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Tell me the best way I could kill you & Back to reality

~ Yu Kanda x Tyki Mikk~
von

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~7~

Die letzte Tür stieß er auf und schob sich durch sie in die Dunkelheit der Nacht hinaus. Er hielt nicht inne, blickte nicht zurück, als er sich sprintend von dem finsteren Turm des schwarzen Ordens und gleichsam von dem hoch hinauffragenden Fels entfernte und in die Dunkelheit des nächtlichen Waldes eintauchte. Die Hast saß ihm im Nacken, seitdem er sich von Komuis Tür losgerissen und sein Zimmer aufgesucht hatte. Nur kurz und das Mugen hielt er noch in der Hand, während er zwischen den breiten Stämmen hindurchjagte, unterdessen gar noch den oberen Knopf der säuberlichen Uniform schloss. Kein einziges Mal suchten seine Augen den zurückgelegten Weg, kein einziges Mal den Ort, an dem er nun hätte sein sollen. Alleine das, was vor ihm lag, fand seine vollendete Beachtung und er setzte über einen Hügel hinweg, stieß sich ab und sprintete weiter.

Es war ihm nicht bewusst, was er tat… weshalb sich sein Körper in einer solchen Hast bewegte und er etwaiges Pflichtbewusstsein gegenüber Befehlen über Bord warf. Er hatte schnell reagiert, aus reinem Reflex sein Ziel geändert und nun war er hier und nicht mehr weit von der Zivilisation entfernt… vom Bahnhof, den er umgehend erreichen musste. Der Weg, den er zu beschreiten hatte, lag deutlich vor ihm und der Vorsprung war ihm gewiss.

Hastig schob er sich durch ein Gebüsch, stolperte auf eine kleine Lichtung hinaus und ertappte sich endlich dabei, wie er sich umdrehte, keuchend in die Dunkelheit des Waldes zurückstarrte. Verfolgte man ihn…? Er wusste es nicht, konnte nicht schätzen, wollte nicht raten, denn letztendlich waren all die Versuche umsonst und wie weit Komui zu gehen gedachte, um seine Befehle durchzusetzen, hatte er bislang noch nie erfahren müssen. Aufmerksam tasteten sich seine Pupillen über die Stämme, seine Ohren suchten nach ungewöhnlichen Geräuschen und mit einer abwesenden Bewegung schlug er den Kragen der Uniform um und hob das Mugen, um es sicher auf dem Rücken zu verstauen. Er hielt jedoch nicht lange inne und sobald die Waffe festen Halt hatte, wandte er sich ab, setzte sich in Bewegung und erreichte nach wenigen Schritten einen schmalen Pfad aus Pflastersteinen, der ihn in die kleine Stadt und somit zu dem Bahnhof brachte.

„… lediglich ein Verdacht…“, die Stimme Komuis drang in sein Gedächtnis, rauschte in seinen Ohren, als würde sie sich erst zu diesem Zeitpunkt erheben. Seine Miene durchfuhr ein Zucken und laut hallten seine raschen Schritte auf dem trockenen Gestein, „… liegt es nahe, dass der Noah-Clan involviert ist und wir es hier mit einem der Mitglieder zu tun haben.“

>Noah… Noah…!< Das Wort raste durch seinen Kopf gleich einer Endlosschleife, ließ ihn unter einem eisigen Schauer des Zorns erbeben und das alte Tempo aufnehmen. Sein Atem brach sich an den steinernen Wänden der Häuser, als er den Wald verließ und die kleine Stadt durch eine Gasse betrat. Eilig tauchte er in sie ein, folgte seinem Pfad ohne den geringsten Umweg.

… „Tyki heiße ich…“ Wieder der Klang der bekannten Stimme, die sich schwelgend und entspannt erhob. Als stünde er vor ihm…!

Gehetzt änderte er die Richtung, umging einen nächtlichen Spaziergänger und bog in eine schmale Nebenstraße ein. Etwaige Erinnerungen an das Geschehene, die ihn als graue Fetzen in Alpträumen übermannten, ihn quälten… ihn zu einem anderen machten…

Wie könnte er in diesen Augenblicken in seinem Zimmer sitzen…?

Ja, wie könnte er?!

Wenn ihm die Möglichkeit geboten wurde, all das zu bereinigen, was geschehen war?!

Das große Gebäude des Bahnhofes tauchte vor ihm auf und er rannte die letzten Meter, sprang die Stufen hinauf und betrat die Halle. Sogleich flüchteten sich seine Augen über die dort stehenden Züge und die Anzeigen.

Ein Strom riss ihn mit sich, stets in eine Richtung… hin zu einem Ziel: Pjöngjang!

Und er ließ sich treiben. Der Zorn nagte ebenso gefräßig an ihm, wie die Verbitterung und die Stunden der Reise würden eine weitere Qual darstellen, die er zu ertragen hatte.

Er musste zum westlichen Zipfel Japans gelangen und dort zu einer Fähre, die ihn ans andere Festland, nach Südkorea brachte. Und selbst dann… vor dem Morgengrauen war dieser Weg nicht zu bewältigen. Eiligen Schrittes ließ er einen Zug nach dem anderen hinter sich, bis er inne hielt, eine Anzeige studierte und sogleich zu dem Steig abbog. Es war der richtige Zug und er fuhr gleich ab. Die erste Tür riss er auf und mit einem Satz stand er im Wagon, schöpfte tiefen Atem und musterte die wenigen Reisenden, die bereits auf den Bänken Platz genommen hatten. Schweigend saß eine ältere Frau an einem der Fenster, blickte gedankenverloren hinaus, während ein Geschäftsmann müde in einer Zeitschrift blätterte. Nur knapp musterte er die Beiden, als er schon das Signal vernahm und sich der Zug kurz darauf mit einem leichten Ruck in Bewegung setzte. Sein Herz raste noch immer unter der Rastlosigkeit, stoßweise fiel sein Atem und er schloss kurz die Augen, bevor er sich in Bewegung setzte, an den beiden Reisenden vorbeizog und sich eine abgelegene Kabine suchte.

Er benötigte Ruhe… Entspannung und etwaige Kraft, die er in seinem Zustand tanken konnte. Kontrolliert wirkten seine Schritte, zielstrebig seine Bewegungen und die erste Kabine war leer und somit bestens geeignet. Er schob sich durch die Tür, griff unterdessen nach seinem Schwert und zog es hervor. Auch auf die gepolsterte Bank ließ er sich sinken, streckte beide Beine von sich und lehnte sich zurück. Das Mugen fand neben ihm Platz und während das leise Rattern der Räder die Kabine erfüllte, schloss er die Augen, schöpfte tiefen Atem und konzentrierte sich darauf, zur Ruhe zu kommen.

Es kam ihm vor, als wäre er von einem Ort zum nächsten versetzt worden. Ohne Schritte, ohne Zeit zu vergeuden. Den Weg hierher hatte er kaum bewusst wahrgenommen, wohl auch, da seine Gedanken in alle Richtungen stoben, sich von dem einen Mann beherrschen ließen, ihn antrieben und jagten, als wäre er der leibhaftige Tod, dem ein jeder zu entrinnen versuchte. Er war gerannt… nun war er hier und vor seinem geistigen Auge noch immer in jenem Zimmer, in jenem Büro, in welchem er intensiv gemustert wurde. Wie ein verletztes Tier, welches sich aggressiv in der Ecke räkelte, in welches es gedrängt worden war. Es ähnelte einer Tragödie, dass Komui ihn ansah, als würde er auf einen Menschen blicken, der nach Hilfe schrie und diese umso nötiger hatte.

… „Was ist passiert?“

Allein diese Frage… es hatte es kaum ertragen… es kaum geduldet und sich vor sich selbst erschreckt. Wo war die Fassung gewesen? Wo die Festigkeit? Was für eine arglistige Ironie, der er zum Opfer fiel, indem er sich zum einzig wichtigen Zeitpunkt so aufführte, wie er es vor allen anderen unterbunden hatte.

Eine leichte Regung erfasste sein Gesicht und abwesend kamen seine Pupillen zum Vorschein, richteten sich auf die gegenüberliegende Wand der Kabine.

Hier fühlte er sich sicher und all die Zweifel, die man an ihm hegte, all die Verdächtigungen, die durchaus begründet waren, ließ er hinter sich. Mit jedem Augenblick mehr und mehr. Ja, hier war er nicht mehr erreichbar. Nicht erreichbar für die Realität des schwarzen Ordens, für die Gesetze… Komuis Zorn… und all die Konsequenzen, die er so oder so über sich ergehen zu lassen hatte. All das lag hinter ihm und vor ihm möglicherweise die einzige Möglichkeit, das Richtige zu tun.

Eine fragwürdige Rache und doch der beste Weg, zu verarbeiten… abzuschließen.

… „Bring zu Ende, was du angefangen hast!“

Worte, die oft über seine bebenden Lippen gekommen waren, bevor…

Kanda schloss die Augen, sein Kopf sank zur Seite und kurz rang er mit sich, bevor er hinaus in die tiefe Dunkelheit der Nacht starrte, die hellen Lichter der Lampen verfolgte, die an ihm vorbei glitten. Eine späte Entspannung schien ihn zu erreichen, seinen Körper wohltuend zu durchfluten und unauffällig zog ein Grinsen an seinen Lippen.

>Wenn du es nicht tun willst, Tyki… Wenn du es nicht zu Ende bringen willst… dann werde ich es tun!<
 

„Mm.“ Konzentriert lehnte sich Lavi zu dem Plan, durchmusterte ihn jedoch schnell unzufrieden. Ja, den Zug hatten sie wirklich verpasst und Allen verschränkte die Arme vor dem Bauch, während sich Timcanpy auf seinen Kopf sinken ließ, es sich in seinem Haar gemütlich machte. Auch er lugte zu dem Plan und schnell verstand er Lavis Stimmung.

„In einer Stunde?“, murmelte er durchaus ungläubig und der Ältere kratzte sich am Kopf, während er sich abwandte. „Sagte Komui nicht…“

„Sagte er“, unterbrach Lavi ihn stöhnend. „Aber da muss er wohl etwas verwechselt haben.“

„Oh.“ Der Jüngere verzog die Miene und blickte sich nachdenklich um. „Und gibt es keine andere Möglichkeit, zur Fähre zu kommen?“

„Darauf würde ich nicht hoffen.“ Dennoch schien Lavi zu grübeln und kurz darauf schlenderte er los, nahm die einzelnen Anzeigen unter die Lupe. Allen folgte ihm. „Vielleicht könnten wir einen der Züge hier nehmen und umsteigen?“

„Und wo?“ Allen schien nicht so überzeugt und auch Lavi verwarf diese Idee ebenso schnell, wie sie ihm gekommen war. Kurz blieben die Beiden stehen, bis sich der Ältere auf eine nahe Bank sinken ließ, stöhnend die Beine von sich streckte und die Arme über die breite Lehne schob.

„Ich denke, wir sollten doch warten.“

„Wäre wohl sicherer.“ Vor ihm blieb Allen stehen und rümpfte die Nase. „Wir werden so oder so ziemlich spät kommen. Hoffentlich nicht zu spät.“

„Mm.“ Lavi verdrehte die Augen. Der Kopf wurde ihm schwer und er legte ihn auf der Lehne ab, starrte hinauf zur hohen Decke der Bahnhofshalle. Kurz schwiegen sie, bis er die Miene verzog, die Lippen schürzte. „So oder so“, seufzte er und Allen lugte zu ihm, „wir haben wohl Glück im Unglück, dass Yu vor uns da sein wird.“

„Du meinst, er hat den richtigen Zug noch bekommen?“ Der Jüngere sah ein stummes Nicken und ließ sich ebenfalls auf der Bank nieder. Für wenige Momente saßen sie reglos dort und gingen ihren eigenen Gedanken nach. Das Auge nach oben gerichtet, schien Lavi es bequem zu haben, doch Allen wirkte, als beschäftige ihn etwas und er hielt das Schweigen nicht mehr lange durch, nachdem die Frage zu einem kleinen Quälgeist geworden war. Er kratzte sich an der Nase, holte tief Luft und lugte zu Lavi, der auf der Unterlippe knabberte.

„Darf ich fragen, was gerade eigentlich los ist?“, erhob er unsicher die Stimme und Lavi ließ den Kopf zu ihm sinken, sah ihn an. „Ich kenne Kanda nicht annähernd solange wie du, habe aber trotzdem bemerkt, dass in letzter Zeit etwas mit ihm nicht stimmt. Und jetzt ordnet Komui eine Zwangsuntersuchung an und… na ja…“, er zuckte hilflos mit den Schultern, „… Kanda verschwindet einfach. Ich hätte nie gedacht, dass er sich Komui widersetzen würde.“

„Mm.“ Lavi wandte den Blick ab, richtete ihn hinauf aufs alte Ziel und rückte sich kurz zurecht. „So ist er eigentlich auch nicht… aber für alles gibt es ein erstes Mal.“

„Für so etwas sollte es kein erstes Mal geben“, murmelte Allen nachdenklich und Timcanpy spreizte die Flügel, begann sich auf seinem Kopf zu regen. „Irgendwie… mache ich mir wirklich Sorgen.“

„Mm.“ Wieder war es nur ein ungewisses Brummen, das Lavi hervorbrachte. Es zeugte von Unentschlossenheit, doch seine Miene bewies, dass derzeit weitaus mehr in ihm vorging. „Leider kann ich dir da auch nicht helfen… ich weiß nicht vielmehr, als du und letztendlich können wir es wohl nur Komui überlassen.“

Daraufhin holte er tief Luft und blähte die Wangen auf.

Seit einiger Zeit wünschte er sich, dass diese Worte der Wahrheit entsprächen… dass er wirklich nur soviel wusste, wie er vorgab. Es war nicht einfach… und Allen senkte die Lider, seufzte leise.

„Aber haben wir nicht auch die Pflicht, etwas aufeinander aufzu… au!“ Er zuckte zusammen, als Timcanpy eine seiner Strähnen zu fassen bekam und an dieser zerrte. Abermals lugte Lavi zu ihm. „Tim… lass das.“ Gequält beugte sich Allen nach vorn, als der Golem nach der nächsten Strähne schnappte und er blind nach ihm tastete. „Was ist denn mit dir los? Aua… nicht da… Tim…!“

Er war plötzlich sehr damit beschäftigt und Lavi nutzte den Moment, um die alte Schweigsamkeit aufzubauen und sich vor weiteren Antworten zu drücken. Das Ächzen des Jüngeren verstummte, als er das Auge schloss und in Gedanken versank.

Er wusste nichts darüber…?

Nun, leider wusste er viel und mit jeder Einsicht, jedem Verdacht, sehnte er sich danach, dass all seine Vermutungen nicht der Wahrheit entsprachen.

Doch es war offensichtlich gewesen und er erinnerte sich zurück… zurück an die Mission, die sie gemeinsam bestritten hatten. An die Stadt, in der es nur noch sie und den Akuma gab. Die dürre schwarze Gestalt, die er letztendlich durch eine Hausfassade schmetterte. Ein ungeplanter Angriff, um Kanda das Leben zu retten…

Doch dann?

Er spürte, wie sich eine Gänsehaut auf seinen Armen bildete. Das Erlebte beschäftigte ihn noch immer, mehr, als er es sich zugestand und bei jeder Bewegung, jedem Atemzug zumindest unbewusst. Es war nichts gewesen, das man mit Erklärungen leicht abtun konnte, nichts, womit sich einfach umgehen ließ. Und der Schreck, den die Momente inne hatten, ließ seine Erinnerungen deutlich werden, so klar und detailliert, dass es annähernd quälend war.

