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100% Sorglospunks!

von

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Der Angriff der Schreibzwangzwerge

Es war dieses leise Getrippel, das mich aufhorchen ließ. Dieses leise Getrippel übernatürlicher Füße, das nur das geschulte Ohr einer gleichfalls übernatürlichen Entität hören konnte. In diesem Fall war es mein Ohr.

„Easy, geh in Deckung!“, rief ich noch und sauste mit meiner Fußballwimpel beladenen Wolke auf mein Inspirationsopfer Nummer eins zu.

„Hä?“, kam die wenig intelligente Antwort der sorglosen Frontfrau der wohl sorglosesten Band der Welt zurück. Sie saß an dem Arbeitsplatz im Wohnzimmer der Sorglospunks-WG und grübelte über einem neuen Songtext. Zwar hatte Jack die bösen Worte „Easy, wir brauchen einen neuen Song“ bisher noch nicht wieder ausgesprochen, aber das war nur eine Frage der Zeit und da Easy keinen Stress mochte, zog sie es vor, sich in diesem Fall einmal frühzeitig dranzusetzen.

„Iek!“ Entsetzt starrte Easy auf ihre Hand, die sich selbstständig zu machen schien. „Da packt mich was an! Bäh!“ Sie schüttelte ihre schreibnotwendige Extremität, um dieses Gefühl loszuwerden, doch stattdessen wurde es nur schlimmer. „HILFE!“

„Halt still!“ Ich war endlich heran und besah mir Easys Hand.

Ja, da saßen sie auf der Haut und drängte die Finger, das Handgelenk und den Unterarm zur Arbeit. Die Schreibzwangzwerge.

Verdammt.

Wobei... Vielleicht half das Easy ja ein wenig auf die Sprünge...

„Easy, was ist?“ Jack, das musikalische Multitalent der Band und Easys Zwillingsschwester stand in der Tür. Direkt nach ihr schlug Chris – Bassist, Gitarrist und seit einiger Zeit PC-Junkie zwecks Kommunikation mit Japan – im Wohnzimmer auf, nur einen Wimpernschlag später gefolgt von der Bandmanagerin Nifen.

„Was ist los? Wo brennt’s?“

„Easy hat sich Schreibzwangzwerge eingefangen“, erklärte ich.

„Hä?“, kam es von den vieren gleichzeitig und ich fragte mich spontan, warum ich eigentlich hier war. Derart wenig Kreativität bei Antworten... Mist. Ich vergaß. Ich bin ja eine Muse und dieser Auftrag hier bei dieser durchgeknallten Band war nicht grundlos ausgeschrieben worden.

„Schreibzwangzwerge. Das sind...“ In meinen Gedanken machte es gerade lautstark Klick, als ich begriff. Es gab nur eine beziehungsweise eher drei Personen, die auf diese perfide Idee kommen konnten. „Diese verdammten Furien!“

„Langsam, langsam, langsam“, suchte Nifen mich zu beruhigen. „Wir kommen gerade so überhaupt nicht mit, also erklär uns bitte in aller Ruhe, was jetzt los ist. Was sind diese Schreibzwangzwerge und was haben die Furien damit zu tun? Ich dachte, die sind wir durch Chibichis Eingreifen losgeworden.“

Erwartungsvolle Blicke trafen mich. Mittlerweile hielt Jack Easys rechtes Handgelenk fest und hinderte diese somit daran, wie wild drauflos zu schreiben.

„Okay...“ Ich atmete tief durch. Wenn wir wirklich die Furien am Hals hatten, mussten wir klar im Kopf bleiben und uns überlegen, wie wir die wieder loswurden. Da waren die Schreibzwangzwerge eher zweitrangig, vor allem da ich eh wusste, wie wir wenigstens die loswerden würden...

„Also, die Schreibzwangzwerge sind eine Erfindung, die... Nun ja...“ Jetzt kam ich ins Herumdrucksen. „Eigentlich hat Apollo die erfunden, um unmotivierte, aber inspirierte Autoren zum Schreiben zu bringen...“

„Verdammt, das waren die Guten?“, polterte Chris los.

