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Sonnenfinsternis

silentshipping
von

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Unschuldig schuldig

Vorwort: Ich will unterhalten, nicht das Rad neu erfinden ;).

Soll heißen: Die Idee hatten schon einige Autoren vor mir, ich wage sogar zu behaupten, dass sie zu einem lieb gewonnen Klischee geworden ist.

Na ja, und nun versuche ich mich auch mal daran ^^°. Einige Elemente werden euch bekannt vorkommen, andere sind hoffentlich neu.

In jedem Fall wünsche ich euch viel Spaß.
 

Die FF ist der Challenge "10 Päckchen" von Maddle und Rei zugeordnet. Dieses Kapitel hatte "Blaue Flecken" zum Thema... okay, okay, ich gebe es zu. Auf Biegen und Brechen habe ich es dem zugeordnet, eigentlich kommt es nur einmal vor, aber pssst *zwinka* .
 

Widmung: Meinem herzallerliebsten Zebi, weil sie die Geschichte trotz Abneigung gebetat hat *kiss*.

Und Rei für deine wunderbare Fanfiction "Paw prints"- Gott, was hab' ich geheult.

*an dieser Stelle Werbung macht: Wer sie nicht kennt- LESEN... aber haltet die Taschentücher bereit!*
 

Unschuldig schuldig
 

21.November 2005 -3.32 am.
 

... nun ist es also so weit.

Jetzt stehe ich vor also dieser absurden Maschine -schon wieder-, die unablässig Luft und Strom in deinen Körper pumpt, dein Herz zwingt, zu schlagen, die Lungen zum Atmen bringt.

Fast sieht es echt aus. Als würdest du nur schlafen.

Das Problem ist nur, du wachst nicht mehr auf.

Das machst du absichtlich, nicht wahr? Erst vor mein Auto springen, so dass mich alle wie einen Verbrecher behandeln und dann nicht anständig sterben.

Sogar dazu bist du zu blöd!

Hab ich dir schon mal gesagt, was für eine unglaublich traurige Witzfigur du bist?

Was für ein Versager. Kleiner, trotteliger Köter, der einfach nichts richtig machen kann!

Selbst deinen Abtritt musst du noch vermasseln.

Und mein Leben dazu.

Hilft es, dass ich mich voll und ganz an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten habe? Dass ich nicht einmal am Steuer saß?

Nein.

Natürlich nicht.

Wenn etwas Schreckliches passiert, dann muss es auch einen Schuldigen geben. Und im Moment bist du es, der hier mehr tot als lebendig vor sich hinvegetiert.

Gibst also einen denkbar schlechten Täter ab, dreimal darfst du jetzt raten, wer noch übrig bleibt.

Jeder, aber auch wirklich jeder deiner kleinen Scheißfreunde schaut mich an, als hätte ich dich absichtlich angefahren!

Nonsens!

Ein Parasit wie du ist keinen Kratzer an meiner kostbaren Stoßstange wert... ich hasse dich, Wheeler!

Wie ich dich in meinem Leben noch nicht gehasst habe.

Warum ausgerechnet ich?

Warum hast du nicht den Anstand, dich vom nächstbesten Dach zu stürzen, wie das jeder normale Selbstmörder tun würde?

Musste es mein teurer Mercedes sein?

Musste mein kleiner Bruder sich das ansehen?!

All das Blut, deinen Körper, wie er über die Motorhaube fliegt, das blonde Haar- rot. Alles rot... ich glaube, mir wird schlecht.

Vielleicht sollte ich die Nachtschwester um ein Aspirin bitten. Ja Wheeler, das ist eine Schmerztablette, die hilft gegen alles, nicht nur gegen Kopfschmerzen.

Ich wette, das weißt du bis heute nicht, dabei haben sie dich mit Schmerzmittel voll gepumpt. Aber das hast du verschlafen.

Wie jeden deiner Besuche.

Alle waren sie hier: dein dussliger Seeigelfreund, der Affe, die Kleine, mit der großen Klappe, Thea oder so, und natürlich deine Schwester.

Weißt du, Wheeler, es hat gar nichts gebracht, dass du ihr ihre Sehkraft wiedergegeben hast, sie heult sich nämlich gerade die Augen aus.

Hätte nicht gedacht, dass ein Mensch so viele Tränen produzieren kann. Ich wette, sie ist ein medizinisches Wunder.

Könntest du mich hören, was voraussetzen würde, dass und du endlich die Courage hast, aufzuwachen, würdest du sicher wieder ein Riesentheater veranstalten.

Wie ich es wagen kann, so über deine Freunde, und viel wichtiger, deine Schwester zu reden.

Und dass ich nur ein aufgeblasener, widerliche Geldsack bin.

Und du hättest Recht, Köter.

Denn mein Geld ist es, das dich am Leben erhält.

Wer, glaubst du, bezahlt diesen Luxus hier?

Einzelzimmer und so weiter, wo es dich nicht einmal tangieren würde, wenn noch drei andere Typen dir die Luft wegatmen.

Nein, dich würde das nicht stören- aber mich.

Ich will hier jede Nacht unbeobachtet stehen und dich verfluchen können. Am Fenster. Warum eigentlich am Fenster?

Das ist nur unnötig teuer und ich verabscheue Verschwendung.

Ich weiß es auch nicht.

Vielleicht wollte ich, dass du rausschauen kannst, wenn du doch noch die Augen aufmachen solltest.

Und ich bete, dass dann die Sonne scheint.

Das soll Menschen ja bekanntlich glücklich machen.

Hormone freisetzen und solches Zeug.

Jedenfalls hoffe ich inständig, dass dein kleines, dummes Hundehirn genügend davon absondert, dass du dich an dem bisschen Versagerleben, das du hast, festklammerst.

Hörst du, Wheeler?

Leben!

Leben sollst du- verdammt noch mal! Warum musst du nur immer deinen Sturkopf durchsetzen?

Du machst mich krank!

Du und dein ganzes Freundschaftsgetue.

Mal unter uns, ich habe davon ja nicht so viel Ahnung, aber was du hier abziehst, ist nicht besonders freundschaftlich.

Eher hochgradig unkollegial.

Du brauchst dir all die verquollenen Gesichter ja nicht anschauen, dich spießen sie nicht mit ihren Blicken auf.

Aber ich- eventuell sollte man dir gratulieren.

Deine ganze, erbärmliche Existenz hindurch versuchst du, meine Aufmerksamkeit zu erringen und jetzt, wo du nichts mehr davon hast, gelingt es dir.

Mit deiner vollkommen verblödeten Aktion machst du mir auf einen Schlag mehr Probleme, als in all den Jahren zuvor.

Seit einem Monat denke ich an nichts so oft, wie an dich.

Nicht, dass man mir irgendetwas anmerken würde, immerhin habe ich eine Firma zu leiten, einen kleinen Bruder zu erziehen (der deinetwegen übrigens einen Schock erlitten hat, vielen Dank noch mal dafür) und ein eigenes Leben zu führen, auch wenn du mir ein solches immer abgesprochen hast.

Ich wünschte wirklich, du könntest das Chaos sehen, welches du angerichtet hast.

Das ist alles ganz allein deine Schuld, Köter!

Und ich wette, du bist stolz darauf.

Glückwunsch, Versager.
 

Es ist kalt hier, oder liegt das an mir?

Bin ich es, der zittert?

Ja... ich zittre, kaum merklich, doch nicht zu ignorieren.

Verbissen schlinge ich die Arme fester um meinen Körper, starre mit unbewegter Miene hinunter in die regennassen Straßen Domino Citys.

Die hundert Lichter, die selbst jetzt, nachts um halb vier, nicht erlöschen, zaubern Millionen kleiner Funken auf den grauen Asphalt.

Es sieht aus, als hätte ein Kind eine Kiste mit kleinen Glassteinen darüber ausgekippt.

Meine Augen brennen, seit Wochen schlafe ich kaum oder gar nicht, die meisten Nächte verbringe ich hier.

Mit deiner leblosen Hülle.

Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass du aufwachst. Denn dann will ich der Erste sein, der dir den Hals umdreht.

Inzwischen kann ich mir die Maserung jedes Pflastersteins da unten ins Gedächtnis rufen. Diese Ecke hier ist mein Stammplatz geworden.

Möglichst weit weg von deinem Bett. Ich ertrage es nicht, dich anzusehen.

Wie du halbtot daliegst.

Die anderen bemerken immer wieder, wie blass, abgemagert und zerbrechlich du zwischen den weißen Laken wirkst. Wenn du mich fragst: alles Quatsch!

Du bist die verkörperte Provokation.

Immer, wenn meine Augen zufällig deinen hellen Schopf streifen, überkommt mich das schier unstillbare Bedürfnis, meine Finger hinein zu graben, dich daran zu ziehen, dich zu schütteln und anzuschreien, bis du dich nicht mehr vor der Realität drücken kannst und endlich deine verdammten, braunen Hundeaugen öffnest.

Deine viel zu große Klappe wieder aufreißt... obwohl du im Moment vermutlich kein Wort sprechen könntest.

Der lange, weiße Plastikschlauch, der sich in deine Lungen schlängelt, wird dich wohl daran hindern.

Er bleibt auch drin, verstanden, Wheeler?

Ich lasse dich nicht sterben, bis du mir eine Antwort gegeben hast!

Warum ich?

Bevor du mir das nicht erklärt hast, gehst du nicht aus dieser Welt und wenn du in diesem Zimmer, ans Bett gefesselt, hundert Jahre alt werden solltest.

Das bist du mir noch schuldig, verdammter Bastard!

Warum ausgerechnet ich?!

Hasst du mich so sehr?

Oder dachtest du, ich würde nicht bremsen?

Hast du gehofft, ich ließe dich umfahren, damit dein sinnloses Dasein am Ende doch noch einen Wert bekommt und sei es auch nur der, dass ich hinter Gitter wandere?

Ich verstehe es nicht, Köter, ich verstehe es wirklich nicht und das macht mich verrückt.

Es fängt bereits an, ich spüre es.

Wie mich nachts, wenn ich hier stehe, der Gedanke quält, dass es meine Schuld sein könnte, warum auch immer.

Dass du tatsächlich das arme, unschuldige Opfer bist, als das dich alle hinstellen.

Vom Täter zum Opfer, ich habe keine Ahnung, wie du das machst, aber du machst es gut.

Zu gut; es zeigt Wirkung.

Habe ich dich vielleicht mit meinen Sprüchen über deine Armseligkeit so verletzt?

Nein... nein! Ich brauche mir nichts vorzuwerfen!

Es ist nicht meine Schuld, wenn du sie dir zu Herzen nimmst, immerhin waren wird Feinde... wir sind Feinde, da darf man nichts erwarten!

Nein, ich bin hierfür nicht verantwortlich.

Du hast auch nicht gerade mit Rosen um dich geworfen!

Es ist nicht meine Schuld, es ist nicht meine- hast du es dir zu Herzen genommen?

Zuzutrauen wäre es dir ja, dummer, kleiner Köter, der du bist.
 

22. November 2005- 9.17 pm.
 

Leise schließe ich die Tür hinter mir.

Dich kümmert es sicher nicht, ob ich diskret bin, oder nicht, aber das Krankenhauspersonal. Ich kann dir sagen, es war ein Krampf, mein Erscheinen außerhalb der Besuchszeiten durchzuboxen und es kostet mich schon wieder Geld, eine hübsche, runde Summe in der Höhe deines voraussichtlichen Jahreseinkommens, Versager.

Ich erwähnte wohl schon, dass ich wenig dafür übrig habe, mein Geld sinnlos zu verprassen, aber das muss einfach sein.

Denn noch eine Heularie deiner so genannten Freunde ertrage ich nicht. Ist doch peinlich, diesen Nichtskönnern... verzeih, ich wollte natürlich sagen, deinen "Freunden" beim Zusammenbrechen zuzugucken.

Deshalb komme ich erst, wenn ich mir ganz sicher sein kann, dass der Kindergarten abgezogen ist.

Aber sie waren hier, jeden Tag, so wie ich.

Ihre Spuren sind nicht zu übersehen.

Du darfst keine Blumen in deinem Zimmer haben. Pollen, Parasiten- was weiß ich- also stapelt sich das Zeug vor der Tür.

Ich glaube, du bist mit Abstand der meistbeschenkte Penner in der ganzen Anstalt.

Bevor du auf dumme Gedanken kommst, nichts davon ist von mir!

Für so rührseligen Quatsch habe ich keine Zeit. Solltest du dich also fragen, woher der schreckliche, pinke Bär auf deinem Nachtschränkchen kommen, wende dich vertrauensvoll an deine Schwester!

Grässlich!

Das wäre ein Grund, ins Koma zu fallen, nicht dieser kleine Unfall.

Für einen Mann stellst du dich wirklich ganz schön an, Wheeler.

Findest du nicht, dass es genug ist?

Viel mehr können deine kleinen Spielgefährten schon nicht mehr heulen, irgendwann muss doch auch denen mal der Tränenkanal austrocknen.

Sollten sie sich eine Netzhautentzündung einfangen, weil vor lauter Flüssigkeit kein Sauerstoff mehr an ihre Augen kommt, bist du Schuld!

Nur dass du's weißt.
 

Als ich das kleine Zimmer durchquere, um in meiner Ecke Stellung zu beziehen, hallen meine Schritte an den Wänden nach.

Kein Wunder, außer dir, mir und diesen Kästen dort, die dir Trottel beim Leben helfen müssen, ist hier ja nichts.

Es ist wirklich erbärmlich, Wheeler.

Gerade du, der den stärksten Lebensdrang von allen hatte, der sein Maul immer als Erster aufreißen und als Letzter schließen musste, der mir hundert und einen Vortrag über den Wert des Lebens und Freundschaft gehalten hat, gerade du liegst wie tot da drüben.

Jetzt ist es ganz still, das Hündchen.

Wo ist dein Kampfgeist geblieben?

Dieses Schweigen passt nicht zu dir... um ehrlich zu sein, ich vermisse dein Gekläffe.

Mein Alltag ist ohne deine penetranten, unqualifizierten, nervenaufreibenden Unterbrechungen erstaunlich ruhig.

Ich sollte mich wohl glücklich schätzen, oder?

Plötzlich kann ich mich konzentrieren, muss nicht jede Minute befürchten, dass du mit der Bande auftauchst, um mich in das nächste, haarsträubende Abenteuer reinzuziehen.

Plötzlich kann ich meine Arbeit machen.

Unbehelligt und fern von allen Psychopathen, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen.

Doch, doch, es wäre wirklich ein Grund zu Freude, doch irgendwie will sich das Hochgefühl nicht einstellen.

Denn ein Psychopath fehlt mir.

Du...
 

24. November 2005- 0.24 am.
 

Es ist nach Mitternacht, ich sollte heimfahren und endlich wieder mehr als vier Stunden schlafen.

Doch ich kann nicht.

Vielleicht werde ich süchtig?

Oder paranoid.

Jedenfalls kann mich nicht selenruhig hinlegen, ohne vorher bei dir gewesen zu sein.

Und sei es, um zu sehen, dass sich nichts verändert hat... von dem blauen Nashorn, welches sich zu dem rosa Teddy gesellt hat, mal abgesehen.

Noch etwas ist anders, man hat dir den Verband abgenommen.

Kurz zögere ich, bevor ich mir den Besucherstuhl, Marke Plastikfoltersessel, ans Bett ziehe, mich langsam darauf sinken lasse.

Er ist genauso unbequem, wie er aussieht.

Ich weiß schon, warum ich es bevorzuge, zu stehen.

Nun ja, ich habe auch nicht vor, länger zu bleiben. Nur ganz kurz schauen, ob man nichts kaputt gemacht hat... obwohl bei Licht betrachtet wohl nicht mehr viel übrig ist, das man an dir noch zerstören könnte.

Deine kleine, kranke Seele war schließlich schon immer so verkorkst, die hätte kein Psychologe der Welt entknoten können und dein Körper... nun ja, der liegt einfach nur da.

Wie ein Stück Fleisch.

Leblose Hülle, die du bist.

Dein sonst so wirres Haar hängt dir schlaff und fettig ins leichenblasse Gesicht.

Mal ehrlich, Wheeler, du siehst so was von beschissen aus.

Aber ich kann die Schwestern verstehen, wenn sie einem verflohten, kleinen Köter wie dir nicht den Kopf waschen wollen... na gut, es lag wohl eher an deinem Schädelbasisbruch, dass sich niemand an deine Birne gewagt hat.

Obwohl es da, wie gesagt, wohl kaum noch etwas zu beschädigen gäbe.

Die Blessuren und Abschürfungen auf Gesicht, Armen und was weiß ich, wo noch, sind innerhalb der letzten Wochen so gut wie vollständig verschwunden, so dass du nicht mehr frappierende Ähnlichkeit mit einer misshandelten Pflaume hast.

Jetzt siehst du einfach nur noch aus, wie ein Schluck Wasser: unscheinbar und fast durchsichtig.

Wären die Ringe unter deinen Augen nicht so dunkel, du würdest wohl in den weißen Laken verschwinden.

Die Beatmungsmaske hat rote Abdrücke um deinen Mund herum hinterlassen, deine Lippen sind rissig und knochentrocken, die Wangen eingefallen.