Das gepflegte Haar, stets zu dem straffen Zopf gebunden…

Wie wirr hatte es auf seinem Gesicht gehaftet.

Die dunklen Augen, immerzu stolz und präzise…

Welch eine Panik hatte sie durchstochen… welche abgrundtiefe Furcht.

Das Gesicht, das mit gesunder Farbe seine vollendete Bereitschaft bewies…

Wie bleich war es gewesen… wie leichenfahl.

Die Hände, dauerhaft war ihr Griff um das Mugen eisern gewesen…

Wie hatten sie gezittert.

Die Bewegungen, fortwährend kontrolliert und stark…

Wie waren sie ihm entglitten.

Alles war ihm entglitten und ebenso hatte sich Lavi gefühlt. Allein durch den Anblick einer jeden Kontrolle beraubt und annähernd betäubt, als sich die einst so ausdrucksvolle Stimme bebend und zitternd erhob, selbst dem eigenen Keuchen unterlag.

… „Fass mich nicht an!!“

Wie hysterisch sie gewesen war… ein Flehen, als ob es um Leben und Tod ginge.

Lavi war erschaudert und er spürte die alte Furcht erneut, als sich die Lehne der hölzernen Bank unangenehm in seinen Nacken drängte und er sich abermals zurecht rückte.

„Hör auf…“

Wie schnell hatte sie an Kraft verloren… der letzte Widerstand, bevor er auf seine Hände starrte, auf das Blut, welches über seine Haut rann.

Ein Irrsinn, der abscheuliche Wurzeln haben musste. Ein Geschehnis… so erbarmungslos… so seltsam, dass er es nicht für möglich gehalten hätte. Und er scheute sich davor, sich genauere Fragen zustellen.

Wie war es passiert?

Wann…?

Und wer trug die Schuld?

Wer verfügte über die nötige Kraft, um Kanda zu überwältigen… ihn in eine solche Lage zu bringen?

Er spürte die Trockenheit in seinem Mund, schluckte schwer und presste die Lippen aufeinander. Durchaus leichter fiel es ihm, die Schlüsse mit der Gegenwart zu verbinden, sich etwas von dem Gebiet zu entfernen, in welches er sich nicht wagte.

Welcher Reiz war stark genug, um Kanda den Befehl vergessen zu lassen? Was lockte ihn, was zwang ihn, seinen eigenen Weg zu gehen, obwohl ihm ein anderer befohlen wurde?

Er öffnete die Augen, zielstrebig suchten sie nach der schwarzen Mappe, die zwischen ihnen lag und schweigend griff er nach ihr. Allen beschäftigte sich unterdessen mit Timcanpy und so war ihm jede Zeit gegeben, einen ruhigen Blick in die Mappe zu werfen, sich in den einen Satz zu vertiefen, der dort geschrieben stand. Und er las ihn oft.

„ … und möglicher Weise Beteiligung des Noah-Clans vor Ort…“

Grüblerisch driftete sein Auge über die Schrift und er holte tief Luft, als er die Mappe sinken ließ, auf einen der Züge starrte.

Ja, wer trug die Schuld?

Und wer verfügte über die nötige Kraft, Kanda zu überwältigen?

Er schürzte die Lippen, verzog die Miene.

>Ein Noah…?<
 

Lange hatte er gewartet… Stunde um Stunde, bis er sich von der Bank erhob und die Kabine verließ. Das erste Ziel war erreicht und als er einen knappen Blick auf eine Uhr warf, konnte er mit dieser Fahrt doch zufrieden sein. Sie war ohne Komplikationen verlaufen und selbst Schlaf hatte er gefunden. Wenn auch nur kurz, ihn beherrschte das Gefühl, allem gewachsen zu sein, was auf ihn wartete und seine Miene offenbarte nicht, dass sein allgegenwärtiger Begleiter eine schwere Last war. Noch ehe der Zug zum völligen Stillstand gekommen war, öffnete er die Tür und sprang auf den Steig hinab. Kühle Nachtluft umspielte ihn und er schöpfte tiefen genüsslichen Atem, bevor er sich umblickte, sich eine knappe Orientierung verschaffte und rasch für einen Weg entschied. Der Hafen war nicht mehr fern und er vergeudete keine Zeit, setzte sich in Bewegung und verließ die verlassene abgelegene Station. Noch ehe seine Schritte auf der steinernen Treppe hallten, setzte sich der Zug wieder in Bewegung und nach kurzer Zeit fand sich Kanda in einer Stadt wieder, in der für diese späte Stunde noch weitaus mehr Treiben herrschte, als zu erwarten war. Es musste ein Fest sein, welches hier abgehalten wurde und seine neu aufgekommene Hast wurde von Menschenmassen ins Stocken gebracht. Auf Umwege wollte er sich nicht einlassen, keinen Moment verschwenden, in welchem die Fähre früher ablegen konnte. So drängte er sich also durch die Massen, begleitet von Stimmengewirr und dem Krawall einiger Musikanten, die die Menschen erheiterten. Gerüche drängten sich ihm auf, lautes Lachen schlug ihm entgegen und verbissen folgte er seinem Weg, bis er das nächste Ziel erreichte und ihm eine weitere positive Wendung zugute kam. Kurz vor der Abfahrt gelangte er auf das Schiff und die Überfahrt würde weitaus weniger Zeit in Anspruch nehmen, als der Zug. Die Reise gestaltete sich einfacher, als er erwartet hatte. Keinen Vorteil beanspruchte er für sich, keine glücklichen Zufälle. Es wäre vermessen, nach solchen Zeiten diesen Träumen nachzueifern und als er sich auf eine Bank niederließ und im leichten Schwanken des Schiffes abermals die Augen schloss, erweckte es für ihn annähernd den Anschein, als würde ihm ein weiterer Erfolg zuteil. Als gäbe es triftige Gründe, dass er an sein Ziel gelangte und dies möglicherweise rasch und pünktlich.
 

„Wie lange fahren wir jetzt noch?“ Müde stemmte Allen die Wange in die Handfläche, unterdrückte ein Gähnen und wandte sich das erste Mal seit langem vom Fenster ab. Ihm gegenüber saß Lavi tief in das Polster gerutscht und öffnete nun das Auge. Seit einiger Zeit saßen sie nun im richtigen Zug und die Fahrt schien sich in eine endlose Länge zu ziehen.

„Noch eine Weile.“ Der Ältere versuchte sich ein Bild der Umwelt zu machen, doch die Dunkelheit versperrte ihm eine jede Sicht und letztendlich zuckte er nur mit den Schultern. „Versuch doch einfach, etwas zu schlafen. Wir werden wahrscheinlich all unsere Kräfte brauchen, um den Auftrag zu erfüllen.“
 

Lange schwankte das Schiff unter dem leichten Wellengang, bevor endlich die Lichter des Hafens in weiter Ferne auftauchten. Erst undeutlich, gewannen sie rasch an Kraft und keine halbe Stunde später, dockte das Schiff an. Stunden um Stunden vergingen während der Reise und Kanda ließ sich keine Zeit, verließ das Schiff als einer der ersten und hielt dennoch inne, als er einen kleinen Platz vor sich sah. Auf der anderen Seite dunkle Häuser, die sich aneinander reihten und er entschloss sich schnell, gar nicht erst nach dem Bahnhof zu suchen. Vermutlich war es eine Frage von Minuten und so wandte er sich an den ersten, der seinen Weg kreuzte. Der nächste Bahnhof war zu erreichen und nach der knappen Beschreibung des Herren nicht sehr weit entfernt. Zielstrebig und raschen Schrittes folgte Kanda dem vorgegebenen Pfad und wirklich erreichte er nach kurzer Zeit ein Gebäude, das ganz nach seinem Ziel aussah. Die beiden Steige waren verlassen, als er sie betrat, sich unter der Überdachung hielt und an einen der Pläne herantrat. Höchstwahrscheinlich würde er nicht nahe genug an Pjöngjang herankommen, um sich einen langen Fußweg zu ersparen, doch letztendlich war es ihm angenehmer, wenn die Zeit von seiner eigenen Schnelligkeit abhing. Nur kurz überblickte er den Plan, runzelte die Stirn und lugte zu einer der Uhren. Es war kurz nach Mitternacht und viele Züge gab es um diese Zeit nicht. So würde der nächste auch erst nach einer gewissen Wartezeit diesen Bahnhof passieren. Nur wenige Minuten und doch wenige Minuten zuviel, die er hier stehen und seinem Ziel entgegenfiebern würde. Und anschließend…? Er kehrte dem Plan den Rücken, verschränkte die Arme vor dem Bauch und nahm sich Zeit, die kühle Nachtluft zu genießen. Weitere vier Stunden Fahrt. Tief atmete er ein, versuchte sich eine gewisse Ruhe anzueignen und begann nach wenigen Augenblicken einen ziellosen Spaziergang, der ihn kreuz und quer über den steinernen Boden führte.
 

„In zwei Stunden?“ Ächzend sank Lavi in sich zusammen, nachdem er gemeinsam mit Allen den Plan der Schifffahrt studiert hatte. Der Jüngere schöpfte tiefen Atem, sah sich verlegen um und beließ es bei einem Naserümpfen. Neben ihm ertönte ein weiteres Ächzen und Lavi lehnte sich gegen das hölzerne Schild.

„Wenn das so weiter geht, werden wir nie ankommen. Ehrlich, diesen Weg kann man einfach nicht mit der nötigen Dringlichkeit hinter sich bringen.“ Er rieb sich das Gesicht und Allen hielt kurz nach Timcanpy Ausschau.

„Wir müssen wohl auf das Durchhaltevermögen der Finder vertrauen“, seufzte er, als er den Golem erspäht hatte.

„Was bleibt uns anderes übrig?“ Lavi drehte sich, lehnte sich mit dem Rücken an und streckte die Beine von sich.

„Wieso sind die Finder eigentlich immer zuerst am Schauplatz?“, fuhr Allen da nachdenklich fort und der Ältere schloss die Augen.

„Erstens sind sie in der Überzahl, Exorzisten dagegen rar.“ Er nahm sich Zeit für eine träge Antwort. Denn immerhin hatten sie nun wieder einmal genug Gelegenheit, um sich zu unterhalten. „Und da die Finder so oder so rund über den Globus verteilt sind, gibt es immer genug, die sich in der Nähe aufhalten.“

„Ach so.“ Allen legte den Kopf schief und gemütlich ließ sich Timcanpy auf diesen hinabsinken, spreizte die Flügel und suchte den richtigen Halt.
 

„Wie nahe kommt dieser Zug an Pjöngjang vorbei?“ Sobald Kanda in einem der Abteile stand und ihm der Schaffner über den Weg lief, erkundigte er sich bei ihm. Nachdenklich erwiderte der Mann seinen Blick, rieb sich das Kinn und vertiefte sich in kurze Grübeleien.

„Daran vorbei kommen wir gar nicht“, antwortete er letztendlich und das war keine Tatsache, die Kanda nicht erwartet hatte. Unbewegt verharrte sein Gesicht, als er aus einem der Fenster sah. „Wenn Sie direkt nach Pjöngjang möchten, müssten Sie umsteigen.“

„Wo.“ Noch immer blickte Kanda in die Dunkelheit der Nacht hinaus, erspähte kurz einen hell erleuchteten Weg.

„In der Nähe von Seoul, das wir in zwei Stunden erreichen. Nur müssten Sie dort leider bis zum Morgengrauen warten, weil der Anschlusszug nach Pjöngjang erst ab sechs Uhr fährt.“

So schien sich das Glück also auch weiterhin fernzuhalten und Kanda verlor das Interesse am Fenster. Mit mürrischer Miene wandte er sich zurück an den Schaffner.

„Wie weit ist Pjöngjang genau von Seoul entfernt?“

„Oh, da muss ich kurz nachdenken.“ Der Mann blähte die Wangen auf und Kanda rümpfte die Nase. „Das dürften…“, er stieß die Luft aus, stemmte die Hände in die Hüften. „… vielleicht Einhundertfünfzig Kilometer sein.“

Eine Strecke, die er in der nötigen Hast kaum auf sich nehmen könnte. Und selbst wenn es ihm gelingen würde, seine Kräfte wären aufgebraucht, wenn er Pjöngjang erreichte und das machte ebenso wenig Sinn. Auch er begann also zu grübeln, konzentriert fand seine Hand zum Mund, rieb ihn.

„Wie nahe kommt dieser Zug an Pjöngjang heran?“, kehrte er letztendlich zu ersten Frage zurück und der Schaffner hob die Augenbrauen. Es kam nicht oft vor, dass Fahrgäste ihm solche Fragen stellten, doch dieser hier schien es ernst zu meinen und als sich der erwartungsvolle Blick des jungen Exorzisten auf den Mann richtete, kratzte sich dieser am Kopf.

„Das weiß ich nicht genau.“

„Dann strengen Sie sich an.“

„Ah… na gut.“ Der Schaffner ergab sich seinem Schicksal. Seufzend lehnte er sich gegen die Lehne einer Sitzbank, verschränkte die Arme und presste die Lippen aufeinander. „Wir… eh…“

Unauffällig verdrehte Kanda die Augen und starrte zur Seite. Vielleicht sollte er ihm die wahre Wichtigkeit dieser Reise erklären, dann ließe es sich sicher schneller denken. Doch das konnte er nicht und da man ihm auch keine Fragen stellte, blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten. Zu etwas anderem war er in diesem Zug wohl auch nicht imstande.

„Ah.“ Plötzlich blickte der Schaffner auf, löste die Haltung und begann mit den Händen zu gestikulieren. „Der Zug hält bei einem Fabrikgelände in Nordkorea, südlich des kleinen Gebirges, hinter dem sich Pjöngjang erstreckt.“

„Wie weit ist es von dort aus?“, stellte Kanda gnadenlos die nächste Frage, doch diese Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

„Einhundert… fünfzig… Kilom…?“

„Haben Sie einen Plan von der Strecke?“ Kandas Geduld neigte sich ihrem Ende entgegen und so nahm er sich vor, nicht weiter auf die Informationen des Schaffners zu bauen. Lustlos verfolgte er, wie der Mann in seinen Taschen zu wühlen begann und kurz darauf hatte er wirklich etwas in der Hand, das ihm weiterhalf. Während er den Plan studierte, wurde er beiläufig angestarrt und es dauerte nicht lange, da drehte er sich zu ihm. Sein Finger setzte sich auf eine Stelle und der Schaffner vertiefte sich ebenfalls in den Plan.

„Von hier aus vielleicht fünfzig Kilometer?“ Flüchtig lugte Kanda zu dem Mann, doch dieser verzog das Gesicht.

„Durch das Gebirge? Ja, vielleicht. Nur… da halten wir nicht.“

„In Ordnung.“ Endlich schien Kanda zufrieden und der lieblos zusammengeknüllte Plan wurde dem verdutzten Mann wieder in die Hände gedrückt. „Mehr wollte ich nicht wissen.“

„Eh…“

Doch Kanda wandte sich bereits ab und machte sich auf den Weg, um sich einen Platz zu suchen.
 

