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Es tevi mīlu

von

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Asaras

Am nächsten Tag wacht Florian vor mir auf. Er deckt den Frühstückstisch und weckt mich, indem er leicht meine Schulter berührt und meinen Namen sagt. Eben noch in einem Traum gefangen, verbindet sich dieser mit der weichen Stimme. Erst als die Berührung auf meiner Schulter etwas reibender wird, wird mir klar, was Realität und was Traum ist.

Gähnend drehe ich mich herum und lächle Florian an, der vor mir steht.

„Guten Morgen“, meint er sanft und sieht mich neugierig an. „Gut geschlafen?“

„Ausgesprochen gut“, erwidere ich und habe das Bedürfnis, die Arme nach ihm auszustrecken, wie ich es sonst oft bei Andris tue, um ihm vor dem Frühstück noch ein paar Liebkosungen abzuringen. Ich widerstehe und setze mich stattdessen auf. Ich schnuppere.

„Es riecht nach frischen Brötchen.“

„Ich war beim Bäcker. Hast du Hunger?“

„Ich? Immer!“

Schnell schlage ich die Decke zur Seite und schlüpfe aus dem Bett. In Jogginghose und Shirt geschlüpft, folge ich Florian gähnend in die Küche. Wird es bald wohl öfter so sein?, frage ich mich im Stillen.

Ich lasse mich auf dem Küchensofa nieder und ziehe die Beine in den Schneidersitz hinauf.

„Willst du Kaffee?“

„Gerne!“, lächle ich und greife nach einem Brötchen und dem Messer.

Ich sehe ihm dabei zu, wie er zu meiner Kaffeemaschine geht und die Kanne darunter hervor nimmt, uns beiden die Becher füllt.

„Hach, so lässt’s sich leben!“, kommentiere ich grinsend, als er auch noch meine gewohnte Menge Milch hinterher schüttet. „Und du sagst, ich sei ne gute Hausfrau?“

„Ich kann nur Frühstück machen!“, protestiert er und lässt sich mir gegenüber nieder.

„Das reicht mir“, sehe ich ihm ganz tief in die Augen.

Er hält dem Blick stand, aber nur für ein paar Sekunden, bevor er sich ebenfalls ein Brötchen greift und mir die Hand für das Messer entgegen streckt. Als ich es ihm gebe, berühre ich mit der Fingerspitze seine Handfläche.

„Hast du dir überlegt, was du jetzt machen wirst?“, hake ich nach einer Weile nach, in der wir schweigend dem Radio gelauscht haben.

Nicht lange dauert es, bis sein Kopf eine sehr rötliche Färbung annimmt.

„Ich... muss noch mal darüber nachdenken, aber ich glaube...“ Er bricht ab und trinkt seine Tasse leer.

„Wirst du es ihr sagen?“, frage ich zögernd, während mein Herz mal wieder vor Freude herumhüpft. Ist es fies, ihn so auf die Folter zu spannen?

„Ich denke schon... Aber was wenn-“

Weiter kommt er nicht, denn das gerade viel zu schrille Klingeln meines Telefons hält ihn davon ab. Ich greife auf den Tisch neben dem Sofa und nehme den Hörer an mich.

„Ja?“, melde ich mich.

> „Hab ich dich geweckt?“

„Nein, ich bin grad mit Florian beim Frühstücken.“

Nina!, gestikuliere ich Florian, der im selben Moment aufsteht und auf meine leere Tasse deutet. Ich nicke.

„Was willst du so früh am morgen?“

> „Es ist schon neun! Aber okay, für dich ist es früh, hast recht.“

Wir lachen und Florian sieht mich fragend an. Ich winke ab und sehe dem Kaffee zu, wie er in meine Tasse fließt.

> „Ich rufe an wegen heute Abend. Hast du da schon was vor?“

„Eigentlich nicht, nein. Ich treffe mich zwar heute Nachmittag mit Andris, aber-“ Ich breche ab, kurz mit dem Gedanken, wie ich es ihm wohl erzählen werde. Ein Grinsen zieht sich über meine Lippen. „Egal, wie gesagt, ich hab Zeit.“

> „Und Florian?“

„Sie fragt, ob du heut Abend Zeit hast“, wende ich mich an meinen Gegenüber, der gerade sein zweites Brötchen schmiert. Ein Nicken ist die Antwort. „Jup, hat er“, gebe ich es weiter.

> „Sehr schön!“

„Was gibt es denn, wenn man fragen darf?“

> „Du hast doch bestimmt von der Eröffnung des Universe gehört, oder?“

„Klar!“

> „Da kommt man heute und morgen nur mit Eintrittkarten rein, wegen dem Anlauf und so... und rate mal, was ich heute bekommen habe!“

„Ehrlich? Das ist ja klasse! Wie viele?“ Ich strahle Florian an, der meinen Blick nur fragend erwidert.

