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Tell me the best way I could kill you & Back to reality

~ Yu Kanda x Tyki Mikk~
von

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~6~

Die Dunkelheit neigte sich bereits über den Bahnhof, als sie ihn erreichten und somit ihr Ziel. Mit einer Verspätung von knapp drei Stunden waren sie nun angekommen und verließen gemächlich den Zug. Die letzte Fahrt war still verlaufen. Es war nichts, das Lavi überraschte, denn Kandas Kräfte hatten irgendwann aufgegeben. Ohne eine feste Ruhezeit war er unterwegs gewesen und er verfiel der absenten Schweigsamkeit, von der ihn scheinbar nichts lösen konnte. Kein Abstecher, kein interessanter Laden. Das Schweigen war über sie hereingebrochen und Lavi hatte ihn nicht mehr dazu genötigt, etwas zu sagen, war ebenso stumm verblieben und hatte die letzten Stunden genutzt, um selbst neue Kraft zu schöpfen. Und dann, als sie das Hauptquartier erreichten und betraten, spürte Lavi deutlich, wie ihn die düsteren Geschehnisse wieder einholten. Er hatte sich selbst nur darauf konzentriert, Kanda eine Hilfe zu sein, ihn etwas aufzurichten, bevor er ganz fiel. Vielleicht hatte er es also selbst verdrängt, da er sich auch nicht zu helfen wusste. Er wurde sich dieser Möglichkeit bewusst und von nun an hatte seine eigene Schweigsamkeit einen anderen Grund. Seite an Seite trotteten sie nun die Gänge und als sie das Treppenhaus erreichten, blieb Kanda stehen. Erwartungsvoll drehte sich Lavi zu ihm und erkannte eine müde Geste, in der die Tüte gehoben wurde.

„Ich geh schlafen.“ Die ersten Worte seit langem und Lavi hatte eigentlich nichts anderes erwartet. Es war verständlich und er nickte.

„Ich melde uns bei Komui und kümmere mich um das Innocence.“

Darauf nickte Kanda lediglich und schon wandte er sich ab und machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Ihm schien nicht der Sinn danach zu stehen, ihn zu Komui zu begleiten. Vermutlich mussten die Erlebnisse erst einmal sacken, bevor er Stellung zu ihnen beziehen konnte. Und das musste er auch… höchstwahrscheinlich. Auch Lavi setzte sich wieder in Bewegung und es dauerte nicht lange, da stand er wieder vor jener Tür, klopfte an und öffnete sie.

„Ja, ich verstehe... trotzdem musst du mich doch nicht anschreien, oder?“ Mit einem schmollend verzogenen Mund neigte sich Komui zu seinem Schreibtisch hinab. Und flüchtig winkte er Lavi zu sich, bevor er die Mütze festhielt und die Stirn auf die Arbeitsfläche traf. In der anderen Hand hielt er den Telefonhörer. „Ich verlange doch nicht viel von dir“, seufzte er und blieb erschöpft liegen, während Lavi näher trat, sich den Beutel über die Schulter warf und das bequeme Sofa erreichte. Er glaubte fast, die aufgebrachte Stimme zu hören, die laut gegen Komuis Ohr schallte und plötzlich fuhr der Mann in die Höhe. Die Mütze rutschte von seinem Kopf, als er die Hand zu einer Faust ballte und funkelnde Entschlossenheit blitzte in seinen Augen auf. „Wenn du das jetzt machst, dann kriegst du morgen frei!“, rief er feierlich, doch die Stimme erhob sich wieder und wirkte nicht sehr begeistert. „Doch, wirklich!“, versprach Komui nach wenigen Momenten und verzog das Gesicht, als er weiter angeschrien wurde. „Wieso glaubt mir keiner?“ Seufzend sank er in sich zusammen und hielt in den Bewegungen inne, als ein abruptes Tuten an sein Ohr drang. Aufgelegt… na so etwas! Er runzelte die Stirn, schien es erst realisieren zu müssen. Aber er kam schnell darüber hinweg. Flink wurde der Hörer abgelegt und mit einem matten Stöhnen wandte er sich an seinen Gast, der sich gesetzt hatte.

„Mm… mja…“, unentschlossen rückte er an den Unterlagen, lugte in die leere Tasse und kratzte sich die Stirn. Er wirkte etwas verwirrt und brauchte einen tiefen Atemzug, bevor er Lavi seine vollendete Aufmerksamkeit schenken konnte. Sein Gesicht entspannte sich, seine Hände falteten sich auf dem Tisch und seufzend richtete er sich auf. „Lavi.“

„Ja.“

„Ihr seid zurück?“

„Ja.“ Lavi nickte entspannt, doch Komui wirkte nicht zufrieden. Seine Miene wurde wieder von einem gewissen Trotz befallen und er verzog den Mund.

„Viel zu spääät.“

„Das tut mir leid“, entschuldigte sich Lavi sofort und unauffällig schob er den Beutel mit der Ferse unter das Sofa. „Yu und ich sind… aus Versehen falsch ausgestiegen und mussten einen kleinen Weg bewältigen.“

„Ach!“ Beleidigt winkte Komui ab und Lavi legte den Kopf schief. „Dieselbe Ausrede hat Crowley auch genutzt! Unverschämtheit!“

Ein unsicheres Grinsen zog an Lavis Lippen und er kratzte sich am Hals.

Crowley hatte sich verfahren? Sehr nachvollziehbar.

„Nun gut.“ Tief Luft holend, hakte Komui diese Sache ab und seine Miene gab pure Müdigkeit preis, als sie sich entspannte, eine gewisse Ernsthaftigkeit annahm, in der er sich zurücklehnte und Lavi musterte. „Hast du das Innocence schon zu Hebraska gebracht?“

„Noch nicht.“

„Mm.“ Daraufhin nickte Komui und seine Augen schweiften gedankenvoll über die wirren Unterlagen. „Das Telefonat, das wir heute Morgen geführt haben, hat mich beunruhigt“, murmelte er in die ziellose Beobachtung vertieft. „Und wo wir dabei sind… wo ist Kanda?“

„Hat sich hingelegt“, antwortete Lavi und bereitete sich auf das Gespräch vor, das ihm nicht leicht fallen würde.

„Dann erzähl mir jetzt, was du mir heute Morgen nicht erzählen konntest.“ Komuis Hand gelangte zu einem Kuli und er drehte ihn zwischen den Fingern, während er Lavi erwartungsvoll und ernst taxierte. Der junge Mann räusperte sich, rückte sich kurz zurecht und beugte sich nach vorn. Seine Schultern hoben und senkten sich unter einem tiefen Atemzug, als er die Ellbogen auf die Knie stemmte und die Hände faltete.

Wo sollte er nur beginnen?

Es war soviel, das ihm durch den Kopf ging.

„Yu’s Verhalten in dieser Mission wich von den Richtlinien und dem Auftrag ab“, begann er letztendlich einfach zu reden und Komui lauschte ihm mit annähernd empfindungsloser Miene. „Um ehrlich zu sein, gestaltete er die Erfüllung der Mission schwieriger, indem er meine Ratschläge nicht mehr beachtete und auch abrupt die Teamarbeit vernachlässigte. Und dennoch konnte der Auftrag mit dem möglichen Erfolg erledigt werden.“

„Und weiter?“ Komui sah ihn an, ohne den Blick auch nur ein einziges Mal zu lösen und Lavi verfing sich abermals in einem Zögern. Es war gegenüber seines Vorgesetzten zu Ehrlichkeit verpflichtet und sich dessen sehr bewusst. Nur war es ihm noch nie so schwer gefallen.

„Er forderte den Akuma stur zum Kampf und schien ihm letztendlich zu unterliegen. Das Schlimmste konnte ich verhindern, doch nachdem der Akuma außer Gefecht gesetzt wurde…“, er gestikulierte unentschlossen mit der Hand, suchte nach den richtigen Worten, „… schien er einer Art Panikattacke zu erliegen. Er hyperventilierte, fantasierte und murmelte Unverständliches, nahm mich überhaupt nicht wahr… ich konnte ihn nur mit Gewalt in die Realität zurückholen.“ Komui senkte den Blick und Lavi presste die Lippen aufeinander. „Daraufhin wies sein Körper Anzeichen von mangelnder Grob- und Feinmotorik auf, des Weiteren litt er unter Erbrechen, Zittern und Schweißausbrüchen. Für geraume Zeit war er nicht reaktionsfähig, kaum ansprechbar und sichtlich verstört. Ja…“, er nickte in sich hinein, starrte vor sich auf den Boden und richtete nach einem kurzen Schweigen auf. Komui bearbeitete den Kuli unterdessen mit den Zähnen. „Aber sein Zustand hat sich während der Fahrt und durch beinahe permanente Ablenkung gebessert.“

Somit verstummte er und Komui ließ den Kuli sinken, bewegte stumm die Lippen und richtete sich auf. Der Bericht versetzte ihn augenscheinlich in Bestürzung und er stützte sich auf den Schreibtisch, sah Lavi an und traf auf dessen Blick.

„Kleine Komplikationen habe ich erwartet… wir haben uns beide darauf eingerichtet, aber so etwas? Ahh.“ Er stöhnte zermürbt. „Trotz aller Bemühungen scheint es sich nur verschlechtert zu haben.“

„Ich würde trotzdem nicht von einer allgemein schlechten Verfassung sprechen“, warf Lavi ein. „Für all das muss es einen bestimmten Auslöser gegeben haben.“

„Und du weißt nicht zufällig, welcher es sein könnte?“, kam sofort die Frage, doch er schüttelte den Kopf. „Tja.“ Komui legte den Kuli ab und rieb sich den Mund. „So etwas darf einem Exorzisten trotzdem nicht passieren.“

Und Lavi musste zustimmend. Die Befürchtung, dass sich ein solches Ereignis innerhalb einer Mission wiederholte, war nicht zu verantworten. Zuviel hing von jeder einzelnen ab, zu groß war die Gefahr, dass weitere in Mitleidenschaft gezogen wurden. Es war wirklich nicht tragbar und die Beiden grübelten kurz.