„Was machst du für ein Gesicht?“ Irritiert zog Lavi eine Grimasse. Ihm gegenüber hockte Allen auf einer gepolsterten Bank. „Jetzt sind wir endlich auf der Fähre und du siehst aus, als wärst du lieber woanders.“

„Wäre ich auch“, erwiderte der Junge gedämpft, blähte die Wangen auf und sah sich geduckt um. „Irgendwo, wo es nicht schwankt… und das jetzt seit mehr als einer Stunde.“ Daraufhin stieß er ein gepeinigtes Ächzen aus, lehnte sich zurück und rieb sich den Bauch.

„Ah.“ Lavi verstand, konnte jedoch nur mit den Schultern zucken. „Wir müssen schon viel erleiden, was?“

„Wieso kann man nicht anders über das Wasser kommen, als mit einem Schiff…?“, ertönte daraufhin gedämpftes Murmeln und Lavi grinste flüchtig. Er begann sich auch auf der Bank zu regen, richtete sich auf und zog ein anderes Blatt hervor.

„Wir sollten uns eher Gedanken über etwas anderes machen.“ Somit kam er auf die Beine und leistete Allen Gesellschaft. Als er das Papier auseinander faltete, lugte dieser trüb zu ihm. „Wenn die hier aufgeführten Fahrzeiten stimmen, haben wir spätestens nach Pusan ein Problem.“

„Und welches wäre das?“ Allen riss sich zusammen und schluckte die Übelkeit hinab.

„Na, ganz einfach.“ Lavi schnalzte mit der Zunge, fuchtelte mit dem Papier und lehnte sich zurück. „Das ist mir vorhin im Zug aufgefallen. Der direkte Anschluss nach Pjöngjang ist etwas schwierig.“

„Hm?“

„Hier, siehst du?“ Der Plan wurde erneut präsentiert, Allen förmlich unter die Nase gehalten. „Da kommen wir nicht entlang. Also müssen wir uns etwas einfallen lassen.“
 

Flink war der Hebel umgelegt und der kühle Nachtwind schlug Kanda entgegen, als er den Wagon verließ, auf den freien Übergang hinaus- und an die Absperrung herantrat. Die Augen auf das nicht sehr weit entfernte Gebirge gerichtet, streifte er sich das Haar aus dem Gesicht, stemmte sich auf das Geländer und betrachtete sich kurz darauf den Boden, der schnell unter ihm vorbeizog. Er war steinern und trocken und Kanda beschäftigte sich nicht lange mit ihm. Seine Bewegungen hatten eine entspannte Ruhe an sich, als er die zweite Hand auf das Geländer stemmte und über dieses hinweg stieg. Gemächlich zog er die Beine darüber, suchte sich außen festen Halt und blinzelte unter dem heftigen Wind, der seinen Mantel wild gegen seine Beine schmetterte und sein Haar dazu brachte, ihm einen großen Teil der Sicht zu versperren. Und so harrte er nicht lange dort aus, ging etwas in die Knie und sprang ab. Die Wucht des Zuges brachte ihn weit und zwang ihn in die Knie, als er hart auf dem Boden aufsetzte. Dumpf gingen seine Stiefel auf ihn nieder und nachdem er vornüber gefallen und sich mit den Händen abgestützt hatte, schöpfte er tiefen Atem, wandte das Gesicht und blickte dem Zug nach. Die Lichter, die hinter den einzelnen Fenstern brannten, entfernten sich schnell und nach einem weiteren tiefen Durchatmen richtete er sich auf. Den Schmutz wischte er sich gemächlich von den Händen, streifte die verirrten Strähnen zurück und kam kurz darauf auf die Beine. Weiteren Kies und Staub klopfte er kurz aus dem Mantel und dann wandte er sich dem Gebirge zu.

Fünfzig Kilometer also…

Er vertrat sich die Füße, vergewisserte sich, dass sein Schwert den nötigen Halt auf seinem Rücken hatte und streckte sich. Einen solchen beschwerlichen Weg hatte er seit langem nicht mehr zurückgelegt, um eine Mission zu erfüllen und seine Hände tasteten sich kurz über den Mantel, sicherten auch dessen Halt. Doch es blieb ihm wohl nichts anderes übrig.

Ein letztes tiefes Luftholen, dann konzentrierte er sich auf den Atem und setzte sich in Bewegung. Die ersten Schritte lief er entspannt, doch rasch verschnellerte er sie und kurz darauf versank er in einem zügigen Dauerlauf in der weiten Finsternis der öden Steppe.
 

„Komm schon.“ Somit eilte Lavi über den schmalen Steg, der sie von der Fähre führte und verschaffte sich sofort einen Überblick. Viele Laternen erhellten den Platz, der sich vor ihnen erstreckte. In ihrem Schatten bewegten sich Menschen in nächtlicher Geschäftigkeit und nach einem tiefen Atemzug begann er seine Hosentaschen abzutasten. Hinter ihm hatte auch Allen die Fähre verlassen und seine Miene offenbarte unbeschreibliche Qualen, als er neben ihm stehen blieb und sich den Mund rieb. Währenddessen wurde der Ältere fündig und gemeinsam vertieften sie sich in die Karte, suchten nach dem nächsten Bahnhof. Die Zeit wurde immer knapper… sie spürten die Dringlichkeit und die Ungeduld durch den langen Weg und während Lavi das Auge verengte und die Unterlippe mit den Zähnen bearbeitete, wandte sich Allen ab, blickte um sich.

„Hoffentlich sind schon andere Exorzisten in der Stadt“, sprach er einen Grund seiner Besorgnis aus und Lavi blickte auf, ließ die Karte sinken und studierte flüchtig die Straßenschilder. „Wir werden wohl noch eine zeitlang brauchen.“

In diesem Moment setzte sich Lavi wieder in Bewegung. Er schien fündig geworden zu sein und Allen folgte ihm eilig.

„Vermutlich nicht vor dem Morgengrauen.“ Lavis Miene wirkte nicht viel entspannter, als er die Karte wieder in der Hosentasche verstaute, auf eine Hauptstraße zusteuerte, die sie zu ihrem Ziel führen würde. „Der Bahnhof ist in der Nähe. Hoffentlich bekommen wir schnell den richtigen Zug.“

Allen antwortete mit einem stummen Nicken, beiläufig griff er nach der Kapuze und streifte sie sich über.
 

Ohne sich eine Pause zu gönnen, bahnte sich Kanda seinen Weg durch schmale Pfade, steinerne Abhänge und über kleine Schluchten. Das Gebirge entpuppte sich gefährlicher und anstrengender, als es seinen Erwartungen entsprach. Kaum ein richtiger Weg ließ sich finden und lange tastete er sich in beinahe völliger Dunkelheit blind voran. Die Hast musste der Sicherheit weichen und bedacht ließ er sich Zeit, nutzte nicht sofort einen jeden Pfad, der ihm erschien, als könne man ihn ohnegleichen bewältigen. Doch von seinem Weg kam er nicht ab, blieb bei der Richtung und erreichte bald ein recht ebenes Gelände, bei dessen Überwindung er etwas Kraft tankte. Er ging langsam, wischte sich den Schweiß von der Stirn und beruhigte die Atmung, die von leichten körperlichen Strapazen zeugte. Er hatte es eilig,

selbstverständlich, war jedoch nicht kopflos genug, um sich gar keine Entspannung zu gönnen. Das Ziel konnte nicht mehr fern sein, auch wenn sich vor seinen Augen immer neue Hügel und Hindernisse auftaten. So widmete er sich bald darauf einem Abhang, den zu umgehen, ein Unmögliches war.
 

„Warten Sie!“ Als Lavi den Schaffner erspähte, ließ er die letzten Stufen umso rascher hinter sich, trat auf den Steig hinaus und hob keuchend die Hand. Die letzte Strecke hatten sie sicherheitshalber hastend hinter sich gebracht und nun schien es sich vermutlich auszuzahlen, denn dort stand noch ein Zug, der jedenfalls die richtige Richtung einschlagen würde. Behäbig hielt der Schaffner an der Tür inne und auch Allen erschien nun auf der Treppe. Keuchend tastete er sich am Geländer hinauf, während sich Lavi bereits an den Mann wandte und nach wenigen gewechselten Worten nach ihm Ausschau hielt.

„Komm!“ Hektisch winkte er ihn zu sich. „Den können wir nehmen!“

Hinter dem Schaffner stieg er bereits ein und Allen stieß ein laues Stöhnen aus, als auch er die Tür erreichte. Diese permanente Hast bekam ihm nicht… ebenso wenig all die Befürchtungen, die diese Reise umso unerträglicher gestalteten.
 

Ächzend stemmte er sich nach oben, streckte den Arm und tastete nach einer Kerbe, an der er sich hinaufziehen konnte. Der Abhang offenbarte sich als bisher größtes Hindernis und als er endlich das obere Plateau erreichte, sah er sich dazu gezwungen, eine weitere Pause einzulegen. Angestrengt zog er sich über die Kante, entfernte sich auf den Knien etwas vom Hang und blieb vorerst kauern. Seine Motorik hatte etwas an Unbeschwertheit eingebüßt und ein leiser Fluch kam über seine Lippen, als er mit den Schultern rollte, in einer von ihnen den alten Schmerz erneut wahr nahm. Dieses Klettern war ihr nicht gut bekommen, doch er beschäftigte sich nicht lange mit ihr, ließ die Hand sinken und legte den Hinterkopf in den Nacken, um neuen Atem zu tanken und somit vielleicht auch etwas Kraft. Seit nunmehr zwei Stunden kämpfte er sich durch dieses Gebirge und als seine Augen zum Horizont drifteten, war dieser bereits von einem leichten Licht geschmückt, das den baldigen Sonnenaufgang ankündigte. Er betrachtete sich das helle Blau lange und letztendlich konnte er doch zufrieden sein. Anstatt nun auf einen Zug zu warten, der sein Eintreffen am Ziel um weitere Stunden verschoben hatte, war er nun kurz davor. Kontrolliert stieß er die Luft aus seiner Lunge, ließ den Kopf nach vorn sinken und rieb sich den Nacken.

Mit einem solchen Weg hatte er nicht gerechnet und allmählich machte ihn sein Körper darauf aufmerksam, dass er weder viel geschlafen, gegessen, noch getrunken hatte. Hindernisse, die womöglich einen jeden Abhang überboten. Er rieb sich den Hals, schloss kurz die Augen… und hielt in etwaigen Bewegungen inne. Kurz verharrte er reglos, bis er zum alten Leben erwachte. Seine Lider hoben sich, seine Hand löste sich vom Hals und aufgeschreckt reckte er sich in die Höhe, saß aufrecht dort und starrte um sich.

Ein Geräusch war an seine Ohren gedrungen…

Und er kannte es.

Konzentriert suchte er nach weiteren Lauten, kam unterdessen auf die Beine und hielt selbst den Atem zurück, um die kleinste Anomalie aus der nächtlichen Stille herauszufiltern. Und kurz darauf ertönte es wieder und er drehte sich, blickte zu einem weiteren Abhang.

Dort…

Es waren Schüsse und das leise Grollen der Zerstörung, das sich an den Felsen brach.

Lautlos öffnete sich sein Mund und er schluckte, bevor er einen langsamen Schritt tat.

Er war wirklich am Ziel angelangt…!

Die Stadt Pjöngjang musste hinter diesem Abhang liegen und er spürte, wie die alte Energie ihn durchflutete, bei dem Gedanke an die Akuma… an den… Noah… neu erwachte!

Die Strapazen des Marsches drängten sich in den Hintergrund, als er die Finger spreizte, die Hände ballte und sich eilig in Bewegung setzte.
 

„Hier ist es gut.“ Vorsichtshalber blickte sich Lavi nach dem Schaffner um, als er die Tür des Wagons öffnete und sich Allen an ihm vorbei schob. Er folgte ihm rasch hinaus, sah sich unentdeckt und schloss die Tür hinter sich, während er das Gebirge erspähte.

„Und dahinter liegt die Stadt?“, erkundigte er sich hoffnungsvoll und lugte zu Lavi, der neben ihn trat. Wenn er schon so etwas auf sich nahm, dann wollte er sich auch sicher sein, doch Lavi nickte, machte sich bereits daran, über das Geländer zu steigen.

„Wenn wir uns beeilen, haben wir es in zwei Stunden hinter uns.“ Somit konzentrierte er sich lieber auf den nötigen Halt, biss sich konzentriert auf die Unterlippe und klammerte sich an den Stahl, als er das Geländer kurz darauf im Rücken hatte und im peitschenden Wind nach Atem rang. Doch Allen ließ sich keine Zeit. Auch er stemmte sich nach oben, hielt sich fest und spürte, wie sich Timcanpy in seinem Mantel versteckte. Nun standen sie Seite an Seite, während der steinige Boden rasend schnell unter ihnen hinweg zog.

„Und los!“, hörte er Lavi keuchen und biss die Zähne zusammen. Ohne zu zögern stießen sie sich also ab, wurden weit geschmettert und rollten sich ächzend ab. Das Gestein stiebte unter ihren Bewegungen, beide schlitterten noch ein Stück und als der Schreck überwunden war und die Glieder meldeten, dass sie alle noch beisammen waren, richteten sie sich auf.

„Oh man!“ Lavi schüttelte sich den Kies aus dem Haar, fuhr sich über das Gesicht und streckte die Beine von sich. Neben ihm hustete Allen unter dem Staub und beide sahen etwas zerrupft aus, nur Timcanpy nicht, der sich hinaus wagte, sobald keine Gefahr mehr bestand. Heiter flatterte er hervor und Lavi schüttelte sich.

„Hätte Komui uns das nicht sagen können?“ Er fluchte etwas, während sich Allen zu regen begann, langsam auf die Beine kam. „Wie sollen wir uns um Akuma kümmern, wenn wir schon auf dem Weg fast draufgehen?“

Neben ihm kam Allen zum Stehen, wischte sich den Staub vom Mantel und verzog das Gesicht unter dem Kies, der ihm sogar in den Mund gekommen war. Kurz darauf erhob sich Lavi und nachdem auch dieser wieder mit sich zufrieden war, musterten sie gemeinsam den Weg, der nun noch vor ihnen lag.

„Und da sollen wir durch?“ Allen legte den Kopf schief, wirkte weniger fasziniert. Doch Lavi schnalzte nur mit der Zunge, lugte skeptisch zum Jüngeren.

„Bist du verrückt?“ Und schon zückte er den Hammer, schwang ihn locker in der Hand und präsentierte ihn den erleichterten Augen. „Warum sollten wir uns jetzt auch noch durch die Hänge kämpfen?“ Grinsend setzte er ihn ab… „Kleiner Hammer, großer Hammer.“ … und ließ ihn wachsen, bis er sich auf ihn stemmen konnte.

„Gott sei Dank.“ Allen juckte sich an der Wange, seufzend trat er neben Lavi und gemeinsam betrachteten sie sich das Gebirge erneut. „Das dürfte es uns um einiges erleichtern.“

„Na, logisch!“ Ein legerer Klaps erfasste seinen Rücken und ein Stiefel wurde auf den Hammer gesetzt. „In spätestens einer halben Stunde sind wir drüber und am Ziel. Also plempere jetzt nicht herum, wir sind trotzdem spät dran.“

„Mm.“ Die Nase rümpfend, griff Allen nach der hilfsbereiten Hand, die ihm gereicht wurde, näherte sich dem Hammer durchaus unentschlossen. Diese Art der Fortbewegung war genauso zu genießen, wie ein schwankendes Schiff.
 