> „Fünf Stück! Corinna kommt mit und wahrscheinlich ihr Freund. Ist das nicht klasse?“

„Natürlich! Ich bin begeistert! Ich hab den Gedanken schon aufgegeben, da überhaupt in den nächsten Wochen reinzukommen!“

> „Ich auch! Also kommt ihr?“

„Da fragst du noch? Ich auf jeden Fall und Florian sagt da bestimmt auch nicht nein!“

Während ich zunehmend neugierig über den Tisch hinweg gemustert werde, mache ich mit Nina einen Treffpunkt aus. Dann lege ich auf und erkläre Florian erstmal, wohin wir heute Abend gehen werden. Natürlich ist er nicht weniger begeistert.

Das Universe ist ein riesiges Center, in dem es zwölf Bowlingbahnen, sieben Billard- und zwei Snookertische, sowie einen Tanz- und einen Barbereich gibt. Schon lange ist im Gespräch, das es die beste neue Location werden soll, und da mich außer Tanzen alles davon begeistern kann, habe ich mich sehr auf die Eröffnung gefreut.
 

Nachdem sich Florian nach dem Frühstück verabschiedet hat, verschwinde ich zunächst einmal unter der Dusche. Hier macht die Freude auf den heutigen Abend wieder der Erregung über Florians Fast-Offenbarung platz. Genau lass ich mir alle Worte noch mal durch den Kopf gehen, seine Berührungen und Blicke. Ein Wunder, dass ich nicht direkt in seine Arme geschmolzen bin. Vielleicht hätte ich ihn doch nicht so auf die Folter spannen, sondern ihm sagen sollen, dass ich doch ebenso empfinde, dass er sich keine Sorgen machen braucht... wie sehr ich ihn doch liebe.

Nun unter der Dusche holt mich ein herrliches Gefühl der Gewissheit ein, dass meine Einsamkeit bald vorbei sein wird. Ich berühre mich zärtlich, dann schneller... und nachdem ich gekommen bin, beschließe ich, nun definitiv sofort Andris meine gute Neuigkeit mitteilen zu müssen.
 

Mit einer Tüte Brötchen und Croissants, sowie frischem Kaffee aus meiner Kaffeemaschine stehe ich wenig später strahlend vor der Tür seiner WG. Eine seiner zwei weiblichen Mitbewohnerinnen sieht mich verwundert an. Cora war glaub ich ihr Name...

„Ist Andris da?“

„Schon, aber ich glaub, der schläft noch. Er musste gestern bis spät arbeiten.“

„Macht nichts“, grinse ich und zwinkere ihr zu. „Darf ich reinkommen?“

„Wenn du das für richtig hältst...“, zuckt sie mit den Schultern, lässt mich durch die Tür treten und schließt diese dann wieder hinter mir.

Ich streife mir die Schuhe ab und warte, bis sie in ihrem Zimmer verschwunden ist, bevor ich leise die Türklinke hinunterdrücke.

Tatsächlich empfangen mich ein durch Vorhänge abgedunkelter Raum und das ruhige Geräusch einer schlafenden Atmung.

Leise entledige ich mich der Brötchen und der Kanne Kaffee und gehe zum Bett hinüber.

„Andris?“, flüstere ich leise, als ich vor ihm in die Knie gegangen bin.

Keine Reaktion folgt meinen Worten. Ich sehe das schlafende Gesicht an, während ich mir langsam doch sicher bin, dass es ziemlich fies wäre, ihm seinen Schlaf zu rauben. Zärtlich streiche ich ihm über die Wange, stehe dann auf und ziehe Jacke, Schuhe und Jeans aus, bevor ich vorsichtig über ihn hinwegklettere, wobei er ein murrendes Geräusch von sich gibt. Dann schlüpfe ich zu ihm unter die warme Decke.

Planend, einfach hier zu warten, bis er aufwacht, und mit verträumten Gedanken an meine bevorstehende Zukunft, schlafe ich ziemlich schnell gegen seinen Rücken geschmiegt ein.
 

Ich werde wach davon, dass sich neben mir ruckartig bewegt wird.

„Ach, du bist es nur!“, stöhnt er und sein unruhiges Atmen verrät den Schreck darüber, dass er unerwartet jemanden bei sich im Bett vorgefunden hat.

„Sorry“, grinse ich verschlafen. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Du hast so schön geschlafen, da dachte ich, ich warte bis du aufwachst... naja, und dann bin ich auch eingeschlafen...“

„Du hättest mich ruhig wecken können!“, sagt er, sich streckend.

