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Schatten der Vergangenheit

von

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Flashback - Bote der Vergangenheit

Prolog:

"Crystal Tokio, ich habe dich in der Zukunft gesehen. Wann wirst du Wirklichkeit werden? Wann wirst du das Zentrum des neuen SilverMillenniums sein? Wann wird sich die Erde unter den undurchdringlichen Eispanzer hüllen, der Mensch, Tiere und Pflanzen in den ewigen Winterschlaf versetzt, aus dem nur Königin Serenity sie befreien kann? Wann wird sie mit ihrer Fröhlichkeit und sanften Hand die Geschicke einer freundlicheren Welt leiten? Wie bald, wie fern noch ist dieser Tag?

Und werde ich dann wieder das sein können, was ich damals war, im alten SilverMillennium, oder bin ich nur ein Fossil, dass sich herüber gerettet hat in die Neue Zeit und nun unweigerlich untergehen wird?

So viele Fragen, und nicht eine einzige Antwort. Freund Endymion, ich wünschte, du hättest diese Antworten für mich, denn ich bin sicher, auch du bist in der Neuen Zeit zu finden, wenngleich ich dich noch nicht angetroffen habe. Doch wirst du mich erkennen? Werden wir diesmal Freunde sein, und nicht gezwungene Kontrahenten wie in vergangenen Zeiten?

Diese Antwort werde ich wohl erst erhalten, wenn es soweit ist. Doch was bin ich bis dahin? Ein Wächter... Ein Zuschauer... Oder ein Feind?"
 

1. Albträume?
 

Akira Torah erwachte schweißgebadet. Sein Blick glitt gehetzt im Schlafzimmer seiner kleinen Studentenwohnung umher, doch nichts erregte seinen Argwohn, nur sein Herz schlug schwer, und er japste nach Luft wie ein Goldfisch, den man aufs Trockene gesetzt hatte.

Nur langsam beruhigte er sich, ging sein Herzschlag langsamer, sein Atem ruhiger. Diese Stadt... Das eine Mal der gläserne Turm im Herzen einer Licht durchfluteten Metropole unter einem blauen Himmel, das andere Mal der riesige Palast unter einem so prachtvollen Sternenhimmel, wie er ihn noch nirgends auf dieser Welt gesehen hatte - mit einer wundervollen Aussicht auf eine blass-blaue Kugel, die zu einem Drittel über den Horizont ragte.

Akira wusste den Namen dieser Orte. Es waren Städte des SilverMillenniums, die eine Stadt schon lange vergangen, die andere würde erst in der Zukunft entstehen...

Seine Rechte verkrallte sich in das Laken seines Futons, als die Erinnerung verblasste, als es schien, dass ein Alptraum einfach erlosch... Nach wenigen Sekunden war ihm nichts geblieben als der Schatten einer Erinnerung an ein junges Mädchen, dass er gekannt hatte und wieder kennen lernen würde. Und ein Name blieb, der sich in seinen Gedanken wiederholte, in seinem Geist hallte, in seinen Schläfen hämmerte und nicht eher Ruhe gab, bis er ihn laut hinaus schrie: "Iskander!"

Das Hallen erlosch wie der Traum und bis auf die drückende Ahnung blieb nichts außer der Gewissheit, dass dies nun schon der Vierte dieser Träume gewesen war und sicher nicht der letzte.

Akira zog die Beine an und umklammerte sie mit den Armen. Er hatte Angst davor, wieder einzuschlafen, Angst, dass der Traum wiederkehren würde, der immer wiederkehrte, bis er ihn endlich verstand... oder er daran zerbrach.
 

2. Ein normales Leben
 

Ein normales Leben führen, was war schon normal? Akiras Lehrer Tetsuhara pflegte immer zu sagen: Normale Menschen sind leicht verrückt.

Und nach eingehender Betrachtung der endlosen Autokarawane der morgendlichen Pendler, die Stoßstange an Stoßstange standen und mit einem lauten, unmelodischen Hupko nzert die Weiterfahrt einforderten, musste Akira ihm recht geben. Für die Leute in den Autos war das normal. Akira hielt es für verrückt, sogar für sehr verrückt.

Die Universität war nicht weit von seiner Wohnung entfernt, so dass er auf dieses Konzert der Hupen und die Blechlawine getrost verzichten konnte und den Weg zu Fuß ging. Warum auch nicht? Es war ein schöner Morgen, man spürte richtig, wie der Frühling immer näher kam. Bald würden die Kirschblüten ausblühen und von den Bäumen fallen. Wenn er schon mal wieder in Japan war, dann würde er sich den wilden Tanz der zarten Blüten, das Sakura-Fest, aber ansehen. Egal, ob er bis dahin eine Begleiterin hatte oder nicht.

Auf halbem Wege kam er an der Spielhalle vorbei, in der einer seiner Kommilitonen jobbte. Oder war es ein Familienbetrieb? So genau kannte er Motoki noch nicht.

Sie war noch nicht geöffnet. Es war ja auch noch etwas früh dafür.

In den Fenstern hingen große Plakate, die drei junge Mädchen in sehr freizügigen Schuluniformen zeigten. Zumindest die Röcke waren etwas kurz geraten, und Handschuhe gehörten eigentlich nicht zur offiziellen Uniform. Das eine Mädchen hatte langes, blondes Haar, das auf ihrem Kopf zu Knoten zusammengebunden war und dahinter in zwei langen Strängen wegfiel. Sie machte irgendeine verrückte Bewegung mit den Händen und schien etwas zu sagen. Neben ihr stand ein Mädchen mit fast blau aussehendem Haar. Sie stand mit dem Rücken zum Betrachter und sah über ihre Schulter zurück. Sie lächelte, beinahe etwas schüchtern.

Das dritte Mädchen hatte langes, schwarzes Haar, beide Hände hielt sie in die Hüften gestemmt. Sie lächelte, aber dieses Lächeln schien sagen zu wollen: Legt euch besser nicht mit uns an. Im Übrigen trug sie einen roten Rock, während die der anderen zwei blau waren.

Unter den dreien stand in europäischen Buchstaben, in Romaji: SAILORMOON VII CHRONICLES. BALD.
 

"Oh, hallo, Akira. Bist du auch gerade auf dem Weg zur Uni?"

Überrascht bemerkte Akira, dass er nicht mehr allein war. "Motoki. Ich dachte, du wärst schon längst dort. Ich meine, du bist doch sonst immer der Erste, der den Hörsaal betritt und der Letzte, der ihn verlässt."

Der große Blondschopf lachte. "So wie du das sagst klingt es wie eine Auszeichnung, und nicht nach einem Streber. Normalerweise wäre ich auch schon längst weg, aber ich wollte vorher noch die neuen Poster aufhängen."

Akira nickte in Richtung der Fenster. "Die da?"

"Ja, die. Das neue SailorMoon-Spiel kommt bald raus. Bestimmt wird es ein Renner."

"SailorMoon, Hm? Davon habe ich schon gehört. Es scheint, dass man hier in Tokio einen sehr interessanten Werbefeldzug geführt hat als ich in Europa war."

Motoki legte eine Hand auf Akiras Schultern und drückte den Größeren vom Fenster fort und mehr in Richtung Universität. Nicht, dass sie doch noch zu spät kamen "Kein Marketing. Reine Wirklichkeit. Ich weiß, es fällt einem schwer zu glauben, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, aber SailorMoon und die anderen SailorKrieger gibt es wirklich."

"Willst du mich für dumm verkaufen? Das klingt fast so, als wolltest du mir erzählen, dass es wirklich Hasen auf dem Mond gibt, die Reiskuchen backen."

"Lach nicht. Ich bin ihnen begegnet, und das nicht nur einmal. Erst gestern habe ich sie wieder getroffen, als jemand auf der Straße direkt neben mir von DemonSeed befallen wurde."

"DemonSeed? Ich hielt das für eine Ente der Revolverblätter. Sporen, die einen Menschen befallen und ihn dann in Monster verwandeln, um... Was wollen diese Youmas dann doch gleich?"

"Sie absorbieren Lebensenergie von den Umstehenden. Bisher ist noch niemand daran gestorben, aber...." Motoki entblößte seinen rechten Unterarm und präsentierte einen frischen Verband. "Der Mann, der von der DemonSeed befallen wurde, war Chirurg. Als er sich in einen Youma verwandelte, hatte er plötzlich Skalpelle statt Arme, und die Dinger waren wirklich verdammt scharf. Etwas höher, und ich hätte keinen Kopf mehr."

Akira pfiff leise, während sie der Universität immer näher kamen. "Hübsches Exemplar, dein Verband. Und SailorMoon hat dich gerettet?"

"Nein, nicht ganz. SailorJupiter hat mich am Kragen gepackt und aus der Reichweite der Skalpelle gezogen. SailorMoon hat den Dämon anschließend wieder zurückverwandelt."

"SailorJupiter? War die auch auf dem Poster?"

Motoki lächelte nachgiebig, während sie das Hauptgebäude der Universität betraten. "Nein, das waren nur in der Mitte SailorMoon, links SailorMerkur und rechts SailorMars. SailorJupiter ist viel größer als die drei. Sie ist auch älter, glaube ich. Sie hat langes, braunes Haar. Sie trägt es als Pferdeschwanz."

"Und, welche Farbe hat ihr Rock? Das scheint ja bei den Damen ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu sein."

"Er ist grün."

"Sag mal, wie viele SailorKrieger gibt es eigentlich? Die vier, oder noch mehr?"

"Also, soweit ich weiß, gibt es insgesamt..."

"Guten Morgen, Motoki."

"Mamoru. Guten Morgen. Schön, dich zu sehen. Was gibt es?"

"Ich habe gehört, du hattest gestern ein... Erlebnis."

"Warum so leise? Ich hatte gestern einen Zusammenstoß mit DemonSeed, der mich beinahe meinen Kopf gekostet hätte. Wann wirst du endlich glauben, dass es diese Gefahr wirklich gibt, nicht nur in der Phantasie einiger erschrockener Spaziergänger?" tadelte Motoki den Neuankömmling. "Ach, tut mir Leid, Kennt Ihr euch schon? Akira Torah, Mamoru Chiba." Die beiden gaben sich entgegen der japanischen Tradition die Hand. Mit der Zeit färbte die Art des Westens eben ab, vor allem bei der jungen Generation.

"Angenehm", hatte Mamoru gerade sagen wollen, als sich die Hände berührten. Für den Bruchteil einer Sekunde nur schien die ganze Welt in rot getaucht. Das Entsetzen durchfuhr die beiden. Schnell ließen sie wieder los. In der Halle war es ruhig. Niemand schien etwas davon gemerkt zu haben, was ihnen gerade passiert war.

"Was war das?" Motoki sah vom einen zum anderen. "Was ist passiert? Als Ihr euch die Hände gegeben habt, schien plötzlich alles... alles Golden zu sein."

"Ich habe es rot gesehen", sagte Akira.

Mamoru nickte. "Ich auch. Aber was war es? Und wieso hat Motoki es auch erlebt, aber die anderen hier nicht? Was ist so besonders an dir, Akira?"

"Und was ist so besonders an dir, Mamoru Chiba?", erwiderte dieser trotzig.

Mamoru versteifte sich. "Nichts. Nichts Besonderes. Wir sehen uns. Motoki, Akira."

"Eigentlich ganz sympathisch, aber ich glaube, er weiß mehr, als er zugibt, Motoki. Motoki? He, Motoki."

Der Blondschopf kratzte sich nachdenklich an der Schläfe. "Und was ist so besonderes an mir, verdammt?"

***

"Ich komme zu spät. Ich komme zu spät", rief Usagi Tsukino, während sie durch die Straßen Tokios lief, als sei ein Dutzend Youmas hinter ihr her.

"Tröste dich, Usagi, ich habe auch verschlafen", rief ihr Makoto Kino zu, während sie nebeneinander herliefen.

"Also, es sollte wirklich für uns Schulfrei geben, wenn wir wieder einen Youma gejagt haben", japste Usagi. "Wir schlagen uns die Nächte um die Ohren und müssen trotzdem so früh aufstehen, obwohl wir Tokio vor diesen schrecklichen Bestien bewahren."

"Keine schlechte Idee", erwiderte ihre Freundin, während sie Usagi um einen halben Meter hinter sich ließ. "Wie wäre es, wenn du gleich zum Rektor gehst und ihm sagst: Guten Tag, ich bin Usagi Tsukino, und ich kann mich in SailorMoon verwandeln. Gestern habe ich wieder DemonSeed bekämpft, und dafür hätte ich heute gerne schulfrei."

"Es wäre zumindest gerecht", maulte Usagi und holte Makoto wieder ein.

"Gerecht, gerecht, wäre die Welt gerecht, hätte sich der Abiturient nicht von mir getrennt... Oder es gäbe nicht schon wieder eine neue Bedrohung." Sie vergrößerte ihren Vorsprung auf Usagi.

"Oh nein, nicht das noch. Wir kommen wirklich zu spät", jammerte sie und überholte nun ihrerseits Makoto.

"Ich hasse diese Wettrennen am Morgen", keuchte Makoto und erreichte kurz hinter Usagi das Schultor.
 

Usagi hatte es gerade so geschafft. Nur eine Minute später, und die Schultore wären bereits geschlossen gewesen. Was vielleicht nicht das Schlechteste gewesen wäre, dann hätte sie sich nicht im Kunstunterricht langweilen müssen. Aquarelle malen, war sie denn ein Künstler? Das Motiv war frei wählbar, aber ihre Zeichenkünste eher bescheiden. Außerdem ging ihr immer wieder eines durch den Kopf. Dieser Gedanke an Endymion. Den ganzen Tag dachte sie schon an ihn, nicht an Mamoru oder Tuxedo Mask. Es schien, als würde ihr dieser Gedanke etwas sagen wollen. Als wäre ein tieferer Sinn dahinter, dass sie gerade Mamorus lang vergangene Identität in ihren Gedanken trug, aber sie verstand diese Botschaft nicht. Es musste etwas Wichtiges sein. Und es hatte mit Endymion zu tun, nicht mit Tuxedo Mask. Es musste also schon lange der Vergangenheit angehören. Vielleicht war es wichtig im Kampf gegen die neue Bedrohung, diese geheimnisvolle DemonSeed?

"Usagi. Das ist aber hübsch", sagte ihre Kunstlehrerin. "Und das mit so wenigen Pinselstrichen. Zwei kämpfende Samurai, verfangen im ewigen Duell. Ich wusste gar nicht, dass du so gut malen kannst."

Usagi sah auf. Verwundert betrachtete sie das Bild vor sich. "Aber nein", widersprach sie. "Es sind nur zwei Krieger, die Seite an Seite stehen, um eine große Gefahr abzuwenden..."

Verwirrt besah sie sich das Bild genauer. Hatte sie das gemalt? Vielleicht hatte sie in Gedanken versucht, Endymion zu Papier zu bringen... Aber nein, keiner der beiden sah so richtig aus wie er, obwohl eine gewisse Ähnlichkeit bestand.

"Na, wie auch immer. Damit hast du dir diesmal ein E verdient."

"Na, immerhin etwas", brummelte Usagi, und war in Gedanken schon wieder bei Endymion...

***

Es war bereits später Nachmittag und die sanfte Frühlingssonne bestrich Tokio mit ihrer Wärme. Es waren viele Menschen unterwegs, um die Sonne zu genießen. Und nicht wenige erklommen die Stufen der großen Treppe, die auf den Hügel zum alten Hikawa-Tempel führte. Einige, um etwas von den Göttern zu erbitten, einige, um einen Talisman zu kaufen, und wiederum einige, die einfach nur die herrliche Aussicht von hier oben genießen wollten. Und eine war dabei, die sich scheinbar sehr gut im Tempel auskannte. Sie winkte einem alten Priester freundlich zu und betrat das Innere des Tempels, der für Besucher eigentlich gesperrt war.

"Hallo", sagte Ami Mizuno leise, als sie das abgelegene Zimmer im Hikawa-Tempel betrat. Rei Hino, der das Zimmer gehörte, lächelte das Mädchen mit den dunklen Haaren an. "Hi. Setz dich. Minako wollte auch gleich da sein. Weißt du zufällig, ob Usagi wieder zu spät gekommen ist und nachsitzen muss? Nicht, dass wir wieder auf sie warten müssen."

Ami legte einen Stapel Bücher, ihre ständigen Begleiter, auf dem niedrigen Tisch ab und kniete sich davor auf ein Sitzkissen. "Es war sehr knapp heute Morgen. Aber ich glaube, sie und Makoto haben es gerade so geschafft."

"Was? Makoto auch? Dann könnten wir das Treffen ja gleich vergessen. Auf Usagi können wir zur Not ja verzichten, aber auf Makoto..."

"Rei", tadelte Ami die Freundin. "Du wolltest doch nicht mehr schlecht über Usagi reden."

"Ich weiß, ich weiß. Die Macht der Gewohnheit. Außerdem haben wir ein wirklich ernstes Problem, nicht? Die DemonSeed ist gefährlicher als es den Anschein hat."

"Hallo, Ihr zwei", klang eine Mädchenstimme vom Eingang herüber. "Habe ich was verpasst?"

Rei winkte die Freundin herein. "Aber nein, Minako. Wir haben noch gar nicht angefangen. Usagi ist noch gar nicht da. Sie war heute Morgen wieder mal zu spät…" "Rei!" "...und Makoto auch. Scheint, als müssten wir noch etwas warten."

***

Die DemonSeed... Wenn Akira ehrlich war, hatte er nicht wirklich dran geglaubt, dass es nur eine Zeitungsente war - er hatte es inständig gehofft. Dieses Wort verschaffte ihm eine Gänsehaut, machte ihn reizbar und aggressiv. Was, wenn es wahr war? Motoki war kein weltfremder Spinner. Man konnte ihm glauben, mal ganz abgesehen von seiner Verletzung. Und wenn es wahr war, was konnte er selbst tun? Und warum zum Henker glaubte er bloß, dass gerade er etwas tun konnte?

Für heute hatte Akira genug von der Uni. Noch vor der letzten Vorlesung verließ er das Gebäude und wanderte umher. Zu viel war in letzter Zeit passiert, und durch die Albträume hatte er nicht gerade viel Schlaf bekommen. Wie lange er umher gewandert, nein, geirrt war, wusste er später nicht mehr zu sagen, als er endlich stehen blieb und sich umsah. Sein Weg hatte ihn in einen kleinen Park in einem Wohnviertel geführt. Es hätte schlimmer kommen können.

Auf einem sanften Hügel in der Nähe des kleinen Parks erhob sich ein traditioneller Tempel. Es war vielleicht nicht verkehrt, dort für einen besseren Schlaf zu beten oder ein Schutzamulett zu kaufen. Wenn es vielleicht nichts nützte, so konnte es doch auch nichts schaden.
 

Plötzlich hielt ein blauer Porsche direkt neben ihm. Die Fahrerin, eine schlanke Frau mit brandroten Haaren und einem sehr engen, kurzen blauen Kleid stieg aus. Sie musterte Akira abschätzend und sagte schließlich: "Du könntest es sein."

"Was, bitte? Kann ich Ihnen vielleicht helfen?"

"Du könntest in der Tat Tuxedo Mask sein."

Verwirrt sah Akira die Frau an. "Tuxedo-wer? Ich verstehe nicht."

Die Frau lachte und warf dabei den Kopf zurück, so dass ihr Haar in einer roten Fontäne nach hinten stiebte.

"Oh, du wirst verstehen... Ob du nun Tuxedo Mask bist oder nicht." Ihre rechte Hand fuhr nach oben. Ein bläuliches Licht begann sich darum zu sammeln. "DemonSeed... Eile herbei und nimm Besitz von jenem hier!"

Die Frau senkte die Hand, richtete sie direkt auf Akira.

Das blaue Leuchten wurde intensiver und raste plötzlich in einer blauen Spirale auf den jungen Mann zu. Das Leuchten erfasste ihn und warf ihn meterweit zurück. Es drang in ihn ein, und Akira schrie, schrie vor Angst. Oh, er wusste genau, was nun kommen würde, noch während die DemonSeed in seiner Brust wütete. Aus der Angst wurde Schmerz, er schrie nur noch lauter.

Die Frau lachte dazu. Sicherlich hatte sie dieses Schauspiel schon öfters gesehen, aber anscheinend hatte sie den Spaß daran noch nicht verloren...
 

Dann war da ein lautes Zischen, die DemonSeed trat aus der Brust ihres Opfers wieder aus, sie floh regelrecht vor ihm, drang in den Erstbesten ein, der gerade in der Nähe war. Ein harmloser Passant war das Opfer. Unter dem Einfluss der DemonSeed verwandelte er sich schnell in den Albtraum dessen, was ihn im Leben am meisten beschäftigte, bewegte und aufwühlte. Der Mann war leidenschaftlicher Briefmarkensammler, und so verwandelte er sich in ein Zerrbild von einem Philatelisten. Am ganzen Körper mit Briefmarken bedeckt, in den Händen riesengroße, messerscharfe Pinzetten. "Doch nicht auf den!", fluchte die Frau. "Ihn solltest du befallen! Ihn!"

"Philaton!", brüllte der Youma verständnislos.

"Das gibt es nicht. Noch niemandem ist es gelungen, die DemonSeed abzuwehren. Nur dir, du...."

Doch Akira war verschwunden. "Na toll", seufzte sie und stieg wieder in ihren Wagen. "Hör zu, Philaton, sammle so viel Lebensenergie, wie du bekommen kannst, und bring sie dann in unser Versteck. Dann ist dein Einsatz wenigstens nicht völlig vergebens. Und pass auf, dass dir die SailorKrieger nicht folgen. Notfalls opferst du dich."

"Philaton!", brüllte der Youma wieder.

Mit quietschenden Reifen fuhr die Frau los und war bald außer Sicht.

Das Monster erfüllte derweil seine Aufgabe, ergriff die Menschen mit seinen Pinzetten und saugte ihnen dabei ihre Lebensenergie ab. Die Schreie der Gequälten hallten schaurig durch den Park, der noch vor kurzem dem Frieden und diesem schönen Tag gehört hatte...
 

"Halt", rief da eine feste Stimme. "An so einem herrlichen Tag wollen die Menschen spazieren gehen, die Frühlingssonne genießen und etwas Zeit mit ihren Lieben verbringen. Ich kann dir nicht gestatten, diese glücklichen Momente zu zerstören. Ich bin SailorMoon, und im Namen des Mondes werde ich dich bestrafen."

"Und ich bin SailorJupiter. Wir machen dich fertig, Monster."

"Aber Jupiter", tadelte SailorMoon ihre Kampfgefährtin. "Was ist denn das für eine Ausdrucksweise?"

"Aber ist doch so", SailorJupiter zuckte die Achseln. "Wir machen ihn fertig."

"Philaton!", brüllte das Monster und warf mit dem linken Arm eine der Pinzetten nach SailorJupiter. Sie sprang zur Seite.

Der Youma schoss mit dem anderen Arm die Pinzetten wie Projektile ab. SailorMoon wich davor zurück, vor ihr im Boden zog sich eine Spur der rasiermesserscharfen Greifinstrumente dahin.

"Höre mich an, Schutzplanet Jupiter. Mache Wolken, mache Sturm und schick mir deinen Donner. Donnerschlag...", Blitze zuckten aus heiterem Himmel auf Jupiters Diadem herab. Plötzlich schien sie diese Blitze in der Hand zu halten. Sie schien sie werfen zu wollen wie eine Bowlingkugel. "...flieg!"

Der Donnerschlag raste auf den Youma zu, traf aber nicht. Das Monster wich aus und feuerte wieder eine Pinzette auf SailorJupiter, die es nicht so recht glauben konnte, dass der riesige Youma so leicht hatte ausweichen können. Die Pinzette erwischte sie, umschloss sie und badete ihren Körper in Elektroschocks. Schreiend ging sie in die Knie, während die Stromstöße sie peinigten.

"Philaton!", brüllte das Monster erneut und feuerte wieder eine Salve auf SailorMoon. Wieder wich sie zurück, stolperte über einen Stein. Die Garbe der scharfen Pinzetten raste direkt auf sie zu, als...

Die Salve kam nie an. Sie wurde auf dem Weg zu ihr einfach gestoppt. "Tuxedo Mask", hauchte SailorMoon, als sie zwischen sich und dem Monster im Gegenlicht eine Hochgewachsene Gestalt mit Umhang sah. "Du hast mich gerettet."

"Ich bin nicht Tuxedo Mask", sagte er und drehte sich zu ihr um. Nein, der da trug keinen Smoking und auch keinen Zylinder, es sah mehr nach einer blauen Uniform aus. Seltsam, SailorMoon konnte seine Augen nicht erkennen. Es schien, dass seine weißen Haare so weit über sein Gesicht ragten, dass alles bis zur Nase in Schatten gehüllt war. "Wer... wer bist du?"

"PHILATON!"

"Später!", rief der Fremde, sprang zu SailorMoon und riss sie mit sich, weg von einer weiteren Salve. "Kannst du den Youma vernichten?"

"Was? Ja, ich...."

"Dann tue es."

"Aber SailorJupiter ist noch in seiner Gewalt. Wir müssen das Monster erst schwächen, bevor ich es zurückverwandeln kann. Dazu brauchen wir ihre Kraft."

Der Fremde in der blauen Jacke nickte ihr zu. Er griff zur goldenen Spange, die auf seiner Brust befestigt war. In seiner rechten Hand verwandelte sie sich in einen schnell rotierenden Diskus. Ohne ein Wort zu sagen warf er die Waffe mit unheimlicher Präzision. Die goldene Scheibe durchtrennte die Pinzette, die SailorJupiter immer noch mit Elektroschocks quälte. Ermattet sank sie in sich zusammen, während der Diskus zum Fremden zurückkehrte und sich dort wieder in die Spange verwandelte und über seinen halben Brustkorb spannte.

"Philaton", rief das Monster wieder und feuerte eine weitere Salve auf SailorMoon. Sie konnte ausweichen.

"Auf SailorJupiter müssen wir wohl vorerst verzichten", rief der Fremde.

"Gebt... mir nur einen Augenblick", kam es schwach von Jupiter. "Dann geht es wieder."

"Verdammt, ist die zäh", Der Fremde schien beeindruckt zu sein.

"Wir müssen den Youma solange ablenken", rief SailorMoon aufgeregt und wich einer weiteren Salve der tödlichen Pinzetten aus.

"Ablenken, ja, eine gute Idee. Und wie, bitte schön?", erwiderte der Unbekannte und wich seinerseits einer jener Pinzetten aus, die SailorJupiter fast zum Verhängnis geworden waren.

"Philaton!", brüllte der Youma erneut und feuerte wieder eine Garbe seiner rechten Hand ab. Der Fremde konnte SailorMoon gerade noch aus der Schusslinie stoßen und stand nun selbst in der Gefahrenzone. Er drapierte den Umhang vor sich und wartete ab, was da kommen würde. Einmal war er stärker gewesen als die Waffe des Dämons. Er hoffte, dass seine Kraft noch einmal reichen würde.

Doch soweit kam es nicht. Noch bevor die Garbe ihn erreichte, zischte eine rote Rose von wer weiß woher heran und traf den rechten Arm des Youmas. Die Waffe des Monsters explodierte, und der Youma sank klagend auf die Knie.

"Philaton!", rief er gequält.

"Ein Tag wie dieser ist zu schön, um ihn mit deinem Anblick zu verderben. Er ist einzig jenen vorbehalten, die diesen Tag auch genießen wollen."

"Tuxedo Mask", hauchte SailorMoon und sah hoch auf einen nahen Laternenpfahl. Dort stand er, mit Smoking, schwarzem Umhang, schwarzen Zylinder und seiner weißen Maske. Er lächelte und winkte SailorMoon beruhigend zu.

SailorMoon lächelte auch, sie glaubte nun, das Monster sei besiegt. In ihrer Hand hielt sie plötzlich ein Zepter mit dem sie die Gefahr beseitigen wollte, doch langsam aber sicher begann sich die Waffe des Youmas zurück zu bilden.

"Philaton!", brüllte das Monster, als sich seine Waffe wieder regeneriert hatte, und feuerte eine Salve auf den Neuankömmling ab. Doch noch bevor die Pinzetten abgefeuert waren, hatte Tuxedo Mask seinen Platz bereits verlassen.

"Nett, wirklich nett. Hast du noch mehr drauf als Rosen zu werfen und coole Sprüche zu klopfen?", rief der Blaugekleidete.

"Ein bisschen mehr", erwiderte Tuxedo Mask. "Es wird reichen müssen."

In seinen Händen hielt er einen Spazierstock. Wieder raste eine Salve dieser Pinzetten auf ihn zu, Tuxedo wirbelte seinen Stock herum und wehrte sie so allesamt ab. Doch der Youma ließ sich davon nicht beeindrucken. Von einem Augenblick zum anderen sprang er vor und begrub den überraschten Tuxedo unter seinem Körper. "Philaton!", brüllte er und richtete den rechten, den tödlichen Arm auf den Maskierten.

"Tuxedo Mask!", rief SailorMoon in höchster Not.

Der Fremde sprang heran, wurde vom linken Arm des Youmas beschossen und konnte ausweichen, jedoch nicht ganz. Ein Ende der Pinzette erfasste ihn am Bein und riss ihn zu Boden, wo er benommen liegen blieb. Sofort griff der Fremde zur linken Brust, um seine Waffe werfen zu können, doch jemand anderes kam ihm zuvor.

"Es reicht jetzt wirklich, Monster. Ich bin nicht in der Stimmung, um mich weiter von dir aufhalten zu lassen. Und erst recht nicht werde ich zulassen, dass du meine Freunde bedrohst." SailorJupiter erhob sich wieder, und es war eine Geste voller Kraft und Wut, die den Youma stocken ließ. "Donnerschlag, flieg!"

Diesmal wich der Youma nicht aus. Die Waffe des Jupiters traf ihn genau am linken Arm, riss das Monster von Tuxedo Mask fort und zerstörte diese Waffe. Kurz darauf schleuderte der Blaugekleidete erneut seine Spange, sie traf den rechten Arm und vernichtete die andere Waffe.

"Philaton!", klagte der Youma.

"Jetzt du, SailorMoon", rief Tuxedo, der sich eilig fort gerollt hatte, raus aus der Reichweite des Monsters, um nicht vielleicht noch im letzten Augenblick einfach zerquetscht zu werden.

Der kleine Blondschopf nickte ernst. Sie nutzte die Kraft ihres Zepters und rief: "Macht des Mondes, verwandle es zurück."

Vom Zepter ging ein Schauer aus Energie und Farben aus und hüllte das Wesen ein. "Philatoooon!", schrie es in höchster Not.

SailorJupiters Miene verzog sich zu einem zynischen Grinsen. Die Elektroschocks waren mehr als schmerzhaft gewesen, und sie gönnte dem Monster alles, was es jetzt davon zurück bekam.

"Phila..." Es gab einen grellen Lichtblitz, der die Umrisse des Youmas nachzeichnete. Kurz darauf hatte es sich in den Unglücklichen zurückverwandelt, der dieser unheilvollen DemonSeed zu nahe gekommen war. Erschöpft sank der Mann zu Boden, während aus seiner Brust die blau leuchtende DemonSeed austrat.

Die teuflische Schöpfung versuchte in die Luft aufzusteigen, doch es gelang ihr nicht mehr. Die eigene Kraft begann die DemonSeed von innen heraus zu verzehren.

Stille senkte sich über den Park. Nicht einmal die Bewusstlosen, denen der Youma die Energie geraubt hatte, gaben einen Laut von sich.
 

"Es ist vorbei", sagte Tuxedo Mask leise. "Diesmal."

"Danke, dass du uns geholfen hast, Tuxedo Mask. Diese DemonSeed ist viel stärker als die Sorte, mit der wir es ansonsten zu tun haben."

"Das habe ich gemerkt, SailorJupiter. Geht es?"

"Bin schon wieder in Ordnung", prahlte sie und rieb sich die rechte Faust. "Es braucht schon ein wenig mehr um mich zu beeindrucken, als ein paar Dutzend lächerlicher Elektroschocks."

SailorMoon ging zu dem Mann, der dieser teuflischen Brut als Körper gedient hatte. "Es geht ihm gut. Er ist nur etwas erschöpft. Auch den Menschen, denen er die Lebensenergie entzogen hat geht es wieder einigermaßen. Sicher kommen gleich die ersten Krankenwagen. Wir sollten jetzt gehen. Für die Menschen hier ist gesorgt."

Der Blaugekleidete trat neben sie. "Fürchtet Ihr etwa die Polizei?"

"Nein, das nicht. Aber sie würden uns Fragen stellen, die wir nicht beantworten können, also gehen wir ihnen von allein aus dem Weg", sagte Tuxedo Mask anstelle von SailorMoon.

Neben ihm stand SailorJupiter, angeschlagen, aber mit zorniger Miene und gewillt, keine Schwäche zu zeigen.

"Danke, Fremder. Wenn du etwas Zeit hast, bitte ich dich, mit uns zu kommen. Vielleicht kannst du uns etwas Neues über diese Gefahr erzählen, was wir noch nicht wissen", sagte Tuxedo Mask mit ruhiger Stimme.

Der Weißhaarige nickte. "Welche Richtung?"

SailorMoon lächelte und sagte nur: "Mir nach."

Sie sprang in mehreren meterhohen Sätzen davon und verschwand in einem Wäldchen am Fuß des nahen Hügels, auf dem der Tempel thronte. SailorJupiter folgte ihr in ähnlich langen Sätzen. Auch Tuxedo Mask suchte auf diese Weise den Schutz des Waldes auf. Der Fremde jedoch... Es schien, als verwische sein Bild, als würde er durch ein unsichtbares Tor verschwinden.

"Wo ist er? Kommt er doch nicht?", fragte SailorMoon und sah sich suchend um.

"SailorMoon, du glaubst es nicht, aber er ist bereits da oben, auf dem Hügel. Mann, ist der schnell", hauchte Jupiter leise. Es klang beeindruckt.
 

Nun waren sie zu siebt. Fünf SailorKrieger, Tuxedo Mask und er, der Unbekannte.

"Wer weiß, ob wir ihm trauen können", flüsterte SailorMars Tuxedo zu. "Vielleicht wurde er ausgeschickt, um uns zu infiltrieren, oder so. Wäre ja nicht das erste Mal, oder?"

Sie waren immer noch im Wald am Rand des Tempels. Der Blaugekleidete hatte es sich auf einem umgestürzten Baumstamm bequem gemacht und unterhielt sich angeregt mit SailorVenus. Das heißt, die Kriegerin mit den langen blonden Haaren redete und er hörte zu.

"Wer weiß? Wir sollten ihm zumindest nicht zu misstrauisch begegnen, immerhin könnte er ein Freund, ein Verbündeter sein."

"Sag ich doch die ganze Zeit", rief SailorMoon und schlug dem Weißhaarigen auf die breite Schulter. "Er ist ein Freund, das erkenne ich doch sofort."

"Hm", machte SailorMars. "Du hast damals ja auch gleich erkannt, dass Ale und Ane Außerirdische waren, nicht?"

Böse sah SailorMoon zu ihrer Freundin herüber. "Okay, ich habe es nicht gesehen. Aber immerhin hatte ich recht mit meinem Gefühl, dass sie nicht wirklich böse waren, oder?"

"Das ist ein Argument", erwiderte die schwarzhaarige Kriegerin.

SailorMoon wollte sofort etwas erwidern, bis sie merkte, dass Mars ihr Recht gegeben hatte. Verdutzt beschloss sie zu schweigen.

"Ob er nun ein Freund oder ein Feind ist, das wird die Zeit zeigen", sagte SailorMerkur, die bisher stumm geblieben war. Sie aktivierte ihre Scan-Brille, indem sie auf ihren linken Ohrring drückte. Sie betrachtete den Fremden eingehend und kontrollierte immer wieder die Daten, die in ihrem kleinen Computer zusammen liefen.

"Also, in einem Punkt kann ich euch beruhigen. Er ist definitiv ein Mensch, kein Youma. Und die Energie, die er benutzt, unterscheidet sich stark von den Energien, denen sich unsere eigentlichen Feinde bedienen."

"Also gehen wir erst mal davon aus, dass er zumindest kein Feind ist."

Der Fremde fuhr hoch und sah sich suchend um. "Habt Ihr etwa noch jemanden hier versteckt? Wer hat da gesprochen?"

Vor SailorMoon lief eine schwarze Katze entlang. Auf der Stirn trug sie einen goldenen Halbmond, und als SailorMoon sie auf die Arme nahm sagte das Tier: "Danke, dass du den SailorKriegern geholfen hast. Das da unten war ein neuer Typ von DemonSeed, ein stärkerer, gefährlicherer Typ. Vielleicht etwas dümmer. Bisher ließ sich die Seed mit zwei, drei Kriegern vernichten, aber ab sofort werden wir das gesamte SailorTeam dafür brauchen."

Der Blaugekleidete grinste. "Ich werde verrückt. Die Katze kann sprechen."

"Ist es gut, ihm all unsere Geheimnisse anzuvertrauen?", fragte eine andere Stimme. Aus einem der Bäume kletterte eine weiße Katze herab und schlenderte zu SailorVenus.

Der Fremde schien ehrlich überrascht. "Zwei sprechende Katzen? Wow."

"Ich bin ein Kater", beschwerte sich die weiße Katze. "Mein Name ist Artemis. Ihr Name ist Luna. Willst du uns nicht deinen Namen sagen?"

Der Fremde lächelte. Es sah etwas merkwürdig aus, denn noch immer lagen seine Augen unter diesem undurchdringlichen Schatten. "Nennt mich Iskander. Später einmal, wenn die Zeit dazu reif ist, werde ich vielleicht mehr verraten. Irgendwann, werden wir einander mehr vertrauen, dessen bin ich sicher. Vielleicht erfahre ich dann auch mehr über euch."

"Das wird die Zeit zeigen", erwiderte SailorMerkur kühl. "Also gut, nennen wir dich Iskander. Kannst du uns irgendetwas sagen, was dir an diesem Youma besonderes aufgefallen ist? Wie ist er entstanden? Wer hat ihn auf die Spaziergänger im Park gehetzt?"

"Es war alles sehr verworren. Ihr müsst wissen, ich habe erst heute von der DemonSeed gehört. Und prompt hält neben mir ein blauer Sportwagen, eine Frau mit brandroten Haaren steigt aus und schleudert die DemonSeed in mich."

"Was? Die DemonSeed hat dich befallen? Aber... aber...."

"Ich weiß nicht so recht warum, aber sie konnte sich in mir nicht halten, SailorMoon. Irgendetwas in mir hat sie wieder ausgestoßen. Daraufhin befiel sie den Nächstbesten, der unglücklicherweise des Weges kam, und die Rothaarige ist wieder verschwunden."

"Chrysanthia", stellte Tuxedo Mask tonlos fest. "Schon wieder sie. Wir sollten beim nächsten Mal darauf achten, dass wir sie auch ausschalten."

"Chrysa-wer?"

"Chrysanthia. Sie war es, die die erste DemonSeed gestreut hat. Seitdem haben wir sieben der Youmas vernichtet, die sie gesät hat. Der heute war Nummer acht."

"Mir fällt da übrigens gerade etwas ein, Tuxedo Mask. Als diese Chrysanthia die DemonSeed auf mich losließ, hatte sie gesagt, ich könnte es sein."

"Könntest was sein?"

"Ich könnte Tuxedo Mask sein."

Betroffen schwiegen sie alle, Entsetzen breitete sich aus. "Die... DemonSeed war auf mich... abgerichtet?", flüsterte Tuxedo Mask ungläubig.

SailorMoon berührte ihren Freund sanft am Arm. "Keine Angst, wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um diesmal unseren Beschützer zu beschützen, Tuxedo Mask."

"Das ist es nicht", erwiderte er mit rauer Stimme. "Wenn unser Feind eine DemonSeed auf mich abrichten konnte, dann sicher auch auf euch... Auf alle, und wir wissen nicht, was mit uns passiert, wenn uns eine Seed befällt, die gemacht wurde, um uns zu übernehmen."
 

"Wasserstrahl, flieg!" SailorMerkur setzte ihre Waffe ein, Ziel war der Unbekannte, der sich Iskander nennen ließ. Der wich aus, sprang in die Luft und landete sicher einige Meter entfernt.

"SailorMerkur, was sollte das?", rief SailorJupiter aufgebracht. "Iskander ist ein Freund."

"Mein Computer hat an seinem Energiefeld eine ungewöhnliche Resonanz erfasst. Ich wollte kein Risiko eingehen und ihn daran hindern, was immer er vorhatte."

"Feuerringe, fliegt... und siegt!" Die Waffe des Mars zerstückelte den Stamm eines Baumes, traf Iskander aber nicht. Der war erneut gesprungen und diesmal weit entfernt gelandet. SailorMars setzte ihm nach, ebenso SailorVenus.

Iskander war schnell und geschickt. Als Venus ihre Feuerherzen einsetzte, wich er aus und zog einen Zeigestab aus seiner Uniform, der in seiner Hand plötzlich auf die Länge eines Floretts anwuchs. Wie ein Degenfechter kavierte er die Feuerherzen und schleuderte sie anschließend zu SailorVenus zurück, die von der Kraft des Wurfs zu Boden gerissen wurde.

"Feuerball...."

Iskander warf sich herum, der Feuerball zuckte nur eine Handbreit entfernt an ihm vorbei... und erhellte dabei den Schatten, der über seinen Augen lag. Verdutzt hielt SailorMars inne.
 

"Es reicht jetzt!", rief SailorMoon. "Wie kann man sich nur so hysterisch aufführen? Bisher hat er nichts getan, was uns gefährden würde, ja, er hat an unserer Seite gekämpft, und Ihr..."

"Genau", kam ihr SailorJupiter zu Hilfe. "Ich glaube auch nicht, dass Iskander ein Feind ist. Er hat sein Leben für uns riskiert. Hört auf, Mars und Venus. Und du auch, Merkur."

SailorMars kehrte zu den anderen zurück und sagte: "Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube, wir können ihm vertrauen."

"Und die Resonanz?", beharrte SailorMerkur trotzig. "Vielleicht bereitete er sich darauf vor, eine Waffe gegen uns einzusetzen!"

Iskander erschien plötzlich wie aus dem Nichts vor der Kriegerin. Er trat so nahe an sie heran, dass Merkur unbewusst in Kampfhaltung ging. Doch davon ließ er sich nicht beeindrucken.

"Was du da angemessen hast, SailorMerkur", sagte er und schlug seinen Zeigestab in die linke Handfläche, "...war mein Versuch, mich zurück zu verwandeln. Ich wollte euch mit Ehrlichkeit begegnen und jetzt doch den ersten Schritt dafür tun, indem ich euch verrate, wer ich wirklich bin."

Trotzig reckte Merkur das Kinn vor. "Das behauptest du."

Erstaunt sah Iskander sie an und begann laut zu lachen. "Du hast Recht. Du hast nicht einen Beweis, der meine Worte unterstützt. Also werde ich wohl Taten für mich sprechen lassen müssen. Prüfe mich, SailorMerkur, so gut du kannst. Und wenn du irgendwann zu der Erkenntnis kommst, dass ich ein Freund bin, erwarte ich eine Entschuldigung."

Er wandte sich von der SailorKriegerin ab, die von seinen Worten überhaupt nicht beeindruckt war und ihn immer noch misstrauisch beäugte.

"SailorMoon, entschuldige, aber ich denke es ist besser, wenn ich mich zu einer passenderen Gelegenheit demaskiere. Auf bald."

"Warte, Iskander. Wie finden wir dich, wenn wir deine Erfahrung brauchen? Du hast mit uns gegen die erste DemonSeed der neuen Art gekämpft."

Iskander wandte SailorMoon sein Gesicht zu. Ein spöttisches Lächeln zierte die sichtbaren Züge. "SailorMoon, ich habe das dumme Gefühl, dass unsere Schicksale miteinander verwoben sind. Ich werde da sein, wenn ihr mich braucht - falls ihr mich braucht."

Der fremde Krieger verschwand mit einem schnellen Sprung im Wald.
 

"Ich weiß nicht, warum wir ihn haben gehen lassen", zischte SailorMerkur. "Erst sagt er uns, er wolle sich erst zu einer besseren Zeit demaskieren, dann behauptet er, dass er sich doch gleich hatte zurückverwandeln wollen... Das ist doch alles so... so..."

"Meinst du nicht, dass du etwas übertreibst, Merkur?", tadelte SailorJupiter. "Warum nur bist du Iskander gegenüber so misstrauisch? So aufgeregt kennen wir dich sonst gar nicht."

Merkur errötete leicht und senkte den Kopf. "Entschuldigt. Ich wollte nicht gehässig sein oder Misstrauen säen. Es ist nur, irgendwas an ihm... macht mich wütend und vorsichtig. Ich bin misstrauisch und bleibe es auch."

"Hm, das ist dein gutes Recht, Merkur", erwiderte Jupiter.

SailorMoon sah in die Runde und sagte leise: "Ich bin mir sicher, du irrst dich, Merkur. Er ist bestimmt nicht böse."

Tuxedo Mask nickte. "Zumindest heute war er es nicht. Ich gebe Iskander Recht. Lassen wir seine Taten sprechen."
 

3. Dämonen
 

"Ah, Chrysanthia, meine Liebe. Ich hoffe, du berichtest mir von einem Erfolg."

Das dunkle Gewölbe klang wider von wundervoller Geigenmusik. Die Lichter waren so weit gedämpft, dass die einsame Gestalt, die im Sessel, dem einzigen Möbelstück in der Halle saß, fast vollkommen mit der Finsternis verschmolz. Chrysanthia konnte nicht einmal sagen, ob ER die Augen geöffnet hatte oder ob ER einfach gespürt hatte, dass sie leise eingetreten war.

Sie verneigte sich und zur Sicherheit noch etwas tiefer und länger als ER es von seinen Untergebenen eigentlich verlangte.

"Ein Misserfolg?", riet ER und kalte, nackte Angst fuhr durch ihre Gliedmaßen. Es fehlte nicht mehr viel, und sie würde ersetzt werden - durch eine frischere, stärkere Kämpferin. Diese Biester drängelten ohnehin schon die ganze Zeit um ihre Chance, in seinem Namen Ruhm im Kampf zu erwerben.

"Ja, Herr, aber es war kein ganzer Misserfolg!"

"Dann hat dein Youma also Lebensenergie für den großen Plan in unser Versteck gebracht?"

Chrysanthia fiel sicherheitshalber auf die Knie. "Leider nicht, Herr. SailorMoon, SailorJupiter, Tuxedo Mask und ein fremder Krieger haben meinen Youma besiegt."

ER fuhr aus seinem Sessel hoch. Die Musik brach ab. Gefährlich leise sagte er: "So, so. Du hast den Youma, den wir extra erschaffen haben, damit er Tuxedo Mask befällt, verloren. Und du berichtest mir von einem neuen Kämpfer auf Seiten der SailorKrieger. Verzeih mir, aber ich verstehe deine Worte nicht, Chrysanthia. Wie kann das kein völliger Misserfolg sein?"

Sie sah schüchtern auf. "Nun, Herr, ich habe etwas Unglaubliches beobachtet. Das Opfer, von dem ich annahm, er sei Tuxedo Mask, hatte alle Kriterien erfüllt, die wir von Tuxedo erwartet haben. Student, intelligent, körperlich gut in Form, überlegt und etwas überheblich. Ich bin sogar soweit gegangen, die Silhouetten beider übereinander zu legen. Sie stimmten zu fast neunzig Prozent überein."

"Hm", kam es von ihm. Für den Moment war er interessiert... Eventuell gab ER ihr doch noch eine Chance. "Sprich weiter, Chrysanthia."

"Ich folgte ihm von der Universität aus durch die Stadt. Er spazierte nach einiger Zeit in jenen Stadtteil, in dem die SailorKrieger besonders aktiv waren. Ich dachte, das wäre der letzte Beweis und schlug zu. Ohne Gnade setzte ich ihn der DemonSeed aus, sie fuhr in ihn und ergriff von ihm Besitz."

"Und dann kam SailorMoon mit ihrem Tuxedo Mask vorbei und hat den Youma wieder zurückverwandelt."

"Nein, Herr. Es war ganz anders. Hätte... hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich würde es nicht glauben. Der junge Mann, den ich zum Ziel gewählt hatte, hat die DemonSeed... ausgestoßen."

"ER HAT WAS?"

Hilflos sah sie ihn an. "Ich kann es nicht besser erklären. Anstatt ihn in einen Youma zu verwandeln ist sie wieder ausgetreten. Die Seed ist regelrecht geflohen."

"Hm", machte ER und rieb sich nachdenklich am Kinn. "Vielleicht war die Seed nicht bereit. Vielleicht habe ich die Fähigkeiten einer Potentialreduzierten Seed auch nur überschätzt, und sie kann niemand anderen als ihr eigentliches Ziel übernehmen."

"Nein, Herr, das war es nicht. Kaum dass sie ausgetreten war hat die DemonSeed den Nächstbesten überfallen und ihn in einen Youma verwandelt. Die Seed hat funktioniert, sie hat nur nicht diesen jungen Mann übernehmen können.

Kurz nachdem sich die DemonSeed in ihr neues Opfer zurückgezogen hat, kamen SailorMoon und SailorJupiter, und haben die Seed bekämpft. Sofort darauf tauchte der fremde Krieger auf und kurz danach auch Tuxedo Mask."

"Kann es sein? Haben wir einen neuen Feind durch unsere DemonSeed enttarnt? Oder hat sich Tuxedo Mask als zu stark erwiesen?" ER trat direkt vor Chrysanthia. Seine Augen funkelten gefährlich aus der Dunkelheit zu ihr herüber.

"Was meinst du, Chrysanthia? War es Tuxedo Mask?" Sie wandt sich unter seinem Blick. "Ich... ich kann es nicht sagen, Herr. Es kann auch sein, dass wir den neuen Krieger erweckt haben. Ich würde zumindest vorschlagen, dass wir uns auf ein neues Ziel konzentrieren, bis wir wissen warum die Seed versagt hat."

ER nahm wieder in seinem Sessel Platz. Die Gefahr für ihr Leben, die unmittelbare Gefahr war vorbei.

"Wen schlägst du vor?"

"Ich dachte an SailorMerkur. Intelligent, taktisch begabt, das Gehirn der SailorKrieger. Wenn wir sie ausschalten, schwächen wir die SailorKrieger empfindlich."

ER lachte erst leise, dann immer lauter, bis der Saal von seinem Gelächter widerhallte. "Du hast sicher schon jemanden ermittelt, der SailorMerkur sein könnte, nicht wahr, Chrysanthia? Du würdest mich doch nicht etwa enttäuschen wollen?"

"Oh, nein, Herr. Da ist in der Tat ein Mädchen, hochintelligent, selbstsicher und mit der Fähigkeit, ihren Verstand auch praktisch einzusetzen. Das Ziel für die nächste DemonSeed heißt... Ami Mizuno."

Die Geigenmusik erklang wieder und schwoll an, bis sie den gesamten Saal erfüllte. ER lachte dazu, laut, lauter, immer lauter, bis sein Lachen, sein krudes, selbstzufriedenes Lachen sogar die Musik übertönte.
 

4. Am Haken
 

Es war ein ruhiger Abend. Die Sonne ging gerade unter. Die Möwen kreischten leise über dem Hafen, und das Wasser der Bucht von Tokio schwappte rhythmisch gegen den Kai. Es war ein friedliches, Ruhe erzeugendes Bild, und beinahe hätte Rei Hino diesem Bild nachgegeben und sich in einem harmlosen Tagtraum verloren. Sie seufzte leise und sank mit dem Kopf auf ihre Arme, die auf dem Geländer ruhten, das den gesamten Kai umgab.

"Also, wir haben zwei neue Probleme." Rei stieß sich vom Geländer ab und sah ihre Mitstreiter an. "Zum einen versucht unser neuer Feind uns mit Hilfe seiner DemonSeed gezielt auszuschalten. Und wir wissen nicht, was mit einem von uns passiert, wenn eine DemonSeed ihn befällt, geschweige denn was geschieht, wenn die Seed auf ihn abgestimmt ist.

Zum zweiten haben wir einen Neuen in unserem Revier. Hat jemand eine Ahnung, wer er sein könnte?"

Makoto ließ sich ihr gegenüber auf einer Parkbank nieder und fragte: "Du meinst, wir kennen ihn womöglich?"

"Genau das. Vielleicht ist er jemand aus unserem Bekanntenkreis. Ich meine, wenn wir etwas mehr über ihn erfahren, wissen wir vielleicht eher, ob wir ihm vertrauen können."

"Hm." Usagi machte ein ratloses Gesicht. "So auf Anhieb...tut mir Leid, mir fällt da keiner ein. Oder... Motoki vielleicht?"

Minako kicherte leise. "Usagi, ich bitte dich. Doch nicht Motoki."

"Und wieso nicht? Kannst du mir das mal erklären?"

Ami kam ihrer Freundin zu Hilfe. "Nun, Iskander hat uns gesagt, dass ihn die DemonSeed angegriffen hat. Erst danach hat er sich verwandelt. Aber Motoki ist bereits mehrfach angegriffen worden, nicht nur von der DemonSeed. Wäre er Iskander, dann hätte ihn schon längst etwas erweckt."

"Aber die Seed war noch nicht in ihm", beharrte Usagi trotzig.

"Das ist ein Argument", sagte Rei und drehte sich wieder zum Hafenbecken. Wieder legte sie die Arme auf das Geländer und bettete ihren Kopf darauf. Nachdenklich sah sie dabei zu, wie sich der Horizont langsam mit der Schwärze der Nacht anfüllte. "Also, ich bin dafür, dass wir diese Möglichkeit zumindest ausschließen. Einer von uns sollte Motoki überwachen."

Makoto sprang auf. "Ich mache das schon."

Usagi sah die Freundin an. "Und es hat bestimmt keinen persönlichen Hintergrund, dass gerade du Motoki checken willst?"

Abwehrend hob Makoto die Arme und lächelte verlegen. "Nein, nein, ganz bestimmt nicht. Es ist nur so, dass ich gerade Zeit habe, und..."

"Schon gut, Makoto. Wenn du unbedingt zu Motoki gehen willst - bitte. Immerhin hast du ihm kürzlich das Leben gerettet. Wenn er dich erwischt, kann er unmöglich sauer auf dich sein", sagte Usagi und winkte ab.

Minako starrte sie mit großen Augen an. "Wow. Von Ami hätte ich so was ja erwartet, aber von dir, Usagi... Bist du krank?"

"Wieso? Nur, weil ich eine gute Idee habe?"

"Nein", sagte Rei und kam zu ihnen herüber. "Weil du überhaupt mal eine gute Idee hast."

"Rei...", mahnte Ami.

"Was denn?", erwiderte die unschuldig. "Es war doch eine gute Idee. Oder?"

Usagi zog ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich über dieses Lob freuen soll..."

***

SailorJupiter beobachtete Motoki jetzt schon seit einiger Zeit. Es deutete nichts darauf hin, dass er etwas anderes war als der Motoki, den sie schon seit Monaten kannte. Er saß da in seiner Wohnung, las ein wenig und knabberte ein paar Snacks. Natürlich war die Wohnung wieder mal vollkommen in Unordnung. Motoki nannte das `gemütlich´. Sie bevorzugte den Ausdruck `unüberschaubares Chaos´. Vielleicht sollte sie mal zufällig vorbei schauen und dieses Inferno auf Vordermann bringen. Bei der Gelegenheit konnte sie sicherlich herausfinden, ob Motoki im Moment eine Freundin hatte... Keine wäre ihr am liebsten gewesen. Oh, sie hätte hier noch stundenlang bleiben und ihn beobachten können...

"Jupiter?" Sie aktivierte ihr Kommunikationsgerät. "Ja?"

"Hier ist Merkur. Man hat Iskander auf dem Tokio Tower entdeckt. Er scheint dort auf etwas zu warten. Du kannst aufhören, Motoki zu beobachten. Er ist definitiv nicht Iskander."

Jupiter seufzte entsagungsvoll. "Ist gut. Ich komme zum Tower."

"Nein, brauchst du nicht. Mamoru will gehen. Minako und ich werden ihm heimlich folgen, um zu hören was die beiden besprechen. Bereite du dich lieber auf die Schule morgen vor. Merkur Ende."

Jupiter beendete die Kommunikation und unterdrückte ein Lachen. "Immer noch die gleiche Ami. Auf die Schule vorbereiten..." Sie warf einen letzten Blick auf den lesenden Motoki und verschwand dann in der jungen Nacht.
 

Im Appartement kramte Motoki aus seiner Jacke derweil den silbernen Zierstab hervor, den ihm heute dieser Fremde gegeben hatte, dieser Typ, bei dem man nicht die Augen sehen konnte.

"Du wirst es brauchen können", hatte er gesagt. Und war verschwunden. Motoki wusste nicht, was genau er davon halten sollte, aber immer, wenn er den Stab in die Hand nahm, da hatte er das Gefühl, dass er etwas... Wichtiges war.

Plötzlich begann der Stab in seiner Hand weiß aufzuglühen. Das Glühen erfasste seine Augen und drang in sie ein. Als es erlosch, da...

"Ich verstehe", murmelte Motoki leise. Aber warum ausgerechnet er? Warum nicht Mamoru oder Akira? Oder sonst jemand anderes? Warum er?
 

5.

Gefechte
 

Es war Nacht über Tokio. Doch dunkel wurde es hier nie. Es war immer etwas los, die Blechlawinen der Autos rollten zu jeder Tageszeit durch die breiten Straßen der Stadt, mal mehr, mal weniger, aber immer waren sie unterwegs. Man konnte sie sehen, hier oben auf dem Fernsehturm, und zum Glück brauchte man sie nicht zu hören, bis auf ein unterschwelliges Brummen.

Aber ihre Lichter sah man, die Scheinwerfer, die in dem Gemälde der Straßenbeleuchtungen und dem Licht aus den Fenstern der vielen Wohnungen umher strichen und dem Bild etwas surrealistisches verliehen - als würde sich auf Erden der Sternenhimmel spiegeln und unzählige Sternschnuppen und Kometen waren in ihm unterwegs.

Akira drapierte den weißen Umhang wie einen Mantel um die Schultern. Es war kalt hier oben. Nicht so kalt wie er erwartet hatte. Es schien, dass ihn etwas vor der Kälte beschützte, sobald er sich verwandelt hatte.

Diese Verwandlung...er verstand sie immer noch nicht. Als die DemonSeed in ihm gewesen war, da hatte sie... etwas berührt, etwas angetastet, was in ihm geschlafen hatte, vielleicht schon viel zu lange geschlafen hatte. Oder vielleicht hatte es noch schlafen sollen, er war sich da nicht so sicher.

Es ließ sich nicht leugnen, dass er jetzt diese Kraft hatte, diese Uniform, diese Spange die so eine mächtige Waffe war... und diesen Zeigestab. Akira zog den unterarmlangen Stab hervor und konzentrierte sich auf ihn. Plötzlich begann der mattschwarze Gegenstand zu wachsen, bis er die Länge eines Degens hatte. Spielerisch schwang er den Stab herum. Er lag gut in der Hand und war eine nette Waffe. Akira spürte aber, dass da noch etwas im Stab schlummerte, eine Kraft, die er noch gar nicht entdeckt hatte.

Was hatte es mit all dem auf sich, mit den SailorKriegern und ihren Feinden? Was war Lebensenergie, und warum war jemand so verrückt danach, dass er sogar Dämonen auf Menschen losließ? Wessen Kampf war es? Vielleicht sein eigener, vielleicht aber hatte er kein Recht, einzugreifen und gar parteiisch zu sein.

Akira wusste es nicht. Er wusste nur, dass ihn eine unbegreifliche Macht in diese Uniform hüllte, wenn er `Iskander erwache´ sagte. War es die gleiche Macht wie bei den SailorKriegern? Teufel, er konnte es nicht sagen. Bis heute hatte er sogar nicht mal gewusst, dass es sie wirklich gab.

Er brauchte mehr Informationen, und das so schnell wie möglich.
 

"Tuxedo Mask, schön, dass du kommen konntest", sagte Iskander und ließ seinen Zeigestab wieder schrumpfen.

Der Maskierte ließ sich aus einer Höhe von zehn Metern direkt neben ihn fallen. "Woher hast du gewusst, dass ich es bin?"

"Ich habe es nicht gewusst. Ich habe geraten. Immerhin wollte ich dich hierher locken, darum standen die Chancen nicht schlecht für mich. Hast du Zeit?"

"Du wolltest mich herlocken? Wieso?"

"Hast du Zeit? Wenn ja, erfährst du es."

Tuxedo nickte. "Ich habe etwas Zeit mitgebracht. Worum geht es?"

"Nein, nicht hier. Wenn meine Anwesenheit auf dem Tokio Tower dich anlocken konnte, dann gewiss auch einen Feind. Wer weiß, vielleicht auch ein paar SailorKrieger. Ich würde gerne allein mit dir reden - ganz allein."

"Kann ich dir vertrauen?"

Iskander reichte dem Maskierten seinen Zeigestab. "Behalte ihn als Pfand."

"Also gut. Wohin?"

"Einfach mir nach. Es gibt da den einen oder anderen Ort, wohin uns heimliche Lauscher nicht folgen können."

Iskander sprang in die Luft, Tuxedo Mask folgte ihm. Zwei, drei Sekunden später lösten sie sich einfach auf.
 

Ungefähr dreißig Meter höher schlug eine frustrierte Chrysanthia auf das Metall des Fernsehturms und fluchte dabei undamenhaft. Ein paar Augenblicke noch versuchte sie, eine Spur der beiden zu entdecken, dann verschwand sie wieder. Hier gab es nichts mehr zu gewinnen.
 

Fast direkt unter ihr hockte eine frustrierte SailorVenus. "Hast du das gehört, Merkur? Heimliche Lauscher, pah. Was für ein arroganter Kerl."

"Was soll's, er hat ja recht. Wir wollten heimlich lauschen. Es ist nur sehr schade, dass wir jetzt nichts erfahren werden."

"Tuxedo Mask wird uns schon berichten, was Iskander gesagt hat."

"Wenn er nicht gerade in eine Falle läuft", gab Merkur zu bedenken, doch sie bereute ihre Worte noch im gleichen Moment. Bestimmt war Tuxedo Mask keiner Gefahr ausgesetzt. Nicht er, das Licht der Erde.

***

Verblüfft sagte Tuxedo Mask: "Das ist ja die andere Seite des Towers. Du hast recht, hierhin wird uns niemand folgen."

Iskander ließ sich auf einer der Streben nieder und zog den Umhang eng um den Leib. Tuxedo setzte sich neben ihn. Auffordernd sah er den Weißhaarigen an.

"Es geht um mich, Tuxedo. Ich bin mir nicht sicher, was ich machen soll. Liegt mein Schicksal darin, den SailorKriegern zu helfen, oder vielleicht im Gegenteil? Vielleicht sollte ich mich sogar ganz raus halten. Das heute Nachmittag war nur Glück, musst du wissen. Ich habe meine Kräfte und Waffen instinktiv eingesetzt, ohne zu denken. Ich weiß nicht einmal, ob ich das nächste Mal ebenso handeln kann... Ob ich nicht einfach an einen Stärkeren gerate und dabei draufgehe.

Lohnt sich das Risiko überhaupt? Lohnt es sich, mein Leben für die SailorKrieger zu riskieren? Ja, bin ich ihnen überhaupt eine Hilfe, oder werde ich zu einem Störfaktor?"

Verzweifelt sah Iskander zu Tuxedo herüber.

Der zuckte die Schultern. "Ich kann nicht für dich entscheiden, was richtig oder falsch ist, mein Freund. Ich bin dir zu Dank verpflichtet, weil du SailorMoon beschützt hast, und ich wäre dir auch zu Dank verpflichtet, wenn du uns gegen die DemonSeed helfen würdest.

Aber es ist wahr, dies ist sicher nicht dein Kampf. Meiner, ja, SailorMoons, ja, aber deiner... Vielleicht solltest du dich wirklich bemühen, neutral zu bleiben."

Akira ließ den Kopf sinken. "Dass du so etwas sagen würdest, habe ich nicht erwartet, Tuxedo Mask. Ich dachte mehr daran, dass du für die Sailor sprechen würdest. Es hätte mir einiges vereinfacht."

Der Maskierte sah den Weißhaarigen an. "Entschuldige, Freund, dass ich nicht dein Gewissen sein kann, dass ich dir diese Entscheidung nicht abnehmen kann. Aber für das was du tust, bist im Endeffekt nur du allein verantwortlich. Also musst du die Entscheidungen darüber was du tust auch allein treffen. Denn nur dann wirst du dich wirklich daran gebunden fühlen und sie auch befolgen."

Iskander nickte. "Das leuchtet mir ein. Entschuldige...Freund, ich bin noch neu im Geschäft."
 

Sie schwiegen daraufhin einige Zeit. Schließlich meinte Iskander: "Sag mal, wie bist du da rein gerutscht? Oder ist das ein Geheimnis?"

Tuxedo lächelte still. "Nein, kein Geheimnis. Weißt du, ich kenne SailorMoon aus einem früheren Leben. Ich bin an sie gebunden, und sie an mich. Es klingt vielleicht etwas kitschig, aber wir lieben uns schon seit ewigen Zeiten."

Iskander schüttelte den Kopf. "Nicht kitschig, nur unglaubwürdig. Aber nach dem was ich heute alles erlebt habe gibt es nichts mehr, was mich überraschen könnte. Ein früheres Leben? Und du erinnerst dich daran? Erzählst du mir davon?"

Wieder lächelte Tuxedo Mask. "Wieso nicht? Es ist kein Geheimnis. Aber meine Erinnerung ist lückenhaft.

Weißt du, es begann, als das SilverMillennium, ein mächtiges Königreich, dass sich auf unserem Mond befand damit begann, Krieger zur Erde zu senden, die versuchen sollten die allgegenwärtigen Youmas zu bändigen.

Das Risiko war groß für die Kämpfer des Mondes, denn solange sie auf der Erde weilten entblößten sie den Schutz von Königin Serenity und des SilverMillenniums. Aber es lohnte sich, denn fast alle Dämonen wurden zurückgedrängt und bezwungen. Nur ein Dämonengeneral, Metallia, entkam und konnte sich verbergen, um im Verborgenen für seine Rache Kraft zu sammeln. Für die Erde aber brach zum ersten mal Frieden an, ein Frieden, der..."

Verzweifelt sah Tuxedo zu Iskander herüber, der fasziniert gelauscht hatte.

"Tut mir Leid, ich erinnere mich nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wie der Frieden war. Ich weiß nur noch, wie eines Tages einer der Krieger des Mondes, ein Mann, nicht älter als ich, an meinem Hof rastete. Damals war meine Mutter die Verwalterin des SilverMillenniums auf der Erde, wir hatten also des Öfteren Krieger des Mondes zu Besuch.

Er hatte dieses Bild dabei, dieses wundervolle Bild von diesem unwiderstehlich schönen Mädchen. Ich war fasziniert und bestürzt zugleich, als mir der Krieger sagte, dass es ein Bild von Prinzessin Serenity war, der designierten Herrscherin des SilverMillenniums, und ich sie niemals würde sehen können..."

Iskander grinste breit. "Klingt nach einem schweren Fall von Liebe auf den ersten Blick."

"Das war es auch. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie überredete ich den Krieger, mich mitzunehmen wenn er auf den Mond zurückkehrte... Er hat es tatsächlich getan, mich zum Mond gebracht... Mir Prinzessin Serenity vorgestellt...Es war mehr als nur Liebe auf den ersten Blick, für uns beide. Es war, als seien wir füreinander geschaffen worden.

Damals war uns nicht viel gemeinsame Zeit vergönnt gewesen, unsere Treffen fanden heimlich statt, und meistens unter der Aufsicht von Prinzessin Serenitys Garde, den SailorKriegern.