Eilig stieß er sich ab, setzte über einen kleinen Abhang hinweg und sofort umklammerte seine Hand den nächsten Vorsprung und er zog sich hinauf. Sein Körper gehorchte und er bewegte sich rasch, stemmte sich nach oben, schwang sich auf den Fels und kam auf die Beine. Sein Atem fiel kontrolliert und ruhig, erbrachte den Beweis, dass sein Körper gern zu alten Taten bereit war, nichts an Kraft eingebüßt hatte. Wie er sagte, doch er schenkte dem herzlich wenig Aufmerksamkeit, denn seine Augen richteten sich zielstrebig auf die Quelle der verräterischen Geräusche und sofort setzte er zum nächsten Schritt an. Das Ziel war erreicht! Von oben blickte er auf die Baumkronen eines kleinen Waldes hinab, der hinter sich, und höchstens eine Meile entfernt, die Stadt verbarg. Schwerer Staub hing über den flachen Dächern, dunkler Ruß, von zerstörenden Flammen ausgespien, färbte die Luft dunkel und schwarz. Finstere Rauchwolken stiegen über Pjöngjang auf und umso intensiver vernahm er nun die Laute, die ihn zu weiterer Eile antrieben. Hilfe wurde dort dringend benötigt und er stieß sich ab, um diese zu leisten. Rasch schlitterte er den steilen Abhang hinab, fand Halt an einzelnen schweren Gesteinsbrocken und sprang über eine gefährliche Grube hinweg. Seine Beine… sie bewegten sich leicht und flink. Seine Arme… sie offenbarten eine Kraft, dass man ihnen mit aller Ruhe die alte Führung des Schwertes auflasten konnte. Tatsachen, die seine Hast nur vergrößerten und endlich verließen seine Füße den steinigen Boden, ein letzter Sprung und so tauchte er in den Wald ein. Annähernd lautlos verschwand er in ihm, schob sich an den Stämmen vorbei, duckte sich unter wirren Ästen und folgte seinem Weg strikt und entschlossen. Funkelnd taxierten seine Augen den Weg, den er rasch zurückließ, früh erspähte er Hindernisse und kurz geriet er ins Stolpern, als er einer hohen Wurzel auswich. Immer lauter wurde der Krawall, der Lärm des Gesteins, das auseinander gerissen wurde, selbst Stimmen drangen an seine Ohren. Schreie…

Hastig stieß er sich an einem Baum ab, wechselte die Richtung und schob sich durch das Dickicht hinaus auf einen Waldweg, der es ihm unweigerlich leichter machte. Eng und drängend umgaben die hohen Stämme und das rauschende Blattwerk den schmalen Pfad und er sprintete weiter und einen kleinen Hügel hinauf, hinter welchem sich ihm das Bild des vollen Ausmaßes präsentierte. Ein geräuschvoller Atemzug entrann ihm, als er sich auslief und seine Augen die schweren Körper der Akuma erfassten, die sich dumpf im schwarzen Rauch bewegten. Dumpfe Schüsse hallten in der Luft, die angstvollen Schreie der Menschen und er ließ sich keine weitere Zeit für die Beobachtung, machte sich daran, auch die letzte Distanz zu überwinden. Ein Zucken der Anspannung durchfuhr seine Mimik, bereitschaftlich spreizten sich seine Finger, sehnten sich nahezu nach dem Heft des Mugen, um dieses gegen die Akuma zu erheben, sie zu zerstören und sich selbst etwas zu beweisen, das er verloren glaubte. All die Meinungen, die man von ihm hatte… all die Eindrücke, auf die man einfach schloss. Hier und jetzt, an diesem Ort und in dieser Nacht konnte er sie zunichte machen! Seine Zähne bissen aufeinander, als die zerstörte Stadtmauer bereits vor ihm aufragte. Nichts bot hier mehr Schutz, ein Teil der Stadt schien bereits eingenommen und noch ehe er die marode Mauer erreichte, schob sich eine kleine Gruppe von Menschen über das niedergerissene Tor hinweg. In kopfloser Panik rannten sie um ihr Leben. Frauen, wie auch Kinder, denen nicht einmal mehr die Zeit geblieben war, ihr letztes Hab und Gut mit sich zu nehmen. Unerwartet und plötzlich lösten sich die Gestalten aus dem staubigen Dunst und nur knapp gelang es Kanda, ihnen ausweichen. Er schob sich an ihnen vorbei und konzentriert verlangsamte er die Schritte, als er selbst über das am Boden liegende Tor hinweg trat und sich in der Dunkelheit der Nacht eine knappe Orientierung verschaffte. Der Letzte strauchelte an ihm vorbei, bevor er die Stadt betrat und die nahe Umgebung verlassen vorfand. Der Feind schien bereits vorgerückt zu sein und ihm bot sich ein Bild der völligen Zerstörung. Hier galt es nichts mehr auszurichten und so eilte er tiefer in die Finsternis der schmalen Gassen, angelockt von Tumult und Lärm. Wo, wenn nicht dort, könnte er auf den Begleiter der Akuma treffen. Er musste zur Spitze des Angriffes gelangen und schenkte seiner Umgebung wenig Beachtung. Finster ragten die Fassaden zu seinen Seiten auf, leise bröckelte marodes Gestein unter seinen Stiefeln und durch all das Geröll fiel es ihm schwer, eine schmale Straße zu überqueren. Unzählige Hindernisse, ließ er zurück, bis er die grellen Lichter erspähte, die in den Himmel aufragten, einzelne Akuma gänzlich bewegungsunfähig machten und doch auf Dauer ein Akt der Verzweiflung darstellten. Der letzte Widerstand der Finder und nach nur einer kurzen Beobachtung lösten sich einige der Lichtsperren auf und erlaubten den monströsen Körpern der Akuma die alte Beweglichkeit, in der sie sich sofort gen Stadt hinabsinken ließen. Eilig stieg er durch die Trümmer eines vollends zerstörten Hauses, ließ die Grundmauern hinter sich und die lauten Schritte weiterer Flüchtlinge hallten ihm entgegen, als sich vor ihm ein kleiner Platz auftat. Weitere Menschen hasteten an ihm vorbei, keuchten und ächzten und suchten sich ihren Weg aus der Stadt. Kanda schenkte ihnen keine Beachtung und wenige Sekunden später lag der Platz bereits hinter und das lang ersehnte Ziel vor ihm! Er trat aus einer Gasse und längst schon hatten seine Augen die Bewegungen der Finder erspäht. Hastig regten sich die hellen Mäntel hinter Mauern und Vorsprüngen, laute Schreie erhoben sich, ebenso Befehle, die sie einander zu schrien, um jede Möglichkeit wahrnehmen zu können. Über ihren Köpfen schwebten die Körper der Akuma und rasch duckte sich Kanda unter dem Steinschlag, den ein verlorener Schuss gegen eine Hausfassade auslöste. Trocken rieselte der Schutt hinab und nachdem er zur Seite gewichen war, auch das schwere Gestein, das knapp neben ihm zersprang. Hier war er und doch alles andere als an der Spitze des Angriffes. Hier offenbarte sich ihm eher die Nachhut, die weitere Verstärkungslinien zu durchbrechen versuchte.

„Ein Glück!“ Die fahrige Stimme eines Finders erreichte ihn und kurz darauf ein junger Mann, der sich röchelnd auf die Knie stützte. „Sie sind da!“

Nur ein knapper Blick traf ihn, bevor sich Kanda in Bewegung setzte, schnellen Schrittes die Reihen der Finger durchtrat. Keuchend folgte ihm der eine und nicht weit entfernt zerbarst eine weitere Mauer unter unkontrollierbaren Schüssen. Gnadenlos begrub der Schutt einige der Männer unter sich und weitere Lichtbarrieren erloschen.

„Wie weit sind sie vorgedrungen?“ Im Schutz einer bislang unbeschädigten Mauer hielt Kanda inne, trat in ihren schwarzen Schatten und verschaffte sich einen ruhigeren Überblick. Bis zu diesem Punkt waren nur wenige Akuma zurückgeblieben und unentwegt bewiesen die dumpfen Geräusche den noch weit entfernten Tumult. Ohrenbetäubend löste sich in ihrer Nähe ein weiterer Schuss und der Finder zuckte zusammen, presste sich neben Kanda gegen das Gestein und rang nach Atem.

„Fast bis zur Stadtmitte!“, keuchte er und Kanda legte den Hinterkopf in den Nacken, blickte zum dunklen Nachthimmel auf und zu den Schatten, die unentwegt über diesen hinweg zogen. „Die meisten von uns halten dort die Stellung aber viele können wir nicht mehr zurückhalt…“

„Und der Noah?“, unterbrach Kanda ihn desinteressiert und eine perplexe Mimik bewies, dass er hier keine zufriedenstellende Antwort erhalten würde. Nun, letztendlich wusste er, wohin er sich zu begeben hatte, um sich Hoffnung machen zu können. Ohne dem Finder eines weiteren Blickes zu würdigen, wandte er sich ab, verließ den Schutz der Mauer und hob in derselben Bewegung die Hand zum Mugen. Zielstrebig und sicher erfasste sie das schmale Heft und das Zischen der kalten Klinge versank im Krawall der Zerstörung. Nun sollte es also beginnen und ein wahrer Kugelhagel wurde auf ihn gerichtet, als er den Schutz aufgab, sich abstieß und sich daran machte, sich zum Mittelpunkt des Angriffes hindurch zu kämpfen.
 

Die Hände fest um den Griff des Hammers gelegt, den peitschenden Wind im Gesicht, starrte Allen hinab auf die finsteren Schluchten, die sich unter ihren Beinen erstreckten. Gemütlich regte sich Timcanpy in seinem Mantel und er blinzelte unter den Strähnen, die ihm permanent in die Augen fielen, ihm die klare Sicht versperrten. An Lavis vorbei spähte er zum Ende des Gebirges und mit jedem Augenblick, in welchem er das schöne Gestein aus sicherer Entfernung anschauen konnte, war er dankbarer, dass er sich diese Anstrengung vom Hals halten konnte.

„Festhaaalten!“, drang plötzlich Lavis Stimme an seine Ohren und sofort klammerte er sich fester, als es rapide hinabging und der heftige kalte Wind ihm beinahe das Atmen verwehrte. Langsam neigte sich der Griff des Hammers zu einem recht begehbaren Plateau und wohlbehalten landeten sie auf ihm. Stolpernd entfernte sich Allen von dem Stab, freundete sich mit dem alten Boden unter den Füßen an und schnappte nach Atem, als er es endlich wieder ungestört konnte. Hinter ihm rieb sich Lavi die Stirn, sein Fuß setzte sich gegen den Griff und verlieh ihm den nötigen Halt, als er ihn schrumpfen ließ.
 

Zischend fraß sich die Klinge des Mugen durch den Leib des Akuma und sicher setzte Kanda auf dem naheliegenden Dach auf. Kurz darauf erstrahlte die Umwelt im Licht der Explosion und ohne inne zu halten, eilte er weiter, stieß sich ab und setzte auf ein naheliegendes Dach über. Rasant und permanent bewegten sich die monströsen Körper über seinem Kopf, folgten ihm mit feurigen Salven… ihre Zahl schien kein Ende zu nehmen, ihr Auftauchen sowie ihre Angriffe erfolgten gnadenlos und eine Explosion folgte der anderen. Seit nun mehr als einer Stunde gab sich Kanda den Kämpfen hin, zerstörte einen Gegner nach dem anderen und lieferte sich den Angriffen aus, die sich bislang allein gegen ihn richteten. Kein weiterer Exorzist begegnete ihm auf seinem hastigen Weg durch enge Gassen und Straßen, während er eine Spur der Zerstörung hinterließ, sich an die Grenzen des Körperlichen zwang und sich in seinen Fähigkeiten nur bestätigt sehen konnte. Die Luft, die er atmete, war geschwängert von schwerem Rauch, eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse begleitete ihn und mit allen Mitteln versuchte er den Findern aus dem Weg zu gehen. Hier, im Mittelpunkt des Angriffes, eilten sie überall ihrer Wege. Kopflos und orientierungslos kamen sie ihm des Öfteren in die Quere und bald versuchte er sie mit allen Mitteln zu umgehen. Es gab keine Gelegenheit, der Situation alleine Herr zu werden. Er selbst vermochte nichts auszurichten und bevor er einen Platz stürmte, auf dem sich die schwarzen Schatten nur so tummelten, änderte er die Richtung und schob sich in eine verborgene Gasse.

Das eigentliche Ziel… und der eigentliche Grund seines Eingreifens in diese Mission war sein ständiger Begleiter und nichts würde ihn dazu bringen, diese Prioritäten zu vergessen. Ja, er wusste, weshalb er nun hier war… weshalb er sich erbitterte Kämpfe leistete und worauf er letztendlich aus war. Sein Atem fiel heftig, als er sich um einen weiteren Schritt in der Dunkelheit verbarg und sich seitlich gegen die Mauer stemmte. Aufmerksam und unnachgiebig durchschweiften seine Augen die Umgebung. Das Mugen ließ er sinken, als er sich zur anderen Seite wandte und zur entfernten Hauptstraße blickte.

Eine lange Strecke hatte er bislang zurückgelegt, einen jeden Akuma aus dem Weg geräumt und das alleine, um sich der Suche hinzugeben. Viele Straßen, Wege, Gassen und Plätze lagen nun hinter ihm und als er aufblickte, sich die hohe Dachkante betrachtete, spürte er gewisse Zweifel. Wo, wenn nicht hier, an dem Punkt, an dem alles geschah und an dem er sich zeigte, etwaigen Plänen in die Quere kam…? Wo, wenn nicht hier, könnte er auf den Noah treffen? Er provozierte, legte nicht gerade großen Wert darauf, versteckt zu agieren, offenbarte sich einem jeden Feindesauge, das anwesend war. Und niemand zeigte sich ihm? Lediglich Akuma des ersten Levels, die nur die Fähigkeit besaßen, seine Geduld auf die Probe zu stellen?

Er sah keinen Sinn darin, ziellos und weiterhin gegen die Akuma vorzugehen. Die Rettung der Stadt war nicht seine Pflicht und die Finder würden früher oder später auch auf die Hilfe anderer Exorzisten bauen können.

Diese nicht enden wollende Kämpfe waren nicht der Grund, weshalb er hier war.

Langsam regte er die Finger an dem Heft des Mugen, umschloss es lockerer und stieß ein lautes Ächzen aus. Er musste sich einen Plan setzen, sich möglicherweise anderen Gebieten widmen, ein Vorhaben durchschauen, das verworren und unergründlich wirkte.

Weshalb geschah all dies? Lediglich eine sinnlose Welle der Zerstörung oder versteckte sich da eine gewisse Struktur?

Als in nicht weiter Entfernung die Fassade unter einer schweren Explosion zerbarst, löste er sich von der Mauer und gab den Schutz der Gasse auf.
 

„Wir dürften bald da sein!“ Triumphierend rammte sich Lavis Finger in Richtung des letzten Berges, der ihnen im Weg war. Das Haar peitschte ihm wild in das Gesicht, als er sich zu Allen umdrehte. Dieser wirkte, als käme ihm diese Nachricht recht gelegen und konzentriert klammerte er sich fester, bevor er an Lavis Hand vorbeispähte. Und wirklich, sie schienen dem Ziel nicht mehr fern zu sein. Sie glaubten sogar, Geräusche wahrzunehmen.