„So war es doch auch okay, oder stört es dich, wenn ich neben dir schlafe?“

„Und wie es mich stört!“, grinst er ironisch, fährt mir fahrig durch die Haare und steht auf, um die Vorhänge zu öffnen.

Grelles Tageslicht blendet mich, während ich ihm dabei zusehe, wie er in seine Shorts schlüpft.

„Bin gleich zurück!“, hebt er die Hand und verschwindet auf dem Zimmer.

Ein paar Sekunden der Regenerationszeit später stehe ich auf und strecke den Rücken durch. Dann beschließe ich, das Nötigste für ein kleines, für mich zweites Frühstück zu holen.

In der Küche treffe ich wieder auf Cora. Sie nickt mir über ihre Zeitschrift hinweg zu.

Ich öffne Schränke und Kühlschrank, hole aus Andris’ Fächern Geschirr, Besteck, Zucker, Milch, Butter, Marmelade und Käse hervor, bevor ich mit dem Tablett bewaffnet die Küche wieder verlasse.

„Du hast Frühstück mitgebracht!“, grinst Andris breit, als ich hereinkomme. Er hat bereits ein nun angebissenes Croissant in der Hand.

„Klar, wenn ich schon zum Überraschungsbesuch komme, dann auch richtig.“ Ich verteile die Sachen vom Tablett auf dem kleinen Couchtisch.

Andris lässt sich immer noch mit der Bäckertüte in der Hand auf dem Sessel nieder. Ich selbst belege das Sofa.

Kaum hat Andris seinen ersten Hunger mit einem halben Marmeladencroissant beruhigt, sieht er mich nun auch schon neugierig an.

„Nun sag schon, woher deine ausgesprochen gute Laune und dieser Besuch kommen!“

„Ja!“ Grinsend lege ich mein halbes Brötchen zur Seite, rutsche im Sofa etwas vor und sehe ihn an. „Florian war gestern bei mir und-“

„Du hast es ihm gesagt?“

„Nein!“

„Nein.... Okay, was dann?“

„Er hat es MIR gesagt?“

„Was?“, wird er lauter, überraschter, rückt nun seinerseits etwas näher. „Wie meinst du das?“, spricht pure Verblüffung aus seiner Stimme.

Ich grinse noch mehr, lasse mir Zeit, mit meinem Bericht zu beginnen, doch dann erzähle ich ihm jedes Detail. Okay, vielleicht übertreibe ich ein wenig in einigen Ausführungen, aber das spielt ja nun keine Rolle.

Als ich ende, lächelt Andris breit über seine Tasse Kaffee hinweg.

„Wer hätte das gedacht!“

„Ja! Ich kann es noch immer kaum glauben!“ Ich strahle wahrscheinlich wie ein Honigkuchenpferd, aber wer sollte das verstehen, wenn nicht er?
 

Die nächste Stunde vergeht damit, dass ich träumerisch auf Andris’ Sofa liege und von Florian schwärme, mir ausmale, wie es wohl aussehen wird, wenn wir uns endlich in den Armen liegen. Andris unterstützt diese Träume mit kleinen Einschüben, lässt aber die meiste Zeit mich reden und sieht mich einfach nur lächelnd an. Es ist schön, ihn zu haben, jemanden, der sich mit mir freut, dem ich dies berichten kann...

Fast im selben Moment wird mir aber auch etwas anderes bewusst, weshalb sich meine Miene wohl etwas verdunkelt.

„Was ist?“, werde ich fragend angesehen.

Ihm wird es schon bewusst sein, doch mit einem Mal tut es mir leid.

„Wir können nicht mehr miteinander schlafen“, sage ich vorsichtig.

Große Augen sehen mich an, seine Mundwinkel zucken... und im nächsten Moment beginnt er lauthals zu lachen. Ich komme mir schrecklich vor.

„Andris?“, frage ich zögernd, als er sich erst langsam wieder beruhigt. Ich setze mich auf.

„Du bist süß!“, grinst er. „Mīļotā, denkst du, mir war nicht klar, dass das passieren wird, sobald du was mit Florian anfängst?“

„Mir... war es nicht klar“, gebe ich zu und werde wahrscheinlich rot bei diesen Worten. Es war so etwas vollkommen Normales für mich, hatte nichts mit Florian zu tun, sodass ich gar nicht daran gedacht hatte, dass es aufhören könnte. Diese sexuelle Nähe zwischen uns war etwas, das ich sehr genossen habe...

