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Kiiro no chō

Der gelbe Schmetterling
von

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Inuzuri

Sauer stapfte Kurotsuki am Ratsgebäude entlang. Sein Zanpakutō wankte gefährlich in seiner Schwertscheide hin und her, während des Schwarzhaarigen Hände ab und zu den Griff des Katana streiften. Seine Schritte waren groß, aber schwer und einige Shinigami in der Nähe drehten neugierig flüchtig ihre Blicke in seine Richtung.

„Such' die Seele in Rukongai...“, murmelte Aisaika immer noch wütend, aber noch etwas anderes mischte sich unter seinen aufgewühlten Gemütszustand – Verzweiflung. Wie sollte er in einem Gebiet, das weit über 320 Bezirke hatte, eine einzige Seele ausfindig machen? Alleine?

Kōsa konnte, oder wohl eher durfte, nicht mitkommen – es wunderte Kurotsuki nicht, sie waren nicht in der selben Division –, aber es hätte seine bevorstehende Suche um einiges erleichtert.

Es erschien dem schwarzhaarigen Shinigami bereits eine halbe Ewigkeit her, seit ihn sein Hauptmann Kuchiki Byakuya von seinem Freund getrennt hatte und seitdem hatten die beiden noch keine Gelegenheit gehabt, sich wieder zu treffen, obwohl der Beschluss des Rates keine halbe Stunde in Anspruch hatte nehmen können.

Eines der vier Tore, die Seireitei von Rukongai trennten, war bereits zu sehen, als sich Kurotsuki der großen, weißen Schutzmauer um den Bezirk des Shinigami näherte. Er fand es ungerecht, so strikt von den normal Sterblichen isoliert zu sein, verstand aber durchaus die Notwendigkeit eines solchen Schutzwalls. Es war bereits zu oft vorgekommen, dass Seelen aufmüpfig geworden waren und die ganze Situation in einen Aufstand ausgeartet war. Zwar hatten die Shinigami die kleinen Aufstände bis jetzt immer niederschlagen können, aber sicher war sicher.

Der Wächter des Tors ließ den Schwarzhaarigen ohne Probleme passieren, nachdem dieser ihm knapp seine Aufgabe außerhalb der schützenden Mauer Seireiteis erklärt hatte und Kurotsuki fand sich sogleich im 1. Bezirk des Rukongai wieder. Je größer die Zahlen wurden, mit denen ein Gebiet betitelt war, einen desto schlimmeren Ruf hatte es und war auch dementsprechend gefährlich. Hier, im ersten, lebten die Seelen noch einigermaßen zivilisiert, so wie sie es zu ihren sterblichen Lebzeiten bereits getan hatten, aber in den weiter liegenden Bezirken standen Diebstahl, Neid und Hass an der Tagesordnung.

Etwas mulmig war Kurotsuki schon zumute und so legte er eine Hand um den Griff seines Zanpakutō. Die feste Materie verlieh ihm das trügerische Gefühl von Sicherheit, das er auf alle Fälle würde brauchen können. Vom Seishin* seines Schwertes konnte er nicht viel seelischen Beistand erwarten, Sui Jin* war ziemlich ruhig und nicht sehr kommunikativ, aber der Shinigami verübelte es seinem Partner nicht. Aus irgendeinem Grund hatten sie sich noch nie gut verstanden, sie lebten eher nebeneinander her als miteinander.

„Na dann, auf auf!“, versuchte der Schwarzhaarige sich Mut zu machen und lief in einer Art Trab los. Er wollte die ganze Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen und gedachte nicht, noch mehr Zeit zu verlieren.
 

Die ersten Bezirke zu durchqueren war kein Problem gewesen, aber gegen Abend – wenn es denn in der Soul Society überhaupt so etwas wie einen richtigen Abend gab – hatte Kurotsuki die Schnauze gestrichen voll.

Er war jetzt im 78. Bezirk des Rukongai (soweit er wusste, kam sein Leutnant Abarai Renji aus dieser versifften Gegend) angekommen und blickte sich vorsichtig um. Immer noch keine Spur von dem Plus. Wie sollte er sie eigentlich finden? Glaubten die Taichō etwa, dass er sich das Gesicht einer jeden Seele merkte, die er in die Soul Society schickte? Das war doch Wahnsinn!

Oder, es wäre Wahnsinn. Kurotsuki vermied es bewusst, die gequälten Minen der Toten in Erinnerung zu behalten, wenn sie merkten, was mit ihnen geschehen war und wohin sie als nächstes gehen würde. Natürlich immer vorausgesetzt, sie wussten es, was sie meistens nicht taten, also waren des Schwarzhaarigen Gedankengänge in jenem Moment ziemlich nutzlos. Diesmal war er ahnungslos.

„He... du da...“ Etwas zupfte an Kurotsukis Kimono und der Shinigami konnte nur mit Mühe den Reflex unterdrücken, nach seinem Zanpakutō zu greifen oder dem vermeintlichen Angreifer einen deftigen Kidōspruch an den Kopf zu donnern. Er atmete einmal tief durch und zwang sich zur Ruhe, dann blickte er herab. Es zehrte doch mehr an seinen Nerven, sich alleine außerhalb Seireitei aufzuhalten, als es es für möglich gehalten hätte.

„Ja, was ist?“ Zu seinen Füßen saß ein älterer Mann und hielt immer noch den Saum seines Kimono mit seinen schmutzigen und knorrigen, alten Fingern fest. Er bot ein perfektes Bild an Elend, aber das war hier in den höheren Bezirken so üblich. Trotzdem schlug es einem auf den Magen.