Das dumpfe Donnern, welches sich an den felsigen Hängen des Gebirges brach… bald hatte ihre Reise ein Ende.
 

Als das verzerrte Gesicht eines Akuma hinter einer Ecke auftauchte und sich sofort die Kanonen auf Kanda richteten, hielt dieser abrupt inne. Schlitternd stoppte er, stieß sich an einer Wand ab und sprang in die nächstliegende Gasse. Hinter ihm schlugen die schweren Geschosse ein und er sprintete weiter, setzte zum Sprung an und kam auf dem flachen Dach eines nahen Schuppens auf. Es war nicht der erste Akuma, dem er auswich, ebenso hatte das Mugen seinen alten Platz in der Scheide gefunden. So hatte er die Hände frei und diese schlugen sich um das hohe Sims eines Daches, das er vom Schuppen aus einfach erreichen konnte. Ächzend zog er sich hinauf, schwang sich auf die Ziegel und hielt inne, als seine Augen etwas erfassten. Der schwarz weiße Mantel eines Exorzisten bäumte sich unter der Schockwelle einer Explosion auf, als der Mann von einem Dach sprang, in der Tiefe der Straße verschwand und dort sogleich der Krawall weiterer Detonationen ertönte. Verstärkung…! Sie brachte ihm ein gewisses Gefühl von Erleichterung und sobald der Exorzist seinem Blickfeld entwichen war, konzentrierte er sich wieder auf das eigene Ziel. Vorsichtig trat er über die blanken Ziegel hinweg, achtete darauf, nicht abzurutschen und registrierte, dass er sich hier nahe der Stadtmauer befand. Auf der anderen Seite… und deutlich erspähte er den Wald, der sich um die gesamte Stadt schloss, nun im Glanz der aufgehenden Sonne erstrahlte. Ein Schatten neigte sich über ihn und ohne sich umzublicken, ließ er den Rest des Daches hinter sich, stieß sich am Giebel ab und setzte auf das nächste Dach über. Neben seinen Füßen zerbarsten die Ziegel unter weiteren Schüssen und er schenkte dem wenig Beachtung, sprintete weiter und vernahm kurz darauf, wie der Akuma einem fremden Angriff erlag. Nur das kurze Rasseln von Ketten und als er sich umwandte, wurde der Akuma hinabgezerrt. Man kam ihm zur Hilfe und noch bevor der Dämon zerstört wurde, kehrte er ihm den Rücken, sprang auf ein niedriges Dach und kam dort erneut zum Stehen. Stolpernd lief er sich aus, reckte den Kopf in die Höhe und neigte sich zur Seite, während seine Augen konzentriert einen Punkt verfolgten.

Es waren die Bewegungen zweier Akuma, die sich mit seltsamer Zielstrebigkeit auf die Stadtmauern und daraufhin auch auf den Wald zu bewegten. Ein eigenartiges Vorhaben, das sofort seine Aufmerksamkeit erregte und ohne lange zu zögern, setzte er zur Verfolgung an.
 

„Dort!“ Als Allen die Kante eines Abhanges überwand und auf die Beine kam, wurde er sofort fündig. Der helle Himmel war auffällig düster verfärbt und der Krawall, der deutlich zugenommen hatte, zeugte davon, dass der Kampf noch längst nicht vorbei… und ihr Eingreifen dringend nötig war. Aufgeregt trat Allen an den Hang heran, hielt nach seinem Gefährten Ausschau. „Lavi, beeil dich! Wir sind da!“

„Ja…!“ Ermattet ließ Lavi den Kopf hängen, während er mit dem Fuß nach Halt tastete. Auch er hatte den kleinen Abhang bald hinter sich und als er aufblickte, verschwand Allen wieder und eilige Schritte waren zu vernehmen.

Dieses Gekletter… der junge Mann verdrehte die Augen, presste die Lippen aufeinander und regte die Finger an dem kleinen Vorsprung, bevor er sich hinaufzog, sofort den Fuß nachsetzte und endlich das letzte Stück hinter sich ließ. Ächzend zog er sich über das raue Gestein, rang nach Atem und kam auf die Beine, als Allen erneut nach ihm winkte. Strauchelnd leistete er ihm Gesellschaft und gemeinsam betrachteten sie sich das Ziel, nach dem sie sich so lange gesehnt hatten. Beinahe die gesamte Stadt war dem Angriff der Akuma bislang erlegen und sie standen nicht lange dort, bevor sie die letzte Hürde nahmen und sich so dem Wald näherten, der das Gebirge und die Stadt voneinander trennte.
 

Rasch schlug er die Äste zur Seite, schob sich zwischen den Bäumen hindurch und setzte leichtfüßig über einen moosigen Hügel hinweg. Hörbar fiel sein Atem und abermals erfassten seine Pupillen die Bewegung der massigen Körper zwischen den breiten Stämmen. Augenblicklich stieß er sich an der Rinde ab, wechselte die Richtung und schob sich durch ein Gebüsch. Rasch setzten seine Füße auf, flink pirschte er sich den Rest des Weges und mit einem Satz löste er sich aus dem Dickicht. Das Blattwerk raschelte unter seinen Bewegungen, um ihn herum tat sich eine kleine Lichtung auf und rasch hob sich die Hand zum Griff des Mugen… hielt jedoch in einer jeden Bewegung inne. Der Kies knackte unter seinen Stiefeln, als er abrupt zum Stehen kam, sich sein Mantel unter der Drehung aufbäumte… und perplex blieben seine Augen an den beiden jungen Männern haften.

Die Hand alarmiert zum Hammer gesenkt, im Nachhinein jedoch weniger verblüfft, war auch Lavi stehen geblieben und Allen entspannte sich. Unter einem tiefen Atemzug richtete er sich auf, ließ den Arm sinken und erwiderte Kandas Blick offen. Dieses Aufeinandertreffen schien niemand von ihnen erwartet zu haben. Langsam entfernte Kanda die Finger vom Schwertheft und Lavi stemmte unter einem tiefen Atemzug die Hände in die Hüften.

„Hi“, murmelte er und legte den Kopf schief. Selbst wenn seine Verblüffung zu Wünschen übrig ließ, mit seiner Zufriedenheit stand es anders, denn er musterte seinen gegenüber kritisch. „Dass wir uns jetzt schon treffen...“

Flüchtig schnitten sich ihre Blicke, doch Kanda zeigte weitaus weniger Interesse. Die Beiden schien er rasch als unwichtig abzutun und machte Anstalten, seinen eigenen Weg fortzuführen. Schweigend erfasste Allen seine Bewegung, doch Lavi schloss sich ihm nicht an.

„Yu!“, erhob er ohne zu zögern die Stimme und tat dies ausdrücklich. Und der Angesprochene hielt wirklich inne. Wenn auch widerwillig und desinteressiert. Er blieb stehen und blickte zu ihnen zurück.

„Wir sollen dir von Komui ausrichten, dass du unverzüglich zurückzukehren hast.“ Er übermittelte die Botschaft ungeschönt und konnte sich leider als nicht sehr überrascht bezeichnen, als Kanda sich wenig beeindruckt zeigte. Abwägend wurde Lavi gemustert. „Wenn du es sofort tust, kannst du dir großen Ärger ersparen.“

Allen presste die Lippen zusammen und Kanda rümpfte die Nase. Noch immer fixierte er Lavi, und kurz darauf erblickte dieser ein knappes Zucken der Lippen.

„Ts.“ Nur eine verwerfende Handgeste und abermals kehrte er den Beiden den Rücken zu, kam jedoch nicht einmal zum ersten Schritt, bis sich Lavis Stimme erneut erhob. Er nahm den Auftrag ernst und ebenso die Aufmerksamkeit, die er auf Kanda zu legen hatte. Und er plante nicht, diesen in dem Moment gehen zu lassen. Mit geballten Fäusten folgte er ihm um einen Schritt.

„Yu… hey! Du reitest dich da in etwas rei…“

Seine Stimme versagte, seine Pupille löste sich von Kanda… flüchtete sich zur Seite. Augenblicklich wandte sich auch Allen ab und das dünne Geäst verriet erneute Bewegungen… nahe bei ihnen, zu nahe! Das lange Haar streifte Kandas Gesicht, als dieser herumfuhr, seine Hand abermals zum Mugen schnellte…

Doch ein plötzlicher heftiger Angriff durch einen Akuma blieb aus…

Geschmeidig beugte sich ein junger Mann unter einem Ast hindurch, stets sorgsam darauf achtend, dass auch der Zylinder keinen Schaden nahm. Die mit dem teuren Stoff bedeckten Finger umfassten die Krempe und mit einem sicheren Schritt trat Tyki aus dem Wald hinaus. Die sauberen Schuhe setzten sich auf die Lichtung, trockenes Blattwerk knirschte unter ihren festen Sohlen und ein genüsslicher Atemzug entrann ihm, als er sich aufrichtete, sich in voller Größe präsentierte… und stockte.

Lediglich das saubere Jackett… das Gesicht, bis zum jetzigen Zeitpunkt gesenkt, spielte keine Rolle für Kandas Augen. Starr erfassten seine Pupillen jenen Mann, stumm öffneten sich die Lippen einen Spalt weit und etwaige Festigkeit schien seinem Gesicht zu entweichen.

Er hatte ihn gesucht… vielleicht nicht nach ihm, doch nach etwas, das sein Hier sein bestätigte.

Sein Hoffen, sein Zwang…

Nun war all das eingetroffen, wonach er sich verzerrt hatte, doch…

Bebend weiteten sich die Augen, selbst die Farbe seiner Miene schien sich davongestohlen zu haben und unweigerlich offenbarte sein Körper den Hang zur Flucht. Ein fahriges Keuchen entrann ihm und unsicher wich er vor Tyki zurück, tat zwei strauchelnde Schritte und kam zum Stehen.

Eine Erscheinung, die der Lage etwaige Sicherheit raubte und von einem Augenblick zum Nächsten standen sie in entrüsteter Stille voreinander. Tykis Mimik übertraf eine jede Verblüffung und reglos verharrten die Finger an der Krempe des Zylinders, während er um sich blickte, seine Pupillen sich über ein jedes Gesicht tasteten… und an dem Blassesten hängen blieben. Eine Betrachtung, die einen jeden feinen Zug seines Gesichtes formte und die schmalen Augenbrauen hoben sich. Geschmeidig setzten sich seine Finger in Bewegung, folgten der schmalen Krempe bedächtig, bis der Arm sinken gelassen wurde und er den starren Blick des Jüngeren mit einem Hauch von nachdenklicher Ernsthaftigkeit erwiderte.

Dass er ihn hier traf…?

Ein seltsames Geschick, dessen er hier Zeuge wurde.

Er hatte gemeint, die zweite Begegnung würde die Letzte sein.

Kandas Körper war in diesen Augenblicken nicht dazu in der Lage, eine sichere Haltung einzunehmen. So, wie er zurückgewichen war, stand er dort und schien zu keiner Regung imstande. Ziellos erhoben die eine, zur Faust geballt die andere Hand, stand er ihm gegenüber und das Leben schien erst in ihn zurückzukehren, als der unterdrückte Atem auf sich aufmerksam machte. Die eiskalte Lähmung splitterte von ihm, als er nach Luft rang, stumm die Lippen bewegte… und sein Fuß setzte sich zu einem weiteren Schritt zurück.

Noch immer reglos verharrten die beiden Anderen. Keinen Augenblick lang hatte die Identität des jungen Mannes ein Geheimnis dargestellt und konzentriert kam der Atem über ihre Lippen, kontrolliert auch der Rest des Körpers… alarmiert, angespannt. Unnachgiebig studierten sie die Bewegungen Tykis, während sie ein Kribbeln durchfuhr, welches Unheil verkündete. Funkelnd driftete Lavis Pupille über die akkuraten Verzierungen der ebenmäßigen Stirn, versteinert verharrte seine Hand in der Nähe des Hammers, während Allen trocken schluckte, die Lippen aufeinander presste und ein Zucken seine junge Miene durchzog. Nur der laute Atem eines Exorzisten und zärtlich lebte das Rauschen der Blätter über ihnen auf, als eine Brise warmen Windes durch die hohen Kronen strich.

>Noah…<, wie ein kalter Schauer durchfuhr Lavi die Einsicht, dass er sich in genau der Lage befand, vor der Komui gewarnt hatte. >Yu… das ist nicht gut! Wie soll ich ihn fernhalten?!<

Gleich Statuen verharrten sie auf der Lichtung und beileibe entging es Lavi nicht, wie Kanda reagierte… wie er nach etwaiger Fassung rang… selbst damit, an diesem Punkt zu bleiben, einen weiteren Schritt zu unterdrücken.

Eine Wendung, die verheerend war.

Er lauschte seinem eigenen Atem, der leise in seiner Nase rauschte, vernahm ein fernes Geräusch, als ein Ast zu Boden ging.

Und es war nur eine Bewegung… ein fließendes Umdrehen, welches die Atmosphäre abrupt zerreißen ließ. Alarmiert folgten Kandas Augen dem jungen Mann, als sich dieser abwandte, jegliches Interesse an ihm zu verlieren schien und es stattdessen auf die anderen beiden lenkte. Mit der alten Nachdenklichkeit drehte er das Gesicht, betrachtete sich Lavi, ließ den Blick zu Allen schweifen und…

„Hoi…!“ Jäh schlug seine Mimik um. Etwaige Ernsthaftigkeit schien von ihr zu bröckeln und Tykis Augen weiteten sich in freudiger Verblüffung. Angespannt folgte Lavi seiner Beobachtung und Allen blinzelte perplex, als sich Tykis Hand hob, sich der Zeigefinger auf ihn richtete und es ehrliche Freude zu sein schien, die er empfand. „Diesmal keine freudige Begrüßung? Ich habe doch gesagt, dass wir uns wieder sehen.“

Ein zufriedenes Lächeln formte seine Lippen und Kanda schien der alten Erstarrung abermals verfallen zu sein. Als würden seine Augen nur noch dieses eine Ziel kennen, lösten sie sich nicht ein einziges Mal von Tyki.

„Wa…“, unentschlossen ergriff Allen das Wort. Seine Miene verzog sich irritiert und hilfesuchend blickte er zu Lavi.

„Woher willst du ihn kennen?“, erkundigte sich dieser mit einer Stimme, die Zeuge wurde, dass der Kampf um Festigkeit in einem Sieg geendet hatte. Eisern fixierte er sein Gegenüber und Allen schluckte erneut.

Die Anwesenheit eines Noah erfüllte ihn mit Nervosität…

Die Irritation des Jüngsten war Tyki nicht entgangen und entspannt näherte er sich den Beiden um einen weiteren Schritt, stemmte die Hände in die Hüften und schöpfte tiefen Atem, um sich einem innigen Seufzen hinzugeben. Es war eine leichte Enttäuschung, die er offenbarte, als er den Kopf schüttelte.

„Du erkennst mich nicht, obwohl wir so schöne Gespräche geführt haben?“, stieß er ernüchtert aus und geschmeidig fuhr er sich über das Gesicht, drängte den Zylinder weiter in den Nacken und präsentierte ein hilfreiches Lächeln. „Na?“

>Was…?!< Lavi fand keine weiteren Worte. Perplex starrte er von einem zum anderen und nirgendwo lag die Antwort, nach der er sich sehnte. Bleich und reglos verfolgte Kanda die Situation, während Allen restlos überfordert schien.

