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Nur ihr allein

- Könnt ein Teil des Ganzen sein -
von

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Der Anfang

So, ein zweiter Versuch, ich hoffe, jetzt klappt alles. Der folgende Songtext ist von In Extremo "Nur ihr allein".

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In Extremo - Nur ihr allein
 

Hinter mir könnt ihr sie sehn

die Strolche lernen aufrecht stehen

auf unsrer Vagabundenreise

regeln wir's auf unsre Weise
 

Wir prassen bis die Nacht zerronnen

bis Blut und kleine Knochen kommen

danach in dunkles Ecken weilen

und wie die Diebe Beute teilen
 

Ihr nur ihr allein

könnt ein Teil des Ganzen sein

ihr könnt vor eurem Leben fliehen

und mit uns um die Häuser ziehen
 

Ihr nur ihr allein

könnt ein Teil des Ganzen sein

aus diesem Grund sind wir erschienen

wir sind verehrt und angespieen
 

Herausgeputzt an hohen Tafeln

hört man uns vom Reichtum schwafeln

zu dienen ist uns eine Qual

denn ein Strick am Hals der kratzt nun mal
 

Und dafür hassen uns die Neider

doch nachts da klauen wir ihre Weiber

wir machen's wie die Sonnenuhr

wir zählen die heitren Stunden nur
 

Ihr nur ihr allein

könnt ein Teil des Ganzen sein

ihr könnt vor eurem Leben fliehen

und mit uns um die Häuser ziehen
 

Ihr nur ihr allein

könnt ein Teil des Ganzen sein

aus diesem Grund sind wir erschienen

wir sind verehrt und angespieen
 

Zarte Liebe ist uns heilig

doch wir haben's meistens eilig

denn wer nicht kommt zur rechten Zeit

der muss sehn was übrig bleibt
 

Ihr nur ihr allein

könnt ein Teil des Ganzen sein

ihr könnt vor eurem Leben fliehen

und mit uns um die Häuser ziehen
 

Ihr nur ihr allein

könnt ein Teil des Ganzen sein

aus diesem Grund sind wir erschienen

wir sind verehrt und angespieen
 

Ihr nur ihr allein

könnt ein Teil des Gazen sein

auferstanden, ausgespieen

werden wir verehrt und angespieen
 

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Die Sonne ging gerade über den Dächern der Stadt unter. Die Normalen, Erwachsenen, Guterzogenen und Vernünftigen, kurz gesagt all jene, die nichts von den Geheimnissen der Finsternis wussten, waren in ihren Häusern. Doch es gab einige, die nicht wenig zahlreich waren und nicht brav in ihren Häusern warteten, bis der Morgen wieder graute. Erwartungsvoll sammelten sie sich im Untergrund der Stadt, denn in der Nacht sollte Geschichte geschrieben werden. Doch das wusste zu jenem Zeitpunkt noch niemand.
 

Die Stimmen der Anwesenden hallten in den niedrigen Gängen vielfach verstärkt wider. Hunderte Gänge führten zu diesem Zentrum, doch sie waren so verschlungen, dass nur wenige den richtigen Weg kannten. Doch an diesem Abend sammelten sich mehr Menschen als je zuvor in den alten, unterirdischen Gängen. Sie hatten alle nur ein und denselben Grund, aus welchem sie hier unten waren. Sie wollten ihn sehen.
 

"Wann sind wir denn endlich da?", fragte ein kleines Mädchen, an der Hand eines älteren. Die große beugte sich hinab und flüsterte kaum hörbar: "Gleich, Emmelie. Es dauert nicht mehr lange." Dann richtete sich die rothaarige wieder auf und sah zu ihrem Führer. Schweigend folgte er einem bestimmten Muster der Gänge, welches die rothaarige noch nicht erkannt hatte. Neben ihr wurde ihre jüngere Schwester von Schritt zu Schritt ungeduldiger. "Reiß dich zusammen, wir sind gleich da und das ist das letzte Mal dass du mitkommen musst."
 

Etwas in den Worten ihrer Schwester machte der kleinen Angst, sträubte sich gegen die rothaarige. Doch bisher war nichts geschehen, bei keinem der bisherigen Treffen. Und doch, es gab da etwas, das anders war als sonst, irgendetwas noch unzubestimmendes. Unruhig sah die kleine hoch. Das Gesicht ihrer Schwester konnte sie nicht erkennen, nur schwarze Schatten. Eine Gänsehaut jagte über ihren zierlichen Körper. Sie zwang sich, wieder nach vorne zu sehen.
 

Die rothaarige hatte bemerkt, dass ihre Schwester sich unwohl fühlte, doch es würde wirklich das letzte Mal sein, das hatte sie sich geschworen. Plötzlich hielt der hochgewachsene Mann an, mit rauer Stimme sagte er: "Wir sind da, Lady Asteriske." Die rothaarige nickte leicht und ließ die Hand ihrer Schwester los. Mit schnellen Schritten verschwand sie in der Menge. Das kleine Mädchen sah ihr traurig und verängstigt nach.
 

Die vielen Gesichter stürzten wie eine Flut auf sie ein, rissen sie mit. Nur mit äußerster Kraft gelang es ihr am Rande der Menge zu bleiben. Doch so kam sie schneller voran, als mitten in der Menge. Ihre Gedanken waren auf einen Punkt fixiert, genau wie ihr Blick.
 

Stolz und starr stand er auf einem erhöhten Podest, die Augen geschlossen, die edlen Züge entspannt. Das schwarze Haar fiel glatt bis zum Kinn hinab. Über der rechten Augenbraue verlief eine schmale Narbe, die sein Gesicht jedoch nicht im Geringsten verunstaltete. Im Gegenteil, es verlieh ihm etwas Erwachsenes. Er trug ein weißes Leinenhemd und eine schwarze Hose, damit zählte er zu den wenigen, die sauber hier unten angekommen waren.
 

Die rothaarige hatte sich bis in die erste Reihe vorgekämpft und sah nun hinauf zu dem schwarzhaarigen. Sie hatte ihn nun so oft schon gesehen, doch es war jedes Mal überwältigend, fand sie. Keine Regung war an dem schlanken Körper zu erkennen. Die rothaarige versuchte zu erkennen, ob er auf etwas wartete. Um sie herum war es laut, doch das bekam sie kaum mit, sie hatte sich mittlerweile daran gewöhnt.
 

Langsam hob der schwarzhaarige den Kopf, seine Augen waren jedoch noch geschlossen. Schlagartig kehrte Ruhe ein, ohne dass er groß etwas dafür getan hatte. Einmal holte er tief Luft, dann öffnete er seine Augen und blickte in die Menge. Die Stille, die sich daraufhin ausbreitete, war gespenstig. Kaum einer wagte zu atmen, so erschrocken und erstaunt waren sie. Der Blick dunkelroter Augen schweifte über die Menge.
 

"Ich heiße euch herzlich Willkommen in den dunklen, kalten Gemäuern der unterirdischen Gassen. Wir alle wissen, warum wir uns heute hier versammelt haben. Wir werden uns ein für alle Male aus den Fängen der Reichen befreien. Wir wollen nicht mehr unterdrückt und gezwungen werden, einem jedem von uns steht ein freies Leben zu, in welchem wir glücklich werden können. Hinterhältig halten uns diese miesen Ratten hier in den dunklen, feuchten Gemäuern von Arrakehna gefangen, eingepfercht wie Vieh, sodass wir an den Folgen unseres ungewürdigten Lebens sterben. Ich will sagen, das geht son nicht weiter. Heute Nacht schlagen wir zu. Sollen sie doch ihre reichen, faulen Ärsche bewegen, wenn sie sich retten wollen. Heute Nacht wird niemand da sein, der seine Hand für sie ins Feuer legt, um sie zu retten. Sollen sie alle den Flammen zum Opfer fallen!"
 

Kaum hatte er geendet, brach lautstarker Jubel aus. Dieser schwoll nach und nach zu einem beschwörenden Gesang an. "Freiheit! Frieden! Dorian!" Diesem lief eine Gänsehaut über die Arme. Solch eine überwältigende Reaktion hatte er nicht erwartet. Doch das konnte ihr Vorhaben nur noch bestärken. Mit einem kalten Lächeln auf den feinen Zügen verließ er das Podest und zog sich in seinen geschützten Bereich zurück. Dort wartete einer seiner längsten Freunde und Mitstreiter. Er reichte Dorian seinen schwarzen Mantel, den dieser sich eilig überstreifte. "Danke, Jano." Der dunkelblonde lächelte in den Mundwinkeln. "Kein Problem. Eindrucksvolle Rede, wie lange hast du sie geübt?" Dorian brach in einen Lachanfall aus. "Gar nicht. Ich stand, seitdem die ersten hier unten angekommen waren, da oben auf der Bühne und hatte ein richtiges Blackout. Ich habe wirklich nicht darüber nachgedacht." Auch Jano lächelte nun mit dem ganzen Gesicht. Und sein Blick wurde plötzlich noch ein wenig breiter. "Was ist?", fragte Dorian verwirrt. "Ich denke, du hast Besuch.", grinste Jano und verschwand im Dunkeln.