Auf deinen Unterarmen kann man die Einstiche vom Tropf, der ständig verlegt werden muss, weil deine verdammten Venen zugehen, deutlich erkennen, so dass du ein bisschen wie ein durchgeknallter Junkie wirkst.

Vielleicht bist du das sogar, obwohl dein Bluttest bis auf eine bedenkliche Menge an Alkohol sauber war.

Ich dachte immer, du verabscheust das Teufelszeug wegen deines Vaters.

Habe ich mich in dir getäuscht? Bist du ebenso ein Säufer oder hast du dir Mut angetrunken?

Mut, um dich vor mein Auto zu schmeißen.

... warum verdammt?

Darauf will ich noch eine Antwort haben!

Hast du verstanden, Wheeler?!

Und wage es nicht, vorher abzunippeln, sonst ich werde persönlich dafür sorgen, dass deine Beerdigung die reinste Phrase wird.

Obwohl, vielleicht hättest du es so gewollt. Dass man auf deinem Grab tanzt, statt schluchzend davor zu stehen.

Mit Tränen konntest du ja nie so besonders gut. Bei dir musste die Welt immer heil sein.

Du hattest so ein herrlich kindlich-naives Schwarz-Weiß-Denken.

Trauer passte da nicht hinein, richtig?

Deshalb hast du auch über alles und jeden deine blöden Witze machen müssen, die im Übrigen kein bisschen amüsant waren.

Wirklich, Wheeler, du bist ein noch schlechterer Komiker, als Duellant.

Und das will etwas heißen!
 

Deine linke Hand ruht auf deinem Bauch, der sich schwach hebt und senkt.

Langsam, beinahe zögerlich streckte ich meine Finger danach aus, den Blick fest auf die beiden Monitore geheftet, die ununterbrochen deinen Herzschlag und die Hirntätigkeit anzeigen.

Der obere schlägt flache, aber regelmäßige Wellen, der untere ist... tot.

Denkst du nichts?

Gar nichts?

Deine Haut ist kühl, beinahe kalt.

Frag mich nicht, ich kann nicht sagen, woher dieser Drang, deine Hand zu halten, so plötzlich kommt.

Wärst du bei Bewusstsein, du hättest mir sicher eine gescheuert, deine Faust sitzt ja ohnehin recht locker.

Beinahe wünschte ich, du würdest es tun.

Denn dann könnte ich zurückschlagen und dich endlich fragen warum!

Warum bist du so ein dämlicher Idiot?!

Warum mit dem Leben Schluss machen und gerade mir vors Auto springen?

Langsam weiß ich nicht, ob ich dich hassen oder bedauern soll.

Natürlich ist es unverzeihlich, dass du mich da mit reingezogen hast, dass Mokuba nachts nicht richtig schlafen kann und deine Schwester unter deinem Egoismus leiden muss, aber manchmal, nein, eigentlich ständig, frage ich mich, was dich dazu getrieben hat.

Wie kann man verzweifelt genug sein, sich umbringen zu wollen?

Mit nicht einmal siebzehn Jahren.

... komm ja nicht auf Ideen! Nur, weil mir ein kleiner, dussliger Köter Leid tut, bleibst du trotzdem eine Niete!

Ein dummes, tollpatschiges, verlaustes Vieh ohne Zukunft und nennenswerte Gegenwart.
 


 

Nachwort:

Ich möchte mich für alle Unstimmigkeiten entschuldigen, was Joeys Zustand anbelangt. Zwar habe ich mich im Internet belesen und einige Leute ausgequetscht, aber der Ästhetik zuliebe musste ich manches auch wieder streichen (z.B., dass für gewöhnlich die Augen zugeklebt werden, damit sie nicht austrocknen).

Nun stellt der ein oder andere sicher die berechtigte Frage, was an Koma bitte ästhetisch sein soll und warum ich es überhaupt aufgreife, wenn ich es dann doch nicht richtig durchziehe.

Zu diesen Leuten möchte ich sagen: Ihr habt Recht!

Aber vielleicht könnt ihr gnädig sein und es unter künstlerischer Freiheit verbuchen, denn vor allem möchte ich unterhalten. Dass es dann nicht immer medizinisch korrekt zugeht, werdet ihr mir hoffentlich verzeihen.
 

Ich hoffe, euch hat der erste Teil gefallen!

Umarmung, Azra

Weißer Himmel

Vorwort: So, hier kommt der zweite Teil ^^. Zugeordnet ist er dem Begriff „anorektisch“, wobei diese Einteilung mal wieder hinkt. *drops*

Ich bekomme es auch noch hin, dass die Kappis besser zu den vorgegebenen Stichworten passen ^^°.
 

Disclaimer: Ich leihe mir die Figuren von YGO nur aus und gelobe hoch und heilig, sie am Ende der FF poliert und heil wieder abzugeben.
 


 

Weißer Himmel
 

25. November 2005- 11.54 pm.
 

Einen Monat und vier Tage ist es jetzt her, dass du deinen Kamikazeangriff auf unser Leben gestartet hast.

Ja, ich denke doch, dass man inzwischen von einem „Uns“ sprechen kann.

Obwohl du eindeutig die treibende Kraft bist. Immerhin war es dein egoistischer, vollkommen hirnrissiger Beschluss, deinem Dasein als Versager ein furioses Ende zu bereiten.

Ich bin nur Statist.

Und vielleicht ein bisschen mehr.

Täter, obwohl ich Opfer sein sollte.
 

Der Seeigel war heute bei mir.

Habe ihn selbstverständlich nicht hereingelassen, aber der Blick, den mir von unten her zuwarf- eindeutig, eindeutiger geht’s gar nicht mehr!

Ich bin der Böse, ich habe den netten, blonden Kerl überfahren.

Mutou scheint der festen Überzeugung zu sein, ich hätte ahnen müssen, dass mir in der nächsten Sekunde ein lebensmüder Welpe vor die Stoßstange hopst.

So etwas kann auch nur jemand erwarten, der an „Das Herz der Karten“ glaubt.

War schon bass erstaunt, dass er hier nicht mit Astralkörpern ankam.

Zugetraut hätte ich es ihm.

Wer davon überzeugt ist, dass ein Puzzle einen eigenen Willen hat, der kann auch an solchen Schwachsinn glauben.

Aber nur für den Fall, dass tatsächlich deine Seele in diesem Raum rumschwebt und sich von ihren sterblichen Überresten löst: Mach das du zurückkommst, aber pronto!

Seelen kann man nicht hören und ich will eine Entschuldigung!

Eine lange, ausführliche und ernst gemeinte Entschuldigung dafür, dass du mein Leben so auf den Kopf gestellt hast.

Vorher trittst du in keine andere Sphäre über, lass dir das gesagt sein!
 

Übrigens, nur für den Fall, dass es dich interessiert, du hast mir meinen Geburtstag versaut.

Nicht, dass ich vorhatte, ihn zu feiern!

Bin sowieso gegen diesen Zauber, den Mokuba jedes Jahr veranstaltet.

Ich werde nur 24 Stunden älter, wie alle anderen Menschen auf diesem Planeten, nicht schlagartig ein ganzes Jahr.

Genau genommen ist es einfach bloß ein Tag, die Erde dreht sich einmal um die eigene Achse und das war’s dann auch schon.

Wozu gerade um diese Drehung so einen Aufstand machen? Mit etwas Glück kann man das 366 Mal im Jahr erleben.

Wie du siehst, liegt mir also wirklich nichts an solchem sentimentalen Quatsch, aber du bist daran schuld, dass ich die ganzen verdammten 24 Stunden an nichts anderes denken konnte!

Immer nur daran, dass du mir meinen Tag versaut hast!

Und dass mich alle ganz bedauernd anschauen und annehmen werden, ich könne mich nicht darüber freuen, weil du dich vier Tage zuvor vor mein Auto geschmissen hast.

Schon allein, weil jeder andere daran denkt, muss ich es auch.

Dann tue ich mir schrecklich leid und hasse dich noch ein bisschen mehr.

Zum krönenden Abschluss gibt es ein einsames Mitternachtsessen vorm Computer, damit ich weiß, wie unglaublich scheiße es mir doch im Moment geht und eine unruhige Nacht, in der ich mich von einer Seite auf die andere wälze.

Ich hasse nichts so sehr wie Selbstmitleid!

Schwache, kleine Idioten, die nichts Besseres zu tun haben, als sich im eigenen Elend zu suhlen, waren mir schon immer zuwider und nun hast du mich zu einem gemacht.

Das verzeihe ich dir nicht, Wheeler!

Deine Liste an unverantwortlichen Dingen wird erschreckend lang, merkst du das?

Also wach gefälligst auf, oder ich kann sie dir bald zweimal um den dürren Hals wickeln und kräftig dran ziehen.

Dann hätte der ganze Dreck hier wenigstens ein Ende.
 

27. November 2005- 1.17 am.
 

Ich weiß gar nicht mehr, warum ich noch herkomme.

Schließlich liegst du eh nur faul auf deinem Bett rum, nicht gewillt, auch nur einen Laut von dir zu geben. Dabei hast du früher keine Gelegenheit ausgelassen, mir mit deinem Gejaule auf die Nerven zu gehen.

Beinahe wünsche ich mir diese Zeiten zurück.

Ja, du warst unglaublich lästig, hast mich von der Arbeit abgehalten und was immer du angefasst hast, war einfach dazu verdammt, schief zu gehen.

Aber du hast mich zum Lachen gebracht.

Unfreiwillig natürlich. Und anschließend musstest du dich ganz fürchterlich aufregen, doch ich denke, ganz tief in dir hast du dich auch gefreut.

Einfach weil du neben Mokuba der Einzige bist, der mich lachen hört.

Selbstverständlich stets über dich und nie mit dir.

Hat dir das wehgetan, Wheeler?

Oder warst du schon daran gewöhnt, immer für alle der Depp zu sein?

Perfekt spielen konntest du diese Rolle jedenfalls.

So gut, dass niemand gemerkt hat, wie scheiße es dir eigentlich gegangen sein muss. Oder warum bist du mir vor die Motorhaube gerannt?

Diesen Anblick werde ich mein Lebtag nicht vergessen:
 

Mokuba hat mir gerade irgendetwas aus der Schule erzählt.

Ich weiß schon gar nicht mehr, was es war und bezweifle, dass ich ihm überhaupt richtig zugehört habe.

Die Abrechnung auf meinem Laptop schien auch um so Vieles wichtiger.

Im Hintergrund dudelte irgendeine dieser Kinderkassette, auf die mein kleiner Bruder so abfährt. Ich glaube, inzwischen könnte er mit den Dingern Fort Knox nachbauen.

Es war friedlich.

Ein ganz normaler Abend, wir beide auf dem Weg nach Hause.

Ja, damals bin ich noch nicht nur zum Schlafen heimgefahren.

Das hat sich nach deiner Attacke geändert.

Roland hat sich in einem Anflug von Größenwahn erdreistet, mir vorzuwerfen, ich würde mich in der Arbeit verkriechen, um den Schmerz zu betäuben.

Ich bitte dich!

Wir wissen beide, wie lächerlich das ist, nicht wahr?

Als ob ich deinetwegen auch nur eine Träne vergießen würde- lächerlich! Ganz einfach lächerlich.

Wo war ich… ach ja, es war friedlich, so ein richtiger schöner Abend und es hätte auch eine genauso schöne Nacht werden können.

Ohne Lalü-Lala und Blaulicht.

Ich hätte liebend gern auf all diese Leute verzichtet, die um meinen Wagen herumrennen, den Chauffeur verhaften wollen und mich am liebsten gleich mit.

Immerhin war es mein Auto, das dich tot gefahren hat.

Fast- aber das wussten wir in dem Augenblick nicht.

Für uns sahst du tot aus, mausetot, einen Arm merkwürdig verdreht, das Gesicht von uns abgewandt, mit einer klaffenden Wunde am Hinterkopf, aus der ununterbrochen Blut in deine hellen Haare und auf den Asphalt rann.

Blut, so unglaublich viel Blut… mir wird heute noch ganz anders, wenn ich daran denke.

Und Mokuba, nun ja, er ist neben dir wahrscheinlich derjenige, dem es am Schlechtesten geht.

Er isst nicht mehr, schläft schlecht bis gar nicht und wann ich ihn das letzte Mal lachen gehört habe, weiß ich schon gar nicht mehr.

Sein Gesicht ist so blass wie die sprichwörtliche Wand und wären da nicht diese entsetzlich rotgeweinten Augen, würde man ihn von einer solchen wohl gar nicht mehr unterscheiden können.

Ich habe ihn aus der Schule genommen und lasse ihn jetzt privat unterrichten. Das wollte ich schon immer machen, doch ich hätte mir nie gewünscht, dass es auf diese Weise dazu kommen muss.

Mokuba war es, der sich weigerte, aus der Schule zu gehen.

Er hatte richtige Freundschaften geschlossen, war beliebt- so zumindest die Lehrerin.

Ganz anders als ich, hm?

Früher habe ich mit ihm geschimpft, wenn eine Horde Halbstarker meinen Perser zum wiederholten Mal mit ihren Schlammlatschen versaute, heute gäbe ich alles darum, sein schuldbewusstes Grinsen noch einmal zu sehen.

Von mir aus kann die ganze Schule durch unsere Villa trampeln, Hauptsache er starrt nicht mehr apathisch in die Luft.

Hauptsache, er redet wieder mit mir und wacht nachts nicht mehr schreiend auf..

Hauptsache, er isst wieder. Mehr, als einen Löffel Cornflakes.

Eine Schüssel Reis.

Eine Hand voll Cracker zum Abendbrot.

Mokuba ist unglaublich abgemagert.

Seine Ärztin hat mich mehrmals darauf angesprochen, aber ich bringe es nicht über mich, meinen kleinen Bruder künstlich ernähren zu lassen.

Er soll nicht so wie du an ein Bett gefesselt werden, während Dinge mit seinem Körper geschehen, auf die er keinen Einfluss mehr hat.
 

Und das ist alles deine Schuld!

Wenn du nicht gewesen wärst, könnten wir zufrieden sein!

Wenn du dich nicht gerade vor unser Auto geschmissen hättest!

Wenn du nicht… wenn du doch nur nicht so verzweifelt gewesen wärst.

Wer war es, Wheeler?

Wer hat dir etwas angetan, auf das du nur noch mit deinem Tod antworten konntest?

Dein Vater?

In der Schule ist man ja nicht drum herumgekommen, um eure schlechte Beziehung zu wissen und ich vermute stark, dass nicht jeder blaue Fleck auf unliebsame Bekanntschaft mit dem Türknauf zurückzuführen ist, obwohl es sich nicht leugnen lässt, dass du dich mitunter unglaublich dämlich anstellst.

Was sag ich?

Eigentlich immer!

Sogar beim Sterben.
 

31.November 2005- 23.474 am
 

Müde sinke ich auf den Stuhl neben deinem Bett, wobei mein Blick hinüber zu den Kuscheltieren wandert.

Ein quietschgelbes Seepferdchen hat sich zu dem Teddybären gesellt und unterstützt ihn tatkräftig dabei, meine Augen zu beleidigen.

Wheeler, deine Schwester in allen Ehren, aber sie hat noch weniger Geschmack als du.

Überhaupt wundert es mich, dass sie noch nicht auf die Idee gekommen ist, dir einen Hund zu schenken.

In Rotzgrün vielleicht, dann passt er auch farblich zu den anderen Viechern.

Jetzt mal ehrlich, was haben einen Bär, ein Seepferdchen und ein Nashorn mit dir gemein… außer, dass du dich manchmal ähnlich tramplig wie letzteres anstellst.

Einen Hund, ja einen Hund hätte ich verstanden, passt zu dir- Welpe.
 

Schwer sinkt mein Kopf nach vorn.

Das war ein langer, harter Tag.

Ärger in der Firma, Ärger mit Mokuba, Ärger mit Roland, der nicht aufhört, mich zurechtzuweisen, als wäre ich ein kleines Kind.

Dabei bin ich sein Chef und er mein Angestellter. Würde meine Welt sich noch in den richtigen Bahnen bewegen, wäre er es, der sich meine Befehle anhören muss, nicht umgekehrt.

Ich kann es langsam auch nicht mehr hören!

Was geht ihn meine Gesundheit an und noch schlimmer, warum interessiert er sich dafür, wo sie mir so scheißegal ist?

Außerdem: wer will schon früh ins Bett? Am Ende träumt man noch und davor habe ich Angst. Ja, lach nur… ja bitte lache!

Lache und mach endlich die Augen auf!

Und lass diese irrwitzigen Verfolgungen bleiben! Ich denke doch schon den ganzen Tag an kaum etwas anderes als dich, lass mir wenigstens die Nächte.

Aber auch da hast du angefangen, mich zu jagen.

Bruchstückhafte, wirre Fetzen, die mich in Angst und Schrecken versetzen, mit denen ich beim Aufwachen jedoch nichts anfangen kann.

Es sind immer nur Bilder und immer nur von dir. Ohne Ton, wie ein Stummfilm.

Du in der Caféteria. Stehst auf dem Tisch. Markierst den großen Macker, während deine Freunde zu dir hochsehen. Du lachst.

