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Der Weg zum Glück

von

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Ein Lied, um zu vergessen

Erst mal an alle, die auf der ENS-Liste sind bzw. drauf wollen:

Bitte schreibt mir 'ne kurze Nachricht oder so, wenn sich euer Mexx-Name mal ändert oder irgendwer neu auf die Liste bzw. von der Liste runter will. Vor allem Nic-Wechsel bitte mitteilen! Sonst bekomme ich bloß Fehlermeldungen, dass der User nicht gefunden wurde, und ihr habt keine Nachricht mehr...
 

Nachdem seit dem letzten Update diesmal nur etwas mehr als ein halbes Jahr vergangen ist, bin ich mir trotzdem nicht sicher, ob das nun eine lobenswerte Leistung sein soll oder nicht. <_<

Ich sollte nicht andauernd "Hier!" rufen, wenn es irgendwo Arbeit gibt. Dann würde ich auch häufiger zum Schreiben kommen.

Leider ist dies das letzte Kapitel, was ich (seit nun fast zwei Jahren) fertig vorgeschrieben herumliegen hatte. Ich kann daher nicht versprechen, wann das nächste Kapitel nach diesem fertig sein wird zum Hochladen. Aber ich streng mich an, dass ich es trotzdem irgendwie innerhalb eines halben Jahres schaffe. Mindestens. ><

Und nun erst mal viel Spaß!
 

-~*~-
 

Disclaimer: Die Charas gehören (bis auf wenige Ausnahmen) nicht uns, sondern Clamp. Wir wollen kein Geld damit verdienen, sondern nur unterhalten.
 

Erstschreiber des Kapitels: Lady_Ocean

Kapitel: 18/26
 

-~*~-
 

„Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.“

(George Bernard Shaw)
 

-~*~-
 

Ein Lied, um zu vergessen
 

Kurogane hatte nicht sonderlich gut geschlafen. Am liebsten würde er sich einfach umdrehen, die ganze gottverdammte Welt um sich herum ausblenden und nie wieder etwas mit ihr zu tun haben. Sollten sie ihn doch einfach alle in Ruhe lassen! Seine ach-so-tollen Kollegen, die hinter seinem Rücken alle mit dem Finger auf ihn zeigten und verächtlich tuschelten, die bellende und keifende Dukari, die vor lauter Schmerz total den Bezug zur Realität verloren zu haben schien, diese hirnlosen Heinis vom Jugendamt, die gerade dabei waren, sein gerade wieder in die Fugen kommendes Leben zu zerschmettern, und erst recht diese verschollene Rabenmutter, die Hals über Kopf ihre Familie aufgegeben hatte und nun erneut zum Schlag ausholte, um ihn zutiefst zu verletzen.

Oruha.

Wie hatte er sich in die damals nur verlieben können? Wie hatte er so blind sein können, in keinster Weise zu bemerken, dass sie so kaltherzig mit den Gefühlen anderer spielte? Was hatte er ihr bloß getan, dass sie solch einen Groll gegen ihn hegte?

„Kuro-chama! Aufstehen~!“

„Papi, Frühstück ist fertig~!“, trällerte es, begleitet von einem Klopf-Konzert gegen seine Schlafzimmertür.

Diese beiden verstand Kurogane auch nicht mehr. Dass Tomoyo gute Laune hatte und diese auch überschwänglich zum Ausdruck brachte, war an sich nichts Neues. Bei dem Luftikus dagegen schon, zumindest seit den neuerlichen Geschehnissen, mit denen auch dieser zu kämpfen hatte.

Und generell stand es den beiden seit gestern Nachmittag förmlich ins Gesicht geschrieben, dass sie irgendetwas ausheckten. Nur was, das konnte der Schwarzhaarige sich beim besten Willen nicht vorstellen. Wie dem auch sei, ihm graulte jetzt schon davor.

„Kuro-muff! Wenn du nicht aufstehst, kommen wir rein und wecken dich!“, kam frohlockend eine Drohung auf seine aus gebliebene Antwort.

„Ja, doch! Macht nicht so einen Radau am frühen Morgen, verdammt...“

Mit einem genervten Ächzen schälte Kurogane sich schließlich doch aus dem Bett. Er musste ja sowieso aufstehen.
 

Die seltsame Laune seiner Tochter und seines Gastes hielt nicht nur das ganze Frühstück über an, sie setzte sich auch auf dem Weg zum Kindergarten fast ungemindert fort, was Kurogane nun wirklich erstaunte. Was um alles in der Welt konnte bedeutsam genug sein, um den Blonden seinen Verfolgungswahn praktisch vergessen zu lassen?!

Als sich das Schauspiel auch im Kindergarten unverändert fortsetzte, mehr noch, sogar die kleine Praktikantin mit einem untypisch breiten Grinsen und vor Erwarten leuchtenden Augen an diesem Morgen den Kindergarten betrat, hielt Kurogane es nicht mehr aus.

„Was genau verheimlicht ihr hier alle vor mir?“

„Verheimlichen? Wir doch nicht! Du denkst vieeeeeel zu schlecht von uns, Kuro-pii!“, säuselte der Kindergärtner – und es hätte gar nicht falscher klingen können. Vor allem, weil die beiden Mädchen mit großen Rehaugen wie im Takt zu diesen Worten mit dem Kopf schüttelten.

„Mir reicht’s langsam mit diesem Kinderkram! Entweder ihr sagt mir, was los ist, oder ich verschwinde wieder! Dieses ganze Theater nervt!“

Gerade diese blonde Grinsebacke sollte am besten wissen, dass im Moment weiß Gott nicht der richtige Zeitpunkt für solcherlei Scherze war. Seine Nerven lagen auch so schon blank. Nur stand seine Tochter leider direkt neben dem grinsenden Lulatsch, da durfte er kein falsches Wort riskieren.

„Kuro-sama! Wenn du böse zu Nii-chan, Tomo-chan und Sakura-chan bist, kriegst du es mit mir zu tun!“

Und schwupp – schon war ein weiterer Dreikäsehoch auf der Bildfläche erschienen und baute sich mit nach vorn gerecktem Kinn und den Händen in den Hüften zwischen den zwei Parteien auf. Doch diesmal hatte Kurogane Glück und erhielt ein wenig Unterstützung.