Eins

Dorian drehte sich um und sein Blick fiel auf die rothaarige. Ein leises Lächeln schlich sich in seinen linken Mundwinkel. "Ah, Lady Asteriske, wie schön, Euch zu sehen." Er deutete eine leichte, spöttische Verbeugung an. "Ah, Lord Deveraux. Wie schön, Euch hier anzutreffen.", mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen vollführte sie einen vollkommenen, höfischen Knicks. Dann nahm Dorian sie zärtlich in die Arme und hauchte ihr einen Kuss auf die roten Lippen. "Eine eindrucksvolle Rede, mal sehen, wie sie sie umsetzen.", sagte Asteriske leise. "Ja, ich bin auch schon gespannt, vor allem auf das Resultat.", stimmte Dorian zu. "Ich finde es schön, dass Ihr in einer solch kalten Nacht noch zu mir gekommen seid." Leicht senkte Asteriske den Kopf und erwiderte: "Ich konnte nicht anders. Ihr wisst doch, die Rosen." Auf Dorians Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. "Ich hatte Euch gewarnt, doch Ihr ward nicht einsichtig."
 

Hand in Hand verließen sie unbemerkt die unterirdischen Gänge und gingen nun in die Richtung der reicheren Viertel. Dieses, was hier in dieser Nacht geschehen würde, konnten sie nur einmal in ihrem Leben beobachten, also taten sie dies auch. Leise schloss Dorian eine schwere, dunkle Holztür auf und führte Asteriske hinein. Im Dunkeln stiegen sie eine Treppe hinauf und gelangten in ein großes Zimmer, welches wohl als Schlafzimmer diente. Dort ging Asteriske zu dem großen Fenster und sah hinaus in die Dunkelheit. Noch war nichts zu sehen, doch es würde nicht mehr lange dauern, dann würde sich das ändern. Dorian stellte sich zu ihr und blickte stumm hinaus. "Seht einmal, dort hinten." Der schwarzhaarige deutete auf einen hellen Fleck am anderen Ende der Stadt. "Es hat begonnen."
 

Unbemerkt hatte sich Asteriske näher zu Dorian gestellt. Dieser legte seinen Kopf auf ihre rechte Schulter und die Arme um ihre Hüfte. "Habe ich Euch schon einmal gesagt, dass Ihr wunderschön seid?", fragte der schwarzhaarige leise. Asteriske senkte leicht den Kopf. "Nein, heute noch nicht.", antwortete sie genauso leise. "Nun denn, Ihr seid so wunderschön, wie die aufgehende Morgensonne." Die Haut der rothaarigen nahm einen leichten rotton an, doch dies sah niemand in der Dunkelheit. "Danke", hauchte Asteriske. Dorian drehte sie zu sich herum und sah tief in ihre nachtschwarzen Augen, bevor er sich zu ihr hinab beugte und sie in einen innigen Kuss entführte. Asteriske schloss die Augen und gab sich ganz dem schwarzhaarigen hin.
 

In einem anderen Viertel der Stadt begann das Feuer um sich zu greifen. Mehrere teure Villen standen schon in Flammen und noch weitere fielen ihnen zum Opfer. Verzerrte Schmerzensschreie erfüllten die Straßen, Schrei die noch weit und lange zu hören sein würden. Eine Masse an dunklen Gestalten mit Fackeln, Beilen und Mistgabeln bewaffnet stürmte gerade ein weiteres Haus. Vor ihnen tauchte ein blasses, in weiß gekleidetes Mädchen auf. Als sie die Personen erkannte, die in ihr Haus eindrangen, stieß sie einen schrillen Schrei aus, wirbelte einmal um ihre eigene Achse und wollte fliehen, doch es war zu Spät. Eine Flamme leckte an ihrem blütenweißen Kleid und Sekunden später stand sie in Flammen. Achtlos ließen sie sie in der Eingangshalle liegen und stürmten an ihr vorbei auf die Treppe zu. Am oberen Ende erschien ein dunkel gekleideter Mann, in der Hand ein Jagdgewehr. Dieses richtete er auf die Eindringlinge, drei fielen ihm zum Opfer, dann jedoch wurde er von einer Handvoll niedergerungen. Blutend mit einem Messer in der Lunge ließen auch sie ihn zurück. Dann verließen sie das Haus, jedoch nicht ohne dass sie alles anzündeten. So geschah es nun fast in der gesamten Stadt.
 

Dorian zog sie auf das Bett und begann, ihr Korsett zu lösen, während er selbst schon das Hemd verloren hatte. Achtlos lag es neben dem Bett. Es folgten auch das Korsett Asteriskes, ihre Rock, ihr Unterrock. Die Hose Dorians leistete den Kleidungsstücken am Boden auch bald schon Gesellschaft. Leidenschaftlich küsste er den Nacken der rothaarigen, den Hals und die Brust, dann wandte er sich ihren roten Lippen zu. Asteriske leistete keinen Widerstand. Ihre Hände fuhren am Rücken des schwarzhaarigen hinauf und umschlossen seinen Nacken.
 

Keiner der beiden bemerkte den Eindringling. Er wartete lautlos im Schatten der samtenen Vorhänge. Es war Jano. In seinem Blick lagen Trauer und Wut dicht beieinander. In seiner Hand lag leicht ein langes, schmales Schwert. Die Klinge war blank poliert und besaß keinen einzigen Makel. Der Knauf war mit weichem Leder umwickelt und lag gut in der Hand. Geräuschlos löste er sich aus dem Schatten und ging auf die beiden sich liebenden zu. Langsam hob er das Schwert. Dann ging alles ganz schnell. Die Klinge durchbohrte den blassen Körper Dorians und stieß weiter in den schmalen Laib Asteriskes. Leise sagte der braunhaarige: "Es tut mir Leid Dorian, aber du hast uns betrogen." Das Blut Dorians mischte sich auf dem weißen Laken mit dem Asteriskes.
 

Zur selben Zeit erfasste das Feuer auch die verbliebenen Häuser, fraß sich aus dem Kern hinaus. Im Morgengrauen stand diese Stadt vollkommen in Flammen. Reisende berichteten von einem gewaltigen Feuer. Bei späteren Nachforschungen stellte sich heraus, dass nicht einer der Bewohner überlebt hatte. Alle waren sie den Flammen zum Opfer gefallen. Doch das stimmte nicht ganz. Ein kleines Mädchen und ein älterer Mann standen auf einer Anhöhe bei der niedergebrannten Stadt. Auf dem Gesicht des Mannes breitete sich Ausdruckslosigkeit aus, auf dem des Mädchens Erschrecken und Trauer, Tränen flossen ungehindert und fielen zu Boden. Dieses Feuer ging als das Große Befreiungsfeuer am 11.11.1111 in die Geschichte Kazahms ein.

Zwei

Die Nacht war sternenklar. Sie stand still am Ufer des Sees, den Kopf im Nacken und die Hände in den Taschen vergraben. Neben ihr stand ihre beste Freundin. "Nuri, können wir bitte wieder reingehen? Mir ist kalt." Die braunhaarige mit der pinken Strähne wandte sich von den Sternen ab. "Ja klar. ", sagte sie leise. Dann folgte sie der blonden ins Haus zurück. Doch an der Tür blieb sie abermals stehen. "Hey Nuri, was ist denn jetzt?", fragte die blonde. "Geh schon mal vor, Jassy, ich komme gleich." Damit rannte sie zum See zurück. Jassy sah ihr kopfschüttelnd nach.
 

Nuri blieb erst stehen, als sie fast knietief im Wasser stand. Die Kälte kroch schon jetzt an ihrem Körper hoch, doch das ignorierte sie. Aus dem Wasser ragte etwas Kantiges heraus. Dieses hatte schon vorhin ihre Aufmerksamkeit erregt, doch als sie zum Himmel hinaufgeblickt hatte, hatte sie es wieder vergessen. Jetzt zog sie es aus dem Wasser. Zum Vorschein kam eine etwa unterarmlange, quadratische Platte. Sie war schwer und als Nuri wieder am Haus angelangt war, schnappte sie nach Luft. An der Tür wartete Jassy in eine dicke Jacke eingewickelt. Sie sah überrascht aus, als sie die Platte in den Armen ihrer Freundin sah.
 

