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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Pläne für die Zukunft

Hitomis Herz schlug bis zum Hals, ihr war speiübel und ihre Beine zitterten in ihren schmalen Schuhen wie Espenlaub, während eine Dienerin ihr das Unterkleid anlegte. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen über das Land und signalisierte damit auch den endgültigen Untergang der guten, alten Zeit.

Es sollte sich alles ändern...wieder einmal. Trotzdem war es für sie eine ganz neue Erfahrung. Nun, nicht ganz neu. Doch dieses Mal würde Van nicht kommen und sie retten.

Die Bedienstete präsentierte ihr das Kleid und Hitomi schlüpfte hinein. Für dieses Abend hatte sie sich für eine klassische Variante entschieden. Die Kombination aus dem weiten, weißen Rock und dem eng anliegenden, hell roten Oberteil erinnerte nicht ohne Grund an ihrer Erscheinung, als Aston ihr zum ersten Mal begegnet war. Der weiße Kragen war jedoch schmaler, der Ausschnitt tiefer und Puffärmel bedeckten sowohl Schulter als auch Oberarme. Zu guter Letzt legte sie die weißen Handschuhe an, die bis zu den Ärmel reichten.

Die verwitwete Königin betrachtete sich im Spiegel. Von Trauerflor war nichts zu sehen, ebenso wenig wie von der schlichten, dafür farbenfrohen Mode aus Farnellia. Stattdessen sah sie eine Edeldame im ausladenden astorianischen Stil. Noch zeigte ihr Gesicht, dass die Frau und das Kleid sich fremd waren, aber die Dienerin würde auch diese Unzulänglichkeit zu kaschieren wissen. Ihr Innerstes schrie angesichts des eigenen Spiegelbildes auf, doch Hitomi vergrub alle Ängste, Zweifel und Bedenken unter der Verantwortung, die sie trug.

Es gab keinen anderen Weg.

Sie versicherte sich dessen immer wieder, während sie mit geschlossenen Augen geduldig vor dem Kosmetiktisch saß, der in der inneren Wand der Kuppel über der Villa eingelassen war, und sich der geschickten Hände der Bediensteten unterwarf. Als sie ihre Augen schließlich öffnete, war die trauende Witwe einer Puppe gewichen, der Mann keine Regung mehr ansah.

Hitomi begutachtete die Arbeit der Dienerin mit strengem Blick. Dabei konnte sie beobachten, wie der jungen Frau hinter ihr Fragen förmlich über das Gesicht huschten. Warum trug die Königin kein Schwarz? Warum empfing sie Männer so kurz nach dem Tod ihres Gatten?

Oh, sie hasste sich dafür!

„Danke sehr.“, sagte die Königin betont distanziert und warf einen Blick zum Fenster hinaus. Am anderen Ende der Stadt sah sie einen riesigen Stahlkoloss hinter der Mauer hinausragen. Astons Schiff war bereits gelandet. „Ist alles bereit?“

„Ja, Herrin.“, antwortete die Frau leise. „Die Gästezimmer sind fertig, der Tisch ist gedeckt und die Küche hat alle Speisen so weit wie möglich vorbereitet.“

„Dann richte ihnen aus, sie sollen mit der Vorspeise beginnen. Am besten schließt du dich ihnen an. Das Essen muss fertig sein, wenn ich die Gäste in den Speisesaal führe.“

„Herrin, meine Familie...“

Hitomis Herz schmolz dahin, doch sie gab sich unnachgiebig.

„Dein Mann sorgt sicher gut für deine Tochter.“, antwortete sie streng „Ich brauche dich hier!“

Die Dienerin verzog das Gesicht. Offenbar teilte sie die Zuversicht ihrer Königin nicht. Widerstrebend verneigte sie sich und antwortete gehorsamst: „Wie ihr wünscht, Herrin.“

„Dann geh!“

„Ja, Herrin.“

Die Frau flüchtete so schnell wie ihre Füße und die Etikette es zuließen. Innerlich fluchte Hitomi. Wenn nicht ganz Farnellia sie nach diesem Abend hassen würde, wüsste sie nicht, was sie noch dazu bringen könnte.