Und dann... Dann griff Metallia wieder an und überzog die Erde mit Krieg und die Menschen in seinen teuflischen Bann... Wieder sandte das SilverMillennium seine besten Krieger auf die Erde, doch Metallia und seine Kriegssklaven griffen stattdessen den ungeschützten Mond an, die letzte Bastion der Menschlichkeit. Das SilverMillennium wurde..."

"Vernichtet, nicht? Die Prinzessin und du, ihr starbt füreinander, und kurz darauf opferte die Königin ihr Leben, um Metallia zu ver.... Was siehst du mich so an, Tuxedo, ich habe geraten. War es nicht so?"

"Fast. Jedenfalls müsstest du jetzt verstehen, warum ich... warum mein Herz immer an SailorMoons Seite schlagen wird, die einst Serenity war.

Wie wirst du dich entscheiden, mein Freund?"
 

Iskander stand auf und warf den Umhang über die Schulter. Nachdenklich, mit einem kleinen Lächeln sah er auf das nächtliche Tokio hinab. "Eingemischt habe ich mich nun mal, nicht? Also habe ich bereits Partei bezogen."

"Außerdem bist du der Erste, der die DemonSeed abwehren konnte."

"Ja, das auch. Aber ich denke, es gibt noch einen wichtigeren Grund. Ich sollte nach meinem Herz entscheiden. Und das sagt mir: Beschütze SailorMoon und die SailorKrieger."

Schwungvoll warf sich der Weißhaarige herum. "Tuxedo Mask, rechne mit mir. Ich bin jetzt überzeugt, dass ich das Richtige tue, wenn ich den SailorKriegern helfe."

"Du schließt dich uns an?"

"Nein, das nicht. Ich helfe euch, wann immer ich es kann. Erwarte von mir nicht, dass ich mehr vollbringen kann - aber auch nicht weniger." Iskander streckte die Hand aus und sagte: "Danke, Tuxedo Mask. Du hast mir sehr geholfen."

Er erwiderte: "Jeder Mensch hat sein eigenes Schicksal. Wenn das deine hilft, die Gefahr der DemonSeed zu vernichten, will ich zufrieden sein." Lächelnd ergriff er die Rechte des Gegenübers und schüttelte sie kurz.

"Hier, dein Pfand, Krieger." Tuxedo Mask gab Iskander seinen Stab zurück, legte rechten Zeige- und Mittelfinger zum Gruß an die Stirn und verschwand mit einem Sprung in der Nacht.

Iskander verstaute den Stab in seiner Uniform und verließ den Tower dann ebenfalls - diesmal in der Gewissheit, dass er das richtige tat, und dass er diese Nacht keinen Albtraum haben würde.
 

6. Retter
 

Oh, es war so ein schöner Tag. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten... und die Schule wartete.

Ami Mizuno, sonst ein Musterbeispiel an Pünktlichkeit war heute etwas spät dran, deshalb hatte sie kein rechtes Auge für die morgendliche Pracht. Es war eben gestern etwas lang geworden, als sie zusammen mit Minako auf dem Tokio Tower diesen neuen Krieger hatte observieren wollen...

Und dann war ihr auch noch eingefallen, dass sie zwar den nächsten Tag frei hatte, aber ihre Kurse warteten. Also hatte sie noch ein wenig gelernt nachdem die Sache auf dem Tower danebengegangen war. Ärgerlich. Iskander schien gewusst zu haben, dass sie das Treffen hatten belauschen wollen.

Na, es war ja auch keine Schwierigkeit gewesen, so etwas vorauszusehen. Deshalb hatte dieser Fremde noch lange keine kognitiven Fähigkeiten.

Überhaupt war dieser Neue ein Buch mit sieben Siegeln, fast schon ein rotes Tuch. Wenn sie nur wüsste, wieso seine Gegenwart sie so auf die Palme brachte.

Lag es vielleicht daran, dass Iskander ein Idiot war? Nein, er handelte sicher und folgerichtig. Lag es daran, dass er zu viele Fehler beging? Nein, nicht mehr, als jeder andere Mensch auch.

Was also war es? Weshalb hasste sie Iskander fast schon, obwohl sie ihn nicht kannte? Wieso schaffte er es, sie allein durch seine Anwesenheit derart zur Weißglut zu treiben? Was hatte der Krieger, dessen Augen man nicht sehen konnte, an sich?

Rei hatte ja mit ihrem Feuerball den Schatten über Iskanders Augen erhellen können. Ami war sich sicher, dass sie auch gesehen hatte, was sich darunter verbarg, aber die Freundin konnte nicht einmal sagen, welche Augenfarbe der Krieger hatte. Konnte sie es nicht, oder wollte sie es nicht?

Je länger sie darüber nachdachte, desto schlechter wurde ihre Laune. Missmutig blieb sie stehen und sah sich um. Die Blumen blühten, die Vögel zwitscherten, selbst die Autos schienen heute etwas leiser als sonst zu sein. Trotzdem war ihr Tag verdorben. Und sie war immer noch sauer auf Iskander. Doch langsam mischte sich ein neues Gefühl in ihre Empfindungen, etwas anderes. Verwundert stellte sie fest, dass es Angst war. Und die Angst begann langsam in ihr zu wachsen, bis...
 

Direkt neben ihr quietschten Reifen. Ein blauer Porsche hielt neben ihr. Die Fahrerin stieg aus und lächelte sie an, in etwa so, wie Usagi ihr zweites Frühstück betrachtete.

"Jaaa", sagte sie und strich ihr brandrotes Haar über die Schulter zurück. "Du könntest es sein, Ami Mizuno."

Chrysanthia. Das war Chrysanthia, ihre derzeit ärgste Feindin, die Frau, die mit ihrer DemonSeed bereits so viel Angst und Schrecken in Tokio verbreitet hatte.

"Wie?", rief Ami. "Könnte was sein?"

Chrysanthia stieß ihre Rechte nach oben. Ein blaues Leuchten entstand aus dem Nichts und umstrich ihre Hand, umfing sie und tanzte an ihr bis zum Handgelenk herab und wieder hinauf bis zu den Fingerspitzen. DemonSeed. Fasziniert betrachtete Ami deren Tanz an Chrysanthias Hand. "Du könntest wirklich SailorMerkur sein. DemonSeed, ergreife von ihr Besitz!"

Ami reagierte sofort und warf sich herum, wich der Seed aus. Niemals durfte diese Seed von ihr Besitz ergreifen. Niemals.

Die blaue Spirale aus Staub und Energie verharrte kurz auf der Stelle, an der sie sich eben noch befunden hatte und schoss wieder auf sie zu. In höchster Not schrie sie auf. Was würde geschehen, wenn die Seed in ihr war? Würde sie so stark wie Iskander sein und die Seed bekämpfen können? Oder würde die Seed sie unterwerfen?

Und dann... Aus dem Nichts erschien ein energetischer Blast und erreichte die Seed, kurz bevor sie Ami berühren konnte. Die DemonSeed bäumte sich auf, wurde überzogen von elektrischen Entladungen, zuckte, immer wieder, bis ihre eigene Energie begann, sich selbst zu verzehren.

"Verdammt!", rief Chrysanthia enttäuscht. "Das darf doch nicht wahr sein. Aber warte, Ami Mizuno, ich habe noch eine DemonSeed für dich."

Auf dem Sims eines nahen Gebäudes erschien eine schlanke Gestalt, sah auf sie herab. Direkt hinter ihr stieg die Sonne empor, deshalb konnte Ami nicht mehr erkennen als die kurzen Haare und die kämpferische Pose, in die sich die Gestalt geworfen hatte.

"Was?", rief Chrysanthia überrascht.

Der Schattenriss des Fremden gestikulierte stumm, um die rechte Hand ballte sich ein Knäuel aus zuckenden, sich bewegenden Blitzen. Kurz darauf wurde das Knäuel geworfen, Chrysanthia konnte nur knapp ausweichen.

"Das werdet Ihr mir büßen", brüllte sie, stieg in ihren Porsche und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

Ami sah zu ihrem Retter empor und sagte: "Danke, wer immer... SailorUranus, bist du das?"

Direkt vor ihr sprang der Fremde herab - ein Mann, gekleidet in eine blaue Uniform. Er war sehr schlank, in den Schultern jedoch breiter als SailorUranus. Er trug eine weiße Maske, ähnlich wie Tuxedo Mask.

"Ich habe es gern getan, Ami Mizuno."

"Wieso kennst du mich?"

Er antwortete nicht darauf, verneigte sich vor Ami leicht und sprang davon. "Sei auf deinem Weg vorsichtiger und hüte dich vor dieser Frau. Ich kann nicht immer in der Nähe sein, um dich zu schützen", rief er, während er auf dem nahen Dach landete.

"Warte, wer bist du? Wie soll ich dich nennen?"

Er wandte sich ihr zu und lächelte. Es war ein warmes, sehr freundliches Lächeln, beinahe etwas verschmitzt. "Ich weiß nicht. Nenne mich... Nenne mich Gyes."
 

Einen Wimpernschlag später war er verschwunden. Einen langen Augenblick sah Ami auf die Stelle, an der er verschwunden war, bevor sie mit ihrem Computer Kontakt zu den anderen SailorKriegern aufnahm.

"Hier ist Ami. Ich wurde gerade von Chrysanthia mit DemonSeed angegriffen."

"Was?", rief Makoto bestürzt. "Geht es dir gut, Ami?"

"Mir ist nichts geschehen. Es ist mir jemand zu Hilfe gekommen. Ein Fremder, der sich Gyes nennt. Aber das ist nicht der Punkt. Chrysanthia hat mich gezielt angegriffen."

"Gezielt?"

"Ja, es ist so, Usagi. Sie hat gesagt, ich könnte es sein, und dann hat sie die DemonSeed auf mich gehetzt."

"Könntest was sein?"

"Ich könnte SailorMerkur sein...."

"Ami! Egal, was du heute vorhast, egal, was du gerade tust, vergiss es und komm sofort in den Hikawa-Tempel. Wir werden dort versuchen, dich zu schützen."

"Es ist wohl die klügste Lösung, Rei. Ich bin schon unterwegs."
 

Gyes sah Ami Mizuno noch nach, so weit er sie sehen konnte. Vielleicht war es klug ihr zu folgen. Vielleicht griff diese Frau erneut an. Oh, er kannte diese Fremde zur Genüge, und er hasste was sie tat: DemonSeed säen. Bereits einmal wäre ihm die Seed, nein, ein Besessener fast zum Verhängnis geworden. Vielleicht hatte er jetzt die Chance, sie daran zu hindern, so etwas erneut zu tun. Ein für allemal.

Doch bevor er sich auf den Weg machen konnte sagte eine feste Stimme hinter ihm: "Wir sollten uns dringend unterhalten, General." Gyes wandte sich um und sah den Kerl von gestern, der ihm diesen Stab gegeben hatte. Auch jetzt schienen seine Augen stets im Schatten zu liegen. Gyes nickte. "Wir müssen uns unterhalten, Kämpfer des Mondes."

***

Es war mittlerweile später Nachmittag. Alle fünf SailorKrieger hatten sich im Hikawa-Tempel versammelt.

Usagi gähnte breit. "Meint ihr wirklich, dass Chrysanthia noch kommt? Ich meine, wir warten jetzt schon seit Stunden auf sie."

"Warte mal, das kann ich nachprüfen. Du hast drei Portionen Reiskuchen verdrückt, dazu kommen noch die Schokoriegel... Usagi hat recht, wir warten wirklich schon stundenlang", stichelte Rei.

"Rei...", tadelte Ami leise, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken.

"Schon gut, schon gut. Also, furchtlose Anführerin, was schlägst du vor?"

"Wir sollten was essen gehen."

"Warum wundert mich diese Antwort nicht?", seufzte Makoto.

"Wieso nicht?", maulte Usagi. "Bei der Gelegenheit locken wir vielleicht sogar Chrysanthia raus, wir machen sie fertig und haben Ruhe."

Stille. "Hey, was seht Ihr mich alle so an? Was habe ich denn nun wieder angestellt?"

Minako schüttelte nur den Kopf. "Es muss was in der Luft liegen. Usagi hat eine gute Idee nach der anderen."

"Eine Idee? Hatte ich?"

"Ja, und sogar eine gute", erwiderte Ami. "Es ist richtig, wenn ich mich hier verstecke, dann zögere ich die Konfrontation nur hinaus. Aber wenn ich - wenn wir da hinausgehen und Chrysanthia eine Falle stellen, dann haben wir vielleicht erst mal Ruhe."

"Hm, klingt gut. Aber du solltest nicht als Ami raus gehen. Verwandle dich. Chrysanthia will ihre DemonSeed auf SailorMerkur ansetzen. Du brauchst sie ja nicht unbedingt mit der Nase drauf stoßen, dass ihr Verdacht richtig war."

"Du hast Recht. Ich verwandle mich und präsentiere mich an der Hafenmole. Sobald Chrysanthia auftaucht, greift ihr ein und wir haben sie."

"Das ist ein guter Plan", freute sich Usagi. "Verwandeln wir uns. Macht der Mondnebel...."

***

Es war bereits später Nachmittag, als Akira in Gedanken versunken durch die Innenstadt schlenderte. Viel war in letzter Zeit geschehen, und er brauchte die Ruhe, um über alles nachdenken zu können. Vor einer Woche hatte er nicht einmal gewusst, dass es die SailorKrieger überhaupt wirklich gab, und jetzt hatte er bereits Verantwortung für sie übernommen. Nein, er hatte sogar noch mehr getan und für einen weiteren Krieger Verantwortung übernommen. Er war es gewesen, der Gyes erweckt hatte. Die Resonanz damals in der Halle der Universität war zu deutlich, zu eindringlich gewesen, um ein Zufall zu sein. Gyes und er waren durch eine gemeinsame Vergangenheit verbunden. Auch Mamoru Chiba hatte eine deutliche Resonanz gezeigt. Akira würde ihn auch aufsuchen müssen, in Gefahr bringen müssen wie Motoki.

Und das war der wichtigste Punkt in der Geschichte. Er hatte bereits Gyes erweckt und in das Geschehen mitgerissen. Damit lag es an ihm, den Freund zu beschützen, koste es, was es wolle. Motoki hatte es verdient, einst an Altersschwäche zu sterben, und nicht in einem Kampf gegen DemonSeed, in den er selbst den Freund hineingezogen hatte. Für noch einen Freund, für noch einmal diese große Verantwortung war sein Kreuz eigentlich zu schwach. Andererseits wusste er, dass ihn mit Mamoru ebenso etwas verband wie mit Motoki.
 

"Akira", rief ihn jemand. Er wandte sich um und erkannte Mamoru Chiba und Motoki Furohata, die auf ihn zu kamen. "Hallo, Jungs."

"Es ist ein schöner Tag, nicht wahr?", sagte Mamoru. "Fast zu schön, um glauben zu können, dass ein Dämon gerade irgendwo dort draußen ist, den Körper eines Menschen beherrscht und ihm Lebensenergie entzieht."

"Ja, es ist kaum zu glauben", meinte auch Motoki und rieb sich den rechten Unterarm mit der fast verheilten Narbe.

"Was ist eigentlich Lebensenergie?" "Was?" "Ich habe gefragt, was Lebensenergie ist."

Mamoru sah Akira erstaunt an und hob hilflos die Schultern. "Das ist eine schwere Frage, weißt du? Ich weiß es selbst nicht so genau. Lebensenergie ist... ist wie eine Art Bio-Energie, die der Körper produziert."

"Ja, mit ihr kann man sich bewegen und so, Spaß haben und das Leben genießen", half Motoki aus.

Mamoru sah zum Freund herüber. "Spaß haben?"

"Na ja, Lebensenergie ermöglicht wohl Bewegung, und wer sich bewegen kann, der kann auch Spaß haben", verteidigte Motoki seinen Standpunkt.

"Also, wenn ich euch zwei Experten richtig verstanden habe, dann wird Lebensenergie vom Menschen selbst produziert. Entzieht man sie ihm, dann wird ihm etwas sehr wichtiges genommen, und das kann ihn sogar töten. Aber was Lebensenergie wirklich ist, das wisst Ihr zwei nicht, was?"

Die beiden grinsten Akira an. "Hast uns ertappt", gestand Motoki.

"Schade. Wenn wir diese Frage genau klären könnten, wüssten wir endlich, was ein Youma mit der Lebensenergie anfängt und hätten damit eine Möglichkeit gefunden, ihn zu vernichten."

Nachdenklich rieb sich Mamoru das Kinn. "Also, irgendwie redest du anders als gestern, Akira. Irgendetwas in deinem Denken muss sich radikal verändert haben. Warum sonst interessierst du dich plötzlich für Dämonen und Lebensenergie?"

Der weißhaarige Akira sah zu Motoki herüber, der unbewusst nickte. "Etwas hat sich in der Tat verändert, und das nicht nur für mich, Mamoru..." Das war das letzte Wort, das einer der drei sprach, bevor das Inferno losbrach.

***

Der Plan war an sich gut. SailorMerkur stand an der Hafenmole, trug ihre Scan-Brille und analysierte anscheinend das Bild der Tokioter Skyline nach Spuren der DemonSeed. In der Nähe verbargen sich die SailorKrieger, um Merkur rechtzeitig beistehen zu können.

"So, hier finde ich dich endlich", erklang Chrysanthias Stimme. "Na, dann kann ich ja meinen Auftrag endlich ausführen."

Merkur wirbelte herum. "Chrysanthia!"

"Schön, dass du dich freust, mich zu sehen", spottete sie und strich sich eine Strähne ihres Haars aus dem Gesicht.

"Wasserstrahl...." "Nicht doch", tadelte Chrysanthia. "Versuche nicht, dich zu wehren. Ich verspreche dir auch, dass es schnell gehen wird... Schnell und schmerzhaft."

"Halt", kam es da von hinten. "Ich bin auserwäh..."

"Später, SailorMoon. Chrysanthia kennt den Spruch schon."

"Hm, wie wäre es dann mit Im Namen des Mondes? Ja? Also, Chrysanthia, haben wir dich endlich. Und im Namen des Mondes wird dich Team Sailor für die Gräuel, die du getan hast, bestrafen. Was hat sie? Weint sie etwa?"

Verwundert sahen SailorMoon und die anderen die Feindin an. Diese hielt den Kopf tief gesenkt, ihre Schultern bebten. Es sah wirklich so aus, als würde sie weinen. Doch nein, es war ein leises Lachen. Und es wurde immer lauter, bis Chrysanthia ihren Kopf schwungvoll in den Nacken warf und lauthals lachte. "Oh, Ihr ahnungslosen Kinder. Da habt Ihr mir also eine Falle gestellt? Gut, ich bin in eure Falle gegangen. Aber dennoch habt ihr verloren. Denn ihr habt mir den Köder da gelassen."

Sie stieß ihre Rechte gen Himmel und rief: "DemonSeed..." Sofort entstand ein sanftblaues Leuchten um ihre Hand, das sich schnell zu einer wirbelnden Spirale formte. "...ergreife von ihr Besitz!"

Die blass-blaue Spirale verließ die Hand und raste in einem irrwitzigen Tempo auf SailorMerkur zu. Merkur selbst war wie erstarrt. Diesmal konnte sie nicht ausweichen. Diesmal kam auch kein leuchtender Diskus oder Blitzschlag aus dem Nichts, um die DemonSeed zu vernichten. Diesmal würde die Seed sie erwischen.

Als die DemonSeed in SailorMerkur eintrat stand die Zeit für einen Augenblick still. Entsetzen breitete sich auf den Gesichtern der vier anderen SailorKrieger aus. Chrysanthias Gesicht verwandelte sich in eine siegesgewisse Fratze. Zunächst aber geschah nichts mit SailorMerkur, außer dass sie auf die Knie sank und nach Atem rang. Ihre Rechte fuhr zu ihrer Kehle, die sich regelrecht zugeschnürt hatte, und mit der Linken stützte sie sich zusätzlich am Boden ab. Sie hustete ein- zweimal und sank dann kraftlos zusammen.

"M-merkur?", fragte SailorMoon vorsichtig. "Merkur, geht es dir gut?"

Als Antwort klang ein leises Lachen zu ihnen herüber. Merkur sah auf, und ihre Augen waren zu funkelnden roten Diamanten geworden, die den Hass selbst in sich geborgen zu haben schienen. "Ich bin nicht mehr SailorMerkur", sagte sie mit einer zuckersüßen Stimme, die vor Hohn überquoll. "Ich bin jetzt mehr. Weit mehr. Ich bin jetzt eine SeedQueen. Mein Name ist Tsunami."
 

Hundert Meilen östlich der japanischen Hauptinsel Honshu bäumte sich der Ozean auf, stieg aus seinem Bett zu einer gigantischen Säule, die schnell eine Höhe von dreihundert Metern erreichte. Die Säule hatte einen Durchmesser von stolzen drei Kilometern, und blieb für einen Herzschlag stabil. Schon beim zweiten Schlag ihrer Existenz neigte sie sich gen Westen und stürzte in den Ozean zurück. Erneut erhob sich die Säule, diesmal zu einer gigantischen Flutwelle, die mit aberwitziger Geschwindigkeit auf Japan zuraste, und wenn man die Linie ihres Weges genauer verfolgte, unbedingt die Bucht von Tokio treffen musste.

SailorMars stöhnte unterdrückt auf, als sie erkannte, dass es keine Schreckerfüllte Vision war, sondern die raue Wirklichkeit. Ein Fanal, geschaffen zur Geburt der ersten SeedQueen.

***

Akira Torah wandte sich zugleich wie unter Schmerzen. Etwas zehrte an ihm, riss sein Ich in tausend Fragmente. Er taumelte vorwärts und stieß gegen Mamoru Chiba. Ein Schrei rang sich aus seiner Kehle, unmenschlich, erfüllt vom ganzen Schmerz den ein Mensch empfinden konnte. Tokio würde zerstört werden, um die Geburt der ersten SeedQueen zu feiern. Deutlich sah er in seinem Geist die gigantische Flutwelle, die sich unaufhaltsam näherte. Der Distrikt Chiba auf der Tokio vorgelagerten Halbinsel, seine vielen Städte und letztendlich noch etliche Bezirke der Hauptstadt würden ebenfalls vernichtet werden, nachdem die Welle. über Chiba hinweg, durch die Bucht von Tokio und danach über die Hauptstadt hinweg geschossen war. Die Schäden würden unermesslich sein, und viele Millionen Menschen in den unbarmherzigen Fluten sterben müssen. Die Erkenntnis ließ sein Herz stocken. Wieder schrie er - nein, jemand anderes hatte geschrien. Akira verschloss sich vor der Vision und versuchte in seine Umgebung zurückzukehren.

Vor ihm war Mamoru zu Boden gesunken. Er hielt beide Hände an den Schädel gepresst und schrie, aber lautlos. Motoki stieß gegen ihn, auch er taumelte, war kaum Herr seines Gleichgewichts, und schrie, schrie seine ganze Angst hinaus. Um die drei herum waren die Menschen zusammengebrochen. Sie hatten das Schreckliche nicht ertragen, waren bereits lange zuvor ohnmächtig geworden, lange bevor sie verstanden hatten, was passiert war, was passieren würde.

"Sailor...Merkur...", stöhnte Mamoru. Das war es. SailorMerkur. Sie war die erste SeedQueen. Sie hatte diese Säule aus Wasser, die gigantische Flutwelle beschworen.

"Iskander, erwache!", rief Akira. Energie durchflutete seinen Leib, umschwärmte in glitzernden Spiralen seinen gesamten Körper, umspülte ihn mit goldenem Licht, dass ihn bis zum Hals zu verhüllen schien. Schließlich verschwand er ganz im Wirbel, und als er wieder hervortrat, tat er dies mit wehendem weißem Umhang, einer glitzernden goldenen Spange auf der Brust und einem stummen Lächeln. Die Rechte hatte er zum Gruß an die Stirn geführt.

"Warte. Wo willst du hin, Iskander?"

Akira wandte sich um. Tuxedo Mask war da. Sein Gesicht war bleich, doch er schien entschlossen und kampfbereit. "Du weißt es... Mamoru."

"Ja, ich weiß es", blaffte er. "Und ich hoffe, es wird nicht nötig sein."

Direkt neben Iskander trat Gyes heran. Er stellte sich an seine Rechte und sagte: "Wir werden tun, was immer nötig ist, Tuxedo Mask. All das, was du nicht kannst."

Iskander streckte die Hand aus und sagte: "Mamoru... Tuxedo Mask, Motoki und ich sind nur Anfänger, gesegnet mit gewaltigen Kräften, aber wir wurden gerade erst erweckt. Kämpfe Seite an Seite mit uns. Du hast die Erfahrung und findest vielleicht einen Weg, wie wir die SeedQueen besiegen können, ohne SailorMerkur zu vernichten oder halb Honshu von einer Tsunami zerstören zu lassen."

Tuxedo Mask legte seine Hand auf Iskanders Rechte. "Also gut, Iskander. Wir gehen zusammen."

"Zusammen", sagte auch Gyes und legte seine Hand dazu.

Zu dritt verschwanden sie im Nichts.

***

"Das kann nicht wahr sein", rief SailorMoon in höchster Not. "Merkur, das kann nicht sein. Das hast du nicht getan. Du kannst die Stadt doch nicht mit einer Flutwelle ausrotten. Merkur, komm zu dir."

Die SeedQueen lachte darüber, irre und laut. "Was kümmern mich die Würmer in dieser Stadt... USAGI?"

Erschrocken verharrten die SailorKrieger. Die diamantenen Augen der SeedQueen funkelten sie siegesgewiss an. "In dem Moment, in dem ich mit SailorMerkur verschmolz, übernahm ich auch ihre Erinnerungen. Ich weiß alles über euch. Usagi Tsukino. Makoto Kino. Rei Hino. Minako Aino. Selbst wenn Ihr der Zerstörung durch die Flutwelle entkommt, nirgends werdet Ihr vor mir sicher sein."

"Wir...wir müssen...", stammelte Jupiter zusammenhangslos.

"Was, Jupiter, was?"

"Wir müssen sie angreifen und..."

"Und besiegen?"

"Vielleicht, wenn wir sie schwächen. Vielleicht kann SailorMoon sie dann zurückverwandeln."
 

Direkt vor Jupiter bohrte sich eine Eissäule in den Boden. "Vorsicht, ich kenne euch und eure Gedanken. Ihr könnt mich nicht besiegen. Ihr müsstet mich schon töten, um mich aufzuhalten. Aber das werdet Ihr ja nicht tun, weil ich immer noch ein wenig... Ami Mizuno bin." Die SeedQueen lachte, lachte über die Hilflosigkeit der SailorKrieger. "Na gut, versucht mich zu besiegen. Vielleicht schafft Ihr es ja. Aber wie stoppt Ihr die Tsunami? Vielleicht nur, wenn Ihr mich tötet."

"Wir müssen es versuchen!", rief Mars und bereitete einen Bannspruch vor. Venus beschwor ihre Feuerherzen, um die SeedQueen zu fesseln. SailorMoon holte ihr Zepter hervor. Nur Jupiter tat nichts. Sie beobachtete.

Wieder fuhren Eissäulen in die Erde. Die erste Säule störte SailorMars' Konzentration. Die zweite konnte Venus nur abwehren, indem sie die Feuerherzen einsetzte. Eine weitere Säule schlug SailorMoon das Zepter aus der Hand.

"Du bist wirklich nicht mehr du selbst", sagte Jupiter tonlos.

Das Gesicht der SeedQueen wurde für einen Moment starr und nahm dann einen gequälten Ausdruck an. "Jupiter. Hilf mir. Bitte. Wenn die SeedQueen stirbt, dann wird die Flutwelle…" "Das wissen sie schon. Verfluchtes Luder. Stärker als ich gedacht habe", zischte Tsunami

Jupiter kniff die Augen zusammen, visierte die SeedQueen an. Die reagierte sofort, und bevor SailorJupiter ihren Donnerschlag benutzen konnte jagte eine angespitzte Eissäule auf sie zu. Erschrocken sahen die Krieger auf. Die SeedQueen hatte diese Waffe geworfen, um zu töten.
 

Kurz bevor sie jedoch das Ziel, SailorJupiters Brust, erreichte, zuckte eine rote Rose heran und zerstörte die Waffe. Tuxedo Mask sprang von einem nahen Baum herab und stellte sich schützend vor die SailorKrieger, die sich gerade wieder erholten. "Einst warst du ihre Freundin. Der Dämon kann all das nicht in dir vernichtet haben. Merkur, du bist stark. Du kannst es schaffen, den Dämon zu bezwingen."

Verdutzt sah die SeedQueen den Maskierten an... und begann zu lachen. "Deine Ablenkung ist sinnlos, Tuxedo Mask. SailorMoon hat ihr Zepter verloren und kann es nicht einsetzen. Dir bleibt nur eine einzige Chance, die Flutwelle zu bannen. Du musst diesen Körper vernichten."

Die SeedQueen lachte, laut, grausam und siegessicher. "Aber das kannst du nicht, nicht wahr? Nicht einmal um zwanzig Millionen Menschen zu retten."

Tuxedo Mask senkte den Kopf. "Du hast Recht, ich kann es nicht. Ich hoffe, ein anderer hat die Kraft zu dem, was ich nicht vermag."
 

Aus dem Nichts erschien ein Knäuel aus sich umzuckenden, überlagernden Blitzen, traf die SeedQueen genau in der Leibesmitte. Sie schrie auf und stürzte schwer zu Boden. "Wer...?"

"Ist das nicht egal?", rief Iskander und sprang neben ihr zu Boden. Er zog seinen Zeigestab, der sofort auf die Größe eines leichten Degens wuchs und schlug damit nach der Queen. Die wich aus und erschuf mit ihrer Kraft einen Eiszapfen, der ebenso lang und dünn war. Damit parierte sie seinen zweiten Schlag. "Du Narr", keuchte sie zwischen zwei Hieben. "Was, glaubst du, gibt dir eine größere Chance mich zu besiegen als jenen dort?"

Iskander fintierte kurz rechts und landete einen schmerzhaften Hieb auf ihrem rechten Bein. Die SeedQueen knickte ein. "Mein Vorteil ist, dass ich SailorMerkur nicht kenne. Ich kann sie töten."

Mit einem Aufschrei sprang die Queen zurück. "Das wirst du nicht. Die SailorKrieger werden es nicht zulassen. Dieser Körper gehörte einst zu ihnen."

Iskander sprang heran und landete einen schweren Hieb, der die Queen taumeln ließ. "Werden sie nicht."

Tatsächlich versuchte Tuxedo Mask sein Möglichstes, um die SailorKrieger am Eingreifen zu hindern. Doch wie lange konnte er sie noch zurückhalten?

"Du darfst sie nicht töten!", rief SailorMoon in höchster Not. "Merkur ist unsere Freundin!"

Die SeedQueen hatte keine Zeit sich zu freuen. Iskanders nächster Hieb zerschlug ihre Waffe und schleuderte sie selbst zu Boden. Dort verharrte die Queen bewegungslos. Für einen kurzen Augenblick erschien wieder die Vision der nahenden Flutwelle vor ihrer aller Augen. "Iskander", rief die Queen Panik erfüllt. Nein, es war SailorMerkur, die rief. "Iskander. Schnell, ich kann sie nicht mehr lange halten! Töte die SeedQueen, solange es noch geht!"

"Nein", rief SailorMoon. "Das darfst du nicht. Es gibt einen anderen Weg."

Iskander ergriff den Stab wie einen schweren Pflock und sprang in die Luft. Sein Ziel war der regungslose Körper von SailorMerkur, nein, der SeedQueen.

"Donnerschlag, flieg!", rief SailorJupiter und schleuderte ihre Waffe auf Iskander, um ihn an seinem Vorhaben zu hindern. Der Donnerschlag traf ihn und zuckte in ungezählten Bahnen über seinen Umhang hinweg, ohne ihn selbst aufzuhalten. Ein wütender Schrei entrang sich seiner Kehle, als er auf die SeedQueen wie ein Racheengel nieder fuhr.
 

Die Zeit fror ein. Im Osten sah man bereits die gigantische näher kommenden Flutwelle, SailorMoon schrie auf in höchster Not, Jupiter verfluchte ihre Schwäche, die nicht gereicht hatte, Iskander zu bezwingen, Mars wandte sich ab, um es nicht sehen zu müssen und Venus krallte sich in Tuxedo Masks Umhang, erfüllt mit Hass und Trauer. Und Tuxedo Mask selbst...begann in diesem Moment zu zweifeln. Doch es war zu spät.

Iskanders Miene wurde fest. Die SeedQueen, nein, SailorMerkur begann gelöst zu lächeln, hatte am Schluss doch noch der Merkur gewonnen.

Die Spitze des Stabes zuckte nur ein Haar breit an Merkurs rechtem Ohr in den Boden. Erschrocken, gefasst auf den Tod, hielt sie den Atem an, und die DemonSeed in ihr befand sich in heller Aufruhr.

"Einen Weg gibt es tatsächlich noch, Tuxedo Mask", sagte Iskander und drapierte seinen Umhang über sich und die SeedQueen. Es gab einen Schrei, so erbarmungswürdig und unmenschlich zugleich, dass kalte Angst die SailorKrieger erfasste. Kurz darauf sprang Iskander davon. Zurück blieb eine leblose Merkur.
 

Iskander wandte sich ihnen zu, und zum ersten Mal konnten sie alle seine Augen sehen. Augen, rotglühende, facettenreiche Diamanten. "Oh nein, die Seed ist in ihm."

Iskander lächelte kalt und sah nach Osten, wo sich noch immer die Tsunami erhob. "Die SeedQueen hat gelogen. Ihr Tod hätte die Flutwelle nicht aufhalten können, nicht einmal sie selbst hätte dies geschafft. SailorMoon, nimm dein Zepter, schnell."

"Warte. Er ist jetzt von der Seed besessen", rief SailorMars.

"Ja, aber er ist der einzige, der sich je gegen die Seed wehren konnte", erwiderte SailorMoon und trat neben Iskander.

"Das Beste wäre, wenn Ihr alle eure Kräfte vereinigt, aber ohne Merkur wird es nicht gehen, und ich weiß nicht, ob sie es überlebt hat. SailorMoon, richte dein Zepter auf die Flutwelle und versuche sie zu bannen."

"Okay. Und was machst du?"

"Ich benutze die Kraft, die der DemonSeed innewohnt. Und das hier."

Iskander hob den Zeigestab. Ein weißes Gluten hatte ihn erfasst.

"Macht des Mondes, vernichte die Flutwelle!" "Mondlicht, banne das Wasser. DemonSeed, gib mir deine Kraft."

Ein Strom reiner rosa Energie verließ SailorMoons Zepter. Auf halbem Weg zur immer näher kommenden Welle verschmolz sie mit einem weiteren Energiestrahl, der halb blau, halb golden schimmerte.

Wo sich die Energien trafen entstand ein Band in den Farben des Regenbogens. Das Band breitete sich aus, umschloss die näher kommende Tsunami und...

"Es... es funktioniert", hauchte Jupiter ergriffen.

Tuxedo Mask nickte kalt. Er zog unter seinem Mantel eine rote Rose hervor und fixierte Iskanders Rücken.

"Aber..."

"Falls die Seed doch stärker ist als er, Mars. Iskander hat mich darum gebeten."
 

Die Tsunami brach zusammen, einen Herzschlag darauf war die Gefahr für die Halbinsel, die Bucht von Tokio und die Hauptstadt gebannt, als hätte es sie nie gegeben..

"Wir haben es geschafft, SailorMoon", sagte Iskander und knickte in den Knien ein.

SailorMoon wollte zu ihm stürzen, doch Iskander wehrte ab. "N-nein, nicht, SailorMoon. Es... es ist..."

Schwere Krämpfe schüttelten ihn, wühlten sein Innerstes auf. Etwas in ihm wollte...wollte hinaus.

"Yaaaargh!"

Die Seed verließ seinen Körper und versuchte, nach oben zu entkommen. Doch noch bevor sie auch nur drei Meter Höhe gewonnen hatte, verzehrte sie sich in ihrer eigenen Energie.

Im gleichen Augenblick setzte sich Merkur ruckartig auf. Ihre Augen öffneten sich, diesmal keine Rotglühenden Diamanten. Verwundert stellte sie fest: "Ich lebe noch."

"Merkur", rief SailorMoon erleichtert. "Geht es dir gut?"

"Ich.. ich denke schon. Wie geht es Iskander?"

"Er lebt auch noch."

"Ich bin mir da nicht so sicher", erwiderte der Krieger, dessen Augen nun wieder im Schatten lagen. Noch immer krümmte er sich vor Schmerzen, aber immerhin, er lebte.

Tuxedo Mask half dem erschöpften Krieger wieder auf die Beine zu kommen, während die SailorKrieger Merkur umschwärmten und sich vergewisserten, dass es ihr auch wirklich gut ging.
 

"Wie rührend", rief da eine spöttische Stimme hinter ihnen. Sie fuhren herum. Chrysanthia stand dort und lachte über sie. "Meine SeedQueen, meine brillante SeedQueen, meinen Engel der Zerstörung habt ihr vernichtet, aber euer Preis dafür wird sehr hoch sein. Ich kenne nun eure Namen. Bereitet euch darauf vor, dass ich komme, um euch zu vernichten." Sie lachte, halb hysterisch, halb belustigt. "Aber.... Was hindert mich eigentlich daran, euch hier und sofort zu vernichten, solange SailorMoon entkräftet ist?"

SailorJupiter beschwor ihren Donnerschlag. Venus hielt bereits ihre Feuerherzenkette in der Hand und Mars schleuderte eine Salve ihrer Feuerringe auf die Feindin. "Wir sind es aber nicht!", rief Jupiter. Knapp nur konnte Chrysanthia den Feuerringen ausweichen.

"Komm nur, trau dich", rief Mars.

Spöttisch sah Chrysanthia zu ihnen herüber. "Oh, Ihr habt ja Zähne. Es würde Spaß machen, euch jetzt schon zu vernichten, aber ich will lieber auf Nummer Sicher gehen. Habt ab sofort Angst vor mir, jeden Schritt den ihr geht, jeden Augenblick, den ihr schlaft, denn vielleicht stehe ich bereits in der Nähe, um euch zu euren Ahnen zu senden." Wieder lachte sie, wich der Feuerherzenkette aus und sprang mit einem gewaltigen Satz davon. "Auf bald, SailorKrieger - auf sehr bald."

"Lasst sie nicht entkommen!", rief SailorMoon. "Sie weiß zu viel über uns!"

"Nein, wartet. Chrysanthia wird nicht weit kommen. Vertraut mir einfach."

"Hoffen wir, dass du recht hast, Tuxedo Mask", stieß Mars zwischen zusammengepressten Lippen hervor, während sie der davon eilenden Feindin nach sah.
 

Chrysanthia war in wahrer Hochstimmung. Gewiss, sie hatte die SeedQueen verloren, aber sie kam nicht mit leeren Händen zurück. Die Geistesreduzierten Youmas waren wirklich in der Lage, die SailorKrieger zu übernehmen und sich ihrer vollen Kraft zu bedienen. Diese Erkenntnis würde der DemonSeed einen wichtigen Vorteil im Kampf verschaffen. Außerdem wusste sie nun die Namen aller fünf SailorKrieger. Sie konnte ihre Feinde nun problemlos eine nach der anderen vernichten, und...

"So, so. Du bist also Chrysanthia", erklang eine Stimme vor ihr. Aus dem Nichts schälte sich ein hochgewachsener Mann in einer blauen Uniform hervor. Seine Haare waren dunkelblond und seine Augen unter einer weißen Maske verborgen. "Du bist schuld an den Attacken der DemonSeed."

"Wer... wer bist du?"

Ihr Gegenüber lächelte gering schätzend. "Nenne mich Gyes. Oder einfach jemanden, der dir nicht vergeben kann, was du getan hast."

"Warte. Wir haben keinen Streit miteinander. Du musst mich nicht bekämpfen."

Gyes zog den rechten Ärmel seiner Uniform zurück und präsentierte eine lange Narbe. "Das war deine DemonSeed, Chrysanthia. Ohne die SailorKrieger wäre ich jetzt tot. Aber auch wenn ich ihnen nicht verpflichtet wäre, ich würde alles tun, damit das Grauen, welchem du dienst, ein Ende hat."

Gyes zog den Ärmel wieder zurecht. Stumm senkte er kurz den Blick, riss die Rechte empor. In seiner Handfläche sammelten sich Blitze, die teilweise über seinen gesamten Körper zuckten und auf der linken Brust einen Kreis zu formen schienen. "Blitze, eilt herbei, seid mir zu Diensten, greift an und... siegt."

Chrysanthia hatte die gesamte Zeit wie gebannt auf die zuckenden Blitze gestarrt. Jetzt, wo der Ball aus Energie auf sie zuraste, begriff sie erst die Gefahr. Aus dem Nichts erschuf sie ein blaues Schild zwischen sich und der Waffe. Als der Blitz einschlug, wurde sie mehrere Dutzend Meter zurückgeschleudert. Ihr Schild zerbrach. Angstvoll sah sie hoch, erkannte, dass sie nicht mehr dazu kommen würde, ihrem Herrn ihren Erfolg mitzuteilen.

"Donnerschlag...", erklang es hinter ihr.

"Blitze...", kam es von vorne.

"Nein", hauchte sie leise und ergab sich in ihr Schicksal.

Kurz bevor die Waffen von Jupiter und Gyes Chrysanthia erreichten, schienen sie Ausläufer zu bilden und sich gegenseitig zu berühren. Beide Waffen verschmolzen binnen eines Gedankens zu einer und schlossen sie ein, in einen Griff voller Macht und Energie. Qualvoll schrie Chrysanthia auf, als die Waffe durch ihren Körper fuhr. Plötzlich verließ etwas ihren Körper, ein blauer Schemen, der gedankenschnell davon zuckte.

"DemonSeed!", rief Tuxedo Mask. "Sie war von DemonSeed besessen! Die Seed darf nicht entkommen!"

Ein leuchtender Diskus raste heran, traf die Seed genau in der Mitte und zerstörte sie in einer grellen Leuchterscheinung. Der Diskus wurde dabei all seiner Energie beraubt und fiel zu Boden. Es war Iskanders Spange.

"Danke, Gyes", hauchte der geschwächte Krieger. "Danke, SailorJupiter. Das war sehr gute Arbeit. Diese DemonSeed sind wir los." Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper.
 

"Geht es dir gut, Iskander?", fragte SailorMoon besorgt.

"Nein, es geht mir nicht gut, SailorMoon. Um die Kräfte der Seed benutzen zu können, habe ich sie tief in mein Ich lassen müssen. Sie hat viel in mir verwirrt, mein Puls ist unregelmäßig und wenn ich mich nicht darauf konzentriere, vergesse ich zu atmen. Wahrscheinlich werde ich Tage brauchen, um mich von der Begegnung mit der SeedQueen zu erholen. Auf jeden Fall will ich nie wieder eine Seed in meinen Körper lassen." Die kurze Rede hatte ihn erschöpft. Er sank auf ein Knie nieder.

Gyes sprang herbei und half ihm wieder hoch. "Ich kümmere mich um ihn, SailorMoon", sagte er und glitt unter Iskanders linken Arm.

Tuxedo Mask stemmte sich unter den anderen Arm. "Wir kümmern uns um ihn. Kümmert euch um Chrysanthia oder wer immer sie wirklich ist, SailorMoon. Auch Merkur ist noch nicht wieder bei Kräften. Gyes wird sich euch ein anderes Mal vorstellen."

Gemeinsam hielten sie den erschöpften Iskander zwischen sich und sprangen davon. Nach drei gewaltigen Sätzen waren sie verschwunden.
 

SailorJupiter sah ihnen nach. "Er sieht aus wie..."

"Oh nein, Jupiter, du wirst jetzt doch nicht etwa sagen, dass Iskander aussieht wie der Abiturient, der dir damals den Laufpass gegeben hat?", rief Mars in komischer Verzweiflung und verdrehte die Augen.

"Natürlich nicht", erwiderte Jupiter böse. "Rede keinen Unsinn. Nicht Iskander, Gyes sieht so aus wie der Abiturient, der..."

"Jupiter, du spinnst."

SailorMoon half derweil SailorMerkur, sich zu bewegen. "Geht es, Merkur?"

"Mit jedem Schritt besser, SailorMoon. Danke. Aber ihr hättet dieses Risiko nie eingehen dürfen. Ihr hättet mich vernichten müssen, um..."

"Hast du es denn nicht mitbekommen? Iskander sagte, dass die SeedQueen gelogen hat. Ihre Vernichtung hätte die Tsunami nicht gestoppt. Es war eine Falle für uns", sagte Venus, die neben der bewusstlosen Chrysanthia kniete. "Hm, sie lebt, aber ihr Herzschlag ist schwach. Vielleicht ist es besser, wenn wir einen Arzt für sie rufen."
 

7. Herr der DemonSeed
 

"Nun, Targetia, berichte mir. Warum ist Chrysanthia noch nicht zurück?"

Die junge Frau mit dem goldenen, kurz geschnittenen Haaren und dem schwarzen Trikot verneigte sich vor der finsteren Gestalt im Sessel. Sie war sich nicht ganz sicher, aber es schien, dass ER den Sessel zu ihr hin gedreht hatte. Welche Ehre. Was musste ER nur von Chrysanthias Bericht erwartet haben, um darauf so gespannt zu sein.

"Chrysanthia ist nicht mehr, Herr. Sie ist im Kampf gegen die SailorKrieger gefallen. Nur ihr Wirtskörper hat überlebt und befindet sich derzeit in einem Krankenhaus."

"Schade, sie war eine fähige Agentin. Aber sag mir, was hat sie erreicht? Oder willst du mir unter die Augen treten und mir sagen, dass sie nichts, rein gar nichts geschafft hat?"

"Nein, Herr, etwas hat sie erreicht. Sie konnte ihre Seed auf SailorMerkur ansetzen. Wie wir es erwartet haben, hat sich die Potentialgeminderte DemonSeed mit ihr verbunden und sich ihrer vollen Kraft und all ihres Wissens bedient. Die SeedQueen, die dabei entstanden ist, war stärker als jeder Youma, den wir je zuvor erschaffen haben."

"War?" "Ja, Herr, leider. Wir hatten damit gerechnet, dass die SailorKrieger einer der ihren kein Leid würden zufügen würden, aber der fremde Krieger, der uns bereits einmal solche Schwierigkeiten bereitet hat, schien solche Skrupel nicht zu haben. Er besiegte die SeedQueen und stahl ihr die DemonSeed aus dem Körper."

"Verdammt, musste das sein? Jedes Mal, wenn wir meinen, endlich im Vorteil zu sein, taucht ein neuer Krieger bei unseren Gegnern auf. Wie viele haben die eigentlich noch in Reserve?"

"Herr...." "Es ist gut, Targetia. Es ist gut. Was haben wir noch erfahren? Ist SailorMerkur Ami Mizuno?"

"Nein, Herr. Chrysanthia hat die Seed auf SailorMerkur angesetzt, nicht auf Ami Mizuno."

Daraufhin schwieg ER lange Zeit. "Nun ja, kleinere Rückschläge gibt es immer wieder. Immerhin wissen wir jetzt, welches Potential wir in unseren Händen halten werden, wenn wir erneut eine SeedQueen erschaffen können. Bereite sofort für jeden SailorKrieger eine eigene Seed vor, und sage unseren Agenten, dass sie nach Menschen Ausschau halten sollen, die es sein könnten... Die ein SailorKrieger sein könnten."

Targetia verneigte sich. "Ja, Herr."

"Ach, Targetia?" "Herr?"

"Übernimm du ab sofort Chrysanthias Posten. Aber enttäusche mich nicht, hörst du? Für unser großes Ziel ist es unabdingbar, dass wir siegen."

"Oh, ja. Ja, Herr." Die junge Frau verließ die Halle. Im Kopf hatte sie schon ein paar Dutzend guter Ideen. Vor allem hatte sie vor zu erforschen, wieso es jemanden gab, der DemonSeed abstoßen konnte.
 

Als sie die Halle verlassen hatte, stand ER auf und wanderte unruhig im Saal auf und ab, die Hände dabei hinter dem Rücken verschränkt. "Dieser neue Krieger passt gar nicht in meine Pläne. SailorMoon und ihre Krieger sind sehr stark geworden, aber mit ihnen wäre ich sicher fertig geworden, weil ich sie lange genug studiert habe. Aber dieser neuen Kämpfer... ."

ER trat ins Licht, so dass man erkennen konnte, dass sein Haar kurz geschnitten und blond war. ER trug eine graue Uniform mit hohen Stiefeln.

"Dieser neue Kämpfer könnte mich und meine Diener daran hindern, meine Königin Metallia erneut zu erwecken. Das Dunkle Königreich muss aber auf Erden zurückkehren. Und nur ich, Jedithe, der Letzte der vier Großen des alten Königreichs des Dunklen bin in der Lage, dies zu vollbringen. Ich darf nicht versagen. Nicht erneut. Diesmal soll alles anders sein. Diesmal führe ich den Befehl..."

Er ergriff ein Glas Wein und trank es in einem Zug leer. "Wer bist du, Iskander? Wer hat dich gesandt? Und wie kann ich dich vernichten?"

Nichts antwortete Jedithe, und so setzte er seine rastlose Wanderung fort, in der Hoffnung, dass die bösen Mächte, denen er diente, ihm den entscheidenden Hinweis zu geben vermochten.
 

8.

Es beginnt
 

Akira musste zugeben, das Angebot an Spielen war recht ansprechend, zumindest das, was er bisher von Motokis Arbeitsplatz gesehen hatte. Im Moment fuhr er gerade den Grand Prix von Monte Carlo mit.

"Ich hasse Sportspiele", rief Akira und sprang vom Sitz auf. "Nur einmal kurz in der Kurve übersteuert, und schon ist das Zeitlimit für den Kurs abgelaufen."

"Einmal?", kommentierte Motoki amüsiert. "Du hast ein halbes Dutzend Crashs hingelegt. Ein Wunder, dass du überhaupt die ersten beiden Rennen zu Ende gebracht hast. Warte, du kannst dich eintragen."

"Nach so einer schlechten Fahrt? Dafür soll ich auch noch mit meinem Namen geradestehen? Pah."

"Es ist immerhin Platz neun", lockte Motoki.

Akira grummelte irgendetwas Unverständliches und hantierte an den Bedienungssticks des Automaten herum.

Motoki grinste ihn an. "Ich würde mir, wenn ich du wäre, einen neuen Namen überlegen."

"Wieso? Ich habe mich schon immer mit Iskander eingetragen... Ups, vielleicht hast du recht. Ich sollte mich zumindest nicht erwischen lassen, wenn ich ihn benutze, was?"

"Sicher ist sicher", lachte Motoki. "Nachher steht eine SailorKriegerin direkt hinter dir, und du merkst nicht einmal, dass du ihr gerade einen Hinweis gibst."

Sie lachten beide wie über einen gelungenen Scherz. Dann wurden sie still.
 

"Ich hasse es, wenn mir so etwas passiert", sagte Akira leise.

"Was? Dir passiert es öfter, dass dich ein Youma anfällt, du dich in eine Art Superheld verwandelst und hilfst, eine gigantische Flutwelle aufzuhalten, die den Bezirk Chiba und ganz Tokio zu vernichten droht?"

Ein mattes Lächeln erschien auf Akiras Miene. "Nun, vielleicht nicht genau so, und nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber..."

"Akira...", tadelte Motoki grinsend. Nachdenklich fuhr er fort: "Ich wünschte, es gäbe jemanden, der mir all das erklären kann. Ich kenne die SailorKrieger nun schon eine halbe Ewigkeit. Ich wurde schon oft von Youmas und anderen Dämonen bedroht, aber nie habe ich mich verwandelt in...in diesen Krieger. Weißt du was? Gyes ist kein Fremder für mich. Er ist mehr wie ein alter Freund, wie eine Facette meines Ichs, die ich schon immer gespürt, aber nie so richtig erkannt hatte. Aber ich verstehe es nicht so recht, warum ich erst jetzt... Warum ich erst durch dich verwandelt wurde." Motoki zog aus seiner Hosentasche den silbernen Stab hervor, den Akira ihm gegeben hatte. Es waren Zeichen auf ihm eingeritzt, dominiert von einem Blitz, der sich mehrfach um den gesamten Stab herum wandte. "Warum mich dieses Ding verwandeln kann, und warum gerade du dieses Ding hattest."

"Ich hatte es nicht." "Was?"

"Ich hatte es nicht. Ich habe es von diesem Kater, von..."

"Du hast den Stab von einem Kater? Willst du mich verar... Na gut, in letzter Zeit habe ich genug ungewöhnliche Dinge gesehen, da fällt dein Kater nicht mehr weiter ins Gewicht."

"Das ist gut", sagte Mamoru Chiba, der leise hinzu getreten war. Auf dem Arm hielt er eine weiße Katze. "Artemis hat euch beiden nämlich etwas zu sagen." Kurz ging sein Blick über die Spielhalle, dann nickte er zufrieden. Artemis sprang von seinem Arm herab und setzte sich direkt vor die beiden Krieger.

"Artemis kann sprechen?", stellte Motoki verdutzt fest.

"Ja, und?", meinte der Kater verwundert. "Wieso auch nicht?"

Motoki riss ungläubig die Augen auf. "Ja, wieso eigentlich nicht? Ich meine, es ist ja nicht weiter wild, dass Katzen plötzlich sprechen können, geschweige denn mit ihren Kehlköpfen Laute bilden können, die der menschlichen Sprache adäquat..."

"Reicht es nicht einfach, wenn du feststellst, dass ich sprechen kann?", unterbrach Artemis Motokis Redefluss.

"Wieso auch nicht? Ist ja auch weiter nichts dabei."

Akira knuffte dem Freund schmerzhaft in die Rippen, dass dieser laut ächzte. "Der Witz wird langsam alt. Artemis kann sprechen, also höre ihm auch zu."

"Danke, Akira. Ich möchte euch beiden, nein, euch drei einiges erklären, soweit ich dies kann. Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Wie ihr wisst, existierte auf unserem Mond einst ein Königreich, das SilverMillennium, welches friedvoll über die Erde wachte."

"Das habe ich schon gewusst?" "Still, Motoki."

"Das SilverMillennium war friedlich, sehr friedlich sogar, das heißt aber nicht, dass es nicht wehrhaft gewesen wäre. Es unterhielt eine große Armee mit mächtigen Kriegern, um sich selbst und die Erde schützen zu können. Außerdem unterhielt das Millennium einige Stützpunkte auf der Erde selbst. Und nicht selten waren es Krieger des Mondes, die auf der Erde bösartige Youmas jagten und zur Strecke brachten."

"Und was hat das mit uns zu tun?" "Still, Akira."

"Was das mit euch zu tun hat? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Das ist eine alte Taktik, die im SilverMillennium angewendet wurde. Was man nicht wusste, konnte man nicht verraten. Aber ich WEIß, dass dein Auftauchen, Akira, und deine Verwandlung, Motoki, mit dem SilverMillennium zu tun haben. Es kann sein, dass ich schon bald über die Erinnerung verfüge, warum dem so ist. Doch bis dahin bitte ich euch, eure Fähigkeiten, eure Kräfte in den Dienst des Guten zu stellen. Ich weiß von Mamoru, dass zumindest Akira sich den SailorKriegern nicht anschließen, aber an ihrer Seite streiten will, wenn es nötig ist. Du, Motoki, wirst es gewiss ebenso halten.

Sag mal, Mamoru, kommen da nicht Usagi und Ami, Mamoru? Ich bin hier noch nicht fertig. Lenke sie bitte ab."

Der nickte kurz und ging, um die beiden Mädchen am Eingang abzufangen.
 

Akira fasste sich an die Stirn, als das eine der Mädchen, die Blonde mit den beiden langen Zöpfen Mamoru in die Arme flog, um ihn zu umarmen. "Ich weiß nicht, was es ist", klagte er. "Aber diese Mädchen sollte mich an jemanden erinnern. Doch je mehr ich es versuche, desto heftiger werden meine Kopfschmerzen."

"Jetzt, wo du es sagst", flüsterte Motoki und fixierte die zwei.

"Wir sind noch nicht fertig", schimpfte Artemis. "Würdet Ihr bitte mich ansehen, und nicht die hübschen Mädchen da hinten?" Als sich die sechs Augen begegneten, lag plötzlich ein Schimmer in denen der Katze. Kurz darauf glimmte dieser Schimmer auch in den Augen von Motoki und Akira. Einen Herzschlag später hatten sie schon vergessen, dass Usagi Akira an jemanden erinnert hatte.

"Wir sind noch nicht fertig", sagte Artemis erneut. "Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich für euch beide verantwortlich. Deshalb werde ich mich ab jetzt, wann immer es geht, um euch kümmern. Solltet Ihr weitere Krieger von eurer Art entdecken, werde ich die Gegenstände erschaffen, mit deren Hilfe sie sich verwandeln können, wenn sie es nicht aus eigener Kraft schaffen. Tuxedo Mask wird eure offizielle Verbindung zu Team Sailor sein. Und ich hoffe, Ihr beide werdet mit ihnen zusammenarbeiten."

Akiras Blick machte dem Kater Angst. Es schien, als wolle er mit seinen Augen das Universum verschlingen. Und es lag ein Funken Wissen darin, den Akira eigentlich nicht mehr... Was war das für ein Glimmen in seinen Augen?
 

"So soll es sein", sage Akira.

Motoki fügte nur ein Kopfnicken hinzu. Er seufzte leise. "Ich hasse es, hilflos zu sein. Da stehen wir also hier herum und warten darauf, dass sich unser Schicksal erfüllt."

"Tun wir nicht", erwiderte Akira und ergriff den Freund am Arm. Mit ein wenig Gewalt zog er ihn zu den Mädchen herüber.

"Motoki", rief Usagi erfreut, als sie den Freund erkannte. Interesse lag in ihrem Blick, als sie den jungen Mann neben ihm ansah. "Kennen wir uns?"

Der Weißhaarige zuckte die Schultern. "Vielleicht aus einem früherem Leben. Mein Name ist Akira Torah. Ich bin ein Bekannter von Mamoru und Motoki."

Usagis Augen leuchteten auf. "Ja? Das ist toll. Hast du heute schon was vor, Akira? Und du, Motoki? Ach, wie unhöflich. Ich bin Usagi Tsukino. Das ist Ami Mizuno. Wir wollten Mamoru gerade zum Picknick abholen. Die anderen sind auch da."

"Makoto, Rei und Minako", ergänzte Ami lächelnd.

"Ich weiß nicht", stotterte Motoki. "Ich habe heute zwar frei, aber..."

"Also abgemacht", sagte Usagi und es klang endgültig. "Was ist mit dir, Akira? Willst du auch?"

"Sicher. Klar. Sofort. Aber...." "Aber was?"

"Aber es ist euer Picknick. Sicher seid ihr nicht auf Gäste eingestellt."

"Das war die schlechteste Ausrede, die du hättest wählen können", meinte Mamoru und unterdrückte mühsam einen Lachanfall. "Unsere Makoto ist nämlich nicht nur eine exzellente Köchin, sie kocht auch gerne viel zu viel. Du wirst nicht darum herum kommen, uns beim Genuss dieser Portionen zu helfen."

"Du bist also auch dabei. Dann lasst uns gehen!", rief Usagi, ergriff Akira und Motoki an den Armen und zog sie mit sich aus der Spielhalle.

"Entschuldige bitte", sagte Ami zum verdutzten Akira. "Usagi ist etwas... impulsiv. Und sie meint, jeder könnte mal etwas Spaß vertragen."

"Da hat sie auch Recht. Du solltest dir diese Einstellung bewahren, Usagi. Es ist ein kostbares Geschenk, das nicht jedem zuteil wird."

Usagi klopfte dem Weißhaarigen gönnerhaft auf die Schulter. "Ich glaube, wir werden uns prima verstehen, Akira."

***

Über ihnen verwehten die Kirschblüten. Akira betrachtete ihr Spiel eine lange Zeit. Schließlich klopfte Motoki dem Freund auf die Schulter - schlagen traf es eher, denn Akira wurde von der Wucht einen Schritt nach vorne getrieben - und meinte: "Sag mal, willst du den ganzen Tag hier herum grübeln? Da drüben wartet eine Unmenge an gutem Essen nur darauf, von dir vertilgt zu werden."

Akira hob eine Augenbraue. "Was ist mit dir? Wieso bist du nicht da drüben?" Er lächelte zu den fünf Mädchen herüber, die gemeinsam mit Mamoru auf einer Decke saßen und miteinander schwatzten. Rei bemerkte sein Lächeln und winkte freundlich herüber. Er quittierte es mit der Andeutung einer Verbeugung.

"Ich habe zuerst gefragt", beschwerte sich Motoki grinsend.

Mamoru stand auf und gesellte sich neben die beiden. "Na, was tratscht ihr hier? Irgendetwas, was ich wissen sollte?"

"Nein, Tuxedo Mask", beschwichtigte Motoki. "Ich wollte nur diesen Grübler etwas aufheitern."

"Und das Ergebnis ist, dass wir drei erneut versammelt sind", lachte Akira. "Wenn wir schon immer wieder zusammenfinden, dann lasst uns doch gleich schwören, auch zueinander zu stehen."

Akira streckte seine Rechte aus, Motoki legte die seine darauf. "Was bleibt uns anderes übrig? In einem Gewerbe, in dem die Frauen allein durch ihre Übermacht den Ton angeben, sind wir arme Männer automatisch Verbündete."

Auch Mamoru legte seine Rechte auf die der anderen. "So sei es. Auf das wir zueinander stehen und unser Möglichstes tun, um Freunde und die Menschen, die wir lieben, zu beschützen... Oder mal zusammen ein Fass aufzumachen."

"Das ist ein Wort", lachte Motoki.

Die anderen beiden fielen ein, und für einen winzigen Moment vergaßen sie, dass über ihnen eine drohende Gefahr hing, ein Damoklesschwert, das jederzeit auf sie herabstürzen konnte und sicher die Kraft hatte, sie allesamt zu vernichten.
 

Mamorus Lachen verstummte. Er sah zu den Mädchen herüber. "Die DemonSeed hatte versucht, Ami anzugreifen, wisst ihr?"

Motoki nickte. "Ich habe sie als Gyes gestern Morgen gegen Chrysanthias Angriff verteidigt. Meinst du, unser Feind wird es noch einmal probieren?"

"Einmal, zweimal. So oft, bis es klappt. Ab sofort scheint sie unser Sorgenkind zu sein. Ich bitte euch, habt ein Auge auf sie."

"Das brauchst du mir nicht zu sagen", erwiderte Motoki . "Auch ich bin ihr Freund."

"Und du, Akira?"

"Habe ich dir das nicht schon auf dem Tokio Tower gesagt? Ich werde tun was ich kann. Erwarte nicht mehr, aber auch nicht weniger von mir. Kommt, lasst uns zurückgehen. Nicht, dass wir nichts mehr vom Essen abbekommen, so wie Usagi futtert."

Lachend und laut miteinander schwatzend schlenderten sie zu den fünf Mädchen zurück.
 

Epilog:

Es war im Nichts. Vielleicht auch an einem anderen Ort, der einfach nur erfüllt war mit Schwärze und Kälte, ewiger, alles erfüllender Kälte, unendlicher, ergreifender Schwärze.

Manche, die diese finstere Sphäre zu erklären versuchten, würden sie psionische Straße oder psionischen Tunnel nennen. Auf diesem Pfad vermochten einige Wesen zu reisen, und zwar schneller als das Licht. Dazu bedienten sie sich der Seelenschiffe, die sie sicher von Sonne zu Sonne trugen, wo der psionische Raum aufbrach und ihnen gestattete in den Normalraum zu gelangen. Dort konnten sie sich ausruhen und neue Energie tanken.

Doch glitt da nicht gerade ein Schiff auf dieser psionischen Straße vorbei? Und hatte es nicht Kurs auf die Erde gesetzt?
 

"Kapitän, zu den Irrlichtern haben sich zwei neue gesellt", meldete der Navigator ernst.

Echitron stand auf und wanderte unruhig auf der Brüche des Seelenschiffs umher. "Du weißt, was das heißt, Pyramon? Wir werden es schwerer haben, über die psionische Straße die Erde zu erreichen."

"Gewiss, Kapitän, es ist schwerer geworden, aber nicht unmöglich. Wir würden es auch noch schaffen, wenn es noch drei weitere Irrlichter wären, und..."

"Bah. Es geht mir nicht so sehr um die Irrlichter. Es geht mehr um das, was sie symbolisieren. Es bedeutet, dass wir es auf der Erde nicht nur mit den zehn Menschen zu tun haben werden, die stark genug sind, uns zu bekämpfen, es bedeutet, dass es nun zwölf sind. Ihre Bereitschaft zum Kampf und ihre große Liebe zu den Menschen sind es, die es uns so erschweren, den Kurs zur Erde zu halten."

"Sollen wir umkehren, Kapitän?"

"Nein, nun sei nicht gleich so naiv. Es gibt zwar hunderte Planeten in der näheren Umgebung, die unsere Bedürfnisse nach der Seelenenergie ebenso gut erfüllen wie jene von der Erde, aber sie bieten längst nicht so eine große Herausforderung. Bedenke mal: Zwölf Gegner. Nicht einmal, als wir das SilverMillennium bekämpft haben, gab es so viele mächtige Menschen. Was werden wir für Kämpfe erleben... Um dann doch die Seelenenergie von ein paar Millionen Menschen zu rauben, die unser Schiff für weitere tausend Jahre durch den psionischen Raum bringen wird. Nein, wir bleiben auf Kurs. Aber informiere die Mannschaft. Sie soll sich auf den Kampf vorbereiten."
 

"Hm", machte Pyramon. "Was ist noch?"

"Hm. Kapitän, ehrlich gesagt bin ich besorgt. Was, wenn es das SilverMillennium noch immer gibt? Was ist, wenn uns Serenity oder einer ihrer Nachfahren erwartet? Ich wäre nicht sehr erfreut darüber, die Bekanntschaft mit dem Mondzepter zu vertiefen."

Echitron sah nachdenklich herüber. "Wir haben genügend Youmas auf der Erde zurückgelassen. Einige von ihnen werden das SilverMillennium schon vernichtet haben. Coryntha vielleicht. Oder Metallia. Eventuell Darythios. Nun gut, die Irrlichter beweisen, dass es auch in dieser Zeit Widerstand gibt, aber es müssen nicht unbedingt Krieger des SilverMillenniums sein. Und selbst wenn uns Serenity erwartet, vergiss nicht, wen wir an Bord haben."

Unruhe erfasste den Navigator, als er an den Menschen von der Erde dachte, den sie nun seit ewigen Zeiten mit sich führten, gefangen in ein Feld ohne Zeit, aus dem er nicht entweichen konnte. Jeder Versuch zu fliehen benötigte Zeit, doch die gab es in dem Feld nicht. Es war das perfekte Gefängnis für den Menschen, der ihnen fast so gefährlich geworden war wir die Herrscherin des SilverMillenniums mit ihrem Silberkristall.

"Kapitän, ich bin mit Eurer Entscheidung noch immer nicht einverstanden. Er war ein tapferer Gegner, der es verdient gehabt hat, im Kampf zu sterben. Aber Ihr habt ihn mitgeschleppt, damit er uns in ferner Zukunft als Geisel gegen das SilverMillennium dient. Ich finde es noch immer nicht richtig. Wir sind Kämpfer, Eroberer, aber keine Erpresser. Das hatten wir noch nie nötig. Wir haben uns immer genommen was wir brauchten. Aber wir haben nie dafür getrickst."