Es ist eine friedliche, vertraute Szene und ich will schon mit den Augen rollen, weil du wieder einmal so einen Zirkus um deine Person veranstaltest, da leuchtet es rot hinter dir auf.

Erst schwach, doch schnell wird es größer, stärker und der lustige, protzende Junge verblasst vor einem zerschmetterten Schädel- dein Schädel.

Wie zwei Fotos, die man übereinander legt.

Das erste wird immer schwächer, das zweite schärfer. Dein Kopf, blutend und riesengroß, wie auf einer Kinoleinwand.

Es waren solche Träume, die mich das Fürchten gelehrt haben, die dafür sorgten, dass ich nie mehr als vier Stunden schlafe. Damit ich abends wieder so müde bin, dass ich übergangslos in den Tiefschlaf falle und erst von meinem Wecker aus eben jenem wieder hochgerissen werde.

Ohne eine Wachphase, in der mein Hirn sich solche Horrorgeschichten ausspinnen kann.

Roland beäugt meine Schlafgewohnheiten kritisch und wenn er sich in den ersten Wochen mit schlauen Ratschlägen zurückgehalten hat, dann holt er jetzt alles wieder auf.

Gestern hat er mir doch tatsächlich angeboten, mich zu einem Seelenklempner zu fahren.

MICH!

Als ob ich hier den Irrenarzt bräuchte. Du hast dich doch vor ein Auto geschmissen, wer hat hier den Sprung in der Schüssel?

Ich war nahe dran, ihn zu feuern, so sauer war ich.

Was soll ich bitte bei einem Selendedektiv?

ICH!

Seto Kaiba, reichster Jungunternehmer Japans. Der Junge mit dem Schritt einer Schere, wie du es mal so nett ausgedrückt hast.

Ist doch lächerlich! Ich bin es sicher nicht, der hier Hilfe braucht!

Aber du, Welpe, du brauchst dringend welche. Mein Kopf liegt auf dem Lacken, nur wenige Zentimeter von deiner Hand entfernt. Bleich und knochig ist sie. Deine sonst durchaus gesunde Bräune hast du längst verloren.

Kein Wunder, seit Wochen hat sich kein Sonnenstrahl mehr in dein Gesicht verirrt, jedenfalls keiner, der nicht durch zwei große Klappfenster dringen musste, die man im Übrigen nicht aufmachen kann.

Eben wegen der Suizidgefahr.

Nur einen Spalt breit lassen sie sich nach oben hin öffnen, kaum genug, um frische Luft in dieses stickige Kabuff zu bekommen.

Hier herrscht permanenter Sauerstoffmangel. Daran muss es auch liegen, dass ich so müde bin. Ja, das ist der einzige Grund und ich bin nicht bereit, Rolands Worten einen gewissen Wahrheitsgehalt einzuräumen. Von wegen, das wenige Schlafen würde sich noch rächen.

Alles Quatsch!

Ein Kaiba hat keine menschlichen Bedürfnisse!

Sieht man ja auch an Mokuba. Ein Kaiba muss nicht essen. Dann braucht er erst recht keinen Schlaf!

Wenn es hier drin nicht so muffig wäre, dann wäre ich auch nicht müde!

Wheeler, du bist Schuld, dass ich müde bin. Du bist an allem Schuld- wie immer.

In meinem Kopf dreht sich alles und nur mit Gewalt kann ich meine Augen offen halten. Ich brauche ganz dringend eine Auszeit von dir!

Ich brauche Urlaub.
 

Halt mich fest- du verlierst mich gleich

Nimm mich in den Arm- ich bin viel zu leicht

(Etwas- Halt mich)
 

Feiner Sand knirscht unter meinen Füßen, rieselt zwischen meinen Zehnen hindurch. Der Wind trägt den salzigen Geschmack des Meeres zu mir herüber.

Monotones Rauschen, einzig vom gelegentlichen Schrei irgendeines Vogel unterbrochen.

Ansonsten ist es ruhig.

Stille, allumfassende, gewaltige Still, die beinahe schon in den Ohren dröhnt.

Der Strand ist menschenleer.

,Vermutlich Privatgelände’, schießt es mir durch den Kopf, aber das macht nichts. Ich darf mich überall aufhalten, ich habe das Recht, alles zu tun.

Ich laufe.

Zum Meer, das wie eine dunkle, raue Eisenplatte vor mir liegt. Von hier kann man die Wellen nicht sehen, nur hören.

Aus dieser Entfernung sieht das Wasser stahlhart aus. Etwas Feste, das mich abstößt, vielleicht sogar feindlich.

Kein klares Türkis, keine weißen Wellenberge, wie man sie im Katalog findet. Nur eine finstere, bleierne Masse.

Diffuses Licht verwandelt Meer und Strand in eine Welt aus Grautönen. Hellgrauer Sand, dunkelgraues Wasser und ein weißer Himmel.

Mein Verstand sagt mir zwar, dass dort oben Wolken sind und das dieser kränklich gelbe, blasse Fleck über mir die Sonne sein muss, doch meine Augen sehen nur weiß. Als wäre ein blauer Himmel nur eine Legende.

Ein Überstrich.

Als wäre der Himmel eigentlich weiß. So wie jetzt.

Meine Füße tragen mich wie von selbst, während mein Blick sich auf einen kleinen Punkt am Ende des Strandes fixiert.

Beim Näherkommen bemerkte ich, dass der Punkt sich bewegt. Es sieht aus, als würde ein Floh auf- und abhüpfen.

Als ich noch ungefähr zehn Meter entfernt bin, entpuppt sich der Floh als Junge. Ein blonder Junge auf einem dieser Trampoline, die man öfter am Strand findet und an denen Mokuba mich arm machen würde, spielte Geld für uns überhaupt noch eine Rolle.

Er ist ganz allein. Weit und breit kein Besitzer und keine anderen Kunden.

Dann ist das sein Trampolin?

Skeptisch bleibe ich stehen und beobachte ihn.

Er scheint mich nicht bemerkt zu haben und wenn doch, hat er sich entschieden, sich von mir nicht stören zu lassen.

Seine blonde Mähne fliegt wild auf und ab. Für meinen Geschmack ist sie ein bisschen zu lang, ein bisschen zu wild, ein bisschen zu rebellisch, um mir zu gefallen.

Dabei ist er ansonsten recht ansehnlich.

Hochgewachsen und schlank, gebräunt, auch wenn ich nicht weiß, wie er das bei diesen Lichtverhältnissen geschafft hat. Überhaupt ist er der einzige Farbklecks in der tristen Umgebung.

Sein orangefarbenes Shirt leuchtet geradezu provozierend in das Grau hinein.

Die halbnackten Beine spannen sich bei jedem Sprung so stark an, dass die Muskelstränge hervortreten. Er stößt sich mit aller Kraft von der Erde ab und fliegt in den Himmel.

Weiter, immer weiter.

Höher, immer höher.

So hoch, dass es für den Bruchteil einer Sekunde aussieht, als würde er Schweben. Im weißen Himmel.

Umgeben von Weiß.

Bis er wieder herunterfällt und erneut springt.

Seine Arme rundern durch die Luft, als wollte er sich in ihr festhalten. Als wollte er um jeden Preis verhindern, auf die Erde zurückzukehren.

Und er hat Erfolg. Nur langsam, aber stetig.

Die Bruchteile, die er im Himmel hängt, dehnen sich zu Sekunden, bis es nicht mehr so aussieht, als bräuchte er Kraft, um zu springen, sondern die Erde, um ihn wieder runterzuholen.

Er schwebt, bis er gewaltsam zurückgezogen wird, nur um gleich wieder emporzusteigen.

Er lacht.

Kein Laut kommt über seine Lippen, doch er strahlt übers ganze Gesicht.

,Höher’, ich kann seine Gedanken sehen, ,Höher!’ und plötzlich habe ich Angst um ihn. Bald wird er gar nicht mehr zurückkommen und dann geschieht etwas Schreckliches.

Ich weiß nicht, warum es mich so in Panik versetzt, wenn der blonde Junge in den weißen Himmel springt, wo es doch das ist, was er will, wo es ihn doch so glücklich macht, aber ich kann es nicht verdrängen.

Wie von Furien getrieben renne ich auf ihn zu.

Schneller, schneller!

Jedes Mal, das er sekundenlang in der Luft verweilt, glaube ich, zu spät zu kommen und Angst beflügelt meine Schritte.

Ich darf ihn nicht verlieren!

Etwas Furchtbares passiert sonst. Etwas, das mich und mein ganzes Leben bedroht, ich darf ihn nicht verlieren!

Der Sand stiebt unter meinen nackten Füßen nur so davon und mit einem gewaltigen Satz, den ich mir selber gar nicht zugetraut hätte, hechte ich auf das Trampolin.

Unter mich wackelt der Boden und einen schrecklichen Moment lang habe ich das Gefühl, den Halt zu verlieren.

Dennoch strebe ich vorwärts. Zum Fallen habe ich keine Zeit, jede Sekunde, jeder Bruchteil davon ist kostbar!

Ich erreiche ihn, als er sich gerade abstoßen will, zum vielleicht letzen Mal. Der entscheidende Sprung in einen weißen Himmel.

Wie Fesseln schlingen meine Arme sich um ihn, pressen ihn an mich und mein Gesicht gegen seine Schulter, ich schließe die Augen.

Egal, was jetzt passiert, nur nicht loslassen.

Das ist alles, was ich denken kann.

Er tobt in meinen Armen, tritt nach mir und erwischt mein Schienenbein. Es tut weh, doch ich verbeiße mir jeden Mucks, kralle nur verzweifelt meine Finger in seinen Bauch.

„Lass mich!“ seine Stimme zerreißt die Stille um uns. „Ich will da hoch!“

„Nein!“ unablässig schüttle ich den Kopf, „Nein, nein, nein.“

Er windet sich, wie ein Fisch auf dem Trockenen, seine Füße berühren den Boden kaum. Er ist leicht, viel zu leicht. Wie Luft, die einem durch die Finger rinnt.

Fester umarme ich ihn, halte ihn gewaltsam unten, auf der Erde.

„Du zerbrichst mich“, jappst er wütend.

Das ist egal. Das ist alles egal, solange er nur nicht in einen weißen, toten Himmel springen kann.

„Hör auf!“

„Nein“, das ist alles, was ich über die Lippen bringe. Meine Stimme hört sich fremd und hohl an, kraftlos. Das ist nicht die Stimme, die sonst Befehle wie Messer in die Welt stößt.

„Kaiba…“

Seine Hand krallt sich in meine Schulter. Ohne, dass ich es mitbekommen habe, hat er sich in meinen Armen gedreht, schaut mich erst an.

„Kaiba.“ Er rüttelt an mir, bricht meinen Griff, als wäre ich aus Glas.

„Kaiba!“, das ist nicht seine Stimme. Diese hier ist heller, weicher und besorgt.

Das ist auch nicht seine Hand, die mich da an der Schulter packt, denn sie ist vorsichtig, zurückhaltend, beinahe scheu, mich zu berühren.

Ich reiße die Augen auf.

Weiß… ich beginne diese Nichtfarbe zu hassen.

Ich starre auf eine weiße Decke und eine braune Strähne, die mir über die Schulter fällt.

Meine Haare sind das nicht!

Irritiert drehe ich den Kopf, blicke in das fürsorgliche, liebe Gesicht eines mir leider nicht gänzlich unbekannten, Mädchens.

Deine Schwester, Wheeler. Und sie hat ein ebenso mieses Timing wie du.

Wie von der Tarantel gestochen, fahre ich hoch, muss unangenehmer Weise feststellen, dass meine Hand sich so fest in Wheelers Decke gekrallt hat, dass die Knöchel weiß hervortreten. Peinlich berührt ziehe ich sie zurück, fahre mir durch die Haare.

Ich habe geschlafen, ich habe geträumt und… sie hat mich dabei beobachtet!

Für einen Augenblick hasse ich die Klappfenster.

„Alles in Ordnung?“

Angesichts meines pikierten Ausdrucks und der Lage, in der sie mich erwischt hat, finde ich diese Frage seltendämlich. Dennoch nicke ich.

Ich fühle mich regelrecht ertappt, als hätte ich etwas Verbotenes getan. Viel schlimmer kann es sich nicht anfühlen, wenn man gesehen wird, wie man sich… nun ja.

„Hier.“

Sie hält mir einen dieser braunen Plastikbecher unter die Nase, in denen man im Foyer für Wucherpreise einen Kaffee erringen kann.

Vorausgesetzt natürlich, die Maschine ist bereit, das Geld nicht nur zu fressen, sondern einem dafür auch das Gewünschte zu liefern. Wenn man es dann noch schafft, den Becher nicht augenblicklich wieder fallen zu lassen, weil man sich die Pfoten daran verbrannt hat, kommt man in den Genuss von laschem, abgelagertem Kaffe, von dem man gar nicht wissen will, wann er das letzte Mal erneuert wurde.

Aber wenigstens ist er heiß.

Zu irritiert und peinlich berührt, um mir darum Gedanken zu machen, nehme ich ihr den Becher ab, nippe daran und verziehe angewidert das Gesicht.

Süß!

„Das ist ja…“

„Kakao, ja“, sie lächelt mich entschuldigend an. „Nicht gut?“

„Nein.“

Ich stehe auf, mein Rücken kracht verdächtig, und trete ans Waschbecken, will die Brühe wegkippen, doch ihr bestürztes „Was machst du denn?“ lässt mich innehalten.

„Ich entsorge dieses minderwertige Gesöff.“

„Aber warum denn?“

„Weil ich keinen Kakao“, ich betone das letzte Wort, als wäre es etwas ganz besonders Widerwärtiges, „trinke.“

„Ja, aber ich doch.“

Verwirrt sehen wir einander an.

„Du willst das noch trinken?“ hake ich schließlich ungläubig nach und sie nickt vorsichtig, nicht ganz sicher, ob sie gerade im Begriff ist, etwas sehr Dummes zu tun.

„Aus diesem Becher?“

„Ja…?“

„Aber daraus habe ich doch schon getrunken.“

„Und?“

Anscheinend sieht sie das Problem nicht.

„Oder bist du krank?“ Schon wieder stiehlt sich dieses besorgte Glitzern in ihre großen, grünen Augen.

„Nein“, wehre ich heftig ab. Ich bin Seto Kaiba, ich werde nie krank!

„Dann… kannst du ihn mir doch zurückgeben, wenn du ihn nicht willst… oder?“

Sie streckt eine Hand nach dem braunen Plastikbecher aus und mehr als irritiert reiche ich ihn ihr zurück.

Ekelt sie sich denn gar nicht?

Also ich würde das nicht tun, aus etwas trinken, wo ein anderer schon seinen Mund dran hatte. Ist doch unhygienisch!

Sie hat anscheinend keine Schwierigkeiten damit und nippt vorsichtig an der heißen, wässrigen Schokolade.

Schweigend beobachte ich sie dabei, werfe dann einen verstohlenen Blick auf meine Uhr und hätte am liebsten laut gestöhnt. Aber das ist natürlich nicht drin, wenn man Zuschauer hat.

Neun Uhr siebenundzwanzig. Ich hätte seit über einer Stunde im Büro sein müssen, Sonntag hin oder her.
 

1.Dezember 2005- 9:27 am
 

„Willst du?“ ihre Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

„Hm?“ Kritisch beäuge ich die Packung Lebkuchen, mit der sie vor meiner Nase herumwedelt.

„Du hast doch noch gar nicht gefrühstückt.“

„Ich frühstücke nie“, wehre ich kühl ab, schenkte den runden, braunen Dingern in ihrer Hand einen vernichtenden Blick.

„Oh“, bestürzt schaut sie mich an, „das ist aber ungesund.“

Wenn ich nicht genau wüsste, dass das Wheelers kleine Schwester ist, hätte ich sie für Rolands Tochter gehalten.

„Das weiß ich, danke“, gab ich wenig freundlich zurück.

„Umso schlimmer!“ Mein harscher Ton schreckt sie nur kurz ab, dann nimmt sie zwei Lebkuchen, drückt sie mir in die Hand.

Ihre Finger sind warm, genauso wie ihr Lächeln.

„Oder isst du die jetzt nicht, weil ich sie vorher angefasst habe?“

Ist das da ein amüsiertes Grinsen in ihren Mundwinkeln?

Sie macht sich über mich lustig!

Unsympathisches Mädchen!

Eindeutig Wheelers Schwester.

Die Respektlosigkeit muss denen im Blut liegen.

Mein Blick streift den Bruder. Er liegt stumm und teilnahmslos da, wie zuvor, hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem aufgeweckten, lachenden Jungen aus meinem Traum.

Das da ist nur eine leblose Hülle, die nichts interessiert. Auch nicht, dass seine kleine Schwester seinen Erzfeind mit Lebkuchen füttert.
 


 

Nachwort:
 

Kleiner Nachtrag: Mit dem 366 Tagen im Jahr bezieht Seto sich auf ein Schaltjahr, nur falls das unklar gewesen sein sollte. ^^
 

Uff, ich glaube so ein lange Kapitel habe ich in meinem Leben noch nicht geschrieben *Schweiß von der Stirn wisch*.