"Was hast du da?", fragte sie und half Nuri die Platte in die Küche zu bringen. "Ich weiß nicht, aber wir werden es ja gleich sehen.", antwortete die braunhaarige und nahm einen Lappen zur Hand, mit welchem sie begann, über die Platte zu wischen. Jassy nahm sich auch einen Lappen. Gemeinsam brauchten sie etwa eine Stunde, bis sie erkennen konnten, was auf der Platte zu sehen war. Und die Schrift entziffern konnten.
 

"Ruhe in Frieden, geliebte Schwester Lady Asteriske. Genau wie du auch, mutiger Freiheitskämpfer Dorian. Asteriske Chantalle Cathar, geboren am 17.09.1095, gestorben am 11.11.1111 in den Flammen des Großen Befreiungsfeuers. Dorian Deveraux, geboren am 23.05.1091, gestorben am 11.11.1111 in den Flammen des Großen Befreiungsfeuers.", las Nuri leise vor. Schweigend hörte Jassy zu. "Das Befreiungsfeuer war vor fast 900 Jahren.", sagte die blonde nach einiger Zeit. "Ja, in einer Woche vor genau 900 Jahren. Wir haben einen historischen Fund gemacht!", rief Nuri aufgeregt. Jassy nickte ruhig. "Was ist? Freust du dich denn gar nicht?", fragte die braunhaarige geknickt. "Doch, aber ich habe gerade nachgedacht.", antwortete die Freundin leise und beugte sich noch einmal über die Platte. Mit einem Messer kratzte sie über die dunkelgrüne Schicht, die auf dem Grabstein war. Langsam kam eine glänzende Schicht zum Vorschein. "Wenn mich nicht alles täuscht ist diese Platte aus reinem Silber.", sagte Jassy.
 

Schweigen breitete sich aus. Nuri nahm der blonden das Messer aus der Hand und begann eifrig auf dem Stein herumzukratzen. Doch sie hörte schnell wieder auf. "Wir müssen schrubben, sonst gibt es so viele Schrammen auf dem Grabstein.", erklärte sie. "Na dann, viel Spaß.", wünschte Jassy und setzte noch hinzu: "Aber was mich interessieren würde, wer war diese Asteriske? Von Dorian habe ich gehört, er ist auch in unseren Geschichtsbüchern, doch Asteriske? Dieser Name ist mir unbekannt." Nachdenklich senkte Nuri den Kopf. "Stimmt, jetzt wo du es sagst." Die beiden begannen, detaillierte Nachforschungen über Lady Asteriske Chantalle Cathar anzustellen. Es kam heraus, dass Nuri eine Nachfahrin von Asteriskes Schwester war. Außerdem erarbeitete sich die braunhaarige mithilfe von Jassy ihren gesamten Stammbaum, soweit er zurückzuführen war. Auch erfuhren sie in dieser Zeit aus den Aufzeichnungen von Generationen, aber Hauptsächlich aus den Emmelies, wo Kazahm gelegen hatte. Heute war dort jedoch nur eine riesige, unfruchtbare Ebene.
 

Drei Tage sind seit dem Fund des Grabsteines vergangen und sie hatten schon eine Menge Informationen gesammelt, doch irgendetwas ließ Nuri nicht aufhören, weiterzusuchen. Etwas in ihr drängte danach, die ganze Geschichte zu erfahren. Doch das meiste kannte sie schon, deshalb wusste sie nicht, was sie noch suchen sollte. Am vierten Abend lag sie noch lange wach und starrte gedankenverloren auf die schwarze Decke. Langsam fielen ihr mitten in der Nacht die Augen zu und sie fiel in einen beunruhigenden Schlaf.

Drei

Überall sah sie das Feuer, hörte schreiende Menschen, doch stand sie nur tatenlos daneben, nahm alles nur wie in einem Traum wahr. Plötzlich zog etwas sie weg. Sie sah auf und erkannte den hochgewachsenen Mann. Er war ein neuer Bediensteter ihres Vaters, doch er gehörte wie auch Dorian zu den Freiheitskämpfern. "Komm Emmelie, wir müssen verschwinden.", dann hatte er sie fest an der Hand gefasst und zog sie durch die belebten Straßen auf die Stadttore zu.
 

Es schien ewig zu dauern und plötzlich begann die braunhaarige zu schreien: "Wo ist Asteriske?! Ich will zu ihr!" Doch der Mann schüttelte den Kopf. "Das geht nicht!" Dann zog er sie wortlos weiter. Sie waren die einzigen, die es rechtzeitig schafften, aus der Stadt zu fliehen. Am Morgen standen beide auf einer Anhöhe bei der niedergebrannten Stadt. Auf dem Gesicht des Mannes breitete sich Ausdruckslosigkeit aus, auf dem des Mädchens Erschrecken und Trauer, Tränen flossen ungehindert und fielen zu Boden. Am selben Tag noch machten sich beide auf den Weg um in die nächste bewohnte Gegend zu gelangen. Sie trafen Reisende, die auf dem Weg nach Kazahm waren.
 

"Seht werter Freund, wer sind diese zwielichtigen Gestalten dort am Wegesrand?", frage einer der beiden leise seinen Gefährten. "Ich weiß es nicht. Aber sie sehen nicht gefährlich aus, vor allem das junge Mädchen nicht. Sie sehen niedergeschlagen und entmutigt aus. Wir wollen sie fragen, was ihnen widerfahren ist." So ritten beide auf sie zu. "Guten Tag, Reisende. Wenn ihr nach Kazahm wollt, möchte ich Euch einen Rat geben.", sagte der Begleiter Emmelies leise. "Ja gerne, guter Rat ist gern gesehen.", erwiderte der kleinere der beiden Reisenden. "An Eurer Stelle würde ich nicht nach Kazahm reisen, dort werdet ihr nichts mehr finden, als glühende Kohlen und Asche. Die Stadt ist letzte Nacht vollkommen niedergebrannt, nichts ist mehr übrig. Wir sind die einzigen Überlebenden." Auf den Gesichtern der Reisenden breitete sich Betroffenheit aus. "Das ist ja schrecklich. Mein Beileid." Sie senkten die Köpfe, dann boten sie den beiden heimatlosen Essen und Kleidung an. Gemeinsam reisten sie in die nächste Stadt, Darion. Dort wurden sich um die vier gekümmert. Sie bekamen einen Platz zum Leben und auch wurde ein Trupp zu den Überresten Kazahms geschickt, doch dort gab es wirklich nichts mehr außer mittlerweile fast kalter Asche.
 

Emmelie wurde in eine neue Familie aufgenommen, doch dort fühlte sie sich nicht wirklich wohl. Die Hausherren waren sehr streng und legten auf alles den größten Wert, aber Emmelie war nicht auf diese Weise erzogen worden. Nach und nach fügte sie sich jedoch in die neuen Fesseln ihres Lebens. Die Jahre vergingen und aus dem kleinen hilflosen Mädchen wurde eine junge Dame.
 

Der Morgen graute noch nicht, als Emmelie sich aus dem Herrenhaus schlich. Ihr langes, schwarzrotes Kleid wurde von einem bodenlangen, schwarzen Mantel bedeckt, dessen Kapuze sie tief ins Gesicht gezogen hatte. Eilig huschte sie die noch leeren Straßen entlang und verschwand in einer unscheinbaren, schmalen Gasse, dort lag versteckt der Eingang zum Tunnelsystem Darions. Dreimalig klopfte sie kurz, dann zweimal lang. Leise wurde die Tür einen Spalt weit geöffnet und ein schmales, blasses Gesicht sah hinaus. "Wer ist dort?", fragte eine hohe Stimme flüsternd. Genauso leise antwortete Emmelie: "Lady Emmelie Chantalle." Darauf wurde sie eingelassen. Sie tauchte ins Dunkel des Hauses ein. Ihr junger Führer ging vor und stieg eine steile, schmale Wendeltreppe hinab. Unten angekommen deutete er auf eine schwere, schwarze Holztür. Mit ihrem ganzen Gewicht lehnte sie sich gegen die Tür und mit einem lauten Knarren schwang sie auf. So leise es ihr gelang, schloss die schwarzhaarige die Tür wieder.
 