"Weil wir stärker als unsere Gegner waren. Aber dieses Mal müssen wir vielleicht... ah, Zugeständnisse machen. Denn ich bin sicher, Königin Serenity wird uns dankbar dafür sein, wenn wir ihr ihren Gatten zurückbringen."

Der Navigator schüttelte nur den Kopf. "Ich werde Aelyon und Garalion die Nachricht überbringen. Ich bin sicher, sie werden sich auf die baldigen Kämpfe freuen."
 

Der Navigator des Seelenschiffes ging und ließ den Kapitän allein.

"Ja, geh du nur, und behalte deine dumme Ehre", flüsterte er. "Du bist genauso ein Dieb und Plünderer wie ich. Und du bist auch auf die Seelenkräfte der Menschen angewiesen wie ich. Wenn es soweit ist, wirst du ebenso leicht ein Erpresser werden wie ich... Wenn es darum geht, die Seelenkräfte aller Menschen zu stehlen, alles, bis auf den letzten Rest..."

Der Kapitän des Seelenschiffes sah gen Fahrtrichtung. Dort pulsierten sie in der Ferne, die Irrlichter, eines stärker als das andere, und jedes versucht, das Schiff auf einen Kurs zu locken, der es von der Erde fort trug. Zwölf Lichter, zwölf Kämpfer, was würde es für Schlachten geben...

Doch dieses Mal würden sie nichts mehr auf der Erde zurücklassen, kein Leben, keinen Menschen. Nicht einmal diese Krieger dort. Doch was war das? Glitzerte da nicht ein weiteres Licht? Nein, seine Augen mussten ihm einen Streich gespielt haben.

***

In den Gewölben des Schiffes wanderte derweil ein sehr nervöser Pyramon umher. Jedes Mal, wenn er unentschlossen war, zog es ihn hierher. An diesen Platz, an dem ein drei Meter großer Kristall den Raum erfüllte. Müde legte er eine Hand an die milchig schimmernde Substanz. "Wie hättest du dich entschieden?", fragte er leise. "Wahrscheinlich hättest du schon lange abgemustert. Das hätte ich auch tun sollen, schon vor langer Zeit. Aber wohin soll ich gehen? Unsere Heimatwelt liegt in Trümmern, und auf den anderen Welten habe ich mich schon zu oft unbeliebt gemacht. Was also bleibt mir anderes übrig als Echitron zu folgen? Ich bin eben nur ein Feigling, der stets den Weg des geringsten Widerstandes geht."

Pyramon sah an seiner Hand vorbei in das Innere des Kristalls. Dort ahnte er schattenhaft die Umrisse eines Menschen. Oh, er wusste, wie dieser Mensch aussah. Er war dabei gewesen, als der Kapitän ihn in dieses Gefängnis gesperrt hatte. Ein stolzer Mann im besten Alter, gehüllt in eine schwarze Uniform mit langem, weißen Umhang. Er war stolz gewesen, zu stolz, um sich zu ergeben. Wenn Pyramon sich anstrengte, konnte er noch immer die tiefblauen, blitzenden Augen vor sich sehen, die das bartlose Gesicht so sehr dominiert hatten. Den unversöhnlichen Kampfeswillen in ihnen pochen sehen wie einen schweren Puls. Oh ja, er war ein stolzer Gegner gewesen, mutig obendrein, was ihm wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Doch welche Gnade war es, dafür eine halbe Ewigkeit in diesem Block eingeschlossen zu sein.

Die kurzen, blonden Haare schimmerten sogar bis zu ihm hindurch. Und unter den Haaren, da war...

Pyramon zuckte erschrocken zurück. Für einen Moment, für einen winzig kleinen Moment hatte es so ausgesehen, als hätten ihn die tiefblauen Augen regelrecht fixiert. Aber nein, das konnte nicht sein. Im Gefängnis gab es keine Zeit. Man war unfähig, sich zu bewegen, zu denken.

Doch was war, wenn man dennoch zu denken vermochte? Pyramon schauderte es. Nein, ein so glorreicher Feind wie er hatte solch ein Leben nicht verdient.

Doch was konnte er schon tun, ein Flüchtling, Navigator eines Seelenschiffes, einzig der Gnade des Kapitäns ausgeliefert? Was konnte er schon tun?
 

"He, Pyramon", rief einer der Krieger aus der Mannschaft herüber. Er hieß Gaion. "Grübelst du erneut bei unserem Gast, um etwas von seiner Stärke zu erlangen? Wer weiß, es mag dir eines Tages gelingen."

Müde winkte der Navigator ab. "Keinen Scherz, bitte. Der Kapitän hat befohlen, dass wir uns auf große Kämpfe vorbereiten sollen. Uns erwarten zwölf Kämpfer auf der Erde",

"Zwölf?" Gaion schien begeistert, nicht erschrocken. "Was werden wir für Kämpfe haben. Ich werde es den anderen sagen."

Für einen Moment lehnte sich Pyramon wieder an den Kristall. "Was werden wir für Kämpfe haben... Doch werden wir diesmal die Tapferkeit der Gegner zu würdigen wissen, oder soll es ihnen wie dir ergehen? Vielleicht noch schlimmer?" Der Navigator seufzte leise. Ach, wenn sein unendliches Leben an Bord des Seelenschiffes nun doch endlich ein Ende fände, er wäre dankbar gewesen.

Doch da blitzte etwas auf im milchigen Schein des Kristalls, so schwach, dass er es kaum bemerkte. Aber einen Gedanken schon später erfüllte ihn neue Zuversicht. "Die Zeit wird es zeigen, und wer weiß, vielleicht kann ich die Wucht der Kämpfe mindern."

Mit neuer Zuversicht erfüllt verließ Pyramon den Kristall. Zurück blieb ein Krieger des SilverMilleniums, der nun schon seit ewigen Zeiten hier eingesperrt, und nun wieder einsam war.

Das Seelenschiff

Intermezzo
 

"Eigentlich ist es ganz nett in der Oberstufe", murmelte Usagi Tsukino leise. Es war ein schöner Frühlingstag, Die Sonne schien, das Frühstück schmeckte und beinahe konnte man vergessen, daß eigentlich nur Pause war. Aber das war einfacher gesagt als getan. Vor gar nicht einmal einer Woche wäre beinahe Tokio von einer gigantischen Flutwelle zerstört worden - wieder einmal.

Das war nichts Ungewöhnliches. Ihre Heimatstadt wurde fast ständig bedroht. Irgendwer konnte immer etwas von den Menschen gebrauchen und nahm dabei die komplette Zerstörung der Stadt in Kauf, dazu den Tod von Unschuldigen und vielleicht sogar das Ende der Welt.

Neu war, daß eine der ihren diesmal für die Beinahe-Zerstörung verantwortlich gewesen war.

Na ja, das war so nicht richtig, denn SailorMerkur war nicht bei Sinnen gewesen, als die DemonSeed in ihr gewütet und mit ihren Kräften diese riesige Tsunami beschworen hatte.

Aber Usagi fand es erschreckend, was der neue Feind ihnen antun konnte.

Ami hatte sich gegen die Gefahr kaum wehren können, die DemonSeed hatte sie vollkommen im Griff gehabt.

Bedenkenlos hätte die SeedQueen, wie sich der Dämon genannt hatte die anderen Krieger vernichtet, Tuxedo Mask und die beiden Neuen gleich dazu!

Ja, wäre Iskander nicht gewesen, dann...

Usagi wollte nicht weiter darüber nachdenken. Es reichte, daß Iskander es geschafft hatte, die Seed aus Amis Körper zu entfernen und ihr das Leben zu retten.

Dabei war der fremde Krieger ein erhebliches Risiko eingegangen. Ihr Freund Mamoru, der sich mit Iskander und Gyes, dem anderen Neuen, recht gut verstand, meinte zwar, es ginge ihm gut, aber sie hatte Iskander jetzt seit dem Kampf nicht mehr gesehen. Sie machte sich ernsthafte Sorgen um ihn.

Und noch mehr sorgte sie sich um Ami.

Denn die DemonSeed, die Ami in diese SeedQueen verwandelt hatte, war nur für einen Zweck erschaffen worden: Um SailorMerkur zu übernehmen und ihre Kräfte in den Dienst des Bösen zu zwingen.

Ami ließ sich nichts anmerken, aber es hatte sie schwer erschüttert, daß sie sich nicht hatte wehren können.

Sie machte sich Vorwürfe und übte wie eine Besessene. Vergrub sich in ihren Büchern und schwamm in jeder freien Minute Bahn um Bahn.

Dann war da noch Gyes. Er schien ein Freund von Iskander und Mamoru zu sein, er schien auch sehr stark zu sein, aber mehr wussten sie nicht über ihn. Mamoru hüllte sich in Schweigen. Und das war nun gar nicht seine Art.
 

"Usagi. Träumst du?" Makoto Kino knuffte den kleinen Blondschopf in die Seite. "Hä?" "Wir müssen wieder in die Klasse." "Oh."

Makoto half Usagi vom Rasen hoch, bei ihrer Kraft war das nicht mehr als eine Fingerübung.

Ob die Bösen auch versuchen würden, aus Makoto eine SeedQueen zu machen?

**

In dieser Nacht hatte er wieder einen merkwürdigen Traum. Er träumte von der einen Stadt, die einst auf dem Mond existiert hatte. Es war anscheinend ein Feiertag, denn der große Ballsaal des Palastes war gut gefüllt. Er sah sich selbst, gekleidet in die dunkelblaue Uniform, den weißen Umhang über die Schulter drapiert, wie er durch den Saal spazierte und mal diesem, mal jenem zunickte. Alle waren sie maskiert, auch er trug eine kleine weiße Maske. Und es wurde getanzt, gelacht, man schien froher Dinge zu sein. Sein Traum-Ich sah nicht ein trauriges Gesicht in der Menge.

Er ging an einer Gruppe junger Mädchen vorbei und grüßte höflich. Als er sie passiert hatte, hörte er sie miteinander tuscheln und kichern. Er hörte sich selbst seufzen. Anscheinend schien das öfters vorzukommen.

"Iskhander!" vernahm er eine weibliche Stimme. Er wandte sich um und erschrak. Nun, erschrak war wohl nicht das richtige Wort, ehrfurchtvoll erstarren traf es wohl eher. Die Frau, die gerufen hatte, lächelte ihn freundlich an und ein Gefühl der Wärme hüllte ihn ein.
 

Er verneigte sich. "Königin Serenity, ich bin hocherfreut, euch zu sehen. So hat eure Tochter euch überzeugen können, daß die Amtsgeschäfte auch einige Zeit ohne euch auskommen."

Immer noch lächelte die Königin, es wechselte vielleicht ein wenig von erfreut zu spitzbübisch.

"Ja, das hat sie. Und ich bin mir sehr sicher, daß du ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt hast. Soll ich dich nun dafür bestrafen oder belohnen?"

"Das, eure Majestät, liegt allein in eurer Hand", erwiderte er galant und verneigte sich vor der Königin.

"Iskhander, Spitzbube, wieso schaffst du es immer, mich zum lachen zu bringen?"

"Es muß ein Talent sein, daß ich von der Erde mitgebracht habe, Majestät. Dort ist es üblich, des Öfteren laut und herzhaft zu lachen. Ihr solltet das per Gesetz auch im SilverMillenium etablieren."

"Ich werde deinen Rat beherzigen, junger Freund. Und nimm dafür einen Rat von mir entgegen. Dies ist ein Fest, und du hast heute keine Sorge um das Wohl meiner Tochter zu tragen. Also solltest du dieses Fest nach besten Kräften genießen."

"Ich werde wie stets tun, was in meiner Kraft steht, eure Majestät."

Königin Serenity nickte ihm huldvoll zu und ging dann an ihn vorbei. Auch auf einem Ball hatte die Königin diverse Amtsgeschäfte zu erfüllen.
 

Aber sein Weg führte auf einen Balkon, hinaus aus dem Ballsaal, fort von den tuschelnden Stimmen in seinem Rücken. Hinter sich hörte er den Lärm des Ballsaals und die langsam ausklingende Melodie des letzten Liedes. Und vor sich hatte er den Garten. Vier riesige Wasserbecken dominierten ihn. Wenn man wollte, konnten hier gewaltige Fontänen und Wasserspiele produziert werden, wie er sie noch nie gesehen hatte. Doch etwas an diesem friedlichen Bild störte ihn. Er wusste zuerst nicht, was es war, aber je länger er hinaus sah...
 

Von einem Moment zum anderen verwandelte er sich. Er ließ seinen Umhang zu Boden gleiten und sprach die magische Formel. Er spürte seine Arme schwer werden, als die Rüstung sie umhüllte, spürte das Metall, wie es sich an seine Beinmuskeln schmiegte wie eine zweite Haut. Er fühlte, wie der Rüstungsharnisch seinen Oberkörper fest umschloss, ihn gefangen nahm und gleichermaßen schützte. Der Helm erschien. Er hasste diesen Helm, weil er nur einen schmalen, um das ganze Gesicht laufenden Spalt für die Sicht offen ließ. Als der schwere Speer in seiner Hand erschien, war die Verwandlung abgeschlossen. Nun trug er die mächtige Rüstung einer Palastwache, und in seiner Hand hielt er eine Waffe, die fast so mächtig wie das Mondszepter selbst war.

Der Wächter sprang über die Brüstung, landete zehn Meter tiefer auf dem harten Pflaster des Fußweges. Der Krieger merkte es nicht einmal, ging in die Hocke. Was immer ihn aufgeschreckt hatte, im Moment verhielt es sich ruhig.

Er schloss die Augen und begann ruhiger zu atmen, keine Geräusche zu verursachen, auf seine anderen Sinne zu hören. Langsam wurde die Dunkelheit vor seinen Augen farbig und detailliert. Er roch die verschiedenen Blumen, die gerade blühten, hörte den leisen Lärm, den die Gäste im Ballsaal produzierten... und das leise Scharren, daß ein Paar Schuhe verursachte, wenn es über die Steinplatten des Weges kratzte. Sofort sprang er auf, öffnete die Augen und versuchte, mit mehreren mächtigen Sätzen die Stelle zu erreichen, von der das Geräusch gekommen war.
 

DA! Ein Fremder! Der sah den Krieger und gestikulierte mit den Händen. Kurz darauf zuckte ein Blitz aus purer Energie auf ihn zu und schlug in seine Rüstung ein. Der Wächter aber wurde davon nicht gestoppt, nur gebremst. Er hob nun seinerseits den Speer und entließ aus ihm Macht seiner Konzentration einen Blast an Energie, die den Unbekannten in der Leibesmitte traf und meterweit davon schleuderte. Dummerweise landete er mitten in einem der Wasserbecken. Er hockte sich an den Rand, senkte den Speer und wartete darauf, daß der Unbekannte wieder auftauchte.
 

Als sich sein Magen verkrampfte, wusste der Wächter, daß er in Gefahr war. Lodernde Hitze hüllte ihn plötzlich ein, schleuderte ihn mehrere Meter weit davon. Er landete wieder auf den Beinen und wirbelte den Speer herum, in Richtung des neuen Angreifers. In diesem Moment schoss der Unbekannte aus dem Wasser hervor und schickte erneut seine Waffe gegen ihn. Der wich geschickt aus und ließ den Blast ins Leere gehen, setzte seinerseits nach und hieb seine Lanze nach dem Körper des Fremden. Der Speer traf ihn auf Brusthöhe und schleuderte ihn davon, meterweit. Der Palastwächter griff erneut an. Wieder wurde er von einer zweiten Person attackiert, Feuer hüllte ihn ein und nahm ihm kurz die Sicht. Als sie sich wieder klärte kam der eine bereits auf ihn zugesprungen, in der Hand eine Kugel dieser tödlichen Energie. Ein matter Schein, ausgehend von eben dieser Energie, zuckte über das Gesicht des Fremden und entriss es kurz der Dunkelheit.

Der Wächter erstarrte. Er kannte das Gesicht. Sofort senkte er den Speer, bereits zum Konterschlag erhoben und senkte auch sein Haupt. Wie er es erwartet hatte, ließ der Fremde von ihm ab und landete stattdessen neben ihm, noch immer die Energien bereit.
 

Er sah auf und riss sich den Helm vom Kopf.

"Iskhander!", keuchte der Fremde erschrocken. "Du? Hätte ich es gewusst, dann..."

"Dann was? Dann hättest du mich nicht angegriffen?"

"Moment mal. Du hast angefangen. Verdammt, du hast recht. Ich habe begonnen. Entschuldige bitte!"

Er grinste über das ganze Gesicht. "Schon gut, SailorJupiter. Ich sehe es als Training an. Allerdings hättest du dieses Mal keine Chance gehabt, wenn dir SailorMars nicht zu Hilfe gekommen wäre. Ich frage jetzt nicht, was ihr hier hinten im Garten macht. Ich frage jetzt auch nicht, wieso Ihr beide euch hier so aufführt. Ich nehme meinen Helm und meine Waffe und verschwinde wieder, als wäre nichts geschehen!"

Der Wächter setzte den Helm wieder auf, winkte mit dem Speer zu Mars herüber, die noch immer misstrauisch die Lage beäugte, nickte noch einmal Jupiter zu und meinte im Gehen : "Grüß bitte meinen Freund Endymion von mir, wenn du ihn sehen solltest. Falls du ihn sehen solltest, heißt das."

SailorJupiter unterdrückte ein Auflachen. "Werde ich machen", versprach sie.
 

Da endete der Traum, und Akira erwachte. Gewiss, es war nur ein Traum gewesen, vielleicht ausgelöst durch die Geschichten, die Tuxedo Mask über das SilverMillenium erzählt hatte. Aber was, wenn nicht?
 

1.

Eröffnung
 

Es war ungefähr Mittagszeit, als das rote Cabrio über die Landstraße Richtung Tokio raste. Michiru Kaio gähnte leise und streckte sich auf dem Beifahrersitz. "Wie lange brauchen wir noch bis Tokio?"

Haruka Tenoh, die am Steuer saß lächelte der dunkelhaarigen Freundin zu. Dieser grüne Schimmer in ihrem Haar war wirklich wunderschön, fand sie. "Es ist nicht mehr weit. Vielleicht noch eine halbe Stunde, und wir kommen von der Autobahn runter. Dann sind es nur noch ein paar Minuten bis zur Innenstadt."

"Ein Glück", seufzte Michiru. "Sehr viel länger kann ich nicht mehr sitzen."

"Ich auch nicht", gestand Haruka. "Was meinst du, Michiru, werden wir auch auf diese neue Bedrohung treffen, diese DemonSeed?"

Die hübsche Michiru lachte, so laut, daß Haruka leicht errötete. "Ach, komm, der einzige Grund, warum du mich zu einem Urlaub in Tokio eingeladen hast, ist doch, damit wir beide Usagi als SailorUranus und SailorNeptun gegen diese DemonSeed helfen können!"

Überrascht sah Haruka ihre Freundin an. "Du weißt es?"

Michiru streichelte sanft die Wange Harukas und drückte ihr einen Kuss auf. "Das habe ich in dem Moment geahnt, als ich den ersten Bericht über diese DemonSeed im Fernsehen gesehen habe. Ich wusste, daß du Usagi würdest helfen wollen. Du hast ein viel zu gutes Herz, um sie und die SailorKrieger bei dieser Gefahr allein zu lassen."

Haruka lächelte herüber. "Mir scheint, du kennst mich mittlerweile fast schon zu gut!"

"Sagen wir... Gut genug. Aber tröste dich, hättest du es nicht vorgeschlagen, ich hätte den anderen auch helfen wollen."

"Dann ist es ja gut", lachte Haruka. Sie erreichten die Autobahn. Nun war es nicht mehr weit.

"Und? Was machen wir, wenn wir angekommen sind? Wollen wir uns gleich mit Team Sailor treffen oder wollen wir wieder aus dem Hintergrund agieren?"

"Na ja", druckste Haruka leise, "in einer Stunde wird die Formel Eins übertragen..."

Wieder lächelte Michiru auf ihre ganz eigene Art. "Der Tag ist noch lang. Wir müssen nicht sofort hingehen. Aber verlange nicht von mir, daß ich mir wieder das Rennen mit ansehen muß."

"Versprochen!", rief Haruka erleichtert.
 

Plötzlich spürte sie eine merkwürdige Präsenz. Etwas war nahe, was sie... Sie konnte es nicht beschreiben, aber es kam ihr sehr bekannt vor. Ebenso plötzlich brach neben dem Wagen die Straße auf. Ein blaues Etwas brach aus dem Asphalt hervor, rammte Harukas Wagen und verschwand auf der anderen Seite der Straße. Ein weißes Schemen folgte der undefinierbaren Masse nach. Verzweifelt versuchte Haruka, den Wagen wieder in den Griff zu bekommen, aber es war zu spät. Sie stieg auf die Bremse, was ihnen beiden wahrscheinlich das Leben rettete. Der Wagen rammte die Leitplanke, wurde herumgerissen. Noch immer hatten sie eine Geschwindigkeit von vierzig Km/H. Michiru trug keinen Gurt. Sie wurde nach vorne geschleudert. Hart stieß sie mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe.

Der Wagen drehte sich noch dreimal um sich selbst, bevor er endlich stand. "Das war ein verdammter Youma!", rief Haruka zornig. "Wir sollten uns verwandeln und ihm nachsetzen, Michiru! Michiru?" Kalte Angst ergriff Harukas Herz und presste es zusammen, als sie nach der Freundin sah!

Michiru lag neben ihr auf dem Sitz, so als schliefe sie nur. Doch auf ihrer Stirn pulsierte eine blutende Wunde, die bis in den Haaransatz reichte. "Michiru!", rief Haruka. Sie legte den ersten Gang ein und stieg aufs Gas. Der Wagen ächzte kurz protestierend, gehorchte dann aber doch und riss sich aus den Trümmern der Leitplanke los. Bis zum nächsten Krankenhaus waren es acht Minuten. Haruka legte erst den zweiten, dann den dritten Gang ein und schwor sich, es in drei zu schaffen...

**

Das blaue Etwas war ein Youma. Keiner von diesen Geistesreduzierten Exemplaren, die vom Gegner ausgesandt wurden, um einen Sailor zu übernehmen, nein, ein ausgewachsenes, vollwertiges Exemplar der Gattung 'Gemein und fies'. Das andere Schemen war ein Humanoider in einer blauen Uniform mit weißen Haaren, die ihm so weit in die Stirn zu hängen schienen, daß die Augen unter einem undurchdringlichen Schatten lagen.

Der Youma nannte sich selbst Callybso. Ob er nun Bezug zur griechischen Mythologie nahm oder ob der Name rein zufällig der gleiche war, den der mörderische Strudel aus der Odyssee hatte, konnte der Uniformierte nicht sagen. Ehrlich gesagt war es Iskander auch ziemlich egal. Das da war ein Dämon, den der Feind ausgesandt hatte, um Lebensenergie zu sammeln, allein das war sein Lebenszweck. Iskanders Aufgabe war es einzig, den Youma daran zu hindern. Das hieß ganz konkret, ihn zu vernichten.

"Verdammt, wo führst du mich hin?", fluchte Iskander, als sie nacheinander die Autobahn überquerten. Durchquerten traf es eher. Der Dämon brach von unten durch die Fahrbahndecke und übersprang dabei bereits den Rand der Autobahn, um in einem nahen Wald zu verschwinden.

Iskander hörte Reifen quietschen, aber er folgte dem Dämon ohne zu zögern nach. Hinter ihm krachte ein Auto in die Leitplanken, Sorry, er konnte sich jetzt nicht darum kümmern. Wenn er den Youma jetzt nicht ausschaltete, würde er vielleicht wieder Menschen angreifen... Und vielleicht würde er diesmal jemanden dabei töten, während er ihm Lebensenergie entzog.
 

Iskander warf seine Spange, bevor Callybso im nahen Wald verschwinden konnte. Der leuchtende Diskus traf die Bestie genau im Rücken.

Callybso schrie vor Schmerz, fiel zu Boden, drehte sich aber sofort in seine Richtung. "Bist du immer noch da?", rief das Biest und spie einen Schwall ultrakaltes Wasser aus, der alles einfror, was es berührte.

Spielerisch wich Iskander aus.

Der Youma kam wieder auf die Beine. Die glichen übrigens verblüffend einer Krabbe.

Iskander fing seine Spange wieder auf und heftete sie zurück an die linke Brust. "Du bist schon der Zweite heute. Deine Auftraggeber müssen die Lebensenergie der Menschen wirklich dringend benötigen!"

Der Youma verzog sein Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. Sein eigentlich hübsches, feminines Gesicht verzerrte sich dabei zu einer unansehnlichen Fratze. "Du glaubst doch nicht, daß ich dir irgendetwas verrate?"

Iskander schüttelte den Kopf. "Um ehrlich zu sein, nein!" Mit der Linken, warf er seinen weißen Umhang über die Schulter zurück. "Also, kämpfen wir!"

Iskander' Gegner lachte gering schätzend. "Ich trage eine Menge Lebensenergie in mir, die ich schnell unserem Herrscher bringen muß! Ich habe nicht die Zeit, um mich mit dir zu befassen!" Wieder spie der Youma einen Wasserstrahl aus.

Iskander streckte die Rechte vor und parierte den Wasserstrahl allein mit seiner Willenskraft. Der Strahl wurde reflektiert und schoss gen Himmel, wo er niemandem schadete.

Ungläubig sah der Youma seiner Waffe nach. "Du... du bist kein normaler Mensch!"

Nun war es an Akira, gering schätzend zu lachen. "Kann ein normaler Mensch einem fliehenden Dämonen folgen?" Iskander griff wieder nach seiner Spange.
 

"Stopp!", kam es da aus dem Wald.

Der Youma und der weißhaarige Krieger wirbelten herum. Auf dem besonders starken Ast einer Eiche stand eine junge Frau. Sie trug einen SailorSuit, doch Iskander kannte sie nicht. Blonde kurze Haare und ein zorniger, harter Blick zeichneten sie aus. Die fremde Kriegerin sprang vom Baum herab.

"Ihr beide wart das", stellte sie fest und ließ ihre Knöchel knacken. "Ihr seid durch den Asphalt der Straße gebrochen und habt so den Unfall verursacht, der meinen Wagen in die Leitplanke gedrückt hat. Dabei wurde ein Mensch verletzt, der mir sehr viel bedeutet. Dafür bestrafe ich euch!"

"Äh, hat das vielleicht Zeit, bis ich diesen Dämon besiegt habe?"

Die Kriegerin antwortete mit einem wütenden Grollen. "Dazu bin ich viel zu sauer! Ich werde euch sofort bestrafen!"

"Hey!", kam es nun von Iskander. "Falls du es noch nicht gemerkt hast, ich bin einer von den Guten, und das da ist ein waschechter Youma aus den Horden des neuen Feindes. Okay, keine DemonSeed, aber immerhin ein Youma. Dürfte ich also vielleicht doch zuerst den Dämon auslöschen und so verhindern, daß er die geraubte Lebensenergie in sein Versteck bringt? Komm, das mit dem Unfall tut mir leid, aber man hat eben nicht immer Zeit, auf andere Rücksicht zu nehmen, wenn man eine große Gefahr beseitigen muß!"

Mit großen, erschrockenen Augen sah sie den Krieger an. "Ach so ist das. Der Herr hat nicht die Zeit, sich um die Menschen zu kümmern, die vielleicht bei seinen privaten Hetzjagden verletzt werden! Du solltest dich mal selbst reden hören! Du redest einen Quatsch!"

"Und?", blaffte Iskander. "Meinst du, ich habe deinen Unfall absichtlich verursacht? Ich habe es nicht einmal gemerkt, daß ich Tokio bei der Verfolgung des Youmas verlassen habe, geschweige denn daß der die Autobahnbrücke nicht unterquerte, sondern durchquerte!"

"Das ist keine Entschuldigung! Ich bin SailorUranus, und du wirst jetzt für deine Oberflächlichkeit büßen!"

"Ach ja? Ach ja? Probier es doch! Wer weiß, vielleicht bin ich zu stark für dich und bestrafe am Ende dich für deine Arroganz!"

"Hallo?"

"Das wollen wir doch erst mal sehen!"

"Hey. Hallo!"

SailorUranus und Iskander sahen zum Youma herüber und brüllten gleichzeitig: "WAS?"

Der Dämon mit dem Frauengesicht hob entschuldigend die Schultern. "Könntet Ihr beide euch vielleicht ein kleines bisschen beeilen? Mein Herr erwartet diese Lebensenergie nämlich äußerst dringend!"

"Da!", rief Iskander und deutete auf den Dämon. "Der da ist übrigens zuerst durch die Fahrbahndecke gebrochen. Bestrafe uns doch der Reihenfolge nach, dann tust du nebenbei noch ein gutes Werk!"

"Sag mir nicht, was ich zu tun habe, hörst du, du... du...!"

"Iskander! Ich nenne mich Iskander!"

"Was für ein alberner, überzogener Name!"

"Ha! Als wenn SailorUranus um soviel besser wäre!"

Beleidigt erwiderte die SailorKriegerin: "Ich konnte mir meinen Namen leider nicht selbst aussuchen. Und hätte ich es getan, dann hätte ich mich bestimmt nicht Iskander genannt!"
 

"Hallo, ich habe nicht mehr soviel Zeit!", beklagte sich der Youma wieder.

Iskander knurrte wie ein angriffslustiger Hund und zog unter seinem Umhang seinen Zeigestab hervor. Der energetische Blast aus dieser Waffe schleuderte den Youma gegen eine alte Eiche, wo er benommen liegen blieb.

SailorUranus streckte die Hand empor und brüllte: "Uranus...flieg!" Die Waffe der Kriegerin traf den hilflosen Youma genau in der Leibesmitte. Das Wesen schrie schrill auf, erstarrte mitten in der Bewegung und verwandelte sich in pures Wasser. Das Wasser hielt noch einen Sekundenbruchteil die Konturen des Youmas aufrecht, im nächsten Augenblick fiel es zu Boden und versickerte schnell in der Erde.

"Das kommt davon, wenn man drängelt. Danke schön, SailorUranus", meinte Iskander, als sich die Lebensenergie, die der Youma gesammelt hatte, befreite und in einer leuchtenden Aureole gen Tokio schwebte.

"Hab's nicht für dich getan. Jetzt ist endlich Ruhe. Bist du bereit?"

Iskander konzentrierte sich auf seinen Zeigestab und ließ ihn auf die Länge eines leichten Degens wachsen. Zur Probe schwang er ihn mehrmals umher. "Bin bereit! Komm, greif an!"
 

Uranus ließ sich nicht lange bitten und lief mit einem irrwitzigen Tempo auf den Krieger zu. Iskander schlug nach ihr, doch Uranus tauchte unter dem Hieb weg und erwischte ihn mit einer Handkante in der Nierengegend.

Er ächzte, fiel nach vorne. Sofort setzte Uranus nach, lief jedoch genau in seinen gestreckten Tritt. Ihr Kopf wurde nach hinten gerissen, sie wurde um die eigene Achse gedreht, blieb aber auf den Beinen.

Iskander lächelte kalt. Dadurch, daß seine Augen nicht zu sehen waren, wirkte es noch kühler. "SailorKrieger, ein Punkt. Iskander, ein Punkt. Gleichstand!"

"Pah. Du weißt doch, abgerechnet wird erst am Schluss!"

Uranus griff wieder an, während sie ihre stärkste Waffe, ihren Blast bereit in der Rechten barg.

Iskander erwartete sie mit erhobenem Stock wie ein Samurai, der sein Katana zum finalen Schlag erhoben hatte. Plötzlich traf SailorUranus etwas im Gesicht. Die Blüte einer roten Rose streifte ihre Nase und ließ sie stolpern. Zugleich traf die Spitze einer anderen Rose Iskanders Schlaghand.
 

Ächzend ließ er den Zeigestock fahren und hielt sich die schmerzende Hand. "Tuxedo Mask!", rief Iskander aufgebracht. "Was sollte das?"

Uranus kam derweil wieder auf die Beine. "Tuxedo Mask? Wo?"

Plötzlich war der Krieger mit dem Smoking und dem Zylinder genau zwischen ihnen. Er schien aus dem Nichts entstanden zu sein.

"Hättest ruhig etwas früher auftauchen können", maulte Iskander.

Tuxedo zuckte die Schultern. "Entschuldige. Ihr wart zu schnell für mich. Außerdem musste ich mich noch etwas mit Targhetia beschäftigen, bevor sie sich zurückgezogen hat. Ohne den Schwall heimkehrender Lebensenergie hätte ich euch nie gefunden.

Hallo, Uranus. Kannst du mir erklären, warum Ihr beide kämpft? Ich nehme an, daß zumindest der Dämon bereits vernichtet ist, wenn die Lebensenergie befreit wurde?"

Uranus senkte den Blick. "Wir beide haben den Youma besiegt, mehr oder weniger!"

"Mehr oder weniger? Wie soll ich das verstehen?"

"Ist doch egal. Wir haben ihn zusammen gestellt und erledigt", kam Iskander ihr zu Hilfe. "Die Lebensenergie wurde gerettet, Punkt."

Zorn blitzte in Uranus' Augen auf: "Punkt? Ach ja? Wegen... wegen dem Dämon liegt meine beste Freundin im Krankenhaus. Das willst du einfach mit einem Schlussstrich abtun?"

Verwundert sah Tuxedo sie an. "SailorNeptun liegt im Krankenhaus? Wieso?"

"Ein... Verkehrsunfall, verursacht vom Youma und diesem Amateur. Mi... Neptun wurde mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geschleudert. Zur Zeit untersuchen die Ärzte sie noch."

"Hör mal, Uranus", sagte da Iskander. "Das mit deiner Freundin tut mir echt leid. Glaube mir, es war keine Absicht. Außerdem ist der Hauptschuldige ausreichend bestraft worden."

Uranus sah weg. "Und du glaubst, mit einer Entschuldigung ist es getan?"
 

Hilflos sah Iskander zu Tuxedo Mask herüber.

Der nickte kurz. "Uranus, du solltest Iskander nicht Amateur nennen. Er ist vielleicht neu im Geschäft, aber er ist der einzige Mensch, dem es bisher gelungen ist, eine DemonSeed abzuwehren. Ich würde ihm jederzeit SailorMoons Leben anvertrauen."

Der Kopf der Kriegerin fuhr herum. Unglaube stand in ihrem Blick geschrieben. "SailorMoons Leben? Vielleicht bist du doch nicht so ein Anfänger, wie ich gedacht habe, Iskander."

Der nickte leicht. "Glaube mir, ich habe mir meine Sporen bereits verdient und bin dafür durch die Hölle gegangen. Uranus, vielleicht können wir keine Freunde sein, vielleicht können wir nicht einmal zusammen kämpfen, obwohl wir eigentlich Verbündete sein sollten, aber bitte, lass uns unseren Streit vorerst begraben. Solltest du es wünschen, ich stehe dir jederzeit und überall zur Verfügung und wir regeln die Sache in einem Kampf Mann gegen... Sailor. Ich bitte dich aber, das aufzuschieben, bis wir den unbekannten Feind vernichtet haben."

"Uranus", sagte Tuxedo mit eindringlicher Stimme. "Team Sailor braucht diesen Anfänger. Bitte, Ihr braucht nun wirklich keine Freunde zu werden, aber nimm seinen Vorschlag an und schiebe deinen Händel auf. Ich bin sicher, SailorNeptun würde sich ebenso entscheiden."

Für eine kurze Zeit fochten die Gefühle in SailorUranus' Gesicht. Schließlich siegte die Vernunft. "Okay, Anfänger. Wir verschieben es. Aber bis dahin, geh mir aus dem Weg!" Sie verneigte sich leicht vor Tuxedo Mask und sprang davon.
 

"Eine merkwürdige Frau", meinte Iskander schließlich.

Ein dünnes Grinsen spielte um Tuxedo Masks Züge. "Das ist sie wirklich. Aber sie ist bei weitem nicht so hart wie sie tut. Keine Bange, Iskander, ihr Zorn wird verrauchen, und sobald es SailorNeptun besser geht, wird sie dir vergeben."

"Und was ist, wenn diese SailorNeptun an ihren Verletzungen stirbt?"

Tuxedo schüttelte sich. "Denke besser gar nicht erst daran."

Gedankenverloren kratzte sich Iskander am Ansatz seines weißen Haares. "Tolle Aussichten. Hättest du mir nicht vorher sagen können, daß man sie sich besser nicht zum Feind macht?"

"Witzbold", knurrte Tuxedo.

Iskander zuckte die Schultern. "Was soll' s, eine Feindin mehr fällt jetzt nicht mehr ins Gewicht. Lass uns zurückgehen, Tuxedo Mask. Und auf dem Weg kannst du mir erklären, wer diese beiden SailorKrieger sind."
 

2.

Erwartungen
 

Krankenhäuser hatten die Eigenschaft, irgendwie kalt und steril zu wirken. Weiße Wände, unendlich lange Flure und sehr kalte Instrumente. Akira zog gerade sein Hemd wieder an, als die Ärztin, die ihn untersucht hatte, erneut den Behandlungsraum betrat. "Hier sind die Ergebnisse, Herr Torah. Es ist erstaunlich. Ihr Kreislauf scheint sich von dem absoluten Kollaps, mit dem Sie letzte Woche eingeliefert wurden, fast gänzlich erholt zu haben. Ihr Blutbild weist noch eine erhöhte Zahl an Leukozyten auf, aber ansonsten sind Sie gesund. Haben Sie noch diese Kopfschmerzen?"

Akira lächelte sanft. "Manchmal, Doktor Mizuno. Manchmal. Sie sind aber nicht mehr so stark wie zu Anfang. Vielleicht können Sie mir noch etwas dagegen verschreiben?"

"Sicher. Ich stelle ein Rezept aus. Sollte das Mittel auf lange Sicht nicht mehr helfen, verschreibe ich Ihnen auch gerne etwas anderes.

Herr Torah, ich rate Ihnen, diesem Kollaps auf den Grund zu gehen. Sie können ja kaum aus heiterem Himmel zusammengebrochen sein. Vielleicht sollten Sie eine Computertomographie machen?"

Akira zog seine Jacke über und erwiderte: "Ich verzichte, Doc. Sicherlich glauben Sie, daß ich einen Gehirntumor haben könnte oder so, aber seien Sie ehrlich, wenn es so wäre, dann hätte ich sicher schon einen schmerzhafteren Anfall gehabt."

"Sicher, sicher, die anderen Symptome sprächen dafür. Aber genauso gut könnten Sie nichts bemerken, bis es zu spät ist. Herr Torah, bitte lassen Sie diese Untersuchung machen. Nur, um sicherzugehen, daß es Ihnen wirklich wieder gut geht.

Ich habe Patienten erlebt, die haben dieses Krankenhaus kerngesund verlassen und wurden eine Stunde später als Leiche wieder eingeliefert."

"Ups. Kunstfehler?"

"Nein, Verkehrsunfall."

Akira lachte über den Scherz der Ärztin - das heißt, er hoffte, daß es einer gewesen war. Dann dachte er über ihre Worte nach, sehr lange sogar. Schließlich schüttelte er den Kopf. "Nein, Doc. Es wäre verschwendete Zeit."

"Na gut, aber kommen Sie nächste Woche um die gleiche Zeit wieder her. Wir sollten den Genesungsprozess zumindest beobachten."

Akira nahm das Rezept und steckte es ein. "Danke für Ihre Fürsorge, Dr. Mizuno. Ich werde nächste Woche kommen. Versprochen."
 

Auf dem Flur erwartete ihn bereits Mamoru Chiba. "Und, war es schlimm? Hast du Spritzen gekriegt?"

Akira streckte sich. "Nee, keine Spritzen. Aber ich soll nächste Woche zur Nachuntersuchung kommen. Ansonsten bin ich gesund - zumindest scheine ich es zu sein."

In Mamorus Blick lag Skepsis. "Ich weiß nicht so recht. Als du SailorMerkur von der DemonSeed befreit und die Seed in deinem Körper geduldet hast, da hat es für Motoki und mich ausgesehen, daß du dem Tode näher als dem Leben warst. Wir haben dich in dieses Krankenhaus gebracht, weil wir dachten, es geht um dein Leben. Okay, du hast dich schnell wieder erholt, aber es kann doch nicht völlig ohne Folgen geblieben sein."

"Ist es auch nicht. Die Zahl meiner Leukozyten hat sich nicht gesenkt."

Stille. Akira sah Mamoru erwartungsvoll an.

"Oh nein", erwiderte der grinsend. "Den Gefallen tu' ich dir nicht. Ich weiß sehr wohl, daß Leukozyten Weiße Blutkörperchen sind und im menschlichen Körper die Aufgabe von Wächtern erfüllen, die Keime und Bakterien vernichten! Hast du vergessen, was ich studiere?"

Akira seufzte. "Gibt es irgendetwas, was du nicht weißt?"

"Hm. Ich weiß nicht!"

"Ein schwacher Witz", tadelte Akira. "Komm, gehen wir zu Motoki. Wenn Chrysanthia mittlerweile aus dem Koma erwacht ist, kann sie uns vielleicht Hinweise auf den Gegner geben. Immerhin hat sie wer weiß wie lange unter dem Einfluss einer DemonSeed gestanden."

"Wieso Witz?", fragte der Freund grinsend, als er dem jungen Mann mit den weißen Haaren folgte.

"Mamoru...", tadelte Akira grinsend.

**

Wie Chrysanthia wirklich hieß, wussten sie noch immer nicht. Die Polizei war ratlos. Anscheinend war sie nicht aus Tokio, vielleicht nicht einmal Japanerin. "Mit Targhetia haben wir einen neuen Feind. Wir müssen davon ausgehen, daß auch sie nur von DemonSeed besessen ist", meinte Mamoru leise.

Akira nickte zustimmend. "Sie zu überwinden dürfte sehr schwer werden. Sie ist sehr stark und schnell. Ohne SailorMoons Szepter werden wir keine Chancen haben...

Da vorne ist Chrysanthias Zimmer. Sag mal, ist das nicht deine Freundin Usagi da bei Motoki? Und das Mädchen neben ihr, diese Ami, was wollen die beiden hier? Es scheint, als kämen sie aus Chrysanthias Zimmer."
 

Mamoru Chiba sah verstohlen zu Akira herüber. Ahnte der andere etwas? Sollte er ihm die Wahrheit sagen, obwohl Artemis dagegen war? Nein, entschied er, die Zeit war noch nicht gekommen. Außerdem hatte Akiras Alter Ego Iskander irgendwas gegen SailorMerkur.

"Amis Mutter ist Ärztin in diesem Krankenhaus. Es würde mich nicht wundern, wenn du sie bereits kennen gelernt hast. Man trifft Ami hier übrigens öfters", log er, ohne die Miene zu verziehen.

Als Usagi ihren Freund sah, kam sie langsam herüber. Mamoru stutzte. Auch Akira schien erstaunt. Das war nun überhaupt nicht die Art des lebenslustigen Blondschopfs.

"Hallo, Mamoru. Kann ich dich mal sprechen?", hauchte sie. Ihre Stimme klang dabei zart und schwach. Es schien beinahe, die Usagi, die Akira kennen gelernt hatte und die neben Mamoru waren zwei verschiedene Menschen.

"Natürlich. Entschuldige mich, Akira."

"Ist schon in Ordnung. Ich werde etwas mit Motoki plaudern."
 

Diese Etage besaß wie jede andere einen Warteraum. Dort nahmen die beiden Platz. "Also, was ist, mein Schatz?"

Unsicher streifte Usagis Blick durch den Raum. "Der Silberkristall hat vorgestern aufgeleuchtet. Und Rei ist heute Nacht zusammengebrochen, als sie eine Vision der Zukunft sah. Es geht ihr zwar jetzt besser, aber sie ist nicht zur Schule gegangen. Ami hat vorhin eine Computeranalyse durchgeführt, oder wie das heißt. Sie meinte, etwas hätte den Mond um ein Millionstel seines Radius aus der Bahn gedrückt. Das klingt nicht viel, aber so ein Riesending wie den Mond, kann man den denn überhaupt bewegen? Und wenn ja, wer kann es?" Usagi lehnte ihren Kopf an Mamorus Schulter. Sanft strich seine Rechte über ihre Wange. "Ich habe Angst, Mamoru."

"Ich auch", gestand der junge Mann. "Aber was immer dort draußen ist, wenn wir alle zusammenhalten, werden wir es aufhalten können."

"Glaubst du das wirklich?"

"Aber natürlich glaube ich das, Usagi. Wie oft schon sah es für uns hoffnungslos aus, wie oft dachten wir, es wäre um uns geschehen. Und wir haben es trotzdem immer geschafft, weil du uns Kraft und Mut gegeben hast."

"Ich habe immer noch Angst."

Mamoru lächelte still. "Das ist keine Schande. Mach einfach das, was du immer tust. Glaube an das Gute im Menschen und vertraue auf deine Freunde. Sie werden dich ebenso wenig im Stich lassen wie ich oder Haruka. Habe ich dir schon erzählt, daß ich sie heute getroffen habe? Sie hatte einen kleinen Unfall mit Michiru. Vielleicht liegt Michiru ja sogar in diesem Krankenhaus."

"Ich weiß. Makoto und Minako haben Haruka schon im Eingangsbereich getroffen. Sie soll über den armen Iskander geflucht haben."

"Ja, das hat sie. Aber ich habe ihr Versprechen, daß wir uns zuerst um die DemonSeed kümmern. Ach ja, ich werde versuchen müssen Iskander aufzutreiben, um ihm das mit dem Mond zu erzählen. Auch Gyes wird sich dafür interessieren. Gehen wir zurück zu den anderen. Ich will sehen, wie es Chrysanthia geht."

"Mamoru?", fragte Usagi, als sie aufstanden.

"Ja?"

"Wieso hast du Akira mitgebracht? Wieso interessiert ihn Chrysanthia?"

Mamoru sah weg. "Er... Ich habe ihn auf dem Weg hierher getroffen. Er hatte einen Termin beim Arzt. Wir wollten anschließend noch einen Kaffee trinken, da ist er einfach mitgekommen."

"Oh", machte Usagi.
 

Als sie zurückkamen, unterhielten sich die drei angeregt. In Akiras Augen lag ein stiller Vorwurf, als er Mamoru sah. Hatte er etwas herausgefunden?

"Hallo, Mamoru. Schön, dich zu sehen. Akira meinte, ihr wollt noch einen Kaffee trinken gehen. Da würde ich gerne mitkommen, wenn es euch nichts ausmacht", sagte Motoki leise. "Aber nein. Warum denn? Entschuldigt mich jetzt bitte."

Er betrat das Zimmer. Akira und Motoki verwickelten die beiden Mädchen in ein Gespräch. Für ein paar Augenblicke war Mamoru Chiba ungestört. Er grinste bei dem Gedanken, daß die beiden Mädchen nicht ahnten, daß ihre beiden Gegenüber Iskander und Gyes waren - und deshalb versuchten, ihm, Tuxedo Mask zu helfen, indem sie die beiden jungen Männer ablenkten... Und daß seine beiden Freunde nicht wussten, daß die Mädchen SailorMoon und SailorMerkur waren und daß sie nun ihrerseits versuchten, die Mädchen abzulenken, um ihm, Tuxedo Mask Zeit zu verschaffen....
 

Chrysanthia war an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Ihre feuerroten Haare waren über das gesamte Kopfkissen verteilt. Sie schien zu schlafen. Das war falsch. Sie lag im Koma.

"Auch nur ein Opfer", murrte er unzufrieden. Wie hatte Akira sich das vorgestellt? Er sollte Chrysanthia wieder aufwecken? Warum machte es der Weißhaarige nicht selbst? Irgendwie konnten es Motoki und er schon hinbekommen, daß Usagi und Ami nicht allzu misstrauisch wurden, wenn sie ebenfalls in das Krankenzimmer kamen.

Er trat an ihr Bett heran. Sie sah so hilflos aus. Da war nichts mehr von ihrem herrischen Gehabe, mit dem sie ihre Youmas verteilt hatte. Das war vergangen, zusammen mit der DemonSeed, die sie beherrscht hatte. Unruhig trat er noch einen Schritt näher. Was, wenn Usagi jetzt gerade hereinplatzte? Würde sie die falschen Schlüsse ziehen? Er konnte es ihr nicht einmal verdenken.

Plötzlich regte Chrysanthia sich. Sie stöhnte leise. "Endymion", kam es kraftlos über ihre Lippen. Sie öffnete die Augen, einen winzigkleinen Spalt nur. "Hoheit, ich... habe nicht viel Zeit. Eure Aura war nur... war nur stark genug, um mich kurz zu wecken. Die DemonSeed ist nicht... ist nicht die einzige Gefahr für die Erde. Es gibt da noch etwas. Etwas Mächtiges, bedrohliches. Die Erde wird... Sie werden kommen und alles töten. Alles. Alles... Seid auf der Hut. Der.. Silberkristall ist...die einzige Chance, wenn das Seelenschiff erscheint. Beschützt eure Königin, damit... Damit sie es verhindern kann. Ich.."
 

Kraftlos fielen ihre Augen wieder zu. Nichts deutete darauf hin, daß sie erwacht war, wenn auch nur für einen Moment. Leise verließ Mamoru das Krankenzimmer wieder. Wie hatte sie das wissen können? Woher wusste sie, daß er die Reinkarnation von Prinz Endymion war? Wo war der Sinn des Ganzen? Und was war die neue Gefahr, die sogar die DemonSeed übertreffen würde?

Als er hinaustrat, musste er beinahe schmunzeln, so ernst die Lage für sie auch war. Sowohl Akira als auch Ami sahen ihn mit dem 'Was hast du da drinnen heraus gefunden'- Blick an. "Gehen wir einen Kaffee trinken, meine Herren!"

**

Selbstredend hatten die Mädchen mitkommen wollen. Unterwegs sammelten sie noch die anderen drei ein, die blonde Minako Aino, die Hochgewachsene Makoto Kino und die respektlose Rei Hino. Zu ihnen gesellte sich noch ein junger Mann, den Akira noch nicht kannte. Er trug einen lässigen Geschäftsanzug und gab sich leger, aber selbstbewusst.

Er wurde Akira als Haruka Tenoh vorgestellt. Sein Händedruck - auch er schien von der klassischen Verbeugung weniger zu halten als von der westlichen Variante - war fest und ausdauernd.
 

"Also, erzähl mal, Haruka, wie geht es Michiru?" fragte Usagi sofort, als sie sich im kleinen Café über dem Spielecenter gesetzt hatten.

"Den Umständen entsprechend. Sie hat eine Gehirnerschütterung. Ein, zwei Tage Ruhe, und sie ist wieder die alte." Haruka griff sich plötzlich an die Stirn und wandte sich von den anderen ab.

Akira konnte sehen, wie eine einsame Träne seine Wange herab lief.

"Verdammt, hätte ich ihr nur nie erlaubt, den Anschnallgurt zu lösen, ihr wäre überhaupt nichts passiert, als der Wagen herumschleuderte..."

Plötzlich spürte Akira Mamorus Blick. So intensiv, als wolle er ihn damit durchdringen, um die Gedanken des Weißhaarigen zu lesen. Akira sah herüber.

Mamorus Miene war düster. 'Du weißt es?' war in seinem Blick zu lesen.

Akira erschauerte. Dann nickte er ebenso stumm. Der junge Mann war also eine Frau. Aber nicht irgendeine. Haruka Tenoh war SailorUranus, die SailorKriegerin, die sich fest vorgenommen hatte, ihn zu bestrafen. Plötzlich wurde vieles klarer für Akira. Usagi, Ami, Rei, Minako, Makoto und deren Beziehung zu Mamoru und Motoki. Wie blind konnte ein einzelner Mann nur sein, um all das nicht zu sehen?

Da war dieser Schimmer, dieses Erkennen in Harukas Augen, eine Mischung aus Neugierde und Zorn und vielem mehr. Sie sah nur einen Liedschlag zu ihm herüber, doch das reichte Akira, um zu erkennen, daß sie ihn auch erkannt hatte. Der Schatten über ihren Augen sprach Bände.
 

Akira erhob sich. "Ich will nicht unhöflich sein, aber ich muß leider gehen."

"Och", murrte Usagi. "Und der Kaffee, den wir bestellt haben?"

"Und die Torte", piesackte Rei ihre Freundin.

"Hm, ja, die Torte." Genießerisch schloss der Blondschopf die Augen. "Erdbeertorte, lecker."

"Kommst du mit, Motoki?"

"Was? Wieso?"

Akira seufzte. "Schon gut. Wir sehen uns dann morgen." Lässig nickte er allen zu und ging.

Haruka wollte aufstehen, doch Mamorus Hand auf ihrer Schulter hielt sie zurück. Sie knurrte zornig, fügte sich aber. "Was macht der Kerl eigentlich hier? Ich mag ihn nicht."

"Akira ist ein Freund von mir", bemerkte Mamoru und betonte das Wort Freund.

"Außerdem ist er wahnsinnig nett und hilfsbereit", meinte Usagi und hielt sich den Bauch. Ob die Torte bald kam? Sie war am Verhungern.

"Er ist schlau, witzig..." führte Rei den Gedanken weiter.

"Etwas geschwätzig vielleicht." murmelte Minako.

"Er ist oberflächlich", beschwerte sich Haruka.

Ami hob entschuldigend die Schulter. "Aber er ist zuverlässig. Du solltest ihn wirklich mal näher kennen lernen."

Harukas Blick ging einmal in die Runde. Dann sagte sie mit einem feinen Lächeln: "Das habe ich vor. Das habe ich vor..."
 

Als sich die Tür hinter Akira geschlossen hatte und er außer Sicht war, legte er die Hände an sein Gesicht und ächzte leise. Sein Leben war gerade dabei, von null auf hundert zu beschleunigen, um vollends in die Brüche zu gehen. Da waren diese Gedächtnislücken, mit denen er zu kämpfen hatte, dieser unangenehme, beißende Kopfschmerz, der ihm zu schaffen machte, und seine zweite Identität als Iskander, der nicht gerade ein gefahrloses Leben führte. Sanft massierte er seine Schläfen. So war es besser.

Und was nun? SailorUranus wusste jetzt, wer er war. Wenn sie es drauf anlegte, konnte sie ihn überall und jederzeit attackieren.

"Akira?", hörte er ein dünnes Stimmchen hinter sich. "Akira, geht es dir gut?"

"Artemis." Der junge Mann ging in die Hocke. "Warum bist du nicht drin geblieben?"

"Ich hatte das Gefühl, daß du mich brauchen würdest."

Ein merkwürdiger Schimmer lag in den Augen des weißen Katers.

Akira lächelte nur gering schätzend. "Es hat keinen Sinn, meine Erinnerung manipulieren zu wollen, Artemis. Dagegen bin ich immun. Es hat schon das letzte Mal nicht geklappt."

"Dann weißt du es also?"

"Das Haruka Tenoh SailorUranus ist? Ja, das habe ich ganz allein herausgefunden. Und ich glaube, Haruka weiß jetzt, daß ich Iskander bin."

Das Leuchten erlosch. Artemis seufzte und ließ sich von Akira auf den Arm nehmen. "Hör mal, das mit dem manipulieren der Erinnerung, tut mir leid, aber es ist mein Job."

"Schon gut. Du gehörst eben zu Team Sailor und dann erst zu mir und Motoki."

"Das nimmst du mir doch nicht übel?"

Akira lachte leise. "Jeder hat sein Bündel zu tragen. Lass uns nur nicht im Stich, wenn wir dich brauchen, ja?"

Leth erwacht

1.

Zwischen den Zeiten gab es einen Ort, der schon immer existierte. Und er würde auch noch existieren, wenn es die Welten, die er verband, schon lange nicht mehr gab...

An diesem Ort hielt eine Frau einsame Wacht. Wie lange? Wer konnte das schon sagen, wenn man sich in einer Zwischendimension befand, die Zeit nur in einer einzigen Form kannte. Der Zeit, die von diesem Platz aus erreicht werden konnte.

Die Frau, die über diese Dimension zwischen den Zeiten wachte, hieß Setsuna Meio.

Das hieß - diesen Namen nahm sie lediglich an, wenn die Umstände sie zwangen, eine bestimmte Zeit zu betreten.

Normalerweise ließ sie sich SailorPluto rufen, benannt nach dem kleinsten und entferntesten Planeten des Sonnensystems. Doch aus diesem Umstand auf ihre Macht schließen zu wollen wäre gefährlicher Leichtsinn gewesen.

Manche dachten, SailorPluto würde die Pforte zwischen Gegenwart und Zukunft bewachen.

Manche dachten, dass Prinz Endymion die SailorKriegerin hier auf diesen Platz gestellt hatte.

Aber das war falsch. Denn der Mann, der in einer Zeit, die von unserer als Zukunft angesehen wurde, an der Seite Prinzessin Serenitys die Erde regierte, hatte sie lediglich in ihrem Amt bestätigt.

Es war vielleicht Unsinn, über vergangene Zeit zu reden, wenn man an einem Ort lebte, der Zeit nicht wirklich kannte. Aber tatsächlich war die Frau Setsuna Meio einst für diesen Posten berufen worden, als auf unserem Mond das SilverMillenium gerade erst entstanden war.
 

Seither verfolgte sie verschiedene Aufgaben. Eine war sicherlich darauf zu achten, Zeitreisen zu unterbinden oder zumindest in vernünftige Bahnen zu lenken, denn manchmal waren sie nötig. Leider. Eine andere aber betraf nicht die Zeit, sondern einen Ort. Dieser Ort war unsere Welt. Sie zu beschützen, zu verteidigen gegen jeden Angriff von außen war ihre zweite Aufgabe. Diese teilte sie sich mit SailorUranus und SailorNeptun.

Normalerweise mochte sie ihre Wacht, zwischen den Zeiten, zwischen den Dimensionen, abgelöst von der Zeit, von Alter und Tod, auf einem Platz, der es ihr erlaubte, alle Zeiten und Welten zu beobachten.

Aber manchmal erinnerte sie sich daran, dass sie immer noch ein Mensch war. Ein mächtiger Mensch, zugegeben, aber eben nur ein Mensch. Mit Hoffnungen, Wünschen, Träumen und Freunden.

Wenn die Freunde bedroht waren, dann konnte es passieren, dass sie ihre einsame Wacht verließ und in die Geschehnisse eingriff.
 

"Wohin gehst du?", fragte eine klare Stimme hinter SailorPluto.

Die Frau mit den langen dunkelgrünen Haaren wandte sich um und erkannte die Mondprinzessin der Zeitlinie von Crystal Tokio, allerdings aus einer Zeit, die weit hinter den Angriffen und Konflikten lag, die sie zum Kampf um ihre Heimat gezwungen hatten. Die sie in die Vergangenheit geführt hatte. In der sie Seite an Seite mit den SailorKriegern gekämpft hatte, um in der Zukunft eine Heimat, eine Existenz zu haben.

SailorPluto beschloss für sich, dass das junge Mädchen, das langsam zur Frau reifte, genug gekämpft hatte. Und ihre Eltern noch nicht.

"Ich gehe. Es wird Zeit. Der alte Feind ist da."

Die junge Frau eilte auf die Freundin aus ihren Kindertagen zu und ergriff ihre Hände. "Ich komme mit! Auch wenn ich lange nicht kämpfen musste, ich habe immer noch Macht! Ich will den anderen helfen." In ihren Augen stand Verzweiflung und die stumme Bitte, sie nicht zurück zu weisen. Doch Pluto strich ihr nur sanft über die Wangen, eine Geste, mit der sie die junge Chibi-Usa, die jene Frau einmal gewesen war, noch immer zum lächeln gebracht hatte.

Doch diesmal gebar es nur Wehmut und Trotz. "Du wirst mich nicht mitnehmen", erkannte sie. "Aber du weißt, dass ich die Macht hätte, dir auf eigene Faust zu folgen."

"Ich weiß, Usagi. Du hast es auch alleine an diesen Ort geschafft, und damals warst du zehn Jahre jünger. Deine Macht ist während der Kämpfe an der Seite deiner Eltern gewachsen, du bist nun eine wichtige Stütze von Crystal Tokio geworden. Und das ist ein Grund, warum ich dich nicht mitnehme. Du wirst in deiner Zeit gebraucht. An deinem Ort."

"Aber was ist, wenn du in der Vergangenheit versagst? Was ist, wenn SailorMoon versagt? Dann habe ich keine Zukunft mehr, die ich beschützen kann! Dann gibt es keine Zukunft mehr. Ich habe doch schon für diese Zukunft gekämpft! Einmal, zweimal, dreimal. Warum darf ich es jetzt nicht?"

"Weil", sagte Setsuna Meio und strich der hübschen jungen Frau über die Haare, "dies der Anfang ist und das Ende. Wir beenden einen uralten Streit und beginnen den neuen Weg in die Zukunft. Die Zeit des Gerichts ist gekommen. Es ist die Zeit, in der alle mächtigen Wesen auf der Erde erwachen, um das Urteil..." Pluto verstummte so plötzlich, als glaubte sie zuviel gesagt zu haben.

Usagi sah die große Frau an, die sie schon immer als ältere Schwester verehrt hatte. Ihr standen Tränen in den Augen. Sie umarmte die alte Freundin und weinte ungehemmt. "Versprichst du mir, dass du wiederkommst? Wirst du es überleben? Werden die anderen es überleben?"

"Ich kann dir nur versprechen, dass wir alle Seite an Seite kämpfen werden, um deine Zukunft zu ermöglichen. Wenn ich es kann, komme ich an diesen Ort zurück oder besuche dich in deiner Zeit. Aber mehr kann ich dir nicht geben."

Pluto löste sich von der jüngeren Frau und schien nach hinten zu schweben. Dabei wurde sie blasser, durchscheinender und verschwand schließlich ganz.

"Setsuna-nee-chan! Pass auf meine Mutter auf!", rief Usagi ihr nach.

Eine spöttische Stimme erklang, und sie schien von allen Seiten zu kommen. "Das tun wir doch alle, Usagi. Und einer besonders..."

**

Mamoru Chiba nieste heftig.

"Gesundheit, Kumpel", sagte Akira und suchte nach einem Taschentuch. Doch der groß gewachsene Medizinstudent winkte nur ab. "Schon gut. War nur heiße Luft. Hat wohl gerade jemand an mich gedacht, hm?"

"Hoffentlich im guten", scherzte Akira und widmete sich wieder dem Buch vor sich. Manchmal verfluchte er sein Studienfach wirklich. Aber er hatte es immer noch leichter als der Einser-Student Mamoru mit seinem Wunsch, Arzt zu werden.

"Hey, habt Ihr schon gehört?", rief Motoki und ließ einen Stapel Bücher auf den Tisch krachen an dem die beiden saßen. "Angeblich rast ein Komet auf die Erde zu. Man hat ihn kurz am Himmel entdeckt, aber dann verschwand er hinter dem Mond, tauchte aber auf seiner vorgesehen Bahn dahinter nicht mehr auf."

"Und der Mond ist der Erde näher gerückt", schloss Akira das Thema ab.

"Was, bitte?", rief Motoki bestürzt.

"Ist nicht viel, nur ein oder zwei Meter. Aber beachtlich ist das schon. Scheint so, als hätte etwas oder jemand dem guten alten Mond einen kräftigen Stupser gegeben", fügte Mamoru hinzu.

"Meint Ihr, es hängt mit Chrysanthia zusammen? Sie hat dir doch diese Warnung gegeben, Mamoru." Motoki Furohata setzte sich zu den anderen und sah sie zweifelnd an.

"Langsam, langsam, bisher wissen wir nur eines. Ein unbekannter Feind hat eine Frau mit einer Art DemonSeed infiziert. Daraufhin fing sie an, andere Menschen mit DemonSeed zu infizieren und ihnen den Auftrag zu geben, Lebensenergie zu sammeln. Was, warum und wofür wissen wir nicht."

"Aber man kann es ja ermitteln, Akira", bemerkte Mamoru amüsiert. "Was wollten unsere Gegner denn bisher? Drei-viermal die Welt vernichten, einmal die Welt übernehmen. Nicht einer kam vorbei, weil er unsere dreihundertsiebzehn Eissorten zu schätzen wusste."

"Es gibt dreihundertsiebzehn Eissorten weltweit?", lachte Akira.

"Na klar. Schoko, Mocca, Vanille, Erdbeere, Passionsfrucht..."

"Das sind aber erst fünf, Mamoru", meinte Motoki und unterdrückte ein Schmunzeln.

"Ich bin ja auch noch lange nicht fertig. Stracciatella, Walnuss, Kaffee, Zitrone, Apfel..."

"Du hast Reiswein vergessen. Und gibt es nicht auch schon Eis in Lachsgeschmack?", scherzte Akira.

"Jedenfalls", setzte Mamoru seinen eigentlichen Gedanken fort, "ging es fast immer um die Vernichtung der Welt. Meistens sollte darauf die Erschaffung einer neuen, perfekteren Welt folgen. Also wird es diesmal nicht groß anders aussehen. Aber solange Menschen in ihr leben, gibt es auch keine perfekte Welt. Denn es gibt keine perfekten Menschen, es gibt nur..."

"Perfekte Absichten. Ich weiß, ich habe den Film aus dem das Zitat stammt auch gesehen", warf Akira ein. "Die Frage, die sich uns nun stellt ist also, was will unser Gegner wirklich? Ein bekannter Gegner ist halb besiegt, oder?"

"Klingt frei nach Sun-Tzu", meinte Motoki.

Als er die erstaunten Blicke der anderen sah, sagte er verlegen: "Ich hielt es für eine gute Gelegenheit, Taktik mal näher zu betrachten. Ich meine jetzt, wo ich das hier habe."

Der mit Blitzen verzierte Stift, der ihn in das übermächtige Wesen Gyes verwandeln konnte, wog schwer in seiner Hand.

"Ist ein Argument", brummte Akira und klappte sein Buch zu. Mit lernen war es definitiv vorbei.
 

"Sag mal, Mamoru, warum versucht Artemis eigentlich, unsere Gedächtnisse zu löschen?"

"Was, bitte?", rief der erstaunt.

"Na, neulich, als ich diesen Ärger mit SailorUranus hatte, weil Neptun verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, da habe ich ihre Geheimidentität entdeckt. Und Artemis hat versucht, nun, dieses Wissen wieder zu löschen."

"Du hast dich mit Uranus angelegt? Verdammt schlechte Idee, Akira. Wandere lieber aus", kommentierte Motoki. "Was genau ist passiert?"

"Sie ist schon unheimlich, zugegeben. Und zu groß und viel zu kräftig für eine Frau. Ich meine, wenn jemand eigentlich ein Mann werden sollte, dann sicher sie." Akira wandte sich um und warf einen Blick hinter sich. "Gut. Für eine Sekunde fürchtete ich, sie würde direkt hinter mir stehen und alles mithören."

"Ich hätte dich dann schon gewarnt, Kumpel", sagte Mamoru grinsend. "Vielleicht."

"Dieses vielleicht gibt mir zu kauen. Also, warum hat Artemis das versucht?"

Mamoru sah die beiden eine lange Zeit an. Endlich seufzte er und sagte: "Wie Ihr wisst, bin ich nicht wirklich Teil des SilverMilleniums gewesen. Ich, oder vielmehr die Person, die ich früher einmal war, hatte ein Königreich auf der Erde erben sollen. Deshalb weiß ich nicht wirklich viel über das Reich auf dem Mond. Ich kenne die offiziellen Sachen, aber die meisten Interna blieben mir verschlossen.

Hier und da gibt es Überschneidungen, zum Beispiel, als sich ein Teil unserer Heere vereinte, um die Youmas in einer großen Entscheidungsschlacht zu vernichten. Was Metallia damals nutzte, um unsere geschwächten Reiche zu erobern und zu vernichten."

Mamoru senkte den Kopf. Sichtlich kämpfte er mit den Erinnerungen, die in ihm wühlten.