Ich möchte mich ganz herzlich für die lieben Kommentare bedanken. Die Frage, ob Joey stirbt oder nicht, kann ich euch selbstverständlich noch nicht beantworten *smile*, dann müsstest ihr die FF ja nicht mehr lesen ^^.

Hier ist also unsere dritte Hauptperson, Serenity. Ich warne schon jetzt, es wird Hints zwischen Seto und ihr geben, vielleicht sogar mehr, wem das nicht gefällt, der muss es nicht lesen ^^. Also keine Beschwerden übers Pair *zwinka*.

Joey/Seto bleibt aber trotzdem erhalten, ich bin halt eine Shonen-Ai-Nudel, ich kann es nicht lassen ^^°, ohne geht’s eben doch nicht.

Bis bald

Vorwort:
 

WICHTIG:

Ich bin ein sehr friedfertiger Mensch und höre mir gern fundierte Kritik an, aber Sätze wie „Ich mag Serenitiy nicht, lass Seto nicht mit ihr zusammenkommen“ gehören NICHT dazu und werden schlichtweg ignoriert.

ich wiederhole mich auch gern für all die noch mal, die es beim ersten Mal überlesen haben: Die FF wird Seto/Sren und Seto/Joey Hints und auch mehr enthalten.

Wem das nicht zusagt, der soll es dann einfach NICHT LESEN! Es gibt so viele Seto/Joey Shonen-Ai-FFs, ich selber habe vier geschrieben, da wird es euch nicht schwer fallen, etwas zu finden, das mehr eurem Geschmack entspricht.
 

Bei all denen, die auch was zur Fanfiktion gesagt haben, statt sich nur über das Paar aufzuregen, möchte ich mich herzlich bedanken. Natürlich schreibt man zum Spaß, aber solche Kommentare sind doch das Salz in der Suppe eines jeden Autors.

Vielen Dank!!!

Kuss!

*umarm*
 

Und ja, die Daten haben eine ganz besondere Bedeutung, es ist ein Geheimcode. Wenn ihr alle Uhrzeiten und Daten zusammenzählt und die Quersumme bildet, erhaltet ihr die Wahrscheinlichkeit, mit der Joey wieder aufwacht *lol*.

*wuschel*; nichts für ungut, Zephyr ^^. Ja, ich denke mir schon was bei Datum und Zeit, aber es hat mehr symbolischen Charakter und bedeutet darüber hinaus nicht viel ^^.

*kiss*
 

Disclaimer: Ich verspreche, die meisten Figuren nur geringfügig beschädigt zurückzubringen. Das Lied „Mensch“ gehört Herbert Grönemeyer.
 

Bis bald
 

2. Dezember 2005- 9.01 pm.
 

Ich bin wütend, dass es zur Hölle schreit, und ausnahmsweise einmal nicht deinetwegen… oder doch, auch. Aber dich könnte ich seit den letzten fünf Wochen ununterbrochen um die Ecke bringen, wenn du nicht selbst schon alles daran gesetzt hättest, mir diese Arbeit abzunehmen.

Heute gilt mein Zorn nicht dir.

Wie konnte er, wie konnte er es wagen?

Wäre er über die Jahre hinweg nicht mein engster Vertrauter und beinahe so etwas wie ein Freund geworden, ich würde ihn achtkantig aus meinem Leben schmeißen!

Ja, die Rede ist von Roland.

Ich habe dir ja schon gesagt, dass er sich in letzter Zeit ein bisschen viel herausnimmt.

Seine ständigen Belehrungen über mein gestörtes Schlafverhalten fallen mir auf den Senkel, aber ich erdulde es stumm, schiebe es auf seinen Schock über Mokubas Zustand und vielleicht auch über meinen.

Aber das heute, das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus!

Unruhig gehe ich im Zimmer auf und ab, mein Blick gleitet fahrig durch den Raum, streift deine reglose Gestalt. Du kannst mir auch nicht helfen, ich weiß, doch irgendwie bist du trotzdem der Erste, dem ich davon erzählen muss, wenn auch nur in Gedanken.

Aber vielleicht hörst du sie ja.

Wenn du die Stimmen um dich herum schon nicht wahrnimmst, dann vielleicht meine stummen Verwünschungen, mein Flehen.

Ich sollte zum Punkt kommen, nicht wahr? Bin ja auch gar nicht der Typ, lange um den heißen Brei herumzureden.

Andererseits war ich auch nie der Typ dafür, armselig im Zimmer seines Erzfeindes herumzukriechen und ihn zu beknien, doch bitte so gnädig zu sein, endlich wieder seine neugierigen Glubscher aufzutun, die in jeder Klassenarbeit zu Stielaugen wurden.

Ja, Wheeler, ich habe das mitbekommen, ich war nicht zu dämlich, mein Blatt zur Seite zu legen, um es vor dir in Sicherheit zu bringen, ich habe es nur nicht getan. Du hast auch mit meine Hilfe noch genug Fehler gemacht, um nicht aufzufallen.

Eigentlich traurig, nicht einmal vernünftig abschreiben kannst du, dabei habe ich so eine ordentliche Schrift. Vielleicht hätte ich dir das Blatt einfach rüber reichen sollen, so wie du es penetrant jede Klausur hindurch verlangt hast, bis ich dich gemeldet habe und du rausgeflogen bist.
 

Oh, es ist schon o.k,

es tut gleichmäßig weh

Es ist Sonnenzeit

ohne Plan, ohne Geleit
 

Und der Mensch heißt Mensch

weil er erinnert, weil er kämpft

Und weil er hofft und liebt

weil er mitfühlt und vergibt
 

Und weil er lacht,

und weil er lebt,

Du fehlst...
 

Im Nachhinein tut mir das leid.

Im Nachhinein tut mir so Vieles leid.

Wärst du nicht gerade mir vors Auto gesprungen, wenn wir uns ein bisschen besser verstanden hätten? Wärst du vielleicht vor gar kein Auto gerannt?

Dann könnte ich mein ruhiges, langweiliges, kaltes Leben in Frieden weiterleben und du deines, nicht ganz so ruhig, nicht ganz so langweilig und ganz sicher nicht kalt.

Das, was du jetzt lebst, wenn man das denn so bezeichnen will, ist nicht mehr, als ein jämmerliches Dahinvegetieren, ein paar Knochen, noch weniger Fleisch und eine Wolke aus strubbeligem, matten Haar.

Ich mochte dieses Haar mal, vor einer Ewigkeit, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Natürlich war mir auf den ersten Blick bewusst, dass du bemerkenswert talentfrei und überhaupt ein Idiot bist, aber wer solche Haare hat, der hat auch Rückrat, und das können nicht viele von sich behaupten.

Jetzt hast du gar nichts mehr, außer einem kleinen Mädchen, das heulend vor deinem Bett steht und dir peinliche Kuscheltiere schenkt.

War das dein Traum von der Zukunft, Wheeler?

Wenigstens haben wir etwas gemeinsam, ich habe mir meine nämlich auch anders vorgestellt. Um ehrlich zu sein, war es nicht gerade mein Lebensziel, täglich in deiner zehn Quadratmeter Leichenhalle zu stehen, auch wenn du noch nicht wirklich tot bist, ist alles nur noch eine Frage der Zeit, mir selbst Leid zu tun und jetzt auch noch von meinem engsten Mitarbeiter verraten zu werden.

Ach ja, deshalb war ich eigentlich hier, um mich abzureagieren und weil ich nirgendwo anders hingehen kann, um zur Besinnung zu kommen.

Ich weiß, bei einer Villa wie meiner sollte man erwarten, ich könne es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, aber dem ist nicht so. Wäre Mokuba nicht, würde ich mich komplett in meiner Firma verschanzen.

Wenn du mich hören könntest, würdest du dich vermutlich die ganze Zeit über schon fragen, was mich denn so aufregt, mich, der seine eisige Maske ja mit stoischer Entschlossenheit aufrecht erhält.

Wo soll ich da anfangen?

Vielleicht an dem Punkt, als ich plötzlich im Dunkeln saß, wortwörtlich.

Schlag acht gingen sämtliche Lichter in der KC aus, nicht einmal die Notbeleuchtung funktionierte noch, was mich auch zu der Annahme veranlasste, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Strohmausfall handelte.

Überhaupt lässt sich das ausschließen, denn ohne arrogant zu sein, kann ich wohl behaupten, dass meine Firma inzwischen so autark ist, dass wir uns von so etwas Lächerlichem nicht mehr irritieren lassen.

Da saß ich nun also, perplex, blind und, das muss ich zu meiner Schande gestehen, beunruhigt.

Ich möchte nicht so weit gehen, es Angst zu nennen, denn mit 17 Jahren, als Leiter der größten Spielzeugfirma Japans, mehrfachem Multimillionär, großem Bruder, Meisterduellant, Vaterersatz, leuchtendem Vorbild, Manager- kurz: als Halbgott fürchtet man sich nicht vor der Dunkelheit!

Viel mehr war ich besorgt, dass es überhaupt dunkel um mich herum war, denn das hat für gewöhnlich nur zwei Gründe:

a) meine Firma war, mal wieder, von irgendwelchen durchgeknallten Psychoviren heimgesucht worden und wenn ich nach Hause kam, fand ich dort eine Nachricht, dass man meinen kleinen Bruder entführt hatte und seine Freilassung nur gegen mein Imperium zu bewerkstelligen sei- unschön, aber alles schon mal da gewesen und ich würde damit zurechtkommen, wie ich mit allem zurechtkam

b) und weit weniger angenehm: Meuterei!

Ich muss zugeben, dass ich auf diesem Gebiet weitgehend unbefleckt bin und auch nicht gerade nach Erfahrung schreie. Es gibt einen Grund, warum ich stets nur die fähigsten, loyalsten Mitarbeiter einstelle und wenn meine Vermutung stimmt, hat der loyalste von allen sich gerade gegen mich gestellt, denn es gibt nur drei Menschen, die das zehnstellige Passwort für die interne Stromversorgung kennen: mich, Mokuba und Roland.

Spätestens, als ich mit einer Taschenlampe bewaffnet wie ein gewöhnlicher Einbrecher durch meine eigene Firma schleichen musste, stand für mich fest, dass ich ihn geteert und gefedert rausschmeißen würde!

Und diesmal stehe ich nicht wieder zerknirscht und mit einem Scheck in Millionenhöhe vor seiner Tür, damit er zurückkommt!

Meine Entschuldigung nimmt er an, den Scheck nie.

Der landete mit einer Unzahl an Bittstellungen im Schredder.

Der Rest ist schnell erzählt, ich bin hier her, denn was soll ich um die Uhrzeit zuhause?

Mokuba würde nur einen unnötigen Schock erleiden, wenn ich jetzt bei ihm aufkreuze.

So stehe ich mal wieder an meinem Stammplatz, das Gesicht von dir ab und auf die Straße gewandt. Wie voll Domino City abends noch ist. Wenn ich die Firma verlasse, ich meist kein Mensch mehr zu sehen.
 

3. Dezember 2005- 8.24 pm.
 

Habe Roland achtkantig aus meinem Haus geworfen.

Musste auf das Teeren aus Gründen der Menschenrechtsbestimmungen leider verzichten.
 

5. Dezember 2005-9.04 pm.
 

Scheck zerschreddert.
 

6. Dezember 2005-8.56 pm.
 

Er weigert sich mit einer Beharrlichkeit, die er nur von mir haben kann, das Passwort wieder zu ändern.

Selbstverständlich ist es für ein Genie wie mich kein Problem, es trotzdem zu tun, doch auch ein Genie braucht seine Zeit, denn ich muss das alte nun entschlüsseln.

Und bis ich das getan habe, beginnt mein Tag nicht vor sieben Uhr und endet pünktlich um acht.

Ich weiß, dass Roland möchte, dass ich meine freie Zeit, von der ich übrigens noch nie so viel hatte, dazu nutze, mich mit Mokuba zu beschäftigen oder zu schlafen, doch allein deshalb kann ich es schon nicht tun.

Es war erniedrigend genug, bei ihm daheim aufzutauchen und nicht die kleinste Spur von Überraschung in seinem Gesicht zu entdecken.

Ganz im Gegenteil, er war die personifizierte Gelassenheit und zu meinem übergroßen Ärger roch ich Kaffee und konnte den Fernseher im Hintergrund laufen hören. Er machte nicht den Eindruck, als habe er verzweifelt Bewerbungen geschrieben.

„Wollen Sie vielleicht reinkommen, Herr Kaiba?“

„Nein“, gab ich nicht halb so freundlich wie er zurück, „ich erwarte dich morgen früh zurück.“

„Selbstverständlich“, entgegnete er ruhig, ließ sich von meiner offensichtlichen Feindseligkeit nicht beeindrucken. Vermutlich muss man mit einer sehr dicken Haut gesegnet sein, wenn man mich zum Chef hat. „Kaffee, Herr Kaiba?“

Finster starrte ich ihn an.

„Ein weiteres Wort und ich entlasse dich gleich noch einmal!“ und damit machte ich auf dem Absatz kehrt und rauschte davon.

Das hat alles erst angefangen, nachdem du dich unbedingt vor mein Auto schmeißen musstest! Warum machst du es nicht wie jeder anständige Selbstmörder und schneidest dir die Pulsadern auf.

Oder hopst von der nächsten Brücke.

Oder weiß der Fuchs was, ich habe mich mit diesem Gedanken noch nicht so intensiv auseinander gesetzt.

Und du hast das vermutlich auch nicht getan, so wie du generell erst handelst, bevor du denkst.

Auf jeden Fall ist es allein deine Schuld, dass mein Angestellter mir in den Rücken fällt. Es ist deine Schuld, dass ich nachts nicht schlafen gehe, dass ich mich nicht konzentrieren kann, weil ich die ganze Zeit an dich denken muss und wie sehr ich dich doch hasse.

Und, dass ich dir früher vielleicht Unrecht getan habe, als ich dich zweitklassig und dumm nannte.

Vielleicht!

Mit einem schweren Seufzen sinke ich auf den Plastikstuhl neben deinem Bett. Er ist genauso unbequem und hart wie am ersten Tag, doch inzwischen macht mir das nichts mehr aus. Möglicherweise passt mein Hintern sich dem Ding an.

Oder ich werde, chronisch übermüdet und mehr schlafend als wachend, resistent gegen Schmerz.

Körperlichen wohlgemerkt, denn mein Inneres schreit und tobt noch genauso laut, wie vor fünf Wochen.

Mein Gott, so lange ist das nun schon her, ich kann es gar nicht richtig glauben, aber so etwas ist wohl auch schlichtweg unbegreiflich.

Auf der anderen Seite kommt es mir wie eine Ewigkeit vor. Ich kann mich an das beschauliche, stille Leben, das ich vor dir geführt habe, schon gar nicht mehr erinnern.

Aber ich war glücklich- glaube ich.

Ich schaue dir ins Gesicht, das seit Wochen immer nur denselben, dämlichen Ausdruck zeigt. Inzwischen wäre ich bereit, 1% meines Imperiums für eines deiner strahlenden, ungenierten Lachen zu geben.

Einfach, weil ich es nicht mehr ertrage, deine sauertöpfische, gequälte Miene zu sehen.

Plötzlich heben sich deine Mundwinkel zu einem grotesken Grinsen, das eine Reihe weißer, gerader Zähne freigibt.

„So sieht er fast wieder aus wie früher, oder?“

Ich fahre zusammen, springe halb auf und stoße gegen einen weichen, warmen Widerstand, was mich dazu bringt, zurück auf meinen Platz zu fallen und deinen Angreifer einige Meter fortscheucht.

Eigentlich ist es eine Angreiferin und sie sieht nicht weniger erschrocken aus, als ich.

Ich hasse es, wenn mir die Gesichtszüge entgleisen. Deshalb hasse ich auch Überraschungen, ich kann sie auf den Tod nicht ausstehen und Mokubas „Sweet Sixteen Surprise Party“ war deshalb auch ein voller Reinfall.

Habe die Polizei gerufen und all die fremden Menschen in meiner Villa wegschaffen lassen.

Am nächsten Tag stellte sich unglücklicher Weise heraus, dass es sich nicht um Kriminelle sondern um Mitarbeiter handelte.

Mein Geburtstag war da jedoch schon lange gelaufen und Mokuba den Tränen nahe.

Aber zurück ins Hier und Jetzt, da steht nämlich deine Schwester, eine Hand entsetzt gegen die Brust gepresst und reichlich verstört.

So fühle ich mich auch.

„Was… was … Was?!“ stammle ich wütend und fassungslos zugleich. Adrenalin rauscht durch meine Adern und mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

Ihres ist ihr offensichtlich in die Hose gerutscht, denn sie antwortet gar nicht erst, starrt mich nur weiter aus weit aufgerissenen Augen an.

Meine heftige Reaktion hat sie wohl ebenso erschreckt, wie mich ihr plötzliches Auftreten.

Sekunden vergehen, in denen sich keiner von uns rührt, dann lässt sie schließlich die Hand sinken, entkrampft die Finger, zwischen denen es verdächtig pink aufblitzt.

Ein neues Stofftier für deine Sammlung.