„Hey, mach nicht so ein betrübtes Gesicht!“ Mit einem Satz ist Andris neben mir auf dem Sofa, zieht mich in eine Umarmung. „Es muss dir nicht Leid tun, wirklich nicht, es ist okay für mich. Ich find schon wen neuen.“ Lachend streicht er mir durch die Haare, vergräbt dann den Kopf darin. Ein paar Wellen fallen mir ins Gesicht.

Jemand neuen? Es ist schwer, sich vorzustellen, ihn mit einem anderen...

„Wirklich?“, spreche ich betrübt. Es ist wie ein drückendes, schlechtes Gewissen.

„Na klar“, flüstert er beruhigend in meine Haare. „Solang du noch ab und an im Meddiz vorbeikommst und mich besuchst, bin ich voll und ganz zufrieden.“

„Das sollte ich schaffen...“, feixe ich und lege meine Hände auf seine Arme. Ich ziehe an ihnen und drehe mich in seinem Griff herum, so dass uns nur Zentimeter trennen. „Danke, dass du für mich da bist...“, spreche ich leise und betrachte liebevoll seine dunklen Augen.

„Na klar doch! Unsereins muss sich doch gegenseitig helfen!“ Wieder wuschelt er mir durch die Haare. Ich lasse mich dadurch hinunterziehen und wir küssen uns. Zum letzten Mal, wird es mir irgendwie fast wehmütig bewusst.
 

Die restlichen Stunden bis hab vier Uhr verbringen Andris und ich damit, Fernsehzugucken, ein bisschen durch Internet zu streifen, etwas zu kochen und natürlich mit reden. Dann machen wir uns beide auf den Weg, ich nach Hause und er zur Arbeit. Es ist komisch, das ohne Abschiedskuss zu tun.

„Komm vorbei, sobald du ein glücklicher Ehemann bist!“

„Spinner!“, verziehe ich das Gesicht und schließe die Tür zu meinem Auto auf. „Wir sehen uns!“

„Jup!“

Ich steige ins Auto, starte den Motor und fahre die Straße hinunter. An der Ecke blicke ich noch mal in den Rückspiegel, doch Andris sehe ich nicht mehr.

Während der zehnminütigen Fahrt nach Hause lasse ich mir die Sachen, die Andris gesagt hat, noch mal durch den Kopf gehen und frage mich dann, wen er wohl im Kopf hatte, als er meinte, dass er schon jemanden als „Ersatz“ für mich finden würde. Ob es da vielleicht tatsächlich schon jemanden gibt?

Erst vor meiner Haustür schlagen meine Gedanken wieder um, wenden sich dem kommenden Abend zu. Was soll ich anziehen? Mehr denn je will ich Florian gefallen... mit diesen Gedanken betrete ich meine Wohnung und durchwühle in der kommenden Stunde bestimmt zehn Mal meinen Kleiderschrank.
 

„Aloha!“, werde ich bei der Straßenbahnhaltestelle begrüßt, als ich die Bahn verlasse.

Nina fällt mir um den Hals und auch von Corinna werde ich zaghaft umarmt. Hendrik, ihr Freund, hält mir grinsend die Hand hin.

„Wo ist Florian?“, frage ich, enttäuscht darüber, ihn noch nicht vorzufinden.

„Kommt der nicht mit der nächsten Bahn?“

„Stimmt“, erinnere ich mich, zugegeben erleichtert. Ich hatte irgendwie schon fast befürchtet, dass er nicht mehr kommt.

„Ja ja, da strahlst du auch schon wieder“, lacht Nina mich an, während sie ihren Arm bei mir unterhakt. Sie streckt sich ein wenig und flüstert mir ins Ohr, dass ich ja so leicht zu durchschauen wäre.

„Das hat heute auch einen guten Grund!“, erwidere ich vielsagend, doch bevor ich noch mehr sagen kann, fährt die Bahn ein.

Florian wird von Nina ebenso euphorisch umarmt und nachdem er die anderen beiden begrüßt hat, kommt er auf mich zu. Seine Wangen sind tief gerötet, wie ich lächelnd zur Kenntnis nehme, als er mir in die Augen sieht.

„Na dann los!“, werde ich von Nina mitgezogen, bevor ich irgendwas sagen kann. „Ich bin so gespannt, wie es da drin aussieht!“
 

Tatsächlich wird der Abend genial. Zwar muss man hier und da etwas warten, um zum Beispiel an eine der Billardbahnen heranzukommen, aber das sind Dinge, die man gerne in Kauf nimmt. Nach zwei erfolgreichen Spielen, die Florian unter meinem schmachtenden Blick haushoch verloren hat, geht es weiter zu einem der Billardtische. Corinna, die auf einem Barhocker in der Nähe platz nimmt, feuert Nina und Hendrik lautstark an, während Florian und ich aber am Gewinnen sind.