„Ich kann leider nicht viel mehr dazu sagen“, murmelte Lavi bald darauf und hob hilflos die Hände. „Nur, halte ihn erst einmal unbedingt von Aufträgen fern. Wirklich, kein Einziger. Ich will mir nicht vorstellen, wie es enden könnte.“

„Bleibt mir etwas anderes übrig?“ Komui schien genauso wenig Freude an diesem Gespräch zu haben und seine Worte klangen nach einem nahen Schlussstrich. Er regte sich auf dem Stuhl, schien sich gezwungener Maßen zu entspannen und schürzte die Lippen. „Das, was du mir gerade gesagt hast, erwähnst du bitte auch im Bericht. Ich brauche es schriftlich. Kanda lassen wir jetzt schlafen aber sobald er wieder draußen anzutreffen ist, schickt ihr ihn zu mir.“

„In Ordnung.“ Mehr musste eigentlich nicht gesagt werden, doch Lavi sah nicht aus, als wäre es somit für ihn abgehakt. „Welche Maßnahmen gedenkst du zu ergreifen?“, fragte er.

„Nur das Nötigste“, erwiderte Komui und schnappte sich eine kleine Mappe. „Ich werde es von ihm und seiner Kooperationsbereitschaft abhängig machen.“ Er hielt in den Bewegungen inne. „Eigentlich möchte ich mich nicht weiterhin mit dem Fall beschäftigen, bevor er sich dazu geäußert hat.“

Nicht nur Lavi fühlte sich also etwas hilflos in dieser Lage. Es kam nicht überraschend, nicht unvorhergesehen und letztendlich blieb ihnen wohl gar nichts anderes übrig. Auch Lavi gab sich damit zufrieden und es blieb bei wenigen Worten, bevor er das Büro verließ und sich auf den Weg machte, das Innocence abzugeben.
 

Es war noch sehr früh am Morgen, als Kanda die Augen öffnete, unter dem grellen Tageslicht blinzelte und sich zur anderen Seite rollte. Die Decke, die etwas mitgenommen aussah, zog er träge mit sich, ließ sie jedoch los, als sie unter seinem Bein hängen blieb. Reglos verharrte er so, runzelte die Stirn unter dem offenen Haar und schöpfte tiefen Atem. Die Nacht war nur stockend und langsam an ihm vorbeigezogen. Oft war aufgewacht, grundlos zitternd und von einer Unruhe geplagt, die er nur schwerlich von sich streifen konnte, bevor er sich erneut in den Schlaf quälte. Dreimal musste es passiert sein, möglicherweise auch noch öfter und nur benebelt waren seine Erinnerungen an die einzelnen wachen Zustände. Das Bett war unbequem gewesen, der Atem zu schnell, als dass sich der Körper hätte entspannen können. Schweißnass hatte das Hemd an seinem Körper gehaftet und er spürte einen leichten Kopfschmerz, als er sich wieder zu regen begann, die Beine von sich streckte und sich auf den Bauch rollte. Vermutlich war ihm in dieser Nacht kaum Erholung zugekommen. Er fühlte sich jedenfalls nicht danach und sein Körper schmiegte sich träge auf die Matratze, als wolle er sich heute nicht mehr von ihr lösen. Einfach liegen bleiben… hinter sich die geschlossen Tür und die Geräusche, die sich auf der anderen Seite erhoben, ihn nicht betrafen. Er rümpfte die Nase, sein Gesicht sank zur Seite und trübe starrte er auf die farbigen Scheiben seines großen Fensters.

Es war wirklich schon hell…

Er blieb nicht lange liegen, zwang sich dazu, aufzustehen und gähnte ausgiebig, bevor er die Hände auf den Tisch stemmte, zurücktrat und sich streckte. Seine Wirbelsäule knackte, seine Schultern knirschten und der Kopfschmerz nahm zu. Er flüsterte einen unverständlichen Fluch, tastete nach dem Haargummi und band sich das Haar nach oben. Dabei wurde er darauf aufmerksam, dass er es gestern lediglich aus dem Mantel geschafft hatte, bevor er in das Bett gefallen war. Das Hemd, die Hose… sie wurden immer öfter als Schlafsachen ausgenutzt und er strich träge gegen die Knitterfalten, bevor er zur Tür trottete. Als er auf den Flur hinaustrat, erwachte allmählich seine Gedankenwelt und zielstrebig ging er seinen Weg. Man hatte ihn schlafen gelassen, ihn nicht gestört… es war offensichtlich, dass Komui Nachsicht zeigte. Selbstverständlich, er rieb sich die Stirn, Lavi war zu ihm gegangen und er hatte kein gutes Gefühl, wenn er über das mögliche Gespräch nachdachte. Dass erzählt wurde, was er selbst nur teilweise erlebt hatte. Ein leises Brummen entrann ihm, als er eine Treppe erreichte und sie hinab stieg. Seine Schritte wirkten schlaksig und er tastete sich an dem Geländer hinab. Er konnte sich vorstellen, was ihn erwartete. Seine Gedanken waren in letzter Zeit so finster, dass er Schlüsse solcher Art mit Leichtigkeit ziehen konnte. Er war sich seines Verhaltens während der Mission bewusst, selbst, wenn es seiner Meinung nach, kein unverzeihlicher Fehler gewesen war, erwartete er, dass er vor allem darauf angesprochen wurde. Er würde es nicht zu verhindern wissen… heute würde man wohl in einem anderen Ton mit ihm sprechen und er beschloss, dieses Erlebnis noch etwas vor sich herzuschieben. In diesen Momenten stand ihm nicht der Sinn danach und wenn man ihm die Zeit gab, dann nahm er sie auch. Des Weiteren… er brauchte keinen Spiegel, um sich seines äußeren Erscheinungsbildes bewusst zu sein. Seit langem kehrte es nach draußen, was er für sich behalten wollte und vermutlich hatte die vergangene Nacht keine positive Veränderung bewirkt. Erst würde er sich etwas stärken, die Müdigkeit, sowie die Benommenheit von sich streifen, etwas zu sich nehmen und dann, wenn er meinte, gewissen Belastungen gewachsen zu sein, dann würde er Komui aufsuchen. Bald erreichte er sein Ziel, betrat moderne Umkleideräume und kratzte sich den Steiß, während er auf einen hohen Wandschrank zusteuerte. Schnell war eine Tür geöffnet und er ließ sich Zeit, die Stoffe zu mustern, die nun säuberlich vor ihm lagen. Es waren Yukata und er zog einen Schwarzen hervor, stieß die Tür mit dem Fuß zu und warf den Stoff auf die nächste Bank. Langsam und ermattet kleidete er sich aus, streifte sich den Yukata über und ließ seine Sachen zurück, als er die Räume durch eine andere Tür verließ. Der Onsen war es, den er nun betrat und er labte sich an der warmen, von schwerem Wasserdampf geschwängerten Luft, bevor er die Tür hinter sich schloss und näher trat. Zumindest etwas Glück schien ihm zuteil zu werden. Der Onsen war an diesem Morgen verlassen und so würde es auch niemanden geben, der ihn störte. Barfuss näherte er sich der ersten Quelle, sicherte den Halt des Yukata mit der Hand und kniete sich nieder, um sich dieses Wasser genau zu betrachten. Hin und wieder lauerten hier üble Gefahren. Juckreize, unter denen die Wissenschaftler nach einem Gruppenbad zu leiden hatten und noch ganz andere Sachen, die nicht angenehm waren. Seltsame Stoffe, die hin und wieder in dieses Wasser gelangten. Aber heute schien es in Ordnung. Jedenfalls fühlte es sich gut an, als Kanda die Hand eintauchte und sie etwas bewegte. Somit kam er auf die Beine, lockerte den Gürtel des Yukata und streifte ihn sich von den Schultern. Achtlos ließ er ihn liegen, als er in die heiße Quelle stieg. Wie angenehm… dieser Genuss, als er die Wärme an seinen Beinen spürte und sobald er eine gute Stelle gefunden hatte, ließ er sich tiefer sinken. Noch schnell den langen Zopf zu einem Dutt gebunden und unter einem befreiten Atemzug legte er den Hinterkopf auf das Gestein und verharrte reglos. Nur das leise Plätschern drang an seine Ohren, der eigene Atem und kein anderes Geräusch. Eine kleine Unebenheit drückte gegen seinen Rücken, doch er hatte keine Lust, sich zu bewegen und ging seinen Gedanken nach.

Die Schmerzen seines Unterleibes hatten endlich von ihm abgelassen, ebenso das Hinken war er losgeworden und die leichten Beschwerden seiner Schulter waren so gering, dass sie nicht beachtet werden mussten. Ja, sein Körper schien sich erholt zu haben.

Er bewegte die Lippen, seine Lider bewegten sich und blieben dennoch geschlossen. Seine Brust hob sich unter einem tiefen Atemzug und sein Gesicht sank zur Seite. Das Plätschern… beinahe wurde es durch seine Grübeleien überdeckt. Die Lautstärke schien allmählich abzunehmen und er genoss diese Ruhe, die seinen Körper schwer machte. Er gab sich ganz der Entspannung hin und doch rumorte bald eine Sorge in seinem Kopf. Ein realistisches Eingeständnis. Seinem Leib ging es wirklich besser, doch… es gab so viele Wunden und nicht alle konnte er mit der ihm gegebenen Schnelligkeit heilen.

Was war geschehen, als er gegen den Akuma kämpfte…?

Was hatte ihn mit sich gerissen…?

Er spürte eine Barriere, die ihn abzuhalten versuchte, doch überwandt sie, um sich mit dem Erlebten zu befassen. Er musste es. Es würde sich nichts ändern, wenn er diese Tatsachen im Raum stehen ließ. Er selbst sehnte sich nach Gewissheit, nach Erklärungen… nach der Sicherheit, dass dies eine einmalige Sache war und ewig bleiben würde.

Was hatte er gefühlt?

Was hatte er gedacht oder geglaubt, zu erleben?