Unweigerlich frage ich mich, was es wohl diesmal ist, ein Ameisenbär vielleicht.

Ein Igel- wie herrlich originell.

Behutsam stellt sie ihn zu den anderen Stofftieren auf den piependen Kasten, der deine Herzfrequenz anzeigt.

Sie geht nicht hoch.

Wheeler, du Ochse, freu dich wenigstens, wenn sie dir ein Geschenk macht, wenn auch ein zugegebener Maßen ziemlich hässliches.

„Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Unsicher und verzeihungsheischend lächelt sie mich an.

„Hmpf“, mache ich mürrisch, will aufstehen, doch sie macht eine hilflose, kleine Geste, als würde sie mich zurückhalten wollen, sich aber nicht so recht trauen.

„Ich… ehrm“, sie ringt mit den Worten, während sie an mir vorbei zu deinem Kopfende tritt, „ich wollte dich wirklich nicht erschrecken, du sahst nur so… traurig aus?“

Vorsichtig linst sie zu mir hinüber, als erwarte sie im nächsten Moment von mir zusammengefahren zu werden.

Ich hole Luft, da plappert sie hastig weiter, nicht gewillt, mich zu Wort kommen zu lassen.

„Weißt du, manchmal kann ich sein Gesicht so nicht ertragen, dann mache ich das. Natürlich lacht er schöner, aber ein bisschen sieht es doch so aus, oder?“

Mit einer ungemein liebevollen Geste streicht sie dir durchs Haar.

Und du freust dich immer noch nicht.

Wheeler, was bist du nur für ein Esel?

Da steht deine kleine Schwester an deinem Bett und macht sich wirklich Sorgen um dich und du? Du liegst faul in der Gegend rum und machst ein Gesicht, als wäre jemand gestorben.

… unpassender Gedankengang.

Ich sollte in der Verbindung mit deiner Person nicht an den Tod denken, am Ende kommt er wirklich, bevor du Gelegenheit hattest, dich bei mir zu entschuldigen.

Und bei ihr.

Serenity ist nach mir wohl die erste Person, die eine verdient hat, denn sie kümmert sich wirklich aufopferungsvoll um dich.

„Ganz schön blöd, hm?“

Ihre Augen suchen scheu die meinen.

Stumm schüttle ich den Kopf.

Nein, ganz und gar nicht blöd. Um Ehrlich zu sein, hätte ich früher oder später an etwas Ähnliches gedacht.

Natürlich bin ich für solche Kindereien viel zu erwachsen und vernünftig, aber wenn nicht der seriöse Unternehmer wäre, der ich bin- wer weiß.

„Nicht?“ erleichtert atmet sie aus, ihr Lächeln wird ein wenig breiter, strahlender und sie erinnert mich ein bisschen an dich.

Ihr habt dasselbe Sonnenscheingehabe und wenn der Himmel herunterfällt, ihr würdet lachen.

„Du bist oft hier, nicht wahr?“

Noch eine Gemeinsamkeit, ihr stellt beide am laufenden Band Fragen.

Kritisch rutscht meine linke Braue in die Höhe.

Hat sie mich etwa beobachtet?

Als könne sie Gedanken lesen, fügt sie hastig hinzu: „Die Schwestern haben es mir gesagt.“

„Du hast sie nach mir gefragt?“

Ertappt wendet sie den Blick ab, betrachtet deine Haare, als hätte sie in ihrem Leben nichts derartig Schönes gesehen.

„Na ja… kann schon sein.“

Trotzig reckt sie das Kinn, schaut mir jedoch nicht in die Augen.

Sie ist wirklich deine Schwester, Wheeler.

„Ja, bin ich.“

Überrascht kehren ihre Augen zu mir zurück, anscheinend hat sie nicht mehr mit einer Antwort gerechnet.

Na ja, wer nur von dir umgeben ist, vergisst wohl mit der Zeit, dass andere Leute auch Manieren haben können.

Aber ich weiß schon noch, was sich gehört.

„Schön“, sie klingt so sanft und aufrichtig, dass man beinahe auf die Idee kommen könnte, sie meint das ernst.

Doch was sollte meine Gesellschaft deiner Schwester bedeuten?

„Ich glaube, er freut sich darüber“, ihre Finger beginnen mit deinen langen Loden zu spielen, während sie sich neben dich setzt.

So nah.

Ich hätte Angst, so dicht bei dir zu sein, am Ende mache ich noch irgendwas kaputt und weitere Beschädigungen würdest du wohl nicht mehr überleben.

Das ist ohnehin fraglich genug.

Ich gehe einfach davon aus, dass du die Augen wieder aufmachst, denn ich bin zu stur, um dich gehen zu lassen. Nicht, bevor wir nicht noch mal ein ernstes Wörtchen miteinander gewechselt haben.

Nicht, bevor du deine Schwester noch mal angelächelt hast, so dass sie nicht mehr gezwungen ist, deine Mundwinkel nach oben zu ziehen, damit du nicht mehr so depressiv dreinschaust.

„Meinst du, er findet sie schön?“

Sie zeigt auf die Stofftiere.

Ich ringe einen Moment mit mir. Von Natur aus bin ich lieber brutal ehrlich, als zurückhaltend falsch, aber harte Worte sind hier wohl fehl am Platz.

„Humm…“, meine Zunge will nicht so ganz wie ich, „…eherm“, ich räuspere mich, um ein wenig Zeit zu gewinnen.

Wie sagt man einem Mädchen, dass man ihre Geschenke für das Grauenvollste hält, was man seit Langem gesehen hat?

Ich bin nicht so gut im Umgang mit Menschen, aber als wäre das nicht schon schlimm genug, ist sie auch noch eine Frau- fast.

Und deine Schwester.

Schließlich entscheide ich mich für das Einfachste: eine glatte Lüge.

„Ganz bestimmt.“

Angeblich ist es ja die Geste, die zählt und der materielle Wert nebensächlich. Es wird niemanden überraschen, dass ich diese schwachsinnige Auffassung nicht unterstützen kann.

Ein Leuchten geht durch ihre Augen, die irrsinnig liebevoll auf dem Igel liegen.

„Ich dachte, weil heute doch Nikolaus ist…“

Siedendheiß geht mir der Grund auf, warum Mokuba mich heute Morgen so vorwurfsvoll angeschaut hat!

Ach verdammt, er weiß doch, dass ich mir neben seinem Geburtstag keinen anderen Feiertag merken kann, nicht einmal meinen eigenen. Und was will er überhaupt?

Selbst wenn ich ihm irgendwelche Süßigkeiten in seine blank geputzten Schuhe (ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich schon ein wenig darüber gewundert habe, als er mit Schuhcreme bewaffnet in unserem Flur saß und seine Treter selbst geschrubbt hat) gestopft hätte, würde er sie ja doch nicht anrühren.

Er ist nicht viel mehr, als ein Strich in der Landschaft.

Lange werde ich das nicht mehr ignorieren können, ich…

Sie wendet sich wieder mir zu und ein sanftes, aber eindeutig spöttisches Lächeln versteckt sich in ihren Mundwinkeln.

„Danke, auch wenn du es nicht so meinst.“

Ich habe nie behauptet, ein guter Lügner zu sein.

Bisher hatte ich so was auch nicht nötig.

Trotzdem ist es mir unangenehm, dabei ertappt zu werden.

„Ich muss jetzt los.“

Energisch schiebe ich den Stuhl zurück, richte meinen Mantel und wende mich ab, um zur Tür zu gehen. Ihr betretener Blick bleibt mir dennoch nicht verborgen und ich glaube, ein leises: „Schade.“ zu vernehmen.

Irritiert runzle ich die Brauen. Dieses Mädchen verwirrt mich. Warum ist sie so verdammt freundlich zu mir, wo sie doch weiß, dass ihr Bruder und ich uns nie leiden konnten.

Warum will sie, dass ich bleibe?

„Bis bald?“ ruft sie mir wieder gewohnt heiter hinterher, als ich die Tür hinter mir schließe.
 

17.12.2005- 8.13 pm.
 

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich dabei ertappt habe, auf sie zu warten. Eigentlich ist das sehr lächerlich, denn was bedeutet schon ein „bis bald“?

Im Grunde gar nichts. Bis bald ist eine Abschiedsfloskel wie Aufwidersehen und bedeutet keineswegs, dass man den anderen wirklich wieder sehen wird.

Oder dass man sie bald trifft.

Dennoch kann ich nicht verhindern, in den nächsten Tagen aufmerksamer an deinem Bett zu sitzen, wobei mein Blick immer wieder zur Tür schweift.

Was erwarte ich?

Dass sie hereinkommt, dieses unerschütterlich freundliche Lächeln auf den Lippen und ein neues Stofftier in der Hand, das die anderen an Scheußlichkeit noch übertrifft?

Sollte das wirklich passieren, bin ich besser darauf vorbereitet, denn dieses Mal kann ich im Brustton der Überzeugung sagen, dass ich es wunderschön finde und sei es ein gelbgefleckter Pinguin.

Habe geübt!

Bin jetzt, hoffe ich, ein besserer Lügner.
 

19.12. 2005- 9.02 pm.
 

Ich mache mich lächerlich.

Zu meiner eigenen Überraschung kann ich das erstaunlich gelassen hinnehmen.

Vielleicht, weil ich der Einzige bin, der das weiß.

Bin mit dem Passwort inzwischen ein gutes Stück weitergekommen.

Roland wird toben- mein Triumph!

Sobald meine Stromversorgung wieder mir gehört, behalte ich den Code für mich. Gleichberechtigung, insbesondere die von Angestellten, bringt eben doch nur Nachteile.

Ich hab’s ja geahnt!
 

21.12.2005-8.11 pm.
 

Sie hat mich verarscht.

Oder besser, ich habe mich verarschen lassen.

Über zwei Wochen sind seit unserem letzten Treffen vergangen. Idiotischer Weise kann ich immer noch nicht aufhören, an ein Widersehen zu denken.

War sogar schon kurz davor, jemanden damit zu beauftragen, ihre Nummer herauszubekommen.

Ich bezweifle stark, dass ich mir die Blöße geben würde, sie dann tatsächlich anzurufen, aber es wäre ein gutes Gefühl, zu wissen, dass ich es könnte, wenn ich wollte.

Es würde mich aus dieser Passivität herausholen.

Denn so, wie es im Moment aussieht, kann ich nur brav hier sitzen, einen reichlich verzweifelten Eindruck machen und darauf warten, dass wir wieder einmal zufällig zur gleichen Zeit hier sind.

Anscheinend bin ich schon zu lange deiner Gesellschaft ausgesetzt, Wheeler, benehme mich inzwischen selbst wie ein treudoofer Köter.
 

24.12.2005-10.31 pm.
 

Frohe Weihnachten, Versager!

Das war das wohl schrecklichste „Fest der Liebe“, das ich jemals hatte, nicht einmal Mokuba konnte sich über den gigantischen Weihnachtsbaum in unserem Wohnzimmer freuen.

Er hat ihn nicht einmal ausgesucht- ein Privileg, das er sich sonst nicht für Geld nehmen ließe.

Mein Bruder nimmt nämlich nie die großen, gesunden Tannen, wie es jeder Normaldenkende tun würde.

Nicht, dass ich an der Intelligenz meines Bruders zweifeln möchte, immerhin ist er mein Bruder, da muss er überdurchschnittlich clever sein, aber wenn es um Feste geht, dreht er ganz gern mal ab.

So sucht er konsequent das hässlichste, zerrupfteste Ding auf dem ganzen Markt aus, von dem man sicher sein kann, dass es auch wirklich niemand mehr haben möchte.

Weil sie ihm „leid tun“.

Ich habe mir schon den Mund fusselig geredet, vergebens.

Und am Ende ist es ja sein Fest, ich habe für Weihnachten genauso viel übrig, wie für meinen Geburtstag: gar nichts.

Dieses Jahr ist alles anders.

So wie ich mich seinerzeit erschrocken habe, als dieses zerfledderte Ding da auf meinen teueren Perser nadelte, so war ich diesmal entsetzte, einen vernünftigen Baum vorzufinden.

Vielleicht hat diese Zweimeter-Blautanne mir erst richtig vor Augen geführt, welches Ausmaß unsere Probleme eigentlich angenommen haben.

Wieder beziehe ich meinen Stammplatz am Fenster, schaue auf die regennassen Straßen hinaus.

Die meisten Leute wünschen sich Schnee zu Weihnachten, aber dieses schmutzige Dunkelgrau, der eiskalte Nieselregen, der schon den ganzen Tag über jeden Gang vor die Tür zu einem Martyrium machte, passt viel besser zu meiner schlechten Laune.

Ich bin sauer.

Auf dich, weil du inzwischen zum Fixpunkt all meiner Probleme geworden bist.

Auf deine Schwester, weil sie mich mit einem halben Versprechen stehen lässt, um danach im Erdboden zu verschwinden.

Auf Mokuba, weil er sich vehement weigert, Nahrung zu sich zu nehmen.

Und zu guter Letzt auf Roland; noch ein mitleidiger Blick und ich verbanne ihn aus meinem Haus.

Die ganze Welt hat sich gegen mich verschworen.

… jetzt tue ich mir schon wieder selbst Leid.

Scheiß Leben!

Vielleicht hast du es ja doch richtig gemacht, Wheeler, vielleicht war das eine gute Idee.

Nur, musste es denn wirklich mein Auto sein?

In diesem Moment geht die Tür auf.

Lahm wende ich den Kopf.

Jemand vom Personal, der nach dir schauen will?

„Frohe Weihnachten, Kaiba.“

Das glaube ich jetzt nicht.

Nach all den Tagen hat die Frau wirklich noch die Nerven, mich mit „Frohe Weihnachten, Kaiba“ zu begrüßen, wo ein Kniefall und eine einstündige Entschuldigung doch wohl das Mindeste wären.

Zu meinem Ärger scheint sie noch nicht einmal überrascht zu sein, mich hier zu finden, als hätte sie geahnt, dass ich jeden Tag artig neben ihrer Halbleiche von einem Bruder stehe und darauf warte, dass „bis bald“ eintritt.

Ich bin sauer und ich verspüre das unbezwingbare Bedürfnis, an ihr all den Frust abzulassen, den sie ja schließlich mitverschuldet hat.

„Dir auch“, höre ich meinen Mund stattdessen sagen und könnte mich ohrfeigen.

So wenig Courage sollte bestraft werden!

Doch jetzt, wo sie wieder hier ist, sich vorsichtig durch die Tür schiebt, als wolle sie einen Schlafenden nicht aufwecken, vergeht mir schlagartig alle Lust, sie nieder zu reden.

Nun bin ich auf mich sauer.

Keine besonders positive Entwicklung.

„Danke“, lächelnd schließt sie die Tür hinter sich, kommt auf mich zu.

Ich lasse sie nicht aus den Augen und habe plötzlich das Bedürfnis, zurückzuweichen, doch da ist es schon zu spät.

Arme breiten sich aus, ziehen mich zu sich herunter.

Sie ist über einen Kopf kleiner und vermutlich vierzig Pfund leichter als ich und doch bin ich es, der sich von ihr ziehen lässt.

Ihre Umarmung ist sanft, aber fest, ihre Arme liegen in meinem Nacken und ich kann ihre Fingerspitzen in meinem Haar spüren.

Es scheint mir angebracht, jetzt etwas zu sagen.

„…“

Leider will mir absolut nichts einfallen. Mein Mund ist trocken, mein Kopf seltsam leer und mein Körper schwer wie Blei. So stehe ich also vorgebeugt, den Blick starr auf den billigen Nachdruck von Renoirs „Rosen und Jasmin“ geheftet, in einem zehn Quadratmeter Krankenzimmer mit dem komatösen Bruder des Mädchens, das mich soeben in den Armen hält.

Das ist das erste Mal, dass mich ein Mädchen umarmt… das ist das erste Mal, dass mich überhaupt jemand anderes als Mokuba umarmt.

„Ich wollte noch Danke sagen“, ihr Atem streift meine Wange. Sie riecht süßlich, nach Kirsche vielleicht. Wie einer dieser künstlichen Kaugummis, mit denen die Erstklässer riesengroße Blasen machen, bis sie ihnen über das ganze Gesicht zerplatzen.

„Wo“, ich muss mich räuspern, „… wofür?“ meine eigene Stimme klingt selbst in meinen Ohren sehr fremd.

Sie zieht sich zurück, so dass ich mich wieder aufrichten kann.

„Für das hier, für alles. Und dass du Joey immer besuchst.“

Sie lächelt, doch dieses Mal wirkt es verlegen. Wäre es anmaßend zu sagen, dass sie um die Nasenspitze ein wenig röter als sonst ist?

Meinetwegen?

„Hm“, mehr fällt mir dazu nicht ein.

Sie tritt einen Schritt in den Raum hinein, musterte mich sanft und wendet sich dann ihrem Bruder zu.

In der Linken hält sie ein in mit knallroten Weihnachtsmännern und grünen Mistelzweigen bedrucktes Papier eingewickeltes Geschenk.

Ein Weihnachtsgeschenk für einen Halbtoten… und ich dachte, mein Heiligabend sei traurig.

„Frohe Weihnachten, Joseph.“

Sie streicht sanft über die Decke an deinem Fußende.