"Ich weiß nur soviel, dass es für Geheimoperationen im Königreich auf dem Mond ein Credo gab: Was du nicht weißt kannst du nicht verraten. Deshalb hat Artemis in alter Manier wohl versucht, das Wissen, wer Uranus in Wirklichkeit ist, wieder aus dir zu tilgen.

Wie konntest du widerstehen?"

"Es ging eigentlich ganz einfach. Seit ich diesen Traum hatte, vom alten SilverMillenium auf dem Mond, da..." Akira stockte. "Schon gut, ich... Ich muß da noch mal richtig über zwei, drei Dinge nachdenken.

Jedenfalls habe ich zwei Probleme am Hacken. Artemis, der vielleicht noch mal versuchen wird diese Erinnerung zu löschen - und vielleicht schon ganz andere Dinge gelöscht hat, dieser fiese kleine Kater - und Uranus, die mir den Unfall mit ihrer Freundin zur Last legt."

"Und dann haben wir alle gemeinsam zwei Probleme", sagte Motoki. "Wenn wir eines wissen, dann das, dass nach Chrysanthia ein neuer Dämonengeneral kommen wird. Einer oder mehrere, die wieder herumstolzieren, DemonSeed verteilen und Seelenenergie zu rauben versuchen. Was uns automatisch zu Problem Nummer zwei bringt: Was haben die eigentlich mit der Seelenenergie vor?"

"Das müssen wir herausfinden. Unbedingt", murmelte Mamoru gepresst.

"So schlau sind wir auch", beschwerte sich Motoki bei dem Freund.

Er sah zu Akira herüber. "Sag mal, was für ein Traum war das denn, den du da hattest?"

"Wieso, hattest du auch einen Traum?"

"Ging es um eine Schlacht auf einer großen Ebene?"

"Nein."

"Dann hatte ich wohl einen anderen Traum", brummte Motoki nachdenklich.

"Bei mir", sagte Akira ungewohnt redselig, "ging es um einen Ball. Um eine Prinzessin, die heimlich im Garten ihren Geliebten traf. Und um Verantwortung."

Mamoru sah seinen Gegenüber erschrocken an. Von dort zu Motoki. Danach wieder zu Akira. "Ihr...", sagte er leise.

"Ihr was?"

"Schon gut." Mamoru schüttelte kurz den Kopf, wie um eine böse Erinnerung abzuschütteln. "Es ist nur, als... Als hätte ich diese Träume auch gehabt. Ich meine, ich habe sie nicht geträumt. Aber ich glaube, ich... Ich kenne sie. Sehr merkwürdig, oder?"

Akira verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. "Merkwürdiger als Youmas, Mädchen, die sich verwandeln können und der Mond, der sich aus unerfindlichen Gründen der Erde nähert? Wohl kaum."

"Ja, wohl kaum", bestätigte Mamoru und widmete sich wieder seiner Lektüre.
 

"Ich werde es tun."

Motoki und Mamoru sahen Akira fragend an. "Was tun?"

"Ich werde unsere Gegner fragen, was sie eigentlich vorhaben. Fragen kostet ja nichts, oder?"

"Sehr witzig. Nur eventuell dein Leben, wenn du in eine fette Falle stolperst. Keine guten Aussichten, oder?", meinte Mamoru.

"Das schon. Aber wie war das mit dem bekannten Feind? Außerdem bin ich im Moment wohl der einzige, der nicht von DemonSeed oder einem Seedking übernommen werden kann, oder?"

"Das spricht zwar für dich, Akira. Aber tot nützt du uns nichts. Erst recht nicht, wenn du stirbst, bevor du uns die Information bringen kannst, die du wagemutigerweise besorgen willst."

"Vielleicht ergibt sich ja eine günstige Gelegenheit", murrte Akira.

"Wenn du Todessehnsucht hast", erwiderte Mamoru mit beißendem Spott in der Stimme, "dann sag Uranus, dass sie nicht Auto fahren kann. Das geht schneller."

"Witzbold", murrte Akira, während die anderen beiden leise lachten.
 

2.

Ein paar Kilometer entfernt ging das Leben einen etwas beschaulicheren Gang. In einem Shintotempel betete Rei Hino um göttlichen Beistand und versuchte, in der Ruhe des Tempels auf ihre eigene Art der neuen Bedrohung auf die Spur zu kommen.

Ein starker Windhauch, der von einer sich öffnenden Tür ausging, löschte einen Teil der Kerzen und unterbrach ihre Konzentration.

"Entschuldige, Rei. Wenn ich gewusst hätte, dass du...", klang hinter ihr eine verlegene Männerstimme auf.

Die angehende Priesterin wandte sich aus ihrer Sitzhaltung halb um und meinte: "Nicht so schlimm, Yuuichiro. Ich war sowieso nur mit halbem Herzen bei der Sache." Sie klopfte auf das Kissen neben sich.

Der junge Mann lupfte erstaunt seinen Pony, der ihm immer über den Augen hing, setzte sich aber gehorsam neben die junge Frau.

"Sag mal, Yuuichiro, warum machst du das alles hier? Warum willst du bei uns im Tempel leben?"

Yuuichiro Kumada zuckte mit den Achseln. "Diese Frage hast du mir schon mal gestellt. Und an der Antwort hat sich nichts geändert. Ich will ein besserer Mensch werden."

Sein Blick wurde ernst. "Und ich will dir zur Seite stehen, Rei."

Die Miko riss die Augen auf.

"V-versteh mich nicht falsch", haspelte Yuuichiro hervor, "ich will nichts von dir, wirklich nicht. Aber ich sehe dich immer so hart arbeiten, für das Wohl anderer, für deine Freunde. Und so selten für dich selbst. Und da habe ich eben vor langer Zeit beschlossen, dich so gut es geht zu unterstützen."

"Vor langer Zeit?", fragte Rei mit wehmütigem Spott in der Stimme. "Wie lange bist du denn schon im Tempel?"

"Na, zwei Jahre werden es wohl schon sein."

"Hm." Rei dachte daran, dass Yuuichiro aus einer wohlhabenden Familie kam und eine hervorragende Ausbildung genossen hatte. Ihm hätten Universitäten offen gestanden, große Firmen. Aber nein, er hatte sich dazu entschieden, in diesem Tempel zu leben. War er einfach nur merkwürdig? Oder sah er mehr als sie? Nun, zum Thema merkwürdig fielen ihr tausend Beispiele ein, aber die meisten betrafen sie selbst, ihre eigene Familie und ihre Freundinnen. Nur eine Handvoll den jungen Mann neben ihr.

"Es waren keine verschwendeten Jahre", gestand sie leise. Sie erhob sich und streckte sich einmal richtig. "Ach, ich finde keine Ruhe. Ich gehe erst mal einen Tee trinken."

Rei hatte die Tür schon erreicht, als sie wieder zurück sah. "Willst du auch einen?"

Der junge Mann sprang auf. "Warte, lass mich ihn machen. Dein Tee wird immer so dünn."

"Du weißt wirklich, was eine Frau hören will", seufzte sie gespielt.

**

Als Michiru Kaio nach ihrem langen Schlaf die Augen öffnete, war das erste was sie sah, ihre Freundin und Gefährtin Haruka Tenoh.

Sie versuchte sich aufzurichten, doch alleine der Gedanke daran ließ Wellen von beißendem Kopfschmerz durch ihren Schädel rasen. "Was...?"

"Ruhig." Haruka war erleichtert und aufgeregt, als sie ihre kühlen Hände auf die pochende Stirn der jungen Frau legte. "Wir hatten einen Unfall. Du hast eine ziemlich derbe Gehirnerschütterung, aber nichts, was ein paar Tage Ruhe nicht wieder richten können."

Michiru sah die größere Frau aus großen Augen an. "Un...fall?"

"Mehr oder weniger", murmelte Haruka und ballte unwillkürlich die Rechte zur Faust. "Als wir gerade so schön auf der Autobahn waren, brachen ein Youma und so ein widerwärtiger Typ namens Iskander durch die Fahrbahn. Ich wich aus, geriet ins Schleudern und...

Na, jedenfalls habe ich dich dann ins Krankenhaus gebracht und bin dann den beiden hinterher und..."

"Hast du den Youma erwischt?", fragte Michiru mit matter Stimme.

"Was? Ja, aber eigentlich wollte ich diesen arroganten Typen noch bestrafen, aber..."

"Das ist gut", hauchte Michiru und schien beinahe einzuschlafen.

"Was ist gut? Das dieser gemeingefährliche Kerl immer noch herum läuft? Wenn Mamoru nicht dazu gekommen wäre, dann..."

"Haruka", murmelte Michiru leise. "Warum sind wir nach Tokio gekommen?"

"Äh, wir wollten Usagi und den anderen helfen."

"Und was hat... Hat dieser Iskander gleich gemacht?"

"Das habe ich dir doch erzählt!", rief Haruka aufgebracht. "Er brach durch die Fahrbahn, verfolgte den Youma und scherte sich einen Dreck darum, was er gerade angerichtet hatte. Das er meine Michiru verletzt hatte."

"Oh, das finde ich süß", hauchte die junge Frau und griff nach den herrlich kühlen Händen. Sie zwang die Faust auf und legte ihre Linke hinein. "Es ist so süß von dir, dass du mich rächen wolltest. Aber wenn Iskander einen Youma verfolgt hat und Mamoru für ihn gebürgt hat, kann es... Kann es da nicht sein, dass wir das gleiche Ziel verfolgen?"

"Sicher. Aber muß er dann so selbstgefällig und arrogant sein und..."

"Ich bin sehr gespannt auf ihn. Wenn er dich derart auf die Palme bringen kann, muß er ein sehr interessanter Mensch sein."

"Er ist arrogant, überheblich, rücksichtslos und tut immer so geheimnisvoll. Ich meine, er geht mit den anderen essen und bildet sich tatsächlich ein, ich würde ihn ohne seine dämliche Uniform nicht erkennen. Aber hey, ich bin ja nicht..."

"Ich will ihn wirklich mal kennen lernen. Ich glaube, ich würde ihn mögen."

"Michiru!", rief Haruka entrüstet.

"Irgendwie klingt er nach dem frechen Mädchen, das ich als SailorUranus erweckt habe. Das gefällt mir", murmelte die junge Frau, legte Harukas Linke auf ihre Wange und bettete sich darauf. Kurz darauf war sie eingeschlafen.

"Michiru. Das ist nicht fair. Du kannst mir doch nicht einfach meinen Ärger nehmen. Du kannst doch nicht..." Verzweifelt sah Haruka auf das schlafende Gesicht ihrer Freundin nieder und musste lächeln. "Michiru, du bist fies. Aber für dich würde ich ihn sogar um Tanzstunden anbetteln."
 

"Hallo!", erklang es laut und fröhlich vom Eingang. "Ist sie wach, Haruka-chan?"

Haruka wandte sich halb um und bedeutete Usagi, leise zu sein. "Sie ist gerade kurz aufgewacht und schläft schon wieder. Belassen wir es dabei."

Vorsichtig löste sie ihre Hände aus Michirus Umklammerung, stand auf und schob den blonden Naseweis vor sich her aus dem Krankenzimmer hinaus.

Auf dem Gang warteten zwei weitere SailorKrieger, Makoto Kino und Ami Mizuno.

"Hallo", sagte Haruka freundlich, während sie die Tür hinter sich schloss.

"Geht es Neptun gut?", fragte Ami besorgt.

Haruka verstand die Gefühle der jungen Frau. Von allen anderen SailorKriegern war Michiru die Frau mit der größten Affinität zu Amis Kräften. Beide benutzten das Element Wasser als Waffe und Ami hatte manchmal die Angewohnheit, Michiru etwas zu sehr zu verehren.

Zum Glück hielt sich das in Maßen. Nicht, dass Haruka in der niedlichen kleinen Mizuno eine Konkurrenz für sich bei Michiru sah... Obwohl, sie war wirklich sehr niedlich.

"Es geht ihr sehr gut", kommentierte Haruka und machte sich auf zur nächsten Sitzecke, was ihr Gelegenheit gab, ihre Gedanken zu ordnen und sich selbst zu fassen.

Doch so schnell gab Ami nicht auf. Sie eilte an Harukas Seite und verkündete: "Ich verstehe deinen Ärger auf Iskander. Ich meine, ich... Er ist eine Gefahr, glaube ich. Auch wenn die anderen dagegen sind, dann... Ich helfe dir. Du brauchst nur zu sagen wann und wie."

"Ami!", protestierte Makoto. "Iskander ist unser Verbündeter!"

"Ich weiß, dass Ihr das denkt, aber können wir jemanden trauen, der nicht ebenfalls seine Kräfte aus der Zeit des SilverMilleniums bezogen hat?", erwiderte sie trotzig.
 

Haruka ließ sich in einen bequemen Sessel fallen. "Schon gut, Ami. Ich bin nicht mehr böse auf ihn."

Entgeistert riss Ami die Augen auf. "Was?"

"Wie jetzt?", rief Usagi aufgeregt. "Gestern klang es eher noch so als..."

"Das kannst du mir doch nicht antun!", sagte Merkur verzweifelt. "Ich meine, endlich ist da mal einer, der Iskander nicht durch die rosarote Brille sieht und dann so was. Bin ich denn die einzige, die ihn merkwürdig findet?"

Makoto grinste breit, während sie sich zwischen Usagi und Haruka setzte. "Hör nicht auf sie, Haruka. Iskander ist wirklich kein schlechter Kerl. Er hat uns schon sehr geholfen."

Sie fixierte die Augen von Merkur. "Tatsächlich war er es doch, der unsere kleine Ami gerettet hat, als die SeedQueen dich in Tsunami verwandelt hat. Als diese wolltest du übrigens Tokio unter einer riesigen Flutwelle begraben, du erinnerst dich?"

Ami wurde rot. "Äh, ja, schon, aber..."

"Und er hat dir die SeedQueen aus deinem Körper geholt. Also, ich fand das nett von ihm. Ich meine, das muß doch höllisch wehgetan haben", murmelte Usagi nachdenklich. "Übrigens, jetzt wo ich drüber nachdenke, wie hat er denn die SeedQueen aus deinem Körper entfernt? Man hat ja nichts gesehen, weil er seinen Umhang..."

Ami errötete noch ein wenig mehr. "Äh, tja..."

Usagi fuhr von ihrem Platz hoch. "Sag mir nicht, er hat... Er wird dich doch nicht etwa..."

Mit einem schnellen Schritt war sie bei der Freundin. Sie ergriff den Kragen ihrer Schuluniform. "Er hat dich doch nicht etwa geküsst, um die DemonSeed aus deinem Körper zu entfernen?"

"Ich... Ich weiß nicht!", stammelte Ami betreten. "Ich habe absolut keine Ahnung. Ich weiß nur, dass die Kraft der DemonSeed in mir wütete und das ich sterben wollte, um die Stadt und euch zu retten und das dann Iskander kam und... Ich weiß es nicht!"

Erschrocken und verlegen riss sie sich los und lief den Gang hinab.

"Hä? Bin ich da jetzt dran schuld?", murmelte Usagi betreten. "Dabei wollte ich doch nur fragen, ob es ihr gefallen hat. Es war doch bestimmt ihr erster Kuss."

Übergangslos begann Haruka zu lachen. "Vielleicht ist es ja genau das, was ihr zu schaffen macht, Usagi. Sie hat doch selbst gesagt, sie mag den Kerl nicht. Und dann vielleicht von ihm geküsst zu werden, und sei es um ihr Leben zu retten..."

Ich werde ihn bestimmt nicht ab sofort lieben, dachte Haruka bei sich, aber meinen Hass werde ich wohl begraben müssen. Und wenn er die arme Ami wirklich geküsst hat, dann kriegt er noch die Abreibung seines Lebens.

**

Hundert Meter den Gang runter lief Ami ausgerechnet Motoki Furohata in die Arme. "Whow, langsam. Du rennst ja noch jemanden um, wenn du so rennst, Ami-chan."

Entsetzt sah die junge Frau auf. "M-Motoki? Was machst du denn hier?"

Der junge Mann zuckte zusammen. "Äh, ich... Ich bin wegen Akira hier. Er... Hat eine Untersuchung. Er ist neulich zusammengebrochen und muß sich nun regelmäßig checken lassen, weil sich keiner erklären kann, wieso. Ach, da kommt er ja gerade. Kumpel, geht es dir gut?"

Ami wandte sich um. "Mutter?"

"Und kommen Sie nächste Woche zum Termin, Herr Torah. Ach, Ami, besuchst du wieder deine Freundin, die vorgestern eingeliefert wurde?"

Akira nickte der Doktorin dankbar zu, wollte sie aber nicht unterbrechen. Darum trat er leise neben Motoki. "Hallo, Ami."

"Ach, Ihr kennt euch?", fragte die Ärztin.

"Nun, nicht wirklich, Doktor Mizuno. Aber ich bin ein Freund von Mamoru Chiba und..."

"Schon klar. Damit sind Sie auch eine Freundin von Usagi, und damit natürlich von allen anderen. Diese Gruppe hält zusammen wie Pech und Schwefel." Die Augen der älteren Frau leuchteten dabei erfreut. Die Tatsache, dass ihre Tochter solche Freunde hatte, machte sie anscheinend sehr zufrieden. "Und damit sind Sie ja ein Freund meiner Tochter und... Was ist denn mit dir, Ami? Bist du gerannt?"

"Ein wenig", gestand sie leise.

"Im Krankenhausflur soll man nicht rennen, das weißt du doch", tadelte Doktor Mizuno ihre Tochter. "Ich habe leider einen Termin, deshalb habe ich keine Zeit mehr für dich, Ami. Aber du hast ja hier zwei starke Männer, die auf dich aufpassen. Abendessen steht in der Mikrowelle, wie immer. Herr Torah. Herr Furohata."

Akira verneigte sich beinahe automatisch. "Doktor."
 

"Zwei starke Männer zum beschützen", murmelte Motoki amüsiert. "Vielleicht fangen wir dann mal damit an, wovor du davon gelaufen bist, hm?"

"Ich...", rief Ami und errötete erneut, "es ist nichts wichtiges! Es geht nur um... Ach, egal."

"Komm, raus damit", sagte Akira und nickte ihr freundlich zu. "Da deine Mutter uns quasi zu deinen Leibwächtern gemacht hat, können wir uns auch gleich um deine Probleme kümmern."

"Ich...", begann sie zaghaft. Betreten sah sie zu Boden. Dann Akira direkt in die Augen. "Akira-san, wenn... Wenn man ein Mädchen gegen dessen Willen küsst, aber damit ihr Leben rettet, wie bei einer Atemspende, dann ist das doch in Ordnung, oder? Oder?"

Akira wurde bleich und begann zu zittern. Er brach in die Knie ein, aber Motoki war rechtzeitig da, um ihn zu stützen. "Hey, Junge, alles klar? Hast du einen Rückfall erlitten?"

"Akira-san?", fragte Ami ängstlich.

"Schon gut, schon gut", ächzte der weißhaarige Mann. "Ist nur dieses Medikament. Und was deine Frage angeht, Ami..."

Er sah ihr fest in die Augen. "Wenn es dem Mädchen das Leben rettet, dann ist es wohl gut so. Aber er sollte sich wohl für den Rest seines Lebens dafür schämen."

"In jedem Fall?", staunte Motoki und sah den Freund erstaunt an. "Hör mal, bei den Atemspenden wäre das schon eine sehr radikale Ansicht und..."

"Nein, Motoki, nur in diesem Fall", sagte Akira fest.
 

"Das unterschreibe ich sofort!", sagte eine Stimme hinter Akira, die er lieber nicht gehört hätte. Er spürte eine starke Hand auf seiner Schulter und sah in ein sehr vertrautes Gesicht, als er sich zur Stimme umwandte.

Haruka Tenoh grinste den jungen Mann an. "In Grund und Boden sollte er sich schämen, wenn er unserer Ami den ersten Kuss geraubt hat."

"Tenoh, wenn es...", begann Akira.

"Schon gut, schon gut. Wir wissen doch beide, was wir voneinander zu halten haben. Und schön, dass wir in Amis Fall beide der gleichen Meinung sind. Hat das deine Frage beantwortet, Ami-chan? Dann solltest du zu den anderen zurückgehen, sie erwarten dich schon. Motoki-kun, kannst du sie begleiten?"

Die Hand auf Akiras Schulter übte plötzlich einen beträchtlichen Druck aus. "Ich und mein Freund hier müssen da etwas besprechen. Etwas sehr technisches, was Autos betrifft."

Akira zuckte leicht zusammen, als er das Wort Auto hörte.

Ami strich sich eine Strähne aus ihrem Gesicht und wirkte verlegen. "Autos. Ich habe mal eines repariert aber..." Sie sah in Harukas unnachgiebige Augen und nickte verlegen. "Schon gut, schon gut. Komm, Motoki. Makoto ist auch da."

"Oh? Das ist gut. Na dann viel Spaß bei eurer Unterhaltung, ihr zwei."

"Komm mal mit aufs Dach", brummte Haruka.

**

Rei Hino betete ein leises Mantra und versuchte sich zu konzentrieren. Irgendetwas Gewaltiges war geschehen, und sie konnte einfach nicht erfassen, was es genau war. Es schien zu groß zu sein, um es überhaupt zu erkennen oder zu verstehen. Und das machte ihr Angst.

Erneut spürte sie einen Luftzug, und wieder löschte dieser mehrere Kerzen aus.

"Yuuichiro, du könntest wenigstens anklopfen, bevor du...", sagte sie verärgert und wandte sich um.

"Ja, du könntest es sein", sagte die weißhaarige Frau mit dem Bürstenschnitt nachdenklich.

Alarmiert fuhr die Miko aus ihrem Sitz hoch. "Wer bist du?"

"Du könntest wirklich SailorMars sein."

Rei erschauerte. Diese Worte kamen ihr zu bekannt vor, und das Erlebnis das sie verhießen, wollte ihr noch weniger. War eine neue Gegnerin angekommen? Und hielt sie gerade eine Leistungsreduzierte DemonSeed, eine SeedQueen für sie bereit?

Für lange Fragen war nun keine Zeit. "Macht des Mars...", rief sie.

"Ich bin Targetia. Freut mich, dich kennen zu lernen, SailorMars. Oder sollte ich sagen... Pyro?"

Eine längliche, blaue Spirale lag um ihren rechten Arm. Sie zuckte vor, kam wieder zurück und machte dann einen hastigen Satz auf sie zu.

Rei steckte gerade in der Anfangssequenz der Verwandlung und konnte nur tatenlos zusehen, wie die SeedQueen auf sie zuraste.

"Nein..." Wo waren nur die anderen, wenn man sie mal brauchte? Wo war...
 

Ein enttäuschter Wutschrei erklang und Rei sah auf, während sich ihre Verwandlung abschloss.

Targetia starrte hasserfüllt auf den Mann, der zwischen ihr und Rei Hino stand und die SeedQueen mit einer nebensächlichen Geste beiseite gewischt hatte. "Du wagst es?"

Der große Mann mit dem langen braunen Haar erinnerte Rei für einen Moment an Neflite, einen ihrer alten Gegner. Doch hatte er niemals diese blaue Uniform mit goldenen Litzen getragen.

Ein höhnisches Lächeln ging über Targetias Züge. "Aber damit habe ich gerechnet. Egal ob Iskander oder Gyes. Oder wer immer du bist. Nimm dies!"

Aus ihren Händen bildete sich ein Energieschwall, der auf den Mann zujagte. Der wich aus, ergriff Rei an der Hand und zog sie ebenfalls aus dem Schussfeld. Der Treffer verwüstete den Schrein und riss ein riesiges Loch in die Wand und den Hügel dahinter.

"Puh, das war knapp. Woher nimmt sie nur diese Kraft?", murmelte der Mann betreten. Er sah Rei an. "Bist du verletzt, Mars?"

"Was? Ich... Nein, mir geht es gut. Aber wer bist du? Warum hilfst du mir?"

"Ich bin Leth!", rief der Mann und sprang vor, direkt auf Targetia zu. "Benannt nach einem der fünf Flüsse des Hades, der das Vergessen bringt."

Targetia reagierte auf die Attacke, wehrte Leth ab. Sie taxierte Rei, die noch immer abseits stand. "Das ist noch nicht ausgestanden, Rei Hino!", blaffte sie. "Auch mit deinem Freund hier hast du mich noch lange nicht besiegt!"

Sie rief es und ließ Taten folgen. Erneut entließ sie einen Blitz folgen, der Leth frontal erwischte und durch die Decke hinaus prügelte.

"LETH!", rief Rei aufgeregt. Die Angst um ihren fremden Retter wühlte in ihr. "Feuerpfeile!"

Targetia wich dem ersten Angriff von Rei aus, wenn auch nur knapp. "Ach ja, diese Waffe hast du ja auch noch. Warum hast du nicht einfach die SeedQueen akzeptiert? Dann hätten wir alle viel Zeit gespart, und ich hätte den da nicht umbringen müssen!"

"Ich mag aufgeben nun mal überhaupt nicht!", rief Rei. Um ihren Körper bildeten sich Entladungsblitze.

Targetia musterte sie interessiert. Auch über sie zuckten nun Entladungsblitze. "Interessant."

Die beiden Frauen taxierten einander, dann sprangen sie davon, hinaus auf den Innenhof und lieferten sich ein wildes Gefecht. Der Kampf war ausgeglichen, solange Mars es vermied, von Targetias Blitzen getroffen zu werden.

"Es tut auch bestimmt nicht weh! Ehrlich nicht!", lockte die Frau höhnisch.

"Ich verliere ungern die Kontrolle über meinen Körper! Also, nein, danke!"

"Wie du willst! Rose! Jetzt!"

Eine weitere Gegnerin erschien auf dem Dach des Hauptgebäudes. Sie war ganz in rot gekleidet und ihr langes, lockiges Haar wirkte wie flüssiges Feuer. "Es wird dir gefallen, ein Werkzeug der Vernichtung zu sein", sagte sie und entließ eine weitere SeedQueen, während Targetia ihr Möglichstes versuchte, um Reis Aufmerksamkeit zu haben.

"Freunde", hauchte Mars leise. "Wo seid Ihr? Ich brauche euch..."

Ein Blitz raste von Targetia auf sie zu, bereit alles zu vernichten, was er traf. Zugleich hatte die neue SeedQueen sie fast erreicht.

Dann war da nur noch dieser grelle, blendende Blitz.
 

"Mars! Bist du in Ordnung?"

Rei Hino blinzelte erschrocken. Sie lag am Boden und... Was war passiert? Dort, wo Targetia gewesen war, da erstreckte sich eine meterweite Furche im Boden. Und das Dach, auf dem Rose gestanden hatte, existierte nicht mehr. Die SeedQueen verging in diesem Moment unter Lauten der Qual über ihnen. Und vor ihr stand... Eine Gestalt in einer schweren Rüstung, einen stabilen, Eisenspeer in der Hand, der an beiden Enden aufglühte, und an einem Ende sogar rauchte.

"Rei! Bist du in Ordnung?", wiederholte die Stimme.

Erschrocken sah sie auf. Sie war doch noch immer SailorMars und dennoch wusste dieser Fremde, wer sie war?

Er öffnete das Visier der Rüstung und sie erkannte Leth wieder. Der junge Mann, der ihr so bereitwillig zur Seite gesprungen war. Nein, nicht einfach nur Leth. Das war...

Die Rüstung verschwand und machte der Uniform wieder Platz.

Er setzte sich neben sie und versuchte die junge Frau aufzurichten. "Es tut mir Leid, ich konnte nicht schneller kommen. Ich weiß nicht ob ich sie beide erwischt habe, als ich meine maximale Kraft einsetzte, aber... Geht es dir gut? Nur darauf kommt es jetzt an."

"Es geht. Ich bin ein wenig müde. Das ganze Adrenalin in mir, als ich die zweite SeedQueen sah, das hat mich wohl geschlaucht." Sie sah zu den Beschädigungen herüber. "Da wird Yuuichiro aber ganz schön zu tun haben."

Leth lachte unbeholfen. "Der kann einen ja Leid tun."

Rei ergriff den Kragen seiner Uniform und zog sich daran etwas hoch. "Hör zu... Leth. Ich weiß, wer du bist. Aber ich weiß nicht, was du bist! Du und Iskander und Gyes, Ihr... Wer seid ihr?"

Artemis landete nach einem gewagten Sprung auf der Schulter von Leth und starrte Rei an. "Du bist müde, SailorMars. Du solltest dich etwas ausruhen, denn beide konnten entkommen. Du musst bei Kräften sein, wenn sie wiederkommen. Jetzt, wo sie wissen, wer du bist."

"Ja", hauchte sie und ergab sich dem zwingenden Blick seiner Augen. "Das muß ich wohl. Aber was... Was bist du, Yuu...?"
 

Als die junge Frau in seinen Armen eingeschlafen war, flüsterte er: "Ich bin eine Wache, Rei."

Minako Aino trat hinter Leth. "Artemis, komm. Yuuichiro brauchst du nicht zu behandeln."

Der weiße Kater sah das blonde Mädchen erstaunt an. "Nicht? Aber warum dann Rei?"

"Behandeln?", fragte Leth nachdenklich.

"Das Gedächtnis löschen. Für Rei ist es noch zu früh. Aber du kannst dein Wissen ruhig behalten. Du bist Rei am nächsten und es wäre töricht, ihr deinen Schutz zu nehmen", erklärte Minako sanft. "Außerdem hattest du schon immer diesen Beschützerinstinkt für sie. Damals, in anderen Zeiten."

Leth starrte auf die schwere Metalllanze in seiner Hand, kurz bevor sie sich auflöste. "Ich werde sie rein bringen, bevor sie sich auf dem kalten Stein erkältet."

"Nein, das mache ich lieber", erwiderte Minako amüsiert. "Wir wollen doch nicht, dass die gute Zusammenarbeit zwischen der Leibgarde und der Wache auf die Probe gestellt wird, oder?"
 

Leibgarde. Dieses Wort weckte Erinnerungen in Leth. Gute und Schlechte. Vor allem Schlechte. Die waren in der Unterzahl, durchaus, aber von einer Brutalität und Gnadenlosigkeit, die das wenige gute in den Schatten stellte.

"Iskander und Gyes weilen auch in dieser Welt", sagte Artemis ernst, "nur für den Fall, dass du es noch nicht weißt."

"Dann wurden die Generäle geweckt?" Ein Schaudern ging durch Leth. Er verwandelte sich und nahm wieder die Gestalt von Yuuichiro Kumada an. "Aber... Die anderen Konflikte, die anderen Kämpfe, es gab so viele. Warum erst jetzt?"

"Weil die Zeit der Prüfung gekommen ist", sagte eine neue Stimme.

Yuuichiro wandte sich erneut um und erkannte einen Energiewirbel, aus dem langsam eine schlanke Gestalt hervortrat. "SailorPluto", stellte er leise fest. "Dann ist dies wirklich die Zeit der Prüfungen."

"Ja", hauchte sie ernst. "Denn das Seelenschiff ist zurück."

Echitrons Machtübernahme, Akiras Verzweiflung

3.

Unwillkürlich lupfte Akira den Kragen seines Hemdes, als er der starken, eigensinnigen Frau auf das Dach des Krankenhauses folgte. Das Thema, welches sie unten besprochen hatten, bereitete ihm Magenschmerzen, und das nicht zu knapp. Einerseits waren da die Erinnerungen an die Schmerzen, die Übelkeit und den unheilvollen Gedanken, all das würde nie wieder aufhören. Andererseits klagte er sich selbst an, weil er Ami Mizuno in einem unheilvollen Schwebezustand zurück gelassen hatte.

Es wäre doch ein Leichtes gewesen, Ami, nein, SailorMerkur, offen und ehrlich zu sagen, wie er die SeedQueen extrahiert, aus ihrem Körper und ihrer Seele gerissen und in sich aufgenommen hatte.

Aber er wagte es nicht. Er wagte es einfach nicht. Darum war er eigentlich froh, dass Haruka ihn nun an seiner Statt anklagen wollte.
 

Haruka Tenoh trat an den Rand des Daches. Hinter ihr war ein markierter Landeplatz für Hubschrauber. Sie lehnte sich auf die umrahmende Mauer und sah mit melancholischem Blick auf den Moloch Tokio herab.

Unschlüssig wartete Akira eine Zeitlang, bevor er sich neben sie gesellte.

"Weißt du", begann sie schließlich, "ich habe dich wirklich gehasst. Ich meine, jemand hat Michiru wehgetan, also sollte auch jemand dafür büßen."

Erstaunt sah Akira die große Frau an. Wurde das hier etwa nicht...?

"Ich dachte, du brichst mir irgendetwas wegen der Sache mit Merkur."

"So?" Haruka hob eine Braue und sah ihn an. "Nein. Ich denke, du bist sehr ungerecht zu ihr. Und wenn ich du wäre, würde ich mich bei ihr entschuldigen. Nein, noch besser, sprecht euch aus. Aus irgendeinem Grund scheint sie dich zu mögen, aber nicht diesen Iskander. Hast du dir darüber mal Gedanken gemacht?"

Akira kratzte sich am Ansatz seines weißen Haarschopfs. "Oft genug. Aber ich komme zu keinem Ergebnis. Sie hasst mich halt und... Na ja, sie hasst Iskander. Und das obwohl er ihr das Leben gerettet hat."

"Hass, mein Freund, ist nur eine Form der Liebe. Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit. Und du bist ihr keinesfalls gleichgültig." Haruka weidete sich am Entsetzen in Akiras Gesicht.

"Ich habe mit meiner Freundin gesprochen", fügte sie hinzu, bevor der junge Mann antworten konnte. "Sie ist dagegen, dass ich dich in die Mangel nehme und dir den Verstand raus prügle. Genauer gesagt hält sie es für sehr unvernünftig, einen potentiellen Verbündeten zu verlieren. Ich habe einen Moment darüber nachgedacht und ich denke... Ich denke, mein Zorn war falsch. Übertrieben. Außerdem hast du den SailorKriegern bereits mehrmals geholfen. Das spricht alles für dich, Akira, aber mir ist das noch nicht genug."

Wieder sah sie ihn an, fixierte ihn.

Unwillkürlich hielt er die Luft an, gefangen in ihrem Blick wie ein hypnotisiertes Kaninchen.

"Damit ich dich zu meinem Verbündeten mache, Akira, will ich mehr über dich wissen: Wer bist du? Woher kommen deine Kräfte? Wo liegen deine Loyalitäten?"

"Ich... Ich... Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, wer oder was Iskander ist." Betreten senkte er den Kopf. "Da sind nur diese Bilder in meinem Kopf von der prächtigen Stadt auf dem Mond, von den großen Schlachten, die wir schlugen und von diesem Ball, auf dem..." Wieder sah er auf und seine Augen wirkten verloren, beinahe verzweifelt. "Wenn ich daran denke, dann sehe ich diese große, schlanke, weißhaarige Frau, die ich mit Königin Serenity anspreche. Ich spreche zu ihr, wie es ein Untergebener zu seinem Herrn tut, aber sie spricht zu mir wie zu einem Freund. Und sie bezeichnet mich als... Als Leibwache ihrer Tochter."
 

"Es sieht so aus, als hättest du eine Verbindung zum SilverMillenium", stellte Haruka fest. "Ich selbst weiß nicht sehr viel darüber, denn ich und Michiru und eine dritte Kriegerin, SailorPluto, waren damals schon für den Schutz gegen Invasoren von außerhalb unseres Sonnensystems zuständig. Wir waren nicht dabei, als die Dämonenkönigin Metallia und ihre Marionette Beryll den Mond angriffen und das SilverMillenium vernichteten. Wir waren damals auf... Ja, wo waren wir eigentlich? Komisch. Das habe ich mich vorher nie gefragt."

Harukas Blick ruckte plötzlich hoch. Ihre Hand legte sich auf seine Schulter und eine Art von Erkennen huschte über ihre Augen. "Ich... Verstehe. Die Schlachten, die... Deine Uniform, ich... Ja, so kann es gewesen sein."

"Was?", fragte Akira mit Schmerz in der Stimme. "Was ist es, Haruka?"

"Du... Du warst tatsächlich die Leibwache der Prinzessin. Wenigstens ab und zu, wenn du nicht gerade..." Ihre Hand wanderte von der Schulter zu seinem Gesicht und strich über die Augen. "Die Augen, sie sind wieder da. Ich erinnere mich daran, wie sie dir genommen wurden. Ich erinnere mich, wie du erblindet bist. Und trotzdem hast du..."

Sie senkte die Hand wieder, erschöpft, entmutigt und überwältigt von den Erinnerungen, die nun über ihr zusammen brachen. "Warum habe ich nie früher daran gedacht? Michiru, sie... Ja, sie wird es schon gewusst haben." Ein stolzes, aber auch ärgerliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ja, so ist es wohl. Sie ist mir immer voraus. Und immer lässt sie mich im Dunkeln herum stochern, bis ich selbst bemerke, was sie schon lange weiß."

Spielerisch stieß sie mit der Linken gegen Akiras Schulter. "Dein wahrer Name ist Iskander. Und deine Bestimmung ist es, das SilverMillenium zu beschützen."

Ihre Augen, so klar wie Bergseen, warfen ihm einen Blick zu, der durch Mark und Bein ging. "Und du hast das SilverMillenium vernichtet."
 

"Was?", klang eine scharfe Stimme auf. Akira dachte, er selbst hätte gerufen, aber es war jemand anderes gewesen. Die Stimme war heller, verzweifelter und mit mehr Schmerz erfüllt.

Er wandte sich um und sah im Treppenaufgang die anderen stehen.

"Wie lange seid Ihr schon dort?", fragte er Mamoru.

Der Freund senkte den Blick. "Zu lange, Akira."

Usagi sah ihn aus großen Augen an. "Boah. Du bist also Iskander? Darauf wäre ich ja nie gekommen. Und du warst auch im SilverMillenium auf dem Mond? Aber ich verstehe nicht, warum Haruka sagt, dass du es zerstört hast. Das war doch... Metallia, Beryll und..."

"Und die vier Männer, denen ich alles anvertraut hatte, was ich besaß", sagte Mamoru fest, "als ich noch als Endymion gelebt hatte und die Erde gegen die Dämonen verteidigt habe. Meine Shitenno."

Ami drängte sich ein wenig vor und sah Akira aus großen Augen an. "Du... Du bist wirklich Iskander?"

"Zum leugnen ist es jetzt wohl zu spät, Kumpel", sagte Motoki leise und nickte ernst.

Makoto sah den Studenten erstaunt an. "Du scheinst das gewusst zu haben, oder?"

Motoki lachte freudlos. "Natürlich. Ich bin Gyes." Er sah zu Akira, der dankbar für den Opfergang des Freundes nickte.

"Wir sind... Wir waren vielmehr beide Teil des SilverMilleniums. Genauer gesagt, mein altes Ich wurde dort geboren, während Iskander von der Erde kam und im Palast seinen Dienst versah, wenn er nicht gerade..." Übergangslos steckte ein Kloß in seinem Hals fest. Er versuchte sich zu räuspern, aber es wollte ihm kaum gelingen. "Du hast das SilverMillenium tatsächlich vernichtet, Akira."

Motoki taumelte, getroffen vom Schub der plötzlich einsetzenden Erinnerung, aber Makoto ergriff und stabilisierte ihn, so gut sie konnte.

"Was redest du da? Was redet Haruka da? Es war Metallia, das habe ich damals doch selbst gesehen. Mutter... Königin Serenity setzte den Silberkristall ein, um..." Usagi verstummte. Auch in ihren Augen glomm eine Erinnerung auf. "Iskander..." Sie hauchte den Namen nur, aber es lag soviel Bedeutung, Erkennen in ihm, dass es beinahe körperlich schmerzte, dieses eine Wort aus ihrem Mund zu hören.

Akira hielt dem nicht stand. Er brach in den Knien ein. "Was habe ich?" Seine Stimme war nur ein nebensächliches Flüstern, kraftlos und leise. "Bin ich es gewesen?"

Übergangslos verwandelte er sich. "Habe ich mich derart versündigt?"

"Er ist wirklich Iskander", hauchte Ami, den Tränen nahe. Die Sympathie für Akira und der Hass auf den unangenehmen Iskander rangen in ihrer Stimme. Ihre Augen begannen zu tränen, vor Wut, vor Scham.
 

In diesem Moment klingelte ein Handy. Es war von Mamoru, der die Ablenkung dankbar annahm. "Ja? Ein gezielter Angriff auf Rei mit einer Leistungsreduzierten Seed?" Erschrocken raunten die anderen auf.

"Pluto ist zu Hilfe gekommen? Und ein neuer Krieger namens Leth? Wie geht es ihr? Sollen wir kommen?"

Akira sah auf. Der Schatten über seinen Augen lüftete sich für einen Moment und ließ erkennen, wie es in ihm arbeitete. "Leth. Ja. Wir waren drei. Wir waren immer drei. Wir waren die Generäle des Feldzuges."

"Wie, nein? Ach so. Leth ist Yuuichiro und kümmert sich um sie. Zwei Gegner gleich? Rose und Targetia? Wo? Auf dem Weg zu dem Wald, in dem Uranus und Iskander neulich gekämpft haben? Ja, danke. Wir sehen zu, was wir tun können."
 

Iskander sah betreten zu Boden. "Wenn ich wirklich Schuld daran bin, dass das SilverMillenium vernichtet wurde, dann habe ich eine Menge Buße abzuarbeiten. Fangen wir mit dem an, was wir besprochen haben, Mamoru. Ich gehe."

Mamoru Chiba wich entsetzt einen Schritt zurück. "Moment, warte mal, Akira. Ich halte es immer noch für eine dumme Idee, freiwillig in die Höhle des Löwen zu spazieren und... AKIRA!"

Doch der junge Mann konnte ihn schon nicht mehr hören. Er war über die Brüstung gesprungen und verschwand in der Luft wie eine verwehte Staubwolke.

"Akira, du Idiot!" Hastig verwandelte sich Mamoru in Tuxedo und eilte dem Freund hinterher.
 

Haruka grinste freudlos, als auch Tuxedo in die Luft sprang und sich aufzulösen schien.

"Mann, Mann, Mann. Also, ich hätte ja wirklich gerne noch die Zeit gehabt, um Akira zu erklären, warum er das SilverMillenium vernichtet hat."

Motoki lächelte freudlos. "Ich werde es ihm sagen. Sobald er zurückkommt."

"Falls er zurückkommt", fügte Haruka mit einem wütenden Blick hinzu. "Hat sich nicht verändert, der Hitzkopf. Egal ob mit Augen oder ohne. Immer mit dem Kopf durch die nächste Wand."

"Früher hat es funktioniert", murmelte Motoki amüsiert. Er sah zu der Stelle der Brüstung herüber, an der die beiden verschwunden waren. "Zum verfolgen ist es nun zu spät. Gehen wir wieder runter oder besuchen wir Rei?"

"Du hast dich ja beachtlich schnell in deine Rolle eingefunden, Motoki", sagte Makoto anerkennend und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. "Oder sollte ich Gyes sagen?"

"Wir gehen zu Rei", befahl Usagi. Ihre Stimme war nur leise. Aber niemand konnte sich diesen wenigen Worten widersetzen. Seit langer Zeit, seit sehr langer Zeit lag eine tiefe Autorität in ihr.

Haruka seufzte und stieß sich von der Mauer wieder ab. "Und ich hätte wirklich gerne noch die Zeit gefunden, um Akira zu erklären, dass er das SilverMillenium nicht persönlich vernichtet hat."

"Nein, aber er glaubte, ebenso wie ich und Leth, wir hätten die Shitenno und Metallia in den Ebenen von Kos gestellt - und die Chance, mit den vereinigten Armeen von Erde und Mond ein für allemal zu vernichten. Das wir den Mond beinahe ungeschützt gelassen haben, das wir getäuscht worden waren..." Motoki ballte beide Hände zu Fäusten. "Das wir alle drei daran Schuld waren..."

Haruka klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. "Das ist eine alte Geschichte. Und wer sich mit alten Geschichten belastet, hat nicht mehr genügend Gelegenheit, um die Zukunft zu sehen. Gehen wir. Was früher war, sollten wir auch in der Vergangenheit lassen."
 

Die Freunde gingen zurück ins Treppenhaus. Nur eine schmale Gestalt blieb noch einen Moment zurück, musterte die Stelle, an der Akira und Mamoru verschwunden waren und wischte sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln.

"Ich... Ich erinnere mich", hauchte Ami Mizuno. "Ich erinnere mich."

Ihre Gedanken gingen zurück, in die Zeit, als Erde und Mond in scheinbarem Frieden lagen, Jahre nach dem Angriff, der Königin Serenity ihren Mann geraubt hatte.

An eine Zeit, an der die vier höchsten Gefährten Endymions Verbündete gewesen waren. Als sie und die anderen SailorKrieger Freundschaften zu ihnen geschlossen hatten und an die Zeit, an der sie geglaubt hatte, sie müsste eine Beziehung zu Zoisite eingehen, um die Verbindungen von Erde und Mond zu stärken.
 

Ein Ball trat vor ihr inneres Auge und ein wuterfüllter Iskander, der sich gegen ihre Entscheidung stemmte. Der ihr Vorwürfe machte. Der von ihr verlangte, erbettelte, erpresste, nicht diesen Schritt zu tun. Nicht aus reiner Zweckmäßigkeit, wenn ihre Schutzbefohlene selbst aus reiner Liebe handelte.

Und sie erinnerte sich, wie sie Iskander dafür zu hassen begonnen hatte. Zu hassen, dass er Zweifel gesät hatte. Das er sich zwischen ihre Entscheidung zum Wohle des SilverMilleniums gedrängt hatte und ihre Argumente zerriss wie sprödes Papier.

Ja, an diesem Tag hatte sie ihn zu hassen begonnen. Weil er Recht gehabt hatte und sie Unrecht.

Wieder flossen Tränen über ihre Wangen. Sie streckte zaghaft die Rechte aus, wie um einen imaginären Punkt in der Luft zu berühren. Dann warf sie sich herum und folgte den anderen ins Treppenhaus. Was, wenn er bei dem, was Mamoru die Höhle des Löwen nannte, nicht wiederkam? Wenn sie ihm niemals Vorhaltungen machen konnte, wie er die DemonSeed aus ihrem Körper entfernt hatte? Wenn sie sich niemals bei ihm entschuldigen konnte?

Sie fröstelte.
 

4.

"Es ist gefährlich", gab Mamoru zu bedenken.

"Bah", erwiderte Akira und wischte den Einwand mit einer Handbewegung fort. "Natürlich ist es gefährlich." Er sah zu Targetia herüber, die ihre Kameradin Rose stützte. Alleine konnte die Generälin der DemonSeed nicht mehr gehen.

Akira und Targetia hatten einen Handel ausgemacht. Er würde darauf verzichten, Targetia anzugreifen. Was dazu geführt hätte, dass sie Rose vielleicht zurück lassen musste, die von Leth schwer verletzt worden war. Und im Gegenzug würde sie ihm freies Geleit zu ihrem Hauptquartier zugestehen - und wieder zurück. Soweit das in ihrer Macht stand.

"Aber du hast selbst gesagt, du willst wissen, wer dahinter steckt, oder?"

"Ist es das, oder willst du nur den Helden spielen? Deine Schuld kompensieren? Oder dein Leben fortwerfen? Vielleicht hat SailorMerkur ja Recht, und du bist nichts weiter als ein aufgeblasener, arroganter..."
 

Mamoru Chiba beendete den Satz nicht. In seinen Augen stand grenzenlose Überraschung, während er die Faust des Freundes mit beiden Händen knapp über seinem Solarplexus abblockte. "Akira!", japste er. "Was soll das? Wir..."

"Kapierst du es denn immer noch nicht, du Idiot? Ich bin der einzige, der gehen kann. Ich werde nicht als SeedKing zurückkehren. Du, Motoki, SailorUranus, SailorMoon, Mars, Merkur, Leth, Pluto, ihr alle seid der DemonSeed nicht gewachsen. Das ist nicht böse gemeint. Ihr seid es einfach nicht."

"Aber du bist es, nicht? Du bist der große Held, der sich in die Höhle des Löwen wagt und unbezwingbar ist! Oh, Akira, du Tapferer, opfere dein Leben nicht für uns!"

Akira zog seine Faust zurück. Unschlüssig sah er Mamoru in die Augen. "Bist du fertig? Kann ich dann gehen? Targetia wartet schon auf mich."

Mamoru knirschte mit den Zähnen. "Du tust es wirklich, nicht wahr? Du bist verrückt."

"Ja, wäre es dir lieber, wenn SailorMoon geht? Sie ist die stärkste SailorKriegerin, aber leider kein guter Diplomat!"

"Dann geh doch, du Narr! Aber sag mir vorher, was auf deinem Grabstein stehen soll!"

"Ich habe Angst, Mamoru. Angst davor, es zu tun, und Angst davor, was ist, wenn ich es nicht tue. Das kannst du schreiben."

Er warf dem Freund einen letzten Blick zu, in der Hoffnung, ein aufmunterndes Wort von ihm zu hören. Doch Mamoru blieb stumm. Stattdessen war da der stille Vorwurf in seinen Augen, Akira würde sich mutwillig opfern, um seine Schuld aus der Zeit des SilverMilleniums von sich zu waschen.

Akira schüttelte stumm den Kopf und ging auf Targetia zu. Die nickte und trat durch einen Energiewirbel, der vor ihr entstand. Akira, nein, Iskander folgte ihr.
 

Zornig ballte Mamoru die Fäuste. "Dann renn doch in dein Verderben!", brüllte er. Er wandte sich um und ging den kleinen Weg aus dem Wald heraus. Er hatte die Lichtung schon fast verlassen, da sah er noch einmal zurück und murmelte leise: "Alles Glück der Welt, Akira..."

**

Stumm standen sie sich gegenüber. Auf der einen Seite Jedithe, der Anführer der DemonSeed in seiner grauen Uniform, auf der anderen Seite Iskander, der neue Krieger auf SailorMoons Seite in seiner blauen Uniform. Jedithe hatte das freie Geleit, was seine Generälin im Austausch für Roses Sicherheit gegeben hatte, anstandslos akzeptiert. Und ebenso den freien Abzug. Verwundert stellte Iskander fest, dass der ehemalige General Berylls mindestens ebenso neugierig auf ihn war wie er selbst.
 

Iskander brach als erster das Schweigen. "Warum tust du das, Jedithe?"

Unschlüssig sah Jedithe den Krieger an, so als müsse er sich erst wieder erinnern, weshalb er überhaupt diesen gigantischen Aufwand betrieb. Schließlich sagte er: "Ich will Genugtuung. Bei meinem ersten Kampf gegen SailorMoon und die SailorKrieger war ich unterlegen. Ich hatte sie einfach unterschätzt. Darum hat mich meine Königin Beryll damals in einen Kristall eingeschlossen, in dem ich nach ihrem Willen ewig eingeschlossen bleiben sollte.

Aber jetzt bin ich wieder frei, und ich werde vollbringen, was Beryll nicht geschafft hat. Ich werde genügend Lebensenergie sammeln, um Metallia wiederzuerwecken. Oh, du glaubst, SailorMoon hätte sie vernichtet? Nein, Metallia schläft nur. Und ich werde sie wecken."

"Rache. Ein schwaches Motiv", tadelte Akira.

"Was? Ein schwaches Motiv?", rief Jedithe aufgebracht. "Weißt du, wie das war, eingesperrt zu sein in diesen Kristall, im ewigen Dämmern zwischen Wachen und Schlafen? Oh nein, du kannst es dir nicht vorstellen. Und ich wünsche es meinem ärgsten Feind nicht, so zu enden. Nicht einmal SailorMoon!"

Jedithe verstummte und sah den Krieger in der blauen Uniform herausfordernd an.

"Nein, ich kann es wirklich nicht verstehen. Und ich bin nicht scharf darauf, diese Erfahrung zu machen", gestand er. "Aber ich kann dir nicht erlauben, daß du Metallia wiedererweckst."
 

Wieder verging einige Zeit, in der sich die beiden Kontrahenten gegenüberstanden. Schließlich sprach wieder Jedithe. "Als wir in dieser Zeit wiedergeboren wurden, konnte ich nicht ahnen, wieder auf den alten Feind aus dem ersten Leben zu treffen. Ich gebe zu, ich habe den Feind auch unterschätzt. Für diesen Fehler wurde ich bestraft. Die Trümmer hier rings um dich herum waren mein Gefängnis. Wäre Beryll nicht gestorben und hätte sie nicht in dem Moment dem Kristall ihre stützende Kraft versagt, er hätte ewig bestanden. Der ewige Schlaf, eine Strafe jenseits aller Beschreibung. Vor einiger Zeit jedoch hatte sich die Energie des Kristalls aufgezehrt und ich wurde befreit.

Befreit, ha! Hinaus gestoßen in eine Welt, die nicht mehr meine war. Meine Mitstreiter waren alle nicht mehr, das Dunkle Königreich, die schwarze Sphäre dahingegangen. Ich war allein, mehr noch als im Kristall. Es schien, daß ich der letzte meiner Art auf diesem Planeten war. Doch ich habe mich aufgerafft, dazu gezwungen, etwas zu tun, und aus dem absoluten Nichts erschuf ich einen neuen Grundstock für ein neues Dunkles Königreich. Überall, wo das Gute existiert, da gibt es auch Böses, weißt du? Es war ein leichtes für mich, diese negative Energie zu sammeln und zu meinen Zwecken einzusetzen. Ich erschuf damit die DemonSeed. Die besten Exemplare sandte ich aus, um mir Generäle zu besorgen, die das Dämonenheer anführen sollten, daß ich währenddessen herbeirufen würde. Und sie brachten mir fünf fähige Krieger. Chrysantia kennst du ja schon. Targetia und Rose ebenso. Tulip und Ezian wirst du noch kennen lernen!"
 

Iskander beförderte gedankenverloren eine Strähne seines Haares aus der Stirn.

"Und wofür das alles? Du stiehlst Lebensenergie, verbreitest deine bedrohliche DemonSeed und bringst Angst und Leid über die Menschen. Hast du keine anderen Hobbys? Ich meine, was hast du vor? Okay, deinen Oberdämonen gibt es anscheinend wirklich noch, und mit einer großen Portion Lebensenergie kannst du ihn vielleicht wiedererwecken, und was dann? Im besten Fall bist du dann die Nummer zwei. Im ungünstigsten Fall radiert Metallia die Menschheit aus. Dann bist du die Nummer zwei auf einem luftleeren Staubball. General Jedithe, der Herrscher über einen Klumpen braunen Erdreichs, der einmal eine fruchtbare, mit Leben erfüllte Welt gewesen war. Viel Spaß, General!"

"Was weißt du schon?", blaffte Jedithe den Krieger an. "Was weißt du schon von der Belohnung, die Metallia mir geben wird? Ich werde... Ich werde... Ich bin... Ach, ich will das nicht hören! Ich bin Jedithe, der letzte der Vier Großen des Dunklen Königreichs, und ich werde Metallia wiedererwecken!"
 

Akiras Miene verzog sich zu einem spöttischen Grinsen. "Du wiederholst dich, großer General. Wenn es nichts anderes für dich gibt, wofür du leben kannst, okay, es ist deine Entscheidung. Aber vergiss nicht, daß du mächtige Feinde hast."

Jedithes Augen erstrahlten bei diesen Worten. Feinde! Eine Aufgabe!

"Feinde, die dafür kämpfen, daß diese wundervolle Erde erhalten bleibt!"

"Jaaa!" brummte er zufrieden.

"Feinde, die schon einmal mit ansehen mussten, wie ihre alte Heimat auf unserem Mond vernichtet worden war - von deinem dunklen Herrn. Und sie werden es mit der Erde nicht geschehen lassen. Ich bedaure dich, Jedithe. Solltest du jemals genug von diesem Unsinn haben... Nun, es gibt immer noch SailorMoon, und sie ist berühmt für ihre Gnade und ihre Liebe zum Leben."

"Was willst du mir damit sagen?", blaffte der Statthalter des Oberyoumas Metallia böse.

Iskander lächelte sanft. Für ein paar Sekunden erlosch der ewige Schatten über seinen Augen. Jedithe erschrak in stummer, verzweifelter Erkenntnis, wem er da die ganze Zeit gegenüber gestanden hatte. Begreifen, verstehen, erinnern, all dies schlug einer Woge gleich über Jedithe zusammen.

"Ich will dir sagen, daß es nicht nur diesen Weg gibt. Es gibt auch noch SailorMoons Weg. Adieu, Lakai. Ich werde nun wieder gehen. Ich hoffe, du hältst dein Wort und lässt mir freies Geleit..."

Seine Augen hüllten sich wieder in das undurchdringliche Dunkel, doch der Anblick - der volle Anblick seines Gesichtes hatte seine Wirkung erzielt.

Jedithe konnte nicht sprechen, darum winkte er nur Targetia zu, daß sie ihn hinausbrachte. Iskander verneigte sich stumm, Jedithe wiederholte die Geste gedankenverloren. Dann folgte der Krieger Targetia hinaus.

Es schien, daß er wirklich das freie Geleit bekam, das ihm der Anführer des neuen Dunklen Königreiches zugestanden hatte.

Jedithe aber sank in seinen Sessel, starrte auf die Splitter des Kristalls, der so lange sein Gefängnis gewesen war und dachte über Iskanders Worte nach. "Vielleicht..."
 

Da erschien hinter ihm ein Schemen, eine konturlose Gestalt. Jedithe spürte sie und wirbelte herum. "Wer wagt es...?"

Ein Mensch entstand vor seinen Augen. Nein, kein Mensch, etwas anderes, viel mächtigeres, ein General, ein König, ein Herrscher.

"Ich suche meine Schöpfung", sagte er mit einer Stimme, die Jedithe eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

"Was ist deine Schöpfung?", fragte er zurück, erfüllt von einer bösen Ahnung.

"Meine Schöpfung? Du fragst, was meine Schöpfung ist?" Der Fremde mit dieser machtvollen Aura warf den Kopf in den Nacken und lachte, daß es von allen Wänden zurückhallte. Dann breitete er die Arme aus und machte eine alles umfassende Geste. "Das alles ist meine Schöpfung. Wenn Metallias Sklaven dies erschaffen haben, dann ist es mein, denn ich habe Metallia erdacht und geschaffen. Ich bin ihr Schöpfer, ihr Vater und ihr Herrscher. Und wenn du Teil von Metallia bist, so bist auch du meine Schöpfung." Der Fremde ließ die Arme wieder sinken. "Wer bist du?"

Jedithe zuckte zusammen, als hätte man ihn bei einem verbotenen Tun erwischt. "Ich? Ich bin Jedithe, der letzte der vier Generäle von Königin Beryll, der letzte Krieger, der Metallia geblieben ist!"

Wieder lachte der Fremde, doch dieses Mal auf eine Art, daß Jedithe furchtbare Angst vor diesem Mann bekam. Wenn er selbst schon durch und durch böse war, dann musste jener dort die Bosheit in Person sein.

"Dann bist auch du meine Schöpfung. Dann gehörst auch du Kapitän Echitron."

Jedithe wollte es verneinen, sich dem Dunklen entgegenstellen, laut hinausschreien, daß Echitron nicht einfach hierher kommen und das Dunkle Königreich beanspruchen konnte, doch er spürte, daß jedwelcher Widerspruch nun seinen Tod - den wahren, echten, unwiderruflichen Tod - bedeuten würde.

"Also das hast du gemeint, Iskander", flüsterte Jedithe und verneigte sich vor dem Kapitän.

Laut sagte er: "Ich bin euer!"
 

Das schien Echitron zufrieden zu stellen. "Gut, General. Und nun, nachdem das geklärt ist, wo ist meine Schöpfung? Wo ist mein Meisterstück? Wo ist mein Youma Metallia?" "Metallia ist noch in der Zwischenwelt. Sie braucht noch menschliche Lebensenergie, um wieder zu erwachen."

Echitron runzelte die Stirn. "Und? Dann besorge diese Lebensenergie."

"Ja, Herr. Das tue ich schon, seit ich das Dunkle Reich neu erschaffen habe. Doch es ist nicht einfach, denn wir haben mächtige Feinde auf der Erde."

"Feinde? Soso. Es werden doch nicht etwa so um die dreizehn sein? Aha. Und dieser junge Mann mit der blauen Uniform, könnte das nicht einer dieser Feinde gewesen sein? Ach ja? Und du hattest ihn hier im Zentrum deiner Macht? Und er lebt noch?"

"Ich hatte ihm freies Geleit zugesichert!", stotterte Jedithe.

"Freies Geleit, freies Geleit. Wer zum Teufel hat dir denn eingeredet, daß man freies Geleit auch wirklich einhalten muß? Du hättest jetzt einen Feind weniger, wenn du dich verhalten hättest wie ein richtiger Youma-General."

"Er ist mächtig!"

"Und das hat dir Angst bereitet? Dass ein einzelner Krieger eventuell dein ganzes Reich auslöscht? Ha, zum Glück bin ich jetzt hier. Ich habe einen meiner Leute bereits darauf angesetzt. In dieser Minute dürfte der Bursche bereits tot sein!"
 

Jedithes Kopf ruckte hoch. Unglauben spiegelte sich in seinen Augen. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, im Zorn, unüberlegt, da entstand ein weiterer Schemen in der Halle.

"Gaion. Berichte. Wie viel Widerstand hat dir dieser schwache Mensch bereitet, bevor du ihn getötet hast?"

Der Schemen manifestierte sich. Gaion sank auf die Knie und fiel vornüber. Er stöhnte leise.

"Das könnte eventuell bedeuten, daß Iskander noch lebt", sagte Jedithe. Er konnte sich diese Bemerkung einfach nicht verkneifen.

Echitron sah ihn entgeistert an. "Sind alle Verteidiger der Menschheit so stark wie dieser?"

"Einige, andere sind sogar noch stärker. SailorMoon besitzt zum Beispiel den Silberkristall des SilverMilleniums..."

"Das SilverMillenium. Etwas hat trotz allem überlebt. Wir werden es vernichten."

Echitron ergriff den leblosen Gaion am Kragen. "Ich kehre erst einmal auf mein Seelenschiff zurück. Sorge du derweil dafür, daß deine Youmas genügend Lebensenergie sammeln, damit Metallia erweckt werden kann!"

Und genauso geheimnisvoll, wie er gekommen war verschwand Echitron wieder.

Jedithe blieb allein zurück.

"Ja, Herr", stieß er zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor. "Dein Wille ist Gesetz." Und er war sich sicher, Echitron würde wiederkommen, um seinen Anspruch zu bekräftigen.

**

Als Iskander wieder erwachte, war er im kleinen Wald, in dem seine Reise begonnen hatte. Er fuhr hoch! "Ich wurde angegriffen! Jedithe hat mich belogen!"

Tuxedo Mask legte seine Hand schwer auf die Schulter des Freundes. "Nein, es war nicht Jedithe. Es war jemand anderes. Ich kenne ihn nicht, aber ich habe gespürt, daß er kein Dämon war."

Iskander sah auf. "Hast du mich gerettet?"

Tuxedo Mask nickte schwer.

"Ich war schon aus dem Wald heraus. Da dachte ich mir, ach, was soll´s, und bin dir heimlich gefolgt. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, daß der Angreifer dich tötete. Du kannst von Glück sagen, daß du noch lebst. Targetia hat mir dann geholfen, dich herzubringen. Sie scheint trotz der DemonSeed ein anständiger Charakter zu sein."

"Aber wenn es nicht Jedithe war, wer dann? Wer hat genügend Chuzpe oder Macht, um gegen seinen Willen zu handeln?"

"Hast du Jedithe gesagt?"

"Schon zweimal."

"Jedithe, verdammt. Er war unser Gegner, vor langer Zeit. Das er jetzt wieder auftaucht ist..."

"Es bedeutet, dass es Metallia noch immer gibt. Und das er die Lebensenergie für sie sammelt, um sie zu restaurieren."

Tuxedo nickte schwerfällig. "Ja, das hatte Beryll auch beim ersten Mal vor. Aber das kann es nicht gewesen sein. Der Krieger, der dich angriff, der kein Dämon war und auch nicht von DemonSeed besessen, er... Er kam mir seltsam bekannt vor. Hätte ich ihn nicht überrascht, dann hätte er uns beide besiegen können. Da bin ich mir sicher. Ich weiß was Gefahr ist, aber dieser dort - er nannte sich Gaion - scheint mir sehr vertraut darin, gefährlich zu sein."

"Gaion", murmelte Akira versonnen. "Gaion... Wir sollten den anderen von unseren neuen Erkenntnissen berichten."

"Ich werde Ami beauftragen, ihre Datenbanken zu durchforsten. Komm, wir finden sie am Tempel. Rei wurde angegriffen und..."

Akira zögerte. "I-ich halte das jetzt für keine gute Idee, ihr unter die Augen zu treten. Ich meine, ich..." Ängstlich sah Iskander Tuxedo Mask an.

"Du hast sie also wirklich geküsst, um die DemonSeed aus ihrem Körper zu holen, was?", fragte der beinahe mitleidig.

"E-es war mehr ein aussaugen ihres Atems. Kein richtiger Kuss." Betreten sah Iskander zu Boden.

Tuxedo Mask grinste und klopfte dem Freund auf die Schulter. "Erstens hast du keine Wahl. Das Wissen sollte aus Erster Hand sein. Und zweitens bringt davonlaufen überhaupt nichts. Vielleicht zählt ja das Argument, das du ihr damit das Leben gerettet hast, ein wenig. Jedes rational denkende Wesen würde so denken."

"Seit wann sind Frauen rational denkende Wesen?", beschwerte sich Akira.

"Vorsicht, dünnes Eis. Aber du hast ja Recht, in einem einzigen Wort eines Mannes findet eine Frau Dutzende Interpretationen. Deshalb bin ich so froh über mein Mädchen. Wir verständigen uns fast stumm. Hält die Fehlerquote niedrig."

Gegen seinen Willen musste Akira lachen.

"Komm jetzt", sagte Tuxedo, sprang und verschwand in der Luft.

"Du führst mich wie ein Schaf zur Schlachtbank, Mamoru", beschwerte sich Akira ein letztes Mal und folgte ihm.
 

5.

Yuuichiro wand sich sichtlich unter den Blicken der Mädchen. "Ich wünschte, Ihr würdet das lassen. Ich bin der gleiche, der ich sonst auch bin."

"Schon", gab Rei zu bedenken, "aber wer konnte denn ahnen, dass du auch eine Wiedergeburt aus dem SilverMillenium bist? Das Gyes und Iskander aus dem SilverMillenium sind..."

"Die Sache", sagte Setsuna leise, "ist etwas komplizierter als du denkst, Rei."

Sie sah auf, begegnete Harukas Blick, die Akira interessiert musterte, bis diese den Blick der Zeitwächterin registrierte. Abwehrend hob Uranus die Hände. "Keine Sorge, Setsuna. Mein Ärger ist erst mal besänftigt. Ich tue deinem kostbaren Iskander schon nichts."

"Er ist nicht ihr kostbarer Iskander", warf Minako ein. "Er ist Usagis kostbarer Iskander."

"Was? Wieso meiner?", fragte der Blondschopf erstaunt, während sie Krieg gegen einen Reisball führte. Keine Frage, wer gewinnen würde.

Minako lächelte schwach. "Ich habe euch noch nicht wirklich viel gesagt, aber von uns erinnere ich mich an die Zeit des SilverMilleniums noch am besten."

Sie senkte den Blick. "Und vieles ist noch dazu gekommen, seit ich Iskander zum ersten Mal gesehen habe. Es war, als würde ein Damm aufgebrochen und eine riesige Flutwelle der Erinnerung wurde entfesselt."

Minako erhob sich und trat zu Akira herüber. "Damals im alten SilverMillenium war ich die Anführerin der Leibgarde der Prinzessin. Anders als in unseren Tagen kämpfte sie damals nicht an unserer Seite. Das wurde erst hier notwendig, nachdem die Macht des SilverMilleniums zerschlagen worden war. Macht, die dir in die Hände gegeben worden war."