Er spürte einen kalten Stich tief in seinem Inneren, der sich über die Wärme des Wassers hinwegsetzte. Angst… das war das Wort, das ihn erfasste. Es war Angst… abgrundtiefe Angst gewesen, der erlag. Wie ein finsteres Loch klaffte diese Erinnerung in ihm und er neigte sich nach vorn und blickte hinab. Unendliche Tiefe, ohne Grund. Der Boden unter seinen Füßen… er fehlte und nur das Durchhaltevermögen seines Körpers hielt ihn vom Sturz ab. Darauf musste er sich konzentrieren, darauf einen Wert legen, wie noch nie zuvor. Das Verbergen seines Zustandes, seines Fühlens und Denkens fiel leichter, konnte vor fremden Augen zur Perfektion getrieben werden und war doch keine Lösung für die Ewigkeit, eher noch weit davon entfernt. Er brauchte die Wahrheit, die Gewissheit über sich selbst, um die Anstrengung ablegen zu können und sich nicht mehr verstellen zu müssen. Kein Zwang, die Mimik entspannt wirken zu lassen, obgleich er Schmerzen empfand. Keine straffen Schultern, die unter der Anspannung stachen. Kein Widerspruch zu sich selbst. Erklärungen… die brauchte er! Was hatte zu all dem geführt? Wo lag der Anfang und wie weit entfernt war er von dem Ende? Welchen Weg hatte er noch zu beschreiten, bis er wieder er selbst war und das ganz automatisch, ganz natürlich?

Er sah das Bild vor sich… den dürren schwarzen Leib des Akuma… die Klaue, die seinen Hals umfasste, sowie die Enge, in die er getrieben wurde. Wie offensichtlich… beinahe grenzte es schon am Lächerlichen, dass er sich dessen nicht eher bewusst geworden war. An einer Wand hatte er gelehnt, am Gestein wurde er fixiert, von einer Hand dagegen gepresst… bevor es geschah. Eine zurückgekehrte Erinnerung… völlig fehl am Platz und der einzige Auslöser, den er fand.

War allein die Haltung so ausschlaggebend gewesen?

Hatte er befürchtet, dass es sich wiederholte?

Nur, weil sich die Zustände ähnelten?

Wie schwer musste es ihn getroffen haben, wie sehr aus der Bahn seines Lebens geworfen, dass allein das reichte, um ihm eine Panik aufzudrängen, die ihm bislang fremd gewesen war. Aber natürlich, er hatte es verdrängt, sich durch die Maskerade selbst belogen und einfach verhindert, all das zu verarbeiten. Aber konnte er das? Es war grausam gewesen und er ertappte sich, wie er eine weitere Barriere erreichte und vor ihr inne hielt.

Es war…

Die Einsicht geriet ins Stocken, schien zu zerbrechen.

Grausam.

Er fühlte sich mitgerissen von einer Woge des Zurückweichens. Schwere übermannte ihn, Schwindel… und ein dumpfer Druck in seiner Brust, der annähernd unerträglich war. Was geschah? Er wand sich in einer schwerelosen Fessel… abrupt signalisierten seine Sinne eine rege Gefahr und eine ungeahnte Hitze überzog seinen Kopf. Er spürte sie nun umso intensiver und überall an seinem Körper. Was…

Augenblicklich erwachte sein Körper zu altem Leben. Heftig durchstießen seine Hände das warme Quellwasser und er fuhr in die Höhe. Rauschend tauchte sein Kopf auf, ragte zurück über die Wasseroberfläche und bebend spuckte er das Wasser aus, das seine Lunge füllte. Er war eingeschlafen…? Hatte das Bewusstsein verloren…? Verkrampft setzte er sich auf, suchte nach Gleichgewicht und neigte sich nach vorn. Er bekam keine Luft, röchelte und spuckte weiteres Wasser aus. Nass haftete das Haar an seinem Kopf und fahrig fuhr er sich über die Augen, umklammerte seinen Hals und hustete erstickt. Es nahm seine Zeit in Anspruch, bis er die Fähigkeit zum ruhigen Atem zurückerlangte und irgendwann saß er keuchend dort, starrte bleich um sich und erholte sich nur langsam vom Schrecken. Friedlich plätscherte das Wasser neben ihm und er blinzelte unter den Rinnsälen, die sein Gesicht hinab liefen. Es ähnelte einem üblen Rachefeldzug seines Körpers. Seit wann war er nicht mehr dazu imstande, es zu kontrollieren? Natürlich war er müde, doch entschied bisweilen selbst, wann er schlief und wann er es unterdrückte. Stockend starrte er auf das Wasser. Sein Körper glühte allmählich unter der Hitze und er hielt es hier nicht länger aus. Also erhob er sich, stieg aus der Quelle und wrang das Haar aus.
 

Er ließ sich keine Zeit, diesen Ort zu verlassen. Rasch hatte er sich abgetrocknet, sich den Yukata übergestreift und es verging keine halbe Stunde, da war er auf dem Weg in den Speisesaal. In bequemen Wajaris und dem wärmenden Yukata zog er durch die Gänge und stemmte sich gegen die große Tür, die ihn von seinem Ziel trennte. Es war erst kurz vor sechs Uhr und somit die Zeit, in der man noch in Frieden frühstücken konnte. Gemächlich ging er also weiter, zog durch die Tischreihen und straffte den Stoff, als er die Theke erreichte. Er ließ sich Zeit, festigte den Gürtel und rückte am breiten Revers, streifte es höher über die Schulter und hielt in etwaigen Bewegungen inne, als er ein berauschtes Seufzen vernahm. Wie aus dem Nichts war Jerry aufgetaucht und presste sich beide Hände auf die Wangen, während er sich seinen Gast so besah.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Kanda“, ächzte er entzückt und der Angesprochene ließ stockend die Hände sinken. „Heute mal ganz leger?“

Daraufhin wusste Kanda keine Antwort. Mürrisch versuchte er sich auf seinen Appetit zu konzentrieren und auf die Wahl seines Frühstückes, doch Jerry teilte sein Interesse diesmal nicht. Geschmeidig ließ er sich auf den Tresen sinken und rollte mit dem Kopf.

„Aber blass bist du wieder, meine Güte! Du solltest mal etwas Sonne an deine Haut lassen und…“

„Ich will Reis“, wurde er genervt unterbrochen und es schien ihm einen schmerzhaften Stich zu versetzen, denn er fuhr ächzend in die Höhe.

„Nein, sind wir wieder bei der Appetitlosigkeit?!“

Und es war belastend… Kanda presste die Lippen zusammen und starrte zur Seite. Dass er so wenig Geduld besaß, hätte er nicht vermutet. Allein die wenigen Worte und diese erneute widerliche Besorgnis! Sie trieb ihn an die Grenzen des Zumutbaren!

Seine Hände ballten sich zu Fäusten, doch Jerry war so in seine Sorgen vertieft, dass ihm das Verhalten des jungen Mannes entging.

„Kann ich dir wenigstens etwas dazu machen?“

„Warum keinen Kräutertee!“, erwiderte Kanda giftig und Jerry wich sichtlich getroffen zurück. Nun endlich schien er es verstanden zu haben und Kanda stieß ein gereiztes Ächzen aus, bevor er sich mit beiden Händen auf die Theke stemmte, den Koch scharf taxierte.

„Würdest du mir jetzt bitte den verdammten Reis bringen!“

„Ja doch.“ Entsetzt starrte Jerry zurück und Kanda ließ erschöpft den Kopf sinken, als er sich endlich auf den Weg machte.

War das zu glauben?!

Konnte man denn nicht einfach tun, was er sagte?!

Diese ewigen Fragen! Vor allem von ihnen wollte er endlich befreit sein!

„Was!“ Als er eine flüchtige Berührung an der Schulter spürte, fuhr er herum und ein junger Finder zuckte erschrocken zusammen. Kein Finder sprach ihn gerne an, doch mit einer solchen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Die Farbe blätterte aus seinem Gesicht und finster wurde er gemustert. „Was willst du!“

„Ah…“, kam die unentschlossene Antwort, „… Komui lässt ausrichten, dass Sie sich doch bitte bei ihm melden sollen.“

Natürlich, das war also der Moment.

Er nickte knapp und sofort machte der Finder kehrt und verschwand. Und er blieb stehen, löste sich von der Theke und bewegte die Hände, um wenigstens einen Teil des inneren Gleichgewichtes zurückzuerlangen. Er hatte es schon gewusst und nachdem er gefrühstückt hätte, sollte er dieser Bitte auch Folge leisten. Es noch länger vor sich herzuschieben brachte im Endeffekt herzlich wenig und ihm war ganz wohl bei dem Gedanke, es hinter sich zu haben. Wortlos nahm er dann den Reis entgegen und ließ sich dennoch Zeit. Der Appetit blieb aus und der Hunger war der einzige Grund, weshalb er kurz darauf in dem Reis stocherte.

Und mit jeder Bewegung schien er tiefer abzudriften, in Gedanken zu versinken…

Befürchtungen, Möglichkeiten, diese nicht wahr werden zu lassen. Ihn beschäftigte viel und er achtete kaum darauf, wie er kaute und schluckte

Und wieder wurde er sich der Tatsache bewusst, dass die Realität und das Hier und Jetzt, in dem er unweigerlich fest hing, widerlich war. All die Anspannung, die hinter einer jeden Ecke lauerte und die Anstrengungen, mit denen er hier zu leben hatte… es war alles ungewohnt und wie sehr sehnte er sich danach, all den unnötigen Ballast abzustreifen. Bevor er das nicht geschafft hätte, wäre er nicht er selbst. Und mit jedem Tag, an welchem er versagte, weiter davon entfernt. Bis dieses Vorhaben zu einem Ziel wurde?

Vermutlich zu einem Unerreichbaren?

Und irgendwann zu einer Wunschvorstellung, nach welcher er sich verzehrte…?

Er hielt in den Bewegungen inne, wendete den Reis im Mund und starrte vor sich auf den Tisch. Selbst diese Gedanken erfüllten ihn mit Schrecken und er versuchte sich von ihnen loszureißen. Er konnte es nicht verarbeiten. Nicht alles und ganz bestimmt nicht jetzt. Die nächste Hürde stand ihm bevor und sobald er diese überwunden hatte, ging es weiter. Er musste nur Komui überzeugen. NUR Komui…

Es war bitter und er ließ die Stäbchen sinken, starrte auf den Reis und bemerkte, dass er nicht viel zwischen die Stäbchen bekommen hatte. Die Schale wirkte, als hätte er sie nicht angerührt und doch machte der Hunger nicht mehr auf sich aufmerksam. Es dürfte genügen und angespannt schluckte er hinter, legte die Stäbchen nieder und kam auf die Beine. Er hatte sich der ersten Hürde zu stellen und wenn er noch länger zögerte und vor ihr zurückschreckte, schwanden seine Möglichkeiten auf eine positive Bewältigung.

