglichst gleichmäßig zu atmen, dann fühle ich mich stark genug und erhebe mich langsam.

Ich bin nicht wütend auf ihn, nein, so kann man das nicht nennen. Ich fühle mich nur unglaublich fertig. Als hätte man die Luft raus gelassen.

Ich gehe langsam in die Küche, sehe mich um.

Meine Fresse. Das hatte nichts mehr mit Unordnung zu tun. Das war Chaos.

Überall Mehl. Man sieht die Stellen, an denen er versucht hat es notdürftig zusammen zu fegen.

Traurige Versuche. Da muss eben ein Fachmann ran.

Ich seufze schwer, schnappe mir Putzeimer und den Wischmop und mache mich an die Arbeit.

Irgendwer muss es ja machen und – ich wohne nun mal hier.

Die ganze Aktion dauert 4 Stunden.

Ich putze die Küche, auch an den Stellen an die das Mehl nicht gekommen ist, ich wische die Schränke aus und räume sie neu ein, dann wische ich den Flur und weil ich gerade so gut dabei bin mache ich auch gleich das Wohnzimmer.

Als ich schließlich am späten Nachmittag keuchend und völlig kraftlos auf mein Sofa sinke, bin ich äußerst zufrieden mit mir.

Alles glänzt, strahlt und macht einen adretten Eindruck.

Ganz im Gegensatz zu meinem gefühlsmäßigen Innenleben. Aber darüber will ich nicht nachdenken.

Ich erhebe mich nachdem ich Luft geschnappt habe, gehe ins Bad und betrachte mich im Spiegel.

Sehr schön. Die Falten sind so gut wie verschwunden, die Augenränder auch, meine Haare sitzen, meine Augen sehen normal aus und meine Haut auch.

Ich bin wieder ich. Sehr beruhigend.

Mit ein bisschen mehr Selbstvertrauen schlendere ich in die Küche, wo ich mir ein Wurstbrot mache, da mein Magen gefährlich knurrt.

Dabei fällt mein Blick auf die Uhr über der Spüle, die ganz zufällig auch das Datum mit anzeigt.

N super Ding. Wenn man nicht dabei fest stellt, das man irgendwie einen Tag übersprungen hat.

Mir fällt die Wurst aus der Hand, ich starre völlig ungläubig.

Wie kann das sein? Ich bin mir 100 % sicher, das wir vor zwei Tagen auf der Party waren.

Ich kann mich noch genau ans Datum erinnern.

Ich versuche mir klar zu machen, wie das sein kann.

Und es gibt nur eine logische Erklärung. Ich habe 2 Tage geschlafen.

OH MEIN GOTT.

Das erklärt meinen animalischen Hunger.

Nach dieser Erkenntnis mache ich mir 2 große Wurstbrote, beschmiere sie dick mit Butter und während ich esse schlendere ich beide Hände voll ins Wohnzimmer.

War Lorenor die ganze Zeit hier gewesen?
 

Gott. Eine fürchterliche Vorstellung, das er mich so schwach gesehen hat, auch wenn ich weiß das er es nur gut gemeint hat.

Er war so stark und ich daneben nur so ein armes Würstchen. Für was für ein Weichei der mich wohl hielt...?

Und ganz nebenbei erklärte das auch seinen Wunsch nach Mehl. Er hatte sicher kochen wollen oder sowas, weil er Hunger gehabt hatte. Das kann ich ihm ja schlecht verübeln.

Ich lasse mich auf mein Sofa sinken und kaue fleißig weiter, während meine Wangen zunehmend rot werden. Peinlich, das Ganze.

Er kennt mich noch nicht mal so richtig und pflegt mich. Irgendwie war das ja schrecklich süß von ihm. Das hat echt noch keiner für mich gemacht.

Mir ist klar, das ich mir irgendwas einfallen lassen muss.

Er gibt sich hier die größte Mühe und ich? Ich schicke ihn einfach mit den Worten „mir geht es gut, geh“ weg. Das war nicht nur unhöflich, das war unter aller Sau gewesen.

Und schließlich bringt mir ein kleiner Rest Mehl an meinen Fingern die rettende Idee.

Ich backe ihm einen Kuchen.
 

Gedacht, getan. Voller Tatendrang stehe ich auf, begebe mich in die Küche, krame alle Zutaten heraus und beginne mein Bestes zu geben.

Denn der Kuchen soll nicht nur lecker werden – er soll das Beste werden was mein grünhaariger Nachbar je gekostet hat.

2 Stunden sitze ich an dieser Arbeit. Ich bereite vor, stampfe, knete, lasse gehen, rühre und backe.

Und schließlich steht ein unglaublich lecker aussehender Schokoladenkuchen vor mir.

Ich betrachte ihn stolz, bis mir auffällt das er aussieht wie aus der Konditorei.

Und er soll ja sehen, das ich mir selbst die Mühe gemacht habe!

Ich beginne, Zuckerguss aus Wasser und Puderzucker her zu stellen. Mit dieser dickflüssigen Masse schreibe ich dann vorsichtig „Vielen Dank!“ auf die Schokoladenschicht.

Als es fertig ist sieht es klasse aus und ich grinse wie ein Honigkuchenpferd.

So ein toller Kuchen ist mir bisher selten gelungen und ich freue mich schon auf sein freudiges Gesicht, während ich ihn vorsichtig auf ein Blech schiebe und in Klarsichtfolie einpacke.

Ich trage ihn gekonnt auf einer Hand, während ich mir im Flur Schuhe und Jacke überziehe und mit dem Wohnungsschlüssel in der Tasche die selbige verlasse.

Ich fühle mich hibbelig und aufgeregt, doch ich zeige es nicht, weil nur der Kuchen darunter leiden würde.

Ich nehme den normalen Weg über den Bürgersteig, schlendere ihn langsam entlang, ich will ja auch keine Aufmerksamkeit erregen.

Ich fühle mich zwar immer noch ein wenig schlapp, aber das geht schon, das passt.

Nervös werdend zupfe ich an meiner Klamotte herum, als ich vor seiner Tür stehe.

Verdammt. Diese seltsamen Gefühle werden mich noch mal ins Grab bringen!

Ich erhebe gerade die Hand zum Klingelknopf – als ich seine und ihre Stimme höre.

IHRE Stimme.

Rotkäppchen in sexy. Die Frau, mit der er es hemmungslos auf dem Flokati getrieben hat.

Ich werde rot um die Nase und trete von der Tür weg. Ich fühle mich wieder ertappt.

„... komm schon, Süßer. Ich weiß, das du es auch willst.“

Oh scheiße.

Ich hasse mich und meine Krankheit, ich hasse mich!!
 

Ich stelle den Kuchen neben der Tür ab, sodass niemand hinein treten kann wenn jemand nichts ahnend raus kam, und schlich mich – mal wieder – um das Haus herum zum Fenster des Schlafzimmers. Denn von da hörte ich jetzt die Stimmen deutlich kommen.

„Bitte Nina, lass das. Du missverstehst da was.“

Ich hörte ihr kehliges Lachen.

„Was soll ich denn daran missverstehen, das du hier in der Wohnung sitzt und Trübsal bläst? Daran kann man nichts falsch verstehen. Du hast mich vermisst Baby, und ich dich auch.“

Meine Fäuste ballen sich, als ein Gefühl in mir hinauf kriecht, das ganz und gar nicht gut ist.

Am liebsten würde ich durchs Fenster klettern und ihr ihren alten, faltigen Hals umdrehen.

„Nina. Die Aktion von letztens war einfach unter aller Sau. Glaubst du echt, ich weine dir auch nur eine Träne nach?“

Ein triumphierendes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.

Yeah, gibt’s ihr!

„Wer weiß. Unser Sex jedenfalls war gigantisch gut.“

Ich keife die Augen zusammen. Ruhig, Sanji, beruhig dich. Nicht ausrasten.

Zorro sieht das wohl ebenfalls anders. Ich grinse wieder breit, als er weiter redet.

„Fandest DU vielleicht. Wie auch immer, ich hab auf so Spielchen keinen Bock. Geh jetzt bitte.“

Mir gefällt die Tonlage die er benutzt. Schön kalt und abweisend.

Doch sie lässt sich nicht abschütteln.

„Komm schon Süßer. Ich hab dich doch stöhnen gehört. Du fandest es auch toll. Und jetzt erzähl mir nicht, du willst nicht nochmal...“

„Nina, hör auf, hab ich gesagt...!“
 

Und genau in diesem Moment klatschte bei mir ne Sicherung raus. Wahrscheinlich wegen Überhitzung. Völlig ungeachtet ob man mich vielleicht sehen könnte oder nicht, vor Wut brodelnd, mehrere rote Flecken im Gesicht und mit aggressivem Blick latschte ich zurück zum Hauseingang.

Ich drückte nicht nur die Klingel – ich hielt sie so lange gedrückt, bis mir geöffnet wird.

Passenderweise macht sie auf. Ihr schwarzes Kleid macht ihre Nippel sichtbar. Ich könnte kotzen.

Ihr direkt in ihren viel zu großen Ausschitt. Sie ist absolut abartig.

„Ja bitte, wer sind sie und was kann ich für sie tun?“, fragt sie mit einem überheblichen Tonfall.

Meine folgenden Worte lassen allerdings ihren Kiefer weit nach unten klappen und ich grinse siegessicher in mich hinein, als ich anfange zu reden.
 

„Tag auch. Ich bin Sanji. Und wenn sie nicht auf der Stelle ihre perversen Wichsgriffel von meinem Mann lassen, dann setzt es was, das sie nicht mehr wissen wo unten oder oben ist! Dann vergess ich mich, aber so richtig!“ Ich hebe den Kuchen, der neben der Tür steht auf, ziehe mit einer schnellen Handbewegung die Folie ab – und klatsche ihn ihr mit der Aufschrift nach vorne „VIELEN DANK!“ ins Gesicht.
 

Ich kam, ich sah, ich siegte.

My time has come - Paradies is near.

~ Stalker! ~
 

N0. 11 – My time has come – paradise is near.
 

Ich kann das, was ich gerade getan habe, immer noch nicht so richtig begreifen, als ich sie aufschreien höre, grell und unangenehm. Wie eine zu laut eingestellte Sirene jault sie vor sich hin und ich beobachte in stummer Faszination, wie sie beginnt den Kuchen in ihren Haaren zu verteilen, wohl bei dem Versuch es sich hinaus zu wischen.

Dabei macht sie aber denkbar alles falsch und ich schaffe es einfach nicht, mir das triumphierende Grinsen aus dem Gesicht zu wischen.

In mir herrschen Gefühle, die einem brausenden Orkan ähneln.

Ich fühle mich irgendwie schuldig, ertappt, aber gleichzeitig richtig gut.

Als hätte ich einem alten Erzfeind gezeigt wo der Hammer hängt.
 

„Nina? Was...“
 

Mein Grinsen erlischt, als ich sein Gesicht schemenhaft im Hintergrund erkennen kann, als ich beobachte wie für wenige Sekunden seine Gesichtszüge entgleisen, bis er sich wieder fängt und mich anstarrt, als hätte ich den Papst erschossen.

Also nicht böse, sondern geschockt.

„Was geht hier vor?“, fragt er tonlos, wohl ziemlich mit der Situation überfordert.

Ich will ihm antworten, doch ihr Kreischen übertönt meine Worte und ich schließe den Mund wieder. Es wäre eh nichts heraus gekommen.

Nun, endlich, nach gefühlten 5 Minuten dreht sie sich um und stürmt zurück in Lorenors Wohnung.

Moment. Das war die falsche Richtung!

Ich hab ihr doch nicht die Torte ins Gesicht geklatscht, damit sie bei ihm Schutz sucht?

Das war nun wirklich nicht meine Intention gewesen und der Blick, mit den mich Lorenor mustert, macht mich zusätzlich unsicher.

Ich höre seine Badezimmertür knallen.
 

Wir schweigen. Aus irgendeinem Grund kann ich nichts sagen, ich will es ja, aber sobald ich den Mund öffne merke ich, das alles was ich jetzt zu sagen hätte mich weiter ins Unheil reitet.

Ich ziehe es also vor die Klappe zu halten.

Er verschränkt die Hände vor der Brust und mustert mich eingehend. Sein Blick verrät mal wieder nichts von seinem Gefühlsstand.

Ich fühle mich durchschaut und gleichzeitig kaum wahrgenommen.

Ich will hier weg. Sofort.

„Sanji, was...“

Weiter lasse ich ihn nicht sprechen; ich drehe mich auf dem Absatz um, schlucke den dicken Kloß in meinem Hals hinunter und mache mich im Laufschritt auf den Weg zum Zaun.

„Sanji!“

Nein, ich werde mich jetzt nicht umdrehen! Ich werde mir deine Vorwürfe nicht anhören Lorenor Zorro, ich will nicht mit ansehen wie dir ein Licht aufgeht, ich will nicht sehen wie du verstehst!

Ich will nicht beobachten, wie du dich angewidert von mir abwendest. Da gehe ich lieber, bevor das passiert!

„Verdammt, bleib doch stehen!“

Ich werde schneller, wische mir hektisch Tränen aus dem Gesicht, damit sie mich nicht behindern, dann schwinge ich mich über den Lattenzaun.

Der könnte auch mal wieder einen neuen Anstrich gebrauchen.

„HEY!“
 

Ich drehe mich nicht um, weil ich Angst habe das er mir nach gelaufen ist, ich renne zu meiner Wohnungstür, schließe sie mit zitternden Fingern auf und stürzte hinein, als ich diesen Akt der Konzentration endlich vollbracht habe.

Als ich die Tür hinter mir schließe und es plötzlich gespenstisch still um mich wird, schließe ich die Augen, lehne mich gegen die Haustür und lasse mich an ihr hinunter gleiten.

Alles in meinem Kopf dreht sich, meine Gedanken überschlagen sich, spielen Bockspringen, ich bekomme sie einfach nicht geordnet.

Ich spüre wie Tränen meine Wangen hinunter laufen und ich versuche sie nicht zu stoppen, es tut gut zu weinen wenn man weiß, das man etwas nicht mehr gut machen kann.

Das, was ich gerade getan habe, war nicht nur dumm.

Ich habe ihm mit einem Schlag all meine Geheimnisse offenbart.

Das ich ihn beobachte oder zumindest belausche. Sonst hätte ich das mit der Frau ja gar nicht wissen können.

Das sie mich wütend macht. Schrecklich wütend.

Und das dieses Gefühl habe, wenn ich in seiner Nähe bin, diese Hilflosigkeit, dieses ausgeliefert sein, dieses vollkommene Hingeben. Diese Lust.

Und das konnte man einfach nicht mehr als Hirngespinst ab tun.

Seine emotionslosen Blicke verletzen mich.

Sein Lächeln lässt mich ebenfalls grinsen.

Seine Stimme macht mich glücklich.

Seine Nähe... sein Geruch...

Ich kann diese Liste endlos fort setzen, doch ich werde es mir verkneifen.

Ich fahre mir mit den Händen durch das Gesicht, doch das bringt nichts, die Tränen laufen weiter.

Alles kaputt. Alles vorbei.

Das er mich jetzt hasst, muss aber auch das mindeste sein.

Tiefe Abneigung trifft seinen Gefühlszustand wahrscheinlich eher.
 

Ich bleibe lange so sitzen. Das Gesicht in den Händen vergraben. Die Tränen eher fahrig weg wischend. In meinem Magen bildet sich ein dickes Geschwür.

Die Vorstellung, das ich ihm nie wieder unter die Augen treten kann, tut schrecklich weh.

Ich stelle mir vor wie er sich tausend Mal bei ihr entschuldigt, wie sie ihm verzeiht und wie die beiden knutschend auf dem Bett landen.

Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich schlage sie mit einem leisen Schrei auf dem Boden.

Ich hasse mich, ich hasse mich, ich hasse mich!

Wie bin ich überhaupt auf diese wahnwitzige Idee gekommen, der Frau die Torte ins Gesicht zu klatschen?

Ah, moment.

Um eine Idee zu haben, muss man auch nachdenken.

Und nachgedacht habe ich keine Sekunde.

Ich habe meinen Gefühlen einfach freien Lauf gelassen – eine echt schlechte Idee.
 

Ich stehe wieder auf, als die Sonne sich langsam rötlich färbt und mein Wohnzimmer in ein Farbenspiel verwandelt. Ich weine nicht mehr, das glaube ich zumindest, aber ich fühle mich unendlich leer.

Ich habe einen Fehler gemacht. Einen großen Fehler.

Und ich habe nicht mal den Arsch in der Hose, um mich bei ihm für mein unmögliches Verhalten zu entschuldigen.

Ich kann echt nur hoffen, das er den Spruch nicht gehört hat, den ich dazu abgelassen habe.

Denn dann, ja, dann ist es endgültig aus mit mir.

Ich kann mir herrlich vorstellen, wie er angeekelt das Gesicht verzieht, wenn er mich auf der Straße sieht. Wie er es seinen Freunden erzählt. Wie die es ihren Freunden erzählen, weil die Story ja mörderwitzig ist.

Und wie mich schließlich die ganze Stadt auslacht.

Ich sehe aus dem Fenster, mustere seinen Garten, während ich gedankenverloren das Telefonbuch aufschlage.

Nichts zu sehen. Die Lichter in der Wohnung sind aus.

Vielleicht sind sie ja zu ihr. Damit sie sicher sind vor einem Irren wie mir belästigt werden.

Eigentlich möchte ich die beiden nicht mal zusammen fassen in einem Wort.

Er und sie. Sie und er. Das klang viel besser.

Ich greife nach meinem Telefon und wähle eine Nummer.

Es tutet drei Mal, bevor der Hörer abgenommen wird.
 

„.. hallo...?“

Klang ja unglaublich wach.

„Hey, Ace.“, murmle ich zurück. Als Antwort bekomme ich ein lang gezogenes Gähnen.

„Sanji, hey. Was ist los?“ Ich lächle leicht und senke den Kopf.

„Sag mal, wie viel Platz ist noch bei dir und Ruffy?“

Ich höre es rascheln. Wahrscheinlich sieht er sich um. Idiot.

„Viel. Wieso?“

„Ich brauch was zum wohnen, bis ich was Eigenes hab.“

Stille. Ziemlich lange. Man hört Ruffy irgendwas essen. Schließlich die lang gezogene Frage.

„Was ist passiert...?“ Ich seufze.

„Kann... ich dir das vielleicht erklären, wenn ich bei dir bin?“

Wieder Rascheln.

