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100% Sorglospunks!

von

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Eine Frage von Respekt?

Abranka, die Muse der Sorglospunks, hatte Post bekommen. Easy, ihres Zeichens Frontfrau und neugierigstes Element der sorglosesten Band der Welt, schielte der Muse über die Schulter, als diese den Brief öffnete. Siegel, Papier und goldene Schrift deuteten daraufhin, dass es Post vom Olymp war. Etwas, das äußerst selten vorkam, denn normalerweise erhielt Abranka einfach nur Nachrichten über ihr Musentelefon.

Mit gerunzelter Stirn las sie und sagte dann: „Ein Musenlehrgang, zu dem ich gehen muss.“ Sie seufzte. „Ihr müsst also die neuen Songs alleine basteln.“

„Wie??? Ohne dich geht das doch nicht!!!“, entfuhr es Easy.

Abranka lächelte dem aufgeregten Sorglospunk beruhigend zu. „Doch, doch, du schaffst das.“

„Jack! Chris! Nifen! Abranka muss weeeeheeeeeg!“, heulte Easy da aber auch schon.

Die zwei anderen Sorglospunks und die Bandmanagerin eilten zu den beiden und ließen sich kurz erzählen, was los war.

„Das sind nur zwei Tage“, beruhigte Managerin Nifen die drei sorgenvollen Sorglospunks. Easy war besorgt, weil sie ohne Inspiration sicher noch weniger Songs zu Papier bringen würde als ohnehin. Jack war besorgt, weil sie Easy dann ja noch mehr würde treten müssen als ohnehin schon immer. Und Chris war besorgt, dass es darüber zwischen den Zwillingsschwestern zu Streit kommen würde, der ihn wiederum daran hindern würde, in Ruhe seine Gitarre zu polieren oder mit seiner Freundin Umeko zu chatten.

„Abranka kommt danach doch wieder und alles ist gut. Das ist nicht viel anders, wie wenn Lenn zu einer seiner Tagungen geht.“

„Und da ist er übrigens seit zwei Wochen wieder und ihr habt das gar nicht mitgekriegt“, ergänzte Abranka Nifens Worte trocken.
 

Der Lehrgang mit dem großen Thema ‚Respekt’ fand wie üblich im Tagungscenter des Olymps statt.

Abranka musste ja zugeben, dass sie lieber bei ihren Sorglospunks geblieben wäre, anstatt sich diesen – meist – Unsinn anzutun, aber es gab leider diese schrecklichen Pflichtveranstaltungen, die man nicht schwänzen durfte.

Abranka kannte niemand von anderen Musen, also gab es vielleicht gab nette neue Bekanntschaften zu machen.

Die Leiterin des Seminars, Dike, die Personfikation der Gerechtigkeit, betrat den Raum und begrüßte ihre zehn Schützlinge.

„Hallo zusammen, ich bin Dike und werde mit euch in den nächsten zwei Tagen das Thema Respekt bearbeiten. Wir werden uns dabei die theoretische Seite ansehen, dann eure praktische Erfahrung und schließlich erörtern, wie man eure Arbeitsumstände vielleicht verbessern kann.“ Sie lächelte in die Runde. Wie auch die zehn Musen war Dike in eine lange Toga gewandet und trug hochgeschnürte Sandalen. Ihre schwarzen Locken waren zu einer aufwändigen Hochsteckfrisur frisiert.

„Ich bin Spencer und arbeite als Muse für einen Doktoranden der Erziehungswissenschaften“, fing die erste Muse an – er gehörte zu den wenigen männlichen Musen.

„Marcia, Muse einer erfolglosen Malerin.“

„Diana, Muse einer sehr erfolgreichen Sängerin.“

„Shinya, Muse eines sehr erfolgreichen japanischen Sängers.“ Shinya schielte zu Diana hinüber, die kurz antwortete: „Amerikanische Sängerin.“ Im gleichen Metier verortete man sich ja gerne.

„Tain, Muse einer Fanfiction-Autorin.“ Tain verzog das Gesicht etwas und signalisierte mehr als deutlich, dass sie ihren Job offenbar derzeit nicht besonders mochte.

„Stefano, Muse eines erfolgreichen deutschen Produzenten, Songwriters und so weiter mit einem schrecklichen Englisch.“ Wieder eine männliche Muse und er rollte demonstrativ die Augen. Abranka fühlte sich auf einmal mit ihren Schützlingen sehr glücklich.