Abwesend griff er nach dem Tablett, schob sich hinter der Bank hervor und blinzelte unter einem seltsamen Schwindel, als er sich auf den Rückweg zur Theke machte. Es überkam ihn. Immer wieder und immer öfter. Bei den simpelsten Bewegungen und er presste die Lippen zusammen, klammerte sich um das Tablett und führte seinen Weg fort.
 

Er hatte sich also zu rechtfertigen, zu erklären, weshalb die letzte Mission durch ihn um einiges komplizierter gewesen war. Wieso er die gemeinsame Organisation und etwaigen Einfluss Lavis von sich gestreift, anders gehandelt hatte, als er es hätte tun sollen. Er kannte die Fragen, die ihn erwarteten. Annähernd hörte er Komuis Stimme in seinem Kopf, die sie formulierte. Doch nicht nur das… ja, sich selbst sah er dazu schweigen, denn eine ehrliche Antwort war ihm nicht möglich… zumal er selbst daran zweifelte, sich dieser bewusst zu sein. Weshalb hatte er nicht richtig funktioniert?

Er tastete nach dem Saum des Yukata, zog diesen zurecht und blickte jener Tür entgegen.

>Weil es mir nicht gut geht.<

Eine Möglichkeit, die er niemals aussprechen würde.

>Weil ich durcheinander bin und mich zu Dingen zwinge, die ich mir kaum zutraue.<

Eine Erklärung, die er nicht einmal für sich annehmen wollte.

>In letzter Zeit wünsche ich mir immer Öfter, an einem anderen Ort zu sein<, wurde er sich einer finsteren Tatsache bewusst und sobald er diese Worte gedanklich ausgesprochen hatte, verblasste die Miene Komuis vor ihm. Alles verschwand, genau wie die Vorrausicht auf mögliche Reaktionen, von Komui und von sich selbst. Wie würde er reagieren, wenn er das aussprach, was ihm in den Sinn kam und währenddessen jeglichen Stolz und jegliches Selbstbewusstsein unterdrückte?

Seine Hände lösten sich von dem Stoff, ertasteten den Gürtel, rückten auch an diesem. Ein Wissenschaftler eilte an ihm vorbei und er sah ihm abwesend nach. Was käme ihm in den Sinn?

„Ich fühle mich abscheulich. Ich stecke in einer Lage, die peinlich ist. In einer Situation, aus der ich keinen Ausweg weiß. Und ich bin mir dessen bewusst.“

Diese Vorstellung bereitete ihm Übelkeit und er schüttelte den Kopf, um sich von ihr zu befreien.

Es musste andere Erklärungen geben, andere Wege, Komuis Misstrauen zu entgehen.

Er schöpfte tiefen Atem, straffte die Schultern und senkte das Kinn gen Brust, bevor er bestimmt nach der Klinke griff, sie hinabdrückte und das Büro des Vorgesetzten betrat. Zurückgelehnt und in eine Mappe vertieft, saß Komui hinter seinem Schreibtisch, spähte nur flüchtig auf und winkte ihn mit den Unterlagen näher, bevor er sich erneut mit ihnen beschäftigte und zu lesen schien. Hier war er nun. Als Kanda die Tür hinter sich schloss, wurde er sich ein weiteres Mal der Gezwungenheit aufmerksam, mit der er jeden Schritt tat, jedes Wort überdachte, bevor er es aussprach. Eine andere Möglichkeit blieb ihm nicht und er schloss flüchtig die Augen, bevor er sich umwandte und auf den Schreibtisch zusteuerte. Es durfte keinen Wendepunkt geben, keine andere Richtung oder eine Verzögerung. Nur wenn er sich auch weiterhin aufrecht hielt, obwohl er sich mit dem harten Alltag eines Exorzisten befasste, war er dazu imstande, all das hinter sich zu lassen und der Zeit dafür zu danken.

Seine Gesichtszüge offenbarten eine gewisse Gleichgültigkeit, als er das Sofa hinter sich ließ. Eine bekannte Mimik, der Komui keine Beachtung schenkte. Aufmerksam und erwartungsvoll wurde er durchmustert, rümpfte nach einigen Augenblicken die Nase und ließ die Mappe sinken. Was auch immer er soeben gelesen hatte, es schien ihm nicht zu bekommen und doch blätterte die Unzufriedenheit von seinem Gesicht, als er sich dem Besucher zuwandte und die Mappe bei Seite schob. Ein geräuschvolles Seufzen entrann ihm und er machte es sich auf dem Stuhl bequem, rückte näher zum Schreibtisch und stemmte sich auf diesen, um gemütlich die Hände ineinander zu falten. Auf der anderen Seite der unordentlichen Arbeitsfläche präsentierte sich ihm das gewohnte Bild und er verlängerte das Schweigen um einige Momente, betrachtete sich den jungen Mann und schien zu sinnieren.

„Wie geht’s?“, erhob er dann entspannt die Stimme und Kanda antwortete ohne zu zögern.

„Gut.“

Diese Frage wurde bei Komui oft nur beiläufig gestellt und meistens war nicht einmal eine Antwort erforderlich. Und wenn er doch den Anschein erweckte, auf eine solche aus zu sein, dann genügte ein simples Wort. Doch diesmal schien selbst das nicht ausreichend und akribisch verfolgte Kanda seine Bewegungen, als er den Kopf schief legte.

„Mm… das beruhigt mich.“ Es klang alles andere als überzeugt und Kanda tat, als hätte er die Skepsis nicht wahrgenommen, als wäre es somit abgeschlossen. „Es beruhigt mich wirklich, weil ich nämlich daran zweifle.“

„Wie meinst du das?“ Kandas Gegenfrage kam sofort und monoton, ohne dass sein Gesicht eine verräterische nervöse Regung offenbarte. Doch daraufhin schwieg Komui erneut und erst, als er still nach einigen Unterlagen griff, kehrte das Leben in den Raum zurück. Kanda würgte ein trockenes Schlucken hinab, verfolgte, wie die Mappe gehoben und mit ihr auf das Sofa hingewiesen wurde.

„Setz dich“, bat Komui, als er sich zurücklehnte und Kandas Augen schweiften zu dem Polster, verharrten nicht lange darauf.

„Ich stehe lieber.“

„Und ich möchte, dass du dich setzt.“

Ein knapper Argwohn formte Kandas Brauen und er musterte Komui mit derselben Mimik, bevor er sich in Bewegung setzte und sich niederließ. Komui vertiefte sich unterdessen in die Unterlagen, blätterte um und rümpfte die Nase.

„Ich möchte mit dir reden“, murmelte er in das Papier vertieft und Kandas Augen verfolgten eine jede seiner ruhigen Bewegungen. „In der letzten Zeit hatten wir leider keine Gelegenheit dazu.“

„Wir haben noch nie eine gebraucht.“

„Mag sein.“ Komui gab sich ungerührt, annähernd unbeteiligt und erst jetzt blickte er auf, begegnete der kritischen Musterung und schien diese nicht zu erwidern, bevor er die Unterlagen hob. „Da mir dein Bericht vom vorherigen Auftrag noch nicht vorliegt, möchte ich, dass du dich jetzt dazu äußerst.“

Das war es… all das Befürchtete und er verstand sofort, worauf er aus war, welche Antworten er hören wollte. Es waren die, die er ihm nicht freiwillig geben würde. Also zuckte er mit den Schultern, lehnte sich zurück, versuchte sich zu entspannen.

„Den Exorzisten, der noch am Leben war, retteten wir. Der Akuma wurde zerstört.“

„Mm.“ Komui schürzte die Lippen, seine Hand bettete die Unterlagen vor sich auf dem Schreibtisch. „Lavis Bericht zufolge, verlief die Ausführung des Auftrages außerplanmäßig, um nicht zu sagen umständlich und unter erschwerten Bedingungen?“

„Nur wenige Aufträge verlaufen planmäßig“, antwortete Kanda augenblicklich, seine Augen fixierten Komui akribisch. „Du weißt das.“

„Ja.“ Ein knappes Nicken, das dennoch keine Zustimmung zeigte. „Und ich weiß, dass es immer Gründe dafür gibt. Kannst du mir sagen, welcher es diesmal war?“

Somit sah er auf, stellte sich dem offenen Blickkontakt und hob die Brauen. Er wartete und Kanda blieb stumm. Seine Lippen verharrten regungslos, seine Mimik ebenso und nach kurzer Schweigsamkeit wandte er das Gesicht ab, starrte zur Lehne des Sofas und rümpfte die Nase.

Weshalb diese Fragen, wenn Komui durch den ihm vorliegenden Bericht alles erfahren haben musste? Er holte tief Luft, suchte nach einer glaubwürdigen Rechtfertigung und nickte bald in sich hinein.

„Ich hielt es nicht für akzeptabel, den Akuma entkommen zu lassen. Das Leben des Exorzisten war gesichert, der Auftrag somit erfüllt. Das einzige, was ich nicht getan habe, ist, auf die Verstärkung zu warten. Ich habe weder Schaden angerichtet, noch habe ich jemanden in Gefahr gebracht.“ Fieberhaft versuchte er in Komuis Miene zu lesen, doch diese blieb ihm verschlossen und er holte tief Luft, achtete wieder auf die entspannte Haltung und legte den Arm über die Lehne. „Ohne mein Eingreifen hätte die Gefahr bestanden, dass der Akuma geflohen und nach Genesung wieder zu einer Gefahr geworden wäre. Es gibt keinen Grund, mir einen Vorwurf zu machen.“

Die Pupillen des Älteren richteten sich zurück auf den Bericht, suchten nach den Zeilen, die Kanda widersprachen. Und es waren viele. Hatte er nicht wahrgenommen, dass Lavi mitsamt dem Verletzten durchaus durch ihn in Gefahr geraten waren?

Ein Ding, über das er so nicht urteilen konnte und nach einem kurzen Grübeln schüttelte er den Kopf.

„Dann möchte ich dich daran erinnern, dass dein Sieg über den Akuma ohne Lavis Eingreifen sehr fragwürdig gewesen wäre“, murmelte er und Kandas Finger begannen die Form der Lehne abzutasten. „Um dir zur Hilfe zu kommen, ließ er den Verletzten im Stich. Hätte es am Ende zwei tote Exorzisten gegeben, hätte ihr zwei jetzt große Probleme.“

„Es gab nur einen“, erinnerte Kanda ihn, wollte verhindern, dass die Thematik weiterhin in diese Richtung schweifte. Und wirklich, er hatte Erfolg, denn Komui kam sofort auf etwas anderes zu sprechen.