„In Ordnung, ja. Komm einfach vorbei.“

„Danke.“ - „Keine Ursache, bis gleich.“

Ich lege auf, lege das Telefon langsam neben mich und schließe die Augen erneut.

Dieser Ort, dieses Haus, war mein Heim gewesen.

Mein Schutzort. Mein Rückzug. Mein West-Berlin.

Hier bin ich frei, auch wenn oft keine Bananen da sind. Aber damit kann man ja doch ganz gut leben. Bananen stopfen eh nur.

Und jetzt soll ich einfach in den Osten auswandern? Ohne irgendein... Rückfahrticket?!

Aber wenn ich daran denke, wie ich es mir hier verdorben hatte, dann habe ich eigentlich keine andere Möglichkeit.

Ich kann ihm nicht jeden Morgen in die Augen sehen und das Wissen darin flackern sehen.

Das kann ich einfach nicht.

Ich. Schwul. Das wird sich doch wie ein Lauffeuer verbreiten.

Da wander ich lieber in einen anderen Staat aus, bevor ich mich dieser Schmach aussetze.

So lange habe ich alles sauber gehalten.

Nicht nur meine Wohnung, auch mein Leben.

Keine Skandale, keine Probleme. Alles super bei Sanji.

Und jetzt?!
 

Job weg. Geld weg. Kontrolle über Leben weg. Und vor allem – Selbstachtung weg.

Gefühle in mir, die ich nicht steuern kann. Und das muss ich in den Griff bekommen.

Mein gesamtes Kartenhaus ist auf Steuerung aufgebaut. Und ich lass es mir sicher nicht kaputt machen!

Ich stehe auf, ein wenig sicherer auf den Beinen, und gehe ins Schlafzimmer.

Aus meinem Kleiderschrank ziehe ich einen recht verstaubten Koffer.

Komisch. Alles mache ich sauber. Den nie.

Ich mache ihn auf und eine dicke Staubsicht knallt mir ins Gesicht und lässt mich husten.

Ich krame Kleidung aus meinem Schrank. Jeans und Hemden. Nee. Wie außergewöhnlich.

Ich falte alles, lege es ordnungsgemäß hinein, dann ziehe ich die Tasche hinter mir her und schmeiße alles was ich in der Wohnung finde, was nützlich sein könnte hinein.

Raumspray. Feuerzeug. Zigaretten. Aschenbecher. Meinen Mixer. Ein Bild meiner Eltern. Meine Schlüssel. Zwei dicke Bücher. Mein Handy.

Ich sehe mich schnaufend um, kann jedoch nichts weiter entdecken. Den Rest brauche ich nicht.

Okay. Überlebenswichtig ist ein Mixer jetzt auch nicht.

Aber er ist äußerst praktisch.
 

Ich schließe die Augen und atme einmal tief durch.

Ziehe den Geruch ein, den einzigartigen Geruch meiner Wohnung.

Ich betrachte meine Möbel. Jeder einzelne ein Prachtstück.

Ich will nicht weg.

Ich schleife meinen Koffer in den Flur, spüre erneut die Tränen, unterdrücke sie aber jetzt doch.

Fassung. Fassung bewahren.

Ich öffne die Tür, die kalte Abendluft schlägt mir ins Gesicht und ich seufze leise.

Ich schlüpfe in Schuhe und Jacke, betrachte dabei den herrlich roten Sonnenuntergang über den Dächern meines Vorortes.

Ich will nicht weg. Aber ich habe keine Wahl.

Ich trete hinaus ins Licht, schließe die Augen und lasse mich einfach von den letzten Sonnenstrahlen dieses Tages bescheinen.

Mir fällt ein altes Liebeslied ein, das ich irgendwo mal gehört habe.

Love is all that i need. Oder so. Das hatte ich immer mit Nami hören wollen, wenn wir mal Arm im Arm auf der Coutch sitzen sollten.

Früher. Als ich noch nicht so vollkommen verwirrt gewesen war.

Jetzt sehe ich nur in den Nachbargarten und spüre tausend Nadeln, die sich in mein Herz bohren.

Es geht nicht, Sanji. Mach dir keine Hoffnungen. Schwul ist Schwul, und schwul ist eklig.

Ich glaube mir wird schlecht.

Ich werfe mir den Koffer umständlich über die Schulter und marschiere mit ihm gespielt selbstsicher den kleinen Weg zum Bürgersteig hinunter.

Mein Auto steht direkt vor meiner Nase.

Ich stelle den Koffer vor ihm ab, dann gehe ich zurück zur Tür und schließe sie bedächtig.

Das ist, als wenn man einen alten Freund verlässt, der einen all die Jahre unterstützt hat.

Ich kneife die Augen fest zusammen, zwinge mich zur Selbstbeherrschung.

Alles wird gut. Ich werde das schon schaffen.

Trotzdem lege ich nochmal die Stirn gegen die Tür und genieße das Gefühl des zu Hause seins.

Alles hier gehört noch mir. Noch.

Ich drehe mich langsam um, betrachte meinen kleinen Vorgarten.

Mein eigenes Stück Land. Schluck. Nicht weinen!
 

Ich drehe den Kopf zu meinem Auto, muss die Augen ein wenig zusammen kneifen um etwas erkennen zu können – und sehe ihn.
 

Lorenor Zorro. Mein Nachbar. Der Grund, wieso ich Nachts nicht schlafen kann. Mein Opfer.

Der Mann, für den ich Frauen Torten ins Gesicht klatsche. Das wäre vor wenigen Wochen noch undenkbar gewesen, ich erinnere mich daran, als ich sie noch vergöttert habe.

Alle Frauen standen quasi unter meinem persönlichen Schutz. Außer die hässlichen. Oder besonders dummen.

Und jetzt? Jetzt beschimpfe ich sie und klatsche ihnen Lebensmittel ins Gesicht.

Ich verstoße im Grunde gegen all meine Regeln, die ich mir je im Leben gestellt habe.

Für diese eine Person, die da an meinem Auto lehnt und mich mit einem Blick mustert, der meinen Körper zu einer einzigen Gänsehaut werden lässt.
 

„Hey.“

War das jetzt ein Kontaktversuch von ihm oder eher sowas wie 'gut das du gehst'?

„Hey.“, antworte ich kaum hörbar, doch er scheint mein Geflüstere vernommen zu haben.

„Was tust du da?“ Seine Stimme ist eiskalt. Er hat die Arme vor seiner Brust verschränkt, seinen Kopf leicht schief gelegt.

Ich komme langsam näher, nicht weil ich es will, sondern weil sich mein Körper mal wieder selbstständig macht.

„Ich...“ weiter komme ich nicht, denn er macht einen Schritt auf mich zu und die plötzliche Nähe von unseren Körpern bringt mich so aus dem Konzept, das alle weiteren Worte nur noch sinnloses Gestotter werden.

Ich wage es nicht ihm ins Gesicht zu sehen. Ich stehe nicht nah genug um seinen Geruch einatmen zu können, leider, doch ich stehe eindeutig nah genug um mein Herz aus dem Takt zu bringen.

In meinen Ohren surrt es.

„Du?“, fragt er nach. Seine Stimme klingt weicher. Besorgt. Wie heute morgen, als er bei mir war. Mit Mehl überschüttet.

Ich muss lächeln, als ich daran denke, und meine Wangen färben sich rot.

„Ich fahre weg.“ Na da wäre er ja nie drauf gekommen. Wenn der mich nicht hätte.

Ich hörte ihn leise lachen und meine Finger verkrampfen sich.

„Das sehe ich. Ich frage mich nur, wieso.“

Das geht dich nichts an, Lorenor Zorro, absolut nichts.

Das ist meine Sache, wenn mein Leben den Bach hinunter geht.

Also schweige ich und starre auf meine Fußspitzen.

„Hey. Sieh mich an.“ Der verlangt Sachen – jetzt soll ich ihn auch noch ansehen?!

Extrawünsche?
 

Doch da er die volle Macht über all meine Körperfunktionen hat, hebe ich ihn, und sehe ihm ins Gesicht.

Wow. Ich öffne den Mund, will etwas sagen, doch ich kann es nicht. Ich bin zu überwältigt.

Mein Bauch knurrt wütend, als sich tausend kleine Ameisen an die Arbeit machen und mir ordentlich in die Magenschleimwand beißen, während ich sein kantiges Gesicht mustere, sein markantes Kinn, seine Adleraugen, seine grasgrünen Haare.

Ich muss sterben, glaube ich. Jetzt und auf der Stelle.

Meißelt doch bitte auf den Grabstein sowas wie „... und er starb an der Schönheit des Anderen.“ oder sowas. Jetzt umspielt auch noch ein leichtes Lächeln seine Lippen – Himmel. Dieser Mann ist nicht mehr sexy. Er ist der Sex persönlich.

„Wieso willst du fahren?“, fragt er nun. Seine Stimme, so dunkel und doch gleichzeitig eingehend und angenehm, lässt mich erzittern.

Ich kann es nicht sagen. Das weiß er auch, ich sehe es in seinen Augen.

Verzweifelt sehe ich ihm zu, wie er den Kopf schief legt und leise lacht.

„Das mit der Torte eben. Das fand ich echt cool.“
 

Bitte – WAS?!

Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt.

Cool. Er fand das cool.

„Ich muss dir sogar danken. Ohne dich wäre ich die nie los geworden.“

In meinem Magen bildet sich ein dicker, schwerer Stein.

Ich senke den Blick wieder.

Er kommt näher.

Ich muss sterben. Mein Herz hat Aussetzer. Das kann nicht gesund sein.

„Und trotzdem frage ich mich, wieso du das getan hast, weißt du?“

Und ob ich das weiß. Hätte ich mich wohl auch gefragt, wenn er das für mich gemacht hätte.

Ich schlucke schwer. Mein Hals hat sich irgendwie verengt.

Er kommt näher.

„Ich meine, du musst ja einen Grund haben, einer Frau eine Torte ins Gesicht zu klatschen.“

Und ob ich einen Grund hatte, du Dumpfbacke. Denk doch mal nach.

Jetzt rieche ich ihn und sein Geruch vernebelt mir die Sinne.

Dieser Mann riecht einfach zu gut für diese Welt.

Er kommt näher.
 

Meine Nase berührt fast seinen Brustkorb. Alle Alarmglocken in meinem Kopf schrillen, doch ich höre sie nicht, zu dicht ist der Nebel in meinem Hirn.

Alle meine Körperteile kribbeln unangenehm, mein Magen macht Purzelbäume, ich bin puterrot.

Seine Hand auf meiner Wange lässt mich endgültig die Fassung verließen.

Ich kneife die Augen zusammen, als er mit sanfter Gewalt meinen Kopf hebt.

Mein Gott.

Wir stehen hier mitten auf der Straße, alle können uns sehen, er total locker wie immer, ich mehr als verspannt, wir sind uns unendlich nah, ich spüre seinen Atem auf meinem Gesicht.

Die Luft ist voll von ihm.

Mir ist schrecklich windelig.

„Lorenor...“, hauche ich, weil ich keine Selbstbeherrschung mehr habe, und ich spüre seine zweite Hand an meiner Hüfte.

„Sanji...“, murmelt er.
 

Und plötzlich liegen seine Lippen auf meinen.
 

So unendlich weich und geschmeidig sind sie. Fühlen sich unbeschreiblich an auf meinen. Er zieht mich näher zu sich und ich kann mich nicht wehren, ich liege ihm in den Armen und er küsst mich, sanft, zärtlich. Ich fühle mich wie traumatisiert.

Bis mir dieser eine Satz durch den Kopf schießt.
 

Ohne dich wäre ich die nie los geworden.
 

Es war nicht der Sinn dieses Satzes. Es war die Wortwahl. Und seine Stimmlage.
 

Ich stoße ihn von mir, reiße erschrocken die Augen auf, keuche, als ich ihn von mir wegtaumeln sehe mit einem Gesichtsausdruck, der schon nichts mehr mit verwirrt zu tun hat.

„Das...“ Ich atme schwer, dann hole ich tief Luft.

„Das ist ja wohl die HÖHE! Glaubst du etwa, jetzt wo du sie ordentlich geknallt hast und sie dir keinen Spaß mehr macht, da nimmst du einfach mich?! Glaubst du so läuft das? Glaubst du, ich bin nur irgendein Spielzeug?! Nein, nicht mit mir, hörst du?! Nicht mit MIR! Nagel sie doch, nagel sie doch alle, die ganzen Frauenriegen die an deinem Arsch kleben und ihn auslecken wollen, aber lass deine verdammten Finger von mir – wer weiß, wo du die schon hattest?!“

Er starrt mich an, als würde ich ihm erzählen, das ich seine Mutter ermordet hätte.

Ich starre zurück.

„VERRECK DOCH!“, brülle ich plötzlich, schubse ihn aus dem Weg, er taumelt ein Stück weg von meinem Auto, starrt mich an, das spüre ich, während ich den Koffer ins Auto hieve ins Auto steige, den Schlüssel ins Zündschloss schiebe und voll aufs Gaspedal trete.

Der Wagen schießt förmlich aus der Parklücke, brüllt wütend auf, dann rase ich in unmenschlichem Tempo in Richtung Hauptstraße.
 

Der Schmerz in meiner Brust lässt auch nicht nach, als ich ihn nicht mehr im Rückspiegel erkennen kann. Die Tränen hindern mich am sehen.

Ich will sterben. Sofort.
 

Und dieser Traum scheint sich auch zu erfüllen.

Reifen quietschen, Metall prallt auf Metall. Mein Kopf schlägt auf dem Lenkrad auf.

Und schon wieder wird alles schwarz.

Jackpot boy!

~ Stalker! ~
 

N0. 12 – Jackpot boy!
 

... es wird hell um mich herum.

Ich habe die Lider nicht geöffnet, das weiß ich, und doch wird es langsam heller.

Geräusche dringen an mein Ohr, die ich vorher nicht vernommen habe. Piepen. Leises Klicken. Stimmen, wie hinter Glaspapier klingen sie, verzerrt und unwirklich.

Wo um Himmels Willen bin ich nur wieder gelandet...?

Ich öffne die Augen nicht, weil ich weiß das ich es nicht schaffen würde; meine Glieder fühlen sich steif und ungelenk an, mein Kopf ist höllisch schwer und irgendwo tief im hinteren Teil meines Schädels pocht es gleichmäßig.

Dumpfe Kopfschmerzen, die sich noch ausweiten werden, das spüre ich.

„Er scheint wach zu werden.“

Wer spricht da nur? Ich kenne die Stimme, kann sie aber absolut keinem Gesicht zuordnen.

Freundlich klingt sie. Offen. Lebhaft.

Da fallen mir so ganz akut nur die beiden schwarzhaarigen Brüder ein, doch sobald ich mir ihr Bild ins Gedächtnis rufen will unterbricht mich ein zuckender Schmerz unter der Stirn.

Hilfe, was war nur los mit mir?

„Ja, stimmt.“

Schritte, die näher kommen und mir ein wenig Angst machen, weil sie widerhallen. In meiner Wohnung hallen Schritte nicht wieder. Das weiß ich aus Erfahrung.

Außerdem piepst es nicht so kopfschmerzerregend in meinem Schlafzimmer. Und riechen tut es bei mir auch ganz anders.

Mich beschleicht ein schrecklicher Verdacht und ich keuche leise auf, als ich eine eiskalte Hand auf meiner Stirn fühle.

„Fieber scheint er keins zu haben.“ Die Stimme kenne ich nicht, sie klingt sachlich und rational.

Mein Verdacht wird zur Panik.

Ich öffne die Augen.
 

Und starre direkt in das Gesicht eines jungen Arztes in weißem Kittel mit Latexanschuhen.

Ich will schreien, doch als ich den Mund öffne entweicht mir nur ein leises Piepsen.

Aus den Augenwinkeln heraus kann ich tatsächlich Ace erkennen, der auf der anderen Seite meines weißen Krankenhausbettes steht und mich besorgt mustert.

Ich will ihn fragen ob er mich in die Hölle verschleppt hat, doch ich kann nicht sprechen.

„Beruhigen sie sich, alles ist gut. Haben sie keine Angst, bei uns sind sie in guten Händen.“

Der wollte mich ganz offensichtlich ordentlich verarschen. Verdammter Mistkerl, in keinem Krankenhaus der Welt ist man sicher!

In Krankenhäusern sterben die Menschen. Und ich will nicht sterben.

Er scheint die Panik in meinem Blick zu sehen und legt mir eine Hand auf die Schulter.

„Es geht ihnen gut. Sie haben nur ein paar Prellungen und eine Gehirnerschütterung, deswegen haben sie auch geschlafen. Beruhigen sie sich.“

Gehirnerschütterung.

So langsam kehren die Bilder meiner wilden Autofahrt wieder in mein Hirn zurück und ich kneife die Augen zusammen, um sie wieder zu verdrängen.

Ich bin so ein verdammter Idiot.

„Hey, Sanji. Alles wird gut.“

Ace klingt wirklich ein wenig in Sorge, eine Stimmlage die ich sonst nicht von ihm kenne. Das macht ihn fast menschlich. Aber eben doch nur fast.

Er tritt näher an mein Bett heran und sein sommersprossiges Lächeln beruhigt mich.

Ist er doch so voller Leben in diesem toten, sterilen Raum.

Ich will hier sofort verschwinden.

„Also, ruhen sie sich noch ein wenig aus, ich komme gleich noch mal zu ihnen und mache die Abschlussuntersuchung. Dann kann sie ihr Freund ja mit nach Hause nehmen.“

Ich nicke nur schwach, will ihn fragen wie lange ich auf diese doofe Untersuchung warten muss, doch er ist schon verschwunden bevor ich den Mund geöffnet habe.

So viel zum Thema, das den Ärzten die Patienten am Herz liegen.

Für die bin ich doch auch nur ein totes Stück Fleisch.
 

„Scheiße Sanji. Du scheinst das Unheil ja förmlich anzuziehen.“

Da gebe ich Ace in allen Punkten recht, ich scheine momentan Satans liebstes Spielzeug zu sein.

Zu meinen seelischen Defiziten kommt jetzt auch noch die körperliche Zerstörung.

Ich hebe den Kopf und nicke schwach, damit er weiß das ich ihm zuhöre.

Er lächelt wieder. Ich bin froh darüber. Wäre er nicht hier, würde ich wohl weinen.

„Man Alter, wie ist das passiert? Kannst du dich noch daran erinnern?“

Ich schüttle den Kopf, weil ich es wirklich nicht kann. Ich hab zu dem Zeitpunkt ja auch nicht sonderlich viel gesehen. Eher wenig bis gar nichts.