Müde drückte sie sich mit ihren Händen auf der Tischplatte aus dem Stuhl. Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Wieder. Langsam tastete sie sich die Wendeltreppe in Vans Arbeitszimmer hinunter und schleppte sich durch die Villa bis zum Haupteingang. Dort warteten bereits Merle und Vans Volksvertretertrio auf sie. Merle trug ein züchtiges, schwarzes Kleid und war ganz erstaunt, dass es sich bei Hitomi nicht so verhielt. Die Gewänder der Herren waren ebenfalls schwarz und einfach gehalten, wenn auch von guter Qualität.

„Was soll das?“, brach es aus der Prinzessin hinaus. „Was fällt dir ein, dich so anzuziehen?“

„Wir gehen nicht auf eine Beerdigung, Merle.“, belehrte Hitomi sie uneinsichtig.

„Nein, das sollten wir aber! Vor Vans letztem Geleit sollten wir niemanden empfangen!“

„Wagst du es mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, Merle? Wenn ja, dann solltest du Königin werden.“

„So ein Quatsch! Ja, es ist deine Entscheidung, was du trägst.“, gab das Katzenmädchen zu. „Aber könntest du nicht wenigstens ein Zeichen der Trauer tragen? Eine schwarze Schleife oder ähnliches?“

„Nein!“, blockte die Königin hart.

„Verzeiht, euer Majestät, aber wir sind einer Meinung mit ihrer Hoheit. Ihr spuckt gerade auf das Andenken eures Gatten.“

Dieser Vorwurf, so wahr er war, traf Hitomi ins Mark. Wütend trat sie an den Vertreter von Farnellias Tagelöhner heran.

„Wer das behauptet, ist in meinem Haus nicht mehr willkommen!“, drohte sie. „Verstehen wir uns?“

Der Mann nickte blass und die Witwe nahm angefressen ihre Position an der Spitze der Ehrenformation ein.

Bis auf die versammelten politischen Schwergewichte Farnellias wartete niemand vom Hofstaat vor der Villa auf den Besuch. Selbst den Wachen hatte Hitomi freigeben müssen, um die Familien der Dienerinnen zu entlasten, die dieses Essen erst ermöglichten. Aston und seine Gefolge wurden vor ihrem Luftschiff nur von Gesgan in der Rolle eines Kutschers empfangen. Der Krieger war mehr als genug Schutz für die hohen Herren.

Kaum sackten ihre Schultern zum ersten Mal hinab, hörte die Königin Hufgetrappel, und sie richtete sich wieder auf. Just in dem Augenblick verließ die offene Kutsche die Rampe zur künstlichen Ebene über Farnellia, auf der ihre Villa stand.

Erst sah Hitomi nichts weiter als die Pferde und Gesgan, der auf dem Bock saß. Dann aber, als die Kutsche wendete und vor dem Empfangskomitee zu stehen kam, bestätigte sich ihre Kleiderwahl. Gesgan öffnete die Tür für Aston und seinen zwei Beratern, die den Boden der gebeutelten Stadt Farnellia in prachtvollen Gewändern betraten. Offensichtlich überwog der Geltungsdrang die Trauer bei den drei Adligen Astorias, die sich vor der Königin verneigten. Sie erwiderte die Geste mit einem Lächeln und begrüßte ihre Gäste persönlich. Dann stellte sie ihr eigenes Gefolge vor und brachte die Anwesenden zum Speisesaal, während Gesgan die Kutsche zum Stall fuhr.

Wie die Königin es befohlen hatte, wurde die Suppe nur wenige Minuten nach ihrem Eintreffen serviert. An der langen Tafel nahm Hitomi den Ehrenplatz am Ende ein. Zu ihrer rechten saß Aston, Merle hingegen musste an der linken Seite am weitesten von Hitomi sitzen, was bei der Prinzessin Stirnrunzeln hervorrief, doch sie schluckte ihren Protest herunter. Etwas seltsames ging vor sich, doch Hitomi, ihre Vertraute, ihre Schwester, ließ sie im Dunkeln.

Die Vorsuppe und der Hauptgang verliefen ereignislos. Aston drückte lediglich im Namen von ganz Astoria sein Mitgefühl aus und erkundigte sich nach ihrem Befinden, worauf Hitomi nur sporadisch antwortete, dass alles gut sei. An der Stelle schien sich aus Merle wieder ein Schwall an Worten entladen zu wollen, doch sie verkniff es sich ein weiteres Mal. Dann erkundigte sich Aston nach der schwierigen Situation Farnellias, aber Hitomi blockte den Vorstoß ab, indem sie die Volksvertretern ausführlich von Maßnahmen berichten ließ, mit der die Bürger ihrer Stadt das Chaos der letzten Wochen meisterten. Zu guter Letzt versicherte sie ihren Gästen, dass in Farnellia schon alles wieder seinen gewohnten Gang gehen würde.