„Wir sind ein unschlagbares Team!“, grinse ich Nina an, als sie uns übertrieben beglückwünscht. Bestätigung suchend strahle ich Florian an, der meinen Blick nur über rote Wangen hinweg erwidert und dann schließlich nickt.

„Was ist los?“, frage ich und schlinge den Arm um seine Schulter. „Macht es dir keinen Spaß?“

„Doch doch“, kommt es schnell, „Es ist nur... mit gestern meinte -“

„Hey Jungs! Aufhören zu Schmusen! Da hinten ist ein Tisch freigeworden!“, unterbricht Nina Florian und deutet in eine der Ecken.

Seufzend nehme ich den Arm von Florians Schulter.

„Später“, lächle ich ihn an und er nickt, bevor wir beide hinter den anderen hergehen.
 

Später ist besser gesagt als getan, denn Florian betrinkt sich an diesem Abend so dermaßen, dass ich mir sicher bin, dass es heute auch nichts wird. Außerdem würde ich gerne mit ihm darüber reden, wenn er nüchtern ist.

So also nehme ich das Angebot von Nina an, ihn nach Hause zu bringen.

„Immerhin wohne ich direkt um die Ecke...“, grinst sie, während sie den betrunkenen Florian ansieht, wie er an dem Straßenbahnhäuschen lehnt.

„Aber soll ich... dir nicht doch lieber helfen?“, frage ich zögerlich, mir nicht sicher, ob es gut ist, Nina dies aufzubürgen.

„Denkst du, ich bin zu schwach dafür?“, verzieht sie das Gesicht und streckt mir die Zunge raus. „Keine Sorge, ich bringen deinen Geliebten schon heil nach Haus!“

„Nina!“, entfleucht es mir – aus Gewohnheit vielleicht, bevor mir klar wird, dass das bald nicht mehr nötig sein wird.

„Schon gut, bin ja still“, zwinkert sie und zeigt dann hinter mich. „Die Bahn kommt!“
 

Zuhause begebe ich mich schnell in mein Bett. Zufrieden mit mir und der Welt schwelge ich in Erinnerungen daran, wie Andris immer wieder zu mir sagte, dass ich Florian endlich die Wahrheit sagen soll. Jetzt brauch ich das nicht mehr tun... jetzt wird diese Sorge bald endlich vorbei sein und er wissen, dass ich ihn schon immer geliebt habe. Was ist es schon wichtig, dass seine Gefühle noch nicht so alt sind? Sie sind da, mehr brauch ich nicht zu wissen...
 

Kurz davor, einzuschlafen, reißt mich ein dreimaliges Klingeln in die Senkrechte. Irritiert sehe ich mich nach meinem Handy um, bis mir klar wird, dass es die Haustür war. Sofort springe ich auf.

„Wer um alles in der Welt-“ Ich breche ab, ich die Tür aufgerissen habe. „Florian?“ Mein Herz macht einen Satz.

„Ich wusste es doch!“, bringt er hervor, sich an den Türrahmen lehnend. Sein Gesicht ist ganz bleich.

„Komm... komm doch erstmal rein!“, sage ich schnell und trete einen Schritt vor, um ihn zu stützen. Schreckliche Sorge kommt in mir hoch. Wurde er überfallen? Nina und er? Nein, dafür ist er zu normal angezogen... aber was dann?

Ich führe ihn ins Schlafzimmer, wo er sich aufs Bett fallen lässt, das Gesicht in den Händen verbirgt. Sein Körper schüttelt sich.

„Was ist denn los...?“, frage ich vorsichtig und sinke neben ihn, strecke den Arm aus.

„Sie liebt mich nicht!“

Schlagartig ziehe ich den Arm zurück. „Was hast du gesagt?“, setzt mein Herz für einen Schlag aus. Habe ich-

„Nina... sie sagt, sie sieht mich nur als Freund.“

Es ist, als würde mit einem Mal meine gesamte Wohnung um mich herum in Trümmern fallen. Ich starre ihn an, spüre das Zittern meines Körpers und sehe sein Zittern, ausgelöst durchs Weinen, welches ich nun vernehme.

Das... das kann doch nicht...

„Du... du bist in Nina verliebt?“, frage ich, mit einem bitteren Geschmack im Mund.

„Ja“, schluchzt er.

Oh Gott, wie konnte ich nur so blöd sein?