Im nächsten Moment streckt sie mir ihre Hand entgegen, das heißt, nicht direkt ihre Hand, sondern Hand und Geschenk.

Verständnislos schaue ich sie an.

„Für dich.“
 

Nachwort:

*ächz*

*stöhn*

Nach zehn Seiten fällt mir da nicht mehr viel ein. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ich würde mich freuen, wenn ihr mir eure Meinung dalasst ^^.

yours, Azra

Diamant

Vorwort: Viel gibt’s nicht zu sagen ^^°. Das Kappi hat mich viel Kraft und Zeit gekostet und es ist so hei~ß *schmelz*, also das Wetter, nicht der Inhalt ^^°.

Ich hoffe, ihr habt alle einen Ventilator oder ein fettes Eis bei euch am Computer!

Vielen Dank, für eure lieben Worte!!

Und ich freue mich über jeden, der sich der viel zu kleinen Runde der Silentshipper (Seto/Serenity) anschließt *knuffz*!
 

24.12.2005- 11.47 pm.
 

„Für mich?“ wiederhole ich, starre verständnislos auf das Päckchen. Zugegeben, ich habe gerade nicht einen meiner intelligentesten Momente, aber… was soll das?

„Ja, zu Weihnachten“, erklärt sie geduldig, auch wenn mein Zögern sie zu verwirren scheint. Dann tritt wieder dieser entsetzlich mitleidige Ausdruck in ihre Augen. „Hast du etwa noch nie ein Weihnachtsgeschenk bekommen?“

„Doch.“

Tonnenweise sogar.

Gratispackungen von Shampoos, Deodorants, französischem Käse (ich hasse Käse), belgischer Schokolade, Sushi in allen Variationen, Lebkuchen, Duftkerzen, Zündhölzchen, mundgeblasenen Christbaumkugeln, Kamelhaarbadeläufern, (welcher normale Mann mit Fußbodenheizung legt sich etwas derartig Hässliches schon freiwillig auf seinen Marmorboden? Bitte!), Kugelschreiber, die bis auf Kaffeekochen, also das Einzige, für das ich Verwendung hätte, so ziemlich alles können und nicht zu vergessen die Monsterfamilienpackung Mister Crisp’s Vanilleflocken, die man mir für Mokuba schickt, seit er den unverzeihlichen Fehler gemacht hat, sich vor laufender Kamera für diesen Schund zu begeistern.

Seitdem bin ich vor dem Zeug nicht mehr sicher.

Doch, ich bekomme Geschenke.

Einen ganzen Haufen davon.

Lauter kleine Aufmerksamkeiten von irgendwelchen Firmen, die hoffen, dass ich für sie Werbung mache, sie vermarkte oder sonst wie finanziell unterstütze.

Nicht zu vergessen all die kleinen Schleimereien vom Vorstand und diverser Mitarbeiter, die auf eine Beförderung warten.

In meinem Haus stapeln sich die kubanischen Zigarren neben einer ganzen Kiste voller vergoldeter Manschettenknöpfe, perlenbestickter Krawatten, diamantener Anstecknadeln, Platin überzogener Uhren… hallo?

Hat mich irgendein Mensch schon einmal etwas anderes als Mokubas Bild tragen sehen?

Seit Jahren renne ich in ein und demselben Mantel herum, trage grundsätzlich nur schwarze Rollkragenpullis und immer dieselbe Schuhmarke.

Ich habe einfach nicht genug Zeit, um sie mit so etwas Überflüssigem wie Accessoires zu verschwenden! Außerdem halte ich nichts von Männern, die wie ein wandelnder Christbaum aussehen.

Schmuck und Kosmetik ist Frauensache!

Da sollten wir die Finger von lassen.

Man sieht ja an Yugi, was dabei herauskommt, wenn sich ein Kerl mit Haartönungen und Halsbändern herumschlägt: ein latent sadomasochistischer Seeigel.

Wie gesagt, ich erhalte bergeweise Präsente, aber ihnen allen fehlt der Sinn eines Geschenks. Man gibt mir diese Sachen nicht, weil ich so ein schrecklich netter Mensch bin, sondern weil man sich meine Unterstützung erhofft.

Wie du mir, so ich dir.

Aber daraus wird nichts. Seit Jahren ignoriere ich diesen Kram, verkaufe ihn meist weiter und vergrößere Mokubas Erbe damit.

Aber irgendwie begreifen es diese Leute nicht und schicken mir immer wieder solchen Müll.

Hat die Welt nicht genug Bedürftige, an die sie ihren Dreck verteilen können?

Muss es immer mein armes Haus sein, das sich vor „Happy X-Mas“-Karten nicht retten kann?

Versteht ihr jetzt, warum ich Weihnachten verabscheue?

„Willst du es denn nicht aufmachen?“ ihre enttäuschte Stimme reißt mich ins Hier und Jetzt zurück.

Kein Wunder, dass sie so unglücklich dreinschaut. Für sie muss es ausgesehen haben, als starre ich das Päckchen die ganze Zeit voller Ekel an.

Sie kann ja nicht wissen, dass meine finsteren Gedanken allem, nur ganz sicher nicht ihr gelten.

„Doch, doch“, hastig mache ich mich daran, die Schleife zu lösen, „natürlich.“

Unter Rascheln und Knistern lege ich ein Stück Stoff frei.

Weiß-blau, mit Fransen am Ende.

„Das ist äh…. ein sehr hübsches Stück Stoff.“

„Stoff?“

Deine Schwester sieht mich erst irritiert, dann irgendwie mitleidig an und dann bricht sie in Gelächter aus.

Ich werde das ungute Gefühl nicht los, dass sie sich über mich lustig macht.

Obwohl das natürlich vollkommen unmöglich ist.

„Kaiba, das ist ein Schal!“

„Das weiß ich auch“, gebe ich angesäuert zurück und entfalte das Ding zu seiner vollen Länge.

Und es ist lang!

Ja, so ausgestreckt hat es tatsächlich verdächtige Ähnlichkeit mit einem dieser Teile, die die Schüler immer wie die Verrückten einhundert Mal um ihre Schwanenhälse schlingen, wenn sie mal kurz rausgehen, und das so dazu animiert, sie ein bisschen zu strangulieren.

„Ist der….“, setze ich vorsichtig an, doch sie kommt mir zuvor.

„Selbstgekauft, ja.“

„Oh“, irgendwie bin ich erleichtert. Denn wenn sie ihn gemacht hätte… ich weiß nicht, so viel Mühe wäre mir nicht recht gewesen.

Dann hätte ich das Gefühl gehabt, ihr auch irgendwas schenken zu müssen.

Ob sie sich über eine Rolex freuen würde?

Ich hab da noch ein paar in meiner Abstellkammer, vielleicht gefällt ihr ja eine.

„Ähm, Dankeschön.“

„Gern geschehen. Gefällt er dir?“

Mein Kopf fliegt hoch, herausfordern funkle ich sie an. Endlich komme ich dazu, ihr meine neuen Lügenfähigkeiten vorzuführen.

„Es ist der mit Abstand wundervollste Schal, den ich je gesehen habe!“ antworte ich enthusiastisch und löse damit einen erneuten Lachanfall aus.

Irgendwas mache ich anscheinend falsch.

„Du kannst mir wirklich sagen, wenn er dir nicht gefällt.“

“Doch, doch!“

Aber muss ich ihn tragen?

Ich trage keine Schals, das ist… unmännlich. So ein bisschen Kälte macht einem Kaiba doch nichts aus!

Am Ende tausche ich meinen heißgeliebten Mantel noch gegen eine Daunenjacke ein- soweit kommt’s noch!

„Ehrlich?“

Sie tritt einen zögernden Schritt auf mich zu, verknoten ihre Finger ganz merkwürdig in einander und plötzlich fühle ich mich wieder so… befangen.

„Ja.“

Sie lächelt und das ist nun wirklich das mit Abstand wundervollste Lächeln, das ich je sehen habe.

Doch diesmal behalte ich es für mich.

Einen Moment lang stehen wir uns schweigend gegenüber und ich will mir schon Sorgen machen, ob sie noch irgendetwas anderes, als meinen Dank erwartet hat, da bricht sie die peinliche Stille zwischen uns.

„Und sonst so?“

„Was?“

„Na, Weihnachten“, es ist ihr deutlich anzusehen, dass sie mit mir auch übers Wetter reden würde. Sie redet nur, um zu reden.

Das erinnert mich doch sehr an dich, Wheeler.

„Was machst du gerade so?“

„Ich habe eine große Tanne.“

Sie blinzelt verwirrt.

„Als Weihnachtsbaum.“

„Aha.“

„Ja.“

„Gut.“

Betretendes Schweigen.

Nervös stranguliere ich ihr Geschenk. „Das ist eine Katastrophe“, platzt es schließlich aus mir heraus.

Ich habe das dringende Bedürfnis, jemandem davon zu erzählen. Jemandem, der mir auch Antwort gibt.

Irritiert rutschen ihre Augenbrauen in die Höhe.

„Die Tanne jetzt?“

„Ja.“

„Oh“, sie verzieht leicht das Gesicht, bemüht sich wohl um einen teilnehmenden Ausdruck und Verständnis für meine Situation, obwohl sie ganz offensichtlich keine Ahnung hat, „das ist schlimm“, bestätigt sie schließlich mit Grabesstimme. „Warum schmeißt du sie nicht einfach weg?“

„Ich soll den Weihnachtsbaum wegschmeißen?“ ächze ich entsetzt. Mokuba würde mich rösten!

„Na, wenn er dich so stört“, erwidert Serenity vorsichtig.

„Das geht nicht!“

Hastig schüttelt sie den Kopf.

„Natürlich nicht! War eine dumme Idee, verzeih.“

Wieder betretenes Schweigen, schließlich ringe ich mich zu einem: „Und du so?“ durch.

Es ist peinlich und Smalltalk war noch nie meine Stärke.

Ich halte nicht viel davon, um den heißen Brei herumzureden.

Leider weiß ich im Moment nicht, worauf ich hinaus will. Es wäre alles so viel leichter, wenn sie eine Geschäftspartnerin wäre.

Aber sie ist einfach nur ein Mädchen, ein ganz normales Mädchen… na gut, vielleicht nicht ganz normal, denn sie ist die Schwester des Jungen, von dem alle glauben, dass ich mir mit Absicht meine Stoßstange an ihm ruiniert habe.

So ein Blödsinn!

Ich liebe mein Auto!

Und… und du hast nicht genug gestört, um den Aufwand eines Mordes zu rechtfertigen. Lästig, aber eben nicht lästig genug und das ist das Nahste an Freundschaft, das du je von mir bekommen wirst, hörst du, Wheeler?

Du kannst jetzt aufwachen, mehr ist nicht drin. Bin schließlich kein Weihnachtsengel und mit Gefühlen habe ich es eh nicht so, da muss ich mir die paar, die ich erübrigen kann, gut aufsparen.

Für Mokuba beispielsweise, oder…

Beinahe gegen meinen Willen zieht es meinen Blick zurück zu ihr. Sie erwidert ihn offen und freundlich.

Irritierend dieses Mädchen.

So… voller Hoffnung, unerschütterlich optimistisch und ich weiß nicht, ob ich sie bedauern oder beneiden soll.

„Also…“, sie hebt irgendwie hilflos die Arme, lässt sie wieder an die Seiten flappen, „ich muss jetzt nach Hause, Mum macht sich bestimmt schon Sorgen.“

Nein!

Sie soll nicht gehen!

Ich weiß auch nicht, warum, aber sie soll nicht, sie darf nicht.

Nicht schon wieder, wer weiß, wann ich sie wieder sehe.

„Bis bald, Kaiba.“

Argh!

Nicht schon wieder diese zwei verhassten Wörtchen!

Bis bald, das kann alles Mögliche heißen, auf jeden Fall ist es bei ihr nicht „bald“!

Im Nachhinein will ich gar nicht mehr wissen, was mich eigentlich geritten hat, aber ich bin froh darüber.

Meine Linke schießt vor, fasst sie am Unterarm, ein wenig harsch vielleicht.

„Komm zu meinem Neujahrsduell.“

Es ist mehr ein Befehl, als eine Bitte.

Schweigen.

Schon wieder!

Wir starren uns an, sie verblüfft, ich entsetzt. Aber jetzt sind die Worte raus.

Zack!

Einfach so.

Bedeutungsschwer hängen sie in der abgestandenen Luft deines kleinen Zimmers und mit jeder Sekunde, die sie still ins Leere ziehen lässt, komme ich mir ein wenig blöder, ein bisschen ungeschickter vor.

Und ich hasse dieses Gefühl, das mir bis dato so fremd war.

Bis du dich vor meinen Wagen geworfen hast, bis sie in deine kleine Sterbezelle gestolpert ist und mir ihren elendig süßen Kakao unter die Nase gehalten hat.

,Komm zu meinem Neujahrsduell’, seit wann lade ich da Gäste ein, die nicht irgendwie repräsentativ oder finanziell wichtig für mich sind?

Seit wann ist es überhaupt mein Duell?

Bisher lief das alles über die Kaiba Corp., indirekt auch über Roland, aber ganz sicher wäre ich früher nicht einmal auf die Idee gekommen, mich damit zu identifizieren. Eine laute, gestelzte Versammlung von traurigen, aber reichen Gestalten.

Teuer und oberflächlich, kurz: grauenhaft, aber gut für’s Image.

Vielleicht hätte ich meine Einladung, so es denn eine ist, ein wenig freundlicher formulieren sollen, im Konjunktiv („Würdest du zu meinem Neujahrsduell kommen?“) oder mit einem „Bitte“.

Aber da steckt wohl zu viel Chef in mir, ich kann nicht freundlich und respektvoll sein, außer vielleicht zu Mokuba, aber das ist auch was anderes.

Das ist mein kleiner Bruder.

Sie hingegen ist… deine Schwester, ein Mädchen, ein mir eigentlich sehr fremdes Mädchen und trotzdem kann ich mir denken, dass dieses entsetzliche Fest am Ende schön werden könnte, wenn sie dabei wäre.

Ihre Stimme bricht schließlich die angespannte Still zwischen uns, die so dick ist, dass ich glaube, sie fast greifen zu können.

„Gern.“

Nur dieses eine, kleine Wort, doch es erlöst mich von gefühlten tausend Tonnen.

„Einunddreißigster Januar, ab zehn Uhr abends geht es los.“

Meine Stimme klingt geschäftsmännisch kühl, dabei fühlt mein Magen sich gerade an, als rotiere er pausenlos um die eigene Achse.

Mir ist schlecht, auf eine ganz und gar wunderbare Art und Weise.
 

30.12.2005- 7.12 p.m.
 

Happy new year, Loser!

Morgen kann ich nicht kommen, das Duell und … na ja, du warst ja dabei, als ich sie eingeladen habe, deshalb wünsche ich dir jetzt schon alles, nun ja, Gute, denke ich mal, für das nächste Jahr.

Hoffentlich bekommst du davon ein bisschen mehr mit, als vom Ende des Letzten.

Zwei Monate- es ist krank.

Jeden anderen hätten sie wohl schon längst aufgegeben, aber an dir halten die Menschen fest, als hinge ihre eigene, erbärmliche Existenz davon ab.

Ich hab mal gehört, dass die Besuche mit der Zeit abnehmen, dass die Leute sich mit dem Gedanken anfreunden und beinahe erleichtert sind, wenn der Komatöse es dann endlich bewerkstelligt, von dieser in die nächste jämmerliche Daseinsform überzutreten.

Bei dir ist das anders.

Dein kleiner Kindergarten ist nach wie vor nervig. Musst ein richtiger Sonnenschein gewesen sein, dass dir selbst jetzt noch, wo dein Haar längst nichts Sonniges mehr hat, die Leute nachrennen.

Ich stehe an deinem Bett, meine Hand liegt neben deiner. Ich wünschte, ich hätte so viel Courage wie dieses kleine Gör, das du deine Schwester nennst und das ich aus einem mir heute nicht mehr erfindlichen Grund zu dem Duell der Kaiba Corp. eingeladen habe, dann würde ich sie einfach nehmen.

Dann würde ich dich nehmen und so lange schütteln, bis du sturer Esel dich endlich bequemst, deine verdammten Glubscher wieder aufzusperren.

Doch diesen Mut habe ich nicht. Vor einer Berührung mit dir scheue ich mich, als würde ich einen Toten anfassen.

Viel mehr bist du ja auch nicht. Tu uns doch allen einen Gefallen und… und… es nur zu denken, scheint unmöglich.

Ein Leben ohne Joseph J. Wheeler ist wie ein Leben ohne einen beinahe lieb gewonnen Parasiten: wenn man ihn entfernt, fehlt er einem.

Außerdem habe ich, wenn du tot bist, keine Ausrede mehr, sie zu sehen, also wage es ja nicht, abzutreten, hörst du?

„Ich gehe jetzt“, wahrscheinlich könnte ich mich genauso gut mit dem keinen, grünen Kasten, auf dem sich inzwischen ein ganzer Zoo tummelt, unterhalten, doch ich bestehe darauf, dich anzusehen, „wir sehen uns im nächsten Jahr wieder.“

Und wage es ja nicht, bis dahin wegzusterben, Töle!

