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Assoziatives Schreiben

Kurzgeschichtensammlung
von

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Satz Nr. 10 - Sichuanpfeffer-Raketenantrieb

Er gab sich ernsthaft Mühe und schien nicht zu begreifen, was für einen lächerlichen Anblick er bot. „Konnichi wa!“ rief er mit lauter Stimme und strahlte die beiden Chinesinnen an, verbeugte sich.

Die Reaktion der langhaarigen Schönheiten aus dem Reich der Mitte war – verständlicherweise – etwas verkrampft. Trotzdem taten sie ihr Bestes um ein zauberhaft einladendes Lächeln auf den Lippen zu behalten.

Ich runzelte die Stirn und wäre am liebsten im Boden versunken oder besser gleich hinter der nächsten rot lackierten Säule mit goldenen Drachen verschwunden. Oder ich wollte durch irgendeine Flagge kennzeichnen, dass das Individuum mit dem peinlich berührten Gesichtsaudruck, dem grünen T-Shirt und den wirren braunen Haaren unter keinen Umständen zur gleichen Reisegruppe wie der junge Herr gehörte, der so eben mit voller Wucht in ein Fettnäpfchen getreten war.

Ein kurzes Zupfen an seinem Hemd, gehorsam blickte er nach unten, wenn auch mit erstauntem Gesichtsausdruck.

Ich dachte bei mir: „Der Angeklagte ist sich seiner Tat nicht bewusst und leugnet jeglichen Verstoss.“

„Ni hao“, flüsterte ich ihm schliesslich ins Ohr. „Versuch es lieber damit.“

Die eine Kellnerin schien meine Worte gehört zu haben und schenkte mir ein blendend weisses Lächeln. Ich freute mich darüber, die unangenehme Situation war überbrückt und wir wurden zu unseren Tischen geleitet.

Im Hintergrund trällerte irgendein chinesischer Sänger ein Lied vor sich hin und schien es dabei zu geniessen vor allem den Refrain in hohen Tonlagen zu singen. Gleichzeitig hörte man irgendwelche Bambusflöten pfeifen, Trommeln sorgten für stimmungsvollen Donner und ein Xylophon klimperte die Melodie.

Amüsiert blätterte ich im Menüverzeichnis, liess meine Augen über Chinakohl, Hühnerfleisch, Süsssaurer Sauce und Tofu wandern. Die masslos kitschige und dennoch gemütliche Atmosphäre in chinesischen Restaurants gefiel mir und mein Hunger steigerte sich bei der überflogenen Cashew-Nuss oder Wantan-Suppe ins unermessliche.

Gleichzeitig hörte ich zu, was die anderen meiner Gruppe an Bestellungen besprachen.

Mein Tischnachbar hatte gerade die Seite mit den Spezialitäten aus Sichuan im Visier. Ich senkte die Karte, grinste ihn an. „Ich wusste gar nicht, dass du scharfe Speisen magst.“

Irritiert sah er auf und schob die Brille auf die Nase zurück. „Hm, eigentlich nicht…“ Er wurde rot, blätterte schnell um.

Ich versenkte mich wieder in der Speisenauswahl, nur um von hinter der Karte beobachten zu können, was die Person mir gegenüber wohl bestellte. Er diskutierte mit seinem besten Freund gerade darüber, ob sie wie immer Huhn mit süsssaurer Sauce bestellen sollten oder ob dieses Mal der Augenblick für ein neues Gericht gekommen war.

Warum musste er auch in diesem Moment zu mir schauen?

Ich fühlte mich ertappt, vom Blitz erschlagen und hätte mich erneut gerne dem Asyl der roten Drachensäule im Eingangsbereich entgegen geworfen.

Was aber nicht bedeuten musste, dass sich ihr meine Wangen chamäleonmässig gleich anpassen mussten.

„Amélie, was nimmst du?“

Ich musste ruckartig einen Schluck Wasser trinken. So direkt von IHM angesprochen zu werden, versetzte mich beinahe in einen Schockzustand. Ich hatte fast den Eindruck, ruckartig aus der Erdatmosphäre geschleudert worden zu sein. Ich schwebte, von der Erdanziehung unbehelligt durchs Weltall, fühlte mich schwerelos und der Zeit entzogen. Langsam flog ich, nahm nichts ausser meiner Winzigkeit wahr.

„Amélie?“

Heftig schüttelte ich den Kopf, lächelte scheu und holte meine Gedanken zurück in die Umlaufbahn des blauen Planeten.

„Ich nehme Mapo Tofu“, sagte ich leise und war erstaunt, dass sich mein Kopf trotz Entrückung gemerkt hatte, welche Speise ich bestellen wollte. Als ich seinen fragenden Blick sah, schmunzelte ich und erklärte: „Das ist sehr scharfes Tofu aus Sichuan.“

Er nickte dankend – und gab sich dann doch nur mit Süsssaurem zufrieden.

Der Rest des Essens verlief – wenn man vom Reiseleiter absah, der sich über ein zu warmes Bier entrüstete – ohne weitere Raketenstarts oder peinliche Momente.

Zwischen Vogelgezwitscher und irgendwelchen chinesischen Liebesliedern wurde gegessen, geschmatzt und geredet. Am Ende waren alle sehr zufrieden und satt.

Und ich hatte mal wieder etwas richtig Scharfes gegessen.

Schliesslich packten wir unsere Jacken und Taschen und die chinesischen Göttinnen verabschiedeten sich mit Verneigung und einem freundlichen Lächeln.

Drohend blickte ich den Fettnäpfchensportler an, doch er verkniff sich von selbst Worte in einem asiatischen Vokabular, von welchem er nicht wusste, welcher Sprache es eigentlich entstammte. Ich atmete tief durch.

Doch hinter mir erklang die Stimme des Reiseleiters: „Sayonara.“
 

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Ich melde mich verspätet mit Satz 10 und versuche mich aus den Tiefen einer kreativlosen Phase emporzukämpfen.

Ich bitte zu beachten, dass die chin. Namen so sind, wie man sie mit Pinyin schreiben würde (also z.B. Sichuan und nicht Szechuan)- doch ich liess die Töne weg, da sie für einen deutschen Text nicht wichtig sind.
 

Ich bitte um konkrete Tipps, damit ich mein Schreiben verbessern kann.

*verbeug*



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