Ähnlich wie er vergrabe ich meinen Kopf in den Händen, starre hinunter zum Boden. Darum seine Nervosität heute, darum die merkwürdigen Blicke, die er ihr zugeworfen hat, darum sein komisches Verhalten, als sie ihn nach dem Billardgewinn in die Arme geschlossen hat – darum war er heute so, wie er war.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, flüstere ich, während ich Wut auf mich selbst aufkommen spüre. Wie konnte ich nur so naiv sein?

„Doch! Ich wollte es dir ja sagen, aber es war mir... so peinlich... sie ist doch gar nicht mein Typ... und außerdem ist sie doch meine Freundin... und... und...“

Schluchzen versagt ihm die Stimme und ehe ich mich versehe, habe ich die Arme um ihn geschlungen. Während meine eigene Welt in Trümmern liegt, ist mir klar, dass nicht ich es bin, der jetzt getröstet werden muss.

„Wann hast du es ihr gesagt?“

„Das ist egal...“

„Wann?“, bohre ich nach.

„Als sie... mich reingebracht hat... ich... ich hab sie geküsst... ich konnte nicht anders...“

Ich schließe die Augen und atme tief durch. Wenn ich ihn doch nur selber – ach was ein Quatsch, das hätte auch nichts an seinen Gefühlen geändert, er hätte ihr trotzdem irgendwann gesagt, dass er sie... liebt.

Schwer ist es, nicht aufzuspringen und alle möglichen Dinge in der Gegend herumzuschmeißen. Ich zwinge mich dazu, ruhig sitzen zu bleiben, ihn in meinen Armen zu wiegen und mir anzuhören, wie er abgehackte Sätze von sich gibt.

Nina... er liebt Nina... nicht mich...
 

Knapp eine Stunde später hat Florian sich endlich beruhigt und schläft in meinen Armen ein. Vorsichtig löse ich meinen Griff, stehe auf und platziere ihn in einer bequemen Position auf meinem Bett. Kurz kommt mir der Gedanke, dass seine Klamotten sicher unbequem sind... doch außer Jacke und Schuhen ziehe ich ihm heute nichts aus.

Dann sinke ich neben dem Bett nieder, seine Hand in meiner. Ich lehne den Kopf gegen seinen Arm und sehe ihm ins Gesicht. Einige Tränenspuren sind noch zu erkennen, verhelfen mir nicht gerade dazu, mich besser zu fühlen. Ich strecke die Finger aus und wische sie ihm weg, streiche ihm über die verklebten Wimpern und über die rote Nase.

„Nina also?“, flüstere ich leise. Sie also ist es, in die du dich unbemerkt verliebt hast? „Wieso nicht ich?“

Lange sitze ich so da, in seiner Betrachtung und auf seinen Atem lauschend. Schwer fällt es mir, ihn nicht wachzurütteln und anzuschreien, wie er mich so an der Nase herumführen konnte. Aber das hat er nicht, nicht eine Sekunde lang. Er hat immer von einem Mädchen geredet, nur ich war es, der angenommen hat, dass er sich damit tarnen wollte...

Wieder berühre ich Florians Wimpern mit meinen Fingerspitzen. Sein kurzes Murren lässt mich zurückweichen.

Mir die Tränen aus dem Gesicht wischend, stehe ich auf. Ich ertrage es nicht, ihn länger hier bei mir im Bett liegen zu sehen... ich kann das einfach nicht.

Schnell schlüpfe ich in eine Hose und einen Pulli, schreibe dann ein paar kurze Worte auf ein Blatt und lege es vor meinem Bett auf den Boden, zu seinen Schuhen und seiner Jacke.

Auf dem Weg zur Tür greife ich nach dem grünen Shirt, das eigentlich Andris gehört, aber im Moment Florians Duft trägt. Ich presse es mir an die Lippen und unterdrücke weitere Tränen.

Leise schließe ich die Schlafzimmertür, kurz darauf die meiner Wohnung. Auf dem kalten Flur bleibe ich einen Moment lang stehen und atme tief durch, überlege nur kurz, ob ich wirklich gehen soll.

Nein, sollte ich nicht, aber ich halte es gerade nicht länger aus.
 

„Was-“

Zum Glück ist es Andris selbst, der mir verschlafen die Tür öffnet. Ohne ein Wort halte ich ihm sein Shirt hin, dränge mich an ihm vorbei und verschwinde in seinem Zimmer. Dort bleibe ich mitten im Raum stehen, darauf wartend, dass er die Tür schließt. Dann erst drehe ich mich wieder zu ihm um.

„Mīļotā, was-“

Ehe er auch nur ein weiteres Wort mehr sagen kann, lasse ich mich in seine Arme fallen und beginne hemmungslos zu heulen.
 