Akira schluckte hart. Etwas Ähnliches hatte er schon einmal gehört, vor seinem Besuch bei Jedithe. "Ich würde gerne mehr darüber wissen."

Minako wechselte einen stummen Blick mit Setsuna, die zustimmend nickte. Dann setzte sie sich an den nächsten Tisch. "Puh, ich brauche was zu trinken. Das wird nämlich länger dauern."
 

Nach einem Schluck kaltem Tee fuhr sie fort. "In den alten Tagen, in den Zeiten des Milleniums, da... Da gab es einen schweren Angriff auf die Erde und den Mond. Beide Reiche waren damals verfeindet, na, eigentlich eher schlechte Nachbarn. Sehr schlechte Nachbarn. Aber durch diesen Angriff, vorgetragen von Vagabunden, die von Planet zu Planet reisen und ihn ausbeuten, nur um dann die nächste Welt aufzusuchen, da waren wir gezwungen, etwas neues auszuprobieren.

Nun hieß es, einzeln fallen oder gemeinsam siegen. Das war vor unserer Zeit. Vor unserer Erweckung als Krieger. Jedenfalls ging dieser Krieg nicht ohne Verluste vorbei." Minako sah wie beiläufig Usagi an. "Teilweise sehr schwere Verluste. Wie dem auch sei, jedenfalls hätten Erde und Mond wieder schlechte Nachbarn werden können, wäre da nicht ein kleines Problem gewesen. Die Angreifer hinterließen etwas auf der Erde. Dämonengeneräle. Und diese Dämonengeneräle begannen auf der Erde zu wüten. Der größte, Mächtigste war Königin Metallia, unsere Feindin, die auch das SilverMillenium auf dem Mond vernichtet hat.

Du, Akira... Du oder vielmehr Iskander kam damals von der Erde auf den Mond. Als junger Krieger, der sich mit denen des Mondes messen sollte, von ihnen lernen und sie lehren. Auf diese Weise wollte die Erde den langwierigen Krieg gegen die Dämonen gewinnen.

Du warst damals ein Zeichen des Friedens."

Minako seufzte leise. "Die Königin hielt viel von dir und vertraute dir erst den Schutz ihrer Tochter und dann die Führung eines Teils unserer Krieger an.

Ich erinnere mich so gut daran, weil ich als Chefin der persönlichen Garde Serenitys oft mit dir zusammen arbeiten musste - dir unterstanden die Palastwachen."
 

Minako sah Akira lange in die grünen Augen. Sie setzte mehrfach zum sprechen an, bekam aber kein Wort hervor. Hilflos wandte sie sich zu Setsuna um, die nickte und für sie fortfuhr.

"Motoki, Yuuichiro. Ihr beide wart in eurem alten Leben Krieger des Mondes. Lange bevor Iskander in den Palast kam, wurdet ihr dafür trainiert, um die Garden und Armeen des Reiches zu führen. In eurer Generation gehörtet Ihr zu den Mächtigsten und Stärksten. Ihr führtet, als die Zeit kam zwei Drittel der Armeen an. Und ihr habt sie auf der Erde in Schlachten getragen, Schlachten gegen die Dämonen. Ihr beide habt mehrere Dämonenkönige vernichtet, aber am Stärksten, an Metallia, seid Ihr gescheitert.

In den Jahren habt Ihr viel mit dem Mann von der Erde trainiert und bald nannte man euch nur die drei Generäle der Königin. Niemals zuvor und niemals danach ergänzten sich drei Männer so gut wie ihr. Doch ihr wurdet betrogen und habt das Reich verraten. Wegen Iskanders Wagemut bekam Metallia die Chance, alles zu vernichten, was uns lieb und teuer war."

"Nein, das ist so nicht richtig. Es war zum großen Teil mein Fehler", merkte Mamoru an, um das zusammengesackte Häuflein Elend, das einmal Akira gewesen war, wieder aufzurichten. "Nachdem Iskander mir seine Schutzbefohlene vorgestellt hatte, und ich sie liebte wie nichts in meinem Leben, erlaubte ich Metallia, sich die Seelen von denen zu holen, die mir nach der Prinzessin das Wichtigste waren. Meine vier Leibwächter, Vertrauten, Generäle. Jedithe, Zoisite, Kunzite und Neflite. Mein Reich ging verloren, an nur einem einzigen Tag.

Das, was von meinem Heer noch übrig war, stellte sich in der Ebene von Kos dem Feind.

Iskander erkannte die Chance, die sich in der scheinbaren Vernichtung der Erdarmee ergab und überredete die Königin, die Erdtruppen heimlich durch alle Streitkräfte zu verstärken, die der Mond entbehren konnte. Sogar ein großer Teil der Palastwache war darunter. Derart gestärkt eilten die Krieger des Mondes ihren Kameraden von der Erde zu Hilfe. Doch..."

Mamoru senkte den Kopf. "Es war eine Falle. Eine Finte, um die Truppen vom Mond fortzulocken. Es funktionierte, und Beryll, Metallia und meine Shitenno griffen den Mond an, verwüsteten ihn, töteten Serenitys Leibgarde." Die Erinnerung begann ihn zu übermannen. Auch die SailorKrieger kniffen die Lippen zusammen. Sie konnten sich an diese Dinge aus dem vorigen Leben ebenfalls erinnern.

"Während die Krieger auf der Erde einer Finte zum Opfer fielen, wurden zwei Reiche zerstört. Das auf dem Mond und das auf der Erde.

Die Königin setzte die Kraft des Silberkristalls ein, versiegelte Metallia und meine Shitennos und gab jedem, der auf dem Mond gestorben war, die Chance, einmal in einer friedlichen Zeit wiedergeboren zu werden."

Er sah sich um, den Blick getrübt und den Kopf voller Erinnerungen. "So sind wir hier."
 

Setsuna fiel ein, als sie merkte, dass Mamoru seinen Teil des Berichts beendet hatte. "Uranus und Neptun waren damals ebenso Teil der Armee, welche die Dämonen stellen wollte wie Gyes, Leth und Iskander. Aber ohne die großen Reiche, die sie stützten, zerfielen die Armeen und begannen schon bald mit blutigen Bruderkriegen. Die drei Generäle der Königin versuchten ihre Truppen so gut es ging aus diesen Auseinandersetzungen heraus zu halten, aber ohne das SilverMillenium war es ein aussichtsloses Unterfangen.

Zudem sahen die überlebenden Dämonenkönige ihre Zeit für gekommen und griffen erneut an. Zehn lange Jahre kämpften Menschen vom Mond und der Erde an Dutzenden Fronten. Zehn lange Jahre versuchten sie, das zu retten, was sie als Kultur kannten, was sie an Erinnerungen an ihre herrlichen Reiche hatten.

Doch die langen Kriege forderten ihren Preis. Uranus und Neptun fielen früh in diesen Kriegen, Seite an Seite, noch im Tode die Hände des anderen umklammert."

Setsuna senkte nun auch den Blick. "Iskander, von Selbstzweifeln zerfressen, war nach dem Tod der beiden Kriegerinnen so schwer erschüttert, dass er in der nächsten großen Schlacht fiel. Gyes, von dem viele sagten, er würde stets für drei kämpfen, lebte noch acht Jahre lang, bevor die Zeit und die Ermüdung auch ihn erreichte. Er tötete drei der letzten vier Dämonenkönige, aber er starb in diesen Kämpfen."

Sie sah Yuuichiro an. "Leth aber, der letzte der drei Generäle beendete den Krieg. Er vernichtete den letzten Dämonenkönig und zerstreute die Heere des Erdkönigreichs in alle Winde. Wie eine unaufhaltsame Flut, aber gemächlich wie ein träger Fluss vernichtete er alles, was man ihm entgegen stellte. Was zurück blieb war lange Zeit nicht mehr in der Lage Krieg zu führen. Später flüsterte man, dort wo der Leth sich bewegte, regierte das Vergessen.

Als einziger der Generäle überlebte er den Krieg. Er legte seine Waffen ab und starb Jahre später, mit gebrochenem Herz, aber in einer friedlichen Zeit."
 

Der Bericht endete. Er hatte viele Wissenslücken gefüllt und viele neue Fragen aufgeworfen. Dennoch mussten sie alle erst einmal gründlich darüber nachdenken, vor allem Akira.

"Eine... Eine Finte? Ich bin damals auf eine Finte hereingefallen?"

"Wir drei sind auf eine Finte hereingefallen, Akira", sagte Yuuichiro leise. "Also deshalb versuchte ich all die Zeit, ein besserer Mensch zu werden. Gutes zu tun."

Motoki lächelte. "Da bin ich ja froh, dass du kein richtiger Verräter bist, Akira. Hätte deinem Ego bestimmt nicht gut getan."

"Nein, hätte es nicht", erwiderte der gereizt. "Aber es hätte dann sicher nicht so viele Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel, wenn wir drei später starben, und Uranus und Neptun auch, warum sind wir in dieser Zeit wiedergeboren worden? Und warum wachten wir erst jetzt auf? Motoki und Yuuichiro sind doch schon seit Jahren um euch, oder? Warum erst jetzt und warum ich?"

"Weil jene zurückgekehrt sind, die Metallia und die anderen Dämonengeneräle erschaffen haben", sagte Setsuna sanft. "Artemis und Luna spüren sie schon eine lange Zeit, konnten es aber nicht einordnen. Ihr Werkzeug, das Seelenschiff ist zurück. Und die Besatzung des Schiffes macht sich bereit, um das zu tun, was sie am besten kann: Seelenenergie rauben und eine verwüstete Welt zurücklassen. Deshalb seid Ihr erst jetzt erwacht, trotz all der Krisen, trotz all der Gefahr. Ihr habt gespürt, dass dieses Schiff naht. Und nur in der größten Gefahr solltet ihr erwachen. Als das SilverMillenium starb, als die Königin die Seelen der Verstorbenen rettete, damit sie wiedergeboren werden konnten, da hat sie euch drei und eure Truppen nicht vergessen. Aber Ihr habt damals noch gelebt und eure Aufgaben waren nicht beendet. Du, Uranus, und Michiru wurdet schon früher erweckt, viel früher, weil eure Macht gebraucht wurde und weil ich die Autorität hatte, euch zu erwecken. Als unser Feind die drei Talismane suchte, war dies der beste Weg, um sie zu schützen.

Ihr aber, Gyes, Leth und Iskander, Ihr habt so lange gekämpft und habt so lange gelitten, dass die Königin euch den Wunsch mitgab, ein normales Leben zu leben, bis eine Gefahr auftreten würde, die alles Leben auf der Erde bedrohte. Deshalb seid Ihr nun hier. Deshalb habe ich euch geweckt."

Artemis erhob sich von seinem Platz und strich der großen Frau um die Beine. "Deshalb habe ich Artemis geschickt, um euch zu wecken."
 

Akira erhob sich. "Ich brauche frische Luft."

"Akira", hielt Mamoru ihn zurück.

"Keine Angst, ich sehe den Ernst der Lage. Und das ich das SilverMillenium nicht direkt vernichtet habe, hilft mir auch. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diese Welt zu retten. Aber jetzt brauche ich wirklich frische Luft."

Zögernd nickte Mamoru.
 

Als der Freund den Raum verlassen hatte, meinte Mamoru nachdenklich: "Na, dann fallen ja auch die letzten Puzzlestücke an ihren Platz. Wisst Ihr nämlich, wer da so nett ist und uns die DemonSeed schickt? Kein Geringerer als Jedithe."

Unwillkürlich raunten die Mädchen.

"Hm, das klingt logisch. Wir haben ihn nie sterben sehen", murmelte Usagi ernst. "Leider bedeutet dies, dass die Wanderpiraten, die uns die Youmas beschert haben, nun einen sicheren Anlaufpunkt haben, an dem sie beginnen können, die Welt wirklich zu vernichten. Metallia schuf Beryll und sorgte dafür, dass die Shitenno ihren Herrn verrieten. Und die Piraten erschufen Metallia."

"Kluger Gedanke", bemerkte Haruka und strich dem Blondschopf über den Kopf. "Hätte ich dir gar nicht zugetraut."
 

"Das ist noch nicht alles. Ich habe ja erzählt, dass Akira tatsächlich in das Reich unserer Gegner gegangen ist. Auf dem Rückweg wurde er aber angegriffen. Von einem fremden Krieger von großer Macht. Er hieß Gaion und ich konnte ihn nur besiegen, weil ich ihn überrascht habe."

"Gaion?", fragte Setsuna nach. Als Mamoru nickte sagte sie: "Dann besteht kein Zweifel mehr. Gaion ist einer von Kapitän Echitrons Männern. Ich erinnere mich daran als wäre es Gestern gewesen. Das Seelenschiff ist zurück. Und diesmal werden sie versuchen, diese Welt zu vernichten."

Sie sah in die Runde. "Aber noch nie zuvor waren so viele Mächtige auf einem Flecken versammelt. Es gibt noch Hoffnung. Usagi, wir haben eine Chance."

"Dann werden wir diese Chance auch nutzen", erklärte das blonde Mädchen resolut.

Die anderen stimmten laut mit ein.
 

Draußen vor dem Tempel hörte Akira heimlich zu. Er lächelte stumm. Die Erinnerungen aus der Vergangenheit, die Erzählungen aus dem vorigen Leben hatten ihn tief erschüttert, aber er musste nur diesen Mädchen zuhören, um sofort wieder gute Laune zu bekommen.

Er sah in den Himmel hinauf. Der Mond war in der zunehmenden Phase und würde bald einen wirklich prächtigen Frühjahrsvollmond bilden, den letzten dieser Jahreszeit. Bereits jetzt begannen die Nächte recht warm zu werden und ein Tag an dem die Sonne gut geschienen hatte, sorgte bereits für eine gewisse drückende Wärme.

"Seltsam, was für banale Dinge einem durch den Kopf gehen, wenn man merkt, dass man am Tod von ein paar Millionen Menschen Schuld ist."

"Das denkst du also über dich?", fragte Ami leise und setzte sich neben dem großen jungen Mann auf den Boden. "Konzentrierst du dich wieder mal als Mittelpunkt und stellst deine eigenen Interessen in den Vordergrund? Selbst wenn es darum geht, wer nun wirklich Schuld am Untergang des SilverMilleniums hatte? Das ist so typisch für dich. Früher warst du auch immer so. Selten, wirklich selten hast du mal etwas getan, ohne dich selbst in den Mittelpunkt zu rücken."

"Was machst du hier draußen, Ami? Ich meine abgesehen davon, dass du mir gerade den Kopf wäschst?"

Das Mädchen sah auf, betrachtete die ersten drei Sterne, die in der Abendluft am Himmel funkelten. "Abgesehen davon, dass ich dir den Kopf wasche? Ich brauchte einfach mal frische Luft." Sie streckte sich. "Soviel ist passiert. Ich meine, seit ich Usagi kennen, habe ich schon sehr viel erlebt. Genügend Aufregung, dass es für zwei oder drei Leben reicht. Dazu kommt dann noch die Erinnerung an mein früheres Leben im SilverMillenium, und dann der ganze Ärger in letzter Zeit."
 

Sie sah den weißhaarigen Mann direkt an. "Ich habe mich noch gar nicht bedankt."

"Was? Warum solltest du dich bedanken?", fragte Akira erstaunt.

"Es ist noch gar nicht lange her, da war ich eine SeedQueen namens Tsunami und wollte diese Stadt, alle die darin lebten und meine Freunde auslöschen. Selbst mein Tod hätte zu dem Zeitpunkt nichts geändert, obwohl ich mir gewünscht hätte, es wäre so.

Ich... Ich war irgendwie erleichtert, als du... Als Iskander mich töten wollte, um den Spuk zu beenden. Und erschrocken, als er es doch nicht tat."

"Ich... Ich konnte dich nicht töten. Ich hätte es nie gekonnt", murmelte Akira leise.

"Er... Du hast die SeedQueen aus meinem Körper geholt. Wie ist doch auf den ersten Blick unwichtig. Aber du hast mich gerettet. Und dann hast du mit Usagi die Flutwelle aufgehalten. Dafür danke ich dir. Und ich weiß jetzt, dass du mich nicht töten konntest. Seit einiger Zeit erinnere ich mich an viel mehr Dinge aus dem SilverMillenium.

Das ich dich bei unserem ersten Treffen so angefahren habe, liegt wohl auch daran. Der Iskander von damals verstand es vorzüglich, mich in Rage zu bringen. Redete mir in meine Entscheidungen rein, versuchte mich, eine Leibgarde der Prinzessin zu beschützen und mir meine Liebesdinge auszureden."

Wieder sah sie hinauf zum Sternenhimmel. "Ich weiß, dass der Iskander von damals nicht wollte, dass ich etwas mit Zoisite anfange, einem Shitenno von Endymion. Und ich weiß, dass er dies nicht nur wollte, weil ich Zoisite nicht wirklich liebte."

Verlegen sah Akira zur Seite.

"Ich weiß auch, dass er es nicht wollte, weil er selbst mich geliebt hat."

Entsetzt starrte Akira Ami an. "Was? Du... Du hast es gewusst?"

"Ja, aber... Ich habe Zoisite damals nicht geliebt, und ich habe Iskander damals nicht geliebt. Ich..." Verzweifelt rang sie nach Worten. "Damals. Es ist so lange her. Ich will nicht die kleinlichen Streits bis in unsere Zeit oder sogar bis in die Zukunft mit mir herum tragen. Kann ich nicht meinen Hass begraben und du deinen Zorn? Können wir nicht neu anfangen?"

Akira sah zu ihr herab. Seine Hände zitterten leicht und verdrossen versuchte er sie stillzuhalten. "Ich weiß nicht, ob mir das reichen wird. Ich erinnere mich auch an das frühere Leben und ich erinnere mich an meine Gefühle. Sie sind so stark, sie pochen immer noch in mir. Und wenn ich dich ansehe, dann will mein Herz bersten, weil ich dich lebend vor mir sehe. All die Kriege nach der Vernichtung des SilverMilleniums hatte ich gelebt mit der Gewissheit, dass du mit meiner Prinzessin und den anderen gestorben bist. Selbst als ich meine Augen verlor, sah ich noch dein Bild vor mir. In meinem früheren Leben muß ich dich sehr geliebt haben."
 

Akira gab sich einen sichtbaren Ruck. "Aber das war damals. Die Erinnerungen sind stark, doch ich bin ein rationaler Mensch. Ich gebe zu, sie haben mich im Griff. Ich mochte dich damals schon und ich mag dich auch heute. Gewöhne dich also daran, dass ich auch in diesem Leben auf dich achte." Er schmunzelte ihr zu. "Aber keine Bange. Küsse stehle ich dir nicht mehr."

"So. War es also doch ein Kuss", stellte sie spitzbübisch fest.

"Ja. Nein. Doch. Ich meine, nein, es war rein technisch vielleicht so, aber...", haspelte Akira hervor.

Ami lachte und erhob sich. "Belassen wir es dabei. Aber sagen wir mal, ich will irgendwann einen Ausgleich von dir haben. Soll ich denn meinen ersten Kuss für nichts und wieder nichts einem Mann gegeben haben, den ich gerade erst mögen gelernt habe?"

"Sei nicht so hart zu mir, Ami. In meiner Brust wüten ebenfalls schlimme Dämonen. An was für einen Gegenwert hast du denn gedacht?"

Sie kam den einen Schritt zu ihm herüber und sah dem großen Mann in die Augen. Dabei lächelte sie sanft. Akira spürte, wie sich ihm die Kehle zuzog und sein Magen rebellieren wollte.

Ihr rechter Zeigefinger tippte auf seine Brust. "Das entscheide ich dann, wenn ich es gebrauchen kann." Für den letzten Stupser nahm sie die ganze Handfläche und warf den weißhaarigen Krieger nach hinten.

Der begann zu taumeln und stürzte schließlich hintenüber. "Autsch. Das war gemein, Ami."

"Nein, das war ein Anfang. Oder hast du geglaubt ich würde dich küssen anstatt dich zu bestrafen? Männer", murmelte sie amüsiert.

Akira stand wieder auf und rieb sich nachdenklich den Nacken. "Hm, ich habe es wahrscheinlich nicht besser verdient, oder?"

Er sah zu Ami herüber und schenkte ihr ein dünnes Lächeln. "Konzentrieren wir uns auf unsere eigentliche Pflicht, die Prinzessin zu schützen."

Er verwandelte sich in Iskander, seine Augen verschwanden im Dunkel und die blaue Uniform mit dem Zeigestab erschien. "Ich will sehen, ob ich nicht etwas dafür tun kann."

Er sprang fort und verschwand in der Luft.

Ami sah noch ein letztes Mal auf die Stelle, wo der weißhaarige Krieger verschwunden war, dann wandte sie sich um und ging ebenfalls. "Männer", murmelte sie leise.

Das Netz

6.

"Gaion!", hallte eine mächtige Stimme durch die große Halle. "Gaion, erwache!"

Der Krieger des Seelenschiffs schreckte hoch wie aus einem unruhigen Schlaf. "Herr!"

Jedithe, der dem Geschehen folgte, fuhr ungläubig zu Echitron herum. "Der Mann war so gut wie tot! Ich meine, ich habe seine Wunden gesehen und..."

Diese Worte erheiterten Echitron. Er lachte laut und hallend und Jedithe wagte es nicht, den Kapitän des Seelenschiffs zu unterbrechen.

"Das ist der Unterschied zwischen euch erbärmlichen Menschen von der Erde und meinen Soldaten", schloss Echitron amüsiert. "Sie sind gestählt in Tausenden Jahren der Kämpfe. Ihre Erholungsrate ist größer als bei jedem anderen Lebewesen. Und solange noch ein Funken, ein erbärmlicher Funken Leben in ihnen ist, können sie nicht anders und mir gehorchen. Und sei es, dass ich sie ins Leben zurückbefehle."

Echitron trat vor seinen Krieger, der sich nun erhob und vor dem Kapitän auf ein Knie niedersank.

Der Unterschied hätte kaum größer sein können. Echitron war schlank, aber groß, sein langes schwarzes Haar hing glatt bis auf die Hüfte herab. Sein schmales Gesicht hätte hübsch sein können, wäre da nicht der stechende, berechnende Blick gewesen. Die schwarze, uniformartige Kleidung trug ihr übriges bei, um zu verstehen zu geben, dass dieser Mann gewohnt war zu befehlen. Und auch ebenso gewohnt war, dass seinen Befehlen Folge geleistet wurde.

Gaion aber war kurz, doch breit gebaut. Sein kantiges Gesicht wirkte wie grob aus Stein gemeißelt. Sein Gesicht war aschfahl, zu schwer waren seine Wunden gewesen und die Erholungszeit noch zu knapp bemessen. Aber seine stark gebräunte Haut hob sich unter der braunen, offenen Weste deutlich ab.

"Sage mir, Gaion, wie konnte dieser Krieger dich besiegen? Wie hat er es geschafft?"

Gaion senkte den Blick. "Herr. Er hatte Hilfe."

Ein amüsierter, aber in Bosheit getränkter Blick traf Jedithe. "So? Hilfe? Wer hat ihm den geholfen, diesem Iskander?"

Gaion sah zu Jedithe herüber, dann zu seinem Kapitän. "Ich kenne ihn nicht beim Namen, Herr, aber er trägt derzeit das Licht der Erde in sich."

Echitrons Gesicht versteinerte für einen Augenblick. "Was? Das Licht der Erde..."

Unschlüssig sah er wieder den dunklen General an. "Jedithe. Was weißt du über den Krieger, der das Licht der Erde trägt? Wie kommt es, dass ausgerechnet das Licht sich mit dem Silberkristall verbündet?"

Der Youma-General legte den Kopf schräg. Das Licht der Erde konnte nur der alte Feind sein. Der unselige, tausendmal verfluchte Tuxedo Mask. Aber das Licht der Erde, war es nicht eigentlich einem anderen vorbehalten? Nämlich...

Jedithe legte eine Hand an die Stirn, als er meinte, ein leises Raunen zu vernehmen. Es wurde stärker, lauter, und für einen Moment glaubte er die Stimmen der anderen drei dunklen Generäle zu vernehmen. Doch das war nicht richtig, sie waren doch tot!

Sie schienen zu rufen, zu skandieren, immer wieder ein Wort, ein einziges Wort: Endymion.

"Tuxedo Mask", brachte Jedithe endlich hervor. "Es scheint, als sei er SailorMoons General geworden, nachdem ich... Von meiner Herrin Beryll eingeschlossen worden war. Damit trägt SailorMoon den Silberkristall mit sich. Und wenn Tuxedo Mask das Licht der Erde in sich trägt, bedeutet das... Bedeutet das..."

"Das er von der Herrscherfamilie des alten Erdreichs abstammt, dem ursprünglich der Schutz der Erde anvertraut worden war", schloss der Kapitän scharfsinnig.

Wieder drängte der Name in Jedithes Bewusstsein. Seine Sinne trübten sich, während die Stimmen lauter wurden, lauter, und sein Gehör eintrübten. Bilder flackerten vor seinen Augen, ließen ihn taumeln, stürzen, bis er sich schwer auf den Knien aufschlagen spürte.

Dort legte er die Hände über seine Ohren und schrie: "ENDYMION!"

Echitron schien zu erschrecken, auch Gaion zuckte zusammen.

Dann wechselten Krieger und Kapitän einen stummen Blick.

"Es ist nicht gut, Herr", sagte Gaion schließlich. "Erde und Mond kämpfen schon jetzt Seite an Seite. Nicht wie das letzte Mal, als..." Er verstummte und Echitrons zwingendem Blick.
 

Mühsam kam Jedithe wieder auf die Beine. Sein ganzer Körper war ein einziger großer Schmerz. Eine große Wunde die pochte und brannte. Bilder, Erinnerungen, Gedanken überfluteten ihn und drohten ihn fort zu schwemmen. Doch er hielt stand.

"Was plant Ihr jetzt, Kapitän?", fragte er ernst und leise.

Echitron lachte leise. "Lasst doch Erde und Mond verbunden sein. Unsere Macht ist in den letzten Jahrtausenden beträchtlich gewachsen. Wir könnten ein wenig mit ihnen spielen, bevor wir unsere Rache bekommen." Sein eiskalter Blick fixierte Jedithe. "Du wolltest doch Metallia erwecken, oder? Dann tu es. Sammle Lebensenergie, soviel du kannst. Und wenn Metallia erwacht, werden wir die gesamte Lebensenergie dieser Welt auf einmal entziehen."
 

Der Kapitän warf einen Blick hinter sich. "Aelion. Garalion."

Zwei Gestalten landeten hinter ihm und beugten ihre Häupter. "Herr."

"Beginnt damit, Lebensenergie zu sammeln. Nicht nur in dieser Stadt namens Tokio. Sondern in sieben weiteren der wichtigsten Städten der Welt. Rio, Paris, New York, Berlin, Moskau, Hong Kong und Los Angeles. Errichtet einen Transportweg, wie er zwischen hier und Tokio bereits existiert. Und verbreitet die Youmas. Ist erst einmal Metallia erweckt, dann wird es ein Leichtes sein, aus den Straßen ein weites Netz zu machen, das wir um die Erde werfen werden. Und wenn wir es dann zuziehen..." Ein kaltes Lächeln umspielte seine Züge. "...dann werden wir genügend Seelenenergie haben, um fünftausend Jahre lang sehr gut zu leben."

Diese Aussicht ließ die drei Krieger erstaunt und erfreut Luft holen. "Herr!"

Echitron lächelte beinahe sanft. "Du, Jedithe, wirst deine Generäle mitgeben. Sie sollen meinen Männern zur Seite stehen und helfen, die Ernteyoumas auszusenden."

"Herr", sagte Jedithe leise. "Targetia. Ezian. Tulip."

Hinter ihm erschienen die drei Frauen auf ebenso geheimnisvolle Weise wie zuvor die beiden Krieger Echitrons. Wohlweislich ließ Jedithe den Ruf nach Rose aus, sie war noch zu schwach, zu erschöpft, um schon wieder von Nutzen zu sein.

Der General sah hinter sich und musterte die drei Frauen. "Ihr steht ab sofort diesen drei Kriegern des Kapitäns zur Seite. Sammelt mit ihnen Lebensenergie - weltweit."

"Herr!", riefen sie wie aus einem Mund. Dann sahen sie geschlossen zu Echitron herüber. "Herr!"

Echitron nickte zufrieden. "Geht."

Alle sechs Krieger sprangen und verschwanden dabei. Echitron und Jedithe waren nun allein.

"Nachdem wir die Erde ausgelaugt haben und einen toten Staubball zurück lassen", murmelte der Kapitän leise, voller Vorfreude, "könnte es für dich einen Platz in meiner Mannschaft geben, Jedithe. Wenn du loyal bist und deinen Nutzen beweist."

"Herr!", rief der blonde Mann und sprang ebenfalls fort. Fort aus dem Saal, aus dem er einst die Wiedergeburt des Dunklen Königreichs regiert hatte. Fort von der Verantwortung.

Aber nicht fort von dem Namen, der in seinem Kopf pulsierte, ihn fast in den Wahnsinn trieb. Endymion.

**

Das zappen durch die Nachrichtenkanäle war sehr unbefriedigend, wie Akira feststellte, der zusammen mit den anderen Kriegern im Shinto-Tempel geblieben war. Auf allen Kanälen liefen Sondersendungen über die Schreckgespenster, die in den großen Städten dieser Welt wüteten und Angst und Schrecken verbreiteten. Vor allem aber Verwirrung, denn oft, zu oft ließen sie Hunderte wie tot daliegende Menschen zurück, denen keine äußere Verwundung anzusehen war.

Na, wenigstens bewies der Gegner Humor. Teils entsetzt, teils amüsiert beobachtete Akira, wie ein riesiger Youma, der an einen gigantischen Affen erinnerte, das Empire State Building empor kletterte. Hubschrauber griffen ihn an, schienen aber keine Wirkung zu erzielen.

"New York. Berlin. Hong Kong. Rio de Janeiro. Moskau. Paris. Und auch Los Angeles", zählte Mamoru ernst auf. "Der Feind attackiert fast überall auf der Welt. Und niemand kann sie zurückschlagen. Nur wir, und wir sitzen hier in Tokio fest."

Wütend ballte er die Hände zu Fäusten. Wie sollten wir auch so schnell reagieren? Wie unsere Positionen verändern? Selbst wenn wir mit Überschalljets fliegen würden, wenn wir in jede Stadt einen oder zwei Krieger stellten, der Gegner brauchte sich nur neue Städte aussuchen. Kairo, New Dehli, Shanghai, Rom, es gab so viele Möglichkeiten.

"Dafür ist es hier in Tokio ruhig", bot Yuuichiro an, aber er wusste selbst, dass das nur ein schwacher Trost war.

"Noch", mahnte Motoki, aber es lag mehr Hoffnung als Warnung in seinen Worten.

Deprimiert senkte Akira den Kopf. "Vielleicht sollten wir es wagen. Einen direkten Angriff auf ihr Hauptquartier und..."

"Nicht schon wieder!", rief Mamoru und war mit einem schnellen Schritt bei dem Freund und Kommilitonen. "Du wirst nicht schon wieder eine Extratour schieben, okay? Diesmal gehen wir überlegt vor, stellen einen richtigen Plan auf! Erkunden unseren Feind, seine Schwachstellen! Und dann greifen wir an. Und zwar da, wo es der Gegner nicht erwartet!"

"Und bis dahin hat Jedithe mehr als genug Lebensenergie in der Hand, um Metallia zu wecken!", erwiderte Akira wütend. "Willst du das?"

"Natürlich nicht!", blaffte Mamoru zurück. "Aber wir kommen nicht schnell genug in diese Städte, um die Angriffe, um alle Angriffe zu verhindern! Wir können also nur planen und Informationen sammeln und..."

"Und hoffen, dass sie nicht hierher kommen, jetzt wo sie wissen, dass Rei SailorMars ist."
 

Die heftige Diskussion verstummte. Ami Mizuno, so unvermittelt das Zentrum der Aufmerksamkeit geworden, errötete und sah zur Seite. "I-ich habe meine Recherchen beendet. Dabei habe ich interessante Dinge herausgefunden."

Usagi sah interessiert auf. Und das war ein Meisterwerk, denn eigentlich gehörte ihre ganze Aufmerksamkeit normalerweise dem Kuchen vor sich.

"Gaion ist ein Name, der in einigen alten Archiven vorkommt. Diese gehen bis ins SilverMillenium zurück. Genauer gesagt bis in die Zeit kurz vor dem Fall."

Interessiert sahen nun auch die anderen auf.

"Gaion ist Teil der Mannschaft des Seelenschiffs. Das ist ein Gefährt, das sich mit Hilfe von Seelenenergie von Sonnensystem zu Sonnensystem bewegt, von Planet zu Planet. Es... überfällt diese Welten, stielt die Seelenenergie und fährt zur nächsten Welt weiter. Nach ein paar tausend Jahren, wenn sich die Welten regeneriert haben, kommen sie wieder und... Ernten erneut."

Ein Schauder ging durch die Reihen der Zuhörer.

"Aus... Aus den Archiven geht hervor, dass das Seelenschiff unter dem Kommando ihres Kapitäns Echitrons das letzte Mal abgewehrt wurde. Königin Serenity nutzte die Macht des Silberkristalls.

Aber das war noch nicht das Ende vom Lied. Die Mannschaft setzte Youmas frei. Den Rest der Geschichte haben wir alle neulich erfahren." Schüchtern lächelte sie in die Runde.

"Also haben wir es tatsächlich mit dem Seelenschiff zu tun", schloss Mamoru. "All unsere Vermutungen, die düsteren Befürchtungen, sie sind wahr geworden. Verdammt, sind wir stark genug? Stark genug, wenn wir nicht mal das da unterbinden können?" Anklagend zeigte Mamoru auf den Fernseher, wo eine Szene in Berlin gezeigt wurde. Wasserwerfer versuchten einen Youma zu bekämpfen, der auf dem Alexanderplatz wütete. Der Erfolg war mäßig, aber immerhin.

"Darauf wollte ich noch kommen", sagte Ami leise. "Ich habe den Weg analysiert, mit dem Jedithes Generäle hier her kommen. Eine sehr einfache Technik, sobald man sie beherrscht. Echitron ließ weitere Wege errichten und nutzt sie, um von seinem Schlupfwinkel zu den Städten in aller Welt aufzubrechen."

"Nett. Er hat also ein kostengünstiges und schnelles Transportmittel", klang es bissig von Haruka. Ihre Freundin Michiru, die seit Gestern nicht mehr im Krankenhaus war, legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter.

"Diese Wege zu benutzen käme einem Angriff auf ihr Hauptquartier gleich", fuhr Ami fort. "Denn alle Wege führen in ihr Quartier. Aber vier von uns sind stark genug, um... Um Wege zwischen den Städten zu treiben."

"Vier?", argwöhnte Minako.

"Vier. Usagi kann das. Mamoru kann das. Haruka, du auch. Und Akira. Das ist alles, was ich herausgefunden habe."
 

Unschlüssig sahen die Freunde sich an.

"Ami. Du wirst noch eine Suche durchführen müssen", sagte Akira leise. "Versuche so viel wie möglich über Echitron und seine Mannschaft heraus zu finden. Auch wenn die Informationen Tausende Jahre alt sind, jedes Fitzelchen Wissen kann uns helfen."

Er erhob sich und zwinkerte Haruka zu. "Wie wäre es, wenn wir inzwischen versuchen, einen Weg nach Hong Kong oder Berlin zu treiben? Ich habe zwar keine Ahnung, wie das gehen soll, aber es kommt auf einen Versuch an, oder?"

Haruka Tenoh grinste verbissen. "Ich habe eh gerade nichts Besseres zu tun."

"Halt, wartet", befahl Mamoru ernst.

"Ich hoffe, du willst uns nicht aufhalten. Jedes Quentchen Lebensenergie, das wir retten können, verhindert das Metallia erwacht", murrte Akira.

"Nein, gewiss nicht. Es ist das Einfachste, was wir jetzt tun können. Aber ihr solltet nicht alleine gehen. Usagi, wir beide werden auch Wege treiben. Wir nehmen New York und Rio. Und jeder von uns nimmt noch einen oder zwei Gefährten mit."

Haruka lächelte. "Michiru, komm."

"Nimm auch noch Luna mit, Haruka", befahl Mamoru. "Akira, du nimmst Gyes und Setsuna mit.

Ami, du begleitest Usagi und Makoto. Recherchieren kannst du auch unterwegs.

Minako, Artemis, Ihr begleitet mich.

Yuuichiro, du bleibst hier mit Rei zusammen. Für den Fall, dass der Feind unsere Abwesenheit ausnutzt, um Tokio anzugreifen."

Die Gefährten nickten einander zu.

"Na, dann wollen wir doch mal lernen, wie man Wege erschafft", sagte Mamoru mit fester Stimme.

**

Targetia konnte sich nicht so recht erklären, wie sie ausgerechnet an Gaion geraten war. Okay, New York war eine tolle Stadt, aber Gaion war der langweiligste Begleiter, den man sich vorstellen konnte.

Nun, es war ja nicht so, als sei er nicht kommunikativ. Aber er setzte so merkwürdige Prioritäten.

Zum Beispiel bereitete es ihm diebische Freude dabei zuzusehen, wie die Menschen in der Wall Street von einem auf monströse fünf Meter gewachsenen Börsenmakler gehetzt wurden, der immer Verkaufen! Verkaufen! schrie und die Leute mit einem Blitzschlag aus seinem Handy zu Boden schickte. Aber ansonsten sprach der Typ wirklich nicht viel.

"Wollen wir nicht noch einen Youma freilassen?", wagte es Targetia erneut. Sie ging sogar noch einen Schritt weiter und deutete auf uniformierte Polizisten des NYPD, die in einer Art Trotzreaktion mit ihren halbautomatischen Pistolen auf den Riesen feuerten. "So ein Polizeichef-Youma wäre bestimmt ganz lustig anzuschauen."

Gaion antwortete nicht direkt. Er brummte nur, und es war schwer zu erkennen, ob das Zustimmung oder Ablehnung sein sollte.

Er sah kurz zu ihr, dann sah er in die Runde, von ihrem Beobachtungsplatz von einem Hochhaus aus und widmete sich dann wieder der Komödie, die er bereitet hatte.

"Wir warten", ließ er sich endlich zu einem Kommentar herab.

"Und worauf warten wir?", hakte Targetia nach.

"Wenn du es dir nicht selbst denken kannst, wirst du nicht mit an Bord des Seelenschiffs genommen, wenn es soweit ist", prophezeite Gaion düster. Er warf ihr einen Blick zu, der die junge Frau schaudern ließ. "Allerdings gäbe es da einen Kompromiss, wenn du..."

"Vergiss es!", blaffte sie ärgerlich. Sie doch nicht, und dann nicht mit so einem Kerl. Jedithe, ja, das war ein Mann. Oder dieser Leth, stumm, aber so stark. Und Akira erst, ernst, willensstark, vielleicht zu vertrauensselig. Wie leicht hätte sie ihn töten können. Aber der da, nein, nun wirklich nicht.

Andererseits, wenn es um ihr Leben ging... Die Welt zu vernichten war eben nicht alles.

"Vielleicht nicht niemals, aber...", begann sie zögerlich, "...auf jeden Fall nicht sofort."

Gaion sah sie überrascht an.
 

Plötzlich spürte Targetia eine Gefahr in ihrem Rücken. Sie sprang, und entging damit nur knapp einem Projektil aus Wasser.

Gaion sprang zur Seite, als ein hyperschneller, goldener Diskus die Luft an der Stelle durchschnitt, an der er eben noch gestanden hatte.

"Wie könnt Ihr es wagen!", erklang eine helle, aufgeregte Stimme. "Wie könnt Ihr es wagen, und die armen New Yorker mit euren Youmas zu verunsichern! Wenn Ihr ihre Lebensenergie rauben wollt, müsst Ihr zuerst an mir vorbei! Ich bin SailorMoon, und im Namen des Mondes werde ich euch bestrafen!"

"Ich bin SailorMerkur, und ich könnte euch dafür echt in den Ar..."

"Merkur!", rief SailorMoon aufgeregt. "Was ist denn das für eine Ausdrucksweise?"

"Aber, ich... Ich meine, sieh dir doch an, was sie hier tun!"

"Es reicht doch vollkommen, wenn wir es machen, oder? Aussprechen müssen wir es doch nicht", erklärte SailorMoon mit einem dünnen Lächeln.

Merkur nickte. "Ich bin SailorMerkur, und euer Treiben endet hier!"
 

Gaion wirkte zufrieden. "Jetzt können wir den nächsten Youma loslassen. Dann haben wir etwas zu spielen und können Echitron von unserem Erfolg berichten."

"Erfolg? Aber wir haben sie doch noch gar nicht bekämpft!", schnappte Targetia.

"Los, tu es einfach. Und folge mir dann."

Targetia seufzte zum Steine erweichen, während ihre Gegnerinnen erneut ihren Angriff vorbereiteten. "Hör mal, Makler-Youma. Ich schicke dir einen Kumpel da runter, ja?", rief sie in die Tiefe. Doch als Antwort kam nur ein Energieball die Häuserfront hoch, der von übereinander zuckenden Blitzen beherrscht wurde. "WOW!"

Sie sah wieder hinab, wich einem Angriff von Merkur aus und stellte verwundert fest, dass der Börsenmakler-Youma nicht mehr existierte.

"Zu spät, einen weiteren Youma frei zu lassen. Komm jetzt", drängte Gaion.
 

"Ihr werdet nicht entkommen!", rief SailorMoon. Sie vollführte einen komplizierten Tanz, erschuf ihr mächtiges Zepter und...

"Lass gut sein, SailorMoon, die beiden sind nicht mehr da."

Erstaunt sah der Blondschopf auf. "Was? Aber der Youma auf der Straße, er..."

"Den habe ich schon erledigt. Wenn ich gut genug dosiere, vernichte ich nur den Youma, aber nicht den besessenen Menschen", sagte Jupiter, als sie neben Merkur auf dem Dach landete.

"Das war alles?", rief SailorMoon beinahe verzweifelt. "Wo ist der Kampf? Wo sind die Youmas? Wo ist mein Auftritt?"

"Hold it right there, Ladies!", erklang vom Dachaufgang ein nervöser Ruf. Die drei Mädchen wandten sich um und sahen fünf New Yorker Polizisten, die auf sie zukamen.

"Noch so eine Unmöglichkeit. Hat die Tokioter Polizei jemals versucht, uns zu verhaften? Nein. Wir haben doch gerade den Feind vertrieben. Und Jupiter hat doch den Börsenmakler gerettet und... Lasst uns abhauen."

"Verstanden!" Alle drei Mädchen sprangen von der Brüstung des Dachs, die überraschten Cops eilten hinterher, nur um erstaunt dabei zuzusehen, wie die Mädchen Mauersimse dazu benutzten, um von Haus zu Haus zu springen und dann auf geheimnisvolle Weise mitten in einem Sprung zu verschwinden.

"Damnit", rief einer der Cops und kratzte sich erstaunt unter seiner Mütze, "was that Spiderman?"

"Nothing can surprise me from now on", gab sein Kollege zum Besten.

**

Der Berliner Alexanderplatz war eine großartige Kulisse für das unwirkliche Vorgehen, das hier gerade seine Bühne gefunden hatte. Auf dem riesigen Platz liefen gigantische Youmas herum, auf ihrem Weg zu den vielen tausend Schaulustigen, wurden aber immer wieder von den Wasserwerfern der Polizei zurückgeworfen.

Die Polizisten hatten es auf diese Weise geschafft, die drei Youmas, die drei vollkommen unbescholtene Bankangestellte beim Mittagessen übernommen hatten, in die Mitte des Platzes zu treiben. Nebenbei halfen besagte Wasserwerfer auch, die Waffen der Youmas, rasiermesserscharfe und ultraharte Bankdokumente abzuwehren.

Ezian betrachtete das Geschehen von ihrem Aussichtspunkt, dem Berliner Fernsehturm. Sie stand in etwa fünfzig Meter Höhe auf der glatten Wandung, was sie dazu zwang, beinahe parallel zum Platz zu stehen und den Kopf mächtig in den Nacken zu legen. Aber diese Position war einfach so cool, sie konnte nicht anders.

Neben ihr steckte Garalion seinen Kopf aus dem Beton des Turms, mit dem er auf geheimnisvolle Weise verschmolzen war. "Sind sie immer noch nicht da?"

Ezian lächelte still. Sie war nicht besser und nicht schlechter informiert als die anderen drei überlebenden Youma-Generäle Jedithes, aber sie hatte einen scharfen Verstand und gute fünf Sinne. Somit war es ihr gelungen, sich einiges zusammen zu reimen. Und sich vieles selbst zu erklären. "Sie werden kommen. Vertrau mir."

Unten auf dem Platz hatte ein Youma beinahe den Ausbruch geschafft, weil einer der Wasserwerfer leer geschossen war. Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei wollte schon in die derart entstandene Bresche springen und die zerbrechlichen Leiber riskieren, als ein Energieblitz heran raste, und den Youma mittig im Bauch traf.

"Da sind sie ja", stellte Ezian aus zusammengekniffenen Augen fest. Wieder lächelte sie, aber es war zynisch, halbherzig.

Sie sprang vom Turm herab, ließ sich fallen und setzte am Boden sanft auf wie eine Feder.
 

In der Bresche stand Gyes, aufrecht und stolz, in der Rechten bereits das Energiepotential für einen weiteren Blast bereit haltend. "Ihr Youmas werdet diesen Platz nicht mehr verlassen!", verkündete er.

Nun hatte er das Interesse nicht nur der drei Youmas, wenn man beim lädierten Burschen überhaupt davon ausgehen konnte, dass er bei Bewusstsein war, sondern auch der vieltausendköpfigen Menge.

Lauter Jubel klang zu ihm herüber und verwirrt begann Gyes zu winken - was den Jubel noch weiter erhöhte.

Diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte einer der Youmas, und griff mit einer vollen Salve seiner Waffen an, was die Dokumentenmappe hergab.

Doch bevor die über hundert Geschosse treffen konnten, raste ein goldener Diskus heran und vernichtete sie.

Iskander erschien auf dem leeren Wasserwerfer und musterte Gyes amüsiert. "Deine Fans?"

Gyes wurde rot. "Scheint so."

Iskander grinste schief. "Autogrammen kannst du später geben, Kumpel. Jetzt lass uns erst mal die da fertig machen."

Iskander sprang von dem Wagen herab, landete direkt neben dem Einsatzleiter und führte eine längere Konversation auf englisch mit ihm. Als Ergebnis rückten die übrigen Wasserwerfer vor, nahmen die Youmas noch mehr in der Zange. Einen Ausbruchsversuch verhinderte Gyes mit seinem Blitz.
 

Ezian lächelte noch immer.

"Komm, gehen wir", drängte Garalion. "Wir haben nun, was wir wollten."

"Noch nicht ganz", sagte sie und schuf die Illusion von Freizeitkleidung, wie sie sie in der Menge gesehen hatte. "Noch nicht ganz."

"Wie du willst, ich verschwinde", haspelte Garalion hervor und zog sich zurück.

Ezian sah mit keinem Blick nach hinten, während Iskander seinen Zeigestab hob und wie einen Speer ergriff. Er sprang auf den Wasserwerfer zurück; der Zeigestab wuchs und bekam die Ausmaße eines Schwertes. Mit der Kraft dieser Waffe erzeugte er einen Energieblast, der die Umrisse aller drei Youmas abzeichnete, Sekunden bevor sie vergingen.

Übrig blieben drei unbescholtene Männer in lädierten Anzügen, die relativ hart zu Boden stürzten.
 

"Bleib genau so stehen", hörte Ezian eine Stimme hinter sich. Etwas Großes, Kugelförmiges drückte sich gegen ihren Rücken. Ihr Lächeln wurde wieder zynisch. "Wer bist du?"

"SailorPluto."

"Das ist gut. Pluto. Ich kann nicht mit euch kämpfen und ich kann euch nicht den Plan verraten, den meine Herren haben. Aber ich kann euch etwas sagen, was sie nicht wissen."

Ezian wirbelte herum, sah in die überraschten Augen einer Frau, die ebenfalls in die letzte Freizeitmode gekleidet war und trat ihre Waffe weg. Für einen Moment waren sich die beiden Frauen so nahe, das man keine Hand hätte dazwischen schieben können. "Wenn Ihr die Wege treibt, SailorPluto, sucht den Weg, der zum Mond führt", hauchte Ezian, sprang über Pluto hinweg und war verschwunden.

Auf dem Platz indes wurden Iskander und Gyes von der begeisterten Menge umringt.

Gyes sah Setsuna Meio zielsicher an, auf über achthundert Meter hinweg, durch mehr als siebentausend Gesichter. Die groß gewachsene Frau nickte ernst.

Gyes nickte nun Iskander zu, der zu grinsen begann. Beide sprangen in die Luft und waren kurz darauf verschwunden. Pluto lächelte nur und tat einen Schritt, der sie auch verschwinden ließ.

Auf dem Fernsehturm aber stand Ezian und lächelte wieder. "Gute Arbeit, SailorKrieger. Gute Arbeit."

Hoffentlich waren sie schlau genug, die Informationen zu nutzen.

**

Als SailorVenus erstaunt aufkeuchte, fuhr Tuxedo Mask wie selbstverständlich herum, bereit zu ihrem Schutz. "Venus!"

Die blonde Frau sah auf den Atlantik hinaus und hatte eine Hand auf den Mund gelegt. "Das... Das ist die Copacabana, eine der berühmtesten Strandmeilen der Welt! Vielleicht DIE berühmteste! Warum habe ich nur meinen Bikini nicht mitgenommen?"

Sie sah Tuxedo aus großen Augen an. "Mamoru, wenn wir den Feind besiegt haben, werden wir dann vielleicht Gelegenheit haben, die Wege wieder zu benutzen, um zu einem Badeurlaub herzukommen?"

Tuxedo Mask wusste für einen Moment nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Zudem machte sich die morgendliche Kühle deutlich bemerkbar und er zog den Umhang enger um sich. Wie die Mädchen nur mit den Trikots und Röcken kämpfen konnten, und das sogar im ewigen Eis des Nordpols, war ihm unbegreiflich.

"Wer weiß ob die Wege dann noch existieren, Venus."

Enttäuscht blies die junge Frau die Wangen auf. "Mist."

Mamoru kämpfte mit seiner Heiterkeit und gewann, wenn auch nur knapp. Da stand sie nun neben ihm, eine der mächtigsten und erfahrensten Kriegerinnen der SailorScouts, und benahm sich wie ein kleines Mädchen, das Usagi ernsthafte Konkurrenz machen konnte. Andererseits war Usagi selbst die Mächtigste von ihnen. Vielleicht war dies ein Anzeichen für Kraft? Je stärker man war, desto mehr durfte man man selbst sein?

Wenn dem so war, dann war er selbst Jahre hinter den Mädchen zurück, gestand er sich leise ein.

Artemis, der schweigend auf Minakos Schulter gesessen hatte, sprang nun auf die Erde herab und lief auf den Strand hinaus. Um diese Uhrzeit war hier wirklich noch nichts los, was Mamoru dankbar zur Kenntnis nahm.

"Hier!", rief der Kater und sprang in die Brandung. Das heißt, es sah so aus als würde er hinein springen. Stattdessen teilten sich vor ihm die Wellen und machten den Weg frei auf eine riesige Plattform, die fast den ganzen Strand einnahm. Und auf dieser Plattform lauerten über ein Dutzend Youmas, bereit, den morgendlichen Schwimmern den Schrecken ihres Lebens zu verpassen. Sicherlich den letzten Schrecken.

Mamoru brauchte nicht viel zu sagen, Venus lief bereits los, in der Rechten ihre beinahe unzerstörbare Herzenkette, die im roten Licht ihres zornigen, aufgebrachten Herzschlags pulsierte.

Tuxedo Mask machte es sich einfacher und sprang in gigantischen Steps bis zur Plattform.

Dort verschwand er.
 

Minako kam auf die Plattform, wo sie begann wie eine Berserkerin zu wüten. Den ersten Dämon, einen riesigen Mann in karikierter Polizeiuniform fesselte sie mit ihrer Kette, entließ einen Blitz auf ihre Waffe, die den Mann in die Knie zwang, während sie ihren gefürchteten Crescent Beam auf den nächsten entließ, eine große Frau im Bikini, bei der die Proportionen übernatürlich betont worden waren.

Ein weiterer Youma griff die kleine weiße Katze an. Doch Artemis fixierte den Giganten nur. Sein Halbmondzeichen glühte hell auf und entließ eine Energieentladung, die den Youma zu Boden warf.

"Es ist zwecklos", rief eine raue, ernste Stimme und lachte.

Minako griff gerade ihren dritten Youma an, die anderen hatten den neuen Feind erkannt und kamen schnell näher, als sie einen Blick in Richtung der Stimme warf.

Ein breitschultriger, mittelgroßer Mann mit pechschwarzem Haar grinste zu ihr herüber. Er hätte gut aussehend sein können, wenn sein gierig verzerrtes Gesicht nicht den guten Eindruck des weißen Hemdes und der ebenmäßigen Züge zunichte gemacht hätte.

"Du hast die zuviel vorgenommen, SailorKriegerin. Selbst wenn du und deine Katze es an vierzehn Dämonen vorbei schaffst, sind da immer noch ich und Tu... Tulip?"

Neben ihm erschien eine gelb gekleidete Frau mit langem, goldenen Haar. "Aelion?"

"Verdammt, wo warst du? Ich bin hier gerade dabei, den Feind zu vernichten und stelle mich vor und du wanderst herum!"

"Ich habe nur weitere DemonSeed vorbereitet. Wenn wir die Katze und SailorVenus vernichtet haben, werden wir eine Menge Seelenenergie ernten können."

"Ich bin ein Kater!", rief Artemis entrüstet. "Ein Kater, keine Katze!"

"Kater, Katze, das ist doch vollkommen egal. Du stirbst jetzt nämlich", erklärte Aelion und gewann seine Selbstsicherheit zurück. Er deutete auf zwei schnell näher kommende Youmas, die diesmal normale Körpergröße hatten. "Ihr. Tötet ihn. Danach die SailorKriegerin."
 

Zwei Rosen fuhren vor den Dämonen in den Boden. Verwirrt stoppten sie.

"Das kann ich nicht zulassen", sagte eine ruhige, aber feste Stimme. "SailorVenus und Artemis sind Freunde, gute Freunde, und wer sich mit ihnen anlegt, hat Ärger mit mir."

"Wo kommt die Stimme her, was meinst du?", fragte Aelion aufgeregt.

"Von wo immer sie kommt, der Besitzer ist mächtig genug, um sich vor uns zu verbergen. Und das schmeckt mir überhaupt nicht", hauchte Tulip zurück.

"Der Besitzer der Stimme", erklang es unheilvoll, "ist direkt hinter euch."

Aelion fuhr herum, ließ ein Schwert in seiner Hand entstehen, aber eine Rose traf die Schwerthand und schlug die Waffe fort. Tulip, die Tuxedo Mask anspringen wollte, wurde von seinem Spazierstock von den Beinen gefegt.

Der maskierte Mann lächelte dünn. "Es scheint, dass Ihr ihn einem Punkt Recht habt. Ihr habt hier eine Menge Macht versammelt. SailorVenus schafft das alleine nicht. Und auch ich bin in dieser Form zu schwach."

Tuxedo Mask warf ein Dutzend weiterer Rosen, traf Youmas oder den Boden vor ihnen, um sie zu stoppen.

"Ich denke, es ist nicht verkehrt, wenn ich auch noch etwas... Mehr Kraft entfalte."

Tuxedo Masks Körper verschwand in einem Schauer aus Rosenblüten. An seine Stelle trat ein dunkler Schemen, der Schwierigkeiten zu haben schien, sich scharf zu stellen. Immer wieder leuchteten die Augen des Mannes auf, seine blaue Rüstung oder die schwarzen Haare.

Dann huschten Entladungsblitze über den Schemen. Nun stand ein Mann mit blauer Rüstung und einem großen Schwert vor ihnen. "Können wir dann?", fragte Endymion mit einem grimmigen Lächeln.

"D-das ist das Licht der Erde!", rief Aelion aufgebracht. "Verdammt, er hat sich wirklich mit dem SilverMillenium verbündet!"

"Was sollen wir tun?", rief Tulip. "So einen Gegner hatte ich noch nicht!"

Weitere Entladungsblitze huschten über Endymions Leib, begannen eine Blase um ihn zu bilden, die immer größer wurde.

"Echitron oder Pyramon wären ihm gewachsen. Aber wir nicht. Rückzug!"

"O-okay!"

Die beiden Angreifer sprangen davon, verschwanden in der Luft. Die Plattform löste sich auf, die Brandung brach herein und drohte alles fortzuspülen, was sich auf ihr befand. Endymion lächelte kalt.
 

"Das ist so typisch für euch Männer", meckerte Minako, während sie den letzten Menschen auf den weichen Sand bettete. "Während ich mich krumm schufte, um die Youmas zu vernichten und die Menschen zu retten, genießt du deinen großen Auftritt. Kramst sogar die alte Endymion-Rüstung aus."

In einem Versuch, sich zu verteidigen, hob Mamoru beide Hände, aber Minako hatte sich bereits ein neues Ziel gesucht. "Und du, Artemis. Immer spielst du hier den Dummkopf und lässt mich dich verteidigen. Aber kaum tauchen die Jungs auf, da entwickelst du neue Talente. Und plötzlich hast du da diese mächtige Waffe!"

"Ach, das", rief der Kater lachend und rieb sich mit einer Pfote am Hinterkopf. "Das ist eigentlich keine Waffe. Ich habe es nur soweit verstärkt, damit ich es als Waffe benutzen kann."

"Auch noch tiefstapeln", beschwerte sich die Kriegerin. Sie wandte sich um und warf einen langen Blick auf den Strand. "Wir können dann."

"Können was?", fragte Mamoru leise, erstaunt über ihren Stimmungswechsel.

"Na, zurück nach Hause. Es gibt ja schließlich noch mehr Städte, die angegriffen werden, oder?", bemerkte sie amüsiert.

Endymion legte eine Hand vor sein Gesicht und seufzte aus vollem Herzen. "Okay, gehen wir."

Noch einmal sah Minako auf den Strand hinaus, über den gerade die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne strichen. Sie sah sich zusammen mit ihren Freundinnen hier im Wasser baden, am Strand tollen, unter Sonnenschirmen kalte Getränke genießen. "Aber irgendwann kommen wir wieder", hauchte sie mit einem entrückten Lächeln.

**

"Nanu?" Irritiert sah sich SailorUranus um. Sie kratzte sich nachdenklich an der rechten Wange und versuchte, kein zu einfältiges Gesicht zu machen. "Eigentlich wollten wir doch nach Hong Kong, oder? Wo zum Henker sind wir hier?"

"Griechenland?", fragte Neptun nicht weniger erstaunt, als sie die halb zerstörte Säulenkonstruktionen und die weiteren Steintrümmer sah. "Oder Türkei?"

Luna sprang Michiru von den Armen, ging ein paar Schritte und sah in den Himmel. "Ich weiß, das wird jetzt ein ganz schöner Schock für euch sein, aber seht mal da hoch."

"Was ist ein ganz schöner... Wow!"

"Was denn?", fragte Neptun und sah ebenfalls nach oben, nicht ohne sich erst einmal die Augen zu reiben. Aber auch ein zweiter Blick änderte nichts an dem Bild. "Ist es das, was ich denke, was es ist?"

Uranus lächelte matt. "Sieht so aus. Das da oben ist die gute alte Erde."

Staunend beobachtete Michiru die blaue Kugel über ihnen. "Wow. Ich kann Japan sehen. Aber das bedeutet ja, wir... Wir sind..."

"Richtig, SailorNeptun", dozierte die Katze und deutete mit einer Vordertatze auf die Trümmer. "Wir sind auf dem Mond. Oder um es noch genauer zu sagen, wir sind hier in den Trümmern des SilverMilleniums."

"Unterwegs war doch gar keine Abzweigung", murmelte Haruka, noch immer überrascht. "Wie kommen wir auf den Mond?"

"Richtig. Wir hätten eigentlich nur in der Lage sein sollen, von Tokio aus gesehen einen Weg nach Hong Kong zu treiben. Wir...", sagte Luna leise, irritiert. Vor ihrem geistigen Auge erschienen dünne Linien, die sich von Tokio zu den anderen bedrohten Städten zogen und von ihnen zum Nordpol. Dann verband sie die Städte in Gedanken miteinander. "Ein Netz. Es ist wie ein Netz."

Die Katze sprang auf. "Kommt, wir müssen zurück! Und das so schnell wie möglich!"

Die beiden Kriegerinnen folgten der Katze.

"Ich hätte mich wirklich gerne noch ein wenig hier umgesehen", murmelte Haruka und tauchte als Letzte ein.
 

7.

"Berichtet mir", sagt Echitron betont leise.

Die drei Krieger in seinem Dienst verbeugten sich ehrfurchtsvoll. Oder war es nur Furcht, denn dieser Mann war der wichtigste Garant für ihr Überleben.

Aelion berichtete für alle drei. "Herr. Wie du es geplant hast, haben die Krieger des SilverMilleniums richtig reagiert und haben unsere Köder geschluckt. Sie kamen zu allen Städten, die wie bedroht haben. Und sie würden auch zu weiteren Städten kommen."

Echitron sah sich triumphierend um. Doch Jedithe kannte nicht genug vom Plan, um zu sehen, wie weit er damit fortgeschritten war.

Pyramon jedoch konnte ein eisiges Schauern nicht unterdrücken. "Kapitän", sagte er ernst und eindringlich, "überlege doch noch einmal. Gewiss, der Vorrat, den wir aus dieser Welt heraus schöpfen könnte fünftausend Jahre reichen. Aber sind nicht hundert Jahre besser, wenn wir die Chance haben, hier erneut her zu kommen? Und wieder? Und wieder?"

Echitrons Lächeln erstarb. Er sah seinen Navigator an. "Diese Welt ist viel zu gefährlich. Solange der Silberkristall existiert, solange jemand die Wiedergeburt Serenitys sein kann, ist dieses System, diese ganze Welt nicht sicher."

Echitron sah in die Runde. "Nein, mein Lieber. Besser ist es, wir vernichten diese ganze, verteufelte Welt, saugen ihre Lebensenergie aus und kommen niemals wieder."

Jedithe wurde bleich. Diese Worte erinnerten ihn nur zu sehr an das Gespräch mit Iskander. Konnte das wahr sein? Hatte der fremde Krieger Recht gehabt? War diese Welt so wenig wert? War er so wenig wert?

Echitron wandte sich wieder seinen Untergebenen zu. "Ich denke es ist an der Zeit, dass wir das Requiem ansetzen. Dies wird der Schlussakt der Geschichte. Greifen wir die Nabe des Netzes an, das unsere Gegner freundlicherweise für uns erschaffen haben." Er grinste wölfisch. "Greifen wir Tokio an."

"Aber SailorMoon könnte den Silberkristall einsetzen", mahnte Jedithe, ungewohnt energisch.

Echitron sah ihn an, in seinen Augen stand milder Spott. "Genau das will ich ja. Die Macht des Silberkristalls, auf dieses Netz gerichtet, welches Serenitys Erben extra für uns erschaffen haben..." Echitron warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. "Morgen. Bereitet alles vor. Und holt alles an DemonSeed, was ihr habt. Erst erwecken wir Metallia wieder, dann vernichten wir Tokio. Dann wollen wir doch mal sehen, ob diese SailorMoon nicht den Silberkristall benutzt."
 

Jedithe verbeugte sich und ging nach hinten weg. Dabei winkte er seinen drei Generälen zu. "Kommt, es gibt viel zu tun. Haben wir genügend Lebensenergie, um Königin Metallia zu wecken?"

"Aus Hong Kong hat uns genügend erreicht, um sie zumindest für kurze Zeit zu wecken", sagte Targetia ernst. "Aber wollen wir das wirklich? Ich meine, diese Welt, unsere Welt..."

"Stellst du meine Befehle in Frage?", blaffte der Letzte der Shitenno.

"Nun, Herr, deine nicht", erwiderte die Frau doppeldeutig.

"Dann sag so etwas nie wieder. Es kommen weitere fünfzig Krieger Echitrons vom Schiff herab. Wir haben nur einen Teil seiner Leute gesehen. Vielleicht nur die Besten." Hoffentlich, ging es Jedithe durch den Kopf.

Moment der Entscheidung

Jedithe beobachtete heimlich die drei Frauen, die ihm gegenüber absolut loyal waren. Sie und Rose, die sich noch immer regenerierte, waren junge, einfache Frauen, denen Jedithe teils persönlich eine besondere DemonSeed eingepflanzt hatte. Er hatte seine fünf Generäle quasi handverlesen. Aber davor, ja, davor, waren es normale Menschen gewesen, mit normalen Wünschen, Zielen, Ambitionen und Träumen. Rose zum Beispiel liebt es abgöttisch, für die anderen zu kochen. Targetia hingegen ließ keine Chance ungenutzt, den Nordpol zu verlassen und in einer der großen Städte die Nacht durchzufeiern - oder bis ihr Meister sie rief.

So war in jedem noch der Kern der alten Persönlichkeit enthalten. Jedithe wusste nicht, was ihn an diesem Gedanken so beruhigte.

Er hatte nichts anderes getan als Beryll damals im ersten Dunklen Königreich, mit nicht mehr oder weniger Skrupel als zuvor. Mit dem einzigen Ziel der Rache.

Wann waren diese Gedanken durcheinander gekommen? Wann hatte er begonnen, an sich selbst zu zweifeln? Mit der SailorKriegerin Merkur, die zur DemonSeed Tsunami geworden war, hatte doch alles gut ausgesehen. Tokio wäre beinahe zerstört worden, die SailorScouts fast vernichtet, Metallias Erweckung nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Wie hatten sich die Dinge dann so entwickeln können?

Diese jungen Frauen, sie waren Menschen der Erde, einer Erde, die bald nicht mehr existieren würde, wenn Echitrons Plan aufging.

Jedithe stutzte, hielt inne. Es musste natürlich heißen, sobald Echitrons Plan aufging, nicht wenn.

Der Plan war einfach und simpel. Die Krieger auf Seiten von SailorMoon benutzten ihre eigenen Kräfte, um von Tokio aus Wege zu den großen Städten zu treiben. Damit schufen sie ein Verbindungsnetz. Und Echitron würde Metallias Erweckung dazu benutzen, um ihre Feinde in Tokio zu provozieren, bis SailorMoon den Silberkristall einsetzte. Sobald dies geschah, würde Metallia als Generator wirken und die Energie des Angriffs in dieses Netzwerk leiten. Anschließend würde die ganze Welt mit Metallias Energie bedeckt sein und alles würde ein Ende finden. Alles. Auch seine vier überlebenden Generäle, außer Echitron erlaubte ihnen, an Bord seines Schiffes zu gehen.

Doch Jedithe war nicht einmal sicher, ob der Kapitän überhaupt ihm erlauben würde, das Seelenschiff zu betreten. Und das Schlimme war, er war sich nicht einmal sicher, ob er es selbst wollte!
 

"Wir erwecken jetzt Metallia", sagte Tulip ernst.

"Was? Ja, gebt ihr die Seelenenergie. Sie wird bald gebraucht", murmelte Jedithe geistesabwesend.

Wann war dieser Fall eingetreten? Wann hatte ihn dieser Virus infiziert, dieses selbstständige nachdenken? Wann hatte er begonnen sich an sein altes Leben zu erinnern? An die Zeit vor dem Fall des SilverMilleniums? An die Zeit als Shitenno, im Dienste Endymions?