„Na ja, so einfach ist das mit den Guten und den Bösen nicht“, musste ich abwinken. „Götter sind eben... Götter. Die sind weder gut noch böse. Man ist eher allenfalls unterschiedlicher Ansicht. Und für Shakespeare waren die Schreibzwangzwerge wirklich eine gute Sache. Und für Goethe auch!“

„Ich bin aber weder Shakespeare noch Goethe!“, heulte Easy und starrte ihre zuckende Hand an. Das war unheimlich! Vor allem, wo sie doch ganz genau die vielen kleinen Hände fühlen konnte, die an ihren Fingern zerrten!

„Ja, ich weiß.“ Beruhigend tätschelte ich der mittlerweile recht aufgelösten Sorglospunks-Frontfrau und -Songwriterin die Schulter. „Wir kriegen das wieder hin, okay?“

„Und wie?“

„Äh... Time out. Wir haben noch immer nicht alle Infos!”, mischte sich Nifen in dem Augenblick ein. Ich konnte ihr sehr genau ansehen, dass sie auch überlegte, ob man die Schreibzwangzwerge nicht gerade einfach eine Weile mit Easy allein lassen sollte, um die Songtextproduktion ein wenig voranzutreiben...

„Mhm?“, kam es wenig intelligent von mir.

„Die Furien.“

„Ach so.“ Ich lächelte. „Also, nachdem es ein paar böse Zwischenfälle mit den Schreibzwangzwergen gab, hat Apollo sie in dem tiefsten Keller seines Büros auf dem Olymp weggesperrt. Und dort haben nur Musen Zugang. Eigentlich...“

„Eigentlich?“ Jack zog eine Augenbraue hoch. Das klang nach Dummerweise-hat-da-noch-jemand-Zugang-der-uns-nicht-ganz-so-wohlgesonnen-ist.

„Na ja, wir Musen und die Furien sind gar nicht so unterschiedlich. Wir jagen die Menschen mit Ideen, die Furien jagen sie aus Rachsucht...“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wir sind entfernte Verwandte sozusagen und entsprechend haben die Furien auch Zugang und somit können nur sie es gewesen sein, die sich dort hineingeschlichen haben und...“

„Mooooment.“ Easy stemmte ihre freie Hand in die Hüften. „Wenn Musen diese Viecher rauslassen können, woher sollen wir denn wissen, dass du das nicht warst, um mich zum Schreiben zu zwingen, hm?“

Ich verdrehte die Augen. „Weil ich weiß, dass das bei dir nichts bringt.“

„Ach ja?“

„Ach ja!“ Ich funkelte Easy an. Solch eine Unterstellung war nicht nett. Und auch wenn ich wusste, dass diese Spannung in der Gruppe genau das war, was die Furien beabsichtigten, konnte ich nichts dagegen tun, dass Easy mich gerade auf 180 brachte. „Fein. Dann sieh doch selbst zu, wie du sie loswirst!“

„Werde ich auch!“, kam es patzig zurück. „Jaaack... Mach das grausame Eukalyptus-Bad fertig!“

„Uh, das, wonach einem die Augen so brennen?“ Jack verzog das Gesicht.

„Genau das. Wollen wir doch mal sehen, ob die Viecher nach einem Bad darin noch da sind.“ Sprach’s und damit marschierte Easy mit hochgereckter und sicher festgehaltener rechter Hand ab.

Jack folgte ihr kopfschüttelnd.

„Gut, du sagst, die Furien waren das?“, erkundigte sich Nifen, nachdem die beiden weiblichen Bandmitglieder aus dem Raum verschwunden waren.

„Japp.“ Ich lehnte mich auf meiner Wolke zurück. „Uns Musen drohen nämlich wirklich üble Strafen, wenn wir Schreibzwangzwerge in der Menschenwelt freisetzen. Keine von uns ist dafür wahnsinnig genug. Die Furien sind es schon. Vor allem, wenn sie Zwietracht zwischen uns säen wollen. Gemeinsam sind wir stark. Aber allein...“

Nifen und Chris nickten verstehend. „Was bedeutet, dass wir die Band zusammenhalten müssen. Aber... wie werden wir die Furien wieder los?“

Ich zuckte mit den Achseln. „Ich habe leider nicht die leiseste Ahnung. Wir können Chibichi Bescheid sagen, aber sie ist ja gerade auf dieser Dämonentagung und kann da eigentlich nicht weg... Das einzig positive ist, dass die Furien die Wohnung nicht betreten können. Anti-Furien-Spray sei Dank.“ Ich grinste. „Die Damen sind auf dem Olymp nicht besonders willkommen und entsprechend gibt es da Methoden... Und nach unserer unfreundlichen Begegnung in der Hölle habe ich unsere WG doch lieber furiensicher gemacht.“

„Genial!“ Chris strahlte mich an. Er hatte in der Hölle ziemliche Angst vor den Furien gehabt und deren verzerrte Gesichter noch längst nicht vergessen.