Dann hatte es einen Knall gegeben, mein Kopf war auf dem Lenkrad aufgeschlagen...

Die Karre muss zum TÜV. Ist ja ungeheuerlich, das man so einen Unfall hat und die Airbacks versagen. Aber bin ich ja um Grunde selbst Schuld.

„Na ja, ist ja auch nicht so wichtig. Es gab Zeugen, soweit ich das erfahren habe, und du warst wohl nicht Schuld.“

Puh! Das beruhigt mich ungemein, ich lasse den Kopf zurück ins Kissen sinken und seufze.

Wenigstens kommt keine Geldstrafe oder sowas auf mich zu.

Ich sehe ihn fragend an, er versteht was ich sagen will, doch zuckt nur mit den Schultern.

„Ich weiß auch nicht, was genau passiert ist. Er meinte, dir wäre dir Vorfahrt genommen worden.“

Ich nicke langsam, weil ich mir das gut vorstellen kann, bei mir im Viertel wimmelt es nur von Einbahnstraßen, Vorfahrtsstraßen und Menschen, die die Schilder ganz gerne überlasen.

Dann runzle ich die Stirn.

„Er?“, fiepse ich – das erste Wort, das ich seid meinem Aufwachen gesagt habe.

Ace betrachtet mich mit hochgezogenen Augenbrauen, dann nickt er.

„Ja, er. Dein Nachbar.“
 

Eine geschlagene Minute kann ich ihn nur dümmlich anglotzen, meinen sommersprossigen Freund, dann dringt die wahre Nachricht dieses Satzes langsam zu mir durch und mir wird heiß und kalt zugleich.

Ich starre an die steril weiße Decke.

„Ist... er hier?“, flüstere ich und Ace muss näher an meinen Mund kommen, damit er mich verstehen kann. Doch schließlich nickt er und löst damit eine wahre Gefühlsexplosion in meinem Magen aus.

„Ja, ist er. Sitzt seid geschlagenen 2 Stunden da draußen im Warteraum. Ich weiß nicht ob er tot ist oder schläft, jedenfalls ist er ziemlich unbeweglich und scheint seine Füße wahnsinnig interessant zu finden.“

Ich versuche mich aufzurichten, schaffe es aber nicht und Ace greift mir stützend in den Rücken.

Er sieht in meine Augen und ich weiche seinem Blick aus.

„Soll ich ihn weg schicken?“, fragt er mit einem alamierten Unterton.

Und fast sage ich ja. Es hängt mir schon auf der Zunge, ich öffne den Mund um es auszusprechen..

„Nein.“

Und so einfach konnte aus einem Wort das genau Gegenteil werden.

Natürlich soll er ihn nicht wegschicken. Mein Hirn schreit zwar danach, das der Arsch bloß verschwinden soll – aber mein Körper braucht seine Droge wieder.

Und nur er kann sie mir verabreichen.

Ich schlucke schwer und sehe Ace bittend an.

„Könntest du vielleicht...?“

Ich deute auf das Kissen hinter mir und Ace lächelt darauf hin.

„Ja, klar.“ Er legt meine Kopfunterlage so hin, das ich meinen Rücken gegen die Wand lehnen kann, ohne das ich mir dabei schwerere Verletzungen zuziehe, dann lässt er mich zurück sinken.

So sitze ich aufrecht, ohne mich dabei anstrengen zu müssen.

Er zupft ein wenig beschämt an meiner Decke. Ich sehe ihn fragend an. Er lächelt ungeschickt.

„Na ja, ich dachte, vielleicht kann er dich ja vorbei bringen, wenn er nichts dagegen hat.“

Ich runzle die Stirn. Das passt mir mal absolut gar nicht in den Plan.

Ich lege den Kopf schief und Ace räuspert sich.

„Na wegen Ruffy. Der ist momentan bei seinem Kochkurs und ich hab versprochen ihn gleich abzuholen...“ Ich verdrehe die Augen.

Ruffy bei einem Kochkurs. Na Prost Mahlzeit.

Dann nicke ich langsam.

„Ja, in Ordnung.“ Aus Ace Grinsen wird ein breites Lachen.

„Danke, man! Ich hab ihn schon gefragt, er meinte er würde das gern machen.“

Das war sowas von typisch für Ace. Bevor er wusste ob es ging, fragte er einfach schon mal provisorisch nach. Ich will ihn schütteln und anschreien, das er sowas doch nicht mit mir machen kann, doch ich tue es nicht, weil ich gerade nicht das Lungenvolumen dafür habe und ganz nebenbei würde er das eh nicht verstehen.

„Also. Ich fahre jetzt los, wenn noch irgendwas ist, ruf mich einfach auf mein Handy an, in Ordnung? Du kennst die Nummer ja.“

Nein, kenne ich nicht, zumindest nicht auswendig, aber ich werde diese treulose Tomate auch ganz sicher nicht anrufen. Die soll mal ganz entspannt abdüsen und mich mit Lorenor Zorro allein lassen.

Argh. Schon der Name lässt mich ängstlich erzittern.
 

„Okay, wir sehen uns Kumpel. Bis nachher.“

Nachher, ha, der Witz ist gut. Wahrscheinlich finden die netten Leute hier nachher bei der so genannten Abschlussuntersuchung doch noch was und die schläfern mich sofort ein.

Wegen Seuchengefahr oder so. Bei meinem Glück ist das gar nicht so undenkbar.

Ich sehe ihm zu, wie er mich nochmal anlächelt, ich lächle aber nicht zurück, also dreht er sich um und verschwindet ein wenig zu eilig aus meinem Zimmer.

Ich kann es ihm nicht verübeln. Krankenhäuser haben nun mal diese schreckliche Ausstrahlung.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und betrachte die Decke.

Er ist also hier. Im Nebenzimmer. Wartet. Worauf auch immer.

Na, auf den Weihnachtsmann wohl eher nicht. Er wartet darauf das er rein kommen darf.

Ich würde gern aufstehen und sowas wie ein 'do not distub' – Schild draußen an den Türknauf hängen, aber das wäre sicher auch lächerlich.

Wieso er allerdings hier ist, kann ich mir eher weniger erklären.

Schließlich habe ich ihn vorhin noch ziemlich unwirsch beschimpft und beleidigt.

Ich schiele aus dem Fenster und stelle fest, das es draußen rabenschwarz ist. Wie spät es wohl ist? Vielleicht 10? Das würde sicher hinkommen.

Komische Uhrzeit, um bei einem Kochkurs zu sein. Irgendwas ist an der Sache faul.

Ich weiß nur noch nicht so recht was, denn wenn ich darüber nachdenken will bekomme ich weitere Kopfschmerzen. Wie kann man dieses fürchterliche Piepen nur abstellen?
 

Ich will die Geräte gerade einer eingehenden Untersuchung unterziehen, als die Tür aufgeht und ich erschrocken zusammen zucke, weil ich glaube das er, mein grünhaariger Nachbar, hinein geschlendert kommt. Lässig wie immer, vielleicht noch mit einem schelmischen Grinsen auf dem Gesicht.

Doch es ist nur der Arzt von eben, der mich aufmerksam mustert, bevor er wieder den Kopf in die Akten drückt.

„So, nun nur noch die Abschlussuntersuchung. Machen sie sich bitte oben rum frei.“

Ich empfinde diese trockene Ansage als ein bisschen aufdringlich, aber ich gehorche der höheren Gewalt im Kittel und entkleide mich mit einigen Schwierigkeiten, weil ich mich immer noch ziemlich schwach fühle.

Er hört mich mit einigen eiskalten Instrumenten ab, die sich anfühlen als hätte er sie nochmal ins Eisfach gelegt, nur für mich. Wie aufmerksam von ihm.

Schließlich befühlt er noch meine Kopfwunde, die verbunden ist, wie ich gerade feststellen darf.

Ich merk aber auch gar nichts.

Schließlich nickt er zufrieden.

„Sehr gut. Sie können jetzt aufstehen, sich anziehen und gehen.“

Er scheint die akute Erleichterung in meinem Gesicht erkannt zu haben und lächelt.

„Krankenhäuser sind wohl nicht ihre liebsten öffentlichen Gebäude, hm?“

Ich hebe einen Mundwinkel zu einem leichten Lächeln.

„Gut erkannt.“, witzle ich und er lacht tatsächlich ein wenig.

„Gut, dann wünsche ich ihnen noch einen erholsamen Abend. Schlafen sie sich zu Hause gut aus.“

Ich nicke, weil ich ihm nicht sagen will das ich gerade kein zu Hause habe.

Er dreht sich um und verlässt mein Zimmer.

Ich seufze, starre nochmal feindselig auf die Maschinen neben mir, die mich trotzig anpiepsen, dann schiebe ich schwerfällig die Beine aus dem Bett.

Das ist der Vorteil von Privatpatienten wie mir. Einzelzimmer garantiert.
 

Die Tür geht und alle meine Muskeln und Sehnen in meinem Körper spannen sich schmerzhaft stark an, als ich seine grünen Haare aufflammen sehe.

Er trägt seine ausgebleichte Jeans, darauf schwarze Sneakers, ein graues Hemd das er offen stehen hat und darunter ein weißes Muskelshirt, soweit ich das erkennen kann.

Steht ihm ganz nebenbei mehr als ausgezeichnet.

Über seinem Arm hängt seine schwarze Jacke.

Wir starren uns an, sehen uns direkt in die Augen, uns trennt die gesamte Leere des Raumes, und doch habe ich das Gefühl das er direkt vor mir steht.

Die Luft ist voll von ihm, seid dem Augenblick in dem er eingetreten ist.

Mir fallen die Ringe unter seinen Augen auf, die noch tiefer geworden sind als sie eh schon waren.

Sein Mund ist zusammen gepresst, nur noch ein Strich in seinem Gesicht.

Er scheint schrecklich beherrscht und ernst gestimmt.

Ich sehe wohl nicht anders aus, nur habe ich da noch diesen leichten Rotschimmer auf den Wangen, der mich verrät.

„Hey.“, murmelt er, genau wie am Auto, und ich habe dieses seltsame Deja – Vu – Gefühl. Dieses Wissen, das ich genau das schon mal erlebt habe. Das kribbelt in der Magengrube.

Oder ist das die Erinnerung an vorhin, auf der Straße, im Licht der untergehenden Sonne?

Argh!

Ich antworte nicht, nicke nur, dann schiebe ich mich langsam aus dem Bett.

Ich trage diese typischen Krankenhauskittel, allerdings habe ich hinten keinen Schlitz durch den man meinen Hintern sehen kann, zum Glück.

„Wie geht es dir?“, fragt er und ich kann ihn kaum hören, so leise ist seine Stimme.

Sowohl meine Hände zittern als auch meine Stimme, als ich antworte.

„Geht so.“ Ich höre es rascheln, und als ich aufsehe um zu gucken was er macht da erkenne ich, das er sich umgedreht hat.

Wohl, damit ich mich in Ruhe umziehen kann. Nett von ihm.

Eilig und ziemlich beschämt lasse ich den Kittel von meinen Schultern gleiten, fische vom Stuhl neben meinem Bett meine Boxershorts und meine Hose.

„Der Arzt hat gesagt, das du viel Ruhe brauchst und dich ausschlafen sollst. Außerdem soll ich dich wieder her bringen, wenn dir schwindelig wird und schlecht.“

Irgendwas ist mit seiner Stimme passiert. Ich erkenne sie kaum wieder.

„In Ordnung.“, murmle ich, nehme einfach hin was er gesagt hat.

Er scheint sich ja ganz genau erkundigt zu haben.

Wir schweigen, während ich mir mein Hemd überziehe und in die Schuhe schlüpfe, ohne sie zu zu machen. Dafür lasse ich mich auf den Stuhl sinken.

Ich betrachte seinen Hinterkopf, während ich die Schnürsenkel schließe.

Sein Kopf ist gesenkt, seine Haltung drückt Unwohlsein und Nervosität aus.

Ich weiß nicht, ob er mir Leid tut, denn momentan klopft mein Herz zu sehr als das ich das merken könnte.

Er wippt unruhig auf der Stelle, hin und her, nach vorne und nach hinten. Ich stehe wieder auf und greife nach meiner Jacke.

„Fertig.“, verkünde ich halblaut und er dreht sich um, sieht mich aber nicht an.

Sein Blick schweift nervös durch den Raum.

„Gut. Dann komm.“ Ich nicke, er geht los und ich versuche ihm so gut wie möglich zu folgen, aber ich bin eben noch nicht so schnell auf den Beinen, so taumle ich eher unbeholfen hinter ihm her, wie ein kleines Kind manchmal seinem Vater hinterher taumelt.

Wir gehen durch weiße Flure, ich rieche die Krankheiten und die Übelkeit und die Schläuche, ich höre das Piepen und ich bekomme Angst.

Hier sterben die Menschen.
 

Wir marschieren Treppen hinunter, ich klammere mich an das Geländer wie an ein Rettungsseil, weil ich glaube stürzen zu müssen, doch als er sich umdreht um zu sehen ob es mir gut geht lasse ich schnell los und tue so als sei ich total sicher.

Sonst kommt er noch zu mir und stützt mich oder solche Späße.

Wir treten hinaus ins Freie, die eiskalte Nachtluft schlägt mir gegen das Gesicht und ich fröstle, als ich schnell in meine Jacke schlüpfe.

„Mein Auto steht da vorne.“, höre ich ihn sagen und folge seiner Hand, die auf den Parkplatz deutet. Wir gehen los, schweigend, beschämt, irgendwie verwirrt.

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es ist ja nett, das er sich kümmert. Aber in Anbetracht dessen, was vorhin passiert ist, wäre es mir lieber, wenn Ace mich gefahren hätte.

Aber man kann sich eben sowas nicht immer aussuchen.

Idiotisch.

Ich erkenne seinen Flitzer sofort, den würde ich wohl nie vergessen.

Er geht um ihn herum während ich bei der Beifahrertür stehen bleibe, er schließt auf und ich öffne vorsichtig, lasse mich auf das Lederpolster sinken und schließe die Tür schnell wieder.

Für eine gute Sekunde ist es still und ich bin allein mit seinem Geruch.

Mit dem Gefühl des Geborgen seins. Mit der Sicherheit. Mit der Glückseligkeit.

Dann setzt er sich neben mich, bringt kalte Luft hinein und sofort fühle ich mich wieder unwohl.

Unsere Körper trennt nicht mehr viel. Nur eine dünne Wand aus Luft.

Ich drücke mich tief ins Polster und versuche mein Herz zu beruhigen.

Meine Hände zittern, meine Beine ebenfalls. Und das nicht, weil mir kalt ist.

Tonnen von Adrenalin schießen durch meinen Körper und lassen mich kurz auflächeln.

Er startet den Wagen, fährt an, parkt aus und fährt vom Parkplatz.

Nicht mal Radio macht er an. So liegt die Stille wie ein eiserner Schleier über uns.

Niemand traut sich, ihn zu brechen. Ich höre dem Motor beim brummen zu und seiner Armbanduhr bei ticken.
 

„Es tut mir Leid.“
 

Vollkommen aus dem Konzept hebe ich den Kopf und starre ihn verwirrt an.

Wie, es tut ihm Leid? Wovon spricht er denn jetzt schon wieder?

Er dreht nur kurz den Kopf, er muss sich ja auf den Verkehr konzentrieren, aber als sein Blick in meinen fällt erschaudere ich.

So, wie er mich gerade angesehen hat, so hat er mich noch nie angesehen. Ängstlich. Verwirrt. Besorgt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Wieder schweigen wir ein wenig. In dieser Zeit starre ich auf die Straße, in meinem Körper pocht und kribbelt es.

Schließlich ergreift er das Wort wieder.

„Verdammt Sanji, ich hab Scheiße gebaut, das weiß ich. Nicht nur ein Mal, sondern gleich zwei Mal. Oder eher... drei mal.“

Das summiert sich ja langsam, auch wenn ich immer noch nicht weiß was er meint.

Ich betrachte meine Füße.

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“, nuschle ich schließlich in mich hinein, mein Gesicht brennt, vor allem meine Wangen, meine Lunge fühlt sich wie eingedrückt an.

Ich spüre wieder kurz seinen Blick auf mir, doch ich erwidere nicht.

„Das kannst du auch nicht.“, sagt er mit einem Seufzen und ich nicke langsam.

Gut, das wir uns da einig sind.

„Ich... scheiße.“

Er scheint mir erklären zu wollen was er meint, doch außer Fluchen und sinnlosem Gestotter kommt bei ihm nichts weiter raus.

Ich schließe die Augen und blende so alle sichtbaren Eindrücke aus.

„Du musst dich nicht bei mir entschuldigen.“, sage ich leise und er verstummt abrupt.

Ich fahre fort, weil ich weiß das er mir zuhört.

„Es ist okay. Wirklich. Ich muss mich eher bei dir bedanken, weil du dich so nett um mich kümmerst.“ So, das war schon mal vom Tisch, und wenn der wüsste wie viel Überwindung mich das jetzt gekostet hat, dann würde der sicher nicht weiter reden.

Doch er weiß es ja nicht.

„Sanji, bitte.“ Ich schließe den Mund. Wenn der meine aufopferungsvollen Versuche nicht zu würdigen weiß, dann lasse ich es eben sein.

Ich höre ihn erneut seufzen, dann macht er einen Laut zwischen einem Lachen und einem keuchen.

„Zuerst muss ich mich für eben eben entschuldigen. Da sind ... die Gefühle mit mir durch gegangen.“

Ja, so schien mir das auch in diesem Moment. Jetzt aber verstehe ich nicht, was er mir damit sagen will. Was denn bitte für Gefühle?

„Dann muss ich mich für den Unfall entschuldigen, Sanji. Irgendwie ist das ja meine Schuld und fuck, du glaubst gar nicht wie dreckig ich mich deswegen fühle.“

Ich will den Mund öffnen um ihm zu sagen dass das Bullshit ist, er war da gar nichts Schuld, doch er redet weiter, lässt mich nicht zu Wort kommen.

„Ich wollte das Ganze nicht. Es war unüberlegt, überstürzt und hat dich verletzt.“

Ich nicke langsam, allerdings nur, damit er weiter redet.

„Und ich glaube, ich muss dir etwas gestehen, Sanji.“

Ich schlucke. Irgendwie habe ich Angst.

Er holt tief Luft und ich auch.
 

„Ich habe dich beobachtet. Seit dem ersten Tag, an dem ich zu euch ins Viertel gezogen bin.“

I'm a maniac!