„Im Bergwerk!“, verkündete Tyki daraufhin jedoch die zweite Hilfestellung und stemmte die Hände in die Hüften, beugte sich erwartungsvoll nach vorn. Bestürzt sah Allen ihn an und auch in Tykis Rücken war eine stockende Bewegung auszumachen.

„Die dubiose Lampe, weißt du nicht mehr? Ihr habt mich vor zwei Tagen besucht!“

„Wie bitte?!“ Allen offenbarte seine Verwirrung offen und Kanda gelang es in diesem Moment, die Augen von Tyki zu lösen. Stockend drifteten sie zur Seite, hastige Grübeleien schienen ihn zu beherrschen und Lavi biss die Zähne zusammen.

Es beunruhigte ihn, was er hier zu hören bekam… was er nicht verstand, doch bevor er die Stimme erheben konnte, tat Allen einen Schritt nach vorn. Er sah es aus den Augenwinkeln, sah die fassungslose Miene.

„Warte…“, hauchte er ungläubig. „Tyki?!“

„Aaah.“

Wenn auch spät, diese Einsicht schien diesen zufriedenzustellen. Nickend richtete er sich auf, beiläufig glitten seine Hände über das Jackett und richteten es.

>Wie bitte…?< Dumpf pochte der Puls hinter Kandas Schläfen. Die Worte brachten ihm einen Teil der Beweglichkeit zurück und perplex blinzelte er, ließ den Blick an der schlanken Gestalt vorbei schweifen und ziellos durch das Dickicht. Nur widerwillig ließ sich sein Kopf zu Grübeleien antreiben und während Tyki sich einem bequemen Lachen hingab und abermals die Stimme erhob, verharrte er dort und rang um die Erinnerungen, die er bislang als wertlos eingestuft hatte. Und doch…

Ja, er wusste es noch.

In der Dunkelheit der Nacht hatten sie gestanden, während helle Lampen brannten, kleine Flammen in nächtlichen Brisen flackerten.

… „Tyki!! Hey, komm mal her!“ Die Stimme des Arbeiters durchschnitt die Stille und ließ ihn erbeben. Er spürte es in einer jeden Faser seines Körpers, als geschähe es in diesen Augenblicken. „Schau mal, wen wir hier haben!“

Er rang nach Luft, stumm bewegten sich seine Lippen und wirres Haar kräuselte sich vor seinem geistigen Auge. Ein Stolpern, der Fuß hatte sich in dem Stoff des Zeltes verheddert und versteinert richteten sich die Pupillen auf die gepflegten Schuhe des Mannes.

Doch sie…

Nein, sie stolperten nicht.

Sie bewegten sich elegant und schnell.

>Ich glaube es nicht…< Ein Gedanke, verbunden mit kraftlosem Trotz. Er wollte es nicht wahr haben, lehnte sich dagegen auf, die Tatsache anzuerkennen, dass…

… „Was schaut der so böse?“ Heimlichtuerisch neigte sich der ungepflegte Arbeiter zu Allen, die Bewegungen seiner Augen verbargen sich hinter dem dicken Glas der Brille.

… die Demütigung keine Sache weniger Stunden war.

Wieder… und wieder…

Zitternd erhob sich sein Atem… bebend, während sich seine Hände zu Fäusten ballten, sein Gesicht in fassungsloser Ungläubigkeit vereiste.

„Was tut ihr hier?“ Tykis Stimme drang kaum in sein Bewusstsein. Neugierig befasste er sich noch immer mit Lavi und Allen, legte verspielt den Kopf schief. „Wieder eine seltsame Lichtquelle?“

>Es ist alles in Ordnung!<

Ja, das waren seine Gedanken gewesen… sein Sehnen und wenn es diesen Abgrund wirklich gab, dann würde er sich selbst hineinstoßen. Diese Einfältigkeit… dieses Unwissen!

Weshalb hatte er es nicht gespürt?!

>Das ist nur ein Arbeiter!<, schallte die eigene Stimme in seinem Kopf wider und ein bebender Atemzug stieß über seine Lippen.

>Nur ein Arbeiter?!<, verhöhnte er sich selbst, erschauderte unter dem Beben, das seinen Leib erfasste.

… „Du siehst ja aus, wie eine Frau!“

Fahrig schloss er die Augen, biss die Zähne zusammen und abermals streifte ihn Lavis Blick. Nicht oft löste der Älteste die Aufmerksamkeit vom gefährlichen Feind.

„Tyki also.“ Allen atmete tief durch, rang nach Fassung und schien sie zu erlangen. Argwöhnisch betrachtete er sich sein Gegenüber, schien die Maskerade zu ertragen, der er zum Opfer gefallen war. „Warum stellst du solche Fragen? Du wirst es wohl selbst wissen.“

Diese Bemerkung…

Nur ein dummer Spruch, abzukanzeln als grundloser Scherz…

Und doch ein Schlag, der alle Hüllen durchschlug und sein Innerstes traf… bis in sein verborgenes Selbst, das er niemandem offenbarte… das Geheimnisse inne hatte.

Dieses Geheimnis… das er offen angriff und ihn somit in die Falle gehen ließ.

Wie musste er innerlich gelacht haben!!

… „Du solltest lockerer werden!“

Er meinte, den Schmerz noch zu spüren. Seine Schulter… zielstrebig und gnadenlos hatte er zugeschlagen und sich dabei wohl bestens amüsiert…!!

Mit einem Schlag öffnete er die Augen. Ein scharfes Funkeln durchstach seine dunklen Pupillen und zielsicher hob sich seine Hand zum Mugen. Entspannt streckte Tyki ihm den Rücken zu, gab sich einem leisen Seufzen hin, während die Finger das Schwertheft erreichten, es lautlos umgriffen.

Wut… er bebte vor ihr und starr suchten die Augen nach dem Körper unter dem edlen Stoff. Die Haut, die er durchtrennen … den Leib, den er zerschneiden würde…!

Zitternd fiel sein Atem und er eignete sich die mögliche Fassung an.

„Ich bin doch nur auf ein Gespräch aus.“ Verständnislos gestikulierte Tyki mit den Händen, zeigte sich gekränkt und erschöpft. „Seid ihr jungen Leute denn gar nicht mehr für so etwas zu haben?“ Er seufzte, rollte mit den Schultern, machte es sich im Jackett bequem. „Man nimmt sich heutzutage viel zu wenig Zeit für die schönen Dinge.“

Langsam senkte Allen den Kopf. Ein jedes Wort, das den Frieden heuchelte, verstärkte seine Beunruhigung und auch Lavi war anzusehen, dass er mit heftigen Grübeleien rang. Oftmals schienen seine Pupillen nach Auswegen zu suchen und seine Haltung offenbarte eine gewisse Unsicherheit, während sein Gegenüber die Hände in die Hüften stemmte. Langsam schloss sich Kandas Hand um das Heft des Mugen, fest packte sie zu, während seine Mimik zuckte.

… „Kopf hoch“, erhob sich die bekannte Stimme in seinem Kopf, hallte nach, als wolle sie sich ihm in das Gedächtnis brennen. Er verlor den Verstand, wenn sie ihn heimsuchte!

Er ertrug ihren Klang nicht und…

Ein Schmunzeln hatte die rauen Lippen umspielt. Er wusste es noch genau.

„Wenn man sich durch alles runterziehen lässt, kommt man nicht weiter.“

Pure Verhöhnung!!

Ein schneidiges Zischen erhob sich, durchbrach die Atmosphäre, die zwischen ihnen herrschte und fahrig setzte sich Kanda in Bewegung. Das Eisen der Klinge glänzte im matten Tageslicht und ein blendendes Leuchten lebte in ihr auf, als seine Finger auf sie trafen, ihrem Verlauf flink folgten, das Innocence aktivierten.

Ein geräuschvolles Keuchen entrann Lavi. Heftig setzte er dazu an, sich selbst zu bewegen, hielt jedoch inne, als sich schallend Kandas zornerfüllter Schrei erhob und er Tyki erreichte. Geweitet folgten Allens Augen dem plötzlichen Angriff, doch sie schienen die einzigen zu sein, für die er unerwartet kam. Das Geäst knackte unter Kandas Stiefeln… und leise bäumte sich der Stoff des Jacketts auf, als Tyki sofort reagierte. Ein unerwartetes Aufeinandertreffen und ein kraftvoller Hieb verfehlte ihn nur knapp, als er zur Seite auswich, einen zielstrebigen Schritt tat und sich Freiraum verschaffte. Doch es gelang ihm kein einziger Atemzug und die Schnelligkeit seines plötzlichen Gegners brachte ihn in eine Bedrängnis, in der er der Klinge nicht lange fern bleiben konnte.

„Lavi…!“ Ein gehetztes Keuchen drang an die Ohren des Älteren, doch dieser bewegte sich nicht, verfolgte den jähen Kampf mit perplexer Miene.

Bevor Tyki sich versah, war Kanda ihm gefolgt, in kurzer Distanz bei ihm geblieben und heftig surrte die Klinge aus einer verborgenen Bewegung hervor, ließ sich nur kurz erfassen und stieß dennoch ins Nichts. Ein knapper Griff, der sich um Kandas Handgelenk legte, den Schlag fehl leitete und keuchend stolperte der junge Mann an ihm vorbei, blinzelte unter den Strähnen, die ihm in die Augen gerieten und fuhr sofort herum. Eine sture Entschlossenheit durchstach seine Augen bei einer jeden Regung, bleich und verbissen zeigte sich sein Gesicht und eine verkrampfte Wut nahm seinem Handeln das letzte Zögern. Seine Bewegung war fließend, sein Ziel deutlich und schnell erreicht und doch…

Der Hand gelang es noch, den Halt des Zylinders zu sichern und heftig tauchte er unter dem Schlag hindurch, der seinem Hals gegolten hatte. Ungezähmt und wuterfüllt… sofort registrierte Kanda sein Ausweichen und die Klinge machte sich auf den Rückweg, wurde gewendet und… ein rascher Schritt. Gebeugt schob sich Tyki nach vorn, näherte sich Kanda schneller, als dessen Klinge ihm. Und ihm voraus ging die Hand, die sich heftig gegen die Brust des jungen Mannes schlug, ihn zurückstieß. Der Hieb wurde unterbrochen, Kandas Beinen das Gleichgewicht genommen und heftig schlug er gegen die Rinde eines nahen Baumes, während die gesenkte Klinge die trockene Erde des Bodens kratzte. Noch immer schallte sein Keuchen auf der Lichtung und bestürzt richtete sich Lavis Pupille von Kanda auf den Mann, der sich wieder aufrichtete, den Zylinder noch immer umschlossen hielt und diesen knapp richtete. Ein Seufzen entrann ihm daraufhin und Allen presste die Lippen aufeinander. Die Zurückhaltung, zu der man ihn zwang, schien ihn zu belasten und abermals suchten seine Augen hilfesuchend nach Lavi.

„Du…!“, Kandas Keuchen brachte ein bebendes Wort mit sich und er löste sich von der Rinde, richtete sich stockend auf. Funkelnd durchstachen seine Augen das Haar und die Klinge wurde von der Erde gehoben.

„Lass es.“ Tyki unterbrach ihn unerwartet und mit einer ebenso seltsamen Ruhe, in der er die Hand hob, Kanda eine rege Abweisung entgegenbrachte. Ebenso eine knappe, jedoch tiefgreifende Musterung, in der er den Kopf schüttelte. „Lass es einfach sein.“

„Du verfluchter…!“, eine heiße Woge der Wut schien Kanda mit sich zu reißen, ihn jedoch eher an den Baum zu binden, als an einen weiteren unüberlegten Angriff. Die Klinge des Mugen erbebte, die Finger versenkten sich in der trockenen Rinde und stockend löste er sich von ihr… da kehrte man ihm auch schon wieder den Rücken. Als wäre er nicht unterbrochen worden, wandte sich Tyki zu Lavi und Allen, sicherte kurz den Sitz seines Jacketts und schöpfte tiefen Atem.

„Ich bemerke es schon.“ Seine Stimme zeugte nicht einmal annähernd von einer gewissen Anstrengung, als sie sich erhob und flüchtig musterte er die jungen Gesichter. „Euch steht nicht der Sinn danach, also denke ich, sollten wir diese Angelegenheit gleich überspringen.“

Augenblicklich setzte Allen den Fuß zurück, spreizte die Finger, ballte sie. Er war alarmiert und auch Lavis Hand näherte sich abermals dem Hammer… doch Tyki ließ lediglich den Kopf sinken, schüttelte diesen unter der leisen Enttäuschung und vertiefte sich in die Suche, in der er seine Manteltaschen betastete. „Ich dachte eigentlich, dass durch einen solchen Angriff noch mehr von euch aus ihren Schneckenhäusern kriechen und ich es mir damit erleichtern könnte, aber da ihr die ersten Exorzisten seid, denen ich jetzt begegne…“, murmelte er unterdessen, „… einen kleinen Moment, bitte.“ Weiterhin betastete er die Taschen seines Jacketts, bevor seine Hand in einer von ihnen verschwand und verwirrt folgten die Augen der Karte, die galant hervorgezogen und gehoben wurde. Der junge Mann in seinem Rücken schien seinem Interesse zu entfallen und zielstrebig richteten sich die hellen Augen Tykis von der Karte auf die beiden Exorzisten. Seine Augenbrauen hoben sich erwartungsvoll und er holte tief Luft.

„Heißt zufällig einer von euch beiden Allen Walker?“

>Was…?< Lavis Miene erbebte, ungläubig glitt seine Hand am Hammer vorbei und stockend richtete er sich auf, das Auge starr nach vorn gerichtet und keinesfalls zur Seite. Auch Allen schien seinen Ohren keinen Glauben schenken zu wollen. Er blinzelte wie erstarrt, schluckte schwer und musterte die erwartungsvolle Miene des Mannes. Allein Kanda schien diese Frage nicht zu überraschen. Ein Wissen, das er schon länger besaß und als er einen lauernden Schritt zur Seite tat, Tyki unnachgiebig im Visier, lugte dieser flüchtig zu ihm. Die erneute Regung schien er zu überwachen, doch rasch wieder als unwichtig abzutun. Kanda griff nicht an und so beschäftigte er sich wieder mit den anderen Beiden.

„Also?“, hakte er nach und ließ die Karte sinken.

„Was willst du von ihm?“, stellte Lavi die sofortige Gegenfrage und Tyki rümpfte die Nase.

„Das zeige ich euch, wenn ihr mir sagt, ob es einer von euch ist.“

>Er ist auf Allen angesetzt?!< Lavi wollte es nicht glauben… die Lage spitzte sich zu und nervös befeuchtete er die Lippen mit der Zunge. >Also hatte Komui recht… nur, dass es so schnell passieren würde, hätte ich nicht gedacht!<

Handeln… sie mussten handeln, nun mehr denn je!

Er wurde sich dieser drängenden Tatsache bewusst und langsam senkte sich seine Hand in die alte Richtung.

>Er sucht mich…?< Allen wurde die Beengtheit ihrer jetzigen Lage bewusst. Wie schnell war der Feind von dreien der Feind von nur einem geworden. Er versuchte, seinen Atem zu kontrollieren, schürzte die Lippen und spürte, mit welch einer Aufmerksamkeit Tyki eine jede ihrer Regungen im Auge behielt. Zuviel Nervosität durfte er nicht zeigen, doch als er zu Lavi lugte, sah er eine nicht Mindere.