„Eurestia, Muse einer Autorin.“ Eurestia lächelte fröhlich in die Runde und machte einen recht ausgeglichenen Eindruck. Damit war sie die erste.

„Kira, Muse eines Krimiautors.“

„Darcy, Muse eines Blumenzüchters.“

„Blumenzüchter?“, entfuhr es Tain. „Sowas geht auch?“

„Natürlich. Kreativität ist ja nicht auf Malen, Schreiben und Singen begrenzt.“

„Oh, ich sollte umschulen!“, stieß Tain hervor.

„Abranka, Muse der deutschen Band Sorglospunks.“ Sie hielt nichts davon, ihre Schützlinge zu anonymisieren. Wer wollte, konnte eh problemlos herausfinden, wer für wen zuständig war.

„Erfolgreiche Band?“, erkundigte sich Diana neugierig.

„Regional ja, der Rest kommt sicher noch.“ Abranka lächelte sie zuversichtlich an.

„Ach ja…“, seufzte Diana. „Die glücklichen Zeiten des Anfangs. Die vermisse ich am meisten.“

„Nun, lasst uns mit einer Sache beginnen: Empfindet ihr Respekt für eure Schützlinge? Gebt einfach nur Handzeichen. Bitte die Hand heben für Ja“, forderte Seminarleiterin Dike sie auf.

Vier Hände gingen hoch. Sechs hoben sich bei Nein.

Abranka sah die sechs neugierig an. Ihre Hand hatte sie bei Ja gehoben, da sie allen ihren Schützlingen großen Respekt entgegen brachte. Sie waren sehr verschieden, sehr aktiv und interessant. Es machte Spaß, mit ihnen zu arbeiten und es war schön, mit ihnen befreundet zu sein.

Wenig überraschend hatte sich Fanfiction-Muse Tain bei Nein gemeldet; die anderen waren Shinya, Diana, Kira, Marcia und Stefano. Interessanterweise all die Musen, die einen eher unzufriedenen Eindruck machten.

„Und jetzt hebt die Hand, ob ihr das Gefühl habt, dass eure Schützlinge euch respektieren. Wer sagt Nein?“

Es waren wieder die gleichen sechs, die die Hände hoben. Doch jetzt sprach Dike sie direkt darauf an.

„Woher kommt dieses Gefühl?“

„Sie macht grauenhafte Dinge aus Ideenfunken. Ich will gar nicht wissen, wie oft ich Misshandlungen, Vergewaltigungen, Mary Sues, schlechte Rechtschreibung, einen wirklich grauenhaft undurchdachten Plot und undurchdachte Charaktere, die vollkommen OOC sind, auf die Menschheit losgelassen habe.“ Tain schlug die Hände vors Gesicht. „Es macht keinen Spaß mehr! Und ich habe das Gefühl, dass sie einfach nur Unsinn zusammenklöppelt und die Schuld immer auf mich abwälzt. Sie schreibt bei jedem zweiten ihrer Minikapitel, dass ihre Muse an den abgedrehten Ideen schuld ist! Ich bin es leid, schuld zu sein!“

Die anderen nickten verständnisvoll. Ja, das konnte jeder von ihnen nachvollziehen.

„Er ist kreativ“, setzte Shinya an, „aber er macht mir auch das Leben schwer. Ich stehe unter ständigem Druck und muss immer liefern, liefern, liefern. Es muss immer etwas Neues sein. Ein neues Lied, ein neuer Film, eine neue Frisur, am besten alles gleichzeitig und jetzt sofort. Ich bin einfach müde… Und habe das Gefühl, dass meine Arbeit nicht wirklich geschätzt wird, sondern selbstverständlich ist.“

„Geht mir genauso“, fügte Diana hinzu. „Vor allem Frisuren und Kleider machen mich wahnsinnig. Das ist so schrecklich viel!“

Marcia schimpfte über schlechten Stil und unappetitliche Bilder, Kira über den ewig gleichen Plot, aus dem sie ihren Autor einfach nicht herausbekam und Stefano über die erfolgreichen, wenngleich einfach schlechten und gleich klingenden Lieder, die sein Schützling hervorbrachte.