~ Stalker! ~
 

N0. 13 - I'm a maniac!
 

„Ich habe dich beobachtet. Seit dem ersten Tag, an dem ich zu euch ins Viertel gezogen bin.“
 

Der Satz dringt an mein Ohr, schießt durch meinen Kopf, trifft auf mein Gehirn und explodiert dort wie eine fette Atombombe.

Wie eine richtig fette Atombombe.

Erstmal kann ich gar nichts. Ich sitze auf diesem unendlich weichen Ledersitz, halte mit den Händen das Sitzpolster umklammert, starre auf die vor sich hin fliegende Straße vor mir und bewege mich keinen Zentimeter.

In meinem Kopf herrscht eine schrecklich gähnende Leere, bis auf einmal, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, mein Hirn beginnt auf Hochtouren zu arbeiten und meinen Verstand mit Fragen zumüllt, die ich gar nicht alle auf einmal stellen kann oder will.

Wieso? Wann? Wie?

Warum habe ich das nie bemerkt?!

... stopp, Sanji. Ruhig, komm runter. Vielleicht hast du ihn ja auch falsch verstanden. Vielleicht meint er mit beobachten ja auch etwas ganz anderes als du.

Ich will gerade den Mund öffnen um meiner Verwirrung Luft zu machen, als er weiter spricht.

„Verdammt, ich schäme mich wirklich dafür.“ Seine Worte klingen sehr gepresst und unterdrückt, als hätte er einen dicken Bart vor dem Mund, den er aber nicht hat.

„Aber ich will ehrlich mit dir sein, Sanji. Ich... habe dich beobachtet.“

Alles klar.

Wir meinen nicht zwei unterschiedliche Sachen.

Wir reden hier definitiv vom stalken.

Ich spüre wie eine Hitze meinen Körper hinauf kriecht, sich in meiner Brust zu einem Feuer vergrößert und dann in mein Gesicht schießt.

Ich werde knallrot, versuche mich unmerklich kleiner zu machen.

Jetzt gibt es ein paar wichtige Fragen, die geklärt werden müssen.

Aber ich weiß absolut nicht, ob ich das auf die Reihe bekomme. Mein Herz rast, mein Puls ist weit über der lebensfähigen Grenze, mein Atem geht eher stoßweise und ich schwitze.

Wenn ich jetzt etwas sage; dann bin ich sicher tot.

Also schweige ich und versuche mich irgendwie zu beruhigen, was aber nicht klappt, weil er weiter redet.

„Ich kann mir vorstellen, was du dich fragst, und ich will das jetzt aufklären.“

Das Auto macht eine scharfe Rechtskurve und ich bin froh, das ich angeschnallt bin.

Ich will ihm die Hand vor den Mund halten, damit er schweigt, doch ich kann mich nicht bewegen.

„Erstmal, bevor du dich durch gerungen hast zu fragen... ja, ich weiß, das du mich auch beobachtet hast.“
 

BAM!
 

Heftiger, stechender Schmerz in meiner Brust, starker Schweißausbruch, ein Keuchen krabbelt aus meiner Kehle, ich bekomme eine Panikattacke, das spüre ich, doch ich kann sie nicht mehr abwenden.

Ich kneife die Augen zusammen und bete zu Gott, das mein Herzschlag sich wieder verlangsamt.

„Aber ich fürchte, du hast damit ein bisschen später angefangen.“

Das glaube ich nicht.

Aber ich unterbreche ihn nicht. Ich habe einen widerlichen Geschmack im Mund.

„Es fing damit an, das ich bei euch eingezogen bin. Hast du ja sicher mit bekommen. Da hab ich so eine süße Rothaarige am Fenster bei dir stehen sehen. Ich dachte, das ihr das Haus gehört und ich wollte nicht unhöflich sein. Du verstehst.“

Ja, ich verstehe, natürlich.

Immer dreht sich alles um Nami.

Verdammt!

„Ich hab mich also am Abend schick gemacht, hatte mir so einen netten Einführungstext zum Kennenlernen überlegt, stand vor deiner Tür, und nur durch Zufall glaube ich fiel mein Blick bei dir ins Fenster, denn da brannte Licht. Ich glaube, ich wollte nur sehen, was sie macht, damit ich mich auf irgendwas einstellen konnte. Aber sie war nicht da. Du warst da.“

Ich kann mich lebhaft an diesen Abend erinnern.

Wie ich gekocht habe vor Wut, weil die Damen mir keine Beachtung geschenkt hatten.

Wie ich geputzt hatte.

Mein Gott, er hatte mich beim putzen beobachtet?!

„Du hast da gerade irgendwas gewischt, glaube ich.“

Bingo. Wie schön, da kannte er meinen Tick ja schon.

„Und... ich weiß auch nicht. Anstatt zu klingeln, bin ich zum Fenster und habe dich beobachtet. Obwohl ich eigentlich zu diesem Mädchen wollte. Ich... konnte nicht mehr weg sehen. Alles was du getan hast hat mich sofort in deinen Bann gezogen.“

Ich weiß nicht, wo ich sein Geständnis jetzt hin stecken soll.

Klingt ja irgendwie krass nach ner missglückten Liebeserklärung.

Aber ich überhöre das.
 

„Na ja, jedenfalls habe ich das an den folgenden Tagen auch gemacht. Bin zu deinem Fenster und habe zugesehen was du getan hast. Ich konnte nicht anders, das war so ein Zwang in mir, ich konnte Abends nicht schlafen wenn ich nicht gewusst habe, was du getan hast.“

Das kenne ich.

„Bis dann zu dem einen Tag, an dem ich dich an meinem Fenster bemerkt habe. Bei der Party.“

Ich schlucke.

Mittlerweile fährt Lorenor wie eine angesenkte Sau. Wir biegen rechts ein und die Reifen quietschen. Ich fürchte erneut um mein Leben.

„Zuerst dachte ich, ich müsste das schlimm finden, irgendwie. Aber ich fands nicht schlimm. Ganz im Gegenteil. Ich war... glücklich.“

Ich schlucke schwer, als ich sehe das wir auf eine erneute Kurve zurasen.

Mit mindestens 50 Sachen zu viel.

Gleich durchbrechen wir die Schallmauer, ich seh's kommen.

„Schließlich warst du immer öfter bei mir. Also am Fenster. Oder zumindest draußen an der Hauswand. Sonderlich unauffällig warst du ja nicht. Aber das war gut. So konnte ich immer sehen was du getan hast und ich hab mich wohl gefühlt. Ich konnte nachts prima schlafen. Das war der Grund, wieso ich das Fenster offen gelassen habe. Dann konnte ich dich atmen hören.“

Ich kneife die Augen fest zusammen als sich der Wagen in die Kurve legt und ich ein erneutes Quietschen höre.

Lorenor zuckt nicht mal mit der Wimper. Der scheint öfter so zu fahren.

Memo an mich selbst: Zur eigenen Lebenserhaltung nächstes mal selbst hinter dem Lenker sitzen.
 

„Oh man, ich weiß, das hört sich total krank an.“

Unter anderem auch das, ja.

Aber das ist es nicht, was mich stört.

Eigentlich möchte ich ihn nur auf den Rücksitz verfrachten und ihm den Führerschein abnehmen.

„Wenn du nicht bei mir warst, hab ich mir Sorgen gemacht. Ich bin zu dir rüber und hab nachgesehen.“

Ich schiele zu ihm. Sein Blick hängt irgendwo zwischen traurig und konzentriert.

Worauf, das weiß ich nicht. Der Verkehr scheint es nicht zu sein.

Wir schweigen, was ich akut als ganz angenehm empfinde, weil ich eh nichts sagen kann.

Obwohl ich dran bin mit reden, das weiß ich ja auch.

Eigentlich muss ich jetzt loslegen mit „ach... nee... ja...“

Aber es kommt nichts. Es will nicht.

Ich bin einfach nur viel zu geschockt.

Von ihm, seinem Geständnis und dieser Autofahrt.

Und meinem Leben.
 

Ich sehe aus dem Fenster neben mir, betrachte die Häuser die an mir vorbei fliegen.

Dann sehe ich wieder zu ihm.

Er vermeidet den Blickkontakt, das spüre ich, und ich verstehe es.

„Fahr mich bitte nicht zu Ace.“

Das ist das Erste, was ich seid ziemlich langer Zeit gesagt habe.

10 Minuten liegen zwischen seinen Worten und meinem Satz.

Überrascht dreht er den Kopf und sieht mich aus seinen dunkelgrünen Adleraugen an.

„... wohin denn dann?“

Ich schließe die Augen, weil ich nicht sehen will wie er mich betrachtet.

Doch ich spüre es am ganzen Körper.

„Weiß nicht. Zu dir. Glaube ich.“

Ich spüre, wie aus seiner Überraschung Verwirrung wird.

„Zu mir?!“, fragt er nach.

Ich sehe es allerdings nicht ein, meine Worte zu wiederholen, schließlich hat er es verstanden.

Wir schweigen wieder. Ich falte die Hände in meinem Schoß, damit sie nicht so zittern, und sehe der Landschaft beim vorbei fliegen zu.

Das war eine schlechte Idee gewesen. Eine sauschlechte.

Bei ihm. Was soll ich denn bei ihm?!

Klar, ich hab mal wieder aus dem Bauch heraus gehandelt.

Das war nur so ein Gefühl in mir gewesen.
 

„Bist du dir sicher?“

Nein.

„Ja, doch.“

Plötzlich reißt er das Lenkrad herum, ich werde mit dem Gesicht unsanft gegen die Scheibe gedrückt und wir drehen quasi auf der Stelle.

Ich rieche verkohlten Gummi, zumindest glaube ich das ich ihm riechen kann.

Wir fahren die Straße, die wir gerade hinauf gebraust sind, wieder zurück.

Er scheint jetzt wieder Schilder lesen zu können und drosselt seine Geschwindigkeit.

Ich bin ihm sehr dankbar dafür.

Ich wünsche mir, das irgendwie das Radio angeht, aber Knöpfe lassen sich nun mal nicht durch Willenskraft bedienen – auch wenn Uri Geller uns was anderes verklickern will – und es bleibt aus.

Ich versuche mir irgendwie ein Lied vorzustellen, damit ich wenigstens das Gefühl habe das die Stille gefüllt ist, doch mir fallen nur so deprimierende Sachen wie One Republic ein.

Und eigentlich will ich nicht daran denken, das es zu spät ist sich zu entschuldigen.
 

Langsam aber sicher kann ich erkennen wo wir sind.

Die hohen Bauten werden zu Einfamilienhäusern.

Geschäfte werden zu Vorgärten.

Aus Kunden werden Omas mit kleinen Hunden.

Wir kommen zurück in unser Viertel.

In mein altes zu Hause.

Obwohl es nur wenigste Stunden her ist das ich mit diesem Haus abgeschlossen habe fühle ich eine tiefe Enttäuschung in mir, als Lorenor in eine Parklücke hinein fährt und ich es sehen kann.

Klar sind noch meine Möbel drin. Das ist noch mein Haus.

Und trotzdem... fühle ich mich ein wenig fremd.
 

Ein kalter Schwall Luft schlägt mir ins Gesicht, als er die Fahrertür öffnet und aussteigt.

Ich bleibe sitzen, starre auf das Auto das vor seinem parkt.

Ich fühle mich allein, das ist ganz angenehm, aber irgendwie wird mir doch kalt und ich steige auch aus.

Er sieht mich fragend an, fast, als wüsse er nicht wie er zu seinem Haus kommt.

Ich weiß nicht wieso, ich lächle ein wenig, vielleicht nur um uns beide ein wenig zu beruhigen.

Er erwidert und das fühlt sich gut an.

Er geht los, ich folge ihm, gemeinsam schlendern wir über den Gehweg, ich fühle mich ein wenig müde, was aber auch kein Wunder ist bei dieser Uhrzeit.

Wir gehen durch seinen Garten, ein Kribbeln läuft durch meinen Körper als ich hinter ihm stehen bleibe während er die Tür aufschließt.

Gemeinsam treten wir ein, es ist zappenduster, aber er macht schnell das Licht an und zumindest den Flur kann man gut erkennen.

Ich ziehe meine Jacke aus, schlüpfe aus den Schuhen und bleibe an der Tür stehen, während er in die Küche geht, dort ebenfalls das Licht anmacht und umständlich an der Kaffeemaschine herum werkelt.

„Willst du auch einen?“

Mit diesen Worten reißt er mich aus den Gedanken und ich zucke kurz zusammen.

„Ja, bitte.“, murmle ich schließlich, schlendere durch den Flur und setze mich in der Küche auf einen der zwei klapprigen Stühle.

Ich mag seine Küche. Sie ist gemütlich und wohnlich. So anders als meine.

Viel... entspannter.

Gut, so sauber wie bei mir ist es hier auch nicht.

Aber irgendwie fällt mir das gar nicht so sehr auf.
 

„Hier.“

Mit einem leisen Klirren setzt er die Tasse vor mir ab, ich nehme sie zwischen meine Finger und wärme sie so auf.

Ich wünsche mir eine Zigarette herbei, doch mir fällt ein das die in meinem Koffer sind.

Und ich habe keine Ahnung, wo mein Koffer sich momentan aufhält.

Auch etwas, um das ich mich morgen kümmern muss.

Er setzt sich mir gegenüber, seine Tasse zwischen den Fingern, und er dreht sich nachdenklich hin und her während er die Arbeitsplatte mustert.

Wir schweigen wieder, bis ich das Gefühl habe Reden zu können.

„Wieso ist mir das nie aufgefallen?“, frage ich mich eher selbst, während ich in meinen Kaffee starre, als könnte ich darin die Zukunft sehen.

Ich spüre, wie er mich ansieht.

„Na ja, ich war immer sehr vorsichtig.“, sagt er und ich glaube ihm.

Er scheint das besser drauf zu haben als ich.

Wieder schweigen wir.
 

„Ich habe meinen Job verloren.“

Ich sehe nicht auf, doch ich kann ihn verdutzt keuchen hören.

Eine knappe Minute sagt er nichts, aber ich spüre seinen Blick und deswegen schaue ich immer in eine andere Richtung.

„... was?“, fragt er schließlich nach und ich seufze leise.

„Ich habe meinen Job verloren.“,wiederhole ich geduldig und jetzt sehe ich ihn an, weil mir sein Gestarre unangenehm ist.

„Aber.. wieso?“ - „Weil ich nicht bei der Arbeit erschienen bin und mich die Anderen nicht mochten.“

Lorenors Blick wandelt sich von Entsetzen zu Wut.

„Ticken die noch ganz sauber? Du bist der beste Koch, den die finden konnten!“

Ich lächle dankend für diese Floskel.

„Nett von dir. Aber das weißt du doch gar nicht.“

Er schnaubt verächtlich.

„Ich habe den Kuchen probiert.“, räumt er schließlich ein und ich runzle die Stirn.

„Den, den ich deiner Süßen ins Gesicht gehauen hab?“

Er grinst ungeschickt.

„Sie ist nicht meine Süße. Und ja, genau den. Schmeckte, obwohl sie ihn in der Fresse hatte.“

Zuerst lächle ich nur. Dann halte ich mir die Hand vor den Mund, weil ich kichern muss, und schließlich lache ich.

Ich lache wirklich, aufrichtig, ich weiß gar nicht so genau wieso, aber es ist herrlich befreiend.

Nachdem ich mich besser fühle, reibe ich mir die Lachtränen aus den Augen.

Er sieht mich verwirrt lächelnd an. Armer Kerl.

„Tut mir Leid. Aber... ich kann nicht glauben, das du ihn noch gegessen hast.“, murmle ich und nun lacht er auch.

„Klar. Ich hatte Hunger.“ Ich verdrehe die Augen.

Die plötzliche Lockerheit zwischen uns verunsichert mich nicht, aber ich bin verwundert das sie da ist. Eigentlich sollte ich total verspannt sein und mich nicht rühren.

Aber ich fühle mich gerade ungewöhnlich ruhig und entspannt.
 

„Ganz nebenbei muss ich auch ausziehen.“

Gut, das war auch schon mal raus und Lorenor macht noch größere Augen als vorher.

„Wegen dem Geld?“ Ich nicke zustimmend und er seufzt mit einem gequälten Gesichtsausdruck.

„Oh man.“ Da gebe ich ihm absolut recht.

Ich nehme einen großen Schluck Kaffee und sehe ihm dabei zu, wie er es mir gleich tut.

Dann schweigen wir erneut.

„Kannst ja ne Zeit lang hier bleiben.“ Ich lächle und sehe in mein Getränk, sage aber nichts dazu.

Schließlich erhebt er sich und räumt seine und meine leere Tasse weg.

Ich strecke mich und gähne laut.

„Müde?“ - „Ja.“

Er dreht den Kopf und sieht mich aufmerksam an.

„Wenn du willst, kannst du dich aufs Sofa legen.“

Irgendwas sehe ich in seinen Augen, irgendwas flackert da, aber ich kann es nicht genau einordnen.

Ich stehe auf und nicke.

„Ja, ich glaube, das werde ich auch tun.“

Er nickt, während er die Tassen in die Spülmaschine räumt.

„Ich hol dir gleich das Bettzeug, mach es dir schon mal gemütlich.“
 

Ich spüre es in meinem Körper kribbeln und rumoren, als ich ins Wohnzimmer gehe und mich langsam auf das Sofa sinken lasse.

Ich werde jetzt gleich auf seinem Sofa schlafen. In seinem Bettzeug.

Alles wird nach ihm riechen.

Also entweder ich werde die ganze Nacht nicht schlafen können weil ich so mit schnüffeln beschäftigt sein werde oder ich penne wie ein totes Kaninchen.

Das würde die Nacht, die jetzt folgt, zeigen.

Ich höre ihn im Schlafzimmer hantieren, stehe auf als er voll belanden in den Raum kommt und nehme ihm das Kissen ab.

Wir legen beides auf das Sofa, doch ich spüre das sich irgendwas wieder verändert hat.

Irgendwas zwischen uns knistert ziemlich deutlich hörbar. Als würde da elektrische Spannung zwischen uns sein.

Herrlich und gleichzeitig schrecklich.

Ich setze mich verunsichert auf die Decke, die daraufhin einsackt, und sehe zu ihm hinauf.

Wir sehen uns an und schweigen.

Da sind noch so viele Fragen, die zu klären sind. So viele unangenehme Antworten, die ich wohl bekommen werde. Aber ich habe irgendwie gar keine Lust, sie zu stellen.