Nun stand sie in einem schwach beleuchteten Raum und sah sich um. Die Mauern lagen blank und bröckelten teilweise schon. Der dunkle Boden schien oft benutzt, und war ganz glatt wie von hunderten und aberhunderten Schuhen abgeschliffen. Die Decke ging in einem Bogen zu den Wänden über. In einer Ecke stand ein grober Holztisch, an welchem mehrere zwielichtige Gestalten saßen. "Oh, eine junge, wunderschöne Lady, was macht Ihr denn hier unten in diesen dreckigen Gemäuern?", fragte ein hochgewachsener eindrucksvoller Mann. Sein grobes Gesicht zierte eine breite Narbe, von der linken Augenbraue bis hinunter zum Kinn.
 

Emmelie sah hinauf zu dem Riesen. Angst kroch durch ihren Körper und schien sie zu lähmen. Dies war der zweite Besuch in den unterirdischen Gemäuern Darions und der erste lag schon einige Zeit zurück. Gerade hob der Riese eine Hand und wollte der schwarzhaarigen die Kapuze vom Kopf ziehen, da erklang eine Stimme am anderen Ende des Ganges in der Dunkelheit. "Finger weg, das ist mein Mädchen.", sagte eine weiche Stimme scharf. Der Riese zuckte zurück und setzte sich wieder. "Entschuldigt, Meister Dorian.", flüsterte der Riese unterwürfig. Der Meister trat nun aus dem Schatten hinaus. Emmelies Herz machte einen Sprung, als sie den schwarzhaarigen sah.
 

Er trat auf sie zu und legte einen Arm um die Hüfte der schwarzhaarigen. "Wie geht es dir meine kleine?", fragte er leise und küsste sie auf den weißen Nacken. "Wunderbar.", antwortete Emmelie und folgte Dorian in die Dunkelheit. Eine Weile gingen sie schweigend nebenher, dann sagte der schwarzhaarige leise: "Ich möchte dir gerne etwas zeigen." Emmelie nickte nur und dachte neugierig darüber nach, was dies sein konnte. Nach wenigen Schritten bog Dorian in einen anderen Gang ein, dieser führte nun unmerklich hinauf. Dann hielt er vor einer Tür, welche Emmelie im Dunkeln nicht gesehen hatte. Als er diese öffnete, fiel ein Schwall von gleißendem Sonnenlicht in den Tunnel.
 

"Bitte tretet aus, Mylady." Mit einem Lächeln und einer angedeuteten Verbeugung führte er sie hinaus. Beide traten sie in einen riesigen, sauber angelegten Park. Alles richtete sich zu einem Zentrum aus. Dorian bot Emmelie seinen Arm an und beide folgten einem der fünf Wege in Richtung des Zentrums. Mit großen Augen sah sich die schwarzhaarige um. "Was ist das hier?", fragte sie leise und blickte von einer Seite des Weges zur anderen. "Ein Friedhof, angelegt für all jene, die besonderes geleistet haben.", antwortete Dorian und machte eine ausholende Bewegung. Plötzlich betreten senkte Emmelie den Kopf und folgte dem schwarzhaarigen.

Vier

Sie gelangten an einen großen kupferblauen Brunnen, an welchem sich Emmelie entzückt niederließ. Eine Hand tauchte sie in das klare, kühle Wasser. "Wunderschön.", flüsterte sie ehrfürchtig. Dorian half ihr wieder auf. Emmelie, der mit einem Mal in der Sonne warm geworden war, zog ihren schwarzen Umhang aus und legte ihn neben den Brunnen. Dorian betrachtete sie lächelnd.
 

"Komm mit, ich möchte dir gerne noch etwas zeigen, was dich sicherlich interessiert.", sagte Dorian und streckte ihr seine helle Hand entgegen. Lächelnd nahm Emmelie sie und ging neben dem schwarzhaarigen her, bis dieser plötzlich stehen blieb. "Hier.", sagte er nur und deutete auf ein recht frisches Grab. Langsam kniete Emmelie nieder. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen. Auf einem einfachen Stein stand in sauberen Lettern: "Hier ruht meine Geliebte Freundin Lady Asteriske Chantalle Cathar, soll ihr Geist Frieden finden. Geboren am 17.09.1095, gestorben am 11.11.1111." Emmelie starrte auf den Stein herunter und plötzlich kehrten ausnahmslos alle Erinnerungen an diesen Tag zurück. Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie die Geschehnisse von vor neun Jahren noch einmal erlebte. Dann stutzte sie. Der Anführer der Freiheitskämpfer, Dorian Deveraux, der die ganze Aktion in Kazahm angezettelt hatte.
 

Langsam sah sie zu dem schwarzhaarigen hinauf und verglich ihn mit dem Bild aus ihrer Erinnerung. Erschrocken keuchte sie auf. "D-Dorian!", wie anklagend deutete sie auf den angesprochenen und stand auf. "Ja, meine Teure?", fragte er lächelnd. "D-Du... vor neun Jahren!", Emmelie schluckte schwer. "Vor neun Jahren war das Große Befreiungsfeuer.", sagte Dorian leise. Emmelie nickte. "Dort ist meine Schwester umgekommen!", sie schrie fast. Schritt für Schritt wich sie vor dem Rebell zurück. Dorian senkte seinen Blick und ein abwesender Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus, auch seine Stimme klang weit entfernt, als er weiter sprach: "Deine Schwester... sie war die wundervollste Frau, der ich je begegnete. Sie war so etwas besonderes. Ihr Lächeln war einfach einzigartig. Sie ist einfach zu mir gekommen... Doch dann, in der Nacht des 11.11. ist etwas Ungeplantes aufgetreten. Wir waren beide so glücklich, einem Hinterhalt ist es zu verdanken, das Asteriske jetzt nicht mehr lebt." Seine Stimme wurde immer leiser, Schmerz sprach aus seinen folgenden Worten: "Es war mein bester und längster Freund und Verbündeter gewesen, der sie tötete."
 

Emmelie war blass geworden. "Was?", flüsterte sie tonlos. "Aber warum? Warum lebst du auch noch, wenn ihr doch vor neun Jahren erstochen wurdet?" Plötzlich horchte Dorian auf. "Was sagtest du gerade? Erstochen? Davon sagte ich nicht ein Wort." Emmelie riss die Augen auf und wich noch weiter zurück. "Wer bist du? Was hast du mit Asteriske gemacht? Was machst du mit mir?" Tränen schimmerten auf ihren Wangen. Sie schüttelte heftig den Kopf. "Nein! Bleib weg von mir du Monster!", schrie sie heftig, als er einen unsicheren Schritt auf sie zu tat. "Emmelie, bitte, sei vernünftig.", sagte er leise. "Es ist nicht meine Schuld, ich habe keinen Einfluss darauf, was geschehen ist und wird. Bitte glaub mir." Das Gesicht der schwarzhaarigen hatte alle Farbe verloren. "Warum sollte ich? Du warst es doch schließlich, der die Leute dazu verleitet hat, die Stadt anzuzünden! Du bist daran schuld, dass Asteriske tot ist!" Schluchzend brach sie auf dem Boden zusammen. Traurig sah Dorian auf Emmelie hinab. Langsam ging er auf sie zu und kniete sich neben die schluchzende. "Emmelie...", begann er leise, doch er brach ab, da er nicht wusste, was er sagen sollte.
 

Plötzlich hörte die schwarzhaarige zu weinen auf. Entschlossen richtete sie sich auf und sah Dorian kalt an. Wortlos stand sie auf und drehte sich auf dem Absatz um. Mit fliegenden Schritten verschwand sie hinter den Bäumen. Dorian sah ihr verwirrt hinterher und stand auf. "Es tut mir leid...", flüsterte er tonlos.
 

Langsam ausatmend, lehnte sich Emmelie an den festen Stamm einer Esche. Ihr Herz schlug laut, so laut, dass sie dachte, dass Dorian es hören musste. Sie fasste einen Entschluss. Langsam schob sie ihren Rock hoch und zum Vorschein kam ein zwei Hand langer Dolch. Geräuschlos fiel der Stoff wieder über ihr Bein. Dann sah sie vorsichtig um den Baum. Dorian stand noch am selben Ort. Den Blick gesenkt und in Gedanken versunken. Tief atmete Emmelie ein und aus, dann trat sie aus dem Schatten des Baumstammes und kam langsam auf den schwarzhaarigen zu. Der Dolch lag versteckt in ihrer Hand unter einer Lage von Stoff.
 