„Ryu-kun! Sei nicht so frech zu Erwachsenen. Wer keinen Respekt vor Älteren hat, wird kein mutiger und starker Erwachsener, so wie dein Vater.“

„Ja, Mama...“

Ein wenig kleinlaut und sauer dreinblickend warf der braune Strubbelkopf einen Blick über die Schulter, wo seine Mutter im Türrahmen stehend einen mahnenden Blick verteilte. Praktisch im selben Augenblick ertönte erneut das leise Klicken der Haustür und dem Dialog, der dabei hereingetragen wurde, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, welcher Knirps diesmal gebracht wurde.

„Verehrter Herr Papa, mit Verlaub würde ich gern darauf verweisen, dass heuer der lang ersehnte Tag der Freia ist. Hast du dir bereits ersonnen, auf welch wunderbare Weise wir diesen Nachmittag gemeinsam mit Frau Mama erfüllen könnten?“

„Geliebter Sohnemann, sei unbesorgt. Auch wenn meine Wenigkeit die langen Tagesstunden getrennt von dir und unserer geliebten Mutter zu bestreiten hat, so gilt mein Denken doch einzig und allein euch. Selbstverständlich ersann ich mir bereits einige Möglichkeiten, wie wir in unserem trauten Heime diese wunderbare Zeit der Familie zu verbringen vermögen.“

Kurogane schlief förmlich das Gesicht ein, als sowohl charakterlich als auch äußerlich zwei fast identische Sorata den Aufenthaltsraum betraten. Der zweite wirkte lediglich ein ganzes Stück älter, praktisch wie eine Version des Knirpses in 20 bis 30 Jahren. Das Paradebeispiel zu: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“.

Und schon hatte das viel zu gleiche Gespann die Gruppe mitten im Raum entdeckt und ‚Sorata, der ältere’ wechselte das Gesprächsthema: „Oh teurer Freund! Welch eine Freude ist dein Anblick an diesem gar entzückenden Morgen! Meine Dankbarkeit vermag ich nicht in Worte zu kleiden, dass du stets aufs Neue nicht zagst, meinen geliebten Sohn mit deiner endlosen Fürsorge, deiner sanften Barmherzigkeit zu empfangen.“

„Nicht doch, Arisugawa-san. Es ist immer wieder eine Freude für mich, Ihren lieben Sohn hier bei mir zu haben“, trällerte der Blondschopf und tanzte den soeben eingetroffenen Eltern entgegen. „Und machen Sie sich keine Sorgen, Frau Ou, Ryu-kun ist wirklich ein ganz vorbildlicher kleiner Gentleman.“

„Dann bin ich ja beruhigt. Ich weiß ja, was für ein kleiner Wildfang mein Schatz sein kann...“

Und so zerstreute sich Kuroganes Vorhaben, die drei Ränkeschmiede endlich zur Rede zu stellen, durch den allmorgendlichen Trubel der nach und nach eintreffenden Kinder und deren Eltern. Kopfschüttelnd ergab er sich – vorerst – seinem Schicksal und ging in die Küche. Unter dem Vorsatz, die ersten Teekannen für den Tag vorzubereiten, konnte er so zumindest einige ruhige Minuten für sich ergattern. Nun, nicht ganz für sich. Seine Tochter hatte sich sofort an seine Hand geklammert, als er sich zum Gehen gewandt hatte, und so werkelten sie nun gemeinsam an den Schränken herum, stellten die Teebecher in den Küchenkorb, reihten die Kannen ordentlich auf der Arbeitsfläche auf und schalteten die Wasserkocher ein. Eigentlich hatte Kurogane seine Tochter nun noch einmal im Vertrauen fragen wollen, was sie und der Kindergärtner gestern ausgeheckt hätten, doch sie war nun so vertieft in ihre neue Aufgabe, dass er es einfach dabei beließ und stattdessen die ruhigen Momente genoss, die er so gemeinsam mit der Kleinen gewonnen hatte.
 

Bis zum Nachmittag hatte Kurogane es noch mehrere Male versucht, Sakura, Fye oder seine Tochter auf deren gemeinsames Komplott anzusprechen, doch sie wichen jedes Mal aus. Alle drei machten es sich zu Nutzen, dass die restlichen Kinder keine Ahnung von ihrem Vorhaben hatten und Kurogane sich in ihrer Gegenwart dementsprechend nicht auffällig verhalten konnte. Dass selbst seine Jüngste diese Strategie von den zwei älteren übernahm, brachte den Schwarzhaarigen am meisten aus dem Konzept. Natürlich, sie war ein aufgewecktes, cleveres Mädchen. Aber sie war vier! Herrgott, VIER! Und begriff selbst solche Sachen so schnell. Was sollte das werden, falls er sie für ein halbes Jahr, oder ein Jahr, oder vielleicht noch länger nicht mehr sehen dürfte? Würde er sie überhaupt wieder erkennen, bei dieser schnellen Entwicklung? ... Würde SIE ihn wieder erkennen...?

„Kuro-muff! Du starrst ja schon wieder Löcher in die Luft“, neckte ihn die blonde Grinsebacke, die wie aus dem Nichts neben ihm aufgetaucht war. Zu einer Erwiderung kam Kurogane gar nicht, denn ehe er sich versah, war das Gesicht des anderen nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt, die Augen ein wenig mürrisch zusammengezogen und mit gespielt ernstem Schmollmund.

„Wenn du immer so grimmig guckst, hast du bald richtig tiefe Falten.“

Bei diesen Worten lagen die Spitzen der langen, kühlen Finger plötzlich auf seinen Augenbrauen, zogen diese sanft etwas auseinander. Halb durch den Schreck, halb wegen der sanften, wohltuenden Bewegung entspannte sich die Mimik des Schwarzhaarigen tatsächlich. Der Blauäugige lächelte daraufhin sanft, strich noch zwei, dreimal über die nun glatte Stirn, so wie bei einem weichen Stoff, um noch einmal sicher zu gehen, dass wirklich kein noch so kleines Fältchen übrig geblieben war.

„Genau, so ist’s richtig.“

Die Finger wanderten weiter nach außen, Richtung Schläfen, über die Wangenknochen und hinunter zu den Mundwinkeln.

‚Der Kerl hat wirklich Hände wie ´ne Frau“, schoss es Kurogane durch den Kopf.

„Und wenn du dir nun noch angewöhnst, hin und wieder ein wenig zu lächeln, kann dir garantiert niemand mehr widerstehen.“

Damit zog er Kuroganes Mundwinkel links und rechts auseinander, was in Kombination mit dessen erneut mürrischem Blick in einer ziemlich schrägen Grimasse endete.

