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Assoziatives Schreiben

Kurzgeschichtensammlung
von

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Satz Nr. 09 - Das Alkoholtrauma

Ihre Eltern vertraten den liberal-europäischen Standpunkt, dass Jugendliche, denen Alkohol schon früh frei zur Verfügung steht, auch entsprechend früh lernen, damit umzugehen. Dies war auch der Beginn einer Reihe von äusserst fragwürdigen Aktionen, die Anjuli seit früher Kindheit über sich hatte ergehen lassen müssen. Als Geschenk für ihren 7. Geburtstag stand beispielsweise nicht das Playmobil Puppenhaus auf dem Tisch, welches sie sich schon so lange gewünscht hatte, sondern eine schön eingepackte Flasche Bier. Bereits drei Jahre später stand ihr eine grosse Auswahl von Wein, Bier und Spirituosen im Keller frei zur Verfügung und sowohl der Vater als auch die Mutter liebten es, ihrer Tochter auch immer wieder zu erläutern, wie wichtig es sei, dass man schon im frühen Alter den Umgang mit alkoholischen Getränken lernen sollte und zwangen sie auch öfters einen Schluck Alkohol zu versuchen. Sie verstanden sich als modernes Ehepaar, prahlten in Anwesenheit anderer Eltern von ihren offenen Erziehungsmethoden ohne blödsinnige Grenzen und wetterten gegen Verbote, die andere für ihre Kinder aufstellten.

Anjuli beklagte sich bei mir zwar nicht über die moderne Art ihrer Erziehung und doch musste ich auch feststellen, dass sie nicht so ganz glücklich war über diese Entwicklung. Es stimmt zwar, dass meine beste Freundin den Umgang mit Alkohol durchaus im Griff hatte – sie hatte schon so früh ständig Hochprozentiges bekommen, dass sie wohl noch in einem halben Jahrhundert Alkohol nicht würde ausstehen können. Sie wurde bei Partys schräg angesehen, wenn sie zu erklären versuchte, warum Feuerwasser für sie nicht in Frage kam:

„Ich habe seit meiner Kindheit schon zu viel Bier bekommen“, klang aber auch wirklich nicht besonders glaubwürdig.

So kam es dazu, dass sich meine Freundin immer weniger auf Gesellschaftstreffen sehen liess. Sie wollte sich nicht immer erklären müssen und der Geruch nach Alkohol löste in ihr mit der Zeit so grossen Ekel aus, dass sie auch die Anwesenheit trinkender Personen nicht mehr ertragen konnte.

Nie hätte ich gedacht, dass ihre Abneigung gegen Bier & Co. sie so in den Wahnsinn treiben würde. Ein paar Jungs erlaubten sich einen Scherz und schickten ihr per Post zum Geburtstag einige Kisten Bier. Hätte ich von der Sache gewusst, hätte ich denen geraten, das Zeug lieber selbst zu trinken, anstatt für so eine Idee jede Menge Geld auszugeben.

Anjuli rastete völlig aus und keiner der beteiligten Scherzkekse überlebte ihr Attentat. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie Sturm an meiner Haustüre läutete und blutüberströmt in meinen Armen zusammenbrach.

Erziehung spielt eine wichtige Rolle.

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Kommentar: Ich sollte mehr Thriller mit blutrünstigen Serienmördern lesen, dann wäre Anjulis Motiv vielleicht etwas besser geworden. Ich bin mit diesem Fragment nicht wirklich zufrieden, aber da es assoziativ ist, lade ich es trotzdem hoch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Dels
2008-12-20T20:25:14+00:00 20.12.2008 21:25
Also ich finde diese Geschichte ehrlich spitzenklasse.
Ich hatte schon fast eine Vermutung, in welche Richtung es abdriften könnte, weil ich grade schonmal einen ähnlichen Anfang gelesen habe, aber das ist doch in eine völlig andere Richtung abgezogen.
Zum Stil sage ich nichts, der ist tadellos und gefällt mir sehr gut.

Mit gefällt am Besten das Gesamtbild:
Das schleichende Einführen in die Thematik, die einem schon das "WTF?" aufs Gesicht zeichnet, und dann der weitere, seltsame und schon ziemlich pathologische Fortgang dieser Aversion.. schießlich wird die Geschichte ist so überspitzt, so grotesk, dass man es einfach nur noch hinnehmen kann, wie sie verläuft, ohne logische (und nervige) Fragen zu stellen oder den Finger zu erheben und "aaaaber" zu murren.
Die Geschichte ist für mich keinesfalls tödlich ernst, sie ist ein einziger, knallender Schuss ins wirr grinsende Gesicht, ein bittersüßes kleines Märchen, das mich mit einem irren Lachen hinterlässt.

Dadurch, dass es so kurz und gerade am Schluss so hastig und prägnant ist, nimmst du jedem, der die psychologischen Hintergründe kritisieren will, den Wind aus den Segeln. Respekt!
Genauso krass wie der Anfangssatz, so endet die Geschichte mit einem lockeren Gemetzel und einem ironischen Zeigefinger. Gefällt mir außerordentlich ;) Für mich ein kleines Meisterstück <3
Von: abgemeldet
2008-11-28T17:33:44+00:00 28.11.2008 18:33
Krasse Sache...
Mehr fällt mir dazu nicht ein...
Das is echt heftig. Es stimmt, du hast schon besser geschrieben, aber dennoch fehlt es dem Fragment nicht an überzeugendem Schockeffekt.
Mit einem Mord hätte ich nicht gerechnet...
Von:  Technomage
2008-11-25T14:04:14+00:00 25.11.2008 15:04
Hao,

also die Geschichte ist auf jeden Fall assoziativ im ursprünglichsten Sinn. Die Logik ist zwar irgendwo geschlossen, aber sprunghaft, beinahe zufällig. Aber es gefällt mir gerade deswegen.
Es liest sich durch die Handlungsfetzen, die aneinander gesetzt sind, sehr verstörend, vor allem durch den spät einsetzenden Ich-Erzähler, der das Ganze irgendwo betrachtet.
Ich weiß am Ende nicht so recht, ob ich es komisch finden soll oder sehr bitter, aber das ist wohl der Preis dafür, dass es assoziativ ist.

grüße,
shu.
Von:  Ito-chan
2008-11-16T21:48:01+00:00 16.11.2008 22:48
Nun ich sehe das hier eher als einen Hilfeschrei einer armen Seele und ihr Motiv kann ich durchaus verstehen. Diese Selbstzerstörung, bedingt durch die scheinbar elterliche Fürsorge.
Herzlichen Glückwunsch ich finde es sehr gut ^^
Von: abgemeldet
2008-11-16T19:37:42+00:00 16.11.2008 20:37
Auch wenn du selbst nicht damit zufrieden bist, mir gefällt es. ^^
Dieser sachliche Tonfall zusammen mit dem Inhalt, erzeugt eine irgendwie seltsame Atmosphäre - auf eine witzige Art und Weise.
Hoch lebe der Sarkasmus. ;)
Mls,
Hybie


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