"Emmelie... ich...", begann Dorian, doch er wurde von der schwarzhaarigen unterbrochen, indem sie ihm einen Finger auf die roten Lippen legte. Kurz darauf lagen ihre Lippen auf seinen. Die Augen Dorians weiteten sich überrascht. Emmelie hatte die Augen geschlossen, dann stieß sie ihm das Messer seitlich in den Hals. Blut lief über ihre Hand. Überrascht fasste sich Dorian an den Hals, kurz darauf ging er zu Boden. Emmelie kniete mit Tränen in den Augen neben ihm, hielt ihn im Arm. Langsam streckte Dorian dien Arm aus, strich ihr kaum spürbar über die Wange, dann ging sein Blick durch sie hindurch und die Hand fiel auf ihren Arm. Schluchzend vergrub die schwarzhaarige ihr Gesicht in dem dunkeln Stoff des Mantels.
 

Als sie sich wieder beruhigt hatte, stand sie vorsichtig auf und deckte die Leiche Dorians mit dem Mantel zu. Das Blut wusch sie sich am Brunnen von Händen und Gesicht, dann wandte sie sich wieder dem Toten zu. Sie begann auch ein Grab neben dem ihrer Schwester auszuheben. Dies dauerte den ganzen Tag, doch als die Sonne am Horizont verschwand, war sie fertig. Dorian war begraben. Emmelie sprach ein kurzes Gebet für seine Seele, dann eilte sie auf die dunkle Tür zu, die den einzigen Eingang zu diesem Friedhof darstellte. Hohe Mauern umschlossen das gesamte Gelände.
 

Nachdem Emmelie aus den verwirrenden Gängen herausgefunden hatte, gab sie eine Silberplatte in Auftrag. Dort wurde der Tod Asteriskes und Dorians festgehalten. Nachdem sie dies erledigt hatte, verließ sie die Stadt. Sie schwor sich, nie wieder dorthin zurückzukehren, nicht mehr in ihrem gesamten Leben.

Fünf

Nuri suchte immer weiter nach Informationen, doch diese wurden immer spärlicher, am sechsten Tag blieben sie vollkommen aus. Niedergeschlagen saß die braunhaarige am Fenster, starrte gedankenverloren zum Fenster hinaus und spielte mit ihrer pinken Strähne. Sie hatte wirklich nach allem geforscht, doch sehr viel war dabei nicht heraus gekommen. Sie wusste jetzt, dass sie direkt von Emmelie abstammte. Doch es fehlten mehrere Generationen im Stammbaum.
 

Am Morgen des siebten Tages nach dem Fund wachte Nuri mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend auf. Sie starrte an die Decke und dachte darüber nach. Später als sie aufstand, kam ihre Mutter mit verweintem Gesicht in ihr Zimmer.
 

"Mama! Was ist los?", fragte die braunhaarige alarmiert. Ihre Mutter setzte sich auf das noch ungemachte Bett und schwieg erst einmal. "Mama?", fragte Nuri leise und besorgt. Sie legte ihrer Mutter einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. "Was ist denn?" Die dunkelblonde holte tief Luft und antwortete dann mit leiser Stimme: "Es geht um deine Großmutter. Sie... ist tot." Unangenehmes Schweigen breitete sich im Raum aus. "Was?", fragte Nuri nach einer Weile ungläubig. "Oma Aska? Tot?" Langsam senkte sie den Kopf, eine Träne lief an ihrer Wange hinab. "Wie...?" Ihre Mutter seufzte. "Die Ärzte wissen es noch nicht." Dann verließ die dunkelblonde das Zimmer und Nuri war alleine. Jetzt erst breitete sich der Schmerz aus. Weinend warf sie sich aufs Bett. Nach einer Weile zog sie sich endlich an, verließ das Haus und machte sich auf den Weg zum Anwesen ihrer Großmutter.
 

Das riesige Haus stach auf dem grauen Himmel unwirklich hervor, wie ein riesiger Schatten. Ein hoher Eisenzaun umgab das Gelände. Das Tor knarrte leise, als Nuri es mit aller Kraft aufschob. Langsam betrat sie den gepflegten weißen Kiesweg, der von Rosensträuchern gesäumt war. De Weg endete in einer großen Fläche, an welche sich das riesige Gebäude anschloss. Ein mulmiges Gefühl beschlich Nuri, als sie die mächtige Tür aufschloss und eintrat. Sie sah sich um, plötzlich kam ihr, obwohl sie schon oft bei ihrer Großmutter gewesen war, alles so fremd und leer vor. Sie hatte sich hier immer zu Hause gefühlt, doch dieses Gefühl war nicht mehr da, wie weggeblasen.
 

Langsam durchquerte sie die große Eingangshalle und betrat als erstes die gewaltige Bibliothek. Überwältigt von der Zahl an Büchern sah sich die braunhaarige um. Sie wusste schon nicht mehr, wo sie anfangen sollte zu suchen, doch ein Glück hatte ihre Großmutter die Bücher zeitlich geordnet. Sie war ein richtiger Freak gewesen, fast alle Bücher zwischen dem 10. und 20. Jahrhundert, die erhalten geblieben sind, hatte sie hier beherbergt. Viele Kopieen waren dazwischen, doch auch sehr viele Originale.
 

Nuri nahm eines der Bücher aus dem Schrank und begann, zu lesen. Den gesamten Tag verbrachte sie damit und sie hatte sogar Erfolg. Einige Aufzeichnungen nach dem großen Brand, von Emmelie und ihrem Begleiter, außerdem eine genaue Dokumentation von Dorian Deveraux über sein Leben. Oft tauchte "ein Fluch über mir" in den Berichten auf. Das stimmte Nuri nachdenklich. Doch einige ihrer Fragen klärten sich durch die Berichte.
 

Als sie spät am Abend noch durch die verlassenen Räume ging und sich alles genau ansah, fand sie noch einige interessante Dinge, wie Tagebücher ihrer Vorfahren und eines ihrer Großmutter. Im Schlafzimmer fand sie in der Schmucktruhe eine alte, sehr alte, wunderschöne Kette. Dabei lagen Aufzeichnungen, Notizen über die Kette. Sie war ein Geschenk von Dorian an Emmelie gewesen.
 

Über die aufregenden Funde vergaß sie die Zeit und als sie das erste Mal an diesem Tag auf die Uhr blickte, erschrak sie gewaltig. Es war schon kurz nach neun. Schnell rief sie bei ihrer Mutter an, um zu sagen, dass nichts passiert war und sie die Nacht über im Haus ihrer Großmutter bleibe. Ihre Mutter fand es zwar nicht so schön, doch dagegen sagte sie nichts.
 

So stand Nuri nun im Wohnzimmer dieses riesigen Hauses und fühlte sich so klein. Doch sie hatte sich nicht vorgenommen zu schlafen, dazu war die Bibliothek zu groß und zu interessant. Und außerdem konnte sie jetzt die Kette eingehend betrachten. Aufmerksam las sie sich die Notizen durch, danach nahm sie die Kette in die Hand und staunte nicht schlecht.
 

Die Kette war sehr einfach, das feine Band war aus Silber, der Anhänger bestehend aus einem ihr unbekannten Stein. Ihre Großmutter hatte dazu geschrieben, es sei ein Blutstein. Was das war, wusste Nuri nicht, doch sie hatte ja jetzt genug Zeit, um Nachforschungen zu betreiben. Die Kette lag insgesamt leicht in ihrer Hand, als hätte sie kaum Gewicht, doch wenn man sie nur von weitem betrachtete, konnte man denken, sie sei sehr schwer. Nachdenklich wog Nuri die Kette in der Hand. Ihre Gedanken schweiften zu Emmelie. Wann hatte sie diese Kette bekommen und zu welchem Anlass oder Zweck? Es war ja Dorian gewesen, der ihr diese Kette schenkte. Beim Gedanken an ihn lief es ihr kalt über den Rücken. Wie hatte er das Feuer überlebt? Warum war er Emmelie gefolgt?

Sechs

Vorsichtig legte sie die Kette auf den Nachttisch, da hörte sie im Untergeschoss ein merkwürdiges Geräusch, es war wie ein Husten. Erschrocken steckte Nuri die Kette ein und wandte sich zur Tür. Vorsichtig sah sie in den Flur hinaus, doch dort war alles dunkel. Langsam und lautlos schlich sie in den Flur zur Treppe. Wieder erklang das Husten, dieses Mal lauter, doch derjenige, der hustete, versuchte es zu unterdrücken. Nuri sah sich nach einem Gegenstand um, mit dem sie sich notfalls verteidigen konnte, doch in der Dunkelheit fand sie nichts. So wartete sie mit klopfendem Herzen.
 