Schließlich räuspert er sich beschämt.
 

„Ich würde... gern noch was hier bleiben.“, gesteht er.

What's in your head, Zombie? [hrr.]

~ Stalker! ~
 

N0. 14 – What's in your head, Zombie?!
 

Ich schlucke meine erste Reaktion auf seine Worte – ein erschrockenes Keuchen und die sofortige Flucht – schnell hinunter.

Sieht bestimmt auch reichlich lächerlich aus, wenn ich jetzt wie von der Tarantel gestochen aufspringe und den Flur auf und ab renne.

Ich wage es nicht, auf zusehen, ich kann seine Nervosität spüren, sie hängt wie ein dicker Schleier im Raum, aber was soll ich machen? Ich fühle mich doch genau so.

Meine Finger schwitzen unmenschlich stark, mein Atem geht viel zu schnell, alles verschwimmt vor meinen Augen und mir wird ziemlich schlecht.

Ich glaube, lange mache ich's nicht mehr, wenn die nächsten Tage auch so aufwühlend sein werden.

Ich höre seine Füße, die ein leise raschelndes Geräusch auf dem Parkett machen, als er von einem auf den anderen tritt.

Irgendwo hinter dem Sofa ertönt ein seltsames Geräusch und ich bin fast dankbar einen Grund zu haben, den Kopf zu drehen. Ich erkenne total süß, die sich hinter eine Topfpflanze gedrückt hat und mich mit großen, neugierigen Augen mustert. Ich lächle, weil sie so unsagbar niedlich aussieht, und halte ihr eine Hand hin, damit sie eine Chance hat mich wieder zu erkennen.

Sie kommt näher, beschnuppert mich und beginnt dann in typischer Katzenmanier, sich von vorne bis hinten durch kraulen zu lassen.

Katzen machen das genau richtig. Anstatt stundenlang um den heißen Brei herum zu reden, kommen sie einfach und verlangen zur Not auch mit Protestgeschrei um Aufmerksamkeit.

Bei Menschen geht das nur nach stundenlangen drum herum reden.

Eine leichte Wellenbewegung unter meinem Hintern lässt mich darauf vermuten das sich Lorenor Zorro neben mich gesetzt hat und meine Finger verkrampfen sich ein wenig im Bauch von der kleinen Katze, die mir darauf hin einen ordentlichen Schlag mit der Tatze verpasst.

„Au!“, keuche ich erschrocken und ziehe meine Hand zurück. Das Felltier wackelt hochnäsig davon.

Katze eben.
 

„Hat sie dir weh getan?“

Sein Atem streift mein Ohr und ein heftiger Schauer durchläuft mich.

Ich drehe nicht den Kopf, weil ich erahnen kann wie nah er mir ist.

Mein Herz bekommt erneut Aussetzer.

Ich sollte mal meinen Hausarzt damit konfrontieren.

„Nein, es geht.“, murmle ich eilig und lege die malträtierte Hand neben mich auf das Sofa, so, das sie ihn nicht berührt und einen gewissen Mindestabstand zwischen uns legt.

Ich fürchte mich nicht vor seiner Nähe. Viel mehr fürchte ich um mein Leben.

Ich scheine gerade dem Herzkreislaufkollaps ziemlich nahe zu sein.

Ich höre ihn leise lachen, ein Geräusch, das wie ein sanfter Regenschauer in meinen Ohren klingt.

Rauschend, angenehm, betörend. Man möchte aufstehen und tanzen, so schön ist es.

Ich lächle, weil ich nicht anders kann, weil mich die Situation heillos überfordert, doch er scheint alles im Griff zu haben.

Als ich ihm einen Blick aus den Augenwinkeln zuwerfe, hat er ein ruhiges, entspanntes und irgendwie glücklich erscheinendes Lächeln auf den Lippen.

Das verbessert meinen körperlichen Zustand jedoch kein bisschen.

Ich fühle mich wie eine Kuh, die auf die Schlachtbank geführt wird. Und Lorenor als mein Henker. Tut auch kaum weh.

Argh, wo kommen nur diese seltsamen Gedanken her?! Das ist doch totaler Quatsch.
 

Seine Finger berühren meine, er streift zärtlich die auf dem Sofa liegende Hand und mein Plan des Abstands ist damit dahin.

Ich halte die Luft an, im Grunde scheint alles um mich herum einfach still zu stehen, die Zeit bewegt sich nicht weiter, alles stoppt.

Ich drehe langsam den Kopf und sehe ihm in die Augen, weil ich nicht anders kann.

Seine Pupillen sind von einem Feuer erfüllt, das ich nicht benennen kann, ich weiß nicht welches Gefühl dieses Feuer verkörpert, ich kenne es nicht.

Aber ich habe da so einen Verdacht.

Sein Zeigefinger streicht über meinen Handrücken, bahnt sich langsam seinen Weg zu meinem Unterarm, dort stellen sich all meine Hährchen auf, ich schließe die Augen und presse meine Lippen auf einander.

Kein Laut soll mir entweichen, Laute können nur zerstören.

Wir schweigen, alles um uns schweigt, nicht mal total süß macht irgendwelche Geräusche, während seine Hand meine Schulter berührt, dort kurz Kreise zieht, bevor sie weiter wandert und schließlich durch mein Gesicht fährt.

Die Berührung ist nur kurz, einen kleinen Moment lang liegen seine Finger auf meiner Wange, doch das Gefühl das sie in mir auslösen ist einmalig.

Mir wird heiß und kalt zugleich, alles in mir kribbelt, jedes Körperteil scheint ein Eigenleben zu bekommen, ich habe Angst das ich mich gleich wie ein Wahnsinniger zuckend durch den Raum bewege, doch es passiert nicht, ich sitze nur da und all meine Muskeln und Sehnen geben ihre Tätigkeit auf. Ich falle in dieses Gefühl, in das Gefühl der vollkommenen Hingabe.

„Sanji, ich...“ Er soll schweigen, er soll nicht reden. Lorenor Zorro, wage es nicht, mir diesen Moment zu zerstören, oder ich zerstöre dich, das schwöre ich bei Gott.

Oder bei sonst irgendwem.

Ich öffne die Augen wieder und er scheint zu erkennen das Worte jetzt nur stören, er schließt den Mund wieder und sieht mich eingehend an.

Ein Lächeln ziert sein so makelloses Gesicht und ich erwidere. Was soll ich auch anderes tun?
 

Er beginnt meinen Rücken zu streicheln, vorsichtig, langsam, und doch mit einer gewissen Bestimmtheit, mit einem gewissen Selbstbewusstsein.

Ich beuge mich unmerklich nach vorne, damit er sich nicht die Hand ausrenken muss.

Er rückt ein Stück näher, ich rücke ein Stück näher. Wir sehen uns ununterbrochen in die Augen.

Ich weiß nicht, was verrückter ist. Mein Wille, alles mit mir machen zu lassen oder der Wunsch, das er mich hier, jetzt und auf der Stelle heiratet.

Einfach, weil er so unmenschlich perfekt in meinen Augen ist.

Er hebt nun auch seine zweite Hand, beide schließen sich um mein Gesicht, berühren sanft meine Wangen und ich kann mich dem Gefühl der Willenlosigkeit nicht entziehen.

Ich betrachte ihn noch einmal.

Seine gebräunte Haut.

Seine dunkelgrünen Adleraugen.

Sein markantes Kinn.

Sein Lächeln, das mich träumen lässt.

Sein Körper, der einer Marmorstatur gleicht.

Ich lasse mich fallen, lächle ebenfalls leicht und schließe die Augen, als er meinen Kopf mit sanfter Gewalt näher zieht.

Ich rieche ihn und ich weiß, das ich nie etwas unbeschreiblicheres gerochen habe.

Da ist so viel mehr, so viel mehr das ich kennen lernen möchte.
 

Seine Lippen legen sich das zweite Mal in meinem Leben auf die meinen und alles in mir gibt den Geist auf. Ich höre mein Herz nicht mehr schlagen, mein Körper ist nur noch ein nutzloses Stück Fleisch, ich lasse mich nach vorne fallen und er fängt mich auf, schließt mich in seine Arme.

Die Wärme die von ihm ausgeht hüllt mich ein und macht dieses Erlebnis perfekt.

Er schmeckt nach so vielen Dingen.

Nach Wasser.

Nach Leben.

Nach Natur.

Nach Liebe.

Nach Wärme.

Nach Unendlichkeit.

Nach Glück.

Nach der Sonne.

Aber vor allem schmeckt er so, wie er riecht. Unbeschreiblich.

Ich lege meine Arme um seinen Hals, damit er mir nicht entkommen kann, ich spüre das ihm das recht ist und das gefällt mir.

Wir lösen uns nicht von einander. Immer wieder versiegeln wir unsere Lippen mit denen des jeweils anderen. Wir atmen nicht, ich glaube auch das wir in diesem Moment nicht altern, weil die Zeit stehen geblieben ist.

Ich spüre, wie sich seine Arme enger um mich schließen und ich presse mich noch ein klein wenig mehr an ihn, nur damit er weiß es mir gefällt, was hier passiert.

Aber ich schätze, da ist er schon von selbst drauf gekommen.

Nun, nach einer gefühlten Ewigkeit, trennen wir uns doch, nur kurz, und sehen uns in die Augen.

Er lächelt kurz und ich spüre den Rotschimmer auf meinen Wangen, der sich ausweitet.

Ich will ihn nie wieder los lassen, und auch er scheint einen ähnlichen Wunsch zu haben, denn nur wenige Sekunden später küssen wir uns wieder.

Intensiver, inniger. Immer noch zärtlich, aber mit einer anderen Message.

Jetzt ging es eher darum, das er wohl heraus finden wollte, wie weit er gehen konnte.

Und Himmel, als ob ich ihm Einhalt gebieten würde!
 

Seine Hände beginnen langsam, meinen Körper zu erkunden. Nur zaghaft.

Vom Rücken wandern sie über meinen Brustkorb, streicheln meine Muskeln, fahren immer wieder über meine Seiten; es scheint ihm Spaß zu machen das ich immer wieder zusammen zucke, wenn er eine empfindliche Stelle berührt.

Ich kann ihm dafür nicht wütend sein. Mir gefällt es ja auch.

Er küsst meinen Hals, ich recke mich für ihn, schließe die Augen, vergesse alles, werfe sämtliche guten Vorsätze über Bord.

Ich kann mich ihm nicht mehr entziehen, für meinen Verstand ist es schon viel zu spät, als er mit der Zunge meine Halsschlagader nach fährt, mir ein leises Keuchen entlockt und sich meinem Hemd widmet, indem er es etwas ungeschickt versucht zu öffnen.

Ich will ihm helfen, doch er schiebt meine Hand bei Seite und weil er mich nicht mit machen lässt beginne ich ihn ein wenig abzulenken.

Er lacht leise, seine Stimme klingt fiebrig, als ich an seinem Ohr knabbere und seine Finger noch zitteriger werden.

Die Hitze, die meinen Körper durch fährt, ist einmalig, so etwas habe ich noch nie gespürt und ich will mehr davon, so viel mehr.

Er küsst mein Brustbein, knabbert an ihm, fährt mit der Zunge tiefer, drückt mich dabei mit der Hand nach unten und ich gebe mich ihm hin, ohne weiter zu hinterfragen.

Wäre aber auch saublöd. 'Was machst du da?' Die intelligenteste Antwort auf diese Frage wäre wohl 'Karten spielen' oder 'mir deine Plattensammlung ansehen'. Oder so.

Ich spüre die weiche Decke unter mir, fühle wie sie sich leicht um mich hüllt und ich genieße das Gefühl der Sicherheit, während er weiter meinen Oberkörper küsst, sich links und rechts neben mir abstützt.

Als er aufsieht und sich unsere Blicke treffen muss ich lächeln.

Seine Augen sind leicht vernebelt, sein Atem geht schnell und auf seinen Wangen leuchtet ein gut erkennbarer Rotschimmer.

Er lächelt ebenfalls, küsst mich, ich schmecke seine Lust und will mehr davon, während er mit einer Hand an meiner Hose herum fummelt.

Ich bin nicht erschrocken. Ich bin erregt. Das ist alles.
 

„Sanji...“

Das er jetzt redet macht nichts, er kann nichts mehr zerstören, ganz im Gegenteil, seine Stimme macht alles noch viel besser. Wie sein Atem über meine Haut fährt und eine Gänsehaut auslöst.

„Ich will dich..“

Ich will ihm sagen was ich fühle, ich will ihm sagen was ich denke, doch es bleibt in meiner Kehle stecken, es geht nicht.

Um ihm trotzdem klar machen zu können was ich darauf antworten möchte drücke ich mich an ihn und entlocke seinem Mund so ein gepresstes Stöhnen.

Ich genieße dieses Geräusch der Schwäche. Vor allem weil es aus seinem Mund kommt, als Lorenor Zorros Mund, aus dem Mund eines sonst so perfekten Menschen.

Er zieht sich sein Shirt über den Kopf, ich stöhne auf als ich seinen Oberkörper zu Gesicht bekomme.

Mein Gott. Ich habe ja mit vielem gerechnet. Aber damit nicht.

Ich habe ihn noch nie oben ohne gesehen. Bei sowas hatte ich mich beim bespitzeln immer beschämt weg gedreht, das war mir dann doch zu weit gegangen.

Und das... ist einfach unglaublich.

Perfekt definiert. Durchtrainiert und doch sah er nicht aus wie ein Bodybuilder.

Mir fällt kein anderes Wort für perfekt ein und so belasse ich es dabei.

Ich sehe mich an ihm satt, an seinem breiten Rücken, an seinen Schultern, an seinem Bauch, seinem Brustkorb.

Als ich bemerke das auch er mich beobachtet werde ich rot.

Er lächelt. Dann beugt er sich vor, küsst mich, sanft und zärtlich, während er meine Hose ein Stück hinunter zieht.

Die kalte Luft die an meine Beine kommt macht mir klar, was wir hier eigentlich tun.

Wir sind im Inbegriff, Sex mit einander zu haben.

Mit einander zu schlafen.

So richtig. Das vermute ich zumindest.
 

Ich öffne die Augen und sehe ihn ängstlich an.

Er erwidert den Blick überrascht.

„Gehe... ich zu weit?“, fragt er schließlich und man hört einen leichten Hauch von Panik in seiner Stimme. Ich weiß es nicht so richtig, aber ich will ihn auch nicht von mir vertreiben.

Also schüttle ich den Kopf.

„Nein, nein. Ich...“ Er legt mir einen Finger auf den Mund und ich verstumme.

„Ich habe sowas auch noch nie gemacht.“, sagt er und es klingt ehrlich.

Ich würde ihm eh alles glauben. Und wenn er behauptet, die Erde ist eine Scheibe und dreht sich nur um Chuck Norris. Alles klar. Dann hat er Recht. Punkt.

„Ich möchte dich aber auch zu nichts zwingen.“

Wie schafft es dieser Mann nur, so einfühlsam und gleichzeitig so unmenschlich cool dabei zu sein?

Ich lächle beschämt.

„Das tust du nicht.“, flüstere ich. Er nickt langsam, dann küsst er mich erneut.

Seine freie Hand entfernt meine Hose nun endgültig, mir wird ein wenig kalt, aber seine Körperwärme gleicht das aus.

Er drückt sich fest an mich, ich spüre seine Erregung an meiner und ich kneife fest die Augen zusammen, damit ich ein leidvolles Quietschen unterdrücken kann.

So langsam aber sicher kann ich nicht mehr. Irgendwas platzt gleich. Und ich habe die erschreckende Befürchtung, das meine Eier dann dran glauben müssen.
 

Hecktisch fummle ich an seiner Hose herum, öffne den Gürtel, ziehe fast wild an ihm, bis er sich erbarmt, seinen Unterkörper leicht anhebt das ich leichteres Spiel habe.

Als wir nur noch von zwei schichten dünnem Stoff getrennt sind, beiße ich ihm in die Schulter, um peinliche Geräusche zu verhindern.

Das ihn das anmacht, damit kann ich ja nicht rechnen, aber ganz offensichtlich tut es das.

Er stöhnt, krallt sich in meinen Rücken und küsst meinen Hals.

Ich schließe die Augen, lasse mich fallen, vergesse die Welt da draußen, vergesse sogar das Zimmer in dem wir uns befinden oder die Tatsache, das man wenn man durch das Fenster sieht uns ziemlich gut beobachten kann.
 

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x3

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... Sonne.

Eine furchtbare Erfindung. Wirklich. Wer sich auch immer diesen Schrott ausgedacht hat, er hat nicht an die Menschen gedacht, die morgens ausschlafen wollen.

Ich fahre mir durch das Gesicht, stöhne weil dadurch das helle Licht auch nicht verschwindet und rolle mich auf die Seite.

Ah. Jetzt ist es ein wenig dunkler, gut. Problem: Ich bin wach.

Scheiße, verdammte.

Missmutig öffne ich die Augen und starre auf die Rückenlehne des Sofas.

Wie lange ich jetzt eigentlich geschlafen habe, weiß ich nicht, ich habe nicht auf die Uhr gesehen als ich eingeschlafen bin.

Wäre ja auch ein zu seltsamer Zufall. Man sieht auf die Uhr und genau in diesem Moment ratzt man weg. Ich kratze mich am Kinn, stelle fest das ich ziemlichen Bartwuchs an Stellen habe, an denen ich sonst eher nicht wuchern lasse und stöhne.

Memo an mich selbst: Rasieren, sobald das eben möglich ist.
 

Mein Körper fühlt sich an wie eine lebende Ruine.

Vor allem mein Hinterteil singt tausend Klagelieder, als ich mich wieder auf den Rücken drehe, um mich erneut den sadistischen Sonnenstrahlen aus zu setzen.

Mein Rücken schmerzt aber auch, mal ganz abgesehen von meinem Kopf und meinen Armen.

Nach einer kurzen Untersuchung entdecke ich den Grund – Kratzspuren. Ich vermute sie ebenfalls am Rücken.
 

Erst jetzt fällt mir auf, das etwas fehlt.

Und zwar der warme Körper, neben dem ich gestern Abend ein genickt bin.

Erschrocken richte ich mich ruckartig auf, verfluche mich aber sofort selbst.

Scheiße, ich brauche Aspirin und irgendwas gegen Verspannungen.

Und Bepanten für meinen Arsch.

Ich sehe mich um, der Raum ist leer, ich habe aber auch nicht damit gerechnet das er an irgend einer Wand lehnt.