„Was ist mit der militärischen Situation eures Landes?“, wandte Aston ein. „Eure Soldaten sind nur wenige und schlecht ausgerüstet, wie der Angriff der Gezeichneten gezeigt hat.“

„Ja, der Angriff der Zaibacher hat Farnellia alles gekostet, die Männer und die Guymelefs.“, entgegnete Hitomi bedächtig, die kurz vor dem Nachttischs endlich den Grund für das Essen auf sich zukommen sah. „Aber unsere Bürger sind fleißig. Gebt der Stadt zehn Jahre Zeit und das Heer wird wieder zahlreich sein.“

„Mit Verlaub, euer Majestät, ihr habt keine zehn Jahre mehr.“, belehrte der König sie. „Und ihr habt auch das Geld nicht, um euch Söldner oder Ausrüstung kaufen zu können.“

„Dann ist ja gut, dass Farnellia sich eurer Unterstützung sicher sein kann.“, sagte Hitomi mit einem charmanten Lächeln, woraufhin Aston schmunzelte.

„Ich fürchte ohne eine Gegenleistung kann ich euch nicht noch einmal helfen. Ich kann das Leben meiner Soldaten wohl kaum nur aus Gewissensgründen riskieren.“

„Habt ihr auch nur einen Mann bei der Verteidigung Farnellias verloren?“

„Dieses mal wurde der Gegner überrascht und war eurem Heer nur zahlenmäßig überlegen. Wenn einer euren Nachbarn Blut leckt, wird es beim nächsten Angriff auf euer Land kaum genauso sein.“

„Was schwebt euch als Gegenleistung vor?“

„Ein Monopol auf euren Außenhandel wäre angemessen.“, schlug Aston vor.

„Ein Monopol?“, hakte Hitomi wenig überrascht nach.

„So ist es.“, bestätigte Aston und fuhr großzügig fort. „Ich verlange weder Geld noch Dienste, nur das alleinige Recht für Astoria mit Farnellia Handel zu treiben.“

„Farnellia besteht nicht nur aus der Stadt. Es ist ein weites Land. Wie stellt ihr euch vor, dieses Recht durchzusetzen?“

„Wir werden Soldaten schicken. Sie werden die Grenzen von Farnellia sichern und dabei auch den Schmuggel unterbinden.“

„Niemals!“, schaltete sie der Vertreter von Farnellias Bauern ein und schlug dabei auf den Tisch. „Astoria wird uns die Preise diktieren, wie es ihnen passt!“

„Astoria selbst ist eine Handelsnation und kann alle Waren bieten, die eure Bevölkerung braucht. Und wenn wir schon exklusiven Zugriff auf Farnellias Bauern bekommen, liegt uns doch wenig daran, dass sie verarmen. “, beschwichtigte Aston.

„Majestät, ihr könnt diesen Vorschlag nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.“, intervenierte nun auch der Vertreter der Bürger in Richtung Hitomi.

„Nein, tue ich nicht.“, versprach diese, woraufhin Merle erleichtert durchatmete. Dann erklärte sie: „Es tut mir Leid, euer Majestät, aber wie meine Berater bereits sagten: Euer Preis ist zu hoch. Selbst wenn wir für solch eine Vereinbarung ein Form finden würden, die die Existenz von Farnellias Wirtschaft sichert, so ist auch Chuzario auf ihre Erzeugnisse angewiesen. Die Gezeichneten haben sich dort festgesetzt und für die Bauern in der Nähe der verseuchten Gebiete wird es von Tag zu Tag gefährlicher, Grundnahrungsmittel anzubauen. Chuzario ist wie Astoria auf Farnellias Erzeugnisse angewiesen.“

„Wir müssen die Bevölkerung der Zaibacher Hauptstadt versorgen und bekommen nicht ansatzweise genug Nahrung zu erschwinglichen Preisen angeboten.“, widersprach Aston.

„Das ist in der Tat ein Problem, aber eines, an dessen Lösung wir gemeinsam in Absprache mit euren Nachbarn arbeiten können.“, bot Hitomi an.