Leise Schritte erklangen auf dem Holzboden. Zitternd vor Angst stand drückte sie sich gegen die Wand. Der Fremde hatte die Treppe erreicht, denn seine Schritte wurden nun von dem Teppich gedämpft, der die Treppe bedeckte.
 

"Nuri? Bist du das?" Die Braunhaarige erstarrte. Das war weder ihre Mutter noch Jassy. Diese Stimme hatte sie noch niemals zuvor gehört. "Nuri? Emmelie?" Nuri lief es kalt über den Rücken. "Emmelie...nein...", flüsterte die braunhaarige tonlos. Die Schritte verstummten. Kalter Angstschweiß perlte über die Stirn Nuris. Vor Angst hielt sie die Luft an. Der Fremde war nun als schwarzer Schemen auf der Treppe zu erkennen.
 

"Ich weiß, dass du hier bist, Emmelie... Nuri...", flüsterte die Stimme. kaum hörbar. Noch fester drückte sich Nuri gegen die Wand und wünschte sich, sie könnte durch die Wand entkommen. Der Fremde begann, leise ein Lied zu singen. In irgendeiner Weise kam es Nuri bekannt vor, doch sie konnte sich schwören, dieses Lied noch nie zuvor gehört zu haben. Dann, ganz plötzlich erkannte sie die Stimme. "Dorian!", stieß sie hervor. Er hörte es.. Licht flackerte auf und sie sah ihn vor sich stehen. Die glatten, schwarzen Haare fielen bis zum Kinn hinab und umrahmten das blasse Gesicht mit den aristokratischen, feinen Zügen. Rote Augen blickten zu ihr hinab, eine Narbe zierte die linke Augenbraue.
 

"Emmelie...", sagte er leise. Seine Stimme war nicht viel lauter als ein Flüstern, doch jetzt verstand sie, warum ihm vor neunhundert Jahren eine ganze Stadt folgte. Wie erstarrt stand die braunhaarige dort und wurde von diesen merkwürdigen roten Augen festgehalten. "Dorian... was...?" In den Mundwinkeln des schwarzhaarigen zuckte es belustigt. "Du hast mich gerufen... vor sieben Tagen." Die Augen der braunhaarigen weiteten sich verblüfft und erschrocken. "Die Grabplatte...", entfuhr es Nuri. Der schwarzhaarige nickte leicht. "Ja, Emmelie, die Grabplatte, mit der du mich vor neunhundert Jahren gebannt hast." Nun lag in Nuris Blick Angst. "G-gebannt?", stotterte sie erschrocken. "Ja, vor hunderten von Jahren banntest du mich, doch vor einem viertel Mond riefst du mich wieder." Kraftlos sank Nuri an der Wand herab und auf den Boden. Den Kopf in den Armen vergraben zitterte sie am ganzen Körper. Langsam ging Dorian auf sie zu. "Emmelie...", begann er leise, doch Nuri unterbrach ihn. "Ich bin nicht Emmelie!", fauchte sie gereizt. Erschrocken hielt Dorian inne.
 

"Was willst du hier? Was willst du von mir? Dies ist nicht deine Zeit! Ich kenne dich nicht! Ja, ich bin eine Nachfahrin Emmelies, aber ich bin nicht Emmelie!", fuhr Nuri ihn an. Dorian sah sie mitleidig an, ruhig fragte er: "Und warum bin ich dann hier? Wenn du mich nicht gerufen hast? Mich können nur zwei Personen rufen." In unterdrückter Wut stand Nuri auf. "Ich bin verdammt noch mal nicht Emmelie, ich habe dich nicht gerufen, ich kenne dich nicht! Du dürftest eigentlich gar nicht mehr leben!" Traurig sah Dorian auf den Boden hinunter. "Ich weiß... eigentlich bin ich tot... doch...", er brach ab. "Ja?", fragte Nuri betont interessiert nach. Langsam schloss der schwarzhaarige die Augen. "Komm näher.", forderte er leise. Zögernd trat Nuri einen Schritt vor. "Näher.", sagte Dorian. Die braunhaarige stellte sich nun direkt vor ihn. Langsam hob er den Kopf und öffnete die Augen. "Sag mir was du siehst.", befahl er leise und bitter. Lange blickte Nuri in die roten Augen, doch sie gab keine Antwort. "Siehst du diese Augen?! Siehst du sie?!", brauste Dorian auf. Erschrocken nickte Nuri. "Sie stehen für meine ewige Gefangenschaft. Ich habe meine Seele verkauft."
 

Durch einen plötzlichen, unbekannten Impuls hob Nuri die Hand und strich Dorian vorsichtig und sanft über die blasse Wange. Überrascht sah er zu der braunhaarigen hinab. Verwirrt zog Nuri ihre Hand fort. Ihr Blick war verwirrt, doch immer noch lag etwas misstrauen darin. "Was ist hier nur los?", fragte Nuri leise, sie senkte ihren Blick, doch Dorian fasste mit einer Hand unter ihr Kinn und zwang sie so, ihm in die Augen zu schauen. Nur mühevoll hielt sie dem durchdringenden Blick der roten Augen stand, doch dieser schien sie gleichzeitig zu fesseln. Sie hatte das Gefühl, Dorian sah in diesem Moment bis auf den Grund ihrer Seele, fand jeden ihrer Gedanken und jede Erinnerung und plötzlich wurde sie von einem Strudel von Erinnerungen mitgerissen, die nicht ihre eigenen waren. Sie sah den Großen Befreiungsbrand, viele scheinbar gesichtslose Menschen, Asteriske, Jano, Emmelie, Blut... Dann waren es nicht mehr Dorians Erinnerungen, sondern Emmelies. Erschrocken keuchte Nuri auf und zuckte zurück, doch der schwarzhaarige hielt sie nun fest. Haltsuchend lehnte sie sich an Dorian, welcher schützend die Arme um sie legte, doch vor den Erinnerungen konnte er sie nicht schützen. Immer noch befand sich Nuri im Strudel der Erinnerungen, doch sie waren nun ein Teil von ihr.
 

"Emmelie?", fragte Dorian leise. Die braunhaarige schluchzte auf. Sie war verwirrt und unsicher, doch dort war noch etwas, sie spürte die Anwesenheit einer anderen Person. Beruhigend strich Dorian ihr über das zerzauste Haar und sprach auf sie ein. Als sich Nuri etwas beruhigt hatte, sah sie zu Dorian hoch. "Emmelie?", fragte Dorian leise. Als Nuri antwortete, war es als würde jemand anderes aus ihrem Mund sprechen. "Ja, Liebster...?" Auf Dorians Gesicht erschien ein Lächeln und er schloss die braunhaarige in die Arme. "Emmelie...", flüsterte er in ihr Haar. Dann löste sie sich aus der Umarmung und sah zu ihm hoch. Aus seinen roten Augen sprach Liebe und Zärtlichkeit.

Sieben

Plötzlich erzitterte der Boden. Emmelie hörte das Geschirr im unteren Geschoss aus den Schränken fallen und auf dem Holzboden zerbrechen. "Was ist das?", fragte sie und sah sich um. Das Licht flackerte und erlosch ganz. Das Beben wurde stärker. Emmelie hielt sich an der Schulter Dorians fest, welcher sich langsam einen Weg auf dem schwankenden Boden zur Treppe bahnte. Überall fielen nun die Sachen aus den Schränken oder auch ganz um. Auch der große Glasschrank ihrer Großmutter verabschiedete sich mit lautem Scheppern und Klirren. Gemeinsam rannten sie die zerbrechende Treppe hinab und aus dem zerfallenden Haus hinaus.
 

Draußen hatte das milde Wetter umgeschlagen. Der Himmel hatte sich verfinstert, schwarze Wolken waren aufgezogen. Heftiger Wind fegte durch die menschenleeren Straßen, deren Laternen flackerten und erloschen ganz, die Bäume bogen sich gefährlich gegen den Boden. Nichts Lebendiges war mehr zu sehen. Hinter ihnen wurde das Haus mit einem gewaltigen Donnern dem Erdboden gleichgemacht, nichts blieb mehr erhalten, außer den Trümmern, die vom Sturm in alle Richtungen getragen wurden. Erschrocken klammerte sich Emmelie an Dorian, der schützend vor ihr stand. "Was passiert hier?", fragte Emmelie, ihre Stimme klang schrill vor Angst. "Der Meister...", flüsterte Dorian. Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut und Erschrecken. "Der, dem du deine Seele verkauft hast?", fragte sie leise. Dorian nickte gequält. Unsicher sah sich Emmelie um. "Sieh ihn nicht an!", befahl der schwarzhaarige scharf. Fast sofort senkte Emmelie ihren Blick auf den Boden.
 