Keine Ahnung wie viele Ewigkeiten vergangen sind, bis ich es geschafft habe, mich einigermaßen zu beruhigen, auch wenn ich sagen würde, dass es verhältnismäßig schnell ging... Andris hat sich mit mir zusammen auf den Boden sinken lassen und mich ähnlich festgehalten, wie ich zuvor Florian, was es nicht gerade einfacher machte, zu weinen aufzuhören.

Irgendwann scheine ich keine Tränen mehr übrig zu haben, und so starre ich nur traurig, Andris' Finger spürend, die mir zärtlich die Haare zerwühlen.

Ich seufze und schließe die Augen wieder, versuche mein Herz langsam zur Ruhe zu bringen, indem ich auf seines lausche. Es gelingt mir ein bisschen. Ich drehe mich, so dass ich Andris, der gegen sein Bett lehnt, ansehen kann. Er streicht mir übers Gesicht, lässt einen Teil der Nässe darauf verschwinden. Sein Blick ist liebevoll, und fast könnte ich wieder in Tränen ausbrechen, wenn da noch welche wären.

„Willst du darüber sprechen?“

Ich nicke und schweige, da ich nicht weiß, wie ich anfangen soll. Plötzlich ist es mir hochgradig peinlich, dass ich die Andeutungen Florians so unglaublich missverstanden habe.

„Er liebt mich nicht“, beginne ich ironischerweise genauso wie Florian zuvor.

Verständnislos werde ich angesehen.

„Nina... er liebt Nina.“

„Nina?“

„Ja. Hat er doch gesagt! Sie, er hat gesagt SIE... wie konnte ich nur so blöd sein!“

„Sscht, beruhig dich“, wird an meiner Hand gezogen, da ich vor plötzlicher Wut aufgesprungen bin. Ich lasse mich zurück sinken. „Das heißt... du hast es falschverst-“

„Ja! Ich war blauäugig, dämlich, ein vollkommener Trottel!“

Andris strafft die Arme um mich, welche mich am Boden halten. Dafür lässt er mich aber meine Stimme erheben, mich noch weiter selbst beschimpfen. Erst als ich damit fertig bin, wird sein Griff wieder lockerer.

„Hat das geholfen?“

„Ein bisschen...“, gebe ich zu und lasse den Kopf zur Seite sinken. „Ich war so doof...“, flüstere ich.

„Du hast nur gehört, was jeder zweite in deiner Situation gehört hätte... das ist nichts Verwerfliches...“, spricht er mir sanft ins Ohr.

„Find ich schon...“

„Ich nicht. Ich verstehe dich...“

Ein Lachen entweicht mir. „Danke“, sage ich, mir aber nicht sicher, ob ich es glauben soll. Ich schlinge meine Finger um seine und halte sie fest.

Danke... danke, dass du hier bist...
 

„Lass uns ins Bett gehen...“, sage ich irgendwann mit schlechtem Gewissen, als Andris ein Gähnen entweicht. Ich stehe auf und schlüpfe aus dem Großteil meiner Klamotten.

„Das ist eine gute Idee. Dir wird es gut tun, ein bisschen zu schlafen...“

Ich nicke, während ich unter die Decke krieche, darauf warte, dass Andris mir folgt. Dies getan, schmiege ich mich gegen seine Brust.

Ich suche in meinem Kopf nach Worten, die ich sagen kann. Es ist so billig, sich einfach zu bedanken. Er ist so lieb zu mir, ich weiß nicht, was ich ohne ihn tun würde... Ich suche in meinen Erinnerungen ein Wort und seinen Klang.

„Paldies“, flüstere ich, mir sicher, es falsch auszusprechen.

„Lūdzu“, höre ich ihn lächeln. „Schlaf gut, Mīļotā.“ Sanft streicht er über meinen Kopf, lässt die Hand dann ruhig in meinem Nacken liegen.

„Du auch...“

Damit zwinge ich meine Augen, sich zu schließen, meinem Körper und Geist, sich zu entspannen. Ich versuche, nicht an Florian zu denken, und lenke mich ab mit den Gedanken daran, wie Andris mir diese Worte beigebracht hat.
 