>Das Wichtigste ist, dass wir hier heil rauskommen… dass Allen hier heil rauskommt! Sein Schutz hat höchste Priorität!< Leise kam ein gezügelter Atem über die Lippen des Älteren und ohne ein Zögern zu offenbaren, umschlossen seine Finger den Griff des Hammers. Augenblicklich lenkten sich alle Augen auf die Bewegung, registrierten seinen Willen und bevor sie sich versahen, trat Lavi auch schon vor.

>Ich greife an!< Flink wendete er den Hammer in der Hand, fixierte Tyki angespannt, sah dessen völlige Ruhe…

„Du wirst Allen nicht finden!“, stieß er aus und Kandas Finger verstärkten den Griff um das Heft, als der Hammer in die Höhe gerissen wurde, sich Lavi abstieß und Allens Hand in die Höhe fuhr.

„Lav…!“

„Kleiner Hammer, großer…!“

„Bleib stehen!!“

Plötzlich und unerwartet wurde Allens Ruf bei weitem übertönt. Kandas Stimme war es, die sich schallend erhob und Lavi augenblicklich inne halten ließ. Er stemmte sich ab, schlitterte über den trockenen Boden und keuchte auf. Perplex ließ er den Hammer sinken, starrte zu dem jungen Mann, in dessen Miene sich eine offene Drohung verbarg. Funkelnd und bohrend erwiderte er den irritierten Blick Lavis und Tyki ließ unter einem leisen Seufzen den Kopf sinken, rieb sich die Stirn. Er hatte es befürchtet…

„Yu…?“

„Du…“, unterbrach Kanda ihn erneut und mit leiser Stimme, taxierte ihn so scharf, als wäre er selbst ein Todfeind, „… rührst ihn nicht an!“

Allen begriff es nicht. Verständnislos und verwirrt verzog sich sein Gesicht und Tyki richtete sich zermartert auf.

„Verzeihung.“ Zielstrebig wandte er sich an Lavi, zog Kandas funkelnden Blick auf sich. „Ist es denn so schwer, mir eine einfache Frage zu beantworten?“

„Nicht schwer.“ Lavi war es, der ihm antwortete. Mit einem Schritt schaffte er eine sichere Distanz zwischen sich und ihm, betrachtete ihn sich lauernd. „Unmöglich!“

„Heißt, er ist nicht unter euch?“ Mit einem seltsamen Anflug von Zuversicht legte Tyki den Kopf schief.

„Das heißt es“, erhob sich Allens Stimme. Der Junge hatte sich gefasst, holte tief Luft und festigte seine Haltung. „Bist du nur hier, weil du ihn suchst?“

Aufmerksam verfolgte Lavi das Geschehen, während Kanda sich lediglich für einen interessierte, seinen Regungen verbissen folgte. Sein Körper verriet eine rege Ungeduld und unruhig regten sich seine Finger am Heft des Schwertes. Tyki unterdessen, schien nicht der geringsten Nervosität zu verfallen. Inmitten der Exorzisten verharrte er entspannt und befasste sich mit den Beiden, deren Namen ihm noch kein Begriff waren.

„Jeder hat seine Pflichten“, wandte er sich ruhig an Allen und zuckte bedauernd mit den Schultern. „Ihr geht hier auch nur euren nach und ehrlich gesagt, habe ich keinerlei Lust auf unnütze Auseinandersetzungen.“

Ein finsteres Zucken durchfuhr Kandas Miene, während Lavi den Kopf senkte, die Worte angespannt überdachte.

>Würde er uns wirklich gehen lassen…?<

„Tja.“ Tyki hob die Hände, musterte Allen und Lavi erneut. „So wie es scheint, habe ich wohl kein Glück. Wenn er wirklich nicht unter euch ist, dann kämpfe ich auch nicht.“

„Das hast du nicht zu entscheiden!“, meldete sich Kanda abermals zu Wort. Verbittert trat er vor und seine Stimme war geschwängert von einem Hass, wie es sich nicht beschreiben ließ. Sie bebte, erhob sich nur leise und lenkte eine jede Aufmerksamkeit auf sich. Lavi, Allen… selbst Tyki drehte sich zu ihm, sah ihn erneut offen an, sah die Schultern, die sich unter dem heftigen Atem hoben und senkten.

>Yu…< Lavi presste die Lippen zusammen, sein Atem stockte und versteckt richtete sich seine Pupille zurück auf Tyki.

„Du…“, Kanda verschluckte sich am eignen Atem, langsam hob sich die Klinge, richtete sich herausfordernd auf den jungen Mann, „… du kommst nicht davon! Diesmal nicht!!“

Er schrie ihn an… aufgelöst und mit einer Entschlossenheit, die seinen Worten einen festen Hintergrund gab. Er offenbarte eine unumstößliche Bereitschaft und Tyki entrann ein hörbarer Atemzug. Kurz hatte er ihn sich betrachtet, ohne dass man auf seine Gedanken schließen konnte, doch nun umspielte ein bedauerndes Lächeln seine Mundwinkel und er hob die Hand.

„Weshalb willst du es noch einmal versuchen?“ Seine Stimme erhob sich in dem gewohnten ruhigen Tonfall und Kanda schnappte nach Luft. „Erkennst du diese Situation nicht wieder?“ Entspannt hob Tyki den Kopf, nickte gen Himmel und stützte die Hand in die Hüfte.

Ja, es war auf diesem Marktplatz gewesen… leer und still hatten die Häuser sie umgeben und dort war es auch passiert…

Hastig blinzelte Kanda die Fetzen der Erinnerung fort, biss die Zähne zusammen.

„Sei still…!“ Nur ein heiseres Fauchen kam über seine Lippen und Tykis Lächeln verlor an Kraft. Eine gewisse Ernsthaftigkeit befiel seine Züge und er besah sich Kanda eindringlich.

>Was geht hier vor?!< Erschüttert verfolgte Allen das Geschehen.

„Fordere mich nicht heraus“, murmelte Tyki unterdessen. „Du weißt, wie es endet… Kanda.“

„Du sollst still sein!!“ Sofort fuhr dieser in die Höhe und sein Gesicht zuckte unter der Qual des versteckten Kampfes.

Keine Erinnerungen… keine weiteren Worte!

Es war schlimm genug, ihn vor sich zu haben!

Er schloss kurz die Augen, unterdrückte ein fahriges Ächzen und zuckte zusammen, als sich Lavi plötzlich in Bewegung setzte. Eine knappe Distanz war es, die er hinter sich zu bringen hatte und Tyki fuhr zu ihm herum. Das Gespräch mit Kanda hatte ihn in eine seltsame Ablenkung versetzt. Stärker, als es ihm zuzutrauen war und Lavi hatte diesen Moment genutzt. Er stieß sich ab, augenblicklich gewann sein Hammer an Größe und Tyki löste die Hand von der Hüfte, hob sie… und hielt doch inne. Zwei hastige Schritte, die den Staub aufwirbelten und Lavi, der sich abrupt in die entgegengesetzte Richtung stemmte. Ein lautes entsetztes Ächzen entrann ihm, als er zum Stehen kam… und auf die Klinge starrte, die sich ihm in den Weg neigte, seinem Hals gefährlich nahe war. An ausgestrecktem Arm hielt Kanda das Mugen, war im letzten Moment zu ihnen gelangt und verharrte in ihrer Mitte. Lautlos trat Tyki zurück, sein Körper verlor die Alarmiertheit und Lavi rang nach Atem, als er zurückwich… und die Klinge ihm argwöhnisch folgte.

„Was soll das…?!“, verlangte er aufgelöst zu wissen und Kanda richtete sich nur langsam auf, als er in sicherer Entfernung war. Auch das Mugen senkte sich. „Kanda!!“

Eine Möglichkeit, die zunichte gemacht worden war…!

Lavis Atem fiel schnell und aufgeregt und Allens Mund öffnete sich wortlos.

„Ich sagte, du rührst ihn nicht an!“ Als würde sich Kandas gesamter Hass plötzlich auf Lavi richten, starrte er diesen an und der Hammer wurde sinken gelassen. „Ich habe dich gewarnt!“

>Diese Augen…< Lavi spürte einen eiskalten Schauer und ohne dass er es seinem Körper befahl, setzte sich dieser abermals in Bewegung. Er trat zurück… um einen weiteren Schritt und schluckte. >Ist es etwa wirklich so, wie ich denke…?<

>Gut.< Den Beiden keine Beachtung schenkend, straffte Tyki den Sitz der Handschuhe und versteckt fixierte er Allen, der hilflos und sichtlich überfordert dort stand und all das verfolgte. >Meine Frage werden sie mir wohl nicht mehr beantworten aber wenn es so weitergeht, werde ich nie fündig. Ich denke, ich tue Gutes daran, mit diesem da anzufangen.<

Langsam hoben sich seine Hände, geschmeidig ballte er sie zu Fäusten, spürte den festen Stoff auf seiner Haut und mit einer gemächlichen, durch Beiläufigkeit getarnten Bewegung, drehte er sich um.

„Hältst du das wirklich für den passenden Augenblick…“, aufgebracht schnappte Lavi nach Luft, als er Kanda entgegentrat, sich verbittert um den Hammer klammerte, „… um Persönliches zu klären?!“

Ein leichtes Schaben erhob sich in Kandas Rücken, flink verschafften sich die schwarzen Stiefel den nötigen Halt und das Ziel fest vor Augen, ging Tyki in die Knie. Ein geräuschvoller Atem stieß durch Kandas Zähne, bebend verengte er die Augen… und plötzlich fuhr Lavi herum. Seine Lunge rang nach Atem, um einen Schrei auszustoßen, seine Beine bewegten sich in plötzlicher Hast und Tyki stieß sich ab. Der Hauch eines Grinsens umspielte seine Mundwinkel, als er sich wendig in Bewegung setzte, doch eine jähe Andere ließ ihn stolpern. Surrend durchschnitt die Klinge des Mugen die Luft, als Kanda herumwirbelte, die ungebrochene Aufmerksamkeit bewies und Tyki den Weg abschnitt. Ein fahriges Innehalten… sofort duckte sich Tyki unter dem kraftvollen Hieb, ungelenk zogen seine Schritte zur Seite und gleichsam erreichte ihn die Gestalt des jungen Mannes. Hektisch zuckten die hellen Pupillen zur Seite, knapp entging er auch dem zweiten Schlag und gerade fuhren seine Hände in die Höhe, als sich eine Schulter gegen seine Brust rammte, ihm etwaiges Gleichgewicht nahm und weiterhin zurückweichen ließ. Mit gehetztem Atem verfolgte Lavi den erneuten Ausbruch. Die Situation ließ sich nicht fassen… nicht greifen und verbissen kämpfte er um die Macht der Regung und damit, die Erschütterung aus seinem Leib zu verbannen. Mit zielsicheren und dennoch vorsichtigen Schritten trat er so zur Seite, den Kampf der Beiden nicht aus dem Auge lassend, fand er sich bei Allen ein, dessen Miene verwirrte Verständnislosigkeit entsprang. Er selbst hätte nicht rechtzeitig reagieren können und nur knapp entging Tykis Rücken dem harten Aufeinandertreffen mit der Rinde eines Baumes, an welchem er sich rasch vorbei schob. Flüchtig fand seine Hand Halt an der Rinde und heftig zog er sie zurück, bevor sich die Klinge des Mugen in ihr versenkte. Gelenk und zielsicher bahnte sich Kanda den Weg zur Verfolgung. Knackend wurde die Klinge aus der Rinde gerissen und hinter Tyki sprang er zwischen den Stämmen hindurch, setzte auf und stieß ihm erneut entgegen… traf auf keine Gegenwehr. Die Vorfreude hatte sich aus der Mimik des Älteren verloren, war der Einsicht gewichen, dass die Rage des Jüngeren eine gewisse Konzentration forderte. Schneidig ging die Klinge auf ihn nieder, geführt von in sich verzerrten Muskeln und der Kraft des jungen Körpers, ließ sie ihm keine Ruhe, ließ ihn zur Seite wanken, nach hinten treten und surrend fraß sich das Mugen durch einen Stamm, hinter welchen er sich schob. Rauschend begann sich Baumkrone zu regen, raschelnd verkeilten sich die Äste ineinander, als sie sich neigte und knackend kippte der Baum zwischen sie. Dumpf schlug er auf, die hellen Wolken des Staubes umwirbelten sie und gerade war Tyki darin verstrickt, die Augen mit der Hand zu schützen, als der schwarze Stiefel auf den Stamm niederging. Sogleich hielt er inne, blinzelnd öffnete er die Augen und ungestüm setzte eine Gestalt über den Stamm hinweg, um sich abermals auf ihn zu stürzen.

Ein Zucken durchfuhr seine Miene und dumpf traf sein Fuß auf die Wurzel eines Baumes, als er stehen blieb, die Hände in die Höhe riss und…

Nur Konturen ließen sich erkennen, der trockene Boden stiebte unter ihnen und Lavis Mund öffnete sich lautlos, als die Gestalten nahe beieinander in etwaiger Bewegung inne hielten. Stolpernd war der Rothaarige nach vorn getreten, gemeinsam hatten sie dem Baum ausweichen müssen und deutlich erspähte er die Kontrahenten, als sich der Staub legte. Keuchend neigte sich Kanda ihm entgegen, zitternd verhärtete sich sein Griff und die Klinge neigte sich stockend näher zum Hals des Älteren, der sein Handgelenk in festem Griff fixierte. Ineinander verkeilt waren sie zum Stillstand gekommen und mit ausdrucksloser Miene betrachtete sich Tyki das junge Gesicht, welches ihm so nahe war, dass er den heißen Atem auf den Wangen spürte. Konzentriert hielt er die Schwertführende Hand von sich fern, umklammerte mit der anderen den Ellbogen, der sich angespannt gegen ihn drängte und stemmte sich selbst gegen die Wurzel. Ein verhasste Kraft schlug ihm entgegen, versiegte nicht… nicht einmal in dieser Haltung, die jedem von ihnen etwaige Handlungsmöglichkeiten nahm. Ein dumpfes Zucken durchfuhr die Miene des Jüngeren, als er sich im festen Griff regte, fahrig schweiften die dunklen Pupillen zur zitternden Klinge und offensichtlich war der Wunsch, die würde sich durch den freien Hals fressen, den sie nach einem weiteren verbitterten Druck zu kratzen begann. Knirschend bissen seine Zähne zusammen, rasselnd rang er nach Luft und zielsicher fanden die Pupillen zu den Augen des Mannes zurück… die ihn musterten… die ihn still betrachteten und keinen Gedanke nach außen dringen ließen. Ein leichtes Blinzeln, schweigend behielt Tyki den Blickkontakt aufrecht… spürte die kalte Welle des Hasses, die in ihn eindrang, wie es eine kalte Klinge nicht könnte. Innerlich ließ sie ihn erbeben… ließ ihn frösteln und kontrolliert regte er die Finger um dem Handgelenk, welches sich ihm kraftvoll entgegensehnte. Seine Schultern hoben und senkten sich unter einem tiefen Atemzug, abermals blinzelte er und Kanda würgte ein trockenes Schlucken hinab, als sich die hellen Lippen des Mannes zu einem seltsamen Ausdruck verzogen. Ein Lächeln prägte sie… verloren von etwaiger Belustigung, versank es mehr noch in einem seltsamen Bedauern, das es milde wirken ließ.