"Dorian Deveraux!", donnerte eine Stimme. Der schwarzhaarige zuckte zusammen. Besorgt blickte Emmelie zu ihm auf, doch Dorian drückte ihren Kopf nach unten. "Egal, was passiert, sieh dem Meister nie in die Augen! Sonst verlierst du deine Seele!", zischte er beschwörend. "Versprich es mir, Emmelie, versprich es mir!" Zögernd nickte die braunhaarige. "Sieh mir in die Augen und versprich es mir.", flehte Dorian. Langsam blickte Emmelie auf. "Ich verspreche es.", flüsterte sie und besiegelte dieses Versprechen mit einem flüchtigen Kuss.
 

Dorian wandte sich der Stimme zu. "Was wünscht Ihr, Meister?", fragte er mit fester Stimme. "Deinen Teil des Abkommens.", antwortete eine tiefe, dröhnende Stimme laut. "Meinen Teil leistete ich Euch schon vor neunhundert Jahren.", widersprach Dorian laut und sah den Meister mit seinen roten Augen an. "Doch warum hieltet Ihr Euch nicht an das Abkommen?" Der Meister antwortete wütend: "Wenn Ihr Euch daran gehalten hättet, hatte auch ich mich daran gehalten. Ich bin gekommen, um meinen Teil u holen." Dorian schwieg. "Dorian...? Was ist dein Teil der Abmachung?", fragte Emmelie vorsichtig. Doch auch auf diese Frage schwieg der schwarzhaarige beharrlich. "Dorian, bitte!", flüsterte sie, doch er reagierte nicht. "Und? Was ist nun?", fragte der Meister. "Seid Ihr zu feige dazu?" - "Schweigt!", rief Dorian laut.
 

Emmelie zuckte aufgrund Dorians lauter, schneidender Stimme zusammen und zwang sich, nicht aufzusehen. Ihre Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt, sie wollte nur weg. Plötzlich erinnerte sich die braunhaarige an den Abend vor dem Großen Befreiungsfeuer. Sie sah ihre Schwester Lady Asteriske neben sich, ihr Gesicht nur noch ein schwarzer Schatten. Sie hielt nach Dorian Ausschau und war im nächsten Moment schon nicht mehr bei ihr. Emmelie wusste nicht, warum sie gerade jetzt und hier an diesen Tag denken musste, doch es schien mit dem Meister zusammenzuhängen.
 

"Du befiehlst mir, zu schweigen?", fragte der Meister höhnisch. "Was willst du tun, wenn ich nicht schweige?" Neben Emmelie zitterte Dorian fast vor unterdrückter Wut. Seine Fäuste waren geballt und die Fingernägel gruben sich schmerzhaft in die weiße Haut. Rotes Blut tropfte lautlos auf den dunklen Boden und versickerte in der Erde. "Dorian... bitte übertreib es nicht.", flüsterte die braunhaarige leise, doch Dorian schien sie nicht zu hören. Dann ging eine Veränderung in Dorian vor. Langsam und kaum bemerkbar. Erschrocken starrte Emmelie auf den schwarzhaarigen und wich ein paar Schritte zurück.
 

Das Haar Dorians wurde vom Scheitel her weiß und fiel ihm bis auf die Schultern. Die roten Augen begannen zu glühen. Vor Schmerz krümmte er sich zusammen. Emmelie sah, dass aus seinem Rücken durch den roten Mantel zwei riesige, lederne Schwingen wuchsen. Sie waren so schwarz wie die Nacht und besaßen eine Spannweite von zwei Körperlängen. Langsam breitete Dorian sie aus. Erschrocken wich Emmelie zurück, ihr Gesicht war kreidebleich. Die Haut Dorians nahm einen seltsamen, dunklen Ton an. Blut lief aus seinem Gesicht, wo sich spitze Zähne in die Haut gruben, auch vom Rücken und den Flügeln.
 

Langsam richtete sich Dorian auf und sah in die leeren Augen des Meisters. Dieser lachte auf, doch in seinem Lachen lag nichts belustigtes, es war kalt wie - wie der Tod. Wie elektrisiert stellte Emmelie dies fest und diese Erkenntnis ließ sie noch bleicher werden. Der Meister war der Tod. Dorian hatte ein Abkommen mit dem Tod geschlossen, damit er ewig lebt. Doch was war der Preis für diesen Fluch?
 

"Dies ist die Strafe für jene, die mit dem Tod spielen.", sagte der Meister kalt. Doch entweder schien Dorian ihn nicht zu hören oder er ignorierte ihn, denn er wandte sich zu Emmelie um. Diese wich noch etwas zurück, stolperte über einen spitzen Stein und fiel hart auf den Boden. "D-Dorian...? Nein...", ihre Stimme klang erstickt und bebte vor Angst. "Emmelie...", flüsterte Dorian, doch es war nur ein raues Krächzen, was seinem Mund entwich. "Wie rührend. Doch Dorian, ich will den Preis oder du bleibst für immer in dieser Gestalt, verflucht bis ans Ende aller Zeiten.", schaltete sich der Meister ein. Niedergeschlagne senkte Dorian den Blick. Es schien, als suchten sich silberne Perlen eine Weg über die fast schwarze Haut, zum Kinn hinunter, wo sie letztendlich auf den dunklen Boden tropften. Er weinte. "Ich gab Euch meinen Teil schon vor neunhundert Jahren. Erinnerst du dich an die Stadt? Sie brannte nur für Euch.", antwortete Dorian leise. "Nun, du versprachst mir genau 5000 Seelen, doch ich bekam nur 4998 davon." Dorian erstarrte. "Der Bedienstete und Emmelie...", flüsterte er tonlos. Der Meister nickte. "Doch nur Emmelie lebt noch."
 

Emmelie zuckte bei ihrem Namen zusammen. "Nein... das ist nicht wahr...", flüsterte sie. "Sag, dass das nicht wahr ist!" Die braunhaarige schrie Dorian ins Gesicht. "Du hast meine Schwester auf dem Gewissen! Und Kazahm!" Fluchtartig sprang Emmelie auf. Anklagend deutete sie auf Dorian. "Du bist an allem Schuld! Verdammter Lügner." Unter diesen Anschuldigungen zuckte Dorian überrascht und getroffen zurück. "Es ist nicht so wie du denkst, Emmelie...", versuchte er zu erklären. "Ach nein?! Und wie ist es dann?", fragte sie wütend. Wütend auf Dorian und auf sich selbst, dass sie ein weiteres Mal auf ihn hereingefallen war. Dorian schwieg. "Dorian, ich warte.", sagte der Meister ruhig. "Wie du weißt, haben wir ewig Zeit, nur Nuri nicht." Bei dem Klang des fremden Namens horchte Emmelie auf. Nein, dieser Name war ihr nicht fremd, nur in kurzer Zeit in Vergessenheit geraten.
 

"Dorian... ich will das nicht mehr. Mach dem allen ein Ende.", bat Emmelie flüsternd. "Nein, ich kann nicht.", antwortete Dorian leise. Seine Stimme war erfüllt von Schmerz. "Warum nicht? Warum quälst du dich? Und mich?", in den Augen Emmelies waren Tränen. "Neunhundert Jahre sind genug, findest du nicht auch? Ich hasse sie. Zu lang...", die Stimme der braunhaarigen verlor sich im Wind. Der Meister beobachtete das Geschehen geduldig. Aufmerksam folgte er jeder der Bewegungen Dorians. "Wenn du nicht dazu fähig bist, tut es mir leid. Aufwidersehen, Dorian.", Emmelie ging auf ihn zu und unter ihrer Berührung wurde

Dorian wieder er selbst. Seine schwarzen Haare wehten um sein blasses Kinn. Sanft legte Emmelie die Hand auf die weiße Wange Dorians. "Aufwidersehen.", flüsterte sie, hauchte einen letzten Kuss auf die roten Lippen und wandte sich dem Meister zu. Langsam hob sie den Blick und sah auf. Es trat nichts ein, was sich Emmelie vorgestellt hatte. Nachdem sie in ein außergewöhnlich schönes Gesicht eines Mannes blickte, umfing sie eine wohltuende Wärme. Gedankenlos ließ sie sich fallen und war endlich frei.
 