Wütend ballte er die Hände zu Fäusten. Es war sehr schwer, ein despotischer Herr und Diener der absoluten Zerstörung zu sein, wenn einem in Schüben positive Erinnerungen überschwemmten.

Unwillkürlich drängten sich ihm die Worte Iskanders in Erinnerung, mit denen er ausgerechnet ihn, Jedithe, defacto aufgefordert hatte, seine Pläne aufzugeben und die Seiten zu wechseln.

"Metallia reagiert gut. Die Energie wird für eine gewisse... Was für eine machtvolle Präsenz."

"Ja, Königin Metallia ist wie eine riesige Batterie", murmelte Jedithe ernst.

"Verzeihung, Herr, aber ich meinte nicht Metallia", sagte Tulip ernst.

Jedithe sah verwirrt auf, blickte in die überraschten, ja erstaunten Gesichter seiner drei Generäle. Sie sahen ihn an, mit unverhohlener Neugier, Überraschung und auch einer gewissen Genugtuung. Er sah an sich herab und bemerkte die Aura. "Ich habe an Kraft gewonnen", stellte Jedithe überrascht fest.

"Und das nicht zu knapp. Was hat dich so stark gemacht, Herr?", fragte Ezian vorsichtig.

Wieder dachte er an Endymion, die Aura leuchtete auf.

Erschrocken verschloss sich der Krieger der Dunkelheit vor diesen Gedanken. Doch einer blieb, während der Dämon Metallia nach und nach erwachte und aus der Zwischendimension zurückkam. "Wem folgt ihr in dieser Schlacht?", fragte er geradeheraus.

Die drei Frauen sahen ihn ernst an. "Dir, Herr", erwiderte Tulip fest, und die anderen beiden nickten.

"Egal, wohin?"

"Herr?" "Schon gut. Macht weiter. Echitron erwartet Ergebnisse."

Jedithe betrachtete seine leuchtenden Hände. "Selbstständiges Denken, eh? Das wird nie Mode."

**

"Ihr wart wo?", rief Akira überrascht.

Haruka zuckte die Achseln. "Auf dem Mond. Ich dachte, ich hätte laut und deutlich genug gesprochen."

"Ha, ha", bemerkte Akira säuerlich.

"Genauer gesagt waren wir in den Trümmern des SilverMilleniums. Es ist ein eigenständiger, noch immer kultivierter Bereich, in dem normale Gravitation und Atemluft existieren. Ich bin sogar sicher, dass noch die einen oder anderen Pflanzen in den Beeten der alten Küche wachsen." Luna sprang auf Usagis Schoß. "Mit diesem Phantomstrahl haben wir, wenn unser Gegner ihn nicht bemerkt hat, also eine sichere Zuflucht, falls..."

"Ja, falls hier alles den Bach runter geht", bemerkte Motoki säuerlich.

"Und eure Mission in Hong Kong?", fragte Usagi ernst nach.

Haruka senkte getroffen den Kopf. "Verzeihung, aber wir... Die Mondsache dauerte wohl zu lange."

"Ich verstehe. Dann haben wir es bald mit Metallia zu tun, oder?"

"Dagegen haben wir den Silberkristall. Was mir mehr Sorgen macht ist, dass Setsuna der Tipp mit dem Weg zum Mond gegeben wurde, von einer Feindin."

Setsuna Meio lächelte dünn. "Nun, ich würde Ezian nicht gerade als Feindin bezeichnen..."

"Moment mal, Moment. Nur für mich zum mitschreiben", sagte Yuuichiro. "Die fünf Generäle von Jedithe sind junge Frauen, die von einer speziellen DemonSeed übernommen wurden. Unter der Fuchtel dieser Dämonen tun sie alles, was Jedithe ihnen sagt - oder noch schlimmer, was Echitron ihnen befiehlt. Und dann kann Ezian nicht unsere Feindin sein, solange sie diese Seed in sich trägt?"

"Ich werde es erklären, wenn die Zeit reif ist." Setsuna lächelte unergründlich. "Es ist ja nicht so, als würde ich diese Zeitlinie nicht beobachten. Oder als hätte ich absolut keine Möglichkeiten von meinem Posten aus."

"Ach, stimmt ja. Du kommst ja aus der Zukunft, oder wie war das?" Für einen Moment wirkte es, als würde sich Yuuichiro die Haare raufen wollen, eindeutig eine Verbesserung zu seiner jetzigen Frisur. "Bin ich denn der einzige, den das verrückt macht?"
 

"Zum verrückt werden ist später noch Zeit", stellte Minako bestimmt fest. "Wir sollten uns jetzt unbedingt überlegen, wie wir weiter vorgehen wollen. Wie wir weiter vorgehen müssen. Hier sind wir, ein Häuflein mächtiger Menschen, versammelt, um die Welt zu retten. Wieder einmal. Aber diesmal gegen einen Feind, den wir nicht haben besiegen können. Wir glaubten es, aber wir haben es nicht. Und das macht mir Angst."

Mamoru nickte ernst. "Sind wir stark genug, um uns gegen Echitron und die Mannschaft des Seelenschiffs zu stemmen? Als Endymion bin ich mächtig, aber so mächtig?"

Makoto legte ernst eine Hand auf die Schulter des großen schwarzhaarigen Mannes. "Das werden wir früh genug herausfinden, Mamoru. Denkst du nicht?"

"Und genau das ist es, was mir Angst macht."

Betretenes Schweigen antwortete Mamoru.
 

Ein paar Minuten später wanderte Akira ziellos über den Innenhof des Tempels hin und her. Es hätte ihn nicht erstaunen sollen, nicht erstaunen dürfen, dass seine kleine Welt zum vierten oder fünften Mal binnen weniger Tage komplett erschüttert worden war, das sollte eigentlich mittlerweile Gewohnheit sein. Aber das tat es doch, und er war sich nicht sicher, ob man darüber froh sein musste, oder ob das ein wie auch immer geartetes Zeichen der Schwäche war.

"Akira?"

Der weißhaarige Mann fuhr herum, erschrocken, überrascht. Und seufzte enttäuscht. "Usagi."

Die blonde Freundin von Mamoru zog enttäuscht einen Schmollmund. "Na, das ist ja mal ne Begrüßung. Ist es so schlimm, das ich es bin?"

Akira fühlte, wie feiner Schweiß seine Stirn zu bedecken begann. "Nein, Usagi, das ist es nicht. Ich..."

"Hm, wenn ich drüber nachdenke, dann hast du bestimmt jemand anderes erwartet. Warte mal, wer könnte das sein? Haruka vielleicht. Dann vergiss es gleich wieder, keine Chance.

Makoto? Hm, nein, das gäbe ja Ärger mit Motoki, oder? Oder Rei, hm? Aber da bin ich mir wirklich nicht sicher, ob Yuuichiro nicht doch endlich die Kurve gekriegt hat.

Tja, da bleiben ja nicht mehr allzu viele. Ich habe es. Du wartest auf Minako."

"Mich zu ärgern bereitet dir eine Riesenfreude, was?", sagte Akira mit matter Stimme.

"Ein kleines bisschen." Sie lächelte den großen Mann an. "Soll ich dir helfen? Ich meine, es ist ja alles so offensichtlich. Und du hast ihr das Leben gerettet, nicht? Ich meine, sie war zwar ne Zeit sauer auf dich, aber..."

"Usagi!", rief Akira verzweifelt.

"Hm?", machte das blonde Mädchen und sah ihn erstaunt an.

"Weswegen bist du hier?"

"Hm? Ach ja, ich wollte dich was fragen. Nämlich, ob du das nächste Mal nicht mit Ami auf eine Mission gehen willst..."

"Usagi", tadelte Akira die junge Frau.

"Schon gut. Es geht mir um die Vergangenheit. Um unsere Zeit im SilverMillenium. Eigentlich sollte ich ja die besten Erinnerungen an diese Zeit haben, aber... vieles ist durcheinander. Ich glaube, Minako erinnert sich am besten an das frühere Leben, aber es ist ja kaum etwas aus ihr heraus zu bekommen. Deshalb dachte ich, wir... Wir werden uns doch nicht alle an das gleiche erinnern, oder?"

"Das ist ein kluger Gedanke", stimmte Akira zu.

"Darum wollte ich dich fragen... Nun. Bisher dachte ich immer, das die anderen immer meine Leibgarde waren, damals. Wie passt du da hinein?"

Akira lächelte dünn. Seine Erinnerung kehrte zurück in diese Zeit, in die tiefe Vergangenheit.

"Als ich von der Erde kam, wurde ich für einige Zeit Chef der Palastwache. Es war nicht für lange, drei oder vier Jahre. Bevor die Youmas auf der Erde richtig zu wüten begannen und Leth, Gyes und ich ausgesandt wurden, um sie zu bekämpfen.

Zu meinen Aufgaben in dieser Zeit gehörte auch dein Schutz, Prinzessin. Sicher, die SailorKrieger waren deine Leibgarde, aber sie waren die letzte Verteidigungslinie. Davor standen ich und meine Leute. Und oft genug habe ich dich selbst bewacht."

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Manchmal nicht ganz so nachdrücklich, wie ich sollte. Vor allem wenn Endymion wieder einmal den Mond besuchte."

"Komisch, wenn ich an die Wächter denke, dann sehe ich immer die Rüstungen vor mir, gedrungen, robust. Mit diesen riesigen Speer in der Hand."

"Die Rüstung der Palastwache. Eine sehr effektive Waffe. Ich besaß sie einst auch. Und ich nutzte sie in meinen letzten Kämpfen auf der Erde, um... Um zu verbergen, das ich nicht mehr sehen konnte."

Mitfühlend sah Usagi den Mann an. "Das muß eine schwere Zeit für dich gewesen sein. Blind, wir alle schon tot, deine Kameraden versprengt und innerlich zerrissen..."

Usagis Worte begleitete immer tiefere Wehmut in Akiras Gesicht, bis die junge Frau verstand und erschrocken endete. "Tut mir Leid, Akira. Ich wollte keine schlechten Erinnerungen wecken."

"Sie sind aus einem früheren Leben, Usagi. Mach dir darum keine Sorgen", erwiderte Akira mit einem Lächeln. "Es waren schwere Zeiten."
 

Unschlüssig standen sie sich eine Zeitlang gegenüber.

"Und, hast du sie noch?", fragte Usagi schließlich.

"Habe was noch?"

"Na, die Rüstung der Palastwächter. Kannst du sie noch rufen?"

"Ich... Habe es ehrlich gesagt noch nicht probiert", gestand Akira verblüfft.

"Vielleicht solltest du es mal probieren", mahnte Usagi ernst. "Vielleicht brauchen wir diese Kraft schon bald."

Akira sah die junge Frau vor sich etwas ungläubig an. Ein Schmunzeln trat auf seine Züge und er verneigte sich leicht vor ihr. "Gewiss, Hoheit."

"Jetzt ärgerst du mich", beschwerte sich der Blondschopf.

Akira grinste nun offen. "Ein wenig, Usagi. Ein wenig."
 

8.

"Herr." Jedithe verneigte sich vor dem Herrn des Schiffs. "Metallia ist dann soweit."

Echitron sah auf, begegnete dem Blick des Youma-Generals und nickte. "Gut. Dann lass sie beginnen. Hast du die Instruktionen verstanden?"

Jedithe wurde rot. "Ja, Herr", versicherte er ernst.

"Gut. Dann beginne jetzt mit der Vernichtung der Welt. Und habe keine Angst davor, Metallia Befehle zu geben. Sie ist nur ein Werkzeug. Mein Werkzeug."

Diese Worte erschütterten den ehemaligen Shitenno tief. Metallia, ausgerechnet Metallia Befehle zu geben, erschien ihm so vermessen.

Immerhin hatte seine ganze Existenz, sein ganzer Kampf für Königin Beryll unter dem Eindruck der allmächtigen Metallia stattgefunden.

Ein kurzes Schmunzeln huschte über Jedithes Gesicht. Fast allmächtig.

"Herr!", sagte Jedithe, verbeugte sich erneut und verließ den Raum, den er vor kurzem noch selbst beansprucht hatte.
 

Auf dem Weg zu Metallias Hort begegnete er Dutzenden von Echitrons Leuten. Sie waren bei weitem nicht so mächtig wie Pyramon oder wenigstens Gaion. Aber selbst der Schwächste unter ihnen konnte es mit einem seiner fünf Generäle aufnehmen. Und dieser Gedanke entsetzte Jedithe. Wurde er dann überhaupt gebraucht? Wurden seine Generäle gebraucht?

Unwirsch schüttelte er den unnützen Gedanken ab. Er war hier um zu dienen, der Zerstörung zu dienen und nicht um die Liebe zum Leben zu entdecken und gegen die ureigensten Interessen des Dunklen Königreichs zu handeln.

Aber... Was waren noch die Interessen des Dunklen Königreichs? Jetzt, wo Echitron die volle Macht an sich gerissen hatte?

Als er im Hort ankam, war er zerrissener denn je. Aber er wagte es nicht nach außen zu zeigen. Seine Leute hätten es nicht verstanden. Ebenso wenig wie die fünf unauffällig über sie wachenden Matrosen des Seelenschiffs.

"Beginnt nun, die zur Verfügung stehenden Youmas freizusetzen", befahl er Tulip leise. "Wir werden sie brauchen, wenn die SailorKrieger hier eintreffen.

Tulip verneigte sich und sprang davon. Sofort verschwand sie in der Luft.

Einer der Matrosen folgte ihr. Es schien ganz so, als wollte Echitron den Erfolg des Plans nicht völlig in Jedithes Hände legen.
 

Der ehemalige Shitenno trat vor. Metallia war erwacht, wenngleich ihr Wachen mehr einem Dämmern glich. Ihre Kräfte waren gebändigt, nein zurückgezogen. Sie hockte, lauerte in ihrer Stellung, als schien sie zu warten. Auf Beute... Oder einen Befehl.

Jedithe fixierte die stechend roten Augen der Youma-Königin. "METALLIA! BEGINNE NUN MIT DEM DRUCK!"

Die Augen des Youmas wurden dreimal so groß wie zuvor. Kurz darauf kam ein bestätigendes Grollen aus den Tiefen ihres Leibes.

Ezian trat neben Jedithe. "Herr. Was geschieht nun? Vernichten wir bereits die Welt?"

"Nein, Ezian. Noch nicht. Dies hier ist nur eine Spielerei. Etwas, um Panik unter den Menschen zu schüren. Um sie in unserem Sinne handeln zu lassen. Denn wenn sie kopflos werden, wird SailorMoon nichts anderes übrig bleiben, als zu uns zu kommen, egal wie groß das Risiko ist."

"Was genau geschieht jetzt auf der Erde?", hakte sie nach.

"Ein riesiges Feld umspannt nun den Globus. Es erzeugt einen enormen mentalen Druck, der schwache Menschen zu Boden schicken kann. Dank der Bemühungen der SailorKrieger haben wir ein feines Netzwerk von Gängen, über die wir diesen Druck entsenden und um die ganze Erde spannen können. Menschen werden vor Angst wahnsinnig werden, ohnmächtig zu Boden gehen oder einfach mit rasenden Kopfschmerzen durch die Straßen laufen."

"Dann wird sie kommen", sagte Ezian. Es klang wie eine Feststellung, nicht wie eine Vermutung.

"Ja, sie wird kommen. Und sie wird Tuxedo Mask mitbringen. Und dann werden wir sie alle vernichten", hauchte Jedithe.

Emotionen rangen in seinem Gesicht, Unentschlossenheit wühlte in seinen Gedärmen.

Brüsk warf er sich herum. "Sobald das Feld steht, bringt Metallia auf die Oberfläche. Wir erwarten SailorMoon und ihre Gefährten dort."

"Herr!", antworteten die beiden übrigen Generäle.

Nun war es soweit. Nun kam es zum Finale.

Doch diesmal würde Jedithe auf der Siegerseite sein...

**

Das Ereignis kam urplötzlich, weltweit und mit erdrückender Wucht.

Der Himmel färbte sich blutrot, und die Rede ist hier nicht vom romantischen Rot eines dämmernden Abends, das verheißungsvoll von der Nacht sprach und einen sonnigen nachfolgenden Tag prophezeite. Nein, es war ein schweres, erdrückendes und düsteres Rot, bei dessen Anblick man eine Gänsehaut bekam.

Die Hunde bellten nicht. Sie hatten ihre Schwänze zwischen den Hinterbeinen eingeklemmt und an den Orten verkrochen, die ihnen möglichst sicher erschienen.

Die Katzen fauchten hier und da, aber es war eher halbherzig, bevor auch sie die Flucht ergriffen, um sich zwischen die Füße eines Menschen zu flüchten.

Und die Menschen... Einige machten Fotos oder Videoaufnahmen, aber das entzog sie nicht von dem drückenden Gefühl der Schwere, des unglaublichen Gewichts, das nach und nach zunahm und sie zu Boden zu drücken drohte.
 

Akira stand auf dem Tempelplatz und starrte in den Himmel. Es hatte ein sonniger Tag werden sollen, und obwohl er geahnt hatte, dass der ultimative Angriff des Dunklen Königreichs kurz bevor stand, hatte ihm dieser Gedanke Trost gespendet.

Neben ihm stand Usagi und sah mit tränenden Augen ebenfalls nach oben.

Aus der nahen Stadt erklang das Wehklagen der ersten Menschen, die dem Druck nicht mehr standhalten konnten und zu Boden gingen. Autos stießen zusammen, in der Ferne stürzte ein Flugzeug ab, als der Pilot die Kontrolle verlor. Ein Nachrichtenhubschrauber setzte hart, viel zu hart auf einer Kreuzung auf, aber immerhin explodierte er nicht und begrub auch keine Fahrzeuge unter sich.

Usagis Rechte krallte sich in den Ärmel von Akiras Hemd. "Ich habe Angst", gestand sie leise.

"Ich auch", hauchte der junge Mann zurück.

"Ich will das nicht", sagte Usagi nun mit festerer Stimme. "Ich will nicht dauernd kämpfen, will nicht dauernd zusehen wie Menschen verletzt werden. Ich will nicht ständig gegen übernommene oder verblendete Gegner kämpfen. Ich will einfach nur, dass die Menschen ein einziges Mal wenigstens versuchen, miteinander zu leben. In Frieden. Zufrieden. Satt, glücklich und dennoch aktiv. Warum gibt es keine Welt, in der jeder wenigstens versuchen kann, sein persönliches Ziel zu erreichen, egal, was dieses ist? Solange es nicht einen anderen verletzt? Warum kann es keine Zeit geben, so kurz sie auch sein mag, in der glücklich sein nicht heißt, keine Wünsche mehr zu haben sondern sich selbst Wünsche zu erschaffen?"

Mit Tränen in den Augen sah sie Akira an. "Und wieso muß ich kämpfen, immer und immer wieder? Für dieses Crystal Tokio in der Zukunft? Für das SilverMillenium? Oder für wen?

Kann das alles nicht einmal ein Ende finden?"

Akira spürte, wie sich die Hand regelrecht in seinen Arm krallte und legte beruhigend seine eigene auf ihre Schulter. "Usagi. Du hast schon so viel öfter gekämpft als ich. Und du hast schon Dinge erlebt, wie ich sie selbst mit Leth und Gyes nur sehr selten gesehen habe.

Trotzdem stehst du wieder hier, mit deinen Freunden um dich und bist bereit zu Kampf. Warum?"

Die junge Frau sah ihn fassungslos an. "Was?"

"Warum bist du hier, anstatt dich irgendwo zu verstecken?"

"Ich... Verstecken bringt doch nichts. Wenn ich nichts tue, dann geht die Welt unter. Und das will ich nicht. Also muß ich aufstehen und kämpfen. Für Naru, für Umino, für Mamoru, Ami, die anderen..." Sie schloss die Augen. Wieder rannen Tränen hervor. Aber sie lächelte. "Und für die Tochter, die Mamoru und ich einmal haben werden. Und für all die anderen Menschen, die hier leben, von diesem Kraftfeld gebeugt werden und dennoch ihr Recht auf ein normales Leben haben."

Sie öffnete die Augen wieder und lächelte sanft. "Danke, Akira."

Der weißhaarige junge Mann nickte dazu. "Gerne geschehen, Usagi. Aber ich glaube, du bist da schon von ganz alleine drauf gekommen. Dir fehlte nur mal die Gelegenheit, es auszusprechen."

Mamoru trat neben sie. Wenn er die vertrauliche Nähe der beiden bemerkte, sagte er zumindest nichts dazu. Ohne mit der Wimper zu zucken sagte er: "Das Feld existiert weltweit. Ami hat berechnet, dass es vom Nordpol ausgeht. Wir werden drei oder vier Stunden haben, bevor es die ersten Toten gibt, abgesehen von denen, die bereits an Unfällen sterben. Wir müssen handeln. Jetzt."

Usagi nickte und ließ Akiras Arm los. "Du hast Recht, Mamoru. Wir müssen angreifen. Rufen wir die anderen. Wir müssen aktiv werden, bevor das Feld auch auf uns wirkt."

"Es ist eine Falle", mahnte Akira leise.

"Als wenn wir das nicht wüssten. Aber hast du eine bessere Idee?", fragte Mamoru säuerlich.

"Ich wollte nur sichergehen, dass Ihr es wisst", erwiderte der junge Mann ernst.
 

Sie gingen zurück zu den anderen und verwandelten sich dabei. Uranus erwartete sie bereits. "Diesmal geht es wohl ums eingemachte, eh?"

Iskander lächelte. "Um nicht weniger als das Schicksal der Menschheit."

"Wie immer", seufzte sie und zuckte mit den Schultern. "Also, legen wir los."

Nach und nach trafen die anderen ein, bis alle zwölf Krieger beisammen waren.

"Ich habe es noch einmal durchgerechnet", rief Ami und winkte mit ihrem tragbaren Computer. "Die Ursache dieses Feldes ist Metallia. Usagi hat sie schon einmal vernichtet, mit Hilfe des Silberkristalls. Unsere Strategie muß also klar sein: Usagi so lange vor den Angreifern abschirmen, bis sie den Silberkristall gegen Metallia einsetzen kann. Dies ist unsere einzige Chance."

Mamoru bestätigte mit einem Nicken. "Gut. Uranus, Iskander, Ihr bildet die Vorhut. Mars, Jupiter, Neptun, linke Seite. Pluto, Venus, Leth, Nachhut. Gyes, Merkur, rechte Seite. Ich bleibe an SailorMoons Seite, so lange es geht. Luna, Artemis, ich weiß nicht, wie weit Ihr uns helfen könnt, also solltet Ihr vielleicht hier bleiben."

"Nein, wir kommen mit", bestimmte die schwarze Katze. "Jede Hilfe, und sei sie noch so klein, entscheidet über das Schicksal dieser Welt."

"Gut, dann kommt. Und möge das Licht des SilverMilleniums auf uns scheinen. Wir werden es bitter nötig haben." Mamoru sprang, und die anderen folgten ihm ohne zu zögern.
 

8.

Der Nordpol erwies sich als Vorhof zur Hölle. Als die zwölf Krieger ihr Ziel erreichten, erwarteten sie zwei Dutzend unbekannter Kämpfer, augenscheinlich vom Seelenschiff. Man erwartete sie also. Etwas anderes anzunehmen wäre auch tödlicher Leichtsinn gewesen.

"Das gibt mir Gelegenheit für meine neue Attacke!", rief Uranus erfreut. Sie hob beide Hände, streckte sie seitlich vom Körper fort und rief: "Zweiseitige Attacke!"

Eine starke Energiefront ging von ihr aus und strebte seitlich von ihr fort. Die Attacke nahm acht der Verteidiger mit sich, was eine riesige Bresche in die Front riss. Es würde sie nicht töten oder besiegen, aber erst mal waren sie aus dem Rennen.

Iskander ließ seinen Zeigestab auf die Größe eines Degens wachsen und warf sich auf die vier Krieger direkt in Frontrichtung, denen die Zweiseitenattacke nichts anhaben hatte können. Dabei warf er seine Spange und erwischte den ersten Gegner schwer.

Inzwischen bekämpften die anderen Krieger, SailorMoon sicher in ihrer Mitte, die restlichen Gegner an den Seiten.

Tuxedo Mask gab seine Position kurz auf, eilte Iskander zu Hilfe. Rücken an Rücken kämpften sie mit den verbliebenen drei Gegnern.

"Wenn wir die hier besiegt haben", blaffte Tuxedo, "dann brecht hier schnell durch! Wir können nicht jeden Gegner einzeln besiegen! Wir müssen direkt zu Metallia durchbrechen und sie vernichten! Nur das zählt!"

Er wehrte einen Hieb ab, der beinahe Iskander in den Rücken getroffen hätte.

"Danke. Und jetzt durch, das war der Letzte!"

Noch während sie kämpften, setzten sich die SailorKrieger und die Inkarnationen der Generäle der Vorderen Zeit in Bewegung. Hinter ihnen bildeten die Gegner eine geschlossene Front, was für ihren Rückzug schlechte Karten bedeutete.

Dennoch drangen sie weiter vor.

"Schnell jetzt", drängte Iskander.
 

Der letzte Kampf gegen Metallia hatte auf der freien Eisschicht stattgefunden. Diesmal würde er in den Höhlen erfolgen, direkt an jenem Ort, der Metallia zum Sarg werden würde. Wenn alles gut ging.

Sie stießen weiter vor, noch immer von hinten bedrängt und erreichten eine weite Höhle. Es war eine mächtige Kaverne, in deren Zentrum eine dunkle Masse lauerte, die Boshaftigkeit ausstrahlte. Boshaftigkeit, Machthunger und Kraft.

"Metallia", hauchte Tuxedo, der mit dem Anblick dieses Monstrums besonders schlimme Erinnerungen verband.

"Keine Zeit zum Schwelgen!", tadelte Akira den Freund. "Wir sind da!"

"Ausschwärmen, Flanken sichern. Gebt SailorMoon ein sicheres Feld zum Angriff!", befahl Tuxedo laut.

Die Nachhut kämpfte noch immer mit den Verfolgern, während die anderen beiseite sprangen, um Usagi noch mehr abzuschirmen.

Sie hatten eine Chance. Wenn alles so blieb, dann hatten sie eine Chance.
 

"Glaubt Ihr wirklich, ich würde es euch so einfach machen?", erklang eine Stimme irgendwo schräg hinter Metallia.

Ein schlanker, sehr großer Mann in einer schwarzen Pseudouniform trat hervor. Er strich sich sein langes schwarzes Haar nach hinten und musterte die SailorKrieger. "So, so. Ihr habt also meine Schöpfung fast vernichtet. Merkwürdig. Ihr seid doch noch Kinder."

Er sah zu seiner Schöpfung, dann wieder zurück. "Mein Name ist Echitron. Metallia ist meine Kreatur. Wenn Ihr sie einmal besiegen konntet bedeutet das, man sollte euch nicht unterschätzen. Besser, ich vernichte euch schnell. WACHEN!"

Zusätzlich zu den noch zehn Mann, die von hinten angriffen, kamen weitere Krieger des Seelenschiffes. Durch verborgene Türen in der Halle kamen Youmas hinzu sowie Jedithe und seine Generäle.

Auch die stärkeren Krieger des Seelenschiffs eilten herbei.

Echitron deutete auf die Angreifer. "Vernichtet sie. Und das schnell."
 

"Luna! Der Schild!", rief Artemis. Die schwarze Katze nickte. Ihr Sichelmondsymbol begann aufzuglühen, ebenso bei dem weißen Kater. Sofort entstand ein Schutzschild, der die Krieger umspannte. "Lange halten wir ihn nicht aufrecht", rief Luna. "SailorMoon, du musst den Silberkristall einsetzen! Jetzt!"

Die junge blonde Frau nickte, hob ihr Zepter und verwandelte sich vor aller Augen in... Die Mondprinzessin.

Iskander, Gyes und Leth machten für einen kurzen Augenblick Anstalten auf ein Knie zu sinken.

"Ich kann dir nicht verzeihen, dass du das Leben so hasst. Es gibt soviel Gutes darin wie Eis essen gehen, mit Freunden zusammen zu sein, lernen, arbeiten, schreiben und lesen. All das wird nicht mehr existieren, wenn wir dich gewähren lassen. Darum werde ich dich im Namen des Mondes bestrafen!" Die letzten Worte hatte die Prinzessin Serenity geschrieen. Ihr Blick senkte sich und ihre Lippen bildeten lautlos Wortfetzen.

Die Spitze des Zepters flammte auf, erstrahlte in hellem Weiß. Und von dort ergoss sich nun ein starker Energiestrahl in Richtung Metallia.
 

Echitrons Züge umspielte ein zufriedenes Schmunzeln.

Iskander erstarrte. Ungläubig sah er das Mienenspiel des Kapitäns, sah von dort zu Jedithe, der nur bestätigend nicken konnte.

"USAGI!", rief er mit vor Schrecken verzerrter Stimme. "DU MUSST AUFHÖREN!"

"I-ich kann nicht!", rief die junge Frau. "Es ist, als würde Metallia mich aussaugen!"
 

Die Energie, die in Metallia eindrang, vernichtete die Dämonenkönigin nicht. Im Gegenteil, sie passierte ihren Leib, wurde modifiziert und gelangte von dort zu dem Seelenschiff. An diesem Punkt gelangte die Energie in das Netzwerk, welches mit der unfreiwilligen Hilfe der SaiorKrieger und ihrer Verbündeten in den letzten Tagen erschaffen worden war. Es erfüllte die Bahnen, bis diese sprichwörtlich kurz vor dem Bersten standen. Dann schossen weitere Verbindungsarme von Knotenpunkt zu Knotenpunkt. Es kam zu einer Wechselwirkung mit dem Feld, welches Metallia bereits um die Erde gespannt hatte. Und kurz darauf wurde aus dem weltweiten roten Leuchten ein schmutziges weiß.

Die Menschen, die es sahen, konnten es sich nicht erklären. Doch Linderung brachte es nicht. Im Gegenteil, der Druck erhöhte sich noch mehr. Und binnen weniger Minuten erstarrte alles Leben auf der Erde unter dieser Energie, wie unter einer bizarren kilometerdicken Eisschicht.

Die Menschen erkannten ihr Schicksal, wenngleich sie nichts dagegen tun konnten. Aber ein mentaler Schrei aus abermillionen Bewusstseinen, von der Antarktis bis nach Sibirien, von Japan bis nach Europa, die ganze Welt umfassend erhob sich und wurde gehört, sogar am Nordpol.
 

SailorMoons Augen füllten sich mit Tränen. "Ich töte sie", hauchte die Anführerin der SailorKrieger. "Ich töte die Menschen! Ich töte die ganze Welt!"

Zu dieser Erkenntnis kam neue Panik, denn die Mondprinzessin wurde mit jedem Atemzug schwächer. Metallia schien sie wirklich auszusaugen.

"Serenity!", rief Uranus bestürzt. Sie versuchte ihr das Zepter aus der Hand zu nehmen, wurde aber davon geschleudert.

Damit ging ihre letzte Hoffnung. Das Schicksal der Menschheit war besiegelt, sie alle gescheitert.

Iskander ballte die Hände zu Fäusten. Das konnte nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein!

Sein zorniger Blick suchte Jedithe, doch der Mann wich ihm aus.

"Es ist noch nicht zu spät!", rief Ezian plötzlich. Die Generälin stand plötzlich vor dem Schutzfeld, welches Artemis und Luna aufrechterhielten. "Unterbrecht den Energiefluss! Schnell, bevor Metallia genügend Kraft gesammelt hat, um die ganze Welt zu töten!"

Iskander reagierte sofort, aber ein anderer war schneller als er.

Ungläubig sah er zu, wie Merkur von ihrem Platz aufsprang und sich in den Energiestrahl warf. Die Energie warf sie nicht fort, nein, die SailorKriegerin wurde mitten in der Luft gebannt und in der Kraft gebadet. Ihr Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, der Iskander das Herz zu zerreißen drohte.

"Nein", hauchte er.

Metallia heulte enttäuscht auf, als der Nachschub an Energie ausblieb.

"Tötet sie!", rief Echitron verärgert. Damit wurde die Situation noch ein wenig verzweifelter.

"Nicht so hastig!", rief Jedithe, sprang neben seine Generälin. Er wehrte den ersten Angriff der Krieger des Seelenschiffs selbst ab. "Ich muß verrückt sein, das hier zu tun, während ihr am verlieren seid. Aber bringt um der Erde Willen die Prinzessin hier heraus! Es wird ein zweites Mal geben!"
 

Merkur sah Serenity mit einem merkwürdigen Lächeln an, während ihr Körper durchscheinend wurde. Es ist gut, formten ihre Lippen lautlos, doch die Prinzessin sah durch einen Schleier aus Tränen kaum etwas.

Merkur setzte ein letztes Mal ihre Kraft ein und erschuf einen undurchdringlichen Nebel. Damit aber gab sie ihren Widerstand gegen die Energien des Silberkristalls auf und wurde von der Energie gegen die nächste Wand geworfen.

Wie eine Gliederpuppe stürzte sie von dort zu Boden und blieb reglos liegen.

"Nein", hauchte Iskander. "NEIN!"

Der Zeigestab in seiner Hand wuchs auf die Größe eines Speeres. Sein Körper wurde von Energiewirbeln umfangen. Der dunkle Schatten über seinen Augen lüftete sich und gab den Blick frei auf zwei düsterrot leuchtenden Höhlen. Eine rote Narbe pulsierte zwischen ihnen.

Als die Energiewirbel ihn wieder freigaben, trug er eine sperrige Rüstung und einen Speer in der Hand. Die mächtige Rüstung der Palastwächter war zu ihm zurückgekehrt.

Er wirbelte die Waffe herum, entließ einen Energiestrahl, der Gaion und drei seiner Leute zu Boden warf. Dann wirbelte er herum, griff die andere Seite mit Aelion an.

Sein nächster Blick galt Echitron, der sich aber hinter seine Leute und die Youmas zurückzog.

"Nein, Iskander!", rief Jedithe. Er sprang an die Seite des Generals, als der Schutzschild der beiden erschöpften Katzen erlosch. "Nein! Die Sicherheit Serenitys hat nun oberste Priorität! Ohne sie ist alles verloren! Ohne dich ist alles verloren! Sie muß überleben, hörst du?"

"AKIRA! KOMM!", rief Tuxedo über den Lärm hinweg, streckte seine Hand aus, damit der Freund sie ergriff und sie sich im Nebel, Merkurs Abschiedsgeschenk, nicht verloren.

Die Hände des weißhaarigen Mannes bebten. Er starrte sie an wie fremdes Fleisch. Dann ging sein Blick zur leblosen Merkur. Abrupt wandte er sich ab, ergriff Tuxedos Hand und langte nach hinten. "Komm Jedithe, hier kannst du nicht mehr bleiben!"

Der General Metallias zögerte einen Moment, dann griff er zu. Bei ihm hakte sich Ezian ein, Tulip griff ebenfalls zu. Targetia erschien, die noch immer verletzte Rose auf den Armen und ergriff die Hand von Tulip.

"Wo du hingehst, Herr, gehen wir auch hin", sagte Targetia.
 

Sekunden später gab es nur noch Metallia in der Kaverne, einen frustrierten Echitron, seine Männer und den leblosen Körper einer SailorKriegerin, die für die Rettung der Menschheit alles gewagt hatte.

Finale

"Wo sind wir denn hier gelandet?", fragte Jupiter überrascht.

"Das", sagte Uranus mit einer gewissen Genugtuung, "ist der Mond, genauer gesagt die Ruine des SilverMilleniums." Sie deutete auf den großen Erdball, der nun nicht blau, sondern weiß leuchtete. "Da die ganze Erde unter dieser Eisschicht lag, dachte ich, das dies der einzige Ort sein kann, an dem wir an einem ordentlichen Gegenschlag planen können."

"Gegenschlag? Gegenschlag? Sieh dir doch die Erde an! Sie liegt unter Eis! Alles ist verloren! Nur wir sind noch übrig!", blaffte Iskander aufgebracht.

Jedithes Hand legte sich auf seine Schulter. "Ich habe keine Ahnung, warum du so ungerecht und aufbrausend wirst, Iskander. Aber es ist noch nicht alles verloren."

Der weißhaarige Mann starrte ihn mit den Rotglühenden Augen an, bevor er sich harsch abwandte. Wieder versanken seine Augen im Schatten, während er hart ausschritt, um Distanz zu den anderen zu schaffen. Abseits der SailorKrieger ließ er sich auf einem Stein nieder und starrte auf die weiße Erdkugel.
 

"So war er schon einmal", murmelte Gyes leise. "Und es hat mir damals schon nicht gefallen."

Leth nickte dazu. "Es hat ihn auch diesmal schwer mitgenommen."

Tuxedo Mask musterte den Freund. "Ist er...?"

"War das nicht offensichtlich?", fragte Gyes ernst. "Damals war es genauso. Und das war auch der Grund dafür, dass er seine Augen verlor. Dieser verdammte Hitzkopf."

Gyes schüttelte den Kopf und wandte sich um. "Aber kommen wir zu einem anderen Thema. Was machen wir mit dem da?"

Jedithe sah auf. "Eh?"

Ezian trat vor ihren Herrn. "Er und die anderen sind in Ordnung. Ich verbürge mich für sie. Sie haben alle mit dem Seelenschiff gebrochen und wollen das gleiche wie wir - die Erde retten."

"Ihr? Wir? Was?" Usagi starrte die blaugekleidete Generälin Jedithes aus großen Augen an.

"Warum sollten wir ausgerechnet deinem Wort vertrauen?", fragte Tuxedo Mask scharf.

Pluto und die junge Generälin tauschten einen amüsierten Blick aus.

Ezian trat vor, Pluto warf ihr einen langen Stab zu, an dessen Ende eine Sichel prangte.

"Danke fürs aufheben, Setsuna", sagte Ezian. Vor den Augen der anderen verwandelte sich die junge Frau, wurde etwas kleiner, aber die Augen nicht weniger ernst.

Als die Verwandlung abgeschlossen war, hätte man eine Stecknadel fallen hören können.

Setsuna gefiel das schweigen sichtlich. "Wie ich schon sagte, von meiner Warte aus kann ich einiges tun, was euch nicht möglich ist. Und in meiner Position habe ich mächtige Verbündete. Nicht wahr, Hotaru?"

SailorSaturn zwinkerte der Wächterin der Zeit zu. "Bis hierher hat es auch gut funktioniert, oder?"

"Was... Wie... Wie lange bist du schon... Ich meine..."

Saturn sah Jedithe freundlich an. "Ich war von Anfang an Ezian, Jedithe. Aber ich hatte den klaren Auftrag von Setsuna, mich erst zu enttarnen, wenn das Seelenschiff eintrifft. Aber ich habe noch etwas länger gewartet, denn es gibt einen hohen Preis zu gewinnen. Dich und deine Generäle als Verbündete."

"Ihr... Ihr ehrt mich", hauchte der ehemalige General Metallias.

Tuxedo trat vor. "Du hast uns geholfen, eine SailorKriegerin bürgt für dich. Und einst warst du mein Freund und Vertrauter."

"Davon mal abgesehen können wir jede Hilfe gebrauchen, die wir kriegen können", maulte Usagi. Sie deutete auf den weißen Erdball. "Denn ich glaube nicht, dass wir das da so lassen können. Oder das Echitron das da so lässt. Der will doch sicher an die Seelenenergie der Menschen, oder?"

"Gut erkannt", murmelte Jupiter. "Aber wo liegen unsere Möglichkeiten? Wo sind die Schwachstellen? Kann Ami nicht mit ihrem Computer... Oh, tut mir Leid, die Macht der Gewohnheit."

Die anderen nickten beifällig. Auch ihnen steckte der Schreck noch in den Knochen, der Verlust einer der ihren. Nur Iskander wandte sich wirsch ab, den schweren Speer in der Rechten.

"Ich... Erinnere mich an diese Zeit nun wieder. Ich erinnere mich an euch, Endymion. Und mit der Erinnerung kommt die Pflicht zurück. Ich, als einziger der letztendlich Beryll und Metallia entkommen konnte, bin es dem Bund der Shitenno schuldig, wieder an eurer Seite zu stehen, Herr. Sie alle zu ersetzen." Jedithe nickte schwer und fiel vor Tuxedo auf ein Knie.

Doch der maskierte Mann zog ihn wieder hoch. "Die Zeiten ändern sich. Ich brauche Kameraden, keine Diener." Ein kurzer Seitenblick traf Akira. "Alle Kameraden."

Jedithe nickte dazu. "Ich verstehe. Aber was können wir tun?"
 

"Dazu habe ich vielleicht etwas zu sagen!"

Die verschworenen Krieger wirbelten herum, sahen erstaunt einen Neuankömmling in den Trümmern des SilverMilleniums stehen. Der Mann war hoch gewachsen, sonnengebräunt und gut trainiert. Sein Gesicht wirkte wie das eines Mittdreißigers, aber die uralten goldgelben Augen straften diesen Eindruck Lügen. Die spitz nach hinten zulaufenden, grünschwarzen Haare, die enge schwarze Hose und die schmucklose, lose übergeworfene schwarze Weste gaben ihm ein verwegenes Aussehen. Er schmunzelte über die Überraschung der SailorKrieger und ihrer Verbündeten. "Mein Name ist Pyramon. Ich bin der Navigator des Seelenschiffs."

"DU!" Iskander griff sofort an. Den schweren Speer zum Schlag erhoben sprang er auf den unverhofft aufgetauchten Feind zu.

"Akira! Nein!", gellte Mamorus scharfer Ruf auf, aber der ehemalige Palastwächter ließ sich davon nicht stoppen.

Er schoss auf Pyramon zu mit der Gewissheit einer gigantischen Flutwelle, die nichts Besseres zu tun hatte, als das einsame Haus am Strand mit Urgewalt zu zermalmen; und genau das hatte er auch vor. Binnen eines Lidschlags hatte er den Feind erreicht und ließ den Speer niedersausen.

"Genug!", erklang eine kraftvolle Stimme. Akira spürte, wie etwas seinen Sturmangriff stoppte. Dann folgte ein kurzer, ungewollter Flug und eine ungewollte, harte Landung in einem Schutthaufen.

Er schüttelte benommen den Kopf, sprang aber sofort wieder auf, wirbelte herum.

Und sah in die strengen Augen eines Mannes mit blonden, kurz geschorenen Haaren und einer gut sitzenden blauen Uniform.

"Hart gelandet, Palastwache?", fragte der Mann ernst. "Hättest du deinen Helm getragen, dann wäre das nicht passiert."

Dieser Vorwurf traf Akira tief. Als er die Rüstung gerufen hatte, war der Helm nicht erschienen. Dass ihm das mal einen Tadel einbringen würde, hätte er nicht gedacht.

Kurz spannte er sich für einen erneuten Angriff an, doch etwas an dem zweiten Fremden ließ ihn zögern.

Der Mann sah in die Runde. "Ihr", sagte er und nickte Leth und Gyes zu. "Ihr seid eindeutig Generäle des Mondes. Aber ich sehe keine Armeen."

Er sah zu den Mädchen herüber. "Ihr seid gekleidet wie die alte Leibwache meiner Frau. Aber Ihr seid zu jung, um ihre Jugendfreunde zu sein. Hm." Nachdenklich strich er sich über sein Kinn. Doch bevor er den Gedanken, der sich offensichtlich zu manifestieren begann aussprechen konnte, sah er Tuxedo Mask an. "Du. Bist du etwa..."

Tuxedo erstarrte, als der Blick des Fremden auf ihm ruhte. Er nickte und nahm die Gestalt von Endymion an.

"Das Licht der Erde, an diesem Ort." Ungläubig schüttelte er den Kopf. "Ihr scheint in interessanten Zeiten zu leben."

Er sah die letzte Gruppe an. Jedithe wand sich unter seinem Blick und die von Youmas besessenen Generäle seiner Armeen wichen ihm sogar aus. "In sehr interessanten Zeiten."
 

Der Mann wandte sich ab, sah auf das Trümmerfeld. "War es so schlimm? War die Niederlage so endgültig? Seid Ihr alles, was vom SilverMillenium übrig geblieben ist?"

Akira dämmerte plötzlich, wen er da vor sich hatte. Ein spöttisches Grinsen huschte über seine Züge. Wieder nahm er den Speer auf, griff an. Pyramon ging in Abwehrhaltung, doch Akiras Ziel war der andere Mann.

Der bemerkte den Angreifer in der Rüstung nicht oder wollte es auch gar nicht. Stattdessen wich er dreien von Mamoru geworfenen Rosen auf, die sich mit ihren feinen Stielen in die Steine des Bodens bohrten und fing die vierte aus der Luft.

Als Akira mit seinem Speer heran war, leuchtete auf der Stirn des Mannes ein goldener Sichelmond auf, dessen Spitzen nach unten zeigten. Der Lichtschein war enorm, und in ihm steckte eine Wucht, die Akira meterweit davon wirbelte.

Mamoru, wieder als Tuxedo, griff an, den Spazierstock zum Schlag erhoben, Gyes und Leth begannen den Mann zu umgehen.

Doch die vierte Rose traf Tuxedo Mask mit der Blüte ins Gesicht, brachte ihn zum straucheln. Mit Mühe fing er sich ab, nur um zu realisieren, dass ihr Ziel nun selbst zum Angriff überging.

"Stopp!", rief SailorMoon von ihrem Platz herüber. "Ich weiß nicht, wer du bist und was du überhaupt hier willst! Aber ich sehe nicht ein, dass wir gegen dich kämpfen sollen, wenn es wichtigeres gibt! Wenn du uns helfen willst, die Erde ist in großer Gefahr, wir wären dankbar dafür. Wenn du uns nicht helfen willst, dann lass uns in Ruhe."

Iskander verwandelte sich zurück. Er sah auf das Mondzeichen auf der Stirn des Fremden und sank vor ihm auf ein Knie. "König Ikakles." In Leths Augen glomm das Erkennen. Auch er sank auf ein Knie. "Majestät."

Gyes schien eine wichtige Information zu fehlen, aber sicherheitshalber folgte er dem Beispiel der Freunde und verneigte sich.

"Ikakles?", fragte Mamoru leise und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. "Ikakles."

"Es gibt Legenden über einen Mann, der sich auf Flügeln in den Himmel schwang, aber der Sonne zu nahe kam und von ihr verbrannt wurde", flüsterte Akira leise. "Und auch Legenden von einem Mann, der ein großer Krieger war, aber dann wegen seiner Frau ein Schicksal erlitt, dass schlimmer war als der Tod."

"Moment. Ich verstehe nun überhaupt nichts mehr. Was ist hier denn los?", fragte SailorMoon verwirrt.
 

In diesem Moment strich ein sanfter Windhauch durch die Trümmer, es war als würden Feenhände einem jeden sanft über das Gesicht streicheln. Der Wind verdichtete sich, bildete einen Wirbel, und aus dieser Windbewegung schälte sich bald eine Gestalt. Die Gestalt einer großen, schlanken, weißhaarigen Frau mit einem Sichelmondsymbol auf der Stirn erschien. "Ich werde das erklären, wenn es euch Recht ist", sagte sie mit melodischer Stimme.

"Königin Serenity." Die Worte kamen von der schwarzen Katze Luna und hätten kaum mit weniger Ergriffenheit ausgesprochen werden können.

"Dies ist mein Gemahl Ikakles, der mir genommen wurde, als das Seelenschiff Echitrons das letzte Mal angriff. Ich dachte all die Jahre, er wäre tot, aber ich habe mich geirrt."

Ikakles sah die geisterhafte Erscheinung an. Seine Augen schimmerten feucht. "Serenity", hauchte er, griff nach den Händen der Frau und sah mit Schmerzverzerrter Miene, wie seine eigenen Hände durch die Gestalt hindurch glitten.

"Bitte, Geliebter", sagte sie sanft und deutete auf die Gruppe Frauen, "lass mich dir die Wiedergeburt deiner Tochter vorstellen."

Sie deutete auf Usagi, die zögernd näher trat. Mit jedem Schritt den sie tat, kehrte ein wenig Erinnerung mehr an ihr früheres Leben zurück. Jeder einzelne Meter schien ihre Gedanken aufzuwühlen. "Vater", hauchte sie, gefangen zwischen ihrem jetzigen Leben und den Erinnerungen an das vorige. Die Erinnerungen siegten. Knapp vor Ikakles brach sie in die Knie ein, doch der blonde Mann trat vor und fing sie auf. Hemmungslos begann Usagi zu weinen. "Vater!"

Königin Serenity betrachtete dieses Bild mit Wohlwollen und Schmerz.
 

Die anderen ließen Vater und Tochter gewähren. Die meisten hatten sowieso mit Erinnerungen zu kämpfen, die Ikakles mit seinen Erklärungen in ihnen aufgewühlt hatte.

Usagi hatte sich derweil ausgeweint, nach Mamorus Hand gegriffen und ihn zu sich heran gezogen. "Mein Freund", erklärte sie bestimmt.

Ikakles lachte befreit auf. "Natürlich. Wem sonst sollte es gelingen, das Licht der Erde zu bändigen, wenn nicht der Mondprinzessin?"

"Glaubst du mir jetzt, dass wir eine Chance haben, Ikakles?" Pyramon trat neben die drei, legte dem blonden Mann eine Hand auf die Schulter. "Wir können es immer noch schaffen."
 

"Wir können was schaffen?", blaffte Akira unwirsch. "Die Welt retten? Haben wir das nicht gerade versucht und sind gescheitert? Sollen wir noch... noch mehr Freunde verlieren?"

"Akira!", rief Mamoru mahnend.

Der General wirbelte herum. "Erst Ami, danach vielleicht Rei. Oder Makoto! Ist es das, was Ihr wollt? Ist es das?"

Betretenes Schweigen antwortete ihm.

Akira schüttelte wütend den Kopf. "Ich weiß, ihr wollt alle leben. Und ich weiß, dass euch dieser Anblick dort sehr schmerzt, dass Ihr den Menschen helfen wollt. Noch leben sie, wenngleich die Zeit für sie eingefroren ist. Das letzte Quentchen Energie, welches sie alle getötet und ihre Seelenenergie freigesetzt hätte, wurde dem Netz versagt, als sich Ami geopfert hat." Er sah jedem einzelnen in die Augen. "Sei es wie es ist, wir müssen sie retten. Auch wenn es uns alle das Leben kostet. Die Frage ist nur: Seid Ihr bereit, notfalls für die Erde zu sterben? Wenn Ihr das nicht mit ja beantworten könnt, dann macht alles, alles keinen Sinn. Dann macht Amis Opfertod ebenso wenig Sinn wie alle weiteren, die für diese Sache sterben werden."

Mamoru nickte schwer. Er ließ Usagis Hand los, und es schien eine endgültige Geste zu sein, die jedem der es sah, beinahe das Herz zerriss. "Leg deine Hand auf meine, Freund", sagte das Licht der Erde leise.

"Auch wenn es unseren Tod bedeutet, wir besiegen Echitron und retten die Erde", sagte Akira fest und legte seine Hand auf die von Mamoru.

"So sei es", sagte Motoki und trat hinzu.

"Ich bin dabei." Haruka warf ihrer Freundin einen entschuldigenden Blick zu, bevor sie hinzu trat.

"Ich auch. Wäre doch gelacht, wenn wir die Welt diesmal nicht retten könnten." Minako grinste schief.

"Einer muß ja hinter euch aufräumen", murrte Yuuichiro und trat ebenfalls hinzu.

"Einst... Einst war ich dein Freund und Beschützer, Endymion", sagte Jedithe fest. "Ich erinnere mich wieder an die Zeit. Und ich erinnere mich daran, was ich alles getan habe, als ich unter Metallias Einfluss war. Das will ich wieder gut machen. Ich erneuere meinen Eid auf dich, Herr." Jedithes Hand legte sich auf die anderen.

"Wenn du denkst, du kannst ohne mich gehen, Uranus, hast du dich aber geschnitten", bemerkte Michiru amüsiert, als sie ihre Hand obenauf legte.

Rei schüttelte den Kopf, in mehrfacher Hinsicht. "Du willst hinter uns aufräumen, Yuuichiro? Dabei bin ich es doch, die auf dich aufpassen muß. Warum sollte es heute anders sein?"

Sie lächelte ihn an, wenn auch nur kurz. Dann legte sie ihre Hand dazu.

Makoto kam hinzu. "Ihr werdet Kraft brauchen. Für die Erde. Für die, die wir lieben."

Sie wurde bei diesen Worten rot, und Akira glaubte für einen Moment, dass Motoki ebenfalls errötete. Das ließ ihn kurz schmunzeln.

"Als Wächterin der Zeit ist es mir verboten, zu offen einzugreifen", sagte Setsuna ernst. "Aber im Moment ist mir das wirklich egal."

"Wenn Ihr nichts dagegen habt, dann würden wir auch gerne dazu kommen. Wenn unser Herr in die Schlacht zieht, wollen wir an seiner Seite kämpfen." Targetia deutete auf Rose und Tulip neben sich.

Nach einem Nicken Mamorus kamen sie in den Kreis.

Hotaru wirkte ernst, viel zu ernst für so einen jungen Menschen. "Es ist also soweit, hm?"

Sie trat heran, betrachtete die anderen. "Wenn wir alle zusammen halten, dann können wir es schaffen."

Die letzte Hand, die sich auf die anderen legte, gehörte Usagi. Sie weinte und brachte kaum ein Wort hervor. Aber jeder wusste, mit welchem Ernst und welchem Eifer sie hinzu trat. Und jeden schmerzte es, sie nun ebenfalls in der Schlacht zu wissen, die bald kommen würde.

"Da das entschieden ist und die Verteidiger der Erde bereit sind", sagte Ikakles fest, "sollten wir mit dem Kriegsrat beginnen."

**

"Der Plan war so einfach wie simpel", berichtete Pyramon. "Metallia sollte mit der Energie des Silberkristalls so viel Energie konvertieren, um die ganze Welt unter einer Eisdecke abzutöten. Dabei sollte die gesamte Seelenenergie dieser Welt spontan frei werden. Das Seelenschiff sollte sie dann einsammeln. Und das ist seltsam. Der Plan ging nicht auf. Metallia sollte eigentlich nicht mehr existieren können. Das Feld aufzubauen und die Energie des Silberkristalls zu konvertieren hätte sie verbrennen müssen. Dass das Feld noch immer existiert kann nur bedeuten, dass auch Metallia noch existiert. Ich nehme an, das Seelenschiff stützt das Netz mit eigenen Vorräten."

"Wie viele Vorräte kann das Seelenschiff haben?", fragte Mamoru ernst. "Und was wird eher vergehen? Das Netz oder die Vorräte?"

Pyramon lachte höhnisch und deutete nach oben. "Beantwortet das deine Frage?"
 

Die versammelten Freunde warfen den Kopf in den Nacken und sahen in den Mondhimmel. Über ihnen zog ein gewaltiges Gebilde hinweg, welches mit tausenden Funken strahlte. Es dauerte Minuten, bis es ihre Position passiert hatte.

"Echitron weiß nichts von diesem Ort, sonst hätte er uns mit einem einzigen Schlag seiner Geschütze ausgelöscht", sagte Ikakles ernst. "Aber er weiß, dass ich geflohen bin. Und das er seine Pläne nun beschleunigen muß."

"Was ist das? Wie groß ist es?", rief Motoki aufgeregt.

"Das, junger Freund, ist das Seelenschiff. Es ist sieben Kilometer lang. Drei Kilometer am Heck breit und einen halben am Bug. An der größten Stelle hat es eine Dicke von anderthalb Kilometern. Es ist keilförmig und über zwanzigtausend Jahre im All unterwegs. Auf ihm leben über neunundachtzigtausend Wesen von meiner Art."

Für einen Moment schwiegen die Freunde verblüfft.

"Wie viele?", rief Usagi erschüttert.

"Es sind nicht alles Krieger. Die wenigsten sind Elite wie ich oder Gaion", beschwichtigte Pyramon. "Aber es ist alles, was von unserem Volk übrig ist.

Seit SailorGalaxia unsere Welt vernichtet hat, sind wir..."

"Moment, sagtest du SailorGalaxia?"

"Ja, Endymion. Sie kam vor über zwanzigtausend Jahren zu uns, raubte uns unseren Schutz und vernichtete unsere Welt. Wir... Den wenigen Überlebenden gelang mit Hilfe von Kapitän Echitron die Flucht. Damals wollten wir nur überleben..."

Pyramon senkte den Blick. "Aber als wir dann eine verwüstete Welt nach der anderen fanden und nirgends vor Galaxia sicher zu sein schienen, begann aus unserer Flucht ein Nomadenleben zu werden.

Wir... Wir wähnten uns einzig an Bord des Schiffs sicher, so kamen wir von Welt zu Welt, lediglich um unsere Vorräte aufzufrischen und um vor Galaxia zu warnen.

Irgendwann begannen die Bewohner dieser Welten zu fürchten, Galaxia würde uns folgen.

Sie bekämpften uns."

Pyramons Blick ging in die ferne Vergangenheit. Er sah in den Mondhimmel hinauf und ächzte leise. "Wir siegten damals, und eine ganze Welt lag vor uns. Ich weiß nicht mehr was es war: Trotz oder Angst. Jedenfalls befahl Echitron als Ersatz für den feigen Angriff, Lebensenergie für unseren Antrieb zu sammeln. Wir waren bescheiden. Aber auch zu gierig, um es als reinen Akt des Ausgleichs zu sehen.

Und damit begann unsere Karriere als Banditen und Räuber. Denn was einmal geklappt hatte, das sollte auch ein zweites Mal funktionieren, nur umso leichter. Und wieder. Und wieder. Wir... Wir wurden irgendwann so schlimm wie Galaxia, doch immerhin lebten die Welten noch, die wir angriffen. Sie hatten noch eine Chance und konnten sich neu entwickeln. Wir erkannten das, als wir nach tausenden Jahren die erste Welt ansteuerten, die wir geplündert hatten. Und dann plünderten wir sie erneut."

Tränen rannen über Pyramons Wangen. "Ich war nicht stark genug. Ich war nie stark genug. Ich konnte es nicht verhindern. Weder das wir Piraten wurden, noch Echitrons Verfall vom Mentor unserer Rettung zur gierigen, maßlosen Bestie. An dieser Stelle begann unser Rundkurs durch die Galaxis. Ein Rundkurs auf dem auch die Erde lag. Und dieses Schiff wird ihn so lange begehen, wie es Leben auf ihm gibt.

Und Ihr, falls Ihr eure Welt zurück gewinnt, tut alles dafür, damit Galaxia eure Welt nicht findet und zerstört. Ich habe Dutzende solcher Welten gesehen und..."

"Ach", meinte Usagi mit einem strahlenden Lächeln, "Galaxia war schon hier. Wir haben sie befriedet."

"IHR HABT WAS?"

"Na ja, eigentlich ging es ja nur darum, ihr ihre Seele wieder zu geben und das Böse zu vernichten, welches sich in ihr manifestiert hatte. Ich meine, es war schon ein hartes Stück Arbeit, das Licht der Hoffnung zu schützen und Galaxia ihren Frieden wieder zu geben und so. Aber es war den Aufwand wert, denke ich."

"IHR HABT WAS?"

"Du wiederholst dich", bemerkte Motoki schmunzelnd.
 

Pyramon sah in die Runde. Er wechselte einen fassungslosen Blick mit Ikakles, der nicht weniger erstaunt war. Dann begann der Navigator zu lachen. Laut, befreit und aus tiefstem Herzen. "Dann ist das Seelenschiff ja unnötig geworden! Dann ist unsere ganze Reise unnötig geworden. Wir könnten irgendwo zur Ruhe kommen. Irgendwo in Frieden leben. Nie mehr plündern. Nie mehr rauben."

Er lachte, bis ihm die Tränen liefen. Doch schnell wurde er wieder ernst. "Aber Echitron ist bereits zu zerfressen von der Macht. Er wird dieses Leben führen wollen, solange er lebt."

"Dann sind unsere Ziele klar", sagte Ikakles fest.

Er trat einen Schritt zurück, sah zu seiner Königin und lächelte sanft. "Wir haben nun zwei Ziele zu erreichen. Wir müssen zwei Gruppen bilden. Eine muß Metallia vernichten, koste es was es wolle. Die andere muß das Seelenschiff zerstören. Und sobald diese beiden Ziele erreicht sind, musst du, Tochter, die Macht des Silberkristalls nutzen, um die Welt aus dem Eis zu befreien."

Usagi nickte ernst.

"Tun wir es", sagte Mamoru und wurde durch die anderen bestätigt.

"Alleine wird sie es nicht schaffen", schränkte Ikakles ein. "Die anderen SailorKrieger werden ihr Kraft geben müssen. Das bedeutet, jede einzelne von ihnen ist wichtig. Wir sollten keine von euch verlieren."

Er sah Jedithe und Mamoru an. Danach die Generäle der Mondarmee. "Das bedeutet, wir werden die Hauptlast des Angriffs tragen müssen."

Ohne zu zögern nickten die Männer.

"Wenn Ihr glaubt, Ihr könnt ohne uns kämpfen, dann...", begehrte Makoto auf.

Doch Ikakles winkte ab. "Nein, wir kämpfen nicht ohne euch. Wir kämpfen für euch.

Licht der Erde. Du führst den Angriff auf Metallia an. Such dir deine Leute aus."

Mamoru überlegte kurz. "Akira. Motoki. Haruka. Michiru. Setsuna. Jedithe. Targetia. Minako. Artemis."

"Gut. Ich führe den Angriff auf das Seelenschiff. Es gibt auf dem Nordpol einen Transportstrahl, der direkt zu dem Schiff führt. Ihn werden wir erobern und angreifen."

Er sah Makoto, Tulip, Rose, Hotaru, Yuuichiro und Rei an. "Dann werdet Ihr wohl mit mir kommen, oder? Tochter. Du und Luna auch. Vom Seelenschiff aus hast du die besten Möglichkeiten, die Welt vom Eis zu befreien."

Ikakles sah in den Mondhimmel, taxierte das Seelenschiff. "Ich habe ein ungutes Gefühl dabei, wenn dieses Ding den Erdorbit erreicht. Wir sollten sofort handeln."

Akira erhob sich. "Dann sollten wir angreifen." Seine Augen leuchten in einem wilden Rotton auf. "Jetzt."

Ikakles warf der Projektion seiner Königin einen wehmütigen Blick zu. Diese nickte nur.

"Jetzt", bestätigte er ernst.
 

9.

Sie wurden auf der anderen Seite erwartet, doch die Wächter, Krieger niederen Ranges vom Seelenschiff, hatten nicht wirklich eine Chance. Leths erster Angriff wirbelte drei von ihnen davon, bevor sie reagieren konnten. Jedithe fuhr mit seinem Schwert zwischen sie wie ein wahrer Dämon und besiegte zwei weitere.

Jupiter warf ihren Donnerschlag; sie schaffte acht ums Vordereck.

Den letzten erwischte Tulip, als er fliehen wollte.

"Gut! Wir teilen uns hier auf! Bald wird es hier vor Verteidigern nur so wimmeln. Licht der Erde, du musst schnell sein!", rief Ikakles, während er auf den Weg zulief, der zum Seelenschiff führte.

"Das werde ich. Werden wir!", versprach Tuxedo Mask. Er sah kurz zurück, begegnete SailorMoons Blick, die sich dicht an Ikakles´ Seite hielt. Sie tauschten ein stummes Versprechen aus. Dann gingen sie beide ihrer Wege.
 

Ein massives Portal versperrte den Weg zu Metallias Kaverne. Iskander ließ sich davon nicht aufhalten, rammte den massigen Speer in die Tür und sprengte sie auf.

Hinter der Tür lauerten weitere Krieger. Die Rüstung des Mondgenerals wurde mehrfach getroffen, er selbst meterweit nach hinten geschleudert, wo Uranus ihn auffing.

"Dich in Armen zu halten war nicht gerade mein Wunschtraum", scherzte sie.

"Danke für die Unterstützung, Haruka."

"Wenn du mich chan nennst, lege ich dich übers Knie."

Iskander grinste. "Das wäre es beinahe wert."

Vorne führte Tuxedo Mask nun den Angriff. Flankiert von Jedithe und Gyes drang er in die Kaverne Metallias vor. Neptun und Pluto folgten, mitten hinein in ein Gewirr aus Dämonen und Soldaten des Seelenschiffs. Verheißungsvoll waberte vor ihnen eine Unheilverkündende Aura - Metallia.

Targetia, Uranus, Iskander und Venus folgten nun, bereit für den alles entscheidenden Angriff. Das war, bevor der Boden unter ihnen aufriss, Gesteinsmassen hoch warf und sie auseinander trieb.
 

"So früh haben wir euch gar nicht erwartet", rief eine bekannte Stimme zu ihnen herüber.

Ungläubig sah Iskander auf. Vor Metallia schwebte eine Gestalt in der Luft. Der Anblick war unverkennbar, und auch die rot glühenden Augen ließen keinen Zweifel aufkommen. "Ami!"

Die junge Frau verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. "Mit SailorMerkur habe ich nicht mehr viel gemeinsam. Nennt mich Armageddon, das Ende der Welt. Euer Weg endet hier, hier, von meiner Hand."

**

Der Weg in das Seelenschiff selbst war nicht bewacht, ebenso wenig wie die andere Seite. Ikakles hatte aber wenig Zeit sich darüber zu wundern. "Der Antrieb!", blaffte Pyramon. "Wir müssen den Antrieb vernichten! Dann in die Zentrale! Ich kann das Seelenschiff in die Ruinen des SilverMilleniums steuern!"

Der Navigator hetzte voran, die Freunde direkt hinter sich. Alarm gellte auf und machte dem letzten Bewohner des Schiffes klar, das es da etwas gab, was nicht nach Echitrons Plänen funktionierte.

Pyramon führte die Gruppe durch die Tiefen des Schiffes, auf Schleichwegen, fernab der Hauptrouten, die jetzt erbittert verteidigt werden würden.

Auf diesem Weg erreichten sie relativ schnell eine große Kaverne.

"Dieser Weg führt zum Antrieb. In ihm wird die Seelenenergie konvertiert und für die Bewegung genutzt. Dieser führt zur Brücke des Schiffs. Hierher müssen wir später zurückkehren. Nur dort habe ich die Möglichkeit, das Schiff mit dem Hilfsantrieb vor einem Absturz auf der Erde zu bewahren. Auf dem Mond wird es weniger Schaden nehmen."

"Du willst deine Leute retten, richtig?", fragte SailorMoon ernst.

"Natürlich will ich das. Was können sie für meine Fehler? Was für Echitrons Wahnsinn?"

"Dann werden wir sie auch retten", versprach die junge Frau ernst.

Pyramon schwieg gerührt.
 

"Nicht so eilig. Bevor Ihr Pläne schmiedet, wohin Ihr mein Schiff steuert, solltet Ihr euch erst einmal mit mir auseinander setzen."

Von der Brücke kam Echitron herab. Ihn begleiteten, Aelion und Gaion sowie ein Dutzend niederer Krieger.

Ikakles entschied sich binnen weniger Augenblicke. "SailorMoon. Nimm deine Freunde und lauf weiter. Die da gehören uns."

"Aber Vater, wir..."

"DU GEHORCHST!"

Der ernste Blick des Königs des SilverMilleniums duldete keinen Widerspruch.

SailorMoon wich vor diesen Augen zurück. "Kommt", sagte sie schließlich tonlos.

Sofort setzten ihnen Krieger hinterher, aber ein Energieschlag von Ikakles ließ sie stoppen. "Ich habe euch nicht erlaubt, sie zu verfolgen. Hier sind eure Gegner."

"Überheblich und arrogant wie immer, Ikakles", schmunzelte Echitron. Er reckte seine schlanke Gestalt. "Das ist dir schon einmal zum Verhängnis geworden."

"Diesmal wird es dir nicht gelingen, mich in einen Kristall zu schließen, Kapitän!"