Bevor der Schwarzhaarige die Chance hatte, die frechen Hände zu packen, lachte der Blonde vergnügt auf, verschränkte die Finger schnell hinter seinem Rücken und tänzelte neckisch um den hoch gewachsenen Mann herum, bevor er sich trollte und zu den Kindern zurückging.

Kurogane schaffte es nach wie vor nicht, sich zu bewegen und ihm nachzusetzen, ihn für diesen Blödsinn zu schelten. Er war irgendwie... paralysiert.

Gut, dass die meisten Knirpse inzwischen weg waren. Freitags holten die meisten Eltern ihre Kinder schon gegen Mittag ab, bis 15 Uhr war dann auch der letzte weg und sie konnten ebenfalls Feierabend machen. So bekamen die Kinder die bisweilen seltsamen Allüren ihres Kindergärtners nicht mehr mit.

Ein Blick zur Spielecke bestätigte Kurogane, dass auch Yuzu, das letzte Kind, das heute noch auf seine Mutter wartete, so sehr in ihr Spiel mit Tomoyo vertieft war, dass sie nichts mitbekommen hatte.

Nicht auszudenken, was die Eltern der Kinder vielleicht denken mochten, wenn die Knirpse ihnen daheim dann solche Geschichten erzählten.
 

„Ähm...Kurogane-san?“, sprach Sakura ihn vorsichtig an, nachdem auch Yuzuriha gegen 14 Uhr abgeholt worden war alle mit den letzten Aufräumarbeiten beschäftigt waren. „Shaolan-kun und ich haben heute Morgen mit Ichihara-san gesprochen.“

Sofort hatte das Mädchen seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Wir haben ihr so genau wie möglich erzählt, was wir an jenem Abend erlebt haben. Ichihara-san meint, die Informationen wären sehr wertvoll, aber sie ist sich nicht sicher, wie viel Gewicht unseren Aussagen bei den Untersuchungen beigemessen würde, weil wir Sie ja inzwischen persönlich kennen.“

Damit hatte er ja schon gerechnet. Trotzdem, es versetzte ihm einen gewissen Stich, diese Aussage noch einmal bestätigt zu hören.

Die kleine Praktikantin, die an Kuroganes Mimik scheinbar genau erkannte, was in diesem gerade vor sich ging, hakte daher schnell nach: „Aber ich glaube, sie stellt jede Menge weiterer Nachforschungen an. In dem Ordner, in dem sie unsere Aussagen weggeheftet hat, waren schon jede Menge Berichte und Notizen. Wie bei einer richtigen Detektivin oder so.“

Die rehbraunen Augen des Mädchens sprühten geradezu vor Bewunderung, während sie dies sagte. Allein diese Reaktion brachte Kurogane erneut zum Grübeln, wer diese mysteriöse Person in Wirklichkeit wohl sei.

„Und, ähm... Ich soll von Shaolan-kun aus fragen, ob Sie nach der Arbeit heute eventuell kurz Zeit hätten. Er wollte mit einem Freund ein paar neue Möbel für unsere Wohnung basteln, aber es gibt wohl einige Probleme. Und wir dachten, Sie kennen sich ja ziemlich gut mit so was aus und könnten uns vielleicht ein paar Tipps geben...“

Dass der Knirps sich fürs Handwerken interessierte, überraschte Kurogane ein wenig. So dünn, wie der Junge war, hatte er bisher immer den Eindruck eines typischen fleißigen Studenten auf ihn gemacht, der sich ganz seinen Studien widmete, höchstens hin und wieder mal ein wenig Sport zum Ausgleich betrieb, sich sonst aber jeder körperlicher Anstrengung fern hielt.

„Oh, Shaolan-kun braucht Hilfe? Na klar fahren wir bei ihm vorbei, stimmt’s, Kuro-wan? Shaolan-kun hat uns auch schon so oft geholfen, da ist es das Mindeste, was wir für ihn tun können“, schaltete sich der Kindergärtner sogleich ein.

So wurde ihm die Entscheidung mal wieder aus der Hand genommen. Na ja, etwas Besseres hatte Kurogane an diesem Nachmittag eh nicht vor. Und bevor ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf fiel, mit der Frist des Jugendamts als tickende Zeitbombe im Rücken...

„Von mir aus“, gab er kurz brummend seine Zustimmung, nahm Jacke, Autoschlüssel und Mokonas Hasenkäfig, der für den Wochenendausflug zu ihnen nach Hause bereits vorbereitet worden war, und steuerte sein Auto an.
 

„An der nächsten Ecke rechts, dann sind wir auch schon da.“

Kurogane folgte stumm der Anweisung, während er innerlich immer skeptischer wurde. Die Praktikantin hatte ihn geradewegs zum Stadtrand gelotst, in eine ziemlich verlassene Gegend, wo kaum Wohnhäuser in der Nähe waren und stattdessen die Natur langsam die Überhand gewann. Durch den leisen Nieselregen, der seit dem Mittag die Stadt in ein trübes Grau tauchte, wirkte diese Gegend mit den wenigen, verlassen wirkenden Häusern gleich noch trostloser.

Hier wohnte doch niemals ein Freund von dem Knirps!

Doch Kurogane sagte nichts dazu. Er hatte das sichere Gefühl, dass sich in wenigen Minuten die Heimlichtuereien der letzten Zeit aufklären würden.

Sie betraten einen lang gezogenen Flachbau, gleich gegenüber dem geparkten Auto. Die Eingangstür war alt, aber stabil. Drinnen gab es einen langen Gang, der in beide Richtungen von der Tür weg führte, sowie eine Treppe nach unten. Die Braunhaarige schlug den letzten Weg ein.

Irgendwie hatte diese Umgebung etwas Vertrautes. Sie erinnerte Kurogane an früher, an seine eigene Jugendzeit. Nach der Schule hatte er sich mit seinen Freunden oft in ähnlicher Umgebung getroffen...

Das Kellergeschoss war mit einigen nackten Neonröhren hell ausgeleuchtet und bestand ebenfalls aus einem Flur, der sich von der Treppe aus in zwei Richtungen erstreckte. In die Wände waren zu beiden Seiten in regelmäßigen Abständen schwere Metalltüren eingelassen. Ein gedämpftes Gemisch verschiedener Instrumente, Rhythmen und Melodien war zu hören. Tomoyo blickte sich fasziniert um, während Fye nur so vor sich hin grinste und Sakura sie auf eine bestimmte Tür zulotste.