Dorian sah noch wie Emmelie dem Meister in die Augen blickte, versuchte sie davon abzuhalten, doch sie entglitt seinen Händen. Leblos stürzte der ihr Körper zu Dorians Füßen. "Nun ist der Kreis geschlossen.", waren die letzten Worte des Meisters, dann nahm Dorian nichts mehr wahr. Es war, als hätte es ihn niemals gegeben. Ein warmer Wind fegte über den Platz hinweg und trug die Zeichen der Verwüstung mit sich fort.

Das Ende

Vollkommen fertig wachte Nuri auf. Ihr Blick klärte sich erst nach einiger Zeit und sie erkannte mehrere bekannte Gesichter. "Nuri! Endlich bist du wach!", sofort hatte die braunhaarige etwas Blondes um den Hals hängen. "Jassy?", fragte Nuri verwirrt. Sie bemerkte, dass die blonde schluchzte. "Was ist passiert? Ist jemand gestorben?", fragte Nuri noch verwirrter. "Ach Nuri... ich - wir dachten du seiest... ein Glück bist du... Ich hab mir solche Sorgen gemacht..." Nuri sah auf und erkannte das Gesicht ihrer Mutter und des Hausarztes. Auf dem ihrer Mutter spiegelte sich Sorge und Erschrecken wider, aber auch Erleichterung, auf dem des Arztes Überraschung. Entschieden schob Nuri ihre Freundin von sich. "Was ist denn eigentlich los?", fragte sie noch einmal. "Du lebst noch, Nuri. Es... der Arzt meinte, du wärst gestorben, du hast nicht mehr geatmet und sonst kein Anzeichen von Leben mehr gehabt.", Tränen rollten über die Wangen ihrer Mutter. "Du warst für Minuten klinisch tot.", erklärte der Arzt.
 

Verwirrt hielt sich Nuri den Kopf und versuchte, sich zu erinnern. "Das Haus meiner Großmutter...", sagte sie leise. Langsam stand sie auf. "Was ist mit dem Haus meiner Großmutter?", fragte Nuri nun fast panisch. "Was soll damit sein?", fragte ihre Mutter. "Es steht noch." Drei merkwürdige Blicke trafen Nuri. "Aber...", sie rannte aus dem Zimmer. "Warte!", rief Jassy, doch Nuri war schon aus dem Haus. Ohne Schuhe oder Jacke, in T-Shirt und kurzer Hose. Rastlos rannte sie zu dem Haus ihrer Großmutter. Fast erschrocken blieb sie stehen. Alles stand noch so wie vor einigen Stunden. "Aber ich habe es doch selbst gesehen...", flüsterte Nuri tonlos. "Alles war zerstört..."
 

Neben Nuri hielt Jassy keuchend. "Mensch, Nuri, du kannst aber laufen, dafür dass du vor fünf Minuten noch klinisch tot warst.", sagte die blonde außer Atem. "Ich war nicht tot.", meinte die braunhaarige abwesend. Langsam hob sie ihre Hand an den Hals und zuckte zurück, als sie etwas spürte. Vorsichtig nahm sie die Kette ab und sah sie sich an. Es war dieselbe Kette, die sie gefunden hatte, die Dorian Emmelie geschenkt hatte. "Eine schöne Kette hast du da.", bemerkte Jassy. "Ja, sie ist von Dorian.", antwortete Nuri leise und immer noch gedanklich abwesend. Jassy sah sie von der Seite an, als wäre die braunhaarige verrückt. "Ach, vergiss, was ich gesagt habe, ich habe sie gefunden.", sagte Nuri und wischte mit der Hand ihre vorigen Worte weg. "Na, wenn du es sagst."
 

Gemeinsam gingen die beiden zurück und Nuri versuchte zu erklären, weshalb sie so plötzlich weggerannt war. "Es war... ich hatte einen merkwürdigen Traum, und in diesem ist das Haus meiner Großmutter eingestürzt. Er war so echt, da dachte ich, ich hätte es wirklich gesehen." Der Arzt und die Mutter nahmen diese Antwort ernst, doch als Nuri und Jassy später noch zusammen saßen, fragte die blonde: "War es wirklich ein Traum?" Nuri nickte. "Irgendwie glaube ich dir das nicht.", meinte die blonde und sah Nuri an. "Na dann glaub es mir nicht, aber ich kann nur sagen, dass es ein Traum war, weil es nicht mehr war. Das Haus würde doch nicht mehr stehen, wenn es kein Traum gewesen sein sollte.", erklärte Nuri mit einem schiefen Grinsen.
 

Mehrere Tage später stand sie auf dem Friedhof. In einer alten, kaum benutzten Ecke hatte sie die Silberplatte als Grabstein hergerichtet. Davor lag ein Strauß voller Rosen, rote, gelbe, rosane, weiße, blaue. Außerdem eine angezündete Kerze. Die Kette lag in den Blumen vergraben. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht sagte sie leise, sodass auch nur sie es hörte: "Ruht in Frieden, Dorian Deveraux und Emmelie Cathar."



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Kommentare zu dieser Fanfic (18)
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Von: abgemeldet
2009-07-17T14:44:20+00:00 17.07.2009 16:44
So- jetzt bin ich durch ^-^
Dafür, dass du erst 15 bist find ich die Geschichte wirklich gut!
Was mich etwas stört ist, dass sehr oft "der Rothaarige/die Schwarzhaarige" vorkommt.

Was ich aus sehr schade finde ist, dass die Charaktere von den Namen her nicht komplett aufeinander abgestimmt ist.
Bzw es für mich nicht klar rüber gekommen ist ob es nun in unserer Welt spielen soll oder in einer Fantasywelt.

Sehr schade finde ich es auch, dass die Zeit manchmal sehr schnell vergeht- zb in Kapitel 2, als Jessy und Nuri Ahnenvorschung betrieben haben oder in Kap.3 die 3 Jahre die Emmelie in ihrer neuen Familie lebt.

Ich weis, dass ist sehr viel Kritik aber ich meine es nicht böse.
Ich finde, dass du auf jeden fall mit dem schreiben weiter machen solltest.
Von: abgemeldet
2008-12-12T16:20:06+00:00 12.12.2008 17:20
ach suzze ich liebe deine art zu schreiben!!!! super story ausgedacht und echt toll beschrieben so das alles mit dorian und asteriske und so och i lieb dia!!!!!
kuss mach weite du packst das!!!!!!
Von: abgemeldet
2008-11-15T16:05:39+00:00 15.11.2008 17:05
yaaaay ein Happy-End!!! ich liebe happy-ends! XD auch wenn dorian kein so glückliches Ende hatte lol
Von: abgemeldet
2008-11-15T16:03:33+00:00 15.11.2008 17:03
meensch dieser doofe dorian!!!! Was geht der Depp auch einen handel mit dem Tod ein...man sollte doch allmählich wissen, dass man bei sowas immer die Geliebte verliert....-.- gut dass du schon weitergeschrieben hast! Sonst würde ich es nicht mehr aushalten
Von:  Klio
2008-11-14T20:57:36+00:00 14.11.2008 21:57
NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNN
Emmelie du bist doof jetzt bist du wirklich verloren... och mann.... dorian du bist an allem schuld du und dein blöder vertrag.. *grr*
aba sehr schön geschrieben ich freu mich schon auf die beiden restlichen kapi sis
Von:  Klio
2008-11-14T20:54:18+00:00 14.11.2008 21:54
wie schon so weit sind wir?? aber das ist wirklich süss.. aber leider musste er ja so einen unsinn amchen mit seele verkaufen....
Von:  Klio
2008-11-14T20:53:08+00:00 14.11.2008 21:53
Oh Nuri is aufgetaucht..
also sind wir jetzt in der Gegenwart wie schön^^ jetzt fängt das alles an...
Von:  Klio
2008-11-14T20:50:58+00:00 14.11.2008 21:50
emmelie tut mir leid.. jetzt muuste sie alles erfahren oder hat es erahnt trotzdem schrecklich...
ich hoffe sie erlebt bald wieder was gutes...

Von:  Klio
2008-11-14T20:47:32+00:00 14.11.2008 21:47
die kleine is groß geworden..
schrecklich was sie miterleben musste sie tut mir elid
is aber mein lieblingschara in der geschichte
Von:  Klio
2008-11-14T20:43:52+00:00 14.11.2008 21:43
jetzt sind sie tot.. naja fast alle..
das is wirklich traurig aber das datum is cool und das sie auch noch so hinterhältig verraten wurden....


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