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100% Sorglospunks!

von

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Melancholische Tomaten

Es gibt kaum etwas Gefährlicheres, als dass sich Menschen verlieben. Denn das bedeutet letztlich nichts als Ärger. Absolut nichts als Ärger. Vor allem, wenn dieses Verlieben mit Liebeskummer einhergeht und alles absolut unglücklich endet.

Chris war verliebt. Er starrte die ganze Zeit über Löcher in die Luft, die mittlerweile schon an Schweizer Käse erinnerte, strich gedankenverloren über die Seiten seiner Gitarre und brachte keinen einzigen Ton aus ihr hervor.

„Chriiihiiis!“ Easy war langsam genervt. Da hatte sie schon mal ein paar gute Songideen – Marke Originalbandmuse Abranka – und dann sowas!

„Lass ihn, Easy.“ Jack, Easys Ebenbild und Originalzwillingsschwester, schüttelte den Kopf und schnappte sich Kiwi, um an ihr eine neue Massagetechnik auszuprobieren. Diese wirkte so gut, dass das Originalbandmaskottchen und ihres Zeichens eine der fülligsten Katzen des kleinen Dorfs innerhalb weniger Augenblicke eingeschlafen war.

Easy schmollte. „Das ist nicht fair... Einfach nicht fair... Und dabei hatte ich so eine gute Idee!“

Chris dagegen stand nur auf und seufzte tief. „Schreib was Melancholisches, Easy, und ich bin dabei...“

Jetzt war die Bandleaderin wirklich sauer. „Schreib was Melancholisches!“, äffte sie ihn zornig nach. „Und dabei habe ich es doch gerade erst hinbekommen, etwas Lustiges zu schreiben!!!“ Missmutig zerknüllte sie den Text zu dem neuen potenziellen Originalsorglospunkssuperhit ‚Sommerfun’. Das war’s dann wohl.

Was Melancholisches...

Ich brauchte ihren Blick nicht zu sehen, um zu wissen, dass ich jetzt wirklich gefragt war. Müde lenkte ich meine Wolke neben sie und jagte sie Richtung Schreibtisch. Dort bekam sie eine Ladung Ideenbonbons. Und dann musste ich dringend Konferenz mit unserer Managerin halten.

Easys Frustration und Chris’ Verliebtheit waren nicht zu ertragen. Dagegen war Jacks Dienstleistungstrip, den sie die ganze Zeit über an Kiwi auslebte, harmlos.
 

Eine Woche später hatten die Sorglospunks einen Auftritt. Der Club hieß ‚Blauer Mond’ und war der melancholische Szeneclub. Wenn schon solch eine Stimmung in der Band dominierte – und die Gefahr von Eskalationen nicht so groß war wie im ‚Zornigen Engel’ –, dann musste man die Gelegenheit einfach nutzen, fand die kluge Bandmanagerin.

Und so trat die Band in dem kleinen düsteren Club auf. Alles darin war Dunkelblau. Schwarze Kerzen brannten auf den Tischen und getrocknete Rosen hingen an den Wänden. Alles troff nur so vor Melancholie.

Chris seufzte tief, als er die Bühne betrat, und Easy verdrehte die Augen. Nicht, dass sie etwas gegen solche Stimmungen hatte. Manchmal ging es ihr ja auch nicht anders, aber das hier war definitiv zuviel!

Dennoch stellte sie sich tapfer ans Mikro und war bereit, den neuen Song ‚Generation Robodog’ anzustimmen, als Chris sie davon abhielt. Er schnappte sich das Mikrofon und schüttete sein Herz aus.

Und er redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und redete. Und... redete...

Irgendwann hatte selbst Jack das Gefühl, dass ihr Brokkoli aus den Ohren wuchs, und sie hörte auf, Easys Schultern zu massieren, damit diese ruhig blieb. Selbst das Publikum schien langsam genervt und einige Stühle wurden immer öfter gerückt.

Schließlich gab es erste Protestrufe und mir schwante Böses. Vielleicht wäre der ‚Zornige Engel’ doch die bessere Alternative gewesen.

Dann flogen die ersten Tomaten.

„Hör auf zu reden und sing!“

Chris blickte zu Easy hinüber, die jetzt tapfer auf die Beine sprang.

„Und hier ist er! Die Weltpremiere nur für euch! Ein Originalsorglospunkshit! ‚Melancholische Tomaten’!“

Allein der Titel bewirkte, dass die Zuschauer und potenziellen Originalsorglospunksfans auf einmal innehielten und sich zumindest neugierig auf die Stühle fallen ließen.