Während sie über diese Aspekte diskutierten, die ihr Empfinden von Respekt beeinflussten, konnte sich Abranka nicht das Gefühls erwehren, dass sie in einem glücklichen Musen-Paradies lebte. Sicher, die Sorglospunks machten es ihr manchmal nicht einfach. Gerade bei den Spontanimprovisationen auf der Bühne musste sie immer alles geben, aber dennoch war es abwechslungsreich. Außerdem war sie ein Teil der Sorglospunks-Familie und nicht eine Angestellte, die dort nur ihren Job machte. Nein, sie gehörte dazu. Und das Gefühl hatten wohl viele ihrer Kolleginnen und Kollegen nicht. Na ja, über das Ergebnis ihrer Inspiration konnte sie sich manchmal nur den Kopf schütteln, aber dennoch gefiel es ihr. Außerdem war das Ergebnis ja immer die Sache desjenigen, den man inspirierte. Man konnte niemandem die spezielle Umsetzung einer Idee aufzwingen.
 

In der Pause gesellte sich Abranka zu Eurestia. „Machst du deinen Job gerne?“

„Ja.“ Sie grinste Abranka fröhlich an. „Ich darf mit allen möglichen Plotbunnys spielen und mein Schützling ist für alles Mögliche offen. Sicher, manchmal geht sie mir mit ihren Deadlines auf die Nerven und es ist anstrengend, ihr irgendwelche Ideen noch einmal langsam ein zweites Mal zu erzählen, damit sie mit Schreiben nachkommt, wenn es doch viel spannender wäre, schon wieder eine neue Idee anzugehen.“ Eurestia hob die Schultern. „Hey, aber es macht Spaß. Wir werfen uns die Bälle zu und das ist wirklich selten. Ich möchte jedenfalls keinen anderen Schützling haben. Und du?“

„Ich könnte mir keinen besseren Job wünschen.“ Abranka lächelte. „Die Band macht mir Spaß, weil sie anders und sehr lebhaft ist. Und Abenteuer gibt es auch. Wie könnte ich da Langeweile haben oder das Gefühl, dort keinen Respekt zu erfahren? Wir sind Freunde, eine Familie…“

„Bei mir ist es aber ähnlich. Manchmal haben wir Probleme mit der Dissertation und das Projekt läuft jetzt eigentlich viel zu lange, aber ich kann ihn zu so vielen tollen Dingen inspirieren und ich mag seine Aufsätze und Ideen. Es ist schön, mit ihm zu arbeiten, weil er alles durchdenkt, auch wenn er sich dabei manchmal im Weg steht.“ Spencer hatte sich zu ihnen gesellt.

Auch Darcy gab in diesem Gespräch nun ihren Senf dazu: „Ich liebe Blumen. Ich bin immer unheimlich gespannt auf das, was er als nächstes tut und was das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit sein wird. Ich habe das Gefühl, mit jeder einzelnen Pflanze wertgeschätzt zu werden. Und genau das stecke ich dann wieder in meinen Job. Ich liebe ihn einfach!“

Genau diese Worte wiederholten sie alle vier schließlich in der Runde und sorgten damit für Unmut und Diskussionen bei den anderen sechs.

„Ich mag das Ergebnis ja auch! Aber die Art der Arbeit… Die Arbeitsbedingungen“, jammerten Shinya und Diana.

Stefano, Tain und Marcia dagegen betonten, dass man als Muse doch auch das Ergebnis mögen musste, wenn man schon all seine Energie mit hineingesteckt hatte. Dazu kamen auch die Arbeitsbedingungen und das Gefühl, einfach nur eine Selbstverständlichkeit und ein Ideen-Sklave zu sein.

Kira dagegen hatte das Problem, dass sie einfach keine neuen Ideen an ihren Schützling durchgeben konnte. Am Ende kochte er aus ihnen immer das gleiche Süppchen nach Schema F, das sogar seinen Lesern langsam auffiel. Kira verzweifelte langsam daran, neue Ideen zu finden, und verlor den Mut, sie ihm noch vorzuschlagen.
 

„Ich glaube, die Frage von Respekt stellt sich in zweierlei Hinsicht“, sagte Abranka nach der zweiten Pause.

„Wie meinst du das?“, erkundigte sich Dike neugierig.