„Schon. Aber wir müssen zusehen, dass wir die drei wieder loswerden. Die werden uns nämlich das Leben noch so richtig schön zur Hölle machen und immer dann auftauchen, wenn wir uns gerade in Sicherheit wähnen.“

„Mhm...“, machte Nifen nachdenklich. „Was heißt, wir brauchen gerade eine temporäre Lösung, um Easy von den Schreibzwangzwergen zu befreien und eine weitere mindestens temporäre für die Furien.“

„Exactement.“

„Ich glaube, ich habe da eine Idee.“ Nifen grinste mich an. „Etwas ganz Einfaches, womit wir beides auf einen Schlag erledigen können sollten. Vorher musst du mir aber nur noch eins verraten...“
 

Zwei Stunden später tauchten Easy und Jack wieder im Wohnzimmer auf. Mittlerweile hielt Jack Easys rechte Hand wieder fest und hinderte sie daran, den nächsten Stift zu greifen und alles Beschreibbare vollzuschmieren.

„Okay, wir geben auf. Wir kriegen die Mistdinger nicht weg!“ Jack schüttelte den Kopf.

„Das Eukalyptus-Bad hat nichts gebracht, das Spülmittel und das Essig auch nicht. Und auch nicht das Parfüm von Chris’ Oma.“

„Hey!“ Jack ignorierte den empörten Einwand von Chris.

„Gar nichts nutzt irgendetwas. Wir haben ihren Arm sogar abwechselnd ins Tiefkühlfach und den Backofen gehalten! Und noch nicht einmal Kiwi hat etwas gebracht.“

Easy nickte nur traurig und blickte ihre Hand an, die immer noch ein Eigenleben führen wollte.

„Was heißt: Ihr glaubt mir, dass ich unschuldig bin und ich sorge dafür, dass die kleinen Mistkerle verschwinden?“, schlug ich vor.

Doppeltes, synchrones Nicken.

„Schön... Aber erst einmal müssen wir eine Falle bauen...“ Ich grinste breit.
 

Easy saß an dem Schreibtisch unter dem Wohnzimmerfenster und fluchte hingebungsvoll. Ihre Hand sauste regelrecht über den mittlerweile dritten Block und füllte Seite um Seite.

„Diese verdammte Muse! Die gehört verflucht! Gekreuzigt, gevierteilt! Mindestens! Oder wenigstens aufgehängt!“

Leises Kichern vor dem Fenster ließ sie kurz aufmerken. Aus dem Augenwinkel konnte sie drei Frauengestalten in togaähnlichen Gewändern im Garten sehen. Das waren ganz unverkennbar Alekto, Megaira und Tisiphone, die drei Furien, die sich an unsere Fersen geheftet hatten und seit unserem Besuch in der Hölle sowie Chibichis Eingreifen mindestens darauf aus waren, uns das Leben schwer zu machen.

Ich bekam ein winziges, kaum sichtbares Zeichen von Easy und lugte durch den Vorhang. Wunderbar.

„Schreibzwangzwerge, aufi!“, befahl ich auf Griechisch. (In dieser Sprache klang der Befehl übrigens auch weitaus eindrucksvoller als auf Deutsch, aber da ihr, liebe Leser, vermutlich kaum Griechisch lesen geschweige denn verstehen könnt, habe ich gleich auf die deutsche Übersetzung zurückgegriffen.) „Lasst ab und wählt euer neues Opfer! Schreibzwangzwerge, aufi!“

Easy seufzte erleichtert auf, als die kleinen Geschöpfe ihre Hand freigaben und rieb sich das schmerzende Handgelenk. Ich grinste nur breit. (Was ich an diesem Tag definitiv äußerst gern tat.)