Kurogane ahnte, was jetzt kam. Und im selben Moment hatte er schon keine Lust mehr, die letzten Schritte bis zur Tür und durch sie hindurch zu setzen.

„Ooooooooh“, staunte sein Töchterchen nur und war bereits hinter der Tür verschwunden, dicht gefolgt von ihrem Kindergärtner.

TOLL!!! Er wusste, da konnte nur irgendwas Blödes auf ihn zukommen!

Mit wütenden Schritten stapfte Kurogane den beiden anderen hinterher, nur um seine Tochter am Handgelenk festzuhalten, um sie am Weiterlaufen zu hindern.

„Komm, Kleines, wir fahren nach Hause“, entschied er bestimmend.

Hinter und vor sich konnte er erschrockenes Keuchen von der Praktikantin und deren Freund, welcher gerade die letzten Teile am Schlagzeug montiert hatte, hören.

„Aber Papa, warum denn? Hier sieht es doch toll aus! Und ich wollte soooooo gern einmal mit dir und Nii-chan gemeinsam Musik machen!“, jammerte das Kind.

„Kurogane, warte!“, hechtete nun auch Fye erschrocken nach vorn und klammerte sich an den Arm, mit dem dieser soeben seine Tochter gepackt hatte.

„Bitte...“, setzte er noch einmal nach, als der wütende Blick ihn traf. „Findest du die Idee wirklich so abstoßend?“

Flehend, fast schon mit Tränen in den Augen, hatte der Blonde die Frage gestellt. Mit solch einer heftigen Reaktion hätte Kurogane nicht gerechnet. Es nahm ihm mit einem Mal den Wind aus den Segeln.

‚Abstoßend’... Na ja, so schlimm war es eigentlich nicht. Er hatte nur ewig nichts mehr mit Musik am Hut gehabt. Seit er der Armee beigetreten war praktisch kaum noch, nur an den Wochenenden ein bisschen mit Oruha. Für mehr hatte er keine Zeit mehr gehabt. Und nachdem sie spurlos verschwunden war, war die Musik genauso aus seinem Leben verschwunden.

Als er hier so unvorbereitet mit dem Proberaum konfrontiert wurde, war es, als wäre er plötzlich in die Vergangenheit zurückkatapultiert worden. Aber das konnte der Kindergärtner nicht wissen.

„Na ja...“, schwächte er nun seine Reaktion ab und ließ seine Tochter los. Er spürte, wie sich die kühlen Hände an seinem Handgelenk entspannten und schließlich entglitten, als er seinen Arm nach unten sinken ließ.

„Wer ist überhaupt auf diese Idee gekommen? Und warum?“

„Die Idee mit der Überraschung stammt von deinem brillanten Töchterchen“, erklärte der Kindergärtner stolz, „und das mit der Musik stammt von mir.“

„Und wie bist du darauf gekommen, unbedingt Musik zu machen?“

„Du hast bestimmt mal Schlagzeug gespielt, stimmts?“, kam die Gegenfrage des Blonden.

„Stimmt“, entgegnete der Schwarzhaarige etwas überrascht.

„Wusste ich’s doch!“, frohlockte der andere nun triumphierend. „Bemerkst du eigentlich, dass du oft mit den Fingern oder Füßen den Takt mitklopfst, wenn irgendwo ein Lied läuft? Dabei siehst du immer aus wie ein professioneller Schlagzeuger. Und wenn ich für die Kinder Gitarre spiele, kommen von dir auch immer gute Ideen. Du kennst also eine ganze Reihe Lieder sehr genau. Singst du eigentlich auch?“

„N-nein...“

Etwas überrumpelt blickte der Schwarzhaarige zur Seite. Er hatte wirklich nicht mitbekommen, dass sein früheres Interesse für Musik noch immer so leicht zu erkennen war.

„Also doch! Du kannst auch nicht Lügen, Kuro-pii, weißt du?“, witzelte der Blonde weiter.

„Ja, und?!“, kam es jetzt wieder gereizter. Der Spaßvogel sollte es bloß nicht zu weit treiben!

„Ich denke, du kannst bestimmt gut singen. Eine richtig tiefe, rockige Stimme. Ich würde sie zu gern einmal hören“, schwärmte der Kindergärtner weiter.

‚Ich würde zu gern mal deine Stimme hören. Klingt bestimmt aufregend, wenn du so tief singst, wie du sprichst.’

Das waren damals Oruhas Worte gewesen, als sie sich das erste Mal getroffen hatten. In irgendeinem Club, wo er mit seinen Freunden nach der Schule oder am Wochenende oft abgehangen hatte. Sie war Sängerin einer eigenen kleinen Band gewesen, die niemand gekannt hatte und die sich wegen Streitigkeiten gerade wieder aufgelöst hatte. Wie so oft bei Jugendbands. Doch ihre Stimme war gut, das hatte er sofort gemerkt, wenn sie gelegentlich zu den gecoverten Liedern irgendeiner anderen No-Name-Band auf der Bühne mitsang, die in dem Laden für Stimmung hatte sorgen sollen. Sie hatten ein wenig gelästert, dass die Typen auf der Bühne nix drauf hätten, dass sie selbst das locker besser hinbekommen würden. So wurde sie eingeladen, bei Kuroganes Bandproben vorbeizuschauen. Alle verstanden sich auf Anhieb, sie wurde Frontsängerin, oft auch begleitet von Kurogane oder ihrem damaligen Gitarristen als Backgroundsänger oder im Duett. Die Chemie hatte einfach gestimmt. Besonders zwischen ihnen beiden.

Er war blind gewesen in seinem jugendlichen Leichtsinn. Nicht im Geringsten hatte er geahnt, dass sie ihm nur etwas vormachte. Oder zumindest hatte er nicht mitbekommen, wann aus ihrer damaligen Jugendliebe falsches Spiel geworden war.

Kurogane spürte einen leichten Stich in der Brust. Das Gefühl hatte er lange nicht mehr gehabt.

... Ob das mit der Musik hier wirklich eine gute Idee war? Vielleicht sollte er doch versuchen, den anderen diese Schnapsidee wieder auszureden.

„Kurogane-san, stimmt etwas nicht? Sie sehen so nachdenklich aus“, fragte die kleine Praktikantin besorgt.

„Nein, es ist nichts“, winkte er ab. Verdammt, neuerdings konnte scheinbar jeder in ihm lesen wie in einem offenen Buch.