Vor der Plexiglasscheibe bleibe ich noch einmal stehen. Durch die blassen Vorhänge kann man so gut wie nichts sehen und wenn nicht wüsste, dass deine leblose Silhouette irgendwo hinter dem Weiß herumlungert, würde ich sie nicht einmal erahnen.

Mit den Fingerspitzen trommele ich gegen die Scheibe, als ich den sterilen Gang hinunter zum Fahrstuhl gehe.
 

I'm looking at you through the glass

Don't know how much time has passed

Oh God it feels like forever

But no one ever tells you that forever feels like home

Sitting all alone inside your head
 

Da ich in letzter Zeit nicht gut schlafe, bin ich nicht weiter überrascht, als ich mitten in der Nacht hochfahre. Vermutlich wieder ein Alptraum, an den ich mich jetzt nicht mehr erinnern kann und will.

Du hast wahrscheinlich die Hauptrolle gespielt, oder das blutige Etwas, was von dir noch übrig war, nachdem du dich so voller Elan gegen meine Limousine schmeißen musstest.

Irritierend ist nur der Wunsch, mir jetzt, mitten in der Nacht meine Werbegeschenke anzusehen, aber ich bin ein merkwürdiger Mensch, warum sollten meine Bedürfnisse dann normal sein?

Ich schlafe nicht, ich schwelge lieber in Verschwendung, warum nicht?

Meine nackten Füße versinken in dem teueren, weichen Teppich, den Roland aus… ich weiß es nicht mehr von wo hat importieren lassen. Das ganze Haus ist mit seiner Ausstattung die perfekte Symbiose aus allen Teilen der Erde, die der Politik noch fehlt.

Vielleicht sollte ich die werten Herren einmal einladen, damit sie wissen, wie geschmackvoll Globalisierung aussehen könnte.

Wie im Schlaf tragen meine Füße mich den dunklen Korridor hinunter bis zur Abstellkammer.

Ich kann mich nicht daran erinnern, die Tür geöffnet zu haben, doch plötzlich stehe ich mitten drin und neben mir… neben mir stehst du.
 

How do you feel, that is the question

But I forget, you don't expect an easy answer

When something like a soul becomes initialized

And folded up like paper dolls and little notes

You can't expect a bit of hope
 

(Stone Sour- Through glass)
 

„Was machst du hier?“

„Ich dachte, ich besuch’ dich mal. Is’ doch nett von mir, nich’?“

Ich bin zu baff, um darauf irgendetwas zu sagen.

Wie kommst du hier her?

Bis eben hast du noch mehr tot als lebendig in deinem Bett gelegen, ein lebloser Haufen Fleisch und Knochen.

Doch davon ist nichts mehr zu sehen, deine Haut hat den leichten Braunton, den du dir irgendwie immer bewahrt hast, selbst im Winter.

Dein Körper ist drahtig, doch nicht abgemagert, ich kann die Muskeln unter diesem lächerlichen T-Shirt sehen, das du immer trägst.

Nichts an dir deutet darauf hin, dass du wochenlang im Koma gelegen hast.

Du öffnest eine der Zigarrenschachteln, begutachtest den Inhalt neugierig, bevor du eines der gedrehten Blattröhrchen herausnimmst, daran riechst.

Dabei sieht du mich an, zwinkerst mir zu.

„Das wollte ich schon immer mal machen. Im Film sieht das immer ziemlich cool aus.“

Ich nicke nur verwirrt, kann immer noch nicht so ganz glauben, dass du hier bist.

Und warum du ausgerechnet in meiner Abstellkammer auftauchst.

„Du solltest zu deiner Schwester gehen.“

Du schließt die Augen, schnüffelst noch immer, ganz der räudige Streuner, der du bist, an der Zigarre.

„Hmmm“, machst du leise und ich bin mir nicht sicher, ob es ein Laut der Zustimmung, oder des Genusses ist.

Unvermittelt siehst du mich wieder an, deine Augen funkeln richtig, doch deine Miene ist betrübt.

„Ich weiß, Serenity… ist ’n tapferes, kleines Schwesterchen, nicht?“

Weil ich nicht weiß, was ich dazu sagen soll, schweige ich.

„Sie nimmt das alles echt gut auf, hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Aber das ist bei ihr immer so. Hey, weißt du, einmal hat sie sich mit ’nem Oberschüler angelegt, um ihrem dussligen Bruder aus der Klemme zu helfen. Das war stark, sag ich dir.“

Du steckst dir die kleine, braune Stange zwischen die Lippen, schaust dich um.

„Haste mal Feuer?“

Wortlos deute ich auf die Kiste neben den Zigarren. Da müssten all die Zippos drin liegen, die mir irgendeine Firma mit schöner Regelmäßigkeit zu jedem festlichen Anlass schickt.

„Danke. Cool!“

Du stößt einen anerkennenden Pfiff aus, als du ein goldenes Feuerzeug aus der Schachtel nimmst. Andächtig klappst du den Deckel zurück, drehst an dem kleinen Rad.

Ein Funke fliegt, entzündet das Gas.

Du nimmst einen tiefen Zug.

„Du rauchst?“

„Nein“, gibst du gelassen zurück, ziehst noch einmal so tief, dass die Spitze rot aufglüht und Asche auf meinen teuren Teppich rieselt.

Doch ich bin viel zu überfordert von der ganzen Situation, um mir darüber auch noch Gedanken zu machen.

„Wo kommt’n all der Kram hier her?“

Du machst eine weit ausladende Geste.

„Das sind Geschenke.“

„Cool! Aber du bist echt gestört, Mann. Wenn man mir so tolle Sachen schenken würde, würde ich sie ganz sicher nicht in einem kleinen, dunklen Raum vergammeln lassen.“

Ich verziehe das Gesicht.

„Sie bedeuten nichts. Willst du sie haben?“

Aufmerksam schaust du dich um, nimmst ein paar Dinge in deine Pfoten, lässt sie wieder zurückfallen, dann durchbohrst du mich geradezu mit deinen Augen.

„Was bedeutet dir schon etwas?“

„Du“, das ist schneller raus, als mein armer, verwirrter Geist schalten kann.

Du bist mindestens ebenso baff, wie ich.

„Echt?“

„Nein.“

Das Ganze ist mir unangenehm und ich starre ihn wütend in Grund und Boden.

Jeder andere wäre bei meinem Blick auch in Letzterem versunken, nicht so du. Du bist inzwischen daran gewöhnt, dich stört das nicht mehr sonderlich.

„Also“, blaffe ich dich an, um meine Unsicherheit zu überspielen, „warum musst du ausgerechnet mich heimsuchen?“

„Ich hab dich halt vermisst.“

Du machst einen Schritt auf mich zu, ich will zurückweichen, kann aber nicht. Meine Beine sind am Boden festgenagelt, so scheint es jedenfalls.

Du beugst dich vor, dass deine blonden, wildabstehenden Haare meine Wange streifen.

Rauch schlägt mir entgegen, als du die Lippen öffnest.

„War nett von dir, jeden Abend an meinem Bett wache zu halten.“

„Hab ich nicht“, rasple ich trocken.
 

31.12.2005- 6.27a.m.
 

Ich fahre hoch, schaue mich hektisch um.

„Wheeler?“

Stille.

Um mich herum ist es stockfinster und die Ruhe dröhnt in meinen Ohren.

„Wheeler!“

Meine Stimme klingt in der überwältigenden Geräuschlosigkeit erschreckend dünn, schwach.

Ich blinzle einmal, zweimal, dann taste ich beinahe panisch nach dem Schalter meiner Nachttischlampe.

Das Licht ist zu klein, um all die Schatten in meinem Zimmer und in meinem Geist zu vertreiben.

Die Fußbodenheizung ist angenehm warm, als ich mit zwei großen Schritten zum Hauptschalter hinüberstolpere.

Erst als in meinem Zimmer Festbeleuchtung herrscht, fühle ich mich ein wenig sicherer.

Nach einem kurzen Blick auf meinen Digitalwecker beschließe ich, dass es sich nicht mehr lohnt, weiterzuschlafen und wenn ich ganz ehrlich bin, dann habe ich auch Angst davor, jetzt wieder die Augen zu schließen. Was, wenn ich dir noch einmal begegne?

Diese Träume müssen aufhören!

Ich hasse dich, Wheeler!

Wenn das so weitergeht, machst du aus mir tatsächlich noch das nervliche Frack, das du dir immer gewünscht hast. Mit einer Hand wische ich mir nachdrücklich über das Gesicht, versuche den Schrecken und dein Gesicht zu vertreiben.

Beides gelingt mir nur bedingt.

Kaffee!

Ich brauche dringend Kaffee, eine kalte Dusche und dann ist vielleicht endlich, endlich diese verdammte Sonne aufgegangen. Im Licht bist du nämlich blasser, als in der Nacht und meine Erinnerung weniger lebhaft.

Deine Augen verfolgen mich den ganzen Flur hinunter bis zur Küche und zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich, dieses Haus wäre nicht so groß, seine Flure nicht so lang, die Küche nicht so weit weg.

Als ich die Treppe hinunterspurte und mich bei dem Unterfangen, vier Stufen auf einmal zu nehmen, beinahe überschlage, bemerke ich das Licht, das mir bereits aus der Küche entgegen flutet.

Meine Augen verengen sich kritisch.

Mokuba wird sich doch nicht zu dieser gottlosen Stunden an seinen gratis Vanilleflocken vergehen… ein trockenes Lachen entringt sich meiner Kehle. Es klingt wie Papier.

Sicher nicht, dazu müsste er ja essen!

Dann bleibt eigentlich nur einer übrig, obwohl ich mich frage, wie um alles in der Welt Roland es immer bewerkstelligt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und das immer mit einer Tasse Kaffee, die er mir auch jetzt entgegen hält.

Er sieht nicht aus, als hätte er geschlafen, unter seinen Augen liegen dunkle Schatten und sein Haar ist nicht ganz so geordnet wie sonst, doch in seinem Blick, der mich mit dem Wohlwollen und der Sorge eines Vater misst, ist keine Spur von Müdigkeit zu sehen.

„Zwei Löffel Kaffeeweißer, kein Zucker.“

Mit einem dankbaren Nicken nehme ich die Tasse vorsichtig zwischen die Hände, versuche, mir nicht die Finger an der heißen Keramik zu verbrennen.

Unauffällig gleitet mein Blick zu dem Mann hinüber, der jetzt an meiner Theke lehnt und Kaffee, so stark und schwarz, dass er selbst Tote wieder auferwecken würde (vielleicht sollte ich dir davon ein wenig einflößen), in sich hineinschüttet, dann finden meine Augen sich wieder bei der hellbraunen Brühe ein, die ich trinke und ich fühle mich jung und unerfahren.

Ich hasse dieses Gefühl.

Mit einem lautlosen, trockenen Seufzen lasse ich mich neben ihn an die Anrichte sinken.

Roland schenkt mir eines seiner diskreten, freundlichen, ewig besorgten Lächeln, doch er schweigt. Vielleicht hat er es schon lange aufgegeben, mit mir diskutieren zu wollen.

Also breche ich das Schweigen.

„Du siehst müde aus.“

Liegt es nur an mir, oder ist dieses Lächeln tatsächlich ironisch?

„Sie nicht, Herr Kaiba.“

Ich nippe an meinem Kaffee.

„Heute ist das Neujahrduell.“ Roland nickt, unbeeindruckt. Nun, kein Wunder, er kann nicht wissen dass heute… dass es anders werden wird, weil zum ersten Mal jemand dabei ist, den ich dabei haben möchte- irgendwie. Mokuba und Roland natürlich ausgeschlossen, aber die habe ich auch sonst immer in meiner Nähe.

Was man von deiner Schwester, bei der ein „bald“ wirklich alles nur nicht bald ist, nicht sagen kann.

„Ja, ich weiß“, er stößt sich von der Anrichte ab, schenkt sich Kaffee nach und macht Anstalten, die Küche zu verlassen, „ich werde mich sofort um die Arena kümmern.“

„Roland, worüber redet man?“

Er ist zu höflich, um mir zu zeigen, dass meine Frage nicht so ga~nz viel Sinn ergibt.

„Nun, über das Wetter, über die Duelle, worüber immer Sie wünschen, Herr Kaiba.“

„Nein, ich meine“, ich starre in die hellbraune Brühe, als gelte es, wie Moses das Wasser zu teilen, „wenn man wirklich mit jemandem reden möchte.“

Ich bin froh, ihm in diesem Moment nicht in die Augen sehen zu können, doch ein väterlich-wissender Unterton ist nicht zu überhören, als er treffsicher vermutet: „Und dieser Jemand ist weiblich, hm?“

„Möglich“, gebe ich sehr widerwillig zurück, aber ich muss eine Blamage wohl riskieren, wenn ich Informationen haben will.

Informationen sind überhaupt alles, der Schlüssel zur Macht! Leider habe ich keine über deine Schwester oder diese merkwürdige Spezies „Frau“ allgemein und Roland ist der Einzige Mensch, den ich so etwas fragen und danach noch weiteratmen lassen würde.

„Das ändert natürlich alles.“

Als ich den Fehler begehe, von meiner Tasse aufzuschauen, ist sein Lächeln professionell dezent, aber auch… stolz?

Glücklich?

Vielleicht hatte er die Hoffnung, dass ich mich jemals wie ein normaler Teenager aufführen würde, schon längst aufgegeben.

„Reden Sie über etwas, dass Ihnen gefällt und über sie.“

„Ich kenne sie doch kaum.“

„Dann über ihr Kleid, den Schmuck, den Abend an sich und wie glücklich Sie sind, dass sie da ist.“

Abwehrend schüttele ich den Kopf, sehe ihn vorwurfsvoll an.

„Das klingt ja, als wäre ich an ihr interessiert!“

Er scheint verwirrt, fängt sich jedoch rasch.

„Verzeihung, Herr Kaiba. Übereifrig habe ich angenommen, dass Sie das tatsächlich sind, wenn Sie eine ernsthafte Unterhaltung anstreben.“

„Bin ich nicht!“

Nur damit das klar ist, ich habe sie nicht eingeladen, weil sie mir etwa bedeutet, sie ist nur… na, eben deine Schwester und außerdem… warum belüge ich mich eigentlich selbst?

„Über Schmuck und Kleider also“, fasse ich seine Lehre zusammen.

Keines der beiden Themen lässt mich in Begeisterungsstürme ausbrechen, um ehrlich zu sein, habe ich nicht einmal eine Ahnung davon. ich würde einen geschliffenen Glasstein von keinem Diamanten unterscheiden können… apropos Diamanten, ich brauche ja noch ein Weihnachtsgeschenk oder so etwas Ähnliches.

Hat nicht eine weise Frau einmal gesagt „diamonts are a girl’s best friends“?

… wo bekomme ich ein paar Stunden vor dem neuen Jahr noch einen Diamanten her?

„Und vergessen Sie die Blumen nicht“, höre ich Roland noch sagen, bevor er sich entschuldigt und die Küche verlässt, um sich um die letzten Feinheiten zu kümmern.

Verwirrt sehe ich ihm nach.

Wieso denn jetzt auf einmal Blumen?

Und wo bekomme ich die her?

Allerdings scheint mir die Wahrscheinlichkeit, heute noch einen Blumenstrauß aufzutreiben, wesentlich größer, als einen Juwelier mit Feierphobie ausfindig machen zu können und so hänge ich mich wenig später tatsächlich hinter das Telefon, um mich mit einer hysterischen Floristin herumzuärgern.

Der Feiertagszuschlag muss in dieser Branche wirklich enorm sein oder sie ist stoned. Anders kann ich mir die gute Laune nicht erklären.

Mit jedem weiteren Ausruf der Verzückung nähert sich meine Stimmung zumindest dem Nullpunkt.

Es fängt schon beim Namen an.

„Herr Kaiba“, man quietscht mir sehr unfein ins Ohr. Und noch einmal, zwei Oktaven höher: „Herr Kaiba!“

„Ja, ja guten Tag“, brumme ich unfreundlich zurück.

Vielleicht finde ich ja doch noch… aber nein, jetzt habe ich schon einmal das Telefon bemüht, jetzt wird das hier auch zu Ende gebracht, ich hasse Unnötigkeiten.

Außerdem wähne ich mich geradeso noch in der Lage, einen Blumenstrauß zu bestellen, immerhin beherrsche ich ein ganzes Imperium und ich bin ein guter Diktator!

„Sie wollen sicher Blumen.“

Ist nicht die Möglichkeit!

Welch Sternstunde der Deduktion.

Wer käme auch auf die Idee, in einem Blumenladen Blumen zu bestellen?

Ich ärgere mich über übermotiviertes, unfähiges Fachpersonal, während ich unwillig „Ja“ in den Hörer murre.

„Wir haben das „Silversterbouquet classic“ im Sonderangebot. Wahlweise mit Schleifen der Farbe Rot, Blau, Rot-Blau gestreift oder gepunktet, gerippt oder traditionell glatt. Dasselbe gilt für das gleiche Model in grün-gelb, hierbei entfallen jedoch leider die Punkte, dafür könnte ich Ihnen das Karo-“

„Ich will kein Sonderangebot!“

Ich glaube, ich möchte gar keinen Blumenstrauß mehr. Im Moment steht mir der Sinn mehr nach einer Pistole.