Ikakles und Pyramon wechselten einen schnellen Blick. "Echitron gehört mir. Geh in die Zentrale, steuere das Schiff."

Pyramon sah ihn zweifelnd an.

"Es ist unsere einzige Chance!"

"Verstanden!" Pyramon sprang davon, umging Echitron und lief den Weg zur Brücke hinauf. Gaion und Aelion folgten ihm ohne zu zögern.

"Um meinen ungehorsamen Gefolgsmann kümmere ich mich später. Erst will ich mit dir ein wenig Spaß haben, mein lieber König." Echitron schmunzelte.

"Warum auch nicht?", fragte Ikakles herausfordernd. Übergangslos begann der Sichelmond auf seiner Stirn aufzuleuchten. "Fangen wir an!"

**

Iskander schrie verzweifelt auf. Nein, das durfte nicht sein. Das konnte nicht sein. Nicht nur das sie Ami zurück gelassen hatten, nein, sie war auch noch von Feind gefangen worden und diente nun wieder als Wirt für eine SeedQueen!

"Nein. Nein. Nein."

Tuxedo Mask trat neben den Freund. "Es ist mein Fehler, Akira. Mein Fehler. Ich habe sie zurück gelassen! Nicht du." Verzweifelt sah er den weißhaarigen Mann an. "Wenn du jemandem die Schuld geben musst, dann mir, hörst du? Hasse mich ruhig, aber bleibe bei uns! Wir brauchen dich!"

Die Rüstung verschwand, machte Akira Platz. Die Hände des jungen Mannes krampften. "Es ist schon gut, Mamoru. Ich beschuldige niemanden."

Er sah herüber, seine Augen leuchteten tiefrot. "Aber Ihr habt eine Aufgabe zu erfüllen. Vernichtet Metallia. Ich werde mich um Armageddon kümmern."

"Du kannst sie nicht von der SeedQueen befreien!", warf Motoki verzweifelt ein. "Wenn du das versuchst, wirst du sterben! Tsunami hat dich schon fast getötet und..."

Akira wandte einen Blick in seine Richtung. "Es ist schon gut so." Er deutete auf die Verteidiger vor der schwarzen Sphäre, die Metallias Substanz bildete. "Geht. Ihr habt mehr als genug zu tun, Mamoru."

Tuxedo Mask zögerte, ballte die Hände zu Fäusten. Dann endlich nickte er. "Stirb nicht", bat er leise.

Akira schnaubte als Antwort.

"Wir vernichten die Verteidiger!", rief Mamoru ernst. "Dann bilden wir einen Kreis um Metallia und zerstören sie mit unserer vereinten Energie!"
 

Akira sah den anderen nach. Sah, wie sie den Kampf gegen die Wachen aufnahmen. Und sah zu der SeedQueen, die nun vor ihm landete. "Sie rennen in ihr Verderben. Sie sind zu schwach, um Metallia zu vernichten. Stattdessen wird sie sich die Lebensenergie einverleiben und sie alle töten." Armageddon lächelte Akira beinahe freundlich an. "Da werde ich aber viel zu tun haben. Weißt du, ich reguliere ihren Energiefluss. Ohne diese Unterstützung wäre sie nämlich schon längst vergangen." Ihr Lächeln wurde hart und grausam. "Nicht das du lange genug leben wirst, um mit dieser Information etwas anfangen zu können, Akira Torah..."

**

Mamoru fühlte, wie ihn etwas Schweres, Heißes in der Seite traf. Er wirbelte herum, schlug mit seinem Spazierstock zu, und ließ die Energielanze in tausend Fragmente zerbrechen.

"TUXEDO!", rief Venus aufgeregt, stellte sich schützend vor ihn.

"Herr!" Jedithe sprang ebenfalls hinzu.

"Verdammt", murmelte Mamoru ernst. "Ich bin wohl zu schwach für diese Schlacht. Und wir kommen Metallia kaum näher. Verdammt."

"Wir schaffen es! Wir dürfen nur nicht aufgeben! Die anderen zählen auf uns!" Uranus schlug eine Bresche in die Reihen der Verteidiger. "Wir schaffen es!"

Dies war einen Augenblick, bevor die Dunkelheit nach ihnen griff.
 

Für einen Moment war Mamoru irritiert. Er schwebte in absoluter Schwärze, konnte lediglich seine eigenen Hände erkennen.

Dann traf ihn die Erkenntnis. Er befand sich in Metallia.

"So", erklang eine Stimme in seinem Kopf. "Du bist also das Licht der Erde."

Mamoru antwortete nicht.

"Wie schade, dass ich dich erst jetzt aufnehmen konnte. Hätte ich es damals schon getan, dann hätte ich nicht nur diese Welt vernichten können. Ich hätte auch meinen Herrn Echitron besiegt und wäre selbst Herrscher des Seelenschiffs geworden. Aber nun, wo du in mir bist, Licht der Erde..."

Ein Furchterregender Schrei erklang. Mamoru erkannte die Stimme nicht, sie schien keinem der ihren zu gehören. Aber er wusste, mit schmerzhafter Intensität, dass gerade ein Leben genommen worden war. Auch wenn er nichts sah, so erkannte er doch, dass die Präsenz Metallias ein wenig zugenommen hatte.

"Du frisst uns", stellte Mamoru fest. Er erntete schallendes Gelächter. "Ja, ich fresse euch. Einen nach dem anderen. Ich sauge euch aus, füge euch meiner Kraft hinzu. Und wenn ich dich aufnehme, wird mich nichts mehr aufhalten. Ich werde diese Welt in mir aufnehmen und das Seelenschiff erobern. Sei dankbar, das du ein Teil davon sein darfst, Licht der Erde."

"Eine Falle", hauchte Mamoru niedergeschlagen. "Schon wieder eine Falle."

Was war das für ein Leben, da er führte? Als Student wiedergeboren, die Eltern früh verloren, gefangen in dem irrwitzigen Glauben, den Silberkristall finden zu müssen und mit der Macht ausgestattet, Tuxedo Mask zu werden. SailorMoon zu treffen, im Kampf gegen das Königreich des Dunklen, gegen vier Gegner antreten, das war sein Leben gewesen.

Bis ihn die Erkenntnis ereilte schon einmal gelebt zu haben. Nur wiedergeboren zu sein. Die vier Feinde, die unter Berylls Kommando angegriffen hatten, die SailorMoon und die anderen attackiert hatten, waren im alten Leben seine Freunde, Vertrauten, Kameraden, Gefolgsleute gewesen. Sie zu verlieren schmerzte ihn. Nur Jedithe existierte noch. Lediglich Jedithe.

Wie passend, dass er nun mit seinem Herrn und Freund starb.

Das war es dann wohl für den Studenten, der sich zum maskierten Smoking gemacht hatte. Der einstmals Prinz der Erde gewesen war. Dutzende Gefahren hatte er überstanden. Sogar gezwungen worden, die SailorKrieger zu attackieren, als er unter Berylls Bann gestanden hatte und...

Licht glomm vor ihm auf, zaghaft, klein und unendlich kostbar. Als er unter Berylls Bann gestanden hatte und Endymion geworden war. Endymion, das Licht der Erde.

Das Licht wurde ein wenig größer.
 

Jedithe spürte die ihn umschließende Kälte. Sie war schlimmer als die Finsternis, denn vor der Kälte hatte er sich immer gefürchtet. Und ehrlich gesagt, als er im Kristall gefangen gewesen war, war es auch nicht gerade wirklich warm gewesen. Bröckchenweise tropften Erinnerungen in seine Gedanken. Die Zeiten auf der Erde, am Hofe Endymions. Dann die lange Zeit der Dunkelheit, aus der Beryll ihn geweckt hatte. Die Kämpfe gegen die SailorKrieger, seine erneute Zeit in Dunkelheit und Kälte.

Danach die Wiedergeburt, als sein Gefängnis zerbrochen war. Und die Erkenntnis, dass er nun vollenden konnte, was Beryll für Metallia angefangen hatte.

Doch war es wirklich das, was er gewollt hatte? Er hatte es immer in Zweifel gestellt, sich von diesen Zweifeln aber nicht leiten lassen. De Erinnerungen, die wahren Erinnerungen an seine Zeit an der Seite Endymions erschienen ihm so verlockend, so einfach. So wichtig.

Die Erinnerungen an die anderen, Kunzite, Zoisite und Nephrite, seine Kameraden und Freunde. Die Shitenno, Diener und Begleiter seines Herrn.

Er war nur einer von vieren, aber nun war er alles, was seinem Herrn von ihnen geblieben war. Er würde in ihrem Sinne handeln. Das war er ihnen schuldig. Das musste er tun, um wenigstens einen Teil der Schuld wieder fort zu waschen, den er auf sich geladen hatte.

Vor ihm glommen drei kleine Lichter, die schnell größer wurden, bis sie zu schattenhaften Bildern wurden. Eine Hand streckte sich ihm entgegen. "Zoisite", erkannte Jedithe erstaunt.

Eine weitere kam hinzu, sie gehörte Kunzite. War das ein Traum? Eine Vision?

Aber wenn es eine war, warum jetzt?

Als auch noch Nephrites Hand dazu kam, streckte Jedithe die Hand nach ihnen aus. Zwischen ihren Fingern begann ein Licht zu glimmen, das schnell größer wurde.

"Du wirst jetzt unseren Herrn beschützen", sagte Kunzite mit fester Stimme.

"Wir verlassen uns auf dich", fügte Zoisite hinzu.

"Und wir geben dir unsere Kraft. Noch einmal wird dieses Monstrum nicht siegen", fügte Nephrite hinzu. Dies war der Moment, in dem das Licht wie eine Flut über Jedithe hinweg schoss.
 

Uranus schwebte in der Leere, verlassen, alleine. Es war all das, was sie nie gewollte hatte, was sie nie hatte ertragen wollen. "Michiru?", rief sie.

Verzweifelt ließ sie den Kopf sinken. Ihr Blick ging in sich, in ihre Erinnerungen. An die Zeit, als sie sich gegen all das stemmte, was brave Mädchen tun sollten und mussten. Als sie meinte, aus Trotz reagieren zu müssen. Bis sie erkannte, dass es nur ihr wahrer Charakter, ihre wahren Interessen gewesen waren, die sie Rennen fahren ließ, als SailorKrieger an der Seite der anderen zu kämpfen.

Sie erinnerte sich auch an das vorige Leben. Als sie und Neptun auf die Erde gekommen waren, nach der Niederlage, der Vernichtung des SilverMilleniums.

Die vereinigten Armeen der Erde und des Mondes hatten gegen Dämonen gekämpft, stand gehalten, ganze Reiche vernichtet und andere erschaffen, alleine in dem Bestreben, die tausenden Jahre, die zuvor gewesen waren, nicht umsonst gewesen zu sein. Das Licht des Wissens zu erhalten.

Jeder kleine Fürst auf der Erde hatte seine Zeit gekommen gesehen, hatte fortgeworfen, was er an dünner Tünche an Zivilisation gehabt hatte. Sich selbst bereichern wollen, und gehofft, dass die Armeen des Mondes fern waren. Doch das die Armeen vom Leid der Menschen angezogen wurden wie Motten vom Licht hatten sie nicht ahnen können.

Trotz der Bedrohung durch die Dämonen. Trotz der schweren Verluste, die sie in jeder Schlacht erlitten.

"Michiru", hauchte Uranus leise, als sie sich an eine Schlacht erinnerte. Sie war Seite an Seite mit Neptun gewesen, zusammen mit den drei Generälen. Einer von ihnen schon lange blind, aber zu störrisch, um den Kampf aufzugeben, die anderen beiden heldenhaft und stoisch, als es darum ging, das Licht der Zivilisation zu bewahren, als der menschliche Königshof bereits ebenso vernichtet worden war wie das SilverMillenium.

Doch mit Neptun an ihrer Seite fürchtete sie nichts. Rein gar nichts. Sie hatte sich sogar, ein Leben später darauf eingelassen, zusammen mit Michiru ihr Leben zu riskieren, nur um Galaxia hintergehen und Usagi retten zu können. Ja, mit Michiru...

Eine sanfte Hand ergriff die ihre, drückte sie. Ein sanftes Licht ging davon aus. "Michiru", hauchte Haruka in jäher Erkenntnis. Das Licht glomm auf und sie konnte die Freundin erkennen.

"Es ist noch nicht vorbei. Noch leben wir", sagte Neptun ernst.

Freudig nickte Haruka. Und das Licht wuchs.
 

Einst war Minako die stärkste der fünf SailorKrieger gewesen. Sie war es gewesen, die die genauesten Erinnerungen an das frühere Leben gehabt hatte. Und sie war es gewesen, die ihre Freundinnen wann immer sie konnte beschützt hatte - auch vor deren Erwachen.

Doch für diesen Moment, diesen finsteren Moment war sie zu schwach.

Warum hatte sie dieses Leben gelebt? Warum Leibwache der Prinzessin, geschlagen und fast vernichtet im früheren Leben? Warum wiedererweckt als SailorV? Warum wurde sie später Venus? Die Schlachten, die sie durchlitten hatte, die sie alle durchlitten hatten, was waren sie wert? Jetzt, wo die Dunkelheit sie umfing, wo das Ende greifbar vor ihr hing, sie in jedem Moment spürte, wie Metallia an ihrer Substanz knabberte, sie auslaugte?

War denn alles umsonst gewesen?

"Das darfst du nicht denken, Minako", erklang eine Stimme in der Finsternis.

Venus sah auf. Von woher kam diese Stimme?

"Denn wenn du das denkst, dann bedeutet das, dass auch die ganze Zeit mit deinen Freunden nichts wert gewesen ist. Und das es sich auch nicht lohnt, für eine Zukunft zu kämpfen."

Vor ihr in der Dunkelheit glühte schwach ein Sichelmond. Sie griff danach, ertastete weiches Fell. "Artemis", hauchte sie.

"Ich war fast immer an deiner Seite. Und ich werde es auch in Zukunft sein. Denn wir sind eine Gemeinschaft, die schon Schlimmeres überstanden hat", sagte der Kater und sah Minako aus großen Augen an. "Wir werden auch das schaffen. Und genau das ist der Sinn unserer Leben. Füreinander einstehen. Und die Welt retten."

"Und die Welt retten", bestätigte Minako und blinzelte die Freudentränen weg.

Jede einzelne leuchtete auf, während sie in die Finsternis fiel.

"Venus!", erklang eine Stimme unter ihr. Minako sah herab, erkannte ein anderes Licht. Sie strebte, den Kater im Arm, darauf zu. "Pluto?"

"Venus!" Eine behandschuhte, schlanke Hand streckte sich ihr entgegen. Sie griff danach und zog die Wächterin der Zeit zu sich heran. "Pluto!"

An der anderen Hand hielt die Wächterin Targetia. "Na, das ist ja kein schlechter Anfang!", sagte die von DemonSeed besessene Generälin. "Lasst uns die anderen finden und dann treten wir Metallia tüchtig in den..." Sie sah auf, blinzelte in die Ferne. "Da ist mein Herr! Da ist Jedithe! JEDITHE!"
 

Mamoru sah auf, als er in der Ferne die Lichter treiben sah. Sie sammelten sich. Ja, es gab keinen Zweifel. Die SailorKrieger und ihre Verbündeten sammelten sich. Doch was hatte es noch für einen Sinn? Er spürte, wie Tuxedo Mask, seinem zweiten Ich mehr und mehr Substanz ausgezogen wurde. Spürte, wie er schläfrig wurde. Das Licht in seinen Händen schrumpfte.

"Du begehst einen Fehler, Mamoru", erklang neben ihm eine Stimme.

Er wandte den Kopf, sah ein Licht, ganz nahe bei ihm. "Motoki."

Der Freund schwebte heran. Er griff nach Tuxedos Maske, riss sie herunter. "Das hier ist nicht dein wahres Ich. Es ist - nun - eine Verkleidung. Welche Macht hast du, wenn du dich versteckst?" Motoki senkte den Blick. "Sieh mich an. Nie hätte ich gedacht, schon einmal gelebt zu haben. Nie hätte ich geglaubt, mich einmal an Schlachten zu erinnern, die mir so viel Angst machen, dass ich tagelang nicht schlafen kann. Nie hätte ich gedacht, mich elender fühlen zu können als an dem Tag, als meine Freundin mich anrief und sagte, sie wolle für immer in Europa bleiben. Doch ich bin nicht daran zerbrochen. Ich bin daran gewachsen. Und ich wachse noch weiter. Ich bin Motoki Furohata, Student. Aber ich bin auch Gyes, General des Mondes. Und zwischen diesen beiden Existenzen gibt es eine Verbindung. Das sind meine Freunde. Und der Wille, diese Welt zu retten. Gemeinsam mit dir, Mamoru. Gemeinsam mit den anderen." Seine Hand deutete in die Ferne. "Die Lichter. Sie sammeln sich. Sie sind bereit bis zuletzt zu kämpfen. Bist du das auch?"

"Also Txuedo Mask schaffe ich das nicht", warf Mamoru ein.

Motoki ergriff den Zylinder und warf ihn ins Nichts. "Dann gib diese Verkleidung auf. Sei endlich Endymion! Mit Herz und Seele!"

Die beiden tauschten einen langen Blick aus.

Schließlich seufzte Mamoru. "Und ich dachte immer, nur Akira kann einem so auf die Nerven gehen."

"Von ihm habe ich es ja auch gelernt", kommentierte Motoki amüsiert.

Er glomm auf, wurde umfasst von Energien in Dutzenden Farben. Sekunden darauf trug er wie Akira eine Rüstung ohne Helm, wie die Palastwache sie einst getragen hatte. "Wir kämpfen hier mit allem, was wir haben."

"Ich habe verstanden", hauchte Mamoru. Seine Verkleidung als Tuxedo Mask verschwand. Stattdessen erschien Endymion, bereit für die entscheidende Schlacht.

"Ihr alle", hauchte er, "leiht mir eure Kraft."

**

Verwirrt sah sich die SeedQueen um. "Warum fliehen die Leute?"

Akiras dämonisch blitzenden Augen funkelten rubinrot. "Kannst du es denn nicht spüren? Als Metallia das Licht der Erde und die anderen aufgesaugt hat, da hat sie sich selbst den schlechtesten Dienst erwiesen. Sie hat einige der mächtigsten Wesen in sich aufgenommen. Und diese Wesen kämpfen gerade. Sie werden siegen, das spüren die Soldaten des Seelenschiffs. Deshalb verschwinden sie hier, um nicht bei Metallias Vernichtung getötet zu werden."

"Unsinn. Nichts kann Metallia töten!", rief Armageddon, sprang fort.

Akira folgte ihr. "Warum hast du es dann so eilig?"

"Ich... Wir stören Metallia nur mit unserem Kampf."

"Du hast Angst", stellte Akira befriedigt fest. "Angst davor zu sterben!"

Die SeedQueen machte eine schnelle Bewegung mit der rechten Hand, kurz darauf steckten Dutzende rasiermesserscharfe Eiskristalle dort in dem Boden, wo Akira gerade noch gestanden hatte. Nun war er hinter ihr.

"D-du kannst mich nicht besiegen! Du kannst mich nicht extrahieren! Niemand kann das! Wir haben gelernt und dagegen vorgesorgt, dass du SailorMerkur rettest!", rief die SeedQueen entsetzt und sprang erneut davon.

"Akira könnte das sicher nicht. Aber Tsunami kann es", stellte Akira zufrieden fest. "Als ich SailorMerkur von der SeedQueen befreit habe, gelang es mir nicht sie zu vernichten. Sie verlor den größten Teil ihrer Substanz. Sie kämpfte um ihr Leben, tötete mich fast dabei. Tagelang war ich mehr tot als lebendig. Ich bin Tsunami die ganze Zeit nie losgeworden. Sie steckt noch immer in mir, aber sie beherrscht mich nicht."

Akiras Haare richteten sich auf wie unter einem starken Wind. Er starrte Armageddon mit seinen roten Augen an, bis sie seinem Blick auswich.

"Du kannst mich nicht extrahieren! Du kannst sie nicht retten! Du kannst nichts tun!" Wieder sprang die SeedQueen fort, Richtung Ausgang. Aber Akira war schneller, ergriff sie. "Eines kann ich tun. Wenn sie nie wieder sie selbst sein kann, wenn sie nie wieder der Mensch sein kann, den ich liebe... Dann kann ich dafür sorgen, dass ihr Körper hier in dieser Kaverne bleibt. Dann kann ich hier zusammen mit ihr sterben."

"Nein. Nein! NEIN!"

Hinter ihnen begann Metallia aufzuglühen. Aus rotem Licht wurde weißes, das sie blendete, sie umspülte. Ein Heulen, unnatürlich und schrill erklang. Es zerrte an ihren Nerven, an ihrem Verstand.

"Akira", hauchte die SeedQueen.

"Ich bin bei dir", antwortete er. Dann folgte ein noch grelleres Licht.

**

Pyramon lieferte sich einen erbitterten Kampf mit seinen ehemaligen Kameraden. Normalerweise waren sie ihm nicht gewachsen, aber zu zweit, zudem unterstützt von weiteren Kriegern wurde es schon schwierig für ihn. Aber egal, er musste die Brücke erreichen! Er musste seinen Platz als Navigator einnehmen. Er musste kämpfen, um die Erde und um sein Volk!

"Dieser Kampf ist unnötig!", rief er. "Die ganze Reise ist unnötig! Galaxia wurde befriedet!"

"Was geht das uns an?", rief Gaion. "Ich befolge nur Befehle. Und einer von ihnen lautet, den Verräter zu töten! Also halte doch bitte an und stirb, ja?"

"Idiot!", blaffte Pyramon, trat nach ihm und warf ihn gegen die nächste Wand.

Aelion nutzte diesen Moment für einen halbherzigen Angriff. "Ist es wahr? Ist es wirklich wahr?"

"Das Licht der Erde hat es gesagt. Und ich glaube ihm."

"Das Licht der Erde würde alles sagen, um diese Welt zu retten!"

"Richtig. Warum glaube ich ihm dennoch?"

"Weil du der Flucht müde bist!" Aelion senkte den Blick. "Wie die meisten von uns."

"Lass dich nicht einlullen!" Gaion war wieder heran, stieß nach Pyramon, doch dieser wich aus. "Ohne die Reise ist unsere ganze Existenz hinfällig. Ohne die Reise sind wir..."

"Normal? Keine Piraten mehr?", half Pyramon aus. "Endlich am Ziel?"

"Schweig, verdammt! Schweig!", blaffte Gaion, trat nach dem Navigator, erwischte ihn aber nicht.

Der huschte weiter, trat in einen großen, weiten Raum. In Front glomm verheißungsvoll die weiße Kugel der Erde, ächzend unter dem Eis, dem Tod näher als dem Leben.

"Ich weiß, welches Schicksal ich wählen will. Welches wollt Ihr?"

Aelion hielt die anderen Soldaten zurück. "Bist du dir sicher?"

"Hör nicht auf ihn, verdammt! Hör nicht auf ihn!"

"Ich bin mir sicher. Sicher genug, um gegen Echitron zu kämpfen."

Eine Erschütterung zog sich durch das Schiff. Es verließ seinen Kurs, begann zu taumeln.

Aelion dachte kurz nach. "Dann geh auf deinen Platz, Navigator. Und nenn mir den Kurs."

Erleichtert atmete Pyramon aus. "Wir nehmen Kurs auf den Mond. Das ist kürzer und wir werden eine Landung schaffen. Es gibt dort eine Zone mit normaler Schwerkraft und atembarer Luft."

"Macht doch, was Ihr wollt!", blaffte Gaion wütend. Ohne den Navigator, das wusste er, würde das Schiff nach der Explosion nur noch einer Zustandsform entgegen fahren - als tiefer Einschlagskrater auf der Erde.

Leise befahl Pyramon die ersten Kurskorrekturen.

**

Als Hotaru ihre furchtbare Klinge niederfahren ließ, erzitterte der gesamte Maschinenraum. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedachte, dass er aus einem riesigen Kristall bestand, der all die Lebensenergie speicherte, mit der das Seelenschiff von Welt zu Welt flog.

"Wieder einer weniger!", rief sie zu den anderen herüber.

"Wir schaffen es!", erwiderte Tulip, während sie einen Angriff auf SailorMoon abblockte.

Rei sprang hinzu, verstärkte den Schutz. "Das ich mal Seite an Seite mit dem Feind kämpfen würde...", murmelte sie.

"Das gleiche gilt für mich", erwiderte Tulip amüsiert.

Yuuichiro, der den Haupteingang verteidigte, sah herüber. "Hört auf herumzuspielen! Ich kann mich nicht mehr lange halten! Vernichtet endlich den Antrieb!"

"Wie? Schlau reden kann ich auch!", erwiderte SailorMoon.

Rose, die nur halbherzig kämpfen konnte, weil ihre Wunden noch immer nicht verheilt waren, kam an Usagis Seite. "Einen Weg gibt es. Aber den kann nur die Mondprinzessin beschreiten. Keiner sonst wäre in der Lage, all die freiwerdenden Energien aufzunehmen."

"Wovon sprichst du, Rose?", fragte Tulip hektisch, während sie selbst zum Angriff überging.

"Prinzessin Serenity sollte in der Lage sein, dem Kristall soviel Energie zu entziehen, damit der Antrieb kollabiert."

"Machbar!", rief Luna. "Aber dafür muß SailorMoon vollkommen ungestört sein! Kommt alle her! Bildet einen Schild um sie! Saturn, schlage eine Bresche in den Kristall!"

"Verstanden!"

Yuuichiro verließ seinen Platz, sprang auf SailorMoons Position. Rei kam ebenfalls hinzu, ebenfalls Makoto. Mit Tulip waren sie vollständig. Unter Lunas Anweisung wurde ein Schild geschaffen. Der Nachteil dieser Methode war, dass nun die Angreifer ungehindert in den Maschinenraum strömen konnten. Der Schild wurde bald Dutzendfach attackiert.

"Beeil dich, Saturn!"

Die Kriegerin ließ sich das nicht zweimal sagen. Ihre furchtbare Klinge sauste nieder, schnitt tief in den Kristall, spaltete ihn auf. Dann sprang sie zurück und verstärkte den Schutz Usagis. "Jetzt, SailorMoon."

Der Blondschopf nickte ernst.
 

Erschrocken keuchten die anderen auf, als sich SailorMoon in die Prinzessin verwandelte. Eine Ruhe und Selbstsicherheit ging von ihr aus, die niemanden unberührt ließ, nicht einmal die Gegner.

Als die Prinzessin ihre Augen öffnete, trug sie das Sichelmondzepter mit dem Silberkristall in der Hand. Die purste und einfachste Form ihrer Macht.

Dann schlug, wie ein Überschlagsblitz, ein Strom reinweißer Energie vom riesigen Kristall zu Serenity herüber.

"Es klappt!", rief Tulip erfreut. "Und was passiert dann?"

Rose räusperte sich. "Wenn der Kristall weit genug entladen ist, dann wird er in einer Explosion vergehen."

"Das hättest du früher sagen sollen", tadelte Makoto.
 

Der riesige Kristall reagierte. Überschlagsenergien zuckten von einer Seite zur anderen. Risse bildeten sich, kleine Erker entstanden, von deren Spitzen Seelenenergie hin und her schlug. Und der Spalt dehnte sich weiter aus, so wie die Seelenenergie immer stärker in den Silberkristall schoss.

"Wir müssen also rechtzeitig abhauen, ja?", fragte Yuuichiro nach. "Und wann?"

"Am besten wäre... JETZT!"

Yuuichiro und Makoto tauschten einen stummen Blick aus, dann griffen sie zu, zogen die Freunde an sich und eilten auf den Ausgang zu.

Als sie tiefer im Gang waren, erklang hinter ihnen eine Detonation. Ein Sicherheitsschott glitt hinter ihnen zu, aber unter der Wucht des Explosionsdrucks beulte es sich aus. Doch es hielt stand.

Yuuichiro ließ sich müde zu Boden sinken. "Das hat Spaß gemacht. Was tun wir jetzt?"

Wieder meldete sich Rose. "Jetzt müssen wir darauf hoffen, dass die anderen Metallia vernichten. Und dann muß die Prinzessin die Eisschicht fort schmelzen, um alle zu retten."

"Mir kommt da gerade ein übler Gedanke. Was ist wenn das Feld die Menschen einfach zerdrückt, auch ohne das Metallia es speist? Auch ohne das Metallia die freiwerdende Energie ernten kann?"

"Probieren wir das besser nicht in der Realität aus", kommentierte Yuuichiro. "Jupiter, Mars, Saturn, Luna. Ihr und die Prinzessin müsst nun gehen. Wir halten euch den Rücken frei, solange es geht. Die SailorKrieger müssen ihre Energie geben, um die Erde zu retten."

Die drei Frauen nickten. Luna sprang Usagi auf die Arme.

Kurz hielt Yuuichiro Rei zurück. "Mars. Komm bitte wieder. Ohne dich, da..."

Rei lächelte sanft, ergriff Yuuichiros Hand. "Natürlich komme ich wieder. Versprochen."

Dennoch war es wie eine endgültige Geste des Abschieds, als sie die Hand des jungen Mannes wieder fahren ließ.

**

Gehetzt sah sich Echitron um. Seit einiger Zeit schon bekämpfte er den ehemaligen König des SilverMilleniums. Und obwohl er an Kraft zugewonnen hatte, tausende Jahre Zeit gehabt hatte besser zu werden, konnte er Ikakles nicht besiegen.

"Warum?", rief er. "Warum bist du so stark?"

Der Boden unter ihnen erbebte, als der Maschinenraum vernichtet wurde. Deutlich war zu spüren, wie das Schiff zur Seite gierte.

Ikakles bedachte den Kapitän mit einem nervenaufreibenden Blick. "Das ist mein Geheimnis, Kapitän."

Echitron starrte ihn hasserfüllt an. "Du. Du und deine Brut! Ihr wagt es, mein Schiff zu beschädigen? Ihr wagt es, mir zu widerstehen? Wenn ich eure Seelenenergie nicht ernten kann, dann soll sie niemand haben! Ich werde den Mond vernichten und auf die Erde schleudern. Danach ist auch für euch alles vorbei!"

Ikakles nickte leicht. "Das würdest du tun. Nein, das ist falsch formuliert. Das kannst du tun, oder?" Er seufzte schwer. "Ich werde das verhindern. Weißt du, warum ich dir überlegen bin, Echitron? Weißt du, warum ich dich einholen konnte? Diese Welt ist jetzt in guten Händen. In sehr guten Händen. Ich werde nicht mehr gebraucht. Darum kann ich von meiner Substanz zehren, während ich dich bekämpfe. Du bist alt, verblendet und fanatisch. Niemand braucht dich in dieser Zeit. Auch wenn es mein Leben kostet. Ich werde dich vernichten."

"D-das kannst du nicht! Das hast du schon einmal nicht getan! Wieso sollte es dir diesmal leichter fallen?"

"Damals dachte ich noch, dass meine Frau auf mich warten würde. Fünftausend Jahre ohne sie erschienen mir erträglich, wenn ich sie nur wieder in die Arme schließen könnte. Deine Youmas haben mir das genommen."

Der Sichelmond auf seiner Stirn glomm hellweiß auf. "Darum stirb!"
 

Der ganze Raum wurde in Helligkeit gehüllt. Wer es nicht mehr rechtzeitig hinaus schaffte, zerfiel zu purer Energie. Echitron leistete erbitterten Widerstand, aber plötzlich fühlte er sich... So leicht. So gelöst. Er spürte die Last seines Amtes nicht mehr, stattdessen fühlte er sich, als wäre eine unendliche Last von ihm genommen. Ernst, ja geradezu kritisch betrachtete er seine Handlungen der letzten Jahrtausende. Abscheu schüttelte ihn. Das hatte er getan? Dazu hatte er sich hinreißen lassen? In was für eine Zukunft hatte er sein Volk nur geführt?

"Es ist gut, Echitron", sagte eine sanfte Frauenstimme hinter ihm. "Du hast dein Volk bis hierher gebracht. Überlass es Pyramon, sie noch weiter in die Zukunft zu führen. In eine glückliche Zeit."

Der Kapitän fuhr herum. Bei dem Anblick der Königin des Mondes erstarrte er.

Die weißhaarige Frau legte ihm eine Hand auf die Wange. "Ich hasse dich nicht. Niemand hasst dich. Es gibt keinen, der dir den Frieden vergönnt, der auf dich wartet. Geh, Echitron, geh nach Hause."

Der Kapitän begriff. Er starb nicht. Nein, er war etwas anderes geworden. Schwach und doch mächtig. Gelöst und doch in sich gestärkt.

In der Ferne glomm ein Stern auf. "Geh nach Hause", wiederholte er.

Er dankte der Königin mit einem Blick voller Freude. Dann machte er sich auf den langen Weg zurück.
 

10.

Von hier oben sieht die Erde so schön aus, dachte Usagi, als sie über der Erdkugel schwebte. Sie sah die abertausenden Tonnen an Eis, welche die Erde bedeckten, erkannte die vergehenden Lebensfunken der Menschen, Tiere und Pflanzen. Und sie sah ihre Verantwortung.

Kann ich das? Kann ich das wirklich?, fragte sie sich in Gedanken.

"Zweifle nicht an dir, Usagi", hörte sie Tuxedo Masks Stimme raunen. "Haruka, Michiru, Setsuna und Minako sind hier, hier am Nordpol und leihen dir ihre Kraft."

"Usagi", raunte eine andere Stimme. "Wir haben dich soweit gebracht. So weit getragen. Du bist an dem Punkt, der alles entscheidet. Du hast noch nie versagt. Du wirst es auch jetzt nicht."

"Rei", hauchte sie. "Rei."

"Makoto und Hotaru sind immer noch bei mir. Wir halten uns bei den Händen und unterstützen dich. Du wirst dieses Netz vernichten. Du wirst die Leben der Menschen retten. Nur du kannst es. Und ich weiß, dass du es schaffst."

"Sie haben Recht", klang die Stimme Motokis auf. "Wir alle glauben an dich."

"Wir stehen zu dir. Du kannst es." Yuuichiros Stimme klang so voller Zuversicht, voller Vertrauen.

"Du kannst es, Prinzessin!", hörte sie Jedithe rufen.

"Ja, du kannst es!", rief Rose, und Targetia und Tulip fielen ein.

In diesem Moment spürte Usagi etwas unter dem Eis. Einen Funken, eine Resonanz.

Sie spürte ihm nach, erkannte eine Präsenz, der sie schon einmal begegnet war. Es war Chrysanthia, die noch immer in einem Krankenhaus in Tokio lag.

"Du kannst es, Mondprinzessin. Du schaffst es. Du bist nicht alleine. Eine ganze Welt hilft dir."

Neben dem Licht von Targetia glomm ein weiteres auf. Es kam von einem Platz in Tokio, der als einer jener Orte gegolten hatte, an denen Crystal Tokio einst entstehen sollte. Eine Stimme, dann zwei, ein Dutzend, einhundert und mehr sprachen zu ihr, ermunterten sie.

Ein andere Ort kam dazu, eine Eisbahn, in der die Menschen immer viel Spaß gehabt hatten und der nun vor positiven Gefühlen beinahe überfloss.

Orte wie diese gab es Dutzende, hunderte in Tokio, und etliche weitere in anderen Städten.

Bald waren es hundert Orte und zehntausende Stimmen. Dann zweihundert und hunderttausend Stimmen.

Von überall her kamen sie, Rom, Berlin, New York, Shanghai, Kapstadt, Paris, Sidney, Bombay, Moskau, Istanbul, Madrid, Kairo, Beirut und Hunderten weiteren Städten.
 

Die Mondprinzessin umfasste ihr Zepter fester. "Danke", hauchte sie. "Danke euch allen. Ich kann nun mein bestes geben."

Tränen rannen ihre Wangen hinab. Denn sie hatte sehr wohl bemerkt, dass zwei Stimmen gefehlt hatten. Zwei Stimmen, die ihr viel bedeuteten. "Das ist für euch, Ami und Akira. Für euch."

Sie hob das Zepter über ihren Kopf, ein Gefühl der Freude überschwemmte sie. Dann erschuf sie eine Welle aus purer Energie, welche über die Welt hinweg floss und ihr Glück zu jedem Lebewesen trug.

Pure Freude entstand, für einen winzigen Moment, doch blieb er fortan immer im Herzen der Menschen. Das zweite SilverMillenium entstand in diesem Moment...

Epilog

Motoki blinzelte in die Morgensonne. Es versprach ein heißer Tag zu werden. Unwillkürlich empfand er tiefe Dankbarkeit dafür, dass er einen solchen Tag erleben durfte, weil SailorMoon diese Welt gerettet hatte. Und tiefe Demut dafür, bei dieser Rettung ein Teil gewesen zu sein.

"Ist es wirklich schon drei Monate her?", murmelte er leise.

Yuuichiro, der in den letzten Wochen viel freie Zeit mit Motoki verbracht hatte, nickte leicht. "Drei Monate und fünf Tage, seit SailorMoon die Welt gerettet hat."

Die beiden ehemaligen Generäle sahen sich kurz an. "Ich kann es immer noch nicht so recht glauben. Wie Pyramon vor die Menschen aus dem Seelenschiff getreten ist und ihnen verkündet hat, dass ihre lange Flucht zu Ende ist. Dass Galaxia befriedet wurde. Das sie nun auf dem Mond eine neue Heimat aufbauen könnten."

"Mich wundert, dass sie all das so bereitwillig angenommen haben", murrte Yuuichiro. "Ich meine, sie haben Jahrtausende als Piraten gelebt."

"Sie waren müde. Sie waren alle müde. Und die Jüngeren kannten gar nichts anderes als das Schiff und Echitrons Befehle. Irgendwann mussten sie ja mal zur Ruhe kommen."

"Echitron war der Schlüssel, oder? Als Serenitys Vater sich geopfert hat, um ihn zu vernichten, hat er genau das Richtige getan. Er hat sie alle befreit. Und das SilverMillenium neu belebt. Nun, zumindest das Baugrundstück."

Motoki grinste schief. "Mamoru war neulich da. Solltest auch mal hoch gehen. Die Piraten, ach nein, sie wollen ja Millenier genannt werden, nun, sie haben da oben schon echt was gerissen. Die ersten Bauten stehen, Gärten gedeihen. Und viele besuchen auch gerne mal die Erde."

"Noch so ein Ding", murmelte Yuuichiro. "Das sich die ganze Welt danach so sehr verändern würde... Das wir nun alle bestrebt sind, mehr und mehr zusammen zu wachsen... Wenn das so weiter geht, wird SailorMoon noch zur unumstrittenen Herrscherin der Welt ausgerufen."

Motoki lächelte wissend. "So weit wird es nicht kommen. Dazu ist Usagi viel zu faul. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Serenity als moralisches Vorbild, ja als Vorsteherin und Repräsentantin der Erde dienen kann. Mit Endymion an ihrer Seite... Das ist durchaus möglich.

Apropos Seite. Wie sieht es denn bei dir aus? Hast du jetzt jemanden, Leth?"

Yuuichiro wurde rot. "D-du zuerst. Wie läuft es denn mit dir und Jupiter, eh?"

"Makoto und ich kommen ganz gut miteinander aus", sagte Motoki widerstrebend. "Sie fürchtet ja immer noch, dass meine Ex-Freundin doch noch aus Europa zurück kommt und ich mich dann für sie entscheide." Wehmütig sah er in die Ferne. "Es ist hinterhältig, aber Liebe kann erlöschen. Und dann für einen anderen Menschen neu entflammen. Oder dieses Feuer für sie existierte schon immer, ich habe es nur nie gesehen." Er griff sich an die Brust. "Dieses Gefühl ist so stark. Kann es so lange verborgen gewesen sein?" Er seufzte aus tiefstem Herzen. Dann grinste er Yuuichiro an. "Jetzt du."

"Ach, weißt du, Rei hat ihren eigenen Kopf und ihren eigenen Weg, Dinge zu tun. Sie lässt sich da nicht dreinreden und ist auch logischen Argumenten nicht sehr zugänglich. Ich hatte also nicht wirklich eine Chance, als sie sich dazu entschlossen hat... Du siehst es ja an meinen Haaren. Der Kurzhaarschnitt war ihre erste Entscheidung, als wir zusammenkamen."

Motoki schmunzelte über die Kurzhaarfrisur, die der langen Haarpracht hatte weichen müssen. "Du hast dadurch gewonnen", versicherte er leise.

"Wie sieht es mit den anderen aus?", hakte Yuuichiro nach. "Mamoru und Usagi ist klar. Ein Traumpaar sondergleichen. Aber hast du was von den anderen gehört?"

"Nun, Haruka und Michiru dürften gerade im letzten Monat ihrer gemeinsamen Onsen-Tour durch Japan sein", murmelte er nachdenklich. "Und Setsuna hat wieder ihren Posten zwischen den Zeiten eingenommen. Aber es heißt, Pyramon hätte ihr neulich Blumen geschickt. Er sagt ja immer, man kann gar nicht genügend Herausforderungen haben im Leben."

"Die beiden? Hm, da hätte Setsuna ja endlich mal jemanden, der zeitlich mit ihr mithalten kann. Und sogar älter als sie ist. Was ist mit Minako?"

"Das glaubst du mir nie. Nachdem Jedithe einen vollen Monat um die anderen Shitenno getrauert hat... Na, jedenfalls ist sie ins Showbiz eingestiegen. Sie singt, und das ziemlich gut. Ihr Debüt kommt bald raus. Jedithe nennt sich jetzt Jed Smith und ist ihr Manager. Er sagt zwar immer, ein dunkles Königreich zu führen ist leichter als Minakos Termine auf dem Laufenden zu halten, aber ich denke, die beiden sind zufrieden. Sowohl mit der Arbeit als auch ihrer Beziehung."

"Hm. Was ist mit Hotaru?"

"Das ist schwierig. Weißt du, sie stammte nicht aus unserer Zeit, sondern ein paar Jahre aus der Zukunft. Sie ist wohl dorthin zurückgekehrt, nachdem ihre Aufgabe hier beendet war. Alles fügt sich letztendlich an seinen Platz.

Und bevor du fragst, Chrysantia, Tulip, Targetia und Rose haben sich vollkommen unterschiedlich entschieden. Chrysantia und Tulip haben sich von ihrer Seed gelöst, während Targetia und Tulip sie behalten haben. Sie führen vollkommen unterschiedliche Leben, aber ich habe was läuten hören, dass zwischen Tulip und Garalion was läuft."

"Du meinst Gaion?", fragte Yuuichiro nach.

"Nein, Garalion. So ein großer, muskulöser. Nicht der kleine Dicke."

"Ach so. Da waren mehrere?"

"Das ganze Schiff war voll. Und Rose soll angeblich total auf Aelion stehen, aber das halte ich für überzogen. Sie haben sich ja noch nicht mal geküsst."

Yuuichiro verharrte. "Äh, hast du eigentlich schon..."

"J-ja. Du und Rei nicht?"

"Doch, doch. Ist das jetzt gut oder schlecht?"

"Buchen wir es unter gut ab", beschloss Motoki.

"Bleibt noch unser letztes Paar." Yuuichiro senkte den Blick. "Ami und Akira."

Betreten sah Motoki zu Boden. "So wundervoll es ist, dass sie beide überlebt haben... Aber Akira wurde mehr tot als lebendig gefunden. Er hat Ami in der Explosion Metallias beschützt, bis er am Ende seiner Kräfte war. Keiner weiß, wie er es überhaupt überleben konnte."

"Und er hat einen hohen Preis dafür bezahlt."
 

"Wer hat einen hohen Preis bezahlt?"

Die beiden fuhren herum. "AKIRA! Erschrick uns nicht so. Wir wollten dich gerade abholen."

"Jungs, ich wurde schon vor einer Stunde aus dem Krankenhaus entlassen", erwiderte Akira grinsend und stieß die Krücke, die seinen linken Arm stützte, hart auf den Boden. "Unkraut vergeht eben nicht."

"Du hast dich schon ziemlich gut erholt, Junge", sagte Yuuichiro bewundernd.

"Ich habe eben einfach wieder mal Glück gehabt." Sein Blick ging in weite Fernen. "Ich muß in meinem letzten Leben viel Gutes getan haben."

Motoki tauschte einen viel sagenden Blick mit Yuuichiro aus.

"Akira!"

"Ja?" Er wandte sich der Stimme zu.

"Akira... san", fügte Ami Mizuno ängstlich hinzu, als der Blick Akiras freundlich, aber nichts sagend blieb.

"Moment, sag nichts. Hm, ich weiß es gleich. Du bist... Warte, eine Freundin von Usagi, oder? Rei, richtig? Nein, warte. Du bist Ami. Tut mir Leid, aber was immer mich da überfahren hat, es hat mich richtig übel erwischt. Eine Zeitlang konnte ich mich nicht mal an meinen Namen erinnern. Geschweige denn daran, welche Marke der Laster hatte, der mich ins Krankenhaus gebracht hat."

"Er hat einen Teil seines Gedächtnisses verloren", erklärte Motoki leise. "Die letzten fünf Monate fehlen fast komplett."

"Wenn ich diesen unvorsichtigen Lastwagenfahrer erwische. Auf dem Gehweg hat er mich erwischt, Yuuichiro?"

"Direkt auf dem Gehweg, mit über fünfzig Sachen", bestätigte der.

"Na, aber ich bin ja bald wieder in Ordnung." Akira zuckte mit den Achseln. "Was kann ich denn für dich tun, Ami?"

Die junge Frau starrte den weißhaarigen Mann lange Zeit an. Ihre klaren blauen Augen starrten in seine grünen, als wollten sie dahinter in die Seele ihres Gegenübers blicken.

Schließlich verneigte sie sich vor ihm. "Habe vielen herzlichen Dank, dass du mich... vor dem Laster gerettet hast. Und es tut mir Leid, das er stattdessen dich erwischt hat."

"So? Das ist passiert?" Akira lächelte. "Dann waren die Schmerzen ja nicht unnütz. Ich bin robust und halte was aus. Aber ich weiß nicht, ob du jetzt noch ein Leben hättest."

"Ja", hauchte sie. "Ein Leben habe ich." Wieder verneigte sie sich und lief davon.
 

Motoki knuffte den Freund gegen die Schulter. Mehrmals. "Du Arsch! Du Idiot! Selbstgefälliger Trottel! Warum mache ich da nur mit? Warum nur? Und du, Yuuichiro? Sag doch auch mal was!"

"Ich finde Akiras Erklärung einleuchtend. Als sie beide von der Explosion Metallias eingefangen waren, haben sich die SeedQueens aus ihrer beiden Körper gelöst, um zu fliehen. Sie vergingen in der Explosion. Und Akira gab sein Bestes, um Ami zu beschützen."

"Genau. Und deswegen meine ich doch, dass..."

Akira winkte ab. "Genau deswegen nicht. Damals im SilverMillenium habe ich sie geliebt. Hier, in Tokio, da..." Er ließ den Kopf hängen. "Liebe ich sie auch. Deshalb denke ich, dass sie ein glückliches Leben führen soll. Ohne mich. Ich meine, wenn wir nun zusammen kommen, warum dann? Doch nur, weil ich ihr das Leben gerettet habe, oder? Das kann es doch nicht sein. Irgendwann würde sie aufwachen, ihren Traum in Scherben sehen und mich hassen. Nein, lass mich lieber für sie jemand sein, der nicht mehr weiß, was er für sie getan hat. Dann kann sie dankbar sein, aber sie steht nicht unter dem Zwang, mich lieben zu müssen."

"Sie wäre es aber wert", betonte Motoki.

"Sie wäre alles wert", murmelte Akira. "Sie ist es sogar wert, sie gehen zu lassen."

Er wandte sich um. "Tut mir Leid, Jungs, ich will jetzt alleine sein."
 

Motoki und Yuuichiro sahen ihm nach. "Da geht er hin. Aber ist er nun ein großer Mann? Oder nur ein großer Trottel?"

"Etwas von beidem, schätze ich", erwiderte Motoki leise.

**

Akiras Weg hatte ihn an den Hafen geführt. Er stützte sich auf dem Geländer ab und starrte auf die Bucht hinaus. Vieles war geschehen. Zu viel.

Da waren immer noch zwei Leben in seinem Kopf, die noch immer um die Vorherrschaft kämpften. Und sein Verstand spielte einen Ringrichter, der sich von beiden Seiten hatte schmieren lassen und nun den Kampf einfach laufen ließ.

"Ich fand die Stelle mit dem Laster gut", erklang eine amüsierte Frauenstimme neben ihm. "Vor allem, wo du über die Marke spekuliert hast."

"Du hättest mich mal später hören sollen. Ich sagte: Wenn wir nun zusammen kommen, warum dann? Doch nur, weil ich ihr das Leben gerettet habe, oder? Das kann es doch nicht sein. Irgendwann würde sie aufwachen, ihren Traum in Scherben sehen und mich hassen. Nein, lass mich lieber für sie jemand sein, der nicht mehr weiß, was er für sie getan hat. Dann kann sie dankbar sein, aber sie steht nicht unter dem Zwang, mich lieben zu müssen."

Ein irritierter Blick traf Akira. "Du kämpfst wohl immer mit vollem Einsatz, was?"

Er schmunzelte und sah zu dem Mädchen neben ihm herüber. "Ich kann nicht diese Komödie spielen, wenn ich nicht sage, was ich auch wirklich fühle. Leth und Gyes kennen mich zu gut. Viel zu gut. Sie würden merken, wenn ich lüge. Und ich lüge ja nur, weil..."

Ami wurde rot. "Entschuldige bitte, dass ich das von dir verlange. Es ist nur so, dass... Ich bin an den Gedanken noch immer nicht gewöhnt. Ich meine, es kam alles so plötzlich über mich. Seit wir uns damals im Tempelhof unterhalten haben, da weiß ich, dass ich selbst gelogen habe. Ich habe mich selbst angelogen. Ich muß erst wirklich mit vollem Herzen verstehen und akzeptieren, dass..." Sie schluckte kurz. "Das ich dich liebe."

"Gut, dass du das schon vor dem Angriff auf Metallia herausgefunden hast", scherzte Akira. "Sonst könnte ich das so nicht akzeptieren."

Nachdenklich lehnte Ami ihren Kopf auf Akiras Schultern und sah zu ihm hoch. "So leicht wärst du mir nicht davon gekommen. Und auch darüber muß ich noch nachdenken. Verdiene ich dich überhaupt?"

"Es muß wohl eher heißen, verdiene ich dich", konterte er amüsiert und küsste ihre Stirn.

"Ein paar Wochen noch, bitte. Lass es uns noch ein paar Wochen verheimlichen. Wenn wir es dann den anderen sagen, dann..."

"Dann werden mir Yuuichiro, Mamoru und Motoki den Hals umdrehen wollen", erklärte Akira säuerlich.

"Hm. Dann hetze ich die Mädchen auf sie. Siehst du, Problem gelöst", sagte sie schnippisch.

"Ich kann dir einfach nichts abschlagen."

"Ich will dich um nichts bitten, was nicht wirklich wichtig ist."

Akira lehnte seine Stirn auf ihre. "Ich fühle mich, als hätte ich einen sehr langen Lauf endlich erfolgreich zu Ende gebracht. An diesem Punkt kann ich endlich in die Zukunft starten. Mit dir."

"Das hat du schön gesagt", flüsterte sie ergriffen. "Aber eine Sache liegt mir da noch auf dem Herzen. Du erinnerst dich noch daran, wie du mir die DemonSeed aus dem Körper entfernt hast?"

"Sehr gut sogar. Du wolltest irgendwann einen Ausgleich haben, oder?"

Ami lächelte den großen Mann an. "Ich wüsste jetzt, was ich haben will."
 

"Nun sieh sich das mal einer an!", maulte Usagi und machte Anstalten, vom Dach des Lagerhauses herab zu springen, auf dem sie und Mamoru Beobachtungsposten bezogen hatten. "Wann küssen sie sich denn endlich? Das kann doch nicht so schwer sein!"

Mamoru griff beherzt zu und hielt sie zurück. "Ruhig, Usagi. Ruhig. Das sie überhaupt schon so weit sind, ist doch ein Wunder, oder?"

"Ja, schon, aber auch wenn sie es verheimlichen wollen, sie sind zusammen. Da ist es doch normal, sich zu küssen, oder?"

Mamoru schmunzelte amüsiert. "Usagi. Erinnerst du dich, was bei uns schon alles daneben ging, wenn wir uns küssen wollten?"

Bilder drängten sich dem Blondschopf ins Gedächtnis. Wie Chibi-Usa ausgerechnet in dem Moment aus der Zukunft ankam, als sie gerade ihren Mamoru hatte küssen wollen.

An Freunde, die im unpassendsten Zeitpunkt irgendwie herein platzten. An Kämpfe und Dämonen, die auf Gefühle keine Rücksicht nahmen. "Manchmal muß ich eine ganze Welt retten, nur um dich küssen zu können", murrte sie.

"Siehst du. Also lass den beiden die Zeit. Ami braucht bestimmt keine Anleitung dafür. Nur etwas Mut. Und Akira ist freundlich genug, um diesen Mut in ihr wachsen zu lassen."

"Na gut", murrte sie und setzte sich auf das Dach. "Na, wenigstens legt er jetzt einen Arm um ihre Schulter. Und da - da! Ist das ein... Ooh, die Stirn. Akiiiraaaaa..."

Mamoru setzte sich neben sie. "Wir sollten weniger Lärm machen. Nachher bemerken sie uns noch."

Usagi brummte unverständlich.

"Was, bitte?"

"Ich sagte, ich habe doch die Welt gerettet, oder?"

Verblüfft sah Mamoru sie an. "Das ist richtig."

"Und kriege ich keinen Kuss dafür?"

"Du hast doch schon einen dafür gekriegt. Und einen zweiten, einen dritten und..."

"Ist die Welt zu retten etwa keine tausend Küsse wert?", fragte sie mit glänzenden Augen.

Mamoru lachte leise, nahm sie in die Arme und küsste ihre Stirn. "Nein, ist es nicht. Aber du musst doch nicht die Welt retten, um von mir einen Kuss zu bekommen."

Sanft berührten seine Lippen die ihren. Usagi seufzt ergriffen. Für sie war jeder Kuss Mamorus wie der erste, und so genoss sie jeden einzelnen mit ihrem ganzen Herzen. So verlor sie die Szene am Hafen aus dem Blick und sah auch nicht das fröhliche Funkeln in den Augen ihres Freundes, der heimlich hinüber schielte...
 

Auf einer höheren Ebene, einer sphärischen Existenz, beobachteten die Projektionen zweier ehemals mächtiger Menschen das Geschehen.

"Das Licht der Erde", warf Ikakles seiner Frau vor. "Von allem jungen Männern im SilverMillenium, von allen auf der Erde, warum ausgerechnet das Licht der Erde?"

Serenity lächelte sanft. "Vielleicht aus dem gleichen Grund, warum Merkur mit Iskander zusammen gekommen ist."

"Das ist doch was ganz anderes", erwiderte er ernst, doch seine eigenen Argumente kamen ihm plötzlich nicht sehr schlüssig vor.

"Wie süß. Du bist auf ihren Freund eifersüchtig."

"B-bin ich nicht."

Die sphärische Gestalt der schlanken, weißhaarigen Frau umschloss den großen blonden Mann. "Wir haben eine ganze Ewigkeit, um darüber zu streiten, mein Mann. Eine ganze Ewigkeit."

Ikakles nickte und drückte die Frau an sich. Solange beide in diesem Zustand waren, konnten sie einander berühren. Es erschien ihm wie die glückliche Verheißung, die er sich in den Jahrtausenden seiner Gefangenschaft erhofft hatte. Bitter erhofft hatte.

"Ja", hauchte er, "eine ganze Ewigkeit."

Sanft küsste er seine Königin.
 

Ende

Zugabe 1: Neue Feinde, alte Sorgen

Prolog:

Das SilverMillenium war wieder entstanden. Die ganze Welt wurde erfasst von Frieden, Harmonie und dem Glaube, dass ein Miteinander besser ist als ein Gegeneinander. All dem stand die Mondprinzessin Serenity vor, als moralischer Apostel, als Beispiel, als Vorbild.

Nachdem Serenity die Welt davor gerettet hatte, unter einem gewaltigen Eispanzer auf ewig zu ersticken, waren immer mehr Blicke auf sie gerichtet worden.

Oh nein, sie wollte nicht herrschen, noch wollte dies ein anderer aus ihrem Umfeld. Aber deshalb konnte sie sich nicht der Verantwortung entziehen, die ihre Großtat mitbrachte. Und als das Volk auf dem Mond, die Millenier, ihre Existenz bekannt gemacht hatten und Kontakt zu den Völkern der Erde suchten, hatte eine merkwürdige Entwicklung ihren Anfang genommen, an dessen Ende Serenity als Wiedergeburt der Mondprinzessin ihr repräsentatives Staatsoberhaupt wurde, während der ehemalige Steuermann Pyramon die Regierungsgeschäfte leitete.

Seither gab es viele Enklaven der Millenier, den ehemaligen Piraten des Seelenschiffs, auf der Erde, Botschaften, exterritoriale Enklaven. Die verrücktesten Enklaven aber waren Serenity und ihre SailorKrieger selbst. Obwohl sie Personen waren, bildeten sie in der neuen, freieren und friedlicheren Welt Botschaften in sich. Unberührbar, unangreifbar, neutral. Dies hätte der wunderbare Auftakt zu Frieden und Wohlstand sein können, zum Aufstieg aller Völker in einem gemeinsamen Reigen, beflügelt von der berechtigten Hoffnung, dass Menschen einander leben lassen können, wie immer sie es wünschen.

Doch dieser fromme Wunsch barg das neue Problem in sich, denn obwohl alle Menschen der Erde der Prinzessin ihre Leben verdankten, gab es genügend, die in dieser neuen, besseren Welt nicht so leben konnten wie sie es wollten. Es waren Machtmenschen, Fanatiker, oder schlicht solche, die in der Gewalt ihr Auskommen gehabt hatten, und die sich jene Zeiten zurück wünschten. Kombiniert ergaben diese Menschen, als sie einander erst einmal gefunden hatten, bar der alten Ressentiments, einen Machtfaktor mit neuem Hass. Mit Hass auf SailorMoon und die SailorKrieger. Ihr oberstes Ziel wurde es, das neu entstandene SilverMillenium zu vernichten. Und da der Mond für sie nur schwierig zu erreichen war, versuchten sie es in jenen Distrikten Tokios, die inoffiziell als neue Keimzelle des SilverMilleniums galten. Jene Orte, an denen die Prinzessin Serenity lebte, lernte und liebte. All dieses Böse, massiert, konzentriert, kombiniert, ergab eine beträchtliche Macht, die in der Zeit der verschiedenen Bedrohungen der Erde durch Metallia, Galaxia und das Seelenschiff viel Gutes hätte bewirken können. Doch nun bewirkte es Böses. Viel Böses.
 

1.

"Hast du wirklich gedacht, es war schon vorbei?", rief Gyes gehetzt, während er sich zur Seite warf.

Iskander wich einem bläulichen energetischen Blast aus, der die Hauswand hinter ihm glatt durchschlug. Ebenso die gegenüberliegende Hauswand. Die Kraft dieses Angriffs war erschütternd, selbst für einen ehemaligen General des SilverMilleniums. "Du bist nicht gerade hilfreich, Gyes, wenn du mit flotten Sprüchen statt mit gutem Rat kommst!"

Der junge Krieger wich einem weiteren Blast aus, der die Massenpanik auf einen neuen Höhepunkt trieb, und landete mit wehendem Umhang zwischen Iskander und dem geheimnisvollen Angreifer. Er sah halb zurück, während ein unheilvolles Summen verkündete, dass der Feind seine furchtbare Waffe für zwei weitere Schüsse auflud. Nun, noch ein paar mehr, und die friedliche Einkaufspassage ähnelte bald einem Schweizer Käse, aber nicht mehr dem typischen Stadtbild von Shibuya, dem berühmten Einkaufsmekka der Millionenstadt. "Hast du es gedacht, Iskander? Dass wir nach der Befriedung des Seelenschiffs keine Feinde mehr haben werden? Dass wir unsere Waffen nicht noch einmal einsetzen müssen? Dass wir niemals neue Feinde erhalten werden?"

Der groß gewachsene junge Mann mit den weißen Haaren verzog sein Gesicht zu einer spöttischen Miene. Ein heftiger Wind, der Rückstoß einer nahen, kollabierenden Wand, erfasste seinen Umhang und wehte ihn auf. Dabei bewegten sich auch die Haare über seinem Gesicht, doch die unheilvolle Dunkelheit, der alles fressende Schatten, der seine Augen verbarg, war undurchdringlich. "Wenn ich ehrlich bin, hatte ich es gehofft. Metallia, Galaxia, Echitron... Ich dachte, wir hätten alle durch."

"Macht mal Platz!", rief eine helle, aber ausdrucksstarke Frauenstimme, was sowohl Iskander als auch Gyes dazu brachte, zur Seite zu huschen. Damit war die Bahn frei für SailorJupiter, die eine gerade Linie zum unbekannten Angreifer bekam. Um ihre Rechte zuckten Überschlagsblitze über eine halbmetergroße, kristallweiße Sphäre. "Donnerschlag!"

Die Sphäre war nicht mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Das brauchte sie auch gar nicht. Läppische dreifache Schallgeschwindigkeit reichte in diesem Fall, um den Angreifer voll zu treffen.

Ein markerschütternder Schrei erfüllte die Gasse, und die Rüstung verschwand in einem gleißenden Ball aus Licht.

Als das Licht erlosch, sank ihr Gegner auf die Knie, und von dort der Länge nach zu Boden.

"Ich war gnädig", stellte SailorJupiter fest und ließ ihre Knöchel knacken. "Er hat nicht annähernd die volle Dosis zu kosten bekommen."

"Und was haben wir hier? Einen Youma? Einen Außerirdischen? Oder zur Abwechslung mal etwas völlig anderes?"

"Iskander, ich würde nicht so ohne Weiteres auf die Rüstung zugehen", mahnte Gyes. "Das kann ein Versuch sein, um unvorsichtige Generäle des SilverMilleniums in eine Falle zu locken."

Der weißhaarige Krieger zog seinen Zeigestab und schwang ihn einmal wie eine Reitgerte. "Oh, das will ich doch hoffen. Aber leider sieht es nicht so aus. Jupiter, du hast wohl ganze Arbeit geleistet." Langsam kam Iskander näher. Er hockte sich neben die merkwürdige Rüstung. Mit der Spitze des Zeigestocks klopfte er auf das Visier. "Hallo, jemand Zuhause? Typisch, keine Reaktion."

Er griff nach der Schulter ihres Gegners, und drehte ihn zu sich. "Auf dem Rücken sind irgendwelche Aggregate. Vielleicht ist das hier ein geschlossenes System, dann erstickt der Knabe möglicherweise."

"Du musst eh in den Anzug hinein sehen, damit wir wissen, womit wir es zu tun haben."

Iskander ließ die Schulter los, die Rüstung rollte wieder auf den Rücken. Der Zeigestab glühte hellgelb auf. "Einverstanden." Er beschrieb mit der Spitze einen Kreis auf der Front des Helms. Dann nahm er die Front einfach ab.

Gyes kam zu ihm. "Interessante Fähigkeit, Iskander."

"Ha. Da solltest du erstmal sehen, wie nützlich sie beim Kochen ist. Hm, das sieht mir nach einem Menschen aus. Asiat, sehr hellhäutig. Definitiv männlich." Er tastete am Hals nach dem Puls. "Und am Leben, wie es scheint."
 

Mittlerweile war die Panik der Passanten gewichen. In der Ferne heulten die Sirenen der Rettungswagen, und in den Wänden klafften immer noch zwei beachtlich große Löcher, die wer weiß wie weit führten. Vielleicht hatte dieser Bursche hier ein paar Leben von unschuldigen Menschen auf dem Gewissen, die nichts weiter getan hatten, als zur falschen Zeit am falschen Punkt einer Mauer vorbei zu gehen, und das vielleicht etliche Blocks entfernt. Wahrscheinlich konnten sie der Massenpanik danken, dass keine unschuldigen Passanten unmittelbar in diesen feigen Überfall involviert gewesen waren.

Langsam füllten sich die Straßen auch wieder mit Menschen. "Das sind Millenier. Und eine Leibgarde der Prinzessin", raunte jemand ehrfürchtig. Zustimmendes, respektvolles Gemurmel antwortete ihm.

"Verstehst du was von Technik, Gyes? Kannst du sagen, ob die Aggregate zerstört wurden? Ich will nicht erleben, dass dieser Bastard zurück ins Spiel kommt", sagte Iskander ernst. So, so, ein Mensch, also. Der Angriff war mit terranischer Technologie erfolgt, nicht mit dämonischen oder außerirdischen Kräften. Aber hatten sie es hier mit einem verrückten Bastler zu tun, oder mit einer militärischen Dimension? Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn das eine oder andere Militär auf der Erde Mittel und Wege suchte, um die Millenier oder sogar die SailorKrieger bekämpfen und besiegen zu können. Menschen fürchteten was sie nicht kannten, oder nicht kontrollieren konnten. Und das SilverMillenium war definitiv nicht unter ihrer Kontrolle, sondern eine neutrale, aber loyale Instanz für alle Menschen.

"Da rührt sich nichts mehr, bevor nicht mindestens zweitausend Meter Kabel ausgetauscht wurden." Gyes runzelte die Stirn. "Hm. Das Ding ist schlecht verkleidet. Ein Prototyp vielleicht?"

Iskander stöhnte auf. "Ein Prototyp? Bitte erzähl mir nicht, irgend jemand baut gerade an einem Dutzend oder mehr von diesen Anzügen, um sie auf uns zu hetzen."

Gyes' Miene wurde starr. "Wir sollten diesen Angriff auf Makoto als Test werten. Ihre Identität als Leibwache Serenitys ist allgemein bekannt. Und ich schätze, als der Knabe hier anfing, um sich zu ballern, hat er mit uns beiden gar nicht gerechnet."

"Wäre ja schön, wenn du Unrecht hast", ächzte Iskander. "Unser letztes Abenteuer hat mich drei Monate ins Krankenhaus verfrachtet. Das ist gerade mal zwei Monate her."

"Ich glaube nicht, das wir in dem Punkt Mitspracherecht haben", sagte Jupiter, die nun ebenfalls neben sie trat. Sie presste die Lippen fest aufeinander und deutete ansatzweise auf das kleine millenische Komm-Gerät in ihrem Ohr. Das bedeutete, das die zweite SailorKriegerin in diesem Bezirk, SailorMerkur, sie gerade über ihre Beobachtungen instruierte. Jupiters Schweigen bewies, dass die Sache eventuell größer war, als im Moment abzusehen war. Sonst wäre SailorMerkur längst zu ihnen gestoßen.
 

"Und? Was machen wir jetzt mit dem Burschen?"

Mit heulenden Sirenen bremste ein Polizeiwagen vor ihnen. Vier Beamte sprangen heraus, zogen ihre Dienstwaffen und richteten sie dankenswerterweise auf den Bewusstlosen in der Rüstung.

Ein zweiter Wagen hielt, dann kam ein Rettungswagen, begleitet von einem Gerätewagen der Feuerwehr. Der Anführer der Polizisten steckte seine Waffe wieder ein und salutierte von Jupiter. "Wir übernehmen ab hier, Miss Jupiter. Danke für die großartige Arbeit von Ihnen und Ihren Helfern."

Beinahe hätte Jupiter prustend zu lachen begonnen, als der Polizist die beiden ehemaligen Generäle der Mondarmee als ihre Helfer bezeichnete. Aber sie beherrschte sich mustergültig. "Falls Sie Hilfe brauchen, um den Mann aus seiner Rüstung zu schälen, geben Sie in der Botschaft Bescheid. Wir schicken dann jemanden. Es kann sein, dass mein Donnerschlag sämtliche Verschlüsse verschweißt hat."