Dumm nur, dass dieser Song bisher nicht existierte. Also war ich gefragt. Katastrophe verhindern!

Ich flüsterte Chris ein paar Riffs ins Ohr, Jack den richtigen Rhythmus für Triangel und Schlagzeug und Easy... Nun... Ich versuchte wenigstens, ihr die richtigen Worte einzuflüstern. Aber wir sprechen hier von Easy. Und da ihr vermutlich schon einige Erlebnisse der Band kennt – wie die Sache mit den Werwölfen, der Motivationsschokolade und dem Robodog –, ahnt ihr, dass das eigentlich nicht wirklich funktionieren kann. Schlichtweg, weil Easy immer noch ihren eigenen Kopf hat...

„Im Garten...

Da staaaaanden sie...

Groß und rot

Klein und grün!“

Na ja... Der Anfang ging einigermaßen. Ich hatte mir zwar etwas Philosophischeres vorgestellt, aber das war bisher noch recht akzeptabel. Und Easy ließ sich gerade von dem Blitzen durch Ideenfunken, dem Anhauchen mittels Ideenstaub und dem Anreichen von Ideenbonbons absolut nicht beeindrucken.

„Und sie dachten

An das Morgeeeeeeen

Und sie hatten

Große Aaaaaaangst!“

Chris’ Riff schlug rein. Jack hämmerte wie verrückt auf das Schlagzeug und erinnerte sich an die Muster, die sie in Kiwis Rücken geknetet hatte.

„Melancholische Tomaten!

Wir sind alle

Melancholische Tomaten!

Groß und rot

Klein und grün

Melancholische Tomaten!

Macht aus uns doch Salat!“

Die erste Tomate traf Easy mitten ins Gesicht.

„Flucht!“, beschied sie und warf sich hinter Chris in Deckung, dem der nächste Tomatenhagel galt. Offenbar waren diese Melancholiker insgeheim auch verdammt aggressiv!
 

Mit Tomatensaft und Tomatenstücken besudelt und dem akuten Gefühl, Ketchup zu ähneln, wanderten die drei mit ihren Instrumenten durch die Straße.

„Ehrlich... Ich finde, wir sollten Nifen dafür feuern!“, murrte Jack und zerrte den Originalinstrumententransportbollerwagen mit ihrem Schlagzeug schleppend die nächste Steigung empor.

„Nein... Das war nicht schlimm genug...“, befand Easy. „Reicht noch nicht an die Wolfshöhle heran...“

„Das ist wahr...“ Chris seufzte leise. Er fühlte sich mittlerweile liebeskummergeheilt. In der ersten Reihe hatte seine Angebetete gestanden und eine Tomaten mitten auf seine geliebte Gitarre geschmissen! Das ließ solche Gefühle ganz schnell abflauen. Besonders, wenn man dieses klebrige Zeug irgendwie von den Saiten wieder herunterbekommen sollte.

„Hey, Kopf hoch!“ Easy schlug ihren Bandmitgliedern schwungvoll auf die Schultern. „Und jetzt schreiben wir einen Riesenhit, ja? Einen Refrain haben wir ja schon...“ Strahlend begann die Frontfrau der Sorglospunks wieder zu singen.

„Melancholische Tomaten!

Wir sind alle

Melancholische Tomaten!

Groß und rot...“

„EASY! HALT DIE KLAPPE!“, tickte Jack aus und ignorierte sämtliche Dienstleistungsbegeisterung, die sie in den letzten Tagen entwickelt hatte. „WIR HABEN WEGEN DIESEM BESCHISSENEN LIED TOMATEN IN DEN HAAREN HÄNGEN! DAS IST KEIN HIT!!!“

Sie wollte auf ihre Zwillingsschwester losgehen und ließ den Bollerwagen los.

„Das Schlagzeug!“ Chris starrte dem Wagen fasziniert nach.

„Hinterher!!!“ Easy ergriff die Möglichkeit zur Flucht und zum Nützlichsein. Wenn sie den Bollerwagen jagte, war das ja schließlich sinnvoll, oder? Dennoch folgte ihr Jack direkt auf dem Fuße und schüttelte drohend die Fäuste. Chris trabte langsam hinterher.

Und ich? Nun, ich musste zugeben, dass das vermutlich die beste Melancholie- und Liebeskummerbekämpfung war, die ich je gesehen hatte...



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