Ich will mich gerade aufrichten und nachsehen ob ihm das Sofa zu ungemütlich geworden ist, als mein Blick auf den Coutchtisch fällt und ich den Zettel entdecke, der wie ein Kärtchen in einem Restaurant aufgestellt dort steht und wohl darauf wartet, gelesen zu werden.

Ich greife danach und klappe ihn auf.
 

Guten Morgen!
 

Wahrscheinlich hast du dich schon erschrocken, aber du hast so süß ausgesehen, da wollte ich dich nicht wecken.

Ich muss zur Arbeit, bin aber heute Nachmittag wieder da. Dann können wir reden, wenn du das willst. Mach es dir gemütlich, mein Haus ist dein Haus.

Bis nachher, ich freu mich auf dich!
 

Lorenor Zorro.
 

Ich schließe die Augen, seufze und lächle kurz.

Dieser Idiot. Hätte mich doch ruhig wecken können. Ein Rotschimmer schleicht auf meine Wangen, als ich den Zettel nochmal und nochmal und nochmal lese.

Argh.

Ich erhebe mich und mein Lächeln verschwindet augenblicklich.

Verdammt, das war doch absolut unmenschlich, solche Schmerzen zu haben!

Die Tränen schießen mir in die Augen, als ich mich mehr wankend als alles andere durch seine Wohnung in Richtung Bad bewege.

Das ich nackt bin stört mich wenig.

Ich trete in den gekachelten Raum, betrachte den Spiegel und starre mich ein wenig überrascht an.

Nicht, das ich so schlimm aussehe wie ich vermutet habe. Eher im Gegenteil.

Ich sehe jung aus. Erfrischt. Irgendwie wahnsinnig glücklich.

Ich grinse, schiebe mir die Haare aus dem Gesicht und mache ein paar Grimassen, nur um mich selbst zum lachen zu bringen.

Was ich dann auch tue. Ich bin gut drauf, habe ich den Eindruck.

Ich wasche mich mit Wasser, vorsichtig, weil manche Stellen ziemlich weh tun.

Ich beende diesen etwas leidvollen Akt mit einem Seufzen, kehre ins Wohnzimmer zurück und suche meine auf dem Boden liegenden Sachen zusammen.

Boxershorts. Ih. Ich brauch ne Neue.

Hose. Zerknittert. Egal.

Hemd. Zerknautscht. Egal.

Socken...?! Weg. Auch egal.

Ich pfeife leise an Liedchen, während ich mich in Richtung Küche aufmache.

Am Nachmittag also ist er wieder da – da werde ich mir was leckeres einfallen lassen, was ich ihm kochen werde.

So macht man das doch, oder? Der Mann kommt von der Arbeit und ... der andere Mann ... hat schon das Essen fertig.

Haha. Die Frau. Ich sollte mir die feminine Seite in dieser Beziehung eingestehen.

Ist ja auch irgendwie okay. Er beschützt mich. Er ist für mich da.

Und im Grunde bin ich auch eher Frau als Mann, habe ich den Verdacht.
 

Ich untersuche den Kühlschrank gerade auf Essbares, als es an der Tür klingelt.

Ich hebe überrascht den Kopf, überlege ob ich es nicht einfach klingeln lassen soll, doch als erneut jemand auf den entsprechenden Knopf drückt entscheide ich mich anders.

Ich sage einfach das ich sein Nachbar bin und ...

Ja, was eigentlich?

Ja, genau. Das ich sein Nachbar bin und die Katze füttere.

Super Idee.

Mit diesem Einfall schlendere ich durch den Flur, mit super Stimmung, die Ausrede parat, und öffne ohne groß darüber nach zu denken die Tür.
 

Als ich sie erkenne, entgleisen mir die Gesichtszüge.

SIE. Schneewittchen in sexy.

Point Zéro.

~ Stalker! ~
 

N0. 15 – Point Zéro. [ Yann Tiersen. <3 ]
 

Mein Herz macht einen Aussetzer. Nur einen kleinen, nur einen kurzen Moment, aber er ist vorhanden, dieser Aussetzer, und ich bekomme für einige Sekunden keine Luft mehr.

Fragen beginnen mein Hirn zu fluten wie eine Welle.

Was tut sie hier? Was will sie von Lorenor? Was wird sie denken, wieso ich hier stehe und ihr die Tür öffne? Und vor allem – kommt jetzt die Returkutsche? Hat sie eine Sahnetorte oder einen Kirschkuchen dabei?

Ich weiche, nur aus Sicherheitsgründen, einen Schritt zurück, schließe die Tür aber nicht.

Kann ich auch gar nicht. Meine Arme hängen kraftlos links und rechts neben mir hinunter.

Ich glotze wie ein Esel und sie tut dasselbe.

Wir schweigen. Was ich als angenehmer empfinde als das Gebrülle, mit dem ich in der ersten Sekunde gerechnet habe, als ich sie erkannt habe.

Aber ich habe so eine Vermutung, dass das noch kommen wird.
 

Sie trägt ein schwarzes, hautenges Kleid. Ich kann deutlich ihre Nippel erkennen. Mir wird ein wenig schlecht.

Auf ihrer Nase hat eine schwarze Sonnenbrille Platz gefunden, in ihren Fingern hält sie eine Handtasche umklammert. Ihre Haare sind ordentlich nach hinten gekämmt.

Sie sieht aus, als würde sie von der Beerdigung eines Callboys kommen.

Ich fahre mir durch die Haare, lächle ungeschickt, einfach nur, weil das Adrenalin meinen Körper überflutet.

Sie lächelt nicht zurück. Sie nimmt nur die Sonnenbrille von ihrer Nase und mustert mich eingehend.

„Interessant.“

Das erste Wort nach gefühlten 10 Minuten. In Wirklichkeit kann aber nicht viel mehr als eine vergangen sein.

Ich wünsche mir einen Abstandhalter her. Oder sowas wie eine unsichtbare Wand, die sie automatisch von mir fern hält.

Ich gebe zu, ein wenig Angst um mein Leben habe ich jetzt schon. Wer weiß, wozu die fähig ist.

„Du bist jetzt also sein neues Spielzeug?“

Ich hebe eine Augenbraue, mustere sie eingehend, während sie das Gewicht auf ihren anderen Fuß verlagert und ein eiskaltes Lächeln ihre roten Lippen umspielt.

Ich schweige. Das interessiert sie wenig.

„Bist du nicht dieser kleine Wahnsinnige, der mir die Torte ins Gesicht geknallt hat?“

Wow, 100 Punkte, der Kandidat gewinnt die aufblasbare Waschmaschine!

Ich gratuliere ihr nicht zu ihrem erinnerungstechnischen Erfolg, tue eigentlich gar nichts, starre sie nur an.

Was um Himmels willen tut sie hier? Hat Lorenor ihr nicht eindeutig klar gemacht, das er nicht mehr von ihr will? Hab ICH ihr das nicht eindeutig klar gemacht?!

„Na egal, Schwamm drüber, ich will mal nicht nachtragend sein.“

Oh, wie großzügig. Soll ich jetzt auf die Knie fallen und ihre Füße küssen?

Sie sieht so alt aus. Alt und verbraucht. Wenn man genau hinsieht, hat sie tiefe Falten im Gesicht, die sie versucht zu überschminken. Die ist doch niemals Mitte 20.

Ende 30 trifft es wohl eher. Ich schlucke meinen Ekel hinunter und seufze schwer.

„Ich wollte eigentlich mit Lorenor sprechen. Ist er nicht da?“

Oh man. Das kann doch jetzt nicht ihr ernst sein.

Wenn ich schon die Tür aufmache, wieso sollte er dann da sein? Denken scheint ja nicht gerade ihre Stärke sein.

„Nein.“, antworte ich tonlos. Sie nickt und sieht dabei aus, als würde sie ein schweres mathematisches Rätsel lösen.

„Schade. Ich wollte nur nochmal über das Telefonat mit ihm reden. Aber egal, du kannst ihm ja auch was von mir ausrichten, stimmts? Sag ihm einfach von mir, das ich seine Entschuldigung akzeptiere, wenn auch widerwillig. Sag ihm, das ich weiterhin interessiert bin.“
 

Bitte. WAS?!

Ich kann es nicht fassen. Echt nicht. Wie kann es diese Person wagen, mir so etwas eiskalt ins Gesicht zu knallen? Das ist keine Frechheit mehr. Das ist die Höhe. Der absolute Gipfel.

Ich hole tief Luft.

„Aber sonst geht’s noch, ja? Lorenor ist aber nicht an dir interessiert, so sieht's nämlich aus, also finde dich damit ab!“

Das tut gut. Ich fühle, wie ein großer Stein des Wutes von meinem Herzen fällt. Der neu gewonnene Mut lässt mich siegessicher grinsen.

Sie sieht mir in die Augen und lächelt zuckersüß zurück.

„Ach so ist das. Ja. Dann frage ich mich, wieso er mich gestern noch angerufen hat, um sich für dein Verhalten zu entschuldigen, Blondie? Dann frage ich mich ernsthaft, wieso er sich nochmal mit mir treffen will, um über alles zu reden.“

Sie lügt.

Sie lügt.

Sie lügt.

„Du lügst.“ - „Tue ich das?“

„Ja, das tust du.“ Sie lächelt und ein Klos bildet sich in meinem Hals, der mir das Schlucken erschwert.

„Och nein. Du glaubst also wirklich, das Lorenor dich liebt, nur weil er dich einmal gevögelt hat?“

Die Frage ist berechtigt. Wieso habe ich mir die noch gar nicht selbst gestellt?

Glaube ich etwa, nur weil wir Sex hatten, ist das ein Anzeichen für Liebe?

Bin ich wirklich so.. naiv?

„Du bist ja niedlich.“

Ich hebe die Hand, um ihr die Tür vor der Nase zu zuschlagen. Sie redet weiter.

„Glaub mir, Kleiner. Für diesen Mann bist du nicht mehr als ein gefälliges Spielzeug, mit dem er machen kann was er will.“

Sie lügt.

Sie lügt.

Ich schweige. Meine Hand umklammert den Türgriff.

„Guck ihn dir doch mal an! Mein Gott, das ist Lorenor Zorro. Er ist nicht irgendwer. Er ist ein Gott. Er kann alles und jeden haben, wenn er nur will. Und jetzt glaubst du wirklich, er will ausgerechnet nur dich?“

Der Klos wird größer, verstopft meine Atemwege. Tränen schießen mir in die Augen.

Sie zupft aus ihrer Handtasche eine Zigarette und steckt sie sich in den Mund. Ich beobachte jede ihrer Bewegungen.

Ich hasse sie.

„Er findet es interessant, ein so unterwürfiges Sexopfer zu haben. Du wirst ihm spätestens in einer Woche langweilig, wie alle Menschen ihm nach einer Woche langweilig werden.“

Ich glaube ihr nicht. Ich kann ihr nicht glauben. Das kann einfach nicht die Wahrheit sein.

Mein Griff wird stärker.

„Verpiss dich.“, dringt es aus meiner Kehle, ich knurre diese Worte wie ein lauernder Tiger, dann hole ich aus und schlage die Tür mit so einer Kraft zu, das ein klein wenig Putz von der Decke rieselt und meine Kleidung dreckig macht.

Ich höre total süß in der Küche Trockenfutter zerbeißen, als ich mit dem Kopf gegen die Tür kippe, den Schmerz nicht spüre der eigentlich darauf folgen müsste und einfach einige Minuten so stehen oder eher hängen bleibe.

Ob ihre Worte Lüge oder Wahrheit sind, kann ich nicht beurteilen, wie auch. Es ist noch keine Woche vergangen. Und seine Ex-Freunde kenne ich auch nicht, die ich fragen könnte.

Das eigentlich Problem, das in meinem Hirn langsam Gestalt annimmt ist folgendes.

Möchte ich es wirklich darauf ankommen lassen?
 

Da sind so viele Fragen, die plötzlich in mir aufkommen. So viele Ungereimtheiten. So viele unlogische Schnitte in den Geschehnissen.

Wenn er die ganze Zeit nur an mich gedacht hat – wieso hat er sich dann diese Frau angelacht?

Wieso hatte er Sex mit dieser Frau, wenn nur ich ihn fasziniert habe?

Wieso küsst er mich sofort, nachdem ich sie per Torte vertrieben habe?

Wieso hat er sie angerufen?

Wieso hatten wir direkt am ersten Abend Sex?

Das ist sonst nicht meine Art, und das ist auch nicht von mir ausgegangen. Er hat sich neben mich gesetzt. Mich angefasst. Er. Nicht wir.

Oh Himmel, wieso nur?

Wieso immer ich?

Als ich meinen Kopf wieder aufrichte und den Abdruck,den die Tür hinterlassen hat auf meiner Stirn spüre, fange ich an zu weinen.

Warum, das weiß ich nicht so richtig. Ich glaube, das ich mit der Gesamtsituation unzufrieden bin.

Ganz nebenbei bin ich auch noch heillos überfordert.
 

Ich drehe mich um und betrachte den Flur, der sich vor mir erstreckt wie der Eingang zur Hölle.

Ich fühle mich fehl am Platz und mir wird schlecht, als ich mich an den Möbeln entlang hangle um in die Küche zu gelangen.

Ich habe zu viel durchgemacht, um mich jetzt verarschen zu lassen.

Ich muss mit diesem Kapitel endlich abschließen. Ich muss einen Schlussstrich ziehen und diesen Teil meines Lebens.

Okay, er war kurz. Ziemlich kurz. Aber ich glaube, ich habe noch nie so turbulente Zeiten erlebt.

Mein Leben fliegt wie ein Orkan an mir vorbei und ich habe keine Chance, es zu lenken.

Das muss ein verdammtes Ende finden!
 

In der Küche schnappe ich mir das Telefon, das brav auf seiner Station steht und nur auf die Benutzung meinerseits wartet. Ich schnappe es mir und tippe hektisch eine Nummer ein.

Ace Nummer.

Längere Zeit ertönt nur das Freizeichen. Ich bin geneigt, aufzulegen, weil niemand dran geht, doch ich tue es nicht. Vielleicht ist er ja doch da. Und dann ist er das einzige Rettungsseil, das ich habe.

Ein Klicken. Halleluja.

„... ja?!“

Ich habe ihn wahrscheinlich geweckt. Es ist mir egal.

„Hey Ace.“ Schweigen. Er muss wohl erstmal überlegen, wer ich überhaupt bin und wieso ich um Himmels willen anrufe.

Schließlich ein leises Seufzen. Seine Antwort klingt erfreut, und irgendwie viel zu gut gelaunt.

„Hey, Sanji! Na, alles klar? Bist du bei Lorenor?“

So kann man das sagen, ja.

„Ja.“, antworte ich knapp. Erst jetzt scheint er zu hören, das etwas nicht stimmt. Er klingt alamiert.

„Was ist los?“

Ich hole tief Luft. Mir fällt kaum auf, das ich immer noch weine.

„Holst du mich bitte ab?“

Schweigen. Unverständnis. Ich bete darum, das er es einfach tut, nicht dumm fragt.

„Wieso?“

Scheiße. Zu früh gefreut.

„Bitte. Tu es einfach.“

Wieder schweigen. Ich kann es ihm nicht verübeln.

Ich fahre mir eher nachlässig durch das Gesicht, wische die Tränen weg, doch es kommen immer Neue, es bringt nichts. Also lasse ich es sein.

„Na gut, okay.“

Danke. Danke Ace. Das du einmal nicht Mr. Neugierig vom Dienst bist.

„Komm einfach zu mir nach Hause. Bis gleich.“

Ich warte nicht auf seine Abschiedsformel, weil ich sie überflüssig finde, lege auf und stelle das Telefon an seinen Platz zurück.

Dann sehe ich mich langsam im Raum um. Irgendwie fehlt was. Ich habe das Gefühl, irgendwas wichtiges vergessen zu haben.

Als ich im Wohnzimmer ankomme fällt mir auch auf, was.

Der Zettel. Der Zettel von Lorenor.

Ich beuge mich nach unten zum kleinen Tisch, hebe ihn auf, betrachte ihn.

Damit er nicht nass wird vom Wasserfall, der aus meinen Augen kommt, halte ich ihn nur kurz vor mich, dann schiebe ich ihn in die Hosentasche. Ganz automatisch.

Schließlich schnappe mir von der Kommode Zettel und Stift, setze mich auf das Sofa das sofort Erinnerungen in mir hervor ruft und beginne zu schreiben.
 

„Wie konntest du nur?“
 

Okay. Das ist super. Superscheiße.

Ich streiche den Satz durch und fange seufzend noch mal von vorne an.
 

„Deine Freundin war hier, Lorenor. Sie meint, sie will nochmal über das Gespräch mit dir reden. Sie verzeiht dir und ist bereit, deinen Schwanz erneut zwischen ihren Schenkeln zu empfangen.“
 

Meine Güte, das klingt sogar fast ein klein bisschen poetisch. Als würde ich dichten.

Vielleicht tue ich das ja auch.
 

„Ich bin das allerdings nicht mehr.“

Auch diesen Satz streiche ich durch, weil er wie die Worte eines Opfers klingen.

Und ich will kein Opfer mehr sein.

„Man sieht sich in der Hölle.“

Hilfe, das ist ja fast ne Drohung! Auch das wird weg gekritzelt.

„Ein schönes Leben wünsche ich dir noch.“

Besser, viel besser, klingt irgendwie freundlicher und hat doch eine eindeutige Message.

Das heißt im Grunde 'bleib mir vom Leib' in nett.

Ich erhebe mich, drapiere den Zettel richtig, das er auch sofort gesehen wird, dann gehe in ich in den Flur.

Es riecht so gut. Verdammt, dieser Mann hinterlässt überall seine Duftmarke.

Ich muss mich zusammen reißen, um nicht an seiner Jacke zu riechen, die an der Garderobe hängt.

Ich bin ein Mann. Nein. Ich bin ein Würstchen, aber trotzdem schnüffel ich nicht an den Sachen fremder Leute, verdammt!

Und ab jetzt ist er genau das für mich. Ein Fremder. Nicht mehr und nicht weniger.

Ein Fremder mit Sexanhang.

Ach scheiße.
 

Ich ziehe mir meine Jacke über, eher fahrig, sie sitzt nicht richtig, aber das ist egal.

Schließlich trage ich auch keine Socken. Wo die jetzt hin sind, ist mir ein absolutes Rätsel.

Egal. Sollen die ruhig hier bleiben. Nach ner Zeit müffelt dann die ganze Wohnung.