Wahlweise für mich, sie oder dich.

„Natürlich nicht!“ ruft sie schnell, nur eine Sekunde aus dem Konzept gebracht, „Wir stellen Ihnen gern einen Strauß nach Ihren wünschen zusammen.“

Gespannte Pause.

„…“

„Herr Kaiba?“

„Ja, ich…“, ich habe keine Ahnung von Blumen. Das mit dem Sonderangebot war mehr eine Reflexreaktion, denn ich traue Dingen, die billiger sind als gewöhnlich, nicht über den Weg.

Wahrscheinlich sind die Blumen im „Silversterbouquet classic“ welk und stinken.

„Ja?“

„Irgendwas Großes, was Aufwändiges. Vielleicht… ah, Rosen oder etwas in der Richtung.“

„Rosen?“

„Nicht?“

„Nur, wenn Sie beabsichtigen, einen Heiratsantrag zu machen- beabsichtigen Sie?“

Morgen wird die Boulevardpresse von meinen Heiratsplänen berichten!

„Nein!“ gebe ich entrüstet zurück.

„Dann dürfen Sie keine Rosen nehmen“, erklärt die Floristin fachmännisch, „Rosen stehen für Liebe und Verehrung.“

Aha.

„Dann Lilien?“ wage ich einen zweiten Versuch.

„Aber um Gottes Willen keine weißen! Oder wollen Sie die junge Dame umbringen- es ist doch eine Dame?“

Eine Braue rutscht steil in die Höhe.

Was soll diese Unterstellung?

“Natürlich!“

Und ich wusste nicht, dass ich deine Schwester mit ein bisschen Grünzeug ins Grab schicken kann- vielleicht sollten wir das bei dir probieren.

Ein andermal.

„Wissen Sie, die Aussagekraft einer Blume ist keinesfalls zu unterschätzen. Ganze Kriege sind wegen einer falschgesetzten Nelke, einer missverstandenen Rose ausgebrochen.“

„Ach?“ hochgradig kritisch beäuge ich das Telefon, „Welche denn?“

“Das weiß ich nicht, Geschichte ist nicht mein Gebiet“, erwidert sie ohne den Anstand zu haben, verlegen zu klingen, „aber es ist sicher schon vorgekommen.“

Und sie entblödet sich auch nicht, noch hinzuzufügen: „Mann muss die Sprache der Blumen verstehen.“

Sprache der Blumen- alles klar. Ich bin im Institut für unheilbar schwere Geisteskrankheiten gelandet.

Bisher habe ich von vielen gehört, die glauben, dass es die Pflanzen auch nur eine Wurzel interessieren würde, wenn sie mit ihnen redeten, aber nie, noch niemals ist mir zu Ohren gekommen, dass eines der Dinger sich die Mühe gemacht hätte, zu antworten.

Soviel zur Sprache der Blumen.

„Sie müssen sich im Klaren darüber sein, was ihr Strauß aussagen soll.“

Verzweifelt schließe ich die Augen.

Der Diamant wäre die entschieden einfachere Lösung gewesen.

„Dann besorgen Sie mir etwas, das sagt: ,Deine Geschenke beleidigen jegliches Geschmacksempfinden, aber du bist ganz…’“, ich zögere kurz, „,niedlich’.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (52)
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Von: abgemeldet
2011-11-30T20:51:44+00:00 30.11.2011 21:51
Am allerschönsten finde ich die Szene mit dem Kakao und seine Meinung über das Teilen eines Trinkbechers. Klar, jeder Mensch würde im ersten Moment so denken, aber daran merkt man, dass Serenity eben ein natürliches Mädchen ist und es hat mir wirklich super gefallen.
Die Idee mit den Lebkuchen war auch niedlich und passt jetzt so schön diese Jahreszeit.
Ich hoffe ich schaffe es noch das andere Kapitel heute zu lesen, ansonsten kannst du mein Feedback morgen erwarten.
Von: abgemeldet
2011-11-29T23:32:08+00:00 30.11.2011 00:32
Gefallen? Soll das ein Witz sein?
Ich habe das Kapitel geradezu verschlugen.
Übrigens, hallo erstmal XD
Du kannst dich so gut in Kaija hineinversetzten, wie ich es selten gelesen habe.
Ich freue mich schon auf das neue Kapitel.
Von:  Umi
2011-01-21T18:58:26+00:00 21.01.2011 19:58
Hier und da hab ich ein paar kleine Tippfehler gefunden, wobei ich nicht weiß, ob es Sinn machen würde, die jetzt aufzuzählen (immerhin ist die Story schon ein paar Jahre alt)...
Aber abgesehen davon... uh, und dass Seto Shizuka für den 31.1. einlädt, obwohl das Duell an Silvester ist... Nichts zu mäkeln :)

Ich fands schön, wie du dir die Zeit genommen hast, erst ausführlich auf Setos Gedanken und Gefühle bezüglich Jou einzugehen (und wie oft Roland, diese treue Seele, erwähnt wurde, der Mann ist einfach so... ♥! Und wichtig in Setos Leben und fuck, wieso werden ihm in den meisten Stories so wenig Zeilen gewidmet? ;_;), bevor du Shizuka eingeführt hast. Das hat die Interaktion zwischen den beiden erst glaubhaft gemacht. Davon, dass die Kleine wirklich verdammt niedlich rüberkommt, mal ganz zu schweigen :) Und Setos Charakterisierung ist auch einfach nur... er ist dieser steife, herrische Kerl aus der Serie, aber gleichzeitig einfach auch erschreckend niedlich mit seiner Unfähigkeit, was soziale Sachen angeht wie das einfache Erkennen einer Geburtstagsparty als solche u.ä.

Überhaupt, das ganze Setting der Fic... Die meisten Stories, in denen Jou und Seto unter den Hauptrollen zu finden sind, leben in erster Linie von der Interaktion der beiden, Jous Reaktionen auf Setos Beleidigungen, seinem Temperament, seine Leidenschaft. Hier kommt von seiner Seite aus nichts, und trotzdem... nun, ist die Story nicht langweilig und lädt zum Weiterlesen ein :D
... Gut, das letzte Update ist nun schon einige Zeit her, aber ich werd den Spaß trotzdem mal auf meine Favo-Liste setzen, so für alle Fälle :)

Kurz und gut: Hat mir sehr gut gefallen ^^
Von:  Tea_Kaiba
2009-11-15T17:46:21+00:00 15.11.2009 18:46
So langsam gehen mir die Komplimente aus.
Also spekuliere ich stattdessen lieber mal, dass du bestimmt jede Menge Spaß dabei hattest, dir eine Liste von Dingen auszudenken, die Seto schon alle zu Weihnachten bekommen und für scheußlich befunden hat.

Aber wieso wechselt er denn jetzt auf einmal die Anrede? Bisher hat er doch die ganze Zeit mit Joey geredet, und jetzt heißt es auf einmal "Versteht ihr jetzt, warum ich Weihnachten verabscheue?"?

Egal, eigentlich ist es ja sowieso viel witziger, wenn er sich mit Serenity unterhält. Mein Bruder fragt sich sicher schon, was es hier bei mir ständig zu lachen gibt!
Nein, Smalltalk ist wirklich nicht des armen Seto Stärke. Wenn ich an Serenitys Stelle wäre, wäre ich wohl von seiner wortkargen Art und diesen spastischen Sprachanfällen ("Das ist eine Katastrophe!" ... "Komm zu meinem Neujahrsduell!") entweder verstört oder aber ziemlich verärgert.

Ah, na endlich bekommt Joey auch mal seinen Auftritt. War auch wirklich seltsam, ihn da immer nur als stummen Statisten zu erleben. :D
Aber irgendwie scheint sein Auftauchen nicht nur Seto irgendwie verwirrt zu haben, sondern auch dich, kann das sein? Du wechselst nämlich schon wieder die Anredeform, jetzt ist nicht mehr von "du" die Rede, sondern von "er" - "Das Ganze ist mir unangenehm und ich starre ihn wütend in Grund und Boden." (Seite 10)
Und wenn wir schon dabei sind, ich würde sagen, Joey macht ein Wrack aus Seto, keinen Frack. ;-) (Seite 11)

Übrigens muss ich noch mal betonen, dass ich es wirklich klasse finde, welche Rolle du Roland einräumst - der Mann kommt sowieso viel zu wenig zur Geltung, dabei ist er ja quasi die einzige Vaterfigur, die Seto hat.

Und jetzt will ich aber SOFORT wissen, wie die arme Frau so einen Blumenstrauß zusammenstellen will. :D
Von:  Tea_Kaiba
2009-11-15T15:32:27+00:00 15.11.2009 16:32
Oha, ein Stromausfall in der KC - das kam nicht nur für Seto unerwartet. :D
Sehr genial übrigens seine lässigen Kommentare über die üblichen kleinen Unbequemlichkeiten, die er in seinem Leben so zu ertragen hat - einschließlich Psychoviren und Entführungen seines kleinen Bruders.
Und natürlich gelegentliche Entschuldigungen bei seinem treusten Angestellten, den du übrigens mal wieder mit ein paar wenigen Sätzen perfekt charakterisiert hast.

Zum Piepen, dass Roland jetzt seinen eigenen kleinen Feldzug zur Rettung von Setos Gesundheit startet! Das ist eine Aktion, die ich in dieser Form normalerweise eher von Mokuba erwartet hätte, aber dass sie von so unerwarteter Seite kommt, macht sie nur noch witziger mitzuverfolgen.

Oh Mann, es kann aber wirklich auch nur Seto passieren, dass er seinen eigenen Geburtstag versaut, indem er die Gäste von der Polizei abtransportieren lässt.

Und jetzt... bitte einen Trommelwirbel, denn das hier ist ein epischer Moment. Ich habe nämlich das allererste Mal (und zweifellos auch eines der letzten Male) eine wirkliche Kritik an deiner FF anzubringen: Mag ja sein, dass Seto übermüdet ist und deshalb irgendwie schreckhafter als sonst, oder so. Aber so richtig realistisch finde ich es trotzdem nicht, dass er schreiend aufspringt und sich gebärdet wie das Opfer eines beinahe geglückten Attentates, nur, weil Serenity auf einmal neben ihm steht.

Außerdem, aber das ist nun wirklich nur ein kleines Versehen, fehlt ganz unten auf Seite acht mal das kleine Wörtchen "ich" in einem Satz, da steht nämlich nur: "Natürlich bin ich für solche Kindereien viel zu erwachsen und vernünftig, aber wenn nicht der seriöse Unternehmer wäre, der ich bin- wer weiß."
Dann kurz darauf auf Seite 9: "Loden" anstatt "Locken".
Nützen dir diese Seitenangaben eigentlich irgendwas? Ich fürchte fast, nein, weil dus ja in der Bearbeitungsversion nicht mehr in viele kleine Seiten aufgespalten vor dir hast. Aber ich weiß leider nicht, wie ich sonst eine ungefähre Angabe zum Ort machen soll.

Aber zurück zur Story - Es geschieht Seto ganz recht, dass ihm mal jemand demonstriert, wie sich liebevolle Geschwister verhalten, und dass er im Moment so ziemlich der miserabelste Bruder der Welt ist.
Dass er nicht lügen kann, wundert mich allerdings ein bisschen, denn das ist doch in seinem Job sicher nötig? Aber vermutlich ist es was anderes, einem Geschäftspartner gegenüber das Pokerface zu bewahren, als in einem Krankenzimmer überzeugend zu lügen.

Tja, selbst schuld, dass er das nie geübt hat, und sich jetzt von einer simplen Umarmung und sowas Exotischem wie einem Weihnachtsgeschenk ins Bockshorn jagen lässt...
Von:  Tea_Kaiba
2009-11-14T21:13:02+00:00 14.11.2009 22:13
Böse, äußerst böse. :D
Aber treffend, was Seto so über Yugi denkt.

Aaach, ich wünschte, ich könnte auch so schreiben, in jedem Satz eine Pointe. Ich bewundere dich ehrlich. Im einen Satz hackt Seto noch auf Joey rum, im nächsten wettert er gegen das Geburtstagsbrimborium, und alles so im wahrsten Sinne des Wortes witzig, dass man gar nicht genug kriegen kann. Vielleicht steigere ich mich da in etwas rein, aber hallo?
"Ich werde nur 24 Stunden älter, wie alle anderen Menschen auf diesem Planeten, nicht schlagartig ein ganzes Jahr.
Genau genommen ist es einfach bloß ein Tag, die Erde dreht sich einmal um die eigene Achse und das war’s dann auch schon.
Wozu gerade um diese Drehung so einen Aufstand machen? Mit etwas Glück kann man das 366 Mal im Jahr erleben."
Ich verneige mich vor deiner Eloquenz!

Aber genug davon, ich muss auch noch erwähnen, dass ich es beeindruckend finde, wie du Joey Seto so Stückchen für Stückchen ein bisschen Menschlichkeit abringen lässt (Er hat mir MEINEN Tag versaut!) - und das ganz ohne dass er etwas tut!

Und dann schaffst dus auch wieder, mich fast zum Heulen zu bringen mit Setos Sorge um Mokuba - das ist wirklich eine ziemliche Gefühlsachterbahn, die man da als Leser durchmacht, das ist dir doch hoffentlich klar, oder?

Einen kleinen Makel habe ich aber doch entdeckt: "Seelendedektiv" schreibt man mit zwei "e", da hast du eins vergessen. ;-)
(Seite 7)
Hm... und auf der selben Seite, sollte es nicht "Laken" heißen anstatt "Lacken"?

Wow.
Der Traum ist... atemberaubend. Auf sowas muss man erst mal kommen.
Ich finde es toll, wie du die Symbolik umgesetzt hast - ohne dass irgendwelche übertriebenen Stereotypen strapaziert werden.
(Naja, außer der grauen Welt vielleicht? ;)

Ah, und jetzt tritt auch Serenity endlich mal auf. Endlich mal wieder ein Grund zum Lachen in der Story. ^^ Aber mal ehrlich, ich glaube, das ist das Einzige, das Seto mal aufrütteln könnte - jemand, der seinem Weltbild so völlig widerspricht wie Joey oder eben seine Schwester. Du hast sie interessant dargestellt - so gar nicht das blasse, unsichere, unscheinbare Mädchen, als das sie so oft in Erscheinung tritt, und trotzdem keine Mai- oder Anzu-Blaupause, sondern einfach sie selbst.

Von:  Tea_Kaiba
2009-11-14T18:22:46+00:00 14.11.2009 19:22
Woha.
Ich hätte es wissen müssen, dass du noch ein paar Juwelen in deiner FF-Galerie versteckt hast!
Unglaublich, da spricht doch wirklich aus jeder Zeile Seto. :)
Widerlich giftig, herrlich sarkastisch und trotzdem immer ein kleines Bisschen inkonsequent und ungewollt menschlich.
Köstlich, wie er sich da fruchtlos ereifert! :D
Und solche Sätze müssen einem erst mal einfallen: "Sollten sie sich eine Netzhautentzündung einfangen, weil vor lauter Flüssigkeit kein Sauerstoff mehr an ihre Augen kommt, bist du Schuld!"
Hut ab! :D

Aber auch sehr rührend irgendwie, dass sich Seto trotzdem nicht ganz vor seinem Gewissen drücken kann.
Du hast ja sogar fast MIR ein schlechtes Gewissen gemacht mit deiner Beschreibung von Joeys misshandeltem Körper.
Und weißt du was? Es tut fast weh, wie intensiv du die Beziehung zwischen den beiden beschreiben kannst - wie sehr Seto sich über Joey ärgert, dass sie einander aber trotzdem nicht auskommen.
Von:  NessaSan
2009-10-27T17:19:24+00:00 27.10.2009 18:19
...das ist die beste FF die ich je gelesen hab... oo
obwohl das zugegebenermaßen noch nicht sonderlich viele waren xD
Vorallem ist dies die erste Geschichte in der Kaiba noch Kaiba zu sein scheint... Meistens geht sein "Wandel" viel zu schnell und einfach...
Wirklich sehr unterhaltsam, ich liebe Kaibas Selbstgespräche bzw. Gedanken...
So muss man Silentshipping verkaufen damit es ankommt!

Du hast's drauf,
ich würde einiges geben jetzt weiterlesen zu dürfen >:)
Also hau rein! xD

Lg NessaSan

ps.: SxS POWER!
Von:  NessaSan
2009-10-27T14:41:12+00:00 27.10.2009 15:41
sehr schön geschrieben.
Von:  GeezKatsu
2009-07-15T08:35:04+00:00 15.07.2009 10:35
Ich mag deine FF, sie ist witzig und mal ein anderes Pairing. Ser ist zwar echt lieb, aber ich seh doch immer liebr Jou neben Seth, aber du hast das Talent, die beiden so süß zu beschreiben, das man seine eigentlichen Vorlieben über Bord wirft xD

Es ist lange her, seit du das geschrieben hast, also wird es Zeit, das zu ändern ^^ Bleib am Ball und mach weiter so


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