„Magst du die Idee wirklich nicht, Papi?“, mischte sich nun auch seine Tochter mit besorgter Stimme ein. „Nii-chan, Sakura-chan, Shaolan-kun und ich wollten dich wirklich nicht ärgern. Wir wollten dir eine Freude machen, weil du in letzter Zeit immer so traurig aussiehst.“

Selbst Tomoyo machte sich solche Sorgen um ihn? Ein Blick in die Runde ließ Kurogane verstehen, dass sich alle seinetwegen Sorgen machten. Spätestens jetzt tat ihm seine Reaktion von zuvor wirklich Leid. Und sein ganzes Benehmen seit gestern. Er hatte sich viel zu sehr gehen lassen. Ohne es zu merken, hatte er sie alle mit in seine Probleme hineingezogen. Sogar die kleine Sakura und ihren Freund.

„Vielleicht habt ihr Recht. Ein bisschen Spaß kann ja nicht schaden“, willigte er daher schließlich ein. Schlagartig breitete sich ein Lächeln auf den Gesichtern aller Anwesenden aus.

„Ich hoffe, ich habe das Schlagzeug ungefähr auf der richtigen Höhe montiert. Am besten Sie probieren es kurz aus, Kurogane-san. Unser Schlagzeuger ist nämlich ein wenig kleiner als Sie“, bot der braunhaarige Junge zuversichtlich an.

Kurogane probierte einige kurze Rhythmen aus. Es fühlte sich so vertraut an, und gleichzeitig doch so fremd. Er war total aus der Übung. Ob er überhaupt noch ein paar Lieder hinbekommen würde?

„Ui, das ist aber laut!“, staunte sein Töchterchen.

Daran hatte Kurogane bisher gar nicht gedacht. Für ein vierjähriges Mädchen war der Geräuschpegel beim Musikmachen wohl mehr als gesundheitsschädigend. So konnten sie keinesfalls spielen. Doch die „Organisatoren“ dieses Treffens hatten anscheinend vorgesorgt.

„Keine Sorge, Tomo-chan. Wir haben ein paar Ohrenschützer für dich mitgebracht, mit denen kannst du ganz in Ruhe zuhören.“

Während er das sagte, nahm der Kindergärtner besagte Ohrschützer aus einem Regal und reichte sie dem Kind. Sie waren ein wenig kleiner als üblich und sogar im kindgerechten Design verziert. Kurogane fragte sich, wie sie die wohl auf die Schnelle hatten auftreiben können, wenn dieser Plan mit der Musik wirklich erst seit gestern stand.

„Und ihr, Nii-chan? Habt ihr keine Ohrschützer?“, fragte seine Tochter mit besorgtem Ton nach.

„Keine Sorge, Süßes. Wir sind doch schon groß, deshalb sind unsere Ohren nicht mehr so empfindlich wie bei Kindern“, versicherte der Blondschopf.

„Na gut...“, gab sie sich ein wenig unwillig zufrieden, nachdem sie mit einem weiteren Blick auf das Regal feststellen musste, dass dort sowieso keine weiteren Kopfhörer mehr lagen.

„Hey Junge, was für ein Instrument spielst du eigentlich?“, fragte Kurogane nun an Shaolan gewandt.

„Ich? Ah, Bassgitarre“, antwortete Besagter und machte sich daran, sein Instrument umzuschnallen, nachdem er bis gerade eben Seite an Seite mit seiner Freundin gestanden hatte.

„Ich spiele ein wenig Keyboard und singe manchmal“, knüpfte Sakura gleich an und setzte sich ebenfalls an ihr Instrument.

„Super, dann kann es ja losgehen!“, freute sich Fye, nahm mit seiner Akustikgitarre auf einem Hocker platz und stellte das davor aufgebaute Mikro so ein, dass es den Schall seines Instruments gut auffangen konnte. E-Gitarre hatte er scheinbar nie gespielt. Und wenn Kurogane ihn sich so ansah...dann passte das auch nicht so recht zu ihm.

„Gibt es etwas, was du gern mal wieder spielen würdest, Kuro-puu?“

Gern spielen... Hilfe, war das ewig her!

„Irgendwas Leichtes für den Einstieg“, lautete daher die schlichte Antwort.

„Vielleicht Phil Collins?“, kam ein Vorschlag von dem Blonden.

Hm... Die meisten Lieder bestanden vom Grundaufbau her aus typischen Rockrhythmen. Aber die Zwischenstücke konnten es ganz schön in sich haben...

„Na ja...so wirklich Ahnung hat hier keiner von uns, glaube ich“, gab der braunhaarige Junge zu. „Da fällt es wohl niemandem auf, wenn du dich mal verspielst oder so.“

„Und von uns spielt auch keiner besonders gut. Es ist ja nur ein einfaches Hobby“, pflichtete seine Freundin bei.

„Genau, Kuro-muff! Also guck nicht so angestrengt, entspann dich und hab einfach ein bisschen Spaß! Du nimmst das alles viel zu ernst.“

Der Kindergärtner klimperte bereits fleißig wahllos verschiedene Riffs irgendwelcher Phil Collins-Lieder zusammen und störte sich kein Stück daran, dass die verschiedenen Melodien überhaupt nicht zu einander passten.

‚Bleib locker, ist doch Fun!’

Oruha und auch die Freunde aus seiner damaligen Band hatten ihn das auch oft genug hören lassen. Vielleicht war es manchmal eine Schwäche, dass er Dinge, die er anpacken wollte, nicht auf die leichte Schulter nehmen konnte, so wie die anderen – früher genauso wie heute.

„Ich bin entspannt“, redete der Schwarzhaarige sich schließlich raus und wandte sich dann direkt dem Kindergärtner zu. „Singst du?“

„Aber gern doch!“

Und schon erklangen die ersten Noten von „Another Day in Paradise“ von der Gitarre. Das braunhaarige Mädchen setzte sofort darauf mit einer langgezogenen Synthezizer-Untermalung ein, Shaolan ergänzte sanfte Bassriffs und Kurogane setzte schließlich mit einem gedehnten Rockrhythmus ein. Es musste ja wirklich nicht originalgetreu werden. Hauptsache, am es passte insgesamt alles zusammen. Und als die Stimme des Kindergärtners zur ersten Strophe erklang, spürte der Schwarzhaarige, dass wirklich alles so war, wie es sein sollte.