Ich öffne die Wohnungstür, drehe mich nicht um, weil ich weiß das mich das aufhalten würde.

Ich trete hinaus ins Licht, schlendere durch seinen Garten.

Total süß spielt mit dem Gras, doch als sie mich vorbei gehen sieht springt sie auf und läuft eilig zu mir. Ich lächle, als sie sich eiskalt vor mich setzt und mich mit einem Blick mustert, der mir wohl sagen soll, das ich nicht gehen darf.

„Tut mir Leid, Kleine. Ich kann nicht bleiben. Wir sehen uns wohl nie wieder.“

Sie versteht mich nicht, das weiß ich. Und doch tut sie mir Leid.

Ich streiche ihr durch das weiche Fell und sie maunzt.

Ich werd hier noch zum Katzenfreund. Wie einen ein Monat doch umkrempeln kann.
 

Ich verlasse sein Grundstück, trete auf den Bürgersteig, wage es aber nicht mein Haus anzusehen, das nicht mehr mein Haus ist. Ich fühle mich so fremd hier.

Die Morgensonne scheint auf mein Gesicht, wärmt es auf und trocknet die Tränen.

Ich lächle, weil ich mich ein wenig besser fühle und fahre mir durch die Haare.

Ich könnte eine Dusche vertragen, glaube ich.

Es ist lächerlich, von Erleichterung zu sprechen, weil ich mich nicht so fühle. Eigentlich habe ich eher das Gefühl, das ich einen Teil von mir zurück lasse.

Es schmerzt. Irgendwo in meiner Magengegend schmerzt es wie ein verdammtes Geschwür.

Ich lege die Hände auf mein Gesicht, damit niemand meine Tränen sehen kann.

Sterben wäre vielleicht auch eine Option.

Aber ich glaube, ich habe nicht den Arsch in der Hose, um mir ein Messer ins Herz zu rammen.

Im Moment zumindest noch nicht.

Ich höre ein Auto das direkt in meiner Nähe parkt, doch ich ignoriere es erstmal.

Ich muss mich beruhigen.
 

Eine Tür knallt, Schritte auf dem Asphalt.

Ace. Ich weiß es einfach.

Ein Seufzen. Atem direkt vor mir.

Ich nehme langsam die Hände hinunter, sehe ihm ins sommersprossige Gesicht.

Er sieht besorgt aus. Ich lächle zaghaft.

„Hey.“ Er reagiert nicht, stiert nur ziemlich missmutig zu Lorenors Haus.

„Okay, was hat dieser Wichser dir angetan und wie grausam soll ich ihn dafür misshandeln?“
 

Ich schlucke, dann hebe ich abwehrend die Hände.

„Ruhig Ace! So schlimm ist es nicht, wirklich..“

„Und wieso weinst du dann?“

Argh. Scheiße. Ich gehe mir durchs Gesicht.

„Komm, lass uns einfach fahren, ja? Ich will hier weg.“

Einige Sekunden bewegt er sich nicht und ich habe die schlimme Befürchtung, das er total süß entdeckt und zum Frühstück verspeisen will.

Aber er tut es nicht. Er sieht mich an, nickt.

„Ja, okay, komm.“

Manchmal bin ich Ace so unbeschreiblich dankbar. Auch wenn mir diese Beschützermasche oft auf den Geist geht. Er zeigt damit ja nur, das er jemanden gern hat.

Ich folge ihm zum Auto.

„Ace?“

Der Schwarzhaarige dreht sich zu mir um.

„Hmja?“ Ich versuche es mit einem Lächeln.

„Danke, Kumpel.“

Er hebt einen Daumen in die Höhe und grinst mich voller Lebensfreude an.

„Kein Ding. Freunde eben.“

Er setzt sich ins Auto, ich tue es ihm gleich.

Schüssel im Schloss, Wagen gestartet.

Ich fange wieder an zu weinen, halte mir eine Hand vor das Gesicht damit er es nicht sieht.

„Hey.“ Er klingt wirklich besorgt.

„Willst du vielleicht ein bisschen bei uns bleiben?“

Ich seufze leise, als ich mir die Tränen weg wische. Ich nicke.

„Ja, gern.“
 

Ruffy länger als ein paar Stunden zu ertragen würde zwar schwer werden, aber alles ist besser als dieser Ort.

Ich sehe aus dem Fenster, beobachte die Sonne, die die Dächer meines ehemaligen Vorortes verzaubert. Ich schließe die Augen, lehne die Stirn gegen das Glas und sage Bye bye zu meinem alten Leben.

Im Radio läuft ein Klassiker und ich fühle mich auch wie einer.

Alt und verbraucht. Aber immer noch gut genug, um es runter zu dudeln.

Ace singt leise mit, während ich wieder anfange zu weinen, weil die Leere in meinem Herzen nicht gefüllt wird, von nichts. Oder von niemandem.

Baby, when you believe it, you are walking on air.

~ Stalker! ~
 

N0. 16 – Baby, wenn you believe it, you are walking on air.
 

„... Sanji! Hey, Sanji!“

Argh. Keine Nacht. Keine einzige Nacht hat man in dieser Horrorwohnung auch nur ansatzweise seine Ruhe.

Ich quäle meine Lider in die Höhe, nur um fest zu stellen das es noch stockfinster in meinem Zimmer ist. Neben meinem Bett höre ich Ruffy unruhig wie immer auf und ab hüpfen.

Wenn der auf Klo muss und ich jetzt Hilfestellung leisten soll, schrei ich um Hilfe. Ganz laut.

„Was... ah... was willst du, verdammt?“, stöhne ich, fahre mir durchs Gesicht, doch es bringt nichts, ich fühle mich wie gerädert.

„Es ist 8 Uhr.“ - „Toll. Du kannst die Uhr lesen. Soll ich klatschen?“

Ruffy versteht den Wink mit dem Zaunpfahl nicht – ebenfalls wie immer, der wird echt nie erwachsen – und tritt breit grinsend näher an mich heran. Irgendwie riecht er sogar kindlich.

Nach Essen und nach Schlaf und vor allem nach Hektik. Mir gefällt das nicht.

„Nein Sanji, das meine ich nicht. Es ist 8 Uhr. Es gibt jetzt Frühstück.“
 

8 Uhr..? Wie kann das denn sein? Ist doch dunkel?

Ach, Moment. Ace hat sich ja mal sowas angeschafft, was sich Rollos nennt und was echt praktisch ist, wenn man ausschlafen möchte. Wenn man nicht gerade einen tobendes Kleinkind als Bruder hat, versteht sich.

Ich schiebe die Decke bei Seite und setze die nackten Füße auf den Laminatboden.

Eigentlich wohnen die beiden Knallköpfe echt schön hier. Eine recht große Altbauwohnung, hohe Decken, zwar kein Garten, dafür aber einen netten kleinen Balkon auf dem man toll frühstücken kann. Leicht asiatisch angehauchte Möbel, große Fenster. An sich echt klasse.

Richtig heimisch fühle ich mich aber irgendwie immer noch nicht. Obwohl ich jetzt schon 2 Wochen hier wohne.

Ich schiebe den quietschenden Ruffy bei Seite, vertreibe ihn dann aus meinem Zimmer, indem ich ihm auftrage den Tisch schon mal zu decken. Was er natürlich sofort tut – der Kleine hat mich nur geweckt, weil er mal wieder Hunger bis unter beide Achseln hat. Sonst würde der doch nie auf die Idee kommen.

Ich habe mittlerweile mit Ace ein recht gutes Abkommen geschlossen. Ich darf so lange bleiben, bis ich was eigenes, kleines gefunden habe, das ich bezahlen kann. Während ich hier wohne erledige ich die Hausarbeit und koche für die Herrschaften, so zusagen als Entlohnung dafür, das ich mit verköstigt werde. Eine prima Idee, vor allem, weil ich noch keinen neuen Job gefunden habe.

Ich öffne den Schrank und beginne, meine Kleidung heraus zu fischen.

Hab in letzter Zeit aber auch echt viel um die Ohren. Ich kümmere mich hier um die Bude, halte alles schön sauber, koche, helfe Ruffy bei so gut wie allem (manchmal kommt er mir wie ein Schwerstbehinderter vor), halte ihn zum Beispiel davon ab auf die Herdplatte zu packen wenn ich koche – dann kümmer ich mich noch um ein neues Auto, mein Altes hab ich ja hollywoodreif geschrottet...

Insgesamt hab ich ungefähr genauso viel wie früher zu tun, aber momentan kommt mir das alles wie eine echt große Belastung vor. Ich weiß selbst nicht genau, wieso.

Abends falle ich ins Bett und denke mir oft „Oh man. Und morgen nochmal die ganze Scheiße.“

Und dann habe ich gar keine Lust ein zu schlafen, obwohl ich ja weiß, das sich so der nächste Tag auch nicht aufhalten lässt.
 

„SANJI!“

Oh Himmel. Gab es bei dem eigentlich auch sowas wie einen Ausschaltknopf?

„Komme schon, brüll nicht so rum!“, gifte ich zurück, doch ich höre Ruffy nur lachend durch das Wohnzimmer tollen.

Ich muss hier weg.

Ja, die beiden sind nett. Richtig nett. Sie sind meine Freunde, was soll ich sagen?

Aber ich werde wahnsinnig hier.

Ich hab gedacht, ich könnte mich ablenken, wenn ich was länger hier bleibe, weil ich dann was zu tun habe.

Aber so ist es nicht. Ich denke sogar noch mehr nach. Bei allem was ich tue. Und das kann nicht Sinn der Sache sein, oder?!

Ich brauche einfach einen Neuanfang.
 

Schlurfende Schritte und lautes Gähnen auf dem Flur teilen mir mit, das auch der letzte Bewohner dieser wahnsinnigen WG wach ist. In der Tür erscheint Ace und gähnt mir zur Begrüßung erstmal ins Gesicht.

Ich starre in seine Mundhöhle und fühle mich schrecklich ungeliebt, irgendwie.

„Morgen.“, bekommt er schließlich doch noch zustande und ich antworte ihm mit einem Nicken.

„Morgen.“ Er legt den Kopf auf den Rahmen und mustert mich.

„Ist das Frühstück schon fertig..?!“ ARGH! Das kann aber jetzt nicht sein ernst sein, oder?!

„Ace, sehe ich irgendwie aus, als hätte ich heute schon mal was fertig gemacht?!“, antworte ich trocken. Meine Hose hängt auf Halbmast und ich versuche mir mein Hemd richtig zu zu knöpfen. Der Sommersprossige grinst. „Kommt drauf an, wovon wir reden...“ - „Ace, RAUS!“

Er hört aufs Wort, verschwindet allerdings mit einem breiten Grinsen im Gesicht, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht wischen würde.

Zeigt es doch nur, das es ihm gut geht. Und das erinnert mich wieder daran, das es mir nicht gut geht.

Verdammte scheiße.

Ich schließe meine Hose, lasse das Hemd aus Frust einfach so wie es ist und schleiche aus meinem kleinen Zimmer in die Küche, die mit einem offenen Durchgang mit dem Ess- und Wohnzimer verbunden ist.

Wenn man es genau nimmt, wohnen die beiden Brüder hier wie Könige.

Haben sich aber auch ins gemachte Nest gesetzt; einen berühmten Politiker als Vater, da ist es klar, das man erst mal ausgesorgt hat.

In der Küche zupfte ich die Lebensmittel aus dem Kühlschrank und reiche sie dem aufgedrehten Ruffy, der schon mal den Tisch auf dem Balkon abgewischt und die Stühle ausgeklappt hat.

Die Balkontür steht offen und eine sanfte Brise an meinem Nacken entlang, lässt mich wohlig erzittern. Gutes Wetter liegt in der Luft, das wird ein schöner und warmer Tag, aber so richtig freuen kann ich mich nicht darüber.

Allerdings glaube ich auch mittlerweile, das ich machen kann was ich will. Alles erinnert mich an ihn.
 

Ich muss mich nur auf irgendein x-beliebiges Sofa setzen und schon läuft mir ein heißer Schauer den Rücken herunter. Während ich die Wäsche wasche, Telefonate führe, zum Teil aus wichtige, während ich Ruffy helfe... alles erinnert mich irgendwie an ihn.

Ich habe das Gefühl, das man mir das Glück ursprünglich unter den Füßen weg gezogen hat und ich gerade dabei bin, ziemlich hart auf dem Arsch zu landen.

Vor dem endgültigen Aufprall habe ich nicht nur Angst – ich habe Respekt.

„Sanji...?“ - „Hmja?“

Ich sehe auf und beobachte Ace, der nachdenklich auf mich zu geschlendert kommt.

„Ist bei dir alles in Ordnung?“ Ich lächle.

„Ja klar, wieso fragst du?“

Meine Frage ist dämlich, das weiß ich. Aber ich möchte dem Anderen das Gefühl geben, das bei mir alles in Ordnung ist. Er hat so viel für mich getan und ich bin ihm so dankbar.

„Du siehst aus, als müsstest du weinen.“

„Ach, bullshit! Anstatt mich zu beobachten solltest du lieber raus gehen und deinem Bruder helfen, bevor der sich aus Versehen mit dem Schneidemesser erdolcht.“

Ace lacht auf und nickt, ich tue es ihm gleich, er verschwindet aus der Küche und ich presse Augen und Mund fest zu, damit mir kein Laut entweicht, als ich anfange zu weinen.

Ich vermisse ihn so sehr.
 

Ich muss hier einfach weg.

Ich ertrage es nicht länger. Ich weiß, die beiden Jungs meinen es nur gut mit mir.

Aber ich kann einfach nicht mehr.

Ich brauche einen Neuanfang.

Ich drehe mich um, wische mir die Tränen weg, lege in guter Kellnermanier die restlichen Essenssachen auf meine Arme und transportiere sie so hinaus auf den Balkon.

Eine angenehme Brise weht hier, die Topfpflanzen und die Hängeblumen geben diesem Ort noch einen zusätzlichen Flair – man fühlt sich wie in einer Pariser Luxuswohnung, irgendwie.

Weil die Straße hier auch so eng ist, weil unter uns die Leute geschäftig herum wuseln und wir in Ruhe hier oben sitzen können und essen.

Ich lasse mich auf den noch einzigen freien Platz fallen und beobachte die Brüder, die sich reichlich am Brot bedienen, das ich gestern gekauft habe.

Mein Blick schweift über die Dächer, an denen sich die Sonne langsam hinauf zieht und die Luft merklich aufwärmt. Es ist wunderschön hier und gleichzeitig nicht ertragbar für mich.
 

„Sanji.“

Erschrocken drehe ich den Kopf zu Ace, der meinen Namen wohl schon öfter gesagt hat. Manchmal bin ich so in Gedanken, das ich gar nichts mehr mit bekomme.

„Hmja?“

Der Ältere legt mir seufzend eine Scheibe Brot auf den Teller.

„Wenn du ihn so vermisst, wieso gehst du nicht zu ihm?“

Argh. Können wir dieses Thema nicht einfach lassen? Das ist doch grad echt total unpassend!

„Ich vermisse ihn nicht, Ace. Es geht mir gut.“, murmle ich und presse danach die Lippen auf einander, damit ich nichts unüberlegtes sage.

Ich weiß nicht, ob ich mich schuldig fühlen sollte, weil ich den beiden nichts erzählt habe. Klar haben sie gefragt, immer und immer wieder, was ist passiert Sanji? Doch ich habe die Klappe gehalten, habe nie etwas erzählt, und alles abgestritten was sie mir vorwarfen.

Ich kann das eben einfach nicht. Das sind meine Freunde. Was denken die denn von mir, wenn ich mich jetzt vor die stelle und mal eben 'hey, ich bin übrigens schwul, hab mit meinem heißen Nachbarn gepimpert und der hat mich dann doch nur verarscht' sage?

Das geht einfach nicht, das würde niemals über meine Lippen kommen. So schocken will ich sie dann doch nicht von meiner Natur. Obwohl. Sie scheinen ja auch vom Rest nicht geschockt zu sein...
 

„Tust du doch?“ ... was? Hat das gerade wirklich Ruffy gesagt oder habe ich mich verhört?

Ich drehe den Kopf, betrachte den Kleinen verwirrt. Okay, der hat zwar gerade ein halbes Brot im Mund, und das quer, aber das bin ich ja schon von ihm gewöhnt. Falsch verstanden habe ich ihn also nicht.

„Ach Ruffy, halt dich da raus, du hast doch gar nichts mit bekommen.“, knurre ich wütend. Ja nee, ist klar. Sonst kriegt Ruffy es nicht mal gebacken sich ein Wurstbrot zu machen, und wenn ich mal mit meinen Gefühlen hadere, dann ist er plötzlich geistig hellwach oder was?

Der Schwarzhaarige Vielfraß grinst breit und zeigt mir so seinen Mundinhalt.

Bäh.

„Hab ich doch!“

Ace fängt an zu lachen und ich fühle mich schrecklich verarscht von den beiden.

Ich weiß ja, das sie es nicht so meinen. Das sie mir nur helfen wollen.

Aber so sind sie mir einfach keine große Hilfe.

Ich beschmiere mein Brot schließlich mit Nutella. Nervennahrung.

Die brauch ich jetzt.

„Sag mal, hast du mittlerweile eigentlich was Eigenes zum wohnen gefunden?“

Ich bin Ace so dankbar für den Themawechsel, das ich ihn breit angrinse.

Wahrscheinlich habe ich Nuss-Nougat-Creme zwischen den Zähnen. Was solls.

„Ja, habe ich wirklich. Ich warte nur auf den Anruf vom Vermieter, es gab halt noch andere Bewerber... aber ich habe ein gutes Gefühl.“

„Und wie weit ist das von hier weg?“

Wo wir auch schon beim Knackpunkt wären.

„Na ja, eine Ecke weg ist es schon...“ Versuche ich der Frage auszuweichen und beiße erneut in mein Brot.

„Du verlässt aber nicht die Stadt, oder?“ Na klasse. Das kann ja was werden. Ich schweige auf diese Frage, weil ich nicht weiß was ich antworten soll.

Hinter mir höre ich, wie Ruffy sein Wurstbrot aus der Hand fällt und ich sehe wie Ace Grinsen versteinert, bis es ganz verschwunden ist.

„Das ist nicht dein Ernst.“, meint der Ältere todernst.

„Du kannst doch nicht einfach so wegziehen und uns im Stich lassen!“, plärrt Ruffy los und Ace pflichtet ihm mit einem heftigen Kopfnicken bei.

Ich seufzte. Mir ist klar, das die Beiden das so auffassen würden.