„Habe ich…“, ebenso leise kamen die Worte über die Lippen, erreichten Kandas Ohren lediglich flüsternd und ließen ihn dennoch in sich zusammenfahren, „… dir denn eine so schwere Wunde zugefügt, dass dir das eigene Leben nicht mehr wichtig ist…?“

„Lavi…?“ Zögernd näherte sich Allen dem Älteren um einen Schritt, hielt jedoch inne, als sich Kanda plötzlich in Bewegung setzte. Als würde ihn ein jähes Entsetzen erfassen, erwachte er zu altem Leben… und wurde freigelassen. Widerstandslos lösten sich die Hände von seinen Armen, heftig riss er sie von sich und ein lautes Ächzen drang bis zu den Beiden, die nun still verharrten. Die Distanz konnte nicht groß genug sein, sie zu erreichen, nicht schnell genug. Übereilt wich Kanda zurück, unsicher senkte sich die Klinge und fassungslos verfolgte er, wie Tyki die Hände sinken ließ… bis der Stamm ihm die weitere Flucht verbot und er abrupt zum Stehen kam. Der Ältere hatte sich kaum bewegt, still verharrte er an seinem Punkt, ziellos verharrten seine Hände gesenkt und die Nachdenklichkeit schien über ihn gestürzt zu sein, dass er sich nicht mehr dem Versuch hingab, sie zu verbergen. Erwartungsvoll blickte er auf, sah Kanda an und erkannte, wie die vergängliche Fassungslosigkeit der jungen Züge unter der alten aufbrausenden Wut erlosch.

„Sei still…“, ein dumpfer Laut entrann ihm und lauernd senkte sich der Leib hinab. „Jedes weitere Wort zögert nur heraus, dass ich dich umbringe…!“ Seine Stimme schwoll an, abermals bissen seine Zähne zusammen und reglos lauschten Lavi und Allen den bebenden Worten. „Willst du dem entgehen?! Willst du das?!“ Schneidig blitzte die Klinge in der Bewegung, in welcher sie strikt gehoben und Tyki entgegengestreckt wurde, ohne dass dessen Augen ihrem Verlauf folgten. Eine seltsame Ruhe, die über den Älteren gekommen war und in welcher er sich die Zeit nahm, einem jeden Wort zu lauschen. „Dieses Lamentieren ist nicht nötig! Tu dir keinen Zwang an und stell dich mir endlich!! Ich…“, ohnmächtig vor Wut presste Kanda die Lippen aufeinander, verkrampft verfestigte sich der Griff um das Heft, „… Tyki…! Hier und jetzt… werde ich dich töten.“

Regungslos erwiderte Tyki die scharfe Taxierung, verblichen war das matte Lächeln und für ihn ebenso die Anwesenheit der anderen Beiden. Er stand ihm gegenüber, abermals nahm er einen tiefen Atemzug in sich auf und versank in einem leichten Kopfschütteln, unter welchem er die Augen flüchtig gen Boden sinken ließ, sich diesen ratlos betrachtete.

„Ich möchte dich nicht töten“, erwiderte er daraufhin, ließ das Kopfschütteln versiegen und blickte auf. „Du bist der Letzte, den ich töten würde.“

„Und ich wünschte, du hättest es getan!!“ Beinahe unterbrach Kanda ihn, schallend erhob sich seine Stimme in der Stille des Waldes und surrend wurde das Schwert sinken gelassen. „Diese falsche, widerliche Mildtätigkeit…!“ Fahrig fuhr er sich mit dem Handrücken über den Mund, näherte sich Tyki um einen unsicheren Schritt. „Mir wäre so einiges erspart geblieben, also rede jetzt nicht so, als würdest du Reue kennen!!“

Ein dumpfer Druck… Lavi spürte ihn in seinem Hals und trocken schluckte er dagegen an, während sich seine Hand um den Hammer klammerte und sein Körper sich nicht mehr zu einer Regung hinreißen ließ. Deutlich vernahm er jedes Wort… deutlich erkannte er die Mimiken… und nicht minder klar war sein Begreifen… und die sichere Erkenntnis. Nur ein knappes Blinzeln gelang ihm, als sein Auge zu brennen begann und Allens Lippen bewegten sich stumm. Ebenso perplex starrte er um sich und zurück zu Tyki, als dieser die Hände hob, Unverständnis zeigte und mit den Schultern zuckte.

„Nun lass uns mal nicht übertreiben“, vernahmen sie seine Stimme, die annähernd Belustigung erahnen ließ. „Im Gegensatz zu einiger deiner Kollegen bist du doch gut weggekommen.“ Kopfschüttelnd stemmte er die Hände in die Hüften. „Und was die kleinen Unannehmlichkeiten angeht… an denen trägst du selbst die Sch…“

„Warum“, erhob sich ein leises Raunen und dennoch verstummte Tyki sofort. Kanda hatte nicht ein einziges Mal die Augen von ihm gelöst und zitternd kratzte die Spitze der Klinge die Erde.

„Mm?“ Tyki hob die Augenbrauen und sein Gegenüber schnappte nach Luft.

„Warum war es bei mir so anders.“ Die Stimme senkte sich zu einem dumpfen Flüstern und Tyki presste die Lippen aufeinander. „Warum bin ich nicht tot.“

„Tja.“ Seufzend löste Tyki eine Hand von den Hüften, gestikulierte knapp mit ihr. Die Antwort lieferte er nicht sofort und einen jeden Augenblick, den er Kanda warten ließ, brodelte es in diesem höher.

Die Frage, die er sich oft stellte… die Frage, die ihn zermarterte, quälte…

Mit der er seitdem jeden Tag lebte und sich verbittert nach der Antwort verzehrte.

Und er forderte sie.

Er würde hier ausharren, er würde sich beherrschen und die Klinge gesenkt halten, bis er es erfuhr. Bis er die Gründe kannte, ohne die ein jeder Sieg nicht einmal den geringsten Hauch einer Genugtuung mit sich brächte.

Er spürte den eigenen Puls stärker, denn je. Fühlte das Rasen seines Herzens und dessen Schläge in einer jeden Faser seines Körpers.

„Du gefielst mir“, drang die Stimme des Älteren schneidig in sein Bewusstsein, entriss seinem Körper etwaige Fassung, ließ die Verbitterung aus seinem Gesicht bröckeln und ihn reglos verharren. Erneut gab sich Tyki einem Seufzen hin. „Und selbst danach… ich hätte es nicht übers Herz gebracht.“ Ein knappes stummes Kopfschütteln, unter dem er die Hand in die Hüfte zurückstemmte. „Für dich ist es noch nicht an der Zeit.“

Das war es…?

Lautlos strich der Atem über die leicht geöffneten Lippen des jungen Mannes. Mit erstarrter Miene verharrte er an Ort und Stelle und nichts ließ erahnen, wie es sich in seinem Inneren regte. Eisern blieb die Hülle, steif und unbiegsam alles an ihm… und Tyki schwieg.

Erschrocken fuhr Allen unterdessen zusammen. Eine Hand hatte sich jäh um seinen Arm gelegt und Lavi schien sich selbst aus der Erstarrung gelöst zu haben, als er zu ihm trat, ihn gar angespannt zu sich zog und aus den Augenwinkeln stets zu den reglosen Gestalten spähte.

„Du gehst…!“ Annähernd lautlos zischte er es ihm zu und das Gesicht des Jüngeren verzog sich verwirrt. Er setzte an, etwas zu entgegnen, da verfestigte sich der Griff um seinem Arm schmerzhaft und Lavi wirkte nicht, als würde er sich auf Diskussionen einlassen. Starr blickte er noch immer zur Seite. „Ich weiß nicht, wie es hier weitergeht…!“, fuhr er angespannt fort, neigte sich näher zu Allens Ohr. „Hol Verstärkung… hol alle, die du findest und komm nicht ohne jemanden zurück…!“

Wenigstens eine Sicherheit… Lavi brauchte zumindest eine Sache, von der er die Ängste zu lösen vermochte. Das Wissen, Allen zu schützen, fortzuschicken und darauf zu hoffen, dass er es begriff und Prioritäten setzte.

Die seltsame Abgeschiedenheit der beiden anderen, drängte die Situation in eine fremde, nahezu unwirkliche Richtung. Nicht umsonst unterwarf sich der Noah einer solchen Ablenkung und nicht selten würde er mit einer solchen Unaufmerksamkeit dort stehen…!

Unentschlossen regte sich Allen im festen Griff. Die Teamkameraden zurückzulassen… fortzugehen aus einem nur zu offensichtlichen Grund! Vor einem Feind zu flüchten, der allein durch ihn an diesen Ort gekommen war…!

Nichts von alledem entsprach seinen Prinzipien, nichts davon seiner Art und verbittert presste er die Lippen aufeinander, als Lavis Hand sich von ihm löste und ihm keine Zeit gegeben wurde.

„Geh…!“

Ein deutlicher Blick. Nur kurz sah er Lavi an, nahm auch eine strikte Geste wahr und abermals blickte er zu Kanda und Tyki, die sich reglos gegenüberstanden.

Er wollte es nicht… vielmehr Zweifel, als wenn er hier stand, hätte er, wenn er diesen Kampf nicht mehr beeinflussen könnte! Doch die Zeit drängte und ehe er sich versah, starrte Lavi erneut zu ihm.

Doch wo war die Grenze zwischen der Unterstützung und der Behinderung anderer?

Langsam wandte sich der Junge ab, unwillig ballte er die Hände zu Fäusten und aufmerksam verfolgte Lavi, wie er lautlos zurück trat. Über das Geäst… er bahnte sich seinen Weg, zog sich zurück und der Rothaarige hielt den Atem an, umfasste den Hammer sicherer, wurde sich seiner wieder bewusst. Ein rasches Eingreifen wäre von Nöten, wenn Tyki nun zum alten Ziel zurückkehrte und diesem Rückzug die klare Antwort entnahm. Ein Eingreifen, auf das er sich vorbereitete, doch selbst, als hinter ihm ein Ast knirschte und Allen sich in das Dickicht schob, schenkte Tyki dem kaum Beachtung. Er registrierte es… selbstverständlich, doch nur flüchtig lösten sich seine Augen von dem jungen Mann und richteten sich auf die Gestalt, die sich nun umwandte, die Schritte verschnellerte und kurz darauf zwischen den Stämmen verschwunden war.

Allen Walker… da mochte er wohl gehen, doch Tyki prägte seinen Aufenthalt nun von einem anderen Grund und als sich Kanda zu bewegen begann, war es für die Flucht bereits zu spät. Seine Mimik zeigte keinen Hauch von Verwunderung, keine Verblüffung… er hatte mit nichts anderem gerechnet, als dieser Reaktion.

Soeben noch zusammengesunken und starr, richtete sich Kanda auf. Seine Schultern, gerade noch gesenkt und scheinbar kraftlos, regten und spannten sich unter alter Kontrolle und die verirrten Strähnen wurden annähernd beiläufig zurückgestreift. Strikt war seine Absicht… die Worte Tykis hatten sich in ihm verloren, waren unterdrückt worden, bevor sie ihn in eine unkontrollierte Lage versetzten. Es war gesagt und funkelnd sehnten sich seine Augen nichts anderes herbei, als die Leiche jenes Mannes, der sich dem Urteil ergab.

„Mach dich bereit“, forderte er ihn leise und doch erbarmungslos auf.
 

~*to be continued*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2011-03-05T14:06:36+00:00 05.03.2011 15:06
Jetzt gehts an Eingemachte
XD
Ich hab mir sowas schon gedacht dass Kanda nicht bleiben wird und die Untersuchung über sich ergehen lässt.
War mir so klar das er sich aus dem Staub macht!

Von: abgemeldet
2011-02-26T13:51:48+00:00 26.02.2011 14:51
Tolles Kapitel!ich hab voll mitgefebiert!
Von: abgemeldet
2011-02-25T18:28:51+00:00 25.02.2011 19:28
hey :-)

Ich habe deine fanfiction bereits einmal vor langer Zeit kommentiert und sie damals schon atemberaubend und so traurig und so überwältigend gefunden. Nun habe ich sie ein zweites mal gelesen bzw. in einem tag verschlungen und ich finde sie noch immer einfach unbeschreiblich. Du schaffst es wirklich die Gefühle von Kanda so realistisch rüber zu bringen, wie Kanda-kun versucht seine Fassade aufrecht zu erhalten, obwohl die Vergewaltigung wie ein dunkler Schatten über ihn hängt und seine gleichgültige Maske langsam zu bröckeln beginnt.

Es muss schrecklich sein für einen Charakter wie Kanda, sich so hilflos zu fühlen vollkommen ausgeliefert und sich mit einem Erreignis konfrontiert zu sehen, wogegen er nichts machen konnte. Kanda musste das schrecklichste erfahren was ein "Mensch" in dem Fall eher Noah einen anderen Menschen antun kann.

Es ist so traurig mit anzusehen wie Kanda immer hilfloser wird, wie er verzweifelt versucht seine kühle Fassade zu waren, es scheint mir er strampelt und strampelt und geht doch unter.... und niemand ist da der ihn da raus holen könnte, weil er einfach niemanden an sich ran lässt.

Seine Panikattacken, appetittlosigkeit - das war sehr traurig mitanzusehnen (obwohl ich teufel liebe es ja so starke charaktere besonders kanda leiden zu sehen hehe - devil me...)Vor allem die Szene nachdame Kanda seinen Peiniger tötet - und Lavi ihn umarmt - war wundervoll - ich hatte tränen in den Augen - Wie Kanda langsam seine Fassade seine Maske brökeln lässt, wie er langsam aufschluchzt, so hilflos und wie er immer wieder beteuert - es sollte doch besser werden.Das war so herzzereißed... echt ich musste so heulen...wieder nachdem ich es nochmals gelesen hatte... du bist einfach eine wundervolle schreiberin...echt...woow

Ich denke jemand, der soetwas wie kanda durchleben musste, kann niemals wirklich wieder derjenige werden, der er einmal war. eine vergewaltigung verändert ein leben und kanda wird versuchen müssen damit leben zu lernen...

So warum ich jetzt eigentlich nochmals schreibe - ich hätte eine Bitte, könnte es zu dieser Geschichte nicht ein Sequel geben? Es wäre wunderbar zu lesen, wie Kanda weiter damit klar zu kommen versucht, sein Leben nach diesem schrecklichen Ereignis zu meistern, wie Lavi ihm dabei hilft... Dies würde mich wirklich freuen, wenn du weiter schreiben würdest udn ich denke auch andere Leser....

Du bist eine wunderbare Schreiberin..wirklich...also bitte falls du zeit und lust hast - schreib ein sequel...:-)
Von: abgemeldet
2009-01-09T12:07:05+00:00 09.01.2009 13:07
Die pure eskalation! Du bringst das so geil rüber! Das baut sich bei dir immer richtig auf und man muss einfach voll mitzittern! Wie Kanda mit Tikki spricht und Lavi gar nichts versteht aber so seine Ahnungen hat, das ist sooooo dramatisch und genial!! ^.^
Und dann wie gnadenlos Kanda tikky heraufordert alles beenden will! Ich hab wie eine Bekloppte auf den Button vom nächsten Kapitel eingehämmert und konnte mir nichmal einen neuen Kakao machen,weil ich nicht vom Stuhl und von der ganzen Geschichte und dem wahnsinns showdown wegkam!
Deine geschichten sind das Wechselbad der gefühle! Also mich hast du total emotional unter Kontrolle gehabt! musste am ende fast weinen!


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