ENDE KAPITEL 3



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von: abgemeldet
2008-10-12T11:58:40+00:00 12.10.2008 13:58
Hab ichs doch gewusst. Florian ist in Nina verschossen. Und irgendwann wird unser kleiner schon merken wie sehr er Andris liebt. *g*
Muss jetzt los...
bis bald
Von:  Wolkenfee
2008-09-21T16:49:54+00:00 21.09.2008 18:49
Huhu^^
Also hab ich das hier mal hier angefangen, und obwohl ich sehr gespannt bin, wie's weitergeht, hab ich gerade keine Zeit.
Andris gefällt mir sehr, er ist toll!
Und Nina mag ich auch.
Dass Florian in sie verliebt ist, hatte ich mir schon gedacht.
Also, bis bald,
Fee
Von: abgemeldet
2008-05-21T23:14:14+00:00 22.05.2008 01:14
Tut mir leid, das ich mich erst jetzt wieder melde! >.<

Also zum Kapitel: Da ist ein gewaltiges Gefühlsdurcheinander. Sicher sehr deprimierend, wenn man jemanden liebt, der dann sein Herz bei einem ausschüttet über jemanden den er liebt, und diese Liebe auch nicht erwiedert wird. Oje, der Satz ist aber jetzt auch sehr verknotet. XD Mir hat es jedenfalls wieder sehr gefallen. Auch auf meiner Favorittenliste steht aber auf jedenfall Andris.Bis jetzt hab ich eh keinen Charakter hier in der Story, den ich nicht mag. Aber der Kerl ist mir sehr sympatisch. Frage ist nur, ob er es wirklich auch alles so locker sieht..? Hm... Ich lass mich überraschen. Ich würde beide paarings mögen. Da misch ich mich auch nicht ein. Aufjedenfall bin ich über den weiteren Verlauf schonmal sehr gespannt.

Ist die Geschichte eigentlich schon fertig geschrieben? Frage aus reiner neugier. ^^

Liebe Grüße
Nadine
Von: abgemeldet
2008-05-20T22:58:35+00:00 21.05.2008 00:58
Hey^^
Hab deine Story gerade gefunden *freu*

Also dein Schreibstil gefällt mir wirklich außerordendlich Gut!!
Die Charaktere sind auch nicht übel. Ich mag den Andris irgendwie total gerne und wie er immer Schatz auf lettisch sagt... haaach..
Naja ich weiß nicht aber, ich finde, dass der Florian nicht wirklich zu Lukas passt...vielleicht denk ich aber auch nur so weil ich halt den Andris schon i-wie richtig in mein Herz geschlossen hab...
Ich finde er kümmert sich am besten um Lukas. Und Lukas ist natürlich auch toll^^

Nya ich freu mich schon auf das nächste Kappitel..
LG
Von: abgemeldet
2008-05-20T18:03:22+00:00 20.05.2008 20:03
mmh, was für ein durcheinander, aber jetzt ist wieder alles offen... Allerdings müßte Flo sich ja erstmal entlieben und sowas dauert... ich mag Andris, vlt ist er ja der richtige. Die beiden sollten mal zusammen wegfahren und sich Zeit für sich nehmen... ist gerade so ein gefühls tohuwabohu
Die arme Nina, ist bestimmt aus allen Wolken gefallen.
Bin gespannt wo uns die Liebe hinführt >_<
Von:  Rees
2008-05-20T13:03:01+00:00 20.05.2008 15:03
och man^
der arme tut mir so leid^^.
er sollte besser bei andris beleiben. den find ich viel besser als florian und er ist immer so lieb zu ihm^^
ich mag andris total gerne.
ansonsten ist das kapitel mal wieder toll.
bis zum nächsten
lg Rees

ps. ich glaube es sollt bowlingbahn heißen und nicht billardbahn *grins*
Von: abgemeldet
2008-05-20T07:55:59+00:00 20.05.2008 09:55
Öhm, ja, es war schon ziemlich eindeutig^^ Aber es ist doch klar, dass du es den beiden nicht so einfach machen kannst :)
Warum versucht er es eigentlich nicht mal richtig mit Andris? Vielleicht würde Florian dann eifersüchtig werden... einen Versuch wäre es wert, denn Andris scheint ihn ja wirklich zu mögen - vielleicht nicht zu lieben, aber mögen ist doch schon mal ein Anfang :)
LG cada :)
Von:  UmbrellaXD
2008-05-19T20:18:44+00:00 19.05.2008 22:18
Q______________Q

Der Arme...

Aber Andris passt eh besser zu ihm *hoho*
Ich bin gespannt, was du draus machst ^^~

+dich-anfeuer+
Von:  Yumicho
2008-05-19T17:29:07+00:00 19.05.2008 19:29
Wusst ich's doch! Ich wusste es -angeb- xD
Das is aber so... so... doof! T__T

Wehe, die beiden kommen nich zusammen! òo
Dann hasu die längste Zeit gelebt, das sag ich dir xD

Aber schreib schnell weiter, will wissen, wie's weitergeht! *_*

-Kekse dalässt, damitu nich verhungerst- xP

Erstö? O_O
Grüßchen <3


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