„Hast du das Level des Akuma unterschätzt oder dich überschätzt?“, erkundigte er sich ernst, doch Kanda schüttelte verständnislos den Kopf. Also holte er tief Luft. „Wie ich gelesen habe, befandest du dich in einer lebensbedrohlichen und sehr heiklen Lage, bevor Lavi eingriff.“

Bevor er ausgesprochen hatte, presste Kanda die Lippen aufeinander und sein Gesicht offenbarte, dass er von nun an etwas mit sich zu kämpfen hatte. Seine Finger pressten sich in das Polster.

„Es gestaltete sich schwerer, als ich vermutet habe“, antwortete er letztendlich leise und durchaus unwillig, doch Komui gab sich nicht damit zufrieden.

„Das erste und letzte Mal, dass du von einem Level 2 besiegt worden wärst“, murmelte er unbeeindruckt und Kanda schluckte abermals sichtlich.

„Es gestaltete sich… schwer“, wiederholte er dann mit einem Anflug von Verbitterung. An diese Niederlage ließ er sich nicht gerne erinnern und doch sollten Worte folgen, die noch unangenehmer waren. Das erste Mal machte sich leichter Argwohn in Komuis Miene bemerkbar und er ließ Kanda nicht lange auf jene Worte warten.

„So bezeichnest du deinen vergangenen Zustand?“, fragte er und bevor Kanda antworten konnte, nahm er wieder die Unterlagen zur Hand, räusperte sich und begann zu lesen. „Er war geraume Zeit nicht ansprechbar, zeigte keine Reaktion auf Rufe, hyperventilierte und halluzinierte. Offenbarte Anzeichen von Luftknappheit bis hin zu Erstickungsgefahr, murmelte Zusammenhangsloses und…“

Verbissen senkte Kanda das Gesicht. Fest schloss sich seine Hand um die Lehne und schwer schluckte er gegen den aufkeimenden Druck in seinem Hals, schürzte die Lippen unter dem bitteren Geschmack der Erinnerung.

Er wollte es nicht hören…

„… Blässe, Zittern, Orientierungslosigkeit“, fuhr Komui unterdessen fort. „Eingeschränkte Grobmotorik, mangelhafte Feinmotorik, Schwäche, Schwindel, Übelkeit, heftiges Erbrechen, deutliche Konfusion, anschließend Appetitlosigkeit und erhöhte Reizbarkeit.“ Er rückte sich im Stuhl zurecht, wirkte offensichtlich beunruhigt und blickte zu Kandas Händen. Mit gezwungener Ruhe lösten sich diese vom Polster und falteten sich ineinander. Natürlich… sie zitterten immer noch und er schenkte dem kaum noch Beachtung, da es noch lange so bleiben würde. Komui zog seine Schlüsse aus dieser Regung und abermals brach dumpfes Schweigen über sie herein. Starr blieben Kandas Pupillen nach unten gerichtet und Komui seufzte leise, rieb sich den Mund und streckte die Beine von sich. „Das würde ich nicht als ‚erschwerte Bedingung’, sondern als Panikattacke bezeichnen“, murmelte er und sein Gesicht hatte an Strenge verloren, offenbarte nun vielmehr eine gewisse Besorgnis, in der er nicht den Blick von dem jungen Mann löste. „Willst du Stellung dazu beziehen?“

Ein kurzes Zucken… fest versiegelten die Lippen ein jedes Wort und bald schüttelte er nur den Kopf. Eine Reaktion, mit der Komui gerechnet hatte, die ihm jedoch nicht gefiel. Nachdenklich begann er an seinen Zähnen zu saugen, sah sich bedächtig um.

„Kanda“, raunte er unterdessen und der Angesprochene kämpfte augenscheinlich um Fassung. „Du weißt, dass ich dir vertraue und dass ich dein Können respektiere, nur gab es in der letzten Zeit so einige Geschehnisse, die mich mit ernsthafter Sorge erfüllen und ich weiß nicht genau, was wir jetzt tun sollen.“

Plötzlich schien das Leben in Kanda zurückzukehren. Fließend richtete er sich auf, hob den Kopf und schöpfte tiefen Atem. Es gelang ihm sogar, Komui abermals anzuschauen und dieser las eine Entschlossenheit in seiner Mimik, in die er sich gründlich vertiefte.

„Auf der letzten Mission, die ich alleine erfüllt habe, wurde ich in schwere Kämpfe verwickelt und trug Verletzungen davon, die mich gestern noch gestört haben.“ Eine der Beichten, die ihm die geringste Scham vermittelte und Komui lauschte ihm aufmerksam. „Ich gebe zu, dass sie meine Auffassungsgabe und mein Reaktionsvermögen gemindert haben und der gestrige Zwischenfall ist das Resultat. Aber ich versichere dir auch, dass ich es hinter mir habe. Ich bin erholt und so etwas wird nicht wieder vorkommen.“

Angespannt hielt er den Blickkontakt aufrecht, doch sein Inneres schrie fieberhaft nach dem Ende dieses Gespräches und danach, keiner weiteren Fragen unterzogen zu werden. Er sah Komui auch nicken und doch blieb der verständnisvolle Hintergrund aus.

„Ja.“ Er begann die Kanten der Unterlagen mit den Fingern zu bearbeiten. „Leider kommt es auf euren Missionen sehr oft zu Verletzungen aber warum hast du dir nicht zumindest ein Schmerzmittel geben lassen, wenn die Verletzungen so eine lange Zeit zur Heilung benötigen, du aber trotzdem Aufträge annehmen willst? Du sollst Bookman schon des Öfteren mit solchen Absichten aufgesucht haben und immer hast du bekommen, was du wolltest und es gab nie Komplikationen. Warum ist es diesmal so anders?“

„Ich habe mich überschätzt“, kam die leise Antwort und allmählich fiel Kanda das Sprechen immer schwerer. Abermals schluckte er und die ineinander gefalteten Finger unterlagen der Nervosität, begannen sich ziellos zu regen.

Überschätzung…

Dies war wohl eine Eigenheit, die jeder an ihm kannte und doch schien sich Komui nicht so recht damit zufrieden zu geben.

„Mm.“ Ein undefinierbares Raunen kam über seine Lippen. „Und kannst du deinen jetzigen Zustand denn richtig einschätzen?“

„Was meinst du?“ Skeptisch blickte Kanda auf und Komui wies mit einer Kopfbewegung auf ihn.

„Was würdest du tun, wenn ich dich hier und jetzt in die nächste Mission einweise?“

Kandas Mund bewegte sich sofort, doch er brachte keinen Ton hervor und letztendlich starrten sie sich wieder an. Es ihm danach, sofort zuzustimmen, sich augenblicklich dazu bereit zu erklären, doch es gab etwas an der Atmosphäre in diesem Raum, das ihn davon abhielt. Er schloss den Mund, runzelte die Stirn und fühlte sich in den hastigen Grübeleien eingeengt. Er war misstrauisch… ihm war nicht gut zu Mute und Komui entging es nicht. Still verfolgte er die Regungen seines Gegenübers und flüchtig rieb sich dieser das Gesicht. Seine Schultern hoben und senkten sich unter einem geräuschvollen Atemzug und seine Lider senkten sich, bis er einfallslos nach unten starrte. Ohne, dass er es bewusst wahrgenommen hatte, hatte sich diese Unterhaltung in eine Richtung bewegt, die er verabscheute und er presste die Lippen zusammen, bevor eine Antwort zustande brachte.

„Das hast du nicht vor.“

Ein bedauerndes Lächeln formte Komuis Lippen, als er den Kopf schüttelte.

„Nein.“

All das war voraussehbar und doch gelang es Kanda nicht länger, äußerliche Fassung zu wahren. Seine Miene verzog sich verbittert, verfinsterte sich und als wäre er gelähmt, starrte er zu Boden. Er war hier an einen Punkt angelangt, den er in seiner Übermacht hasste, dem er sich jedoch nicht so einfach unterwerfen konnte!

„Ich schätze die Gefahr als zu groß ein, wenn ich dich jetzt wieder nach draußen schicke“, vernahm er Komuis Worte und gegen jedes einzelne wollte er sich sträuben, sich auflehnen, es ungeschehen machen.

Die Plagen der letzten Tage…

Die Anstrengungen, die er in seine äußerliche Festigkeit gesetzt hatte…

Die Verbissenheit, mit der er sich zu Ablenkungen zwang…

Die verzweifelte Stärke, weiterzumachen, nach vorn zu blicken…

Alles vergebens?

Das konnte er nicht akzeptieren.

„Auch während der Mission, die du mit Walker bewältigt hast, sollst du absent und kränklich gewirkt haben“, fuhr Komui nachdenklich fort, ließ seinen Schützling nicht aus den Augen. „Bei dem vergangenen Auftrag erlagst du einer Panikattacke und ich will nicht wissen, welche Steigerung es bei der nächsten Mission geben könnte. Seit einigen Tagen scheint dein gesundheitlicher Zustand nicht der Beste zu sein und ich bin nicht gewillt, das zu verantworten. Ich hoffe, du verstehst das.“

„Komui.“ Nur leise erhob sich Kandas Stimme und plötzlich offenbarte dieser eine rege Erschöpfung, in der er sich die Augen rieb. „Sag doch einfach, was du willst.“

Er hatte keine Kraft mehr für Ausreden und Ausflüchte, keine Stärke mehr, um sich permanent zu verteidigen und Komui neigte sich nach vorn, bettete die Unterarme auf dem Schreibtisch und studierte ihn durchdringend.

„Ich erwarte von dir, dass du die folgende Zwangsbeurlaubung akzeptierst und sie nutzt, um dich vollständig auszukurieren.“

„Zwangsbeurlaubung?“ Beinahe unterbrach Kanda den Vorgesetzten und er wirkte ungläubig, als er diesen anstarrte. Viel hatte er erwartet, sich auf viel eingerichtet, doch dieses Wort machte all die Vorbereitungen zunichte.

Es war noch nie vorgekommen…

„Wieso…?“

„Mm?“ Komui hob die Augenbrauen und sein Gegenüber offenbarte einen fassungslosen Trotz, in dem er die Hände voneinander löste, mit ihnen gestikulierte.