Im Stich lassen. Wie das schon klingt. Natürlich will ich das nicht!

Wieso versteht mich eigentlich nie jemand...?

„Versteht mich doch nicht falsch, bitte. Ich... kann das alles nicht mehr. Ich muss raus hier, ich brauche einfach einen Neuanfang. Ich brauche mal was neues, ein neues Umfeld.. Hey, Ruffy, das heißt doch nicht, das ich mir neue Freunde suche!“, räume ich schnell, denn der Kleine sieht aus als würde er gleich anfangen zu weinen.
 

Wir schweigen, ich weiß gar nicht wieso, wahrscheinlich, weil wir uns auch ohne Worte verstehen.

Ich beobachte die Sonne, die sich den Himmel hinauf quält, während ich esse, und genieße den Wind in meinen Haaren.

Frei wie ein Vogel fühle ich mich mit den beiden hier auf dem Balkon. Als hätte ich alle Möglichkeiten dieser Welt.

Vielleicht, aber nur vielleicht – wenn ich jetzt die Arme ausbreite, vielleicht fliege ich dann wirklich weg. Und meine ganzen Probleme und Sorgen fallen zu Boden, wegen der Schwerkraft und so.

Eine klasse Vorstellung. Leider nur nicht umsetzbar.
 

„So, ich muss jetzt los, die Arbeit ruft.“ Aus meinen etwas düsteren Gedanken gerissen sehe ich auf und beobachte Ace, der sich aus dem Stuhl quält, seinen Teller schnappt, sich den letzten Rest Käsebrot in den Mund schiebt und seinem kleinen Bruder durch die Haare wuselt.

„Wäre cool wenn das Essen um 2 auf dem Tisch steht, Sanji.“

Ich nicke und lächle ihm nochmal zu, er erwidert, dann verschwindet er im inneren der Wohnung.

Ich sehe Ruffy dabei zu wie er mit der Salami kämpft, bis ich die Wohnungstür uns Schloss fallen höre. Dann erhebe ich mich, um alles einzusammeln und zurück in die Küche zu bringen.

Ich belade meine Arme erneut, trage alles zur Balkontür – doch Ruffys Stimme hält mich auf.

„Sanji?“

Ich drehe mich um und sehe ihn fragend an.

„Ja?“

„Wieso bist du nicht bei ihm, wenn du ihn so vermisst?“

Ich schließe die Augen und seufze. Ruhig, Sanji. Ruffy kann mal echt gar nichts dafür, wie es dir geht.

„Ich vermisse ihn nicht, Ruffy. Es geht mir.“, wiederhole ich Gebetsmühlenartig. Ruffy legt nur den Kopf schief und mustert mich.

„Aber du denkst viel an ihn. Das kannst du nicht leugnen.“

„Das leugne ich auch nicht. Ich denke viel an ihn.“, gestehe ich leise. Ruffy lächelt verwirrt.

„Und wieso sitzt du dann noch hier und bist nicht bei ihm?“

Ich spüre, wie sich Worte irgendwo in meiner Magengegend bilden, wie sie langsam hinauf wandern durch meine Brust und ohne das ich es aufhalten kann schießen sie aus meinem Mund.

„Weißt du Ruffy, ich habe verdammt viel durchgemacht wegen diesem Mann. Ich weiß das er im Grunde das wenigstens davon verschuldet, und doch... geht es einfach nicht. Ich muss mein Leben wieder in den Griff bekommen, verstehst du? Ich muss es wieder lenken können.“
 

Als er mich mit seinen großen, neugierigen Augen mustert und ein Lächeln auf seine Lippen schleicht, bin ich an der Reihe, verwirrt zu grinsen.

Seine Worte hauen mich dann endgültig um.

„Weißt du Sanji, jemand hat mal was ganz kluges zu mir gesagt. Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man bekommt. Und am Ende... muss man sich halt mit dem, was man hat, arrangieren.“

Ich beobachte, wie er sich erhebt, mich nochmal mit einem Lächeln ansieht und sich dann an mir vorbei in die Wohnung drückt.

Ich glaub das nicht. Nein, ich kann das nicht glauben.

Entweder der Knallkopf hat das aus irgendeinem guten Film... oder ich habe ihn heillos unterschätzt.

Lachend, weil das so bescheuert ist, gehe ich nun auch in die Wohnung, schließe die Balkontür hinter mir und räume den Belag wieder in den Kühlschrank. Die Teller und das Besteck kommen in die Spülmaschine, mit der ich mich angefreundet habe.

Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen.

Verrückt! Wo hat er das nur her?

Spielt Ruffy etwa nur den verrückten Unterentwickelten? Ist er vielleicht ... intelligent?

Die Vorstellung ist allerdings so bescheuert, das ich mir den Bauch vor lachen halten muss.

Ruffy und intelligent, ne klar! Und der Papst tanzt auf der Loveparade.
 

Aber im Grunde ist der Spruch ja gut.

Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie was man bekommt, und wenn man es hat, dann muss man eben damit klar kommen und es trotzdem essen, damit man sich die nächste Praline nehmen kann, die vielleicht ein bisschen besser schmeckt.

Vielleicht sollte ich mir das einfach zu Herzen nehmen. Das Leben ist eben nicht aufzuhalten, wie ein Wirbelsturm rast er und niemand kann -
 

„SANJI!“
 

AAAAAAAH!

Vor lauter Schreck schmeiße ich den Teller, den ich bis eben noch in der Hand gehalten habe hinter mich, er zerschellt an der Wand, doch das interessiert mich reichlich wenig.

In meinem Kopf halt noch die Stimme nach, die ich seid 2 Wochen wie ein Wahnsinniger vermisst habe.

Ruffy steckt seinen Kopf durch den Türrahmen und mustert mich verwirrt.

„Was ist denn da draußen los?“, fragt er, doch ich höre ihm nicht zu.
 

„SANJI, ICH WEIß DAS DU DA BIST!“
 

Ich lasse alles stehen und liegen, sprinte durch das Wohnzimmer, stoße mir dabei den Fuß am Sofa und lege mich fast auf die Nase, doch ich spüre den Schmerz nur irgendwo weit entfernt, gar nicht richtig an meinem Körper.

Vor der Balkontür bleibe ich stehen, reiße sie auf.

Mein Herz hämmert gegen meine Brust. Mein ganzer Körper zittert. Meine Beine, meine Arme, meine Hände, einfach alles.

Ich spüre das mir der Schweiß ausbricht, ich wanke zum Balkongeländer und sehe auf die Straße hinunter. Ich habe Angst.
 

Doch das Bild, das sich vor meinen Augen auftut, ist einmalig.
 

Da steht er. Lorenor Zorro, der Mann mit dem Marmorkörper. Auf einem Auto. Ich glaube nicht das es seins ist, außer er hat die 2 Wochen genutzt um sich ein Neues anzuschaffen, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Ein Smart passt nicht so richtig zu ihm.

Er trägt mal wieder Klamotten, die ihn wie einen Gott aussehen lassen.

Eine ausgebleichte Jeans, darauf ein weißes Hemd das er allerdings offen gelassen hat, darunter ein schwarzes Muskelshirt.

Sein Kopf ist nach oben gerichtet, er streckt die Arme in die Höhe und ich sehe seine Augen glitzern, als er mich entdeckt und erkennt.

„Verdammt, Sanji... ich bin so froh, das du da bist.“, höre ich ihn sagen, doch das dringt nur bedingt an mein Ohr. Ich muss mich am Geländer festhalten, um nicht um zufallen.

„Was... Himmel, was machst du hier?“, keuche ich und ich höre mich genau so an, wie ich mich fühle. Total überrumpelt. Und geschockt.

„Was ich hier mache? Ich hab dich gesucht und offensichtlich ja auch gefunden! Verdammt, weißt du wie schrecklich das war, als ich nach Hause gekommen bin und du warst nicht da? Als nur der Zettel auf dem Tisch lag? Das war der schlimmste Tag in meinem Leben!“

Ich schweige.

Eine Menschentraube hat sich um das Auto gebildet, auf dem Zorro jetzt steht.

Er redet weiter, obwohl ich wohl eher so aussehe als würde ich gleich in Ohnmacht fallen.

„Ich hab das Telefonbuch quer durch telefoniert! Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Das war absolut furchtbar. Keiner wusste wo du bist, was du gemacht hast. Ich hab gedacht, du seist einfach abgehauen. Zum Glück hab ich irgendwann Ace erreicht.“
 

ACE. Diese verhurte Ratte. Der wird was zu hören bekommen, wenn der nach Hause kommt!

Ich schweige weiter, weil es so grotesk ist das wir uns von Auto zu Balkon unterhalten.

„Sanji, das ist alles ein riesengroßes Missverständnis! Ich habe mit ihr gesprochen, du weißt von wem ich rede, und verdammt, das ist alles sowas von nicht wahr!“

Ich drehe den Kopf und sehe, wie Ruffy neugierig auf den Balkon getappst kommt.

„Ich bin doch im Grunde nur mit ihr ausgegangen, weil sie meiner Firma einen Riesendeal versprochen hat, wenn ich nur ab und an mit ihr weg gehe! Das war alles rein geschäftlich, ich empfinde überhaupt nichts für uns und.. ach verdammt, es war schrecklich komisch für mich jemanden so zu mögen, der vom gleichen Geschlecht ist!“

Ich schweige immer noch, weil ich finde das er kein Mitleid verdient.

„ich hab gedacht, wenn ich mit einer Frau schlafe, dann... ist alles wieder wie vorher. Dann bin ich quasi wieder normal. Aber so war es nicht, ganz im Gegenteil. Ich habe mich gefühlt als hätte ich dich betrogen, und das war furchtbar.“

Ich schließe die Augen und lausche weiter seinen Worten, während sich Ruffy hinter mir auf einen Stuhl setzt.

„Und als du ihr dann die Torte ins Gesicht geknallt hast... man, das war die coolste Aktion, die ich je erlebt hab. Und ganz nebenbei hast du mir noch gezeigt, was du fühlst... ich weiß, der Kuss war viel zu früh und kam total überraschend für dich. Aber ich hatte das Gefühl das wir uns schon ewig kennen und das es nun endlich an der Zeit wäre... ich wollte doch nur nicht, das du gehst.“
 

Ich muss kurz auflachen.

„Das hast du ja auch gut hin bekommen.“, murmle ich leise.

Ich höre ihn seufzen.

„Der Autounfall, ja. Auch so ne Sache. Man, ich hab gedacht du bist tot, als ich dich bewusstlos gesehen hab... ich wollte auf der Stelle mit sterben. Und das schlimmste war, das es meine Schuld gewesen ist.“

Ich will das abstreiten, doch er lässt mich nicht zu Wort kommen.

„Und verdammt, ich weiß, das ist alles viel zu schnell gegangen für dich. Aber ich konnte mich einfach nicht zurück halten, ich war wie im Rausch nach dir! Und – Sanji, ich weiß mittlerweile was sie dir erzählt hat, und ganz ehrlich, das war aller unterste Schublade von ihr. Ich habe sie nicht angerufen, wie käme ich denn dazu?! Meine Firma hat das getan, um zu hören ob er Deal noch steht. Ich habe gar nichts getan.“

Ich öffne die Augen wieder und beobachte die Menschen, die sich immer mehr um ihn versammeln.

Irgendwie ist das ja so krass, das es schon wieder cool ist.

„Ich bin eigentlich nur her gekommen, um dir eines zu sagen, Sanji. Ich stehe nur auf diesem verflixt kleinen Auto, um dir zu sagen, das ich dich liebe.“
 

BAMS!
 

„Ich möchte dich nicht verlieren, niemals! Du bist alles was zählt, das ist mir in den 2 Wochen klar geworden, und ich hab gelitten wie ein Hund weil du nicht da warst. Ich liebe dich.“
 

BAMS!
 

„Und mir ist es vollkommen egal was die Leute hier von mir denken! Sollen sie sich doch ekeln weil ich schwul bin, na und? Das ist doch total unwichtig. Wichtig bist für mich nur du, das du bei mir bist, das ich dich in den Arm nehmen kann. Dich beschützen kann.“
 

BAMS! Mein Magen stirbt eines sehr leidvollen Todes!
 

„Wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst, verstehe ich das. Ich verstehe auch, wenn du mir nicht glaubst. Dann werde ich das akzeptieren müssen und ich werde dich auch nicht belästigen. Ich wünsche mir nur so sehr, das du bei mir bist, das ich... platzen könnte!“
 

Er breitet die Arme aus und sieht mir in die Augen, so tief, das ich all meine Kraft einbüße.

Ich öffne den Mund, hole tief Luft.

„Du verdammter Idiot!“, brülle ich. Dann drehe ich mich auf dem Absatz um, renne wie wild durch die Wohnung, reiße die Tür auf, renne das Treppenhaus hinunter, lege mich dabei fast auf die Nase, öffne die Haustür, sprinte mit nackten Füßen auf die Straße und kann gerade noch beobachten, wie Lorenor etwas schwerfällig vom Auto steigt.

Er sieht mich nicht, was mein Vorteil ist. Ohne lange darüber nach zu denken nehme ich ein bisschen Anlauf und springe ihn an.

Er schreit, ich schreie, wir fliegen zu Boden, aber wir landen weich, zumindest lande ich weich, weil ich auf ihn falle.
 

Wir sehen uns in die Augen und werden rot, weil uns alle anstarren.

„Du Idiot.“, flüstere ich, dann lege ich meine Lippen auf seine und wir küssen uns innig.

Als er sich von mir löst, hat er ein glückliches Lächeln auf den Lippen.

„Wieso Idiot? Du bist doch jetzt hier.“, murmelt er und wir erheben und ein wenig beschämt.

Doch kaum stehen wir wieder auf den Beinen, zieht er mich zu sich und schließlich mich in eine innige Umarmung. Ich genieße seine Berührungen am Rücken, während sein Kopf zu meinem Ohr gleitet.

„Trotzdem Idiot.“, flüstere ich und er lacht.

„Du hast Recht, ich bin ein Idiot. Dein Idiot.“

Ich lege meine Arme um seinen Nacken und wir küssen uns erneut, vergessen alles um uns herum und vor allem überhören wir gekonnt Ruffy, der oben auf dem Balkon eine Ein-Mann-Party startet.
 

Das Leben ist eben doch eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man bekommt.
 

- - - - - - - - - -
 

.. ich weiß. xD

Das Ende ist so eine Mischung aus Forest Gump & Pretty Woman. <3

Und megamäßig kitschig. :D xD

Ich hoffe es hat euch gefallen, ihr Lieben! <3

LG; Jess. x3



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Kommentare zu dieser Fanfic (53)
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Von:  SaskiaD
2015-07-10T22:18:27+00:00 11.07.2015 00:18
Ich kam, ich sah, ich siegte.

Hahahhaha XD Scheiße ja Bitch!!
Geil, einfach nur geil. Ich lese die Geschichte durch eine Empfehlung und ich kann mich nur bedanken. Das ist eine der besten Fanfics die ich je gelesen habe. Bin gespannt wie es weiter geht. Hihi schnell weiterlesen!! Liebe grüße
Von:  LittleMarimo
2015-03-15T18:21:10+00:00 15.03.2015 19:21
Ein schönes Ende :3
Ich hab mich weggeschmissen bei dem "ich stehe auf diesem verflixt kleinem Auto!" xD
Schade das ich die Geschichte erst so spät entdeckt habe..
Naja besser spät als nie. :3
Und Ruffy feiert die ein manm party xD

Liebe grüße
LittleMarimo
Von:  LittleMarimo
2015-03-08T19:23:28+00:00 08.03.2015 20:23
What the fuuuu? XD
Ich mag diesen Erzähler Stil :3
Da bin ich ja mal gespannt. XD
Von:  Kamoh_Kyo
2013-07-22T17:24:30+00:00 22.07.2013 19:24
Whua.. Das Ende war jetzt für mich doch ein kleines bisschen zu kitschig, glaub ich xD Auch wenn die Aktion an sich witzig war, nur eben voll kitschig xD
Ansonsten finde, ich die geschichte aber super :D Sanji die ganze Zeit dabei zu belauschen, wie er sich einredet, dass es total normal ist, was er da so macht XD Und wie er immer so reagiert usw.
Mein ganz persönlicher Star ist allerdings Total Süß. Die hat mir direkt mein herz geraubt :D Und immer wenn sie auftauchte, waren Zorro und Sanji direkt mal abgemeldet xD
Von:  Janina
2013-03-16T20:56:27+00:00 16.03.2013 21:56
HACH und ich könnte schon wieder heulen! (;v;) Das Ende ist sooooooo schööööön!!!! TvT *schniiief* wunder wunderschööön!!! Deine Geschichte sollte verfilmt werden! >//v//< ♥ Njaaah~~
HACH und ich ärger mich. Weil sie zu Ende ist und ich nicht weiter lesen kann! xD
hahaha~
*dich an mich drückt* ♥♥ ICH LIEBE DIIICH SCHWESTER♥!! (*-*)
Von:  Janina
2013-03-16T20:20:10+00:00 16.03.2013 21:20
ach jaaa ;__;
Ich finds toll, dass du ihn so viel weinen lässt! ♥ Manche finden sowas nervig und übertrieben, aber ich finde es einfach nur menschlich und total realistisch!!! >w< Und es passt soo gut zu Sanji!♥Er ist halt viel gefühlsvoller als so manch anderer und darum auch näher am Wasser gebaut! (>3<)♥ Njah~
Von:  Janina
2013-03-16T20:07:41+00:00 16.03.2013 21:07
Ja echtmal. TÜR ZU UND ZURÜCK IN DIE KÜCHÄÄ! >D<''
T^T *schon weiß was jetzt kommt* Och nööö ich mag niiicht xDDD
Von:  Janina
2013-03-16T19:19:15+00:00 16.03.2013 20:19
Njaaah xDD Das ist sooo süüüß! Ich halte es kaum aus, weil Sanji sich so wenig (oder gar nicht xD' )bei Zorro bedankt!!! njaaah~~
Von:  Janina
2013-03-16T18:36:21+00:00 16.03.2013 19:36
HACH! ♥A♥ EINFACH-NUR-HAAACH!♥♥
Von:  Janina
2013-03-16T00:50:25+00:00 16.03.2013 01:50
AAH SANJIII WAS MACHST DUUU DEEEENN???? (╯°□°)╯︵ ┻━┻
Ich hatte schon ganz vergessen wie er mich manchmal aufgeregt hat! xDD NJAH! MANNO!!!


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