Da Phil Collins beim ersten Anlauf so gut gelungen war, entschied man sich, mit „In the Air tonight“ gleich noch ein zweites Lied von ihm anzuschließen, wobei sich alle einig waren, dass Fye wieder den Gesang übernehmen sollte. Als das Lied zu Ende war, meldete sich Tomoyo zu Wort, die bis dahin brav auf einem Stuhl gesessen und zugehört hatte: „Ich möchte auch mitspielen!“

Soso. Seine Tochter hatte also ihre musikalische Ader entdeckt. Aber ob das klappte?

„Was möchtest du denn für ein Instrument spielen, Tomo-chan?“, fragte der Kindergärtner jedoch sofort nach, ehe Kurogane sich auch nur ein Argument hatte überlegen können, wie er seine Tochter von dieser Idee wieder abbringen konnte.

„Das da!“, antwortete diese vergnügt und zeigte auf das Regal, aus dem Fye zuvor die Kopfhörer genommen hatte. „Das runde Ding mit den glitzernden Platten!“

„Ah, das Tamburin! Ja, das ist eine prima Idee, Kleines!“

Schon war der Blonde dabei, besagtes Instrument aus dem Regal zu holen und es dem kleinen Mädchen in die Hand zu drücken.

„Und ich weiß auch schon, welches Lied wir damit alle gemeinsam spielen können“

Kurogane ahnte schon, was der andere meinte. Bei dem Wort „Tamburin“ kam eigentlich nur ein Lied infrage. Und so, wie die zwei Jugendlichen sich wissend angrinsten, hatten sie denselben Gedanken.

„Kuro-pon, gibst du mal ´nen einfachen Offbeat vor?“

Mit zwei Base Drum und Hi Hat deutete er besagten Ryhthmus an.

„Kannst du mit dem Tamburin immer auf den zweiten Ton schlagen, Tomo-chan?“, fragte Fye das schwarzhaarige Mädchen und zeigte ihr gleichzeitig klatschend, welchen Ton genau er meinte. Die großen, violetten Augen schauten für einige Augenblicke gebannt auf das Schlagzeug, hinter dem ihr Vater saß, dann auf die Hände ihres Kindergärtners. Dann fing sie selbst vorsichtig an, besagten Rhythmus nachzuahmen. Erst sehr holprig und mit vielen Aussetzern, doch nach einigen Anläufen hatte sie sich an die Bewegung gewöhnt.

„Sehr schön. Genau so, Tomo-chan. Du machst das super! Wie ein Profi!“, lobte der Blonde sie, worauf sie stolz über beide Ohren zu grinsen begann.

„Sakura-chan, übernimmst du die Melodie? Dann klatsche ich mit Tomo-chan zusammen den Takt.“

„Kein Problem, Fye-san“, bestätigte seine Assistentin und machte sich bereit.

Kurogane war einen Moment lang überrascht, mit welch einfachen Mitteln es der Blonde geschafft hatte, das gewollte Instrument in ein richtiges Lied einzuflechten und seiner Tochter damit sogar eine richtig aktive Rolle zu geben. Als er bemerkte, dass alles nur auf sein Zeichen wartete, sprang seine Aufmerksamkeit zu seinem Instrument zurück und er gab mit den Drumsticks den Takt vor.

Zum Glück war „Mr. Tambourine Man“ ein recht kurzes Lied. So groß, wie der Eifer seiner Tochter zu Beginn des Liedes auch gewesen sein mochte, gegen Ende hin sah man ihr deutlich die Erschöpfung an. Die lang andauernde, gleichförmige Bewegung hatte sie schnell ermüden lassen. Und so bat Tomoyo, trotz des Applauses, den sie von allen nach Ende des Liedes erhielt, von jetzt an wieder zuhören zu können.

Shaolan und Sakura äußerten als nächstes einen ganz konkreten Musikwunsch, den sie im Duett vortragen konnten: „Totale Finsternis“ aus dem Musical „Tanz der Vampire“. Es war das erste Mal für Kurogane, dass er sowohl die Singstimme des Jungen als auch die seiner Freundin hörte, und er staunte nicht schlecht, dass beide doch bereits einiges an Übung hatten und den Text sicher meisterten, obwohl jeder nebenbei sein eigenes Instrument weiterspielte.

Als nächstes wurde Kurogane nach seinen Wünschen gefragt. Auf die Frage, ob sie „True Faith“ von New Order spielen konnten, entgegnete der Archäologie-Student erstaunt: „Ich wusste gar nicht, dass Sie New Wave-Musik hören, Kurogane-san!“

„Zu meiner Zeit war das noch Mode. Vor allem in meinem Freundeskreis. Dass du das zu kennen scheinst, finde ich viel erstaunlicher. Kannst du es auch spielen?“

Der Junge bejahte.

„Ojemine, ich fürchte, da muss ich passen. New Wave ist damals vööööööllig an mir vorbei gegangen“, gestand der Blonde.

„Hm...also ich könnte die Melodie vielleicht auf dem Keyboard nachspielen. Es ist zwar schon ein Weilchen her, aber wir haben das Lied schon mal gespielt“, schlug das braunhaarige Mädchen vor.

„Den Text kann ich auch, das wäre kein Problem. Auch wenn Fye-san natürlich die schönere Stimme bei diesem Lied hätte“, fügte der Junge hinzu.

Vergnügt klatschte Fye in die Hände und legte seine Gitarre ab.

„Dann gesell ich mich jetzt einfach mal zu Tomo-chan und wir lauschen jetzt beide eurem tollen Lied“, verkündete er.

„Wir können auch einfach was anderes spielen“, schlug der Schwarzhaarige vor.

„Ach was!“ Ein verlegenes Lächeln legte sich auf das Gesicht des Kindergärtners. „Es war dein Wunsch, also spielt es ruhig. Und ich würde es auch gern mal hören.“

Ein wenig unzufrieden, dass er den Blonden mit seinem Vorschlag einfach ausgebootet hatte, gab er letztlich doch nach und spielte das Lied ausnahmsweise ohne Gitarristen an. Und zugegeben, die kleine Braunhaarige improvisierte nicht schlecht, als sie die ursprünglichen Gitarren-Parts auf ihrem Keyboard umsetzte. Kurogane fragte sich, wie lange sie wohl schon übte. Nach dem Lied wandte er sich aber direkt dem spontan zum Zuschauen verdonnerten Fye zu: „Jetzt such du dir was aus.“

„Ach was, schlagt ihr ruhig vor! Von mir kamen doch schon drei Wünsche“, winkte dieser lächelnd ab, machte sich aber daran, seine Gitarre wieder aufzunehmen.