„So etwas wie Urlaub brauche ich nicht“, verteidigte er sich und jegliche Sprachlosigkeit schien von ihm abgefallen zu sein. „Ich verstehe deinen Entschluss, mich von gefährlichen Missionen fernzuhalten aber gleich von allem? Warum…“, er suchte eilig nach Worten, „… warum gibst du mir nicht einfache Aufträge, bei denen Kämpfe nicht vorgesehen sind?“

„Weil ich mit Bookman gesprochen habe und…“

„Bitte was?“ Kanda traute seinen Ohren nicht. Stockend lehnte er sich nach vorn, fuhr jedoch nicht fort, als Komui die Hand hob.

„… er meinte, in Anbetracht der letzten drei Tage, würde es dir den meisten Nutzen bringen, vorübergehend von allen Pflichten entbunden zu sein und ich denke auch so.“

„Nein.“ Hastig schüttelte Kanda den Kopf, doch Komui schien wirklich sicher in seinem Entschluss.

„Wenn ich mich recht erinnere, war dein letzter Urlaub vor mehr als einem Jahr und dauerte ganze zwei Tage, da du unvorhergesehen in ein Krisengebiet geschickt wurdest.“

„Ich nehme mir keinen Urlaub, weil ich ihn nicht brauche!“ Mit einer flinken Bewegung war Kanda auf den Beinen und Komui lehnte sich unbeeindruckt zurück. „Ich erhole mich während der Arbeit! Was soll ich denn machen, wenn ich hier nicht rauskomme!“

„Du kannst River oder Jerry etwas unter die Arme greifen, wenn du willst“, erwiderte Komui unbehelligt und die letzte Fassung bröckelte aus dem Gesicht des Jüngeren. Es schien rapide an Farbe zu verlieren und kurz darauf stand er nur noch vor dem Schreibtisch, starrte über ihn hinweg und fand keine Worte. Dann endlich gelang ihm die alte Regung und er ballte die Hände zu Fäusten, entspannte sie rasch, spreizte die Finger. Komui entging es nicht und ebenso gut wusste er einzuschätzen, was darauf folgen würde.

„Es handelt sich nicht um eine Bitte, sondern um einen Befehl“, erklärte er in ruhigem Tonfall. „Wir müssen nicht darüber diskutieren.“

Dumpf gingen Kandas Hände auf den Schreibtisch nieder und fieberhaft neigte er sich nach vorn, musterte Komui inständig und mit letzter Beherrschung.

„Pass auf, ich…“, die Stimme kam nur leise über seine Lippen, zitterte unter dem heftigen Atem, „… ich weiß, dass es nicht gut gelaufen ist in letzter Zeit aber hattest du noch nie einen schlechten Tag?“ Er strich sich hastig das Haar zurück, suchte den offenen Blickkontakt… und sah Komui schweigen. „Es war nur eine Anreihung von unvorteilhaften Geschehnissen und…“, seine Miene verhärtete sich bitter, „… mein Können hat nicht gelitten! Meine Fähigkeiten haben nicht nachgelassen!“

Er sprach aus, was ihn beherrschte, was ihn kränkte…

Es war unvorstellbar, diesem Befehl nachzugeben, sich so etwas wie Urlaub anzugewöhnen! Er las diesen Befehl als pure Kritik und sein ohnehin verletzter Stolz ächzte gepeinigt auf. Es musste andere Wege geben!

Doch Komui blieb bei seinem Schweigen, erwiderte seinen Blick offen und eisern.

„Ich“, keuchte er also, ohne lange auf eine mögliche Antwort zu warten, „bin einer der besten Exorzisten! Du kannst mich nicht lange entbehren!“

„Schwierig ist es schon“, gab Komui zu und tastete nach seiner Brille, um an ihr zu rücken. „Nur leider werde ich dazu gezwungen und letztendlich bleibt mir keine andere Wa...“

„Einen Tag!“, unterbrach Kanda ihn fieberhaft und er runzelte die Stirn. „Es reicht doch, wenn du mir nur einen Tag freigibst. Ich schlafe mich aus und…“

„Mindestens eine Woche.“ Nun war es Komui, der ihm ins Wort fiel. Seine Mimik offenbarte eine nachdrückliche Endgültigkeit und strikt verfolgten seine Augen, wie sich der Jüngere stockend aufrichtete.

„Eine Woche?!“ Pures Entsetzen sprach aus ihm und Komui blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.

„Und mit jedem weiteren Widerwort einen Tag mehr.“

„Nein!“

Ein strikter Widerspruch und Komui regte sich auf seinem Stuhl, rümpfte die Nase.

Mit Kandas Art hatte er bis zum heutigen Tag nur geringe Schwierigkeiten gehabt. Noch nie war sie so ungelegen gewesen und er richtete sich darauf ein, noch strikter werden zu müssen, um einer endlosen Debatte aus dem Weg zu gehen. Er hatte noch weitaus mehr zu tun und dennoch war es ihm wichtig, Kanda dort zu wissen, wo er ihn haben wollte. Hier und gemeinsam mit viel Ruhe.

„Kanda.“ Er nahm sich dennoch Zeit, sprach nachdrücklich auf ihn ein. „Ich habe zuerst an weitaus mehr Möglichkeiten gedacht und die Zwangsbeurlaubung ist noch das Geringste.“

„Wenn ich jetzt pausiere“, warf Kanda sofort verbittert ein, schien seine Worte nicht wahrgenommen zu haben, „dann wird es mir schwer fallen, mich wieder einzufügen!“

„Ich werde dir jede Zeit geben, die du dafür brauchst.“

Kanda machte den Anschein, als wolle er laut schreien. Seine Zähne knirschten aufeinander, ein Ächzen entrann ihm und abermals schüttelte er den Kopf.

Er wollte es nicht wahr haben!

Gab es denn gar keine Möglichkeit, dem zu entgehen?!

Er wandte sich ab, rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und blinzelte unter dem altbekannten Schwindel, den das Keuchen in ihm hervorrief. Komui verfolgte, wie er sich kurz darauf auf dem Schreibtisch abstützte.

„Du tust, als wäre das der Weltuntergang“, raunte er. „Du hast zugegeben, dass du dich überschätzt und Fehler begangen hast. Weshalb kannst du nicht auch das einsehen?“

„Weil das alles nicht meine Schuld ist!!“ Plötzlich fuhr Kanda zu ihm herum und er weitete die Augen unter der unvorhergesehenen Reaktion. Verblüffung trat in sein Gesicht und sobald sich Kanda der eigenen Worte bewusst wurde, geriet er ins Stocken. Seine Stimme brach ab, seine Lippen bewegten sich stumm und er starrte den Vorgesetzten an, als wünsche er sich, dieser hätte es nicht gehört. Doch er hatte es und die Verblüffung ließ rasch nach, als er sich nach vorn und mit dem Oberkörper über den Schreibtisch lehnte, sich den Jüngeren prüfend besah. Kurz sah es aus, als wolle er etwas erwidern, doch letztendlich stemmte er das Kinn nur auf die gefalteten Hände, holte tief Luft und verstrickte sich in ernsthafte Grübeleien. Noch immer wurde er angestarrt und laut schallte der keuchende Atem des Jüngeren in dem Raum.

„Denkst du…“, die leise Stimme holte Komui in die Realität zurück, ließ ihn blinzeln, „… dass ich freiwillig in dieser Lage bin…?“

Lange Zeit herrschte daraufhin erneute Stille, bis der Ältere einen geräuschvollen Atem ausstieß, die Hände sinken ließ und auf den Schreibtisch starrte. Pure Ernsthaftigkeit verlieh seinen Zügen Ausdruck, als er die Lippen aufeinander bewegte, noch immer den Blick des Anderen spürte. Die Wut schien Kanda verlassen zu haben und er wirkte zusammengesunken und ausgemergelt, wie er sich da auf den Schreibtisch stützte. Komui schien ebenso an einem Punkt angelangt zu sein, an dem ihm offensichtliche Entschlossenheit entrann. Er fand keine Worte, rückte ziellos an den Unterlagen und wurde sich der Tatsache bewusst, dass er Kanda noch nie in einem solchen Zustand erlebt hatte.

So aufgelöst… nur selten kam zum Vorschein, wie jung er eigentlich noch war.

Und deshalb… gerade deshalb wollte er die strikte Beendung des Gespräches zurücknehmen. Abermals schöpfte er Luft, stieß sie kontrolliert aus und zog sich die Brille von der Nase, um sich die Augen zu reiben. Es war eine gewisse Müdigkeit, die sich allmählich bemerkbar machte und er warf die Brille auf den Schreibtisch, stemmte den Ellbogen auf ihn und das Kinn in die Handfläche, um Kanda entspannt und zielstrebig ansehen zu können.

„Was ist passiert?“, stellte er dann die Frage, für die er selbst keine Lösung wusste. Und er erhielt die Antwort, auch wenn sie stumm war. Augenblicklich schloss sich der Mund des Jüngeren, erstarrt versiegte der heftige Atem und noch nie hatte Komui gesehen, wie man sich allein mit einer Mimik so derartig verschließen konnte. Etwaige Ausdrücke verblichen, bis eine verkrampfte Festigkeit zurückblieb, in der er ihn stumm ansah. Hier endete Kandas Offenheit und Komui musste zugeben, dass es die Antwort wohl nur in seiner Fantasie gegeben hatte. Dennoch zog er seinen Schluss daraus, zeigte mit einem Mal weniger Befangenheit.

„Kanda…“, raunte er und umschloss mit den Fingern das Kinn, „… pass auf.“

Es klang nach einem Entschluss und er offenbarte ihn schnell.

„Ich möchte, dass sich Bookman um dich kümmert.“

Die Worte schienen Kanda schmerzhaft zu treffen. Beinahe ohnmächtig blinzelte er, hob ziellos die Hand und das Einzige, was ihm vorerst gelang, war ein langsames jedoch entschlossenes Kopfschütteln.