„Haste vielleicht was zu essen, Junge? Ich verhunger' hier fast.“ Kurotsuki blickte den Greis kurz erstaunt an, dann schüttelte er langsam den Kopf.

„Nein, tut mir Leid. Ich habe eigentlich auch keine Zeit zu reden...“

„Oh schade...“ Der Alte ließ den Kimonosaum wieder los und sackte mühsam wieder an die Wand hinter sich. „Weißt du, du erinnerst mich an meinen Sohn... hab' dich wohl deshalb aufgehalten, tut mir Leid, geh weiter, los...“

Kurotsuki brannte die Frage nach des Grauen Sohn förmlich auf der Zunge, aber er ahnte bereits dessen Verbleib. Die beiden würden sich wohl nie gegenseitig begegnen, viele Seelen irrten für immer im Rukongai umher, ohne ihre Verwandten je wieder zu finden. Es war auf eine traurige Art und Weise sogar makaber, Menschen glaubten, nach dem Tod würden sie ihre Liebsten wiedersehen, aber in Wirklichkeit landeten sie meist allein außerhalb Seireitei. Manchmal hasste Kurotsuki, dass er ein Shinigami war.

„NEIN! Gib mir das, das ist MEINS! Loslassen!“ Der Greis sowie der Schwarzhaarige drehten ihren Blick fast gleichzeitig in die selbe Richtung, konnte aber beide aufgrund der aschfahlen Dämmerung nicht viel erkennen.

„Willst du ihr nicht helfen?“ Der Alte fing sich einen irritierten Blick des Shinigami ein.

„Wem helfen?“

„Klang, als ob ein Mädchen schreien würd', meinste nicht?“

„Ich habe keine Zeit für sowas, alter Mann“, entgegnete Kurotsuki leicht gereizt, dann jedoch stockte er. Könnte es denn sein...? Er suchte doch nach einem Mädchen! Und Hoffnung starb eindeutig zuletzt, zumindest die seine!

Er rannte sofort mit Shunpo* los, was aber in Anbetracht der kurzen Entfernung, die Kurotsuki hatte zurücklegen müssen, schon beinahe lächerlich wirkte. Seinen Augen bot sich ein in den schlechten Bezirken des Rukongai nur allzu tägliches Bild – zwei Burschen, äußerlich vielleicht um die 20 Jahre alt, standen um ein junges Mädchen, das im Gegensatz zu den beiden wie eine kleine Porzellanpuppe wirkte. Sie kauerte auf dem Boden und blickte durch ihr dichtes Haar, das ihr Gesicht verdeckte, zu den beiden Männern empor, die Hände im Staub unter sich vergraben. Ihre Stimme klang weinerlich.

„Gebt mir das!“ Einer der Burschen lachte auf, der andere knurrte nur missbilligend.

„Nix da! Das ist jetzt unser Essen! Such' dir was eigenes!“

„Das ist MEINS!“

Kurotsuki begriff endlich, was dort los war. Einer der Männer (der, der vorhin gelacht und mit dem Mädchen gesprochen hatte), hielt ein Brötchen in seiner rechten Hand, die er außer Reichweite über seinem Kopf erhoben hielt.

„Bitte...“ Diesmal schluchzte die zierliche Braunhaarige, „bitte... gebt es mir zurück!“

„Klappe!“ Der andere Mann – Kurotsuki entschied sich innerlich, ihn Köter zu nennen, wegen der Knurrlaute von vorhin – versetzte dem Mädchen einen Tritt und sie sackte sofort wieder zusammen. Er war höchste Zeit einzugreifen!

„Hey, ihr zwei!“ Der Shinigami zog sein Zanpakutō und umklammerte es mit festem Griff, dann kam er auf die beiden düsteren Gestalten zu. „Ihr habt sie gehört. Her mit dem Essen!

„Wüsste nicht, was dich da-“ Verblüfft blieb Köter der Mund offen stehen. „Scheiße! 'N Shinigami! Los, verpissen wir uns!“ So schnell, wie die beiden wahrscheinlich aus dem Hinterhalt aufgetaucht waren, so schnell waren sie auch wieder verschwunden. Nur leider mitsamt dem Brötchen.

Kurotsuki steckte Namazu wieder weg, dann ging er in die Hocke und streckte seine Hand nach dem Mädchen aus. Sie griff sofort danach und ließ sich vom Schwarzhaarigen aufhelfen, als sie sich jedoch urplötzlich wieder wie von Sinnen losriss und ihn spürbar feindselig aus ihren verweinten Augen ansah.

“DU!“

„Ehm... ich?“ Die Braunhaarige starrte ihn immer noch an, dann schnaubte sie wütend.

„Du... du... es ist alles DEINE Schuld! Nur wegen dir habe ich nichts zu essen!“

„Bitte?! Ich habe gerade versucht, dir zu helfen!“, protestierte Aisaika sofort, aber das Mädchen schien es gar nicht richtig wahr zu nehmen. Stattdessen brach sie in erneutes Schluchzen aus.

„Du hast meine Kette zerstört! DU warst das!“ Sie schüttelte den Kopf und Kurotsuki begriff augenblicklich.

Er hatte sie endlich gefunden.
 

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Inuzuri = Bezeichnung des 78. Bezirks

Seishun = die Seele/ der Geist eines Zanpakutō

Sui Jin = Kurotsukis Zanpakutō

Shunpo = schneller Schritt; eine Technik der Shinigami, mit deren Hilfe sie sich extrem schnell fortbewegen können



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