„Die ersten Lieder waren für den Einstieg und das dritte Lied hat sich meine Tochter gewünscht. Jetzt bist DU dran. Such dir was aus, was DU wirklich spielen möchtest“, wiederholte der hochgewachsene Mann mit Nachdruck.

Zuerst schaute sein Gegenüber ihn verwundert aus seinen großen, hellblauen Augen an. Dann wich der Ausdruck einem vergnügten Lächeln, das schließlich von einem leicht unsicheren prüfenden Blick abgelöst wurde. Kurogane fragte sich, was genau dem anderen wohl durch den Kopf ging. Und irgendwo freute es ihn auch, dass dieser zur Abwechslung einmal ganz offen und ehrlich seine Gefühle preisgab.

„Hm...also... Es gäbe da ja schon was, was ich sehr gern mal spielen würde...“, begann der Blonde zögerlich.

„Also?“, hakte Kurogane ein wenig ungeduldig nach. Kein Grund, hier so um den heißen Brei rumzureden.

„Nun, das Lied ist ein Duett, also brauche ich jemanden, der mitsingt.“

Die klaren Augen, die so intensiv in Kuroganes dunklen Rubinen nach einer Reaktion suchten, zeigten ihm deutlich die Anspannung, die gleichzeitig mit dieser Frage verbunden war.

Der Blondschopf wollte ihn also unbedingt zum Singen bringen.

Eigentlich hatte er darauf verzichten wollen. Nach jahrelanger Übungspause so plötzlich wieder mit dem Schlagzeug konfrontiert zu werden, war schon schwierig genug. Wobei – langsam hatte er das Gefühl, wieder ein wenig warm zu werden. Ging schneller, als er erwartet hätte.

Aber ausgerechnet singen! Er war wahrlich kein Sänger. Selbst Oruha hatte es unterm Strich nur selten geschafft, ihn dazu zu überreden, eins ihrer Lieder mit ihm gemeinsam einzustudieren. Die Töne traf er zwar schon, doch seine Stimmlage war einfach nicht für die Musik gemacht. Immer, wenn er sich selbst auf irgendeiner ihrer Aufnahmen gehört hatte, war er irritiert davon gewesen.

Doch dieser halb schüchterne, halb erwartungsvolle Blick dieser klaren, blauen Augen, der noch immer unverwandt gebannt auf ihm lag... Irgendwie schaffte es dieser Blick, dass Kurogane es nicht übers Herz brachte, eine klare Absage zu erteilen. Wahrscheinlich war er diese Ehrlichkeit einfach immer noch nicht richtig gewöhnt. Oder diesen direkten Blickkontakt. Es war häufiger geworden in letzter Zeit, dass Fye sich dies zutraute, wenn auch nach wie vor insgesamt selten. Und er wollte ihn nicht enttäuschen. Das Versprechen, was er so eben gegeben hatte, zurückziehen. Dieser zerbrechlich wirkende, junge Kerl war eh schon viel zu oft enttäuscht worden.

„... Was genau schwebt dir denn vor?“, tastete Kurogane sich demnach nun doch vorsichtig heran.

„Ein Duett von Jermain Jackson und Pia Zadora“, erklärte der Blonde nun weiter.

„‚And when the Rain begins to fall’.”

„Genau.”

Die Antwort war mehr gehaucht als gesprochen. Scheinbar lag dem anderen wirklich viel an diesem Lied.

‚And when the rain begins to fall, you’re like my rainbow in the skies. And I will catch you, if you fall, you’ll never have to ask me why.’

Wahrscheinlich, nein, ganz sicher dachte er dabei an die Situation, in der sie beide derzeit steckten. Das, was sie durch all die Probleme für einander geworden waren. Dass sie auf eine mysteriöse, subtile Weise auf einander angewiesen waren. Kurogane konnte das spüren, so wie der andere es ebenfalls zu spüren schien.

„Ein schönes Lied...“, unterbrach die leise Stimme des Mädchens am Keyboard die entstandene Stille.

Kurogane schaffte es endlich, sich aus seiner plötzlichen Grübelei zu lösen und gab mit einem kurzen, aber eindeutigen Nicken seine längst überfällige Antwort.

Er schweifte viel zu oft ab in letzter Zeit.

„Hat aber ´ne ganz schön schwierige Tonlage. Auf der originalen Tonhöhe werd ich das sicher nicht hinkriegen“, gab er noch zu bedenken.

„Zwei, drei Töne tiefer wäre wirklich nicht schlecht“, pflichtete der Kindergärtner ihm bei.

Sie probierten einige Variationen aus und als sie sich geeinigt hatten, ging es los. Die ersten Töne wirkten ungewohnt. Durch die neue Tonhöhe unterschied es sich ziemlich vom Original. Schon an der Bassmelodie wurde das deutlich. Doch als Kurogane einsetzte, beruhigt feststellte, dass er auf dieser Höhe wirklich mithalten konnte, ohne dass es schief wurde, als Fye mit seinem Einsatz die Strophe weiterführte und sich ihre Stimmen im Refrain vereinten, klang es genau richtig. Alles passte zusammen. Die Stimmen, die Musik, die Worte, die abwechselnd einzeln oder im Einklang durch den kleinen Raum hallten.

Auch wenn Kurogane froh war, danach nicht noch einmal singen zu müssen, bereute er es am Ende nicht, der Bitte seines neuen Mitbewohners nachgekommen zu sein. Mit Fyes Stimme schien seine eigene erstaunlich gut zu harmonieren.

Besser als damals mit Oruha, fand er zumindest.
 

TBC...



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  Kanda_
2012-11-01T20:02:58+00:00 01.11.2012 21:02
....wahhhhhh ...bitte bitte bitte schreib schnell weiter ...ich bin ein riesen fan von der geschichte ....ich bin quasi fan der ersten stunde .....und ich will wirklich wissen wie es weitergeht ....hab jetzt nach langem mal wieder die gesamte ff gelesen ..und ich hab wirklich am bildschirm geklebt ...und werde es wohl wieder tun XD ...also es wäre wirklich nett wenn es schnell weitergehen würde und du mich dann evtl per ens benachrichtigen könntest.

danke ..das kanda
Von:  kiala-chan
2012-07-21T09:13:03+00:00 21.07.2012 11:13
Ich kann mich den Meinungen der anderen nur anschließen. Diese Geschichte hat mich sehr begeistert und mein Herz sozusagen im Sturm erobert :D
Sie ist jetzt eindeutig meine Lieblings-FF xD großes Lob!