„Ich meine es gut“, versuchte Komui ihn zu beruhigen. „Das ist keine Strafe.“

„Ich-brauche-Bookman-nicht!“ Der sture Zorn schien Kanda rasch wieder einzuholen und seine zitternde Hand unterstrich die Worte mit einer strikten Geste. „Das Einzige, was ich brauche, ist das, was ich bisher immer hatte!“

Seine Stimme erhob sich bebend, bis er Komui annähernd anschrie, doch dieser ließ ihn gewähren, ließ es außer Acht, dass gewisse Vorschriften nicht beachtet wurden. Und gleichsam versuchte er seine Ohren vor den Bitten zu verschließen und taub seinem Entschluss zu folgen. Er beging ganz sicher keinen Fehler. Er tat das Richtige und auch wenn sich Kanda nun sträubte, aus ihm unbekannten Gründen, früher oder später würde er es einsehen.

„Ich werde veranlassen, dass er dich untersucht, sich um dich kümmert.“

Kanda spürte es wieder… dieses brennende widerliche Gefühl der Angst, das ihm bei dem Gedanke zerfraß, eine Untersuchung über sich ergehen lassen zu müssen. Bookman war erfahren und gründlich… er würde etwas finden!

Er würde es herausfinden…!

Was ihm passiert war!

Was man mit ihm gemacht hatte!!

Diese Befürchtung pulsierte dumpf in ihm und er fühlte sich in die Enge getrieben, fixiert und eingekeilt, wie noch nie zuvor. Die Widersprüche entglitten seinen Händen. Er selbst realisierte, dass es nichts Produktives mehr war und nichts, das Komui umstimmen würde. Erschüttert erfassten seine Augen die Bewegung seiner Hand, wie sie sich zielstrebig auf das Telefon zu bewegte.

„Du kannst mich nicht dazu zwingen…!“, ächzte er beinahe lautlos und Komui presste nur die Lippen aufeinander. Es fiel ihm augenscheinlich selbst nicht leicht, als er den Hörer zum Ohr hob.

„Warte!“ Plötzlich brach es aus Kanda heraus. „Ich akzeptiere die Beurlaubung!“

Und mit jedem Wort, mit jeder neuen Verzweiflung, mit der sich Kanda selbst gegen eine einfache Untersuchung wehrte, brachte ihn der Sicherheit näher, dass genau diese Untersuchung von Nöten war. Er betätigte eine Kurzwahltaste und lauschte dem Freizeichen, ohne Kanda abermals anzusehen.

„Ich akzeptiere es!“, hörte er dessen Stimme erneut. Ungezügelt erhob die sich, entrann seiner Kontrolle und er schrie Komui an. „Ich akzeptiere, habe ich gesagt!!“

Die schlimmste Befürchtung… hier war sie und Kanda konnte sich nicht erklären, wie es dazu gekommen war. Seine Lunge schien sich zuzuschnüren und die weiteren Worte versiegten in seinem Hals, als Komui Luft holte, auf den Schreibtisch starrte.

„Bookman“, hob er an. „Sie sind bitte in zehn Minuten in Kandas Zimmer und unterziehen ihn einer allumfassenden Untersuchung.“

Er erhielt eine knappe Antwort und kurz darauf legte er wieder auf, rieb sich den Mund und lehnte sich zurück… und Kanda schwieg.

„Das war alles.“ Komui wirkte, als wäre er selbst froh, dass es geklärt war, dass er es hinter sich hatte. Er nickte Kanda zu, einfühlsam und doch strikt. „Du kannst gehen. Und du weißt, wohin.“

Nicht einmal ein Blinzeln gelang Kanda jetzt noch. Starr blieben seine Augen auf ihn gerichtet, erfassten ein kraftloses Lächeln und ein Nicken zur Tür.

„Du kannst gehen“, wiederholte Komui ruhig und plötzlich klopfte es an der Tür und er lehnte sich zur Seite, blickte an Kanda vorbei. „Ja, herein!“

Hinter Kanda öffnete sich die Tür, doch er drehte sich nicht um. Fassungslos verfolgten seine Augen die Bewegungen des Abteilungsleiters.

Hier sollte es also enden…?

Jetzt sollte es ans Licht kommen?

Für was hatte er sich gequält…?

Nur leise drangen die neuen Stimmen an seine Ohren. Soeben noch in ein Gespräch vertieft, betraten Lavi und Allen das Büro, waren hier hergeschickt worden. Doch sie verstummten, als sie den jungen Mann erspähten. Lavi schien es nicht zu überraschen, ihn hier anzutreffen und er senkte flüchtig den Blick, während Allen den Mund verzog.

Doch nicht etwa eine Mission zu dritt…?

Er ahnte Böses, als Lavi die Tür hinter ihnen schloss.

Und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Schreibtisch.

„Kanda“, erhob sich da Komuis Stimme erneut und diesmal recht nachdrücklich und der Angesprochene kämpfte noch immer gegen die Erstarrung. „Geh.“

Schritte… sie näherten sich ihm und als ihn eine Brise erfasste, erwachte er zu altem Leben. Fließend war seine Bewegung, in der er sich umwandte, den Neuankömmlingen den Rücken zukehrte und an ihnen vorbeizog, ohne sie ansehen zu müssen. Beide sahen ihm kurz nach und Allen ließ sich dabei etwas mehr Zeit, runzelte die Stirn und spürte nicht das Glücksgefühl, das er erwartet hatte. Ja, irgendetwas stimmte nicht und hinter seinem Rücken wurde ein aufgeklärter Blick getauscht. Nach den ersten Schritten verließ Kanda die Eile und er trottete vielmehr zur Tür, starrte auf den Boden und biss die Zähne zusammen.

„Walker, hier bin ich“, hörte er Komui in diesem Moment rufen und sofort wandte sich Allen ab, stand gerade.

„Verzeihung, tut mir leid!“

Stockend hob sich Kandas Hand zur Klinke und nur langsam drückte er sie hinab, während sich Komui bereits mit Lavi und Allen beschäftigte.

„Bereit für die nächste Mission?“

„Wir beide?“, erkundigte sich Allen und endlich öffnete sich die Tür und Kanda schob sich nach draußen. Auch dabei zeigte er keine Eile und scharf drifteten seine Augen zu Komui zurück, bevor er in den Gang trat, die Tür hinter sich schloss und die Hand von der Klinke löste. Sie zitterte, ballte sich zu einer festen Faust, sobald sie Freiheit genoss. Krampfhaft schlug sich die andere in den Stoff des Yukata, presste ihn bebend und seine Miene offenbarte, dass er viel zu unterdrücken hatte.

Was soeben hinter dieser Tür passiert war, musste er erst realisieren…

Und was ihn erwartete… WER ihn erwartete, wenn er jetzt in seinem Zimmer blieb…

Bitter schloss er die Augen, ein abgehaktes Keuchen entrann ihm und erschöpft ließ er sich nach vorn sinken. Leise traf seine Stirn auf die Tür und auch die Hände hoben sich zum Holz, setzten sich dagegen, strichen darüber hinweg und hielten inne, als Wortfetzen seine Ohren erreichten. Sie drangen von der anderen Seite der Tür zu ihm und er öffnete die Augen.
 

„Korea?“ Perplex ließ Allen die schwarze Mappe sinken, blickte auf. Neben Lavi saß er auf dem bequemen Sofa und während der Rothaarige lediglich umblätterte, sah er Komui an.

„Ganz recht“, erwiderte dieser und sein Verhalten bewies, dass ihm die Ablenkung durch die Instruktionen recht gelegen kam. Er wirkte konzentriert und schöpfte tiefen Atem. „Der Auftrag ist ebenso gefährlich wie dringlich und von großer Wichtigkeit.“

Allen hatte sich wieder in die Unterlagen vertieft und seine Mimik offenbarte ernsthafte Grübeleien, als er die Unterlippe mit den Zähnen erhaschte. Doch da begann sich Lavi neben ihm zu regen. Er richtete sich auf, schloss die Mappe.

„Der Noah-Clan?“, erkundigte er sich und Allen rümpfte die Nase.

„Bisher ist es lediglich ein Verdacht, doch wenn Akuma in Begleitung eines Menschen einen Angriff auf eine Stadt verüben, liegt es nahe, dass der Clan involviert ist und wir es hier mit einem der Mitglieder zu tun haben.“ Mit diesen Worten kam Komui auf die Beine, trat von dem Stuhl weg und zog eine der Karten hinab. Aufmerksam verfolgten Lavi und Allen, wie er sich selbst eine knappe Orientierung verschaffte und anschließend die Hand zu einem bestimmten Punkt hob. „Vor zwei Tagen überfielen die Akuma ein Dorf in der Nähe von der Stadt Changchun, die letzten Endes jedoch unangetastet blieb. Vor drei Stunden jedoch“, sein Zeigefinger glitt tiefer und er spähte zu den beiden Exorzisten, „begannen sie den Angriff auf die Stadt Pjöngjang, der bis jetzt noch anhält.“

Lavi rümpfte die Nase und Allen schloss die Mappe. Unterdessen wandte Komui der Karte den Rücken zu, verschränkte die Arme vor dem Bauch und trat an den Schreibtisch, an dessen Kante er sich lehnte.

„Möglicherweise erklärt ein Innocence das plötzliche Auftauchen. Das gilt es herauszufinden. Grundlos geschieht ein solcher Aufmarsch nicht. Alle Finder, die in der Gegend postiert waren, bezogen Stellung in Pjöngjang und tun jetzt ihr Bestes, um Widerstand zu leisten, doch die Verteidigung hält nicht mehr lange Stand. Deshalb ist es von einer solchen Dringlichkeit, dass ihr unverzüglich aufbrecht.“ Komui sah bereitschaftliches Nicken, zögerte jedoch. Es schien ihm noch etwas auf der Zunge zu liegen und er presste die Lippen aufeinander, bevor er tief Luft holte. „Wir haben versucht, alle Exorzisten, die Pjöngjang in kurzer Zeit erreichen könnten, zu benachrichtigen. Einige konnten wir nicht von ihren Aufträgen lösen, da diese selbst zu wichtig sind. Ihr werdet also die ersten sein, die dort eintreffen und könnt nicht sofort auf tatkräftige Unterstützung bauen. Seid bitte vorsichtig“, eindringlich sah Komui die Beiden an, „vor allem, wenn ihr wirklich einem Noah begegnen solltet. Die Treffen, die bisher zwischen ihnen und den Exorzisten zustande kamen, waren fatal und folgenschwer. Die Sicherung des möglichen Innocence oder das Herausfinden anderer Gründe ist eure Priorität. Und wenn ihr einem Kampf aus dem Weg gehen könnt, ohne, dass es die Erfüllung des Auftrages behindert, dann tut es bitte.“

„Das werden wir.“ Lavi war einverstanden, doch Allen runzelte die Stirn, bettete die Mappe auf dem Schoß und rückte sich kurz zurecht.