„Nun… Wie du am Anfang schon deutlich gemacht hast, empfinden wir oder empfinden keinen Respekt für unsere Schützlinge – und sie umgekehrt oder eben nicht. Aber wenn man jemandem keinen Respekt entgegen bringt, kann man auch keinen erwarten. Wenn ich die Arbeit von jemandem nicht mag, kann ich sie schlechtreden oder aber ich kann sagen ‚Okay, ich mag es nicht, aber ich respektiere, dass du deine Kraft hineingesteckt hast und es dir am Ende gefällt.’ Sicher, das macht uns unseren Job nicht einfacher.“ Sie beugte sich vor und blickte ihren Kolleginnen und Kollegen nach und nach ins Auge. „Jemand muss damit anfangen. Und da wir darüber reden, wäre es eine gute Sache, wenn wir damit anfangen. Unsere Arbeit ist ja doch auch eine besondere Dienstleistung. Und eine Dienstleistung wiederum bedeutet auch zuvorkommend zu sein. Und wenn jemand mit seinem Schützling nicht zurechtkommt, dann besteht ja auch immer die Möglichkeit, sich versetzen zu lassen. Ich meine, es bringt ja nichts, für jemand Erfolgreiches zu arbeiten, den und dessen Arbeit man letztlich nicht ausstehen kann. Was bringen die Extrapunkte für die gute – da erfolgreiche – Arbeit, wenn man unglücklich ist?“ Demonstrativ lehnte sie sich zurück. „Sicher, ich habe leicht reden, weil bei mir alles zusammenpasst. Und dennoch ist das meine Sicht der Dinge.“

Natürlich ging daraufhin empörtes Geplapper los.

Am Ende des Tages war mehr als die Hälfte der Musen nicht wirklich in Stimmung, beim Abendessen mit Abranka zu reden. Damit konnte sie aber gut leben. Mit Eurestia, Stefano und Kira hatte sie nette Gesprächspartner gefunden, die ihren Argumenten sehr zugänglich gewesen waren und diese unterstützten.
 

„Wie hast du dieses gute Verhältnis zu deinen Schützlingen aufgebaut?“, erkundigte sich Diana am zweiten Tag. Nachdem sie die Nacht über Abrankas Worte hatte schlafen können, hatte sie zumindest wohl darüber nachgedacht.

„Weil wir viel zusammen durchgemacht haben.“ Abranka lächelte. „Wir sind zusammen in die Hölle hinabgestiegen, haben die Konkurrenz geschlagen, unsere Fehde mit den Furien, hatten mit Werwölfen zu tun, waren bei den Marsupilamis, sind durch die Literaturwelt und die Märchenwelt gereist, haben Nifens Ace of Base-Phasen überstanden, akuten Geldmangel, akuten Kaffeemangel, und schlechte Kritiken… Wir sind zusammengewachsen.“

„Du hast Anteil genommen“, stellte Shinya fest.

„Genau. Sie sind meine Freunde und meine Familie geworden. Und somit…“

„…hast du Respekt.“ Tain nickte. „Ich mag meinen Schützling ja eigentlich auch. Nur ihre Geschichten…“

„Dann inspiriere sie doch dazu, mal was anderes zu lesen und vielleicht auf andere Gedanken zu kommen“, warf Kira ein. „Ich werde das mal mit meinem versuchen. Und ihn nach draußen kriegen, um etwas mehr von der Welt zu sehen.“

„Gute Idee.“ Dike grinste in die Runde. „Und ich stimme Abranka zu: Wenn ihr euren Job wirklich nicht mehr leiden könnt, dann lasst euch versetzen. Ihr leidet, euer Schützling leidet. Und am Ende geht es niemandem von euch gut. Tut das weder euch noch eurem Schützling an. Habt Respekt vor euch selbst und euren Bedürfnissen.“

Respekt war eben auch eine Frage von Gerechtigkeit. Jetzt begriff Abranka, warum Dike für dieses Seminar ausgewählt worden war.
 

Wieder daheim fiel ihr Easy als erstes um den Hals. „Abranka, Abranka, Abranka! Toll, dass du wieder da bist.“

„Sie hat einen Song für dich geschrieben“, sagte Jack und grinste so breit, dass es der Bandmuse ein wenig unheimlich wollte.

„Genau! Komm, Chris und ich spielen ihn für dich.“

Das Wohnzimmer wurde spontan zur Sorglospunks-Bühne und kurz darauf scholl Easys Stimme durchs Haus:

„Ideenlos, ideenlos,

ohne meine Muse bin ich nur ideenlos.

Kein Satz passt aufs Papier,

kein Wörtchen find ich hier.

Ich bin nur ideenlos, ideenlos.
 

Oh, Muse, bleib doch bei mir!

Ich brauch dich hier!

Bist mein Freund, meine Inspiration,

ohne dich find ich keinen Ton!“



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