Der Zweite
Ich strich dem Kleinen noch einmal über die Wange. Sein Name war Zusuke. Er war noch einmal kurz aufgewacht und hatte mir seinen Namen verraten, bevor ich ihn zu Denzer gelegt hatte, der erst einmal auf den Kleinen aufpassen sollte. Kuso stand hinter mir: „Was ist passiert?“ Kopfschüttelnd stand ich auf: „Er musst mir ansehen, wie seine Mutter getötet wurde. Grausam… Seine Mutter bat mich ihn aufzunehmen.“ Kuso nickte nur und legte eine hand auf meine Schulter: „Naruto, ich verstehe, wenn du nun bei ihm sein musst, aber da gibt es etwas, dass keinen Aufschub duldet.“
Etwas irritiert sah ich ihn an. Was sollte bitte… In seinem Blick sah ich, dass er hier nicht drüber reden wollte. Ich seufzte und wand mich an Denzer und Kati, die neben ihm saß: „Passt bitte auf ihn auf. Wenn er aufwachen sollte: Ich bin bald wieder da. Er soll keine Angst haben.“ Damit nickte ich Kuso zu und wir verschwanden nach oben.
Es war nicht wie sonst. Sonst lehnte Kuso sich lässig gegen einen Baum, oder saß rum. Doch heute war es anders. Hibbelig lief er auf und ab. Es dauerte eine Weile, bis er die richtigen Worte gefunden zu haben schien: „Wie du jetzt weist, waren es zwei Personen, die deinem Vater damals versprachen, auf dich aufzupassen. Der eine war Ichiraku.“ Bei dem Namen ging etwas kaputt in mir. Erneut war da die Trauer um ihn. Doch ich ließ mir nichts anmerken.
Kuso fuhr fort: „Einer mag gestorben sein, doch ich weiß, wer der Zweite ist.“ Mein Kopf schoss hoch. Er wusste es? Er wusste die ganze Zeit, wer der Zweite war und hatte es mir nicht gesagt? Kuso schüttelte den Kopf und wand sich ab: „Ich wusste doch, dass dieser Gesichtsausdruck kommen sollte. Ich weiß auch, dass du enttäuscht bist. Er wollte nur nicht, dass ich es verrate, also habe ich es gelassen… Vielleicht beruhigt es dich aber etwas, wenn ich dir sage, dass er immer da war. Er hat dich immer geschützt. Auch wenn du ihn nicht gesehen hast.“
Es beruhigte mich kein bisschen. Und doch war ich insgeheim sauer auf mich selbst, dass ich es nicht bemerkt hatte. Wer war immer da gewesen und hatte mich beschützt? Wen konnte ich nur so übersehen haben? Kuso sah mich nun doch wieder an und griff nach meinen Schultern: „Naruto hör mir zu. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Er wurde gefangen genommen.“ Was? Meine Ohren spitzten sich. „Sie haben ihn gefangen genommen und wollen ihn umbringen.“ Immer noch war von mir keine Reaktion zu sehen. Wie sollte ich auch reagieren? Ich hätte diese Person die ganze Zeit befragen können, doch hatte man dies mir verwehrt. Was sollte ich jetzt davon halten?
„Naruto wenn wir jetzt nicht gehen, werden sie ihn umbringen. Willst du, dass jemand dem dein Vater vertraute getötet wird?“ Es war fast so, als würde die Information erst jetzt zu mir durchdringen. Er würde sterben. Der Letzte, von dem ich Antworten erhalten konnte. Ich sah wieder zu Kuso auf: „Zeig mir den Weg!“ mehr als erleichtert lächelte Kuso nun und nickte eifrig. Wir brachen sofort auf.
Es glich einer Hetzjagd. So schnell und gehetzt liefen wir, dass ich mir bewusst wurde, wie ernst es Kuso doch meinte. Dieser Mann sollte also wirklich sterben, sollten wir nicht schnell genug da sein. Man konnte auch fast so etwas wie tiefe Sorge in seinem Gesicht ausmachen. Kannte er diese Person etwa auch besser? Was auch immer es war. Es ließ mich schneller und schneller werden.
Auf einem Hügel blieben wir stehen und ich sah mit schreckgeweiteten Augen nach unten auf das Szenario, was sich uns da bot. Ein Meer von Leuten. Händler, Bürger, Wärter, Ninjas und Gefangene. Ich blickte direkt auf das Lager von Händlern. Ungläubig sah ich Kuso an: „Sklavenhändler?“ Kuso seufzte und schüttelte den Kopf: „Dämonenhändler!“ Jetzt verstand ich auch die Angst vor ihm vorhin. Er war selbst ein Dämon und schien zu wissen, wie man hier mit seinesgleichen umging. Dämonenhändler. Von so etwas hatte ich noch nie etwas gehört.
Es ging einen schmalen Pass nach unten und ohne aufgehalten zu werden gelangten wir auf den Markt. Es war grauenvoll. Auf der einen Seite lachende Kunden, die sich die Menschen wie Ware zeigen ließen. Auf der anderen Seite hilflos und gebrochene Dämonen, in Käfigen gehalten, wie man nicht einmal Tiere halten sollte. Kyuubi spannte sich in meinem Inneren genau wie Kuso neben mir. Es war klar, dass sie sich hier nicht wohl fühlten. Mir ging es ja nicht anders.
Um mich herum saßen und lagen die Dämonen ich ihren Käfigen. Geschlagen, gedemütigt, abgemagert und vor allen Dingen eins: Hoffnungslos. Keiner von ihnen schien an Flucht zu denken. Nicht einmal ein Wille zu Leben war zu sehen. Die Augen jedes einzelnen waren leer. Was hatte man ihnen bloß angetan? Vereinzelnd hörte man ein Schluchzen oder ein wimmern. Laute, die von Hilflosigkeit und Verzweiflung zeugten. Ein Bild des Leidens.
Mit zunehmender Wut sah ich die Käufer umher laufen. Sie lachten und betrachteten alle Dämonen wie ein neues Accessoire. Ich zitterte vor Wut. Wie konnte man so Menschenverachtend und kalt sein? Die Ängste und Verzweiflung dieser Dämonen übersehen und sie mir ihrer bloßen Anwesenheit nur weiter zu quälen. Kyuubi spürte sofort meine Wut, aber ich wusste, selbst wenn ich das Lager jetzt zerlegen würde, Vater würde mich nicht aufhalten.
Kuso legte mir eine Hand auf die Schulter und sah nach rechts: „Ich weiß, wo er ist.“ Ich nickte und folgte ihm zu einer Reihe von Käfigen. Ein Händler riss einen Dämon an den Haaren aus einem Käfig. Die Ketten um Hals, Bauch, Arme und Beine klirrten, während der Dämon von einem Käufer beäugt wurde. Ich begann erneut zu zittern. Wenn ich meine Wut nicht bald kontrollieren sollte, würden viele sterben müssen.
Vor einem Käfig blieb Kuso stehen und nickte: „Er ist wirklich hier.“ Langsam ließ ich mich in die Knie sinken, um einen Blick in den kleinen Käfig und somit auf die gekrümmte Gestalt darin zu werfen. Ein erniedrigender Platz für jeden Menschen und vor allem für einen Freund meines Vaters. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als ich die Person erkannte: „Kakashi!“