Ich bin wirklich gespannt wie es weitergeht, z.B. was jetzt wohl aus der armen Chii wird und hoffe dass das nächste kapitel nicht mehr allzu lang auf sich warten lässt *sehr gespannt sei*

Kannst du mich bitte auch in die ENS-Liste aufnehmen?

Von:  Tree-chan
2012-06-07T19:53:32+00:00 07.06.2012 21:53
Ich hatte diese Geschichte schon länger gespeichert und letzte Woche hab ich endlich angefangen sie zu lesen.
Ich war begeistert! Was heißt 'war', ich bin es immer noch xD
Die Idee an sich ist echt klasse und dann auch noch diese süße kleine Tomoyo die im Nu das Herz ihres mürrischen Vaters erobert hat!
Wie SchneekindYuui es schon gesagt hat, ich finde es ist dir sehr gut gelungen die Charaktere 'in-chara' handeln zu lassen. Es passiert schnell bei FFs dass die Autoren sich die Charaktere 'zurechtbiegen' für ihre Geschichte. Das war bei dir überhaupt nicht der Fall! Großes Lob dafür ^^

Ich hoffe dass es bald weiter gehen wird. Du kannst mich gern in die ENS-Liste mit aufnehmen :D

Viele Grüße
Von:  Caith21
2012-03-08T06:39:07+00:00 08.03.2012 07:39
Ahhhhh KAWAIIIII !!!!!:3 das Kapitel ist richtig süß geworden ^^
Da hat sich das warten echt gelohnt ^^
Freu mich schon aufs nächste ^^

Chu Chu Caith21 ^^
Von:  PeachBunBun
2012-02-29T10:20:59+00:00 29.02.2012 11:20
Also ich habe die ff jetzt in ein paar Tagen durchgelesen, weil es mich so unglaublich gesuchtet hat. Ich konnte einfach nicht aufhören! Also die Idee erstmal ist einfach der Hammer! Wie sich die einzelnen Charaktere verhalten ist wirklich sehr in-chara und gefällt mir sehr. Euer schreibstil ist sehr schön. Wirklich ich habe hier meine Lieblings FF gefunden! Ich hoffe das die nächsten uploads nicht mehr lange dauern! :D
Von:  Schreiberling
2012-02-05T17:48:39+00:00 05.02.2012 18:48
Hallo und schön, dass es bei dieser FF endlich weitergeht.^^
Zuerst war ich ein bisschen ängstlich, was Fye und Tomo-chan wieder aushecken...Kuro ist einfach zu leicht reizbar in letzter Zeit.
Aber es war wirklich halb so wild.
Doch bevor ich zur Musik komme, will ich noch schnell was anderes schreiben. HIHI Ich fand die kurzen Auftritte der Eltern im Kindergarten einfach zum Schreien komisch. Gott, ich konnte Kuroganes versteinertes Gesicht geradzu vor mir sehn. *sich kringel vor Vergnügen*
Aber nun zur Musik.
Also es gab Kuro in vielen FFs ja in den allermöglichsten Formen udn Farben bzw. auch Berufen, aber an Schlagzeuger hätte ich nie und nimmer gedacht. Kurogane und Musik kam mir nie so in den Sinn, aber ich fand, dass es in deiner FF richtig gut gepasst hat.
Hach. Und vor allem seine japanische Stimme ist ja sowas von cool wenn man den Anime gesehen hat. Da kann man sich das soppelt so gut vorstellen.
Ich bin jetzt schon ein Fan, wenn es die 4 als richtige Band gäbe.
Die Lieder haben meiner Meinung nach auch super gepasst und waren nicht zu schmalzig oder so gewählt. Dann wäre es sicher nicht mehr autentisch gewesen. ;)
Alles in allem eine super Idee und ich freu mich schon auf den nächsten Teil.
Also bis denne.
*jetzt erst mal die Lieder nochmal anhör HIHI*
Von:  Jinee94
2012-02-03T21:29:46+00:00 03.02.2012 22:29
Endlich geht es weiter :D
Gott du weißt gar nicht was ich für luftsprünge gemacht habe als ich die ENS gelesne hab :D

Ein wirklich sehr schönes abwechslungsreiches Kapitel :) es ist schön Fye mal nicht so Panisch vor sich zu sehen, und ich wünschte echt man könnte die Fanfics "ansehen" wie nen Film..ich glaube die stelle am ende wo Fye und Kuro gesungen haben wäre soooo schön gewesen.

Sorata und der Vater waren auch klasse :D die wortwahl zum wegschmeißen x)
Mach weiter so

Lg Nihal
Von: abgemeldet
2012-02-03T21:03:20+00:00 03.02.2012 22:03
Danke für das schöne Kapitel ^-^
Diesen Musikabend hat ihnen allen sicher gut getan.
Und die Ruhe nach den aufregenden letzten Kapiteln war sehr angenehm.
Ich wünsche ihnen jedenfalls noch viele solcher kleiner Auszeiten - turbulent wird es sicher noch früh genug hergehen...

Ich freue mich jetzt schon wenns weitergeht ^^

Liebe Grüße,
Puffie-chan
Von:  sleeping_snake
2012-02-03T15:02:49+00:00 03.02.2012 16:02
Es geht weiter. ^0^

Das ist ein super Kapitel. Ich hätte Kurogane zu gerne singen gehört. *schwärm*
Ganz toll hab ich gefunden, dass es mit dem Singen geklappt hat, aber du sie nicht gleich auf die Musicstar-Ebene gehoben hast. ^^
Ich nehme an du hast Ahnung von Musik und Instrumenten, darum stelle ich mir das sehr harmonisch vor, auch wenn ich keinen Plan von den Fachbegriffen habe. ^^°
Bitte schreib bald weiter. Ich freu mich schon riesig.

lg S_S
Von:  CptJH
2012-02-03T14:16:46+00:00 03.02.2012 15:16
Endlich ein neues Kapitel!
Wunderbar
Und der Einstieg passte gleich zu meiner Stimmung. Ich würd gerade auch gern einfach nur wieder ins Bett und alles andere ignorieren...

Die Idee mit dem Musikmachen fand ich klasse^^
Das Kapitel lenkt wirklich von der eigentlichen Situation von Fye und Kurogane ab.
Toll umgesetzt.

Hoffentlich schreibst du bald weiter.


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