„Kommt Kanda nicht mit?“, erkundigte er sich nach einem kurzen Grübeln und Lavi lugte zu ihm. „Ich meine, die meisten Exorzisten sind derzeit unterwegs aber er ist da und ich denke, er wäre sehr hilfreich.“

Hilfesuchend erwiderte er Lavis Blick, doch dieser wandte sich nach vorn, sein Auge suchte nach Komui und dieser löste sich vom Schreibtisch, griff nach seiner Tasse und nahm seinen alten Platz auf dem Stuhl ein.

„Kanda…“, hob er an und nippte an seiner Tasse. „… hat sich Urlaub genommen.“

„Hah?“ Allen legte irritiert den Kopf schief und Lavi streckte die Beine von sich, wirkte durchaus erleichtert und war Komui in dieser Angelegenheit recht ähnlich. Es brachte ein gutes Gefühl mit sich, Kanda sicher zu wissen und Komui nahm gleich noch einen Schluck, bevor er die Tasse abstellte.

>Urlaub trotz solcher Dringlichkeiten?< Allen kratzte sich am Kopf. >Das geht? Muss ich mir unbedingt merken.<

„Also.“ Komui lehnte sich zurück. „Ihr solltet jetzt aufbrechen. Euer Zug fährt in“, seine Augen suchten nach der Uhr, „einer knappen Stunde. Den Früheren bekommt ihr wohl nicht mehr.“

„In Ordnung.“ Sofort kam Lavi auf die Beine, klemmte sich die Mappe unter den Arm und trat hinter dem Sofa hervor. Auch Allen war aufgestanden und er schien noch immer über den Urlaub zu grübeln, während er Lavi folgte. Schweigend sah Komui den beiden nach, schöpfte tiefen Atem und faltete die Hände auf dem Bauch. „Seid vorsichtig. Wir können diesen Feind noch nicht ausreichend einschätzen, um zuviel aufs Spiel zu setzen.“

„Wir werden aufpassen“, versprach Lavi und nach einem allgemeinen Nicken machten sich die Beiden auf den Weg zur Tür. Schweigend gingen sie nebeneinander und Komuis Blick driftete in Richtung der Zimmerdecke. In ihm schienen sich gemischte Gefühle zu tummeln und als die beiden Exorzisten die Türe erreichten, lugte er zu ihnen.

>Ein Noah also.< Lavi war nicht wohl bei dem Gedanke und die Befürchtungen spiegelten sich in seinem Gesicht wider, als er nach der Klinke griff, jedoch in etwaigen Bewegungen inne hielt und zur Seite trat, da sich die Tür bereits öffnete. Auch Allen wich ihr gekonnt aus und Komui richtete sich im Stuhl auf, als sie Bookman erkannten, der das Büro betrat. Den Arztkoffer entspannt in der einen Hand, die andere auf die Klinke, musterte er die Anwesenden knapp, bevor er sich an Komui wandte. Dieser hatte die Augenbrauen gehoben und erwiderte seinen Blick erwartungsvoll.

„Kanda ist nicht in seinem Zimmer“, erklärte er daraufhin, löste die Hand von der Klinke und trat in den Raum. „Ebenso wenig seine Uniform und seine Waffe.“

Komuis Miene offenbarte eine knappe Regung. Es kam unerwartet… und schockierend und flüchtig weiteten sich seine Augen, bevor seine Mimik ebenso erstarrte, wie seine Haltung und während Allen die Stirn runzelte, rieb sich Lavi den Mund. Er grübelte angespannt, suchte nach Worten und wandte sich letztendlich an Bookman.

„Solltest du ihn untersuchen?“, erkundigte er sich perplex und der Angesprochene stellte den Arztkoffer ab, verbarg die Hände in den langen Ärmeln und fixierte sich auch weiterhin auf Komui, der noch immer nicht zur Regung zurückgefunden hatte.

>Mein Gott.< Er fand die Fähigkeit des Sprechens nicht sofort, schüttelte lediglich den Kopf in völligem Unverständnis und griff nach dem Kaffee. Seine Finger umschlossen den Griff, hoben die Tasse jedoch nicht an… verharrten reglos, während Allen nicht imstande war, all das zu begreifen… nicht die Gefahr zu sehen… nicht die Tatsachen… und Lavi stieß ein leises Stöhnen aus, rieb sich die Stirn.

„Und was genau hat das zu bedeuten?“, erkundigte er sich, als er die Hände sinken ließ, flüchtig und unentschlossen mit ihnen gestikulierte.

„Vermutlich, dass ihr in Pjöngjang doch auf eine jähe Unterstützung hoffen könnt.“ Die Empörung über die Befehlsverweigerung war Komui noch immer anzusehen und er bewegte stumm die Lippen, verzog das Gesicht und zwang sich zur alten Fassung. Er wurde sich der alten Dringlichkeit bewusst. Ebenso, dass es nun nicht an der Zeit war, lange zu grübeln… dass ihnen kein Moment blieb und rasches Handeln von Nöten war. „In Ordnung“, stieß er kurz darauf aus und hob die Tasse. Er rang sichtlich mit der Empörung, nahm einen raschen Schluck und schüttelte abermals den Kopf. Dass es so weit kam, hätte er nicht vermutet, nicht geglaubt und nicht gehofft. Wie schnell Folgsamkeit nur umschlug, wenn Persönliches ins Spiel kam?

„Ihr macht euch jetzt auf den Weg und wenn er wirklich in Pjöngjang auftaucht, teilt ihr ihm in meinem Auftrag mit, dass er unverzüglich zurückzukehren und mit Konsequenzen zu rechnen hat.“

„Und wie hoch stehen die Chancen, dass er auf uns hört?“, warf Lavi skeptisch ein, doch Komui hob lediglich die Hand.

„Sagt es ihm einmal und haltet euch nicht mit ihm auf. Konzentriert euch auf den Auftrag und nicht darauf, ihn zur Vernunft zu bringen.“ Somit lehnte er sich zurück, presste die Lippen aufeinander und starrte vor sich auf den Schreibtisch. „Das schafft derzeit scheinbar niemand“, fügte er flüsternd hinzu und Lavi setzte sich wieder in Bewegung. „Lavi, Allen“, fuhr er da plötzlich unerwartet fort und als die Beiden sich umwandten, hielt Komuis Hand die Tasse fest umschlossen, presste sie. „Wenn ihr ihn seht“, erhob er abermals die Stimme und tat dies ausdrücklich. Ein leichtes Zucken durchzog seine Miene, als er die beiden Exorzisten unnachgiebig taxierte, „… dann passt um Himmels Willen auf, dass er nicht auf den Noah trifft!“

Schweigend erwiderte Lavi den Blick seines Vorgesetzten.

>Verheerend.< Das war das Wort, welches sofort in ihm zum Leben erwachte.

Wenn selbst ein Level 2 Probleme bereitet hatte…

Es war unvorstellbar und er brachte ein entschlossenes Nicken hervor. Komui senkte den Blick und Allen wurde weitergezogen. Stumm dirigierte Lavi den Jüngeren mit sich und setzte den alten Weg fort.

>Wozu zur Hölle habe ich mir solche Gedanken gemacht?< Es nagte ebenso gefräßig an ihm, wie die alten Sorgen, die er glaubte, hinter sich gelassen zu haben. >Seit wann wagt er es, sich Komui zu widersetzen! Wenn er so weitermacht, werden seine augenscheinlichen Probleme schnell von denen unterjocht, die Komui ihm machen wird!<

Seine Miene war verbittert, als er den Raum verließ. Allen folgte ihm irritiert, schloss die Türe hinter sich und holte rasch auf.

„Was hat das alles zu bedeuten?“, fragte er durchaus aufgeregt und der Ältere rieb sich den Nacken.

„Ich würde einiges geben, um das zu erfahren.“
 

Gemächlich setzte Bookman den Arztkoffer auf dem Sofa ab, trat um dieses herum und hielt vor dem Schreibtisch inne. Seine Mimik zeigte kaum eine Regung, als sich Komui flüchtig das Gesicht rieb, sich eine knappe Orientierung auf seiner Arbeitsfläche verschaffte.

„Bookman.“ Nachdem er einen Stapel zur Seite geschoben hatte, richteten sich seine Augen auf den Älteren. „Sie holen die Untersuchung nach, sobald Kanda zurückkehrt. Wir werden leider drastischere Methoden anwenden müssen. Nur bereiten Sie sich bitte darauf vor.“ Ein Nicken genügte ihm als Antwort und er erwiderte es still, griff nach dem Telefon. „Bitte bleiben Sie noch, es gibt noch etwas anderes zu besprechen.“ Somit hob er den Hörer zum Ohr, wählte eine Nummer und nahm einen Füller zur Hand. Sich mit einer kleineren Mappe beschäftigend, lauschte er dem Rufsignal und klickend löste sich die Hülle des Füllers, als er sie mit dem Daumen bearbeitete. „Hier Komui“, hob er dann an und begann beiläufige Notizen. „Ich habe ihnen drei Exorzisten geschickt. Wie ist die derzeitige Lage?“
 

~*to be continued*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-03-05T14:05:25+00:00 05.03.2011 15:05
Oh man,ich weiß nicht wie ich das Kapitel finden soll.
Das war voll dramatisch und traurig.
Als Komui so mit Kanda geredet het das war so *HEUL*
Von: abgemeldet
2011-02-26T12:28:58+00:00 26.02.2011 13:28
Armer Kanda!!!! ;x;
Von: abgemeldet
2009-01-09T12:01:54+00:00 09.01.2009 13:01
Das Kapitel war auch der wahnsinn! das Gespräch mit Komui, da tat mir Kanda total leid aber ich denke,so könnte komui echt reagieren. Das sah ihm voll ähnlich, auch wie er besorgt ist und versucht, selber zu helfen und Kanda,dem es fast rausrutscht! Als ich das gelesen habe,war ich voll aufgeregt und mich echt gefragt,was er jetzt macht. °-°
Das war dann aber so klar,dass er abhaut. Die Untersuchung hätte er ja nie über sich ergehen lassen, obwohl bookman bestimmt gar nichts gesehen hätte. -_- Drama,drama,dramaaaa!


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