„So gern ich euer Angebot auch annehme, so reicht es doch bei weitem nicht, das Leben der Söhne Astorias für die Sicherheit Farnellias zu riskieren.“

„Sollten sie das nicht sowieso?“, fragte Merle provokant dazwischen. „Wir sind doch in ein und demselben Bündnis.“

„Ein Partner, der nichts zu bieten hat, ist nichts wert.“, antwortete Aston bedauernd.

„Habt ihr nicht zu gehört. Wir brauchen nur etwas mehr Zeit!“

„Merle!“, mahnte Hitomi streng und brachte sie mit ihrem Blick zur Räson. Dann wandte sie sich an Aston. „Farnellia hat tatsächlich etwas außer exklusive Handelsrechte für Astoria zu bieten.“

„Ich höre.“

„Einen Erben!“, eröffnete sie und sah sich mit verwirrten Gesichtern konfrontiert.

„Dies müsst ihr erklären.“, verlangte Astorias König leicht aufgedreht, woraufhin Hitomi wieder ihr Lächeln aufsetzte.

„Ich bin eine ledige Frau.“, untermauerte sie ihren Vorschlag. „Was sollte mich daran hindern, euch einen Sohn zu gebären.“

Astons Herz vollführte Luftsprünge, doch er vergrub seine Freude hinter einer Maske. Erst musste er Fakten schaffen.

„Ich habe viele Söhne, was nicht jeder weiß.“, zeigte ihr den Haken auf. „Sie alle wurden jedoch von Frauen geboren, mit denen ich nicht verheiratet war. Somit können sie keine Erben sein. Ihr wisst, was das heißt?“

Hitomi seufzte leise und stellte dann laut fest: „Dass ich euren Antrag annehmen werde...“

„Nein!“, rief Merle dazwischen. Ihr Stuhl flog zurück, so schwungvoll war sie aufgestanden.

„Würdest du ihn heiraten?“, fragte die Königin sie provokant.

„Natürlich nicht!“, antwortete das Mädchen ohne Zögern. „Aber wie kannst du...“

„Wer außer mir sollte es sonst tun?“

„Das kannst du nicht machen. Van...“

„Van ist tot!“, stellte Hitomi eisern klar. „Ich trage die alleinige Verantwortung über das Geschick Farnellias.“

„Aber du bist...“, versuchte das Mädchen dagegenzuhalten, doch ihre Königin verbot ihr abermals in weiser Voraussicht das Wort:

„Merle! Wag es ja nicht, es auszusprechen!“

Das Katzenmädchen biss sich auf die Lippen. Aus ganz offensichtlichen Gründen sollte Hitomis Schwangerschaft ein Geheimnis bleiben. Wenn sie es jetzt aber verraten würde...nein, sie konnte sich nicht gegen ihre Herrin stellen.

„Van hat besseres verdient!“, argumentierte sie verzweifelt.

„Wie ich schon sagte, der König ist tot!“, wiederholte Hitomi. „Und du wirst nicht vergessen, wer hier die Königin ist!“

Merle war entsetzt. Sie wusste, wann sie auf verlorenen Posten stand, doch aufgeben wollte sie nicht.

„Das werde ich nicht akzeptieren!“, schrie sie stur aus und stampfte aus dem Speisesaal. Hitomi wandte sich wieder ihrer Süßspeise zu, während die Gäste am Tisch sie entgeistert anstarrten.

„Ignorieren sie bitte dieses vorlaute Gör, meine Herren. Ich werde mich später um sie kümmern.“

Während des Desserts sagte niemand mehr etwas. Hitomi grübelte, ihre Berater schwiegen geplättet, Aston mahlte sich die Zukunft in roten Farben aus und seine Berater planten bereits mit Farnellia. Schließlich verkündete die Königin sich zurückziehen zu wollen und entließ damit die Herrschaften zu ihren Getränken. Sie ging jedoch nicht in ihre Gemächer, sondern schickte nach Merle. Es war Zeit, der jungen Frau eine Zukunft zu geben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  CatariaNigra
2014-07-11T20:18:02+00:00 11.07.2014 22:18
Bin mal gespannt, wie Hitomi Merle verplant hat...
Von:  funnymarie
2014-07-08T17:53:05+00:00 08.07.2014 19:53
wieder ein tolles kapitel
ich bin gespannt, was hitomi weiterhin geplant hat
ich freu mich auf mehr
lg funnymarie


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