Jetzt tauchten auch Nifen, Jack und Chris an den Fenstern auf und blickten in den Garten hinunter.

„Viel Spaß!“, riefen die drei und pfefferten Kugelschreiber und Blöcke auf den Rasen.

„Ah!“, entfuhr es Alekto, als sich ihre Schreibhand als erste selbstständig machte. Ihren Schwestern Megaira und Tisiphone erging es ähnlich. Und unter fauchendem Gefluche und unserem Hohngelächter zogen sich die drei Furien – fleißig schreibend – zurück. Vermutlich würden die drei relativ schnell auf die Idee kommen, die Schreibzwangzwerge mit einem simplen griechischen Befehl zum Stillhalten zu verdonnern, aber bis dahin würden sie sich schreibenderweise sicher noch ein wenig betätigen.

„Wirrrrr werrrrdennnnn unssssss wiederrrrsssssehennnnn“, versprach Megaira jedoch noch zornig.

Das fürchtete ich auch, aber wir würden es den dreien auch ein weiteres Mal zeigen. Gemeinsam waren wir schließlich stark.
 

Bei einer großen Kanne Kaffee zur Feier des Tages saßen wir wenig später im Wohnzimmer zusammen.

„Du musstest den Schreibzwangzwergen wirklich nur befehlen, dass sie aufhören?“, fragte Easy mit kullerrunden Augen.

Ich nickte. „Und wenn du mir eine Chance gelassen hättest, dann hätte ich dir einiges ersparen können.“

Sie seufzte. „Ich werde nie, nie wieder Zweifel an dir haben!“ Ihre Worte waren mit vollkommener Inbrunst gesprochen.

Ich nickte erneut und damit war das Thema für mich erledigt. Irgendwie bekamen alle Inspirierten irgendwann Zweifel an ihren Musen, das war eigentlich normal. Auch Orpheus, Shakespeare und Goethe hatten ihre Musen des öfteren verflucht – und bei Orpheus war ich es gewesen, gegen die sich sein Zorn gerichtet hatte...

„Ist wenigstens ein vernünftiger Song bei der Aktion rausgekommen?“, erkundigte sich Nifen neugierig.

„Erst nach einer museninspirierten Überarbeitung“, erwiderte Jack anstelle ihrer Zwillingsschwester. „Der Rest war absoluter Schrott.“

„...und der Beweis dafür, warum solche Aktionen bei Easy nichts bringen“, fügte ich grinsend hinzu.

Chris lachte. „Nur gut, sonst brauche ich noch Komponierzwangzwerge!“

„Och, die kann ich dir besorgen.“

Chris’ Gesichtszüge entgleisten, während ich in schallendes Gelächter ausbrach. Ehrensache, dass irgendwelche Zwangzwerge die Schwelle der Sorglospunks-WG nicht mehr überschreiten würden.

Easy hatte derweil Kiwi von ihrem Schoß verbannt, um Platz für ihre Gitarre zu haben.

„Und hier ist er, der ultimative Anti-Furien-Song!“ Sie haute in die Saiten. Die Melodie war noch eher provisorisch, aber Chris würde daraus sicher noch etwas machen können. Wichtiger war vielmehr der Text.

„Ohoooo ihr jagt mich!

Ohoooo ihr verfolgt mich!

Ohoooo ihr seid grausam!
 

In die Hölle

Wollt ihr mich verbannen!

Schickt mir Schreibzwangzwerge,

Ohoooo Schreibzwangzwerge!
 

Ohoooo ihr wollt mich fertigmachen!

Ohoooo ihr wollt mich fertigmachen!

Aber das schafft ihr nicht,

Das schafft ihr nicht!
 

Denn gemeinsam sind wir stark!

Denn gemeinsam sind wir stark!
 

Ohoooo ihr jagt mich!

Ohoooo ihr verfolgt mich!

Ohoooo ihr seid grausam!
 

Und mit gleicher Münze

Kriegt ihr alles zurück!

Auch die Schreibzwangzwerge,

Auch die Schreibzwangzwerge!
 

Ohoooo!

Denn gemeinsam sind wir stark!

Denn gemeinsam sind wir stark!“
 

Diesen Worten gab es nichts weiter hinzuzufügen. Denn gemeinsam waren wir nämlich wirklich stark.



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