Der Polizeioffizier wirkte für einen Moment irritiert. "Ich denke nicht, dass das nötig werden wird. Aber falls doch, werden wir dankend darauf zurückkommen."

Die Feuerwehrleute kamen mit einem kleinen Wagen heran. Beschützt von den Polizisten hievten sie die Rüstung zu acht hinauf. Dann verschwanden sie mit ihrer Beute beinahe ebenso schnell, wie sie gekommen waren.

"Das geht mir etwas zu gut organisiert ab", zischte Iskander so leise er konnte.

"Nochmal vielen herzlichen Dank, Miss Jupiter. Dank Ihnen konnte eine große Katastrophe von Shibuya abgewendet werden." Der Polizeioffizier nickte in Richtung der beiden Männer. "Meine Herren Millenier." Dann wandte er sich ab, während weitere Polizisten und Rettungskräfte erschienen, um die weiteren Arbeiten und Rettungsaktionen durchzuführen.

Jupiter legte eine Hand an ihr linkes Ohr. Sie nickte mehrfach. "Rückzug, Jungs. Südost. Mindestens einen Kilometer."

"Was immer du willst", entgegnete Gyes. Mit einem Satz war er auf dem Dach des achtstöckigen Gebäudes vor sich. Ein weitere Step brachte ihn erfahrungsgemäß fünfhundert Meter weiter, wenn er sich Mühe gab.

Jupiter seufzte, bevor sie ihrem Freund Motoki Furohata auf die gleiche Weise folgte.
 

Iskander wollte gerade ebenfalls verschwinden, als er eine Präsenz am äußersten Rand seiner durch die Verwandlung gesteigerten Fähigkeiten erspürte. Diese Präsenz war... Merkwürdig. Und von einer gewissen Macht. Davon abgelenkt spürte er die Kugel, die ein unbekannter Scharfschütze auf seinen Kopf abgefeuert hatte, viel zu spät. Die Kugel traf ihn an der Schläfe, und entließ dort ihre volle kinetische Energie. Selbst im verwandelten Zustand war die Wucht hart genug, um seinen Kopf zur Seite zu drücken. Ein erschrockenes Raunen ging durch die Zuschauer, als der nachfolgende Knall des Schusses aufbellte.

Iskander schüttelte einmal den Kopf, fasste sich an die Schläfe und nahm die deformierten Reste der Kugel von der Schläfe. Wütend sah er in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war. "Das hat verdammt weh getan! Und das zahle ich garantiert zurück! Versprochen!"

Die Passanten und Polizisten waren mehr als überrascht, sowohl über den Attentatsversuch als auch die Leichtigkeit, mit der der unbekannte Millenier dem Schuss widerstanden hatte. Hier und da klang sogar Applaus auf. Bevor aber ein übereifriger Polizist auf die Idee kommen konnte, ihn zu einem Besuch einer Ambulanz zu überreden, warf Iskander seinen Umhang um sich, und verschwand wie eine Illusion.
 

"Was hat dich aufgehalten?", empfing ihn Motoki.

Iskander warf ihm die deformierte Kugel zu. "Scharfschütze. Hat mich an der Schläfe getroffen. Ich wünschte, ich hätte meine Rüstung und meinen Helm getragen."

"Dann hätte es dir vielleicht nicht so weh getan", klang die Stimme von SailorMerkur neben ihnen auf, "aber dann hätten sie erheblich mehr Informationen über uns sammeln können. Vor allem über Gyes und dich. Sie werden nicht allzu viel über Euch wissen."

"Sie?", fragte Iskander. Suchend sah er sich um.

Zwei weiche Frauenhände legten sich von hinten auf seine Augen. "Rate mal wer."

"Merkur."

Die junge Frau trat neben ihn. "Nicht schlecht, meine neue Fähigkeit, was? Ich kann so diffus wie Nebel werden."

Iskander lächelte anerkennend. "Ohne deine Stimme zu hören hätte ich nicht gewusst, dass du hinter mir stehst. Du hast hart an dir gearbeitet."

Das Lob machte sie sichtlich stolz. Allerdings nur für einen Moment. "Ich habe die Umgebung gescannt und festgestellt, dass Makoto über eine halbe Stunde im Fokus von mindestens neun mobilen Messstationen und Kameras war. Über den halben Bezirk verteilt, vor allem an den Hauptstraßen, sind es über zwanzig. Das bedeutet dann wohl, dass der Kampf von ihnen komplett aufgezeichnet wurde. Vielleicht setzen sie auch Satelliten ein."

"Satelliten?", raunte Iskander ärgerlich. "Jetzt gehen unsere neuen besten Freunde aber doch etwas zu weit."

"Nicht, wenn sie im Gegenzug unsere Fähigkeiten kennen lernen und uns besiegen können", sagte Makoto verärgert. "Und das bedeutet, wir werden es sehr schwer haben, der Beobachtung zu entkommen. Unsere Identitäten sind bekannt, und wann immer wir den Bereich des Silver Milleniums verlassen, werden sie auf unser Fährte sein. Über dem Silver Millenium sind Satelliten verboten - offiziell."

"Ich fand die Idee einer neutralen Enklave ganz nett", sagte Iskander. "Aber wir können weder die Satellitenüberwachung aus anderen Positionen kontrollieren, noch alle Satelliten zerstören, die uns beobachten."

"Ich könnte mich in sie einhacken, wenn ich weiß, welche Satelliten uns beobachten", bot Merkur an.

"Ich könnte Pyramon bitten, mit einem der Beiboote vom Seelenschiff sämtliche Satelliten im stationären Orbit über Tokio abzuschießen", erwiderte Iskander.

"Na, da wird sich aber eine Nation freuen, wenn du ihr das Fernsehprogramm wegballerst. Wollen wir es nicht erst mal friedlich versuchen?", mahnte Merkur.

"Zuallererst sollten wir auf die Straße zurückkehren, unsere unbekannten Freunde abhängen und die anderen kontaktieren", sagte Gyes. "Dann sollten wir die Kugel analysieren, die Akira an den Schädel bekommen hat und über unsere neue Situation diskutieren. Wo ein Anzug herkommt, kommen vielleicht noch mehr her. Ich hätte ein echtes Problem mit einer Armee von Iron Mans auf unserer Fährte. Ich neige dazu, die Menschen zu beschützen, nicht sie zu attackieren."

"Hier ist die Kugel, Ami. Sieh mal zu, was du heraus finden kannst."

Merkur nahm das deformierte Metall entgegen, wich aber unter Iskanders Hand auf ihrer Schulter hervor.

Iskander erstarrte bei dieser Reaktion. Nur langsam nahm er die Hand wieder zurück.

"Ich werde sehen, was ich tun kann. Wir sollten uns trennen, und erst am Tempel wieder aufeinander treffen", sagte Merkur, und sprang vom Dach.

Gyes runzelte die Stirn. "Hast du sie geärgert? Ihr seid doch eigentlich ganz gut miteinander ausgekommen in letzter Zeit."

Akira Torah senkte den Kopf. Er hätte gerne gesagt, dass er mit Ami zusammen war, fest zusammen, und dass er auf ihren Wunsch hin nur so tat, als würden sie einander nicht lieben. Aber jedes Mal war es "nur noch eine Woche länger", und langsam wuchs in ihm die Verzweiflung. "Es ist... Nichts. Ich... Ich habe nur darüber nachgedacht, dass wir unglaubliches Glück hatten. Hätte der Rüstungsträger angegriffen, wenn wir Makoto schon erreicht gehabt hätten, wären auch unsere Identitäten jetzt bekannt. So aber sind wir zwei Wild Cards. Joker, sozusagen."

"Ich meinte eigentlich das, was da gerade zwischen dir und Ami vorgefallen ist, Akira. Aber wenn du nicht drüber reden willst, ist das deine Sache." Gyes nickte Jupiter zu und verschwand ebenfalls vom Dach.

Jupiter musterte Iskander einen sehr langen Moment. "Wenn du reden willst, dann komm ruhig zu mir. Ich bin vielleicht jünger als du und kenne noch nicht so viel von der Welt, aber ich höre dir gerne jederzeit zu."

"Danke. Ich weiß das Angebot zu schätzen." Iskander hüllte sich in seinen Mantel und verschwand.

"Echt coole Nummer mit diesem Verschwinden", murmelte Jupiter, und sprang ebenfalls davon. "Ich sollte ihn bitten, mir das mal bei Gelegenheit beizubringen.

***

Die Präsenz, die Akira Torah gespürt hatte, saß derweil in einer weich gepolsterten Fensternische eines Hochhauses in der Nähe. Der große, braunhaarige Mann spielte mit seinem meterlangen Pferdeschwanz und starrte nachdenklich nach Shibuya hinunter. Er hatte sie gesehen. Das war mehr als er hätte erwarten können. Aber er hatte auch die Menschen und ihre Aktionen gesehen, wenn auch eher unfreiwillig. Es schien, dass ihr Anstandsbesuch zu einer Zeit erfolgte, die... Ein klein wenig ungünstig sein konnte. Oder aufregend. Eventuell beides.

Er zog sein Mobiltelefon hervor. "Yaten? Sag ihrer Majestät Bescheid. Es scheint einiges geschehen zu sein, seit wir uns verabschiedet haben." Nach dieser Nachricht legte er auf und sah wieder auf das Stadtviertel hinab, bis er ihre Präsenz nicht mehr spüren konnte. Merkwürdig, das ihn dieses Gefühl so sehr beunruhigte.

***

In einer Tiefgarage, auf dem tiefsten, getarnten Level, fuhren die Feuerwehrleute die Liege mit dem Bewusstlosen in seiner Rüstung herein. Eine Kakophonie aus Stimmen, Schweißarbeiten und Kommunikationsgeräuschen umfing sie.

Zwei ältere Männer in weißen Kitteln, in den Händen altertümliche Klemmbretter, winkten die Männer in Richtung Norden zu den Labors. Dort machten sich Techniker bereit, um die Rüstung mit Hilfe von Schneidbrennern zu öffnen. Ihnen folgte der Polizeioffizier. Während er auf ein gläsernes Büro zuging, entledigte er sich der Uniformjacke und der Mütze, und gab beides an einen Adjutanten weiter.
 

Im Büro angekommen schloss er die Tür hinter sich. Er wurde erwartet. Eine ältere Frau mit gut frisierten, aber grauweißen Haaren, erwartete ihn. "Kommen Sie, Kenichiro, ich habe gerade die Auswertung Ihrer Aktion auf dem Schirm. Die Daten sind sehr interessant und viel versprechend, auch wenn der Kampf bedauerlicherweise zu kurz war."

Es dauerte einen Moment, bevor der Agent sich genügend gesammelt hatte, um jene unsichtbare Trennlinie zu überqueren, die man normalerweise nicht einmal ansatzweise verletzte. Er stellte sich hinter Direktorin Douglas auf und betrachtete die Daten. Mehrere Hologramme, die vom Eingang aus nicht zu sehen waren, spielten die Fakten und Videos aus unterschiedlichen Perspektiven ab. In einem Video konnte man deutlich sehen, wie einer der unbekannten Millenier am Schädel von einer Kugel getroffen wurde. Das Projektil, normalerweise stark genug, um Panzerglas zu durchschlagen, wurde an der Schläfe des weißblonden Mannes zerquetscht wie reines Blei auf Stahl.

"Diese Idioten! Haben sie tatsächlich auf Iskander geschossen? Ich habe denen gesagt..."

"Die Scharfschützen haben aus weiter Entfernung aus einer gut versteckten Position geschossen. Sie haben eine Chance genutzt, um uns weitere Informationen zu verschaffen. Sehen Sie, ein Teil der kinetischen Energie schlägt durch. Womit sich diese Millenier auch immer schützen, wir können nun an einer Waffe arbeiten, die sie töten kann. Und ohne diese Außerirdischen fällt der ganze dämliche Kult um eine dümmliche blonde Oberstufenschülerin, die zufällig die Inkarnation einer außerirdischen Prinzessin sein soll, vollkommen in sich zusammen."

"Ich glaube, Sie verkennen den Ernst der Lage. Dieses dümmliche blonde Mädchen ist nicht irgendein dümmliches blondes Mädchen, sondern die Person mit der größten Macht auf Erden. Sie hat den Eispanzer geschmolzen, der die Erde und uns alle fast erstickt hat. Wir dürfen sie nicht unterschätzen!"

"Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass sie den Eispanzer vielleicht erst erschaffen hat", mahnte Direktorin Douglas. Sie deutete auf ein weiteres Hologramm. "Der GunSuit hat eine enorme Durchschlagskraft in urbanem Gebiet bewiesen, finden Sie nicht? Was werden dann wohl ein Dutzend anrichten können?"

"Das Dutzendfache an Schaden. Aber ich denke nicht, dass das reicht. Wenn wir..."

"Die Plasmakanone hat nur nicht getroffen, das ist der einzige Grund für die Niederlage von Agent Ayoka. Wenn wir die Zahl der Plasmakanonen erhöhen, dann erhöhen wir auch die Chance von Abschüssen. Bereiten Sie eine entsprechende Aktion im SilverMillenium vor."

"Wir opfern damit ein Dutzend Rüstungen."

"Wir haben in einer Woche einhundert von ihnen. Und wenn wir es geschickt anstellen, die Unterstützung der Briten, der Chinesen, und der japanischen Armee noch dazu."

"Das werden unnötige Opfer."

"Es gibt keine unnötigen Opfer, wenn wir unsere Souveränität als Rasse zurückgewinnen wollen", erinnerte ihn die Direktorin. "Gehen Sie jetzt, und bereiten Sie den Einsatz vor."

"Jawohl, Frau Direktorin."
 

Der nächste Weg des Spezialagenten führte ihn zu der provisorischen Werkstatt, in der Ayoka von seinem Anzug befreit wurde. Der Helm war bereits runter, der Mann war wach. Das merkte man vor allem daran, dass er den Technikern in den Ohren lag, sie sollten beim Schweißen besonders vorsichtig sein. Und ohne Luft zu holen bombardierte er zeitgleich das halbe Dutzend Wissenschaftler, welches die Aktion überwachte. Sie alle hatten an der Rüstung mitgearbeitet.

"Au, seid doch vorsichtig! Wenn ich meine Beine aufklappen kann, kriegt Ihr einen Heidenärger!", drohte Ayoka den Technikern. Sofort wandte er sich den Wissenschaftlern zu. "Sie sehen es doch selbst, oder, Doktor Ang Suun? Dieser verdammte Anzug ist zu schwer, um ihn ohne Kraftverstärker zu bewegen! Eine Falle ist das, eine gottverdammte Falle! Und ich will Ihnen noch etwas sagen: Als Jupiter mich im Anzug eingeschweißt hat und das interne Luftaufbereitungssystem ausgefallen war, bin ich langsam aber sicher erstickt! Was ist das für ein Notfallprogramm, das den Anzug komplett isoliert? Wollten Sie, dass ich ersticke?"

"Beruhigen Sie sich wieder, Agent Ayoka! Es war ein Testlauf, und er war recht erfolgreich. Die Daten über den Angriff von SailorJupiter geben uns genug in die Hand, um die Rüstungen in Zukunft vor ihrem Donnerschlag zu schützen. Sie haben sehr gute Arbeit geleistet, Agent Ayoka."

"Und weil Ihre verdammte Scheißwaffe so mächtig ist, habe ich durch vier Häuserblöcke zwei Tunnel geschossen!", schimpfte Ayoka weiter. "Keine Ahnung, wie viele unschuldige Menschen ich dabei getötet habe! Aber eines sage ich Ihnen, wenn ich mich dafür verantworten muss, dann reiße ich Sie alle mit in die Tiefe!"

"Gemach, Gemach, alter Junge." Kenichiro Kano trat an die Liege. "Scheinst Schwein gehabt zu haben. Deine Schüsse haben einem Menschen den linken Arm gekostet, aber ansonsten gibt es keine Verluste, und keine Vermissten."

"Den linken Arm..." Er seufzte. "Ich bin nicht hier, um Unschuldige zu töten."

"Der linke Arm ist besser als der Kopf", erwiderte Kano resolut. "Du hast nichts falsch gemacht und bist mit einem Haufen neuer Erkenntnisse wieder gekommen. Außerdem bist du der erste aus der Sonderabteilung, der die neue Rüstung im Einsatz gesteuert hat. Das macht dich zum Sempai für das gesamte Team. Die Wahrscheinlichkeit, dass du die nächste Aktion anführen wirst, ist damit sehr hoch. Und du weißt, es wird eine nächste Aktion geben, wenn wir dieses außerirdische Pack von der Erde vertreiben wollen."

Ayoka schnaubte verächtlich. "Außerirdisches Pack ist mir egal. Ich bin hier, weil es mir befohlen wurde. Und weil man mir eine Beförderung und die Arbeit mit wirklich guter Hardware versprochen hat. Ich führe meine Befehle aus, aber ich habe doch ein Problem damit, Unschuldige zu töten. Was passiert mit dem Kerl, der den Arm verloren hat?"

"Die Millenier haben eine medizinische Methode, um den Arm zu regenerieren. Es dauert ein paar Monate, und es bedeutet großen Stress für den Körper. Aber er kriegt seinen Arm wieder. Das ist doch ein Lichtblick, oder? Wäre der Kopf weg, könnten selbst die Millenier nichts mehr machen."

"So. Und die Wesen mit dieser wundervollen Technologie bekämpfen wir also."

Kano nickte. "Weil diese Technik ihnen gehört, und nicht uns. Außerdem haben wir keine Garantie, das sie nicht irgendwann die Weltherrschaft anstreben. Und die sollte doch bitte in unseren Händen bleiben."

Ayoka schnaubte. "Reden konntest du schon immer gut, Kenichi."

Der linke Arm wurde befreit. Einer der Forscher fluchte über den Schweißschnitt, der den linken Arm des GunSuits so gut wie ruiniert hatte, aber der Special Agent nahm nur voller Erleichterung zur Kenntnis, dass er ihn wieder bewegen konnte. Und dass das Innenfutter dem Schweißbrenner Stand gehalten hatte. "Ich wäre erstickt, weißt du?", murmelte er leise. "Ohne Iskander, ohne das er meine Frontplatte geöffnet hätte, wäre ich erstickt. Einfach so. Erbärmlicher geht es nicht."

"Du kannst sicher sein, er wollte dir gewiss nicht das Leben retten. Er wollte nur dein Gesicht sehen. Du schuldest ihm nichts. Rein gar nichts."

"Ich rede nicht von Schulden. Ich rede vom Geschehen." Ayoka blinzelte. "Wie geht es weiter?"

"Das erste Dutzend GunSuits wird morgen kampfbereit gemacht. Deine Daten geben uns den letzten Schliff. Wenn alles klar ist, greifen wir morgen das SilverMillenium an. Du wirst es dazu sicher nicht schaffen, aber du wirst die Aktion aus der Kommandozentrale koordinieren."

"Nein, ich bin fit. Ich lasse mir die Chance nicht nehmen, noch einmal in den GunSuit rein zu klettern", sagte Ayoka bestimmt.

"Nun gut, wie du willst. Lass dich von den Ärzten durchchecken, und wenn sie keine Einwände haben, führst du den Einsatz morgen an - in deinem neuen GunSuit."

"Danke. Du hast einen gut bei mir."

Kenichiro Kano lächelte dünn. "Gut zu wissen. Da fällt mir bestimmt was nettes ein, Special Agent Ayoka."

"Oh, ich hoffe, ich werde nicht zu sehr leiden müssen", erwiderte Ayoka grinsend. Dann war auch der rechte Arm wieder frei.

"Ich sehe dich dann morgen früh in der Abschlussbesprechung", sagte Kano zum Abschied, tippte sich in der Imitation eines militärischen Grußes an die Stirn, und verließ die Werkstatt.

"Und ob du das wirst!", rief Ayoka ihm hinterher.

Kano lächelte dünn. Und das war also ein amerikanischer Marines-Major mit einem Summa cum Laude-MIT-Studium. Kaum gab man ihm etwas Spielzeug, wurde aus dem weltfremden Intellektuellen ein wüster Draufgänger und Waffenfanatiker. Vielleicht sollte er es auch mal mit einem GunSuit probieren. Irgendwann einmal, versprach er sich.
 

Sein nächster Weg führte ihn in die Sektion mit den Containern, welche der Besatzung ihrer Tokioter Basis als Wohneinheiten dienten. "Ich suche Sergeant Kelly", sagte er zu einer Gruppe Soldaten, die sich mit Kartenspielen die Zeit vertrieben.

Einer von ihnen, der bärbeißige japanische Gun-so Arima, nickte in Richtung der Duschcontainer. "Wenn Sie sich beeilen, Sir, sehen Sie sie noch nackt."

"Sehr komisch, Soldat", erwiderte Kano. Er betrat den Duschcontainer und klopfte an die Tür der Frauendusche. "Sarge? Agent Kano hier."

Die Tür öffnete sich. Vor ihm stand die blonde Amerikanerin, die ihnen von den Army Rangers ausgeliehen worden war. Sie trug ihre Uniform, war aber vollkommen durchgeweicht. Sie musste sich in aller Hast angezogen haben, ohne sich abzutrocknen. "Sir?"

"Himmel, Sie hätten sich ruhig etwas Zeit lassen können", murmelte Kano.

"Wenn das Vaterland ruft, lässt man sich keine Zeit, Sir", erwiderte sie streng. "Was kann ich für Sie tun?"

"Es geht um diesen verdammten Marine, der vorhin fast den Einsatz verpatzt hat."

"Ah, Major Ayoka." Kelly grinste dünn. Als Mitglied der Army pflegte sie zu den Angehörigen des Marine Corps eine gesunde Rivalität. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Und für Kano bedeutete dies eine Gelegenheit, sie nach seinem Sinn zu manipulieren.

"Er ist nicht weit genug verprügelt worden, um den Einsatz mit den GunSuits morgen zu verpassen. Er wird die Truppe anführen. Ändern Sie also die Aufstellung."

"Ja, Sir. Verstehe. Habe ihn noch nicht im Einsatz gesehen, aber ich hoffe das Beste."

"Und da ist noch etwas. Das Zielobjekt Iskander hat ihm nach dem Totalausfall seiner Rüstung das Leben gerettet, indem er das Visier des GunSuits aufgeschnitten hat. Nicht, dass ich Ayoka misstraue, aber diese hochnäsigen Marines haben alle so merkwürdige Vorstellungen von Pflicht und Ehre. Sehen Sie zu, dass er nicht mit Iskander kämpfen muss. Noch besser, schalten Sie Iskander aus, bevor der Major überhaupt dazu kommt, darüber nachzudenken."

Die blonde GunSuit-Pilotin nickte bestätigend. "Jawohl, Sir. Iskander fertig machen. Werden die Flugaggregate für den Angriff morgen fertig, Sir?"

"Leider nein, Sarge. Wir bringen Sie mit getarnten Wagen ins Zielgebiet, und auf die gleiche Weise wieder raus."

"Die Mobilität ist also immer noch für'n Arsch", murmelte Kelly ärgerlich.

"Sieht ganz so aus. Machen Sie das Beste draus. Schießen Sie nicht aus Versehen Kameraden weg, und vergessen Sie nicht, dass die SailorKrieger auch nicht fliegen können. Treiben Sie sie zusammen, und radieren Sie sie allesamt aus."

Kurz zuckte ein Wangenmuskel in Kellys Gesicht. "Verstanden, Sir. War es das, Sir?"

"Ja, sie können gehen und sich trockene Sachen anziehen."

Die Frau von den Army Rangers salutierte und drückte sich dann an ihm vorbei, raus aus den Duschen, in Richtung ihres Wohncontainers.
 

Kenichiro Kano sah ihr nach. Er seufzte leise. Diese Mission nahm bestimmt kein gutes Ende. Allerdings würde es wohl mit der Welt auch kein gutes Ende nehmen, wenn die rund zehntausend Millenier irgendwann einmal erkannten, wie schwach die Menschen im Vergleich zu ihnen doch waren. Kano hatte absolut keine Lust, dabei zu zu sehen, wie die da oben mit Atombomben um sich warfen, um dann diesen Gegner auszulöschen. Nein, den Milleniern gleichwertige oder sogar überlegene Technik entgegen zu setzen, auf Augenhöhe mit ihnen zu kommen, war die beste Möglichkeit. Und der einzige Grund, warum er sich dieser Mission angeschlossen hatte, auch wenn es ihm nicht behagte, junge Frauen zu töten, deren einziger Fehler es gewesen war, die Erde mehrfach vor der Vernichtung zu bewahren. Aber so waren die Menschen nun einmal. Nichts taten sie lieber, als ihre Retter, ihre Befreier, ihre Helden und ihre Heiligen zu töten. Auch diesmal würde es nicht anders werden. Kano seufzte erneut. Hatte er denn eine andere Wahl?
 

2.

"Rei? Bist du hier?"

Die junge Miko schreckte aus ihrem Dämmerschlaf hoch. Wann war sie bei ihrer Meditation eingenickt? Sie konnte es nicht sagen. Wie viel Zeit war vergangen? Keine Ahnung. "Ich bin hier, Juichiro."

Fröhlich, mit raumgreifenden Schritten, eilte der junge Mann an ihre Seite. Er ließ sich neben ihr im Saizen-Sitz nieder und neigte kurz in Respekt das Haupt vor dem Altar, bevor er sich seiner Freundin widmete. "Bist du wieder eingenickt?"

Rei fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. "Ist es so offensichtlich?"

"Na hör mal. Du bist Sailorkriegerin, die Miko dieses Tempels, bereitest dich auf die Hochschule vor, und musst nebenbei auch noch im diplomatischen Sektor den Milleniern helfen. Ganz davon abgesehen, dass da auch noch ein nerviger Freund ist, der auch noch was von deiner kostbaren Zeit fordert. Kein Wunder, dass du dann mal einnickst, wenn du etwas Ruhe bekommst." Er ergriff ihre Hände und küsste sie.

Rei Hino ging das Herz auf. Immer wenn Juichiro Kumada so offen zu ihr war, seine Liebe, seinen Charme und seinen Humor zeigte, fragte sie sich, ob sie ihn auch wirklich verdient hatte.

Nicht, dass sie ihm das jemals gesagt hätte oder jemals sagen würde. Nicht, dass sie nicht glasklar bewiesen hatte, wer der Chef in dieser Beziehung war. Immerhin hatte er auf ihren Wunsch hin seine Frisur vom Gammellook zum Kurzhaarschnitt geändert. Aber seine Nähe war eine Konstante, eine sichere Konstante in ihrem Leben, die sie jetzt gerade am dringendsten brauchte. Jetzt, wo die ganze Welt im Umbruch war - und sie mit ihr.

"Es ist trotzdem nicht richtig. Ich bin jung. Ich muss das aushalten können. Ich meine, Hey, bin ich jetzt Rei Hino, oder nicht? Usagi arbeitet in letzter Zeit mehr als ich, und das kann ich doch nicht akzeptieren."

"Dummkopf", tadelte Yuichiro, und schnippte ihr mit dem rechten Zeigefinger gegen die Stirn.

"Autsch!" Verwundert rieb sie sich die Stirn.

"Du nützt doch keinem damit, wenn du hier vor Entkräftung zusammen brichst. Du bist nicht alleine für alles verantwortlich. Wir können jederzeit Minako und Jed bitten, nach Tokio zu kommen, und uns auszuhelfen. Und da ist noch ein ganzes Heer von Milleniern in der Botschaft, das nur darauf wartet, Aufgaben erfüllen zu können. Seit sie sich ins menschliche Leben in Japan eingearbeitet haben, kannst du durchaus das eine oder andere delegieren. Ich meine, wenn die stärksten Krieger des Seelenschiffs die Leibgarde Usagis verstärken dürfen, warum können ihre stärksten Diplomaten dich dann nicht unterstützen?"

"Weil sie nun mal besser kämpfen als reden können?", erwiderte Rei sarkastisch.

"Du bist ungerecht, und du weißt das auch", tadelte Yuichiro. "Außerdem bin ich auch noch da."

"Ja, ich weiß. Aber hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass die drei Generäle ihre Verbindung zum SilverMillenium geheim halten sollen? Wir müssen uns ja nicht alle opfern und ins Licht der Öffentlichkeit rasen."

"Zugegeben. Aber früher oder später werden die Medien schon fragen, wer der gutaussehende Mann ist, der ständig neben Rei Hino steht." Sein Lächeln hatte etwas so entwaffend Ehrliches, sie konnte ihm wegen der Selbstbeweihräucherung nicht einmal gespielt böse sein. Und er sah ja auch gut aus, jetzt mit der neuen Frisur. Nein, er sah jetzt besser aus, korrigierte sie sich selbst. "Sicher werden sie das irgendwann. Und ich werde dann sagen, dass du mein Freund Yuichiro Kumada bist. Von Leth, der Wiedergeburt eines Generals des SilverMilleniums, erzähle ich niemandem. Das Gleiche gilt auch für Gyes und Iskander." Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Apropos Iskander. Hast du auch gemerkt, dass sich Ami und Akira gut verstehen?"

"Erschreckend gut", murmelte Juichiro, der genauso wie Motoki und Mamoru von der vorgetäuschten Amnesie wusste, "vor allem seit er sich das erste Mal wieder in Iskander verwandelt hat."

"Irgendwie geht mir das mit den beiden dann aber auch zu leicht. Kann es sein, dass er mittlerweile sein Gedächtnis wieder hat? Ich meine, wenn man ihn mal unvorbereitet erwischt, dann erinnert er sich schon an Targetia, Rose und die anderen. Auch die Krieger der Millenier mussten ihm nicht lange vorgestellt werden."

"Ich bin kein Experte für Amnesien. So etwas solltest du Mamoru fragen. Er macht das Medizinstudium. Aber ehrlich gesagt halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass er sich an mehr erinnert als er uns sagt. Und, wäre das schlecht?"

"Das weiß ich ehrlich gesagt nicht", seufzte Rei. "Ich meine, ich finde es toll, dass er nicht mehr weiß, dass er Ami vor der Explosion Metallias beschützt hat. So muss sie sich nicht gezwungen fühlen, ihn lieben zu müssen, weil er sein Leben für sie riskiert hat. Das hätte mich zu sehr an damals im SilverMillenium erinnert, wo sie diese fixe Idee hatte, mit Zoisite zusammen kommen zu müssen. Ich will für meine Freundin nur das Beste, und wenn sie sich gegenüber Akira öffnet, ohne sich selbst irgendwelchen Zwängen hinzugeben, dann finde ich das sehr gut."

"Ich weiß nicht. Die beiden passen einfach zusammen, und jetzt haben sie so eine hohe Hürde zwischen sich. Ich meine, angeblich sind sie schon mal zusammen ausgegangen, um in einem Family Restaurant zu Mittag zu essen, und manche Dinge sollte man langsam angehen. Aber wenn da etwas zwischen ihnen besteht, geht es dann nicht zu langsam?"

Rei lächelte geheimnisvoll. "Wer weiß? Ami ist eine sehr intelligente junge Frau, die sich ihren fröhlichen Charakter immer bewahrt hat. Ihr großes Problem ist ihre Selbstlosigkeit. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich nicht ganz sicher ist, ob sie Akira überhaupt verdient hat. Dass sie meint, er wäre ohne Beziehung zu ihr besser dran. Oder dass sie sämtliche positiven Entwicklungen verheimlicht, bis sie sich völlig sicher ist." Sie seufzte lang und tief. "Und das kann dann wirklich dauern. So schlau sie auch ist, so schnell ist sie auch verunsichert. Leider färbt ihr Selbstvertrauen im Kampf nicht auf ihr Selbstvertrauen im realen Leben ab." Sie erhob sich energisch und klatschte in die Hände. "Okay, wenn ich Recht habe, sollte mal jemand der guten Ami ins Gewissen reden, bevor eine andere Frau Akira weg schnappt."

Auch Juichiro erhob sich. "Moment Mal. Willst du nur Ami ins Gewissen reden, oder auch Akira?"

Sie verharrte für einen Moment wie erstarrt. "Akira? Du hast Recht, der Junge hat auch ein Riesenproblem. Er würde niemals von sich aus fordern, zugreifen, sie als die Seine beanspruchen, obwohl genau das die Sicherheiten sind, die unserer Ami gut tun würden. Akira ist nicht der Typ, um mehr zu fordern, als Ami ihm geben will. Und Ami ist in sich zu unsicher, um sich fallen zu lassen. Eine vertrackte Situation. Und dann wissen wir nicht einmal, ob zwischen den beiden mehr läuft als ein gemeinsames Mittagessen. Das bedarf dringend der Aufklärung. Ich rufe die anderen an, und..."
 

Juichiro huschte vor sie, hielt sie mit einer Hand zurück. Ernst sah er zum Ausgang der Halle. "Wer ist da?"

Neben der Tür schien aus dem Nichts ein mittelgroßer braunhäutiger Humanoider zu entstehen, der eine Lederhose und eine offene schwarze Weste trug. Er verbeugte sich im Eingang und legte die rechte Faust auf den Boden. "Verzeihung, Dame Mars, General Leth, aber ich bringe dringende Nachrichten von Prinzessin Serenity. Auf Dame Jupiter wurde ein Attentat verübt. Ihr geht es gut, aber wir müssen dringend über die Konsequenzen sprechen."

"Makoto wollte sich mit Ami, Akira und Motoki in Shibuja treffen", sagte Rei nachdenklich. "Wie geht es den anderen?"

"Es geht ihnen gut. Sie sind auf dem Weg zur Botschaft." Er räusperte sich. "Der Attentäter konnte ausgeschaltet werden. Es war ein Mensch in einer Art mechanischem Anzug."

"Also, jetzt beginnt die Sache interessant zu werden. Öffne uns einen Tunnel zur Botschaft."

Gaion senkte kurz das Haupt als Zeichen des Einverständnis, dann trieb er mit seinen Kräften eine Direktverbindung zur nahen Botschaft der Millenier.

Ohne zu zögern traten Rei und Juichiro durch das wie heiße Luft flimmernde Feld. Danach trat er selbst ein, und das Flimmern verschwand wieder.

***

Die Botschaft der Millenier stand etwas abseits. Und das wollte im Millionenmoloch Tokio schon etwas heißen. Etwa abseits bedeutete in diesem Fall: In einem Wohnviertel. Die Millenier hatten einiges investiert, um einerseits das Grundstück für ihr Projekt zusammen zu bekommen und bei den Stadtplanern durchzusetzen, andererseits investierten sie viel Zeit, Arbeitskraft und Geld in die Errichtung der Botschaft. Und so erstreckte sich nun auf einem halben Quadratkilometer der grobe Rohbau eines Turms, der fertig fünf Spitzen haben würde, die bis in neunhundert Meter Höhe ragen würden, und Platz für über eintausend ständige Bewohner bot. Die Botschaft, eigentlich schon ein eigener Palast, war nicht ohne Grund in dieses Wohnviertel hinein gebaut worden. Eigentlich baute man noch immer daran, und nur die fortgeschrittene Technologie der Millenier verhinderte großmaßstäbliche Lärmbelästigung. Auch zeigten etliche Baufirmen weltweit Interesse an Material, Arbeitsgerät und Experten der Millenier, was eine weitere lukrative Einnahmequelle für das kleine Mondvolk versprach. Ach ja, der Grund: Der Palast stand quasi Tür an Tür mit Usagi Tsukinos Elternhaus. Sie musste nur über die Straße gehen, um es zu erreichen. Das hatten die Millenier natürlich in der stillen Hoffnung konzipiert, dass ihr offizielles Oberhaupt später einmal Mamoru Chiba heiraten und die Präsidentensuite im Komplex beziehen würde. Ähnliches hofften sie auch von den anderen SailorKriegern und ihren Gefährten. Sie mussten es nicht aussprechen, um ihre Intentionen deutlich zu machen. Für Usagi bedeutete es vor allem eines: Ständig an die Verantwortung erinnert zu werden, die sie übernommen hatte. Mehrfach die Welt retten ging eben an niemandem spurlos vorbei, und die Zeit blieb auch nicht stehen. Alles veränderte sich, und wenig blieb längere Zeit so wie es war. Usagi hatte es so jedenfalls leicht, ihren derzeitigen Arbeitsplatz zu erreichen, den sie als Oberhaupt und Repräsentantin des SilverMilleniums natürlich in der Botschaft hatte.

Vor diesem Angebot hatte sie an ein Studium gedacht, aber die Retterin der Erde hatte nicht gerade die besten Noten. Die berühmte Toudai war auf jeden Fall außerhalb ihrer Reichweite, Retterin der Welt hin, Retterin der Welt her. Und ihren möglichen Einstieg ins Berufsleben hatte sie sich auch vollkommen anders vorgestellt; er war ihr sehr willkommen gewesen, keine Frage. Aber normalerweise fing man nicht wie sie gleich in der Chefetage an. Alles andere jedoch wäre für die Millenier undenkbar gewesen. Dennoch, sie waren eventuell dafür dankbar, dass die anderen SailorKrieger und die Mondgeneräle Usagi Tsukino so gut sie es konnten zur Seite standen. Besonders Mamoru tat sich hier hervor und verbrachte jede freie Minute mit ihr. Nicht, dass von ihr verlangt wurde, die Welt zu drehen, oder über Wohl und Wehe von Nationen zu entscheiden. Aber sein umfangreiches Wissen, seine Erfahrung und seine gute Übersicht kombinierten sich hervorragend mit Usagis guter Intuition, ihrem Gespür für Details und Stimmungen, sowie ihrer guten Nase für Menschen. Es ging das Gerücht um, dass sie einen guten Menschen auf tausend Meter nur am Geruch erkannte. Es ging allerdings auch das Gerücht um, dass kein böser Mensch alleine von ihrer Nähe nicht binnen kurzer Zeit zum Guten konvertiert wurde. Zusammen bildeten sie ein wirklich gutes Team, ergänzt und verstärkt von einigen der SailorKriegern, Fachleuten der Millenier und den ehemaligen Generälen der Mondarmeen. Alles in allem eine beachtliche Truppe.

Und ihre Aufgaben waren recht überschaubar. Man bat sie bei internationalen Streitigkeiten einen Kompromiss zu erarbeiten, bei nationalen Konflikten zu vermitteln und ganzen Völkern dabei zu helfen, mittelalterliche Denkstrukturen zu erkennen und zu überwinden. Sie war das gute Gewissen und das fröhliche Lachen der gesamten Menschheit. Gut zu tun war allemal.
 

Veränderungen bedeuteten allerdings nicht, dass alle Menschen mit ihnen einverstanden waren. Veränderungen bedeuteten oft genug, dass man Dinge akzeptieren musste, wenn sie einen nicht überfahren sollten. Manche Menschen versuchten, das zu ignorieren so gut sie konnten.

Für Familie Tsukino bedeutete dies, die Tatsache zu akzeptieren, dass Usagi einen festen Freund hatte, was im Alter von achtzehn Jahren durchaus normal war. Auch die Tatsache, dass Mamoru älter als sie war und bereits studierte, war nicht wirklich ein Problem. Nicht einmal die eigentlich schwer verdauliche Tatsache, dass Mamoru Chiba die Wiedergeburt eines antiken Menschenprinzen war, der als Licht der Erde gewisse repräsentative Funktionen zu erfüllen hatte und über einige recht erstaunliche Fähigkeiten verfügte, die er der Familie bereits vorgeführt hatte. Nachdem offensichtlich geworden war, was wirklich in Usagi steckte.

Was aber wirklich gewöhnungsbedürftig war, vor allem für Vater Kenji, das war die Tatsache, dass Mamoru öfters nicht nur im Haus der Tsukinos, sondern in Usagis Zimmer übernachtete, und das nicht nur, wenn es in der Botschaft wieder einmal später geworden war. Andererseits fürchtete sich Kenji Tsukino vor nichts mehr als jenem Tag, an dem seine Tochter flügge wurde und das Haus verließ. Er hatte die Suite gesehen, die Usagi und Mamoru nach dem Willen der Millenier im Palast beziehen sollten, und das war mehr als eine große Verlockung. Er hatte auch die Wohnungen gesehen, in die er mit Mama Ikuko und Sohn Shingo einziehen sollte, und ein Nein war ihm sehr, sehr schwer gefallen. Vor allem bedeutete ein Umzug in den Palast, dass seine kleine Tochter, das zarte, schwache Wesen, Nägel mit Köpfen machte und Mamoru heiratete. Der junge Chiba war vielleicht die beste Partie, die sie jemals machen konnte, aber leicht fiel es Kenji dennoch nicht, mit diesen Veränderungen umzugehen.
 

Als er an diesem Morgen die Küche betrat, saßen Mamoru, Usagi und Mutter Ikuko bereits am Tisch und plauderten zwanglos miteinander. Im Hintergrund stand ein Bursche mit pechschwarzem Haar in einem gut sitzenden Geschäftsanzug. Das war Aelion, der persönliche Sekretär seiner Tochter, der sie über den laufenden Terminplan auf dem Laufenden hielt, und zudem alles tat, was sonst irgendwie im Haushalt der Tsukinos zu plötzlich anfiel, um sofort vom Vater in Angriff genommen zu werden. Eigentlich mochte Kenji den Geradlinigen, ehrlichen Mann, aber er zeigte es nie. Egal, was Aelion alles für den Haushalt leistete, ihn zu akzeptieren war für Kenji gleichbedeutend mit einem Ja zu einem selbstständigen Leben seiner Tochter. "Morgen", brummte er missmutig.

"Guten Morgen, Oto-sama", sagte Mamoru, bewusst die förmliche japanische Bezeichnung für Vater benutzend. Er erhob sich und ging zur Kaffeemaschine. Mittlerweile wusste Mamoru, wie der Hausherr seinen Morgenkaffee mochte und bereitete ihn entsprechend zu. Alles nur, um bei ihm Punkte zu machen. Kenji musste zerknirscht zugeben, dass er es diesem netten Burschen wirklich schwer machte. Nicht, dass sich Mamoru je beklagt hätte.

Heute jedoch war Kenji in der richtigen Laune für ein wenig Lob. "Danke, mein Junge", sagte er unförmlich und nahm die Tasse entgegen. Ihm entging nicht das kurze freudige Flackern in Mamorus Augen. Er fühlte sich nun ein wenig mehr akzeptiert. Vielleicht war das gut, vielleicht war das schlecht. Aber wenn Kenji ein Teil vom Leben seiner Tochter bleiben wollte, SilverMillenium oder nicht, dann musste er sich bewegen, auch verändern. Auch wenn es ihm schwerfiel.

Usagis Begrüßung fiel wesentlich weniger förmlich aus. Sie widmete sich sofort wieder dem Gespräch mit ihrer Mutter. "...kommen Naru und Umino heute Nachmittag zu Besuch. Umino hat es auf die Toudai geschafft, ist das nicht toll? Mamoru hat schon versprochen, ein wenig auf ihn zu achten..."

Nanu, die kleine Naru etwa nicht? Sie hatte sich doch so intensiv vorbereitet. Vater Kenji runzelte fragend die Stirn.

Usagi lächelte zu ihrem Vater herüber. "Wenn du dich fragst, was Naru machen wird, sie wird sich zur Diplomatin ausbilden lassen. Sie hat sich fest vorgenommen, mir in Zukunft mal zur Seite zu stehen."

"Das ist ein großes Ziel", brummte Kenji in seinen Kaffee. Naru war kein Dummkopf, aber Diplomatin, und dann für das SilverMillenium? Die Schuhe deuchten ihn doch etwas groß, auch wenn ausgerechnet seine eigene Tochter mit dieser Situation anscheinend sehr gut klar zu kommen schien. Und dabei hatte er sie bei aller väterlicher Liebe doch eher nicht zu den Höchstbegabten gezählt. So konnte man sich täuschen. Anscheinend musste ein Mensch nur gefordert werden, um sein verstecktes Potential zu enthüllen.

"Die kenianische Delegation wird sich verspäten, Prinzessin", meldete sich Aelion von hinten. "Das bedeutet, dass Ihr dreißig Minuten für die beiden habt, nicht zwanzig."

Enttäuscht sah Usagi ihren Sekretär an. "Und wenn ich die Technologie-Verhandlungen etwas beschleunige, kriegen wir dann ein wenig mehr Zeit heraus?"

"Wieso machen wir es nicht so: Ich unterstütze Pyramon an deiner Stelle, und du kannst dich dann den halben Nachmittag um Naru und Umino kümmern. Wie klingt das?"

"Das würdest du für mich tun? Mamoru, vielen Dank."

Der Blick, den seine Tochter ihrem Freund zuwarf, war ein einziges Schmachten, das Diabetiker hätte umbringen können. Er konnte nicht verhindern, dass er ein wenig lächelte, zu sehr erinnerte ihn diese Szene an seine eigenen Erfahrungen mit Ikuko. Auch sie beide hatten es anfangs sehr schwer gehabt, auch ohne dass sie Inkarnationen aus den Tiefen der Vergangenheit gewesen waren. Aber er war doch ganz froh, dass er eine ganz bestimmte Regel aufgestellt hatte, an die sich die beiden unbedingt halten mussten: Keine Knutschereien außerhalb von Usagis Zimmer. Denn so ganz konnte er halt doch nicht aus seiner Rolle als ihr Vater raus.
 

Aelion zückte einen Pager und machte sich eine entsprechende Notiz. "Wenn wir Herrn Torah dazu bewegen können, dann an Euer Stelle im Wirtschaftsausschuss mitzustimmen, sehe ich da kein Problem, Mylord."

Mamoru setzte zu einer Erwiderung an, ließ es dann aber mit einem lauten Seufzer. Immerhin war die Anrede Mylord besser als König, oder was auch sehr beliebt bei den Milleniern war, Prinzgemahl.

"Wir können überdies...", begann Aelion, verstummte aber wieder. Er wandte sich der Tür zum Garten zu. Plötzlich trug er einen Dolch in der Hand, der weißlich aufglühte. Die Szene dauerte nur eine Sekunde, dann steckte er die Waffe wieder fort und räusperte sich verlegen.

"Herr Torah ist gerade eingetroffen. Er kommt durch die Vordertür rein."

Es klingelte, und Kenji wollte schon aufstehen und aufmachen, als die Stimme seines Sohnes herüber hallte. "Ich mache auf!" Pause. "Es ist Akira!"

Die Stimme Shingos klang freudig. Er hatte an seinem neuen großen Bruder Mamoru einen Narren gefressen, aber auch an dessen Freunden Motoko, Juichiro und eben Akira. Das lag vielleicht daran, dass er einer der Wenigen war, der wusste, dass die vier Inkarnationen von Menschen waren, die lange vor der Zeit der Ägypter gelebt, geherrscht und Kriege geführt hatten. Seither fragte er sich allen Ernstes, ob er vielleicht auch ein reinkarnierter Mensch des SilverMillenium sein könnte.

"Hallo, Kleiner. Ich wollte zu Usagi und Mamoru", klang die Stimme von Akira auf. Es gab schlechtere Vorbilder für seinen Sohn als Einser-Studenten, fand Kenji. Gerade jetzt, wo er auf die Highschool kam, konnte ihm ein wenig Ehrgeiz nichts schaden, wenn er solchen Beispielen nacheiferte.

"Die essen noch. Komm doch in die Küche."

"Danke." Es dauerte einen Moment, dann stand der weißhaarige Bursche lächelnd in der Tür.

"Akira-san", sagte Mutter Ikuko fröhlich. "Können wir dir was anbieten? Tee, Kaffee?"

"Danke, aber nein. Ich bleibe auch nicht lange."

Shingo schien enttäuscht, als er das hörte, aber er überspielte es mustergültig. Die Nähe der Jungs schien ihn erwachsener zu machen. Wenn ihre Gegenwart nicht auch eine Menge Ärger bedeutet hätte, müsste Kenji eigentlich über all die Freunde froh sein, die Usagi mittlerweile gewonnen hatte.

"Hallo, Akira", sagte Usagi. Sie kniff die Augen zusammen. "Was gibt es für ein Problem?"

Erstaunt registrierte Kenji, das seine Tochter genau ins Schwarze getroffen hatte, denn der Weißhaarige zuckte ein wenig zusammen.

"Keine guten Neuigkeiten. Auf Makoto wurde ein... Wie nenne ich das am besten? Ein Anschlag verübt?"

Erschrocken raunten die Menschen im Raum.

Akira hob abwehrend die Hände. "Es geht ihr gut, und Motoki und Ami auch. Keine Sorge. Aber ich fürchte, unsere ruhige Zeit ist vorbei. Es geht wieder los."

Diese Worte ließen Shingo strahlen. "Ich würde zu gerne an eurer Seite kämpfen, aber leider habe ich nicht eure Kräfte", sagte er.

Akira klopfte ihm auf die Schulter. "Du brauchst keine besonderen Kräfte, um uns zu helfen, Kleiner. Und du musst auch nicht kämpfen. Dafür sind wir mehr als genug, vertraue mir."

"Was ist passiert?", hakte Mamoru nach.

"Wir wurden von einem Menschen in einer Rüstung angegriffen. Wundert mich ohnehin, dass ihr das noch nicht im Fernsehen gesehen habt. Er hatte eine Waffe, die ein paar schöne Löcher durch drei, vier Häuserwände hindurch gebrannt hat. Makoto hat ihn ausgeschaltet, während Motoki und ich ihn abgelenkt haben. Ami hat derweil herausgefunden, dass wir mitten zwischen einem Haufen Messgeräte und Kameras waren, die den ganzen Kampf aufgenommen haben."

"Ein Mensch in einer Rüstung?" Usagi sah betrübt herüber. "Ich dachte, wir könnten jetzt alle in Frieden leben. Ich dachte, wir könnten jetzt alle diese kleinlichen Streitereien beilegen. Die Welt zu einem besseren Ort machen. Ich hatte nicht vor, schon wieder zu kämpfen."

Akira atmete tief aus. "Es kommt manchmal eben anders, als man denkt. Wir haben in zehn Minuten eine Versammlung in der Botschaft. Es kommen alle, die wir erreichen konnten. Wir haben auch Minako und Jeb kontaktiert, doch ich bezweifle, dass sie es schaffen. Sie sind in Osaka. Und Haruka und Michiru hatten nur die Mailbox an."

"Wie schätzt du die Lage ein, auf einer Gefahrenskala von eins bis zehn?", fragte Mamoru ernst.

"Irgendwas um sechsundzwanzig", antwortete Akira.

Der Hausherr erhob sich. "Ich weiß, ihr könnt keine Hilfe von der japanischen Regierung erwarten. Und ich verstehe, in was für einer merkwürdigen Lage ihr euch befindet. Aber seid nicht zu bescheiden, um mich um Hilfe zu bitten. Es mag nicht viel sein, was ich tun kann, aber ich werde es gerne tun."

Mamoru sah erfreut auf. Usagi lächelte über das ganze Gesicht. "Danke, Papa."

"Also, das nenne ich Courage", sagte Akira.

"Danke, Otoo-sama. Vielleicht kommt der Zeitpunkt wirklich. Aber bis dahin werden wir sehen, was wir für euch tun können." Mamoru wandte sich an Aelion. "Drei Wachen für das Tsukino-Haus."

"Verstanden, Mylord."

Beschwichtigend fügte Mamoru hinzu: "Nur solange der Ärger dauert. Das ist etwas, was wir tun können, Otoo-sama, Okaa-sama." Er erhob sich, und Usagi folgte ihm.

"Wir gehen dann jetzt schon mal. Wartet nicht mit dem Abendessen. Es könnte spät werden", rief seine Tochter.

Als sich die Haustür hinter den vier geschlossen hatte, sagte seine Frau: "Wie schnell sie doch erwachsen geworden ist."

"Na, das kann man wohl laut sagen. Etwas zu schnell, vielleicht." Mürrisch widmete sich Kenji der Zeitung. Es wurde vielleicht Zeit, ein paar seiner Kontakte zu benutzen. Immerhin hatte er ebenso eine Pflicht seine Tochter zu beschützen wie alle Millenier zusammen. Und wenn es wirklich auf einen Konflikt mit Menschen hinaus lief, konnte er etwas tun. Ein beruhigendes Gefühl.

"Ich wünschte, ich wäre wie sie", murmelte Shingo leise.

"Wenn du das wegen ihrer Fähigkeiten sagst", mahnte Vater Kenji ernst, "vergiss nicht, wie viel Ärger und Leid sie deshalb haben. Beneide sie nicht. Aber bewundere sie ruhig."

Ikuko begann zu lächeln. "Das waren sehr weise Worte, Papa."

Kenji schnaubte amüsiert. "Ich bin halt ihr Vater. Was erwartest du, Mama?"

***

Kurz schreckte er das Sicherheitspersonal der Millenier auf, als die vier Personen aus dem Tsukino-Haushalt traten, doch sie wurden schnell identifiziert und als berechtigt erkannt. Zielstrebig machten sie sich auf dem Weg zur Nordterrasse. Es versprach ein sonniger Tag zu werden, deshalb war für das Treffen der kleine Park mit den importierten Bäumen nördlich des Turms vereinbart worden.

Neben Akira entstand diffuser Nebel, und aus diesem Nebel entstand SailorMerkur.

"Da bist du ja", sagte er mit warmer Stimme.

Scheu sah sie von ihm fort. "I-ich glaube, wir müssen dringend reden."

"Reden? Jetzt?"

"Nein. Nach der Besprechung. Nachdem wir wissen, womit wir es zu tun haben." Ihre Miene wurde ernst. "Ich habe bei der Polizei nachgefragt. Keiner weiß wohin die Rüstung gebracht wurde. Was mit dem Mann ist, der in ihr steckte. Und wer sie überhaupt abgeholt hat."

"Das klingt nach Ärger. Mehr als ohnehin schon", warf Mamoru ein.

Iskander verschränkte die Hände ineinander und drückte sie nach außen, bis die Knöchel knackten. "Ich habe es nicht anders erwartet."

Schnell erreichten sie den Park. Makoto waren bereits anwesend. Mamoru und Usagi setzten sich an das Stirnende der kleinen Tafel. Akira stand ein wenig abseits, während sich Ami zu Makoto setzte. Gyes traf gerade ein, und hinter sich ahnte Iskander die Aura von SailorMars. Dann war Leth auch nicht mehr weit. Akira rückte auf der kleinen Terrasse einen Stuhl für Ami zurecht. Sie nahm wie selbstverständlich darin Platz. "Danke."

"Minako?", fragte Rei und nahm ebenfalls am Tisch Platz.

"Ist gerade in Osaka, wird aber mit Jedithe, ich meine Jeb Smith noch morgen früh eintreffen", sagte Mamoru ernst. "Außerdem habe ich gerade Nachricht von Haruka und Michiru erhalten. Sie kommen von Shikoku herüber. Morgen oder übermorgen sind sie hier."

"Was ist mit Saturn und Pluto?", hakte Iskander nach.

"Keine Ahnung, wo Setsuna steckt, aber die Hotaru dieser Zeit ist sicher nicht in der Lage, um an Kämpfen teil zu nehmen. Himmel, sie ist erst drei."

"Soweit ich weiß, hat sie das das letzte Mal auch nicht gestört", erinnerte Akira. "Aber wahrscheinlich sollten wir eher um ihre Sicherheit besorgt sein, als ihre Kampfkraft zu vereinnahmen."

"Kluge Worte wie immer aus deinem Mund", sagte Gyes lächelnd. "Aber ich bin sicher, dass der Gegner nichts davon weiß, dass Hotaru im Moment ein Kleinkind ist."

"Wir können uns nicht darauf verlassen", beharrte Akira.

"Wir sollten aber auch nicht mit dem Finger auf sie zeigen und ihre Identität verraten", erwiderte Mamoru streng. "Ich lasse sie von Ytron und Targetia unauffällig beschützen."

"Ytron?" "Ein Millenier, der mir von Pyramon wärmstens empfohlen wurde."

"Apropos, wo ist Pyramon?"

"Er wird sich etwas verspäten. Ich habe ihn gebeten, mit einem Beiboot des Seelenschiffs die Satelliten im stationären Orbit über Tokio auf Manipulationen zu untersuchen."

Iskander nickte zufrieden. "Ich habe es nicht anders von dir erwartet, Mamoru. Du hast das Problem schnell gesehen."

"Eigentlich war es Usagis Idee", erwiderte Mamoru.

"Ich habe mich gefragt, ob unser neuer Gegner bei all der Hightech die er benutzt, ausgerechnet auf Satelliten verzichten wird", sagte die blonde junge Frau. "Und ich habe mir gesagt: Nie und nimmer. Pyramon wird auch überprüfen, ob die Informationen der Satelliten an Stationen gehen, die mit diesen Satelliten eigentlich nichts zu tun haben, für den Fall dass die Hardware nicht verändert, und nur der Informationsfluss angezapft wurde."

"Okay. Das habe ich jetzt nicht erwartet. Da habe ich auch nicht dran gedacht."

Usagi blies wütend ihre Wangen auf. "Wie? Denkst du etwa, ich bin dumm?"

"Oh, das habe ich mal gedacht, vor sehr langer Zeit. Es hat nicht lange vorgehalten", erwiderte Akira lächelnd. "Tatsächlich habe ich nicht erwartet, dass du dich mit Satelliten auskennst."

Usagi errötete. "Man schnappt halt ne Menge auf, wenn man hier arbeitet."

Das war natürlich die Untertreibung des Jahrtausends, denn Usagi arbeitete nicht in der Botschaft der Millenier, sie gehörte ihr. Ohne Abstriche.

Mamoru räusperte sich leise. "Kommen wir zum wichtigsten Punkt unserer kleinen Besprechung: Wurdet ihr gewarnt, bevor ihr angegriffen wurdet? Makoto?"

"Nein. Ich wich dem ersten Schuss aus, die Jungs kamen mir zu Hilfe, ich verwandelte mich, der zweite Schuss kam, und dann habe ich ihn fertig gemacht. Keine Warnung, kein Hinweis, nur ein Angriff aus dem Hinterhalt." Sie seufzte. "Da hat es jemand todernst gemeint."

"Und dieser jemand hat versucht, jedes Detail, jeden Moment aufzunehmen", merkte Merkur an. "Es besteht die Möglichkeit, dass sie versuchen werden, die Rüstungen gegen deinen Donnerschlag zu wappnen, Makoto."

"Ach, wirklich?" Das große braunhaarige Mädchen schien zu lächeln, doch die pochende Zornesader auf ihrer Stirn ruinierte den Eindruck schnell wieder. "Das sollen sie mal versuchen."

"Vielleicht wird es auch Zeit für... Wie habt Ihr das genannt? Ein Power-Up", sagte Iskander ernst

"Power-Up?", fragte Usagi.

"Na, jedes mal wenn Ihr einen neuen Gegner hattet, haben sich Eure Fähigkeiten, Eure Techniken weiter entwickelt, oder etwa nicht? Der Silberkristall oder eines deiner Zepter war der Auslöser, Usagi."

"Ach das." Die junge Frau lächelte. "Keine Ahnung, wie ich das auslösen kann."

"WAS?"

Erschrocken zuckte sie zusammen, als Akira brüllte. Verlegen drückte sie die Zeigefinger aufeinander. "Aber... Aber... Es war doch immer Königin Serenity, die dieses Power-Up ausgelöst hat. Ich weiß gar nicht, wie ich das machen soll."

"Entschuldige, Usagi, ich wollte nicht schreien. Die Königin Serenity? Aber sie... Okay, sie ist tot, doch trotzdem haben wir sie in den Trümmern des SilverMilleniums gesehen. Können wir sie finden und fragen?" Hoffnungsvoll sah Iskander ins Rund.

"Vielleicht ist es für ein Power-Up noch zu früh. Wir kennen noch zu wenig über unsere Gegner und kennen seine Kraft nicht. Seine Energie, seinen Einfluss." Mamoru schüttelte ernst den Kopf. "Wir dürfen ihm nicht zu viel zeigen."

"Dann sind wir uns also einig, dass wir in Gefahr sind?", fragte Yuichiro ernst.

Die Anwesenden nickten einer nach dem anderen.

"Und es hat gerade erst angefangen", sagte Akira unheilvoll.
 

Aellion kam schnellen Schrittes näher. "Endymion-sama, wir haben den Angriff analysiert. Es besteht Gefahr. Die Energieplasmawaffe des Rüstungsträger kann eine SailorKriegerin verletzen, eventuell töten. Ich empfehle nachdrücklich, die SailorKrieger und die Generäle nicht aufzusplitten."

Gyes blinzelte mehrmals. "Und das heißt?"

"Das heißt, das wir alle heute Nacht in der Botschaft bleiben werden", sagte Mamoru ernst, "und auf die Ankunft der anderen warten."

Aellion neigte bestätigend das Haupt. "Die Garde der Botschaft wird die Bewachung übernehmen. Unsere Kontakte in den Behörden und die diplomatischen Kanäle zur UNO laufen bereits heiß, um diese heikle Situation ohne einen weiteren Schuss zu klären. Wenn eine staatliche Einrichtung für diesen Angriff verantwortlich ist, werden wir sie enttarnen und zwingen, damit aufzuhören." Der Millenier schlug sich martialisch mit der Rechten an die Brust. "Fürchtet Euch nicht, Prinzessin Serenity. Die Garde wird Euch alle mit ihren Leben beschützen."

"Das heißt aber nicht, dass wir deswegen gleich eine Sterngucker-Party machen", sagte Mamoru mahnend. "Im Gegenteil, wir werden alles daran setzen, um..."

"Sterngucker-Party!", rief Usagi aufgeregt. "Wie lange hatten wir das denn schon nicht mehr?" Mit strahlenden Augen sah sie ihren Freund an. "Können wir dafür auf den Südbalkon gehen? In fünfhundert Metern Höhe haben wir bestimmt einen tollen Blick auf den Sternenhimmel! Und da Jupiter sowieso gerade am Nachthimmel steht..."

Mamoru seufzte entsagungsvoll. "Okay, der Spaß kam wirklich viel zu kurz in letzter Zeit. Warum nicht mal etwas für unser Vergnügen tun? Die Gefahr läuft uns sicher nicht weg."

Begeistert stimmten die anderen Mädchen zu. Die Aussicht auf dem Balkon war ja bereits atemberaubend, aber Nachts wurde sie zu etwas ganz Besonderem.

Iskander löste seine Verwandlung auf. "Es klingt so schlecht nicht, wenn wir die mächtigsten Wesen dieser Welt an einem Punkt konzentrieren. Meinetwegen." Er nickte in die Runde. "Ich suche mir eine Arbeitsfläche in der Botschaft und werde dort ein wenig lernen."

"Und das sagt er mit solcher Leichenbittermiene", raunte Gyes Mamoru zu. "Dabei freut er sich doch sicher auf die Gelegenheit, ein wenig mehr Zeit mit Ami zu verbringen."

Die junge Frau errötete leicht bei diesen Worten.

Mamoru runzelte die Stirn. "So? Was auch immer." Er erhob sich und ging Richtung Turm. "Wir haben einen Termin, Aellion!"

Der Millenier folgte ihm auf dem Fuß.

"Na sowas. Ich hätte da schon etwas mehr Interesse von seiner Seite erwartet. Oder bin ich der Einzige, der denkt, dass ihr zwei mittlerweile sehr gut miteinander auskommt?"

Merkur erhob sich mit gesenktem Kopf. "Wir... sind nur gute Freunde!" Hastig verließ sie die Terrasse Richtung Turm.

Makoto klopfte ihm mitleidig auf die Schulter. "Das nennt man dann wohl im Volksmund einen gravierenden Fehler, Motoki. Du hast zwar bemerkt, dass die beiden gut miteinander auskommen, aber du hast nicht gesehen, dass es zwischen den beiden auch kriselt."

"Kriselt? Wieso?"

"Wenn wir das wüssten", seufzte Rei, "dann wäre uns allen wohler. Aber wahrscheinlich ist ihr der eigene Dickkopf im Wege."

"Oder sie fühlt sich doch verpflichtet, für Iskander da zu sein, weil er ihr Leben gerettet hat", fügte Makoto an.

"N-nein, das...", begann Usagi, verstummte aber sofort wieder. Als die Blicke der anderen auf ihr ruhten, schaute sie verlegen zu Boden. "Oh, das ist nicht gut. Vielleicht habt Ihr Recht. Mehr als Ihr ahnt."

"Mehr als wir ahnen? Schon gut, ich will es gar nicht wissen. Wir haben schon genügend andere Probleme, da müssen wir nicht mit Gewalt noch mehr herauf beschwören", schloss Rei. "Und vielleicht klärt sich ja alles oben auf dem Balkon."

"Schön wäre es ja", seufzte Usagi.
 

3.

Eine der herausragendsten Eigenschaften von Menschen war es schon seit jeher, in besonders angespannten Zeiten Momente der Entspannung zu finden. Nun, es war eher eine Eigenschaft jener, die weder die Nerven verloren noch in Agonie verfielen, deshalb musste die kleine improvisierte Feier auf dem Balkon unter "positiv" gewertet werden. Unter Motokis halbwegs fachkundiger Führung hatten sie Spaß daran, den Sternenhimmel zu erforschen. Nebenbei verspeisten sie süße Snacks und alkoholfreie Säfte; den Jungs hatte Aellion unauffällig ein wenig Sake besorgt. Nur für den Fall, dass sie ein wenig Lust auf den traditionellen japanischen Reiswein verspürten. Generell tranken sie ohnehin nicht viel, und deshalb wurde hier und da nur ein Glas geleert.
 

"Und warum sieht man das Kreuz des Südens nicht von hier aus?", fragte Usagi neugierig.

"Das sagt schon der Name. Es steht zu weit im Süden. Wir können es auf der Nordhalbkugel erst sehen, wenn wir uns bis auf fünfundzwanzig Breitengrade dem Äquator genähert haben", erklärte Motoki.

"Oh, das ist aber schade für uns."

"Ach, im Gegenzug können die Menschen auf der Südhalbkugel den Großen Wagen nicht sehen. Ich finde, das ist mehr als gerecht."

Skeptisch sah Usagi den Freund an. "Was du in Wirklichkeit sagen willst, ist doch, dass man im Leben nicht alles haben kann, oder?"

"Richtig, das stimmt", lachte Motoki. Er deutete nach oben. "Schaut mal, der helle Punkt da, das ist Jupiter."

"Wo?", rief Makoto aufgeregt und stürzte an das Geländer des Balkons.

"Da, der große helle Stern. Ich habe ein Teleskop vorbereitet. Wenn du da durchschaust, kannst du sogar den berühmten roten Fleck sehen. Man nennt ihn allgemein Auge des Jupiters, aber eigentlich ist es nur ein Sturmtiefdruckgebiet, das seit ein paar Hundert Jahren existiert."

"Ein Sturmtiefdruckgebiet?" Verlegen legte Makoto die Rechte hinter den Kopf. "Ich gebe zu, ich weiß nicht allzu viel über meinen eigenen Planeten."

"Kein Problem. Ich frage Pyramon, ob er uns mit einem der Beiboote des Seelenschiffs einen Ausflug zum Jupiter organisieren kann. Dann können wir uns den größten Planeten des Sonnensystems und seine fast vierzig Monde aus der Nähe anschauen." Motoki räusperte sich. "Genauso interessant wie die astrophysikalischen Fakten sind auch die mystischen. Der Name Jupiter geht zurück auf den römischen Obergott Jupiter, dem Vorsteher des Pantheons. Aber er ist nur ein assimilierter Zeus der Griechen. Zeus wiederum wurde von den Griechen als Obergott aller Menschen angesehen. Wann immer die Griechen auf eine Kultur trafen, die ebenfalls ein Götter-Pantheon verehrten, identifizierten sie den obersten Gott als Zeus. Das war in Ägypten mit Osiris der Fall, so haben sie es mit dem babylonischen Gott Baal gehalten, und schließlich und endlich auch mit dem indischen Gott Vishnu. Irgendwo verborgen in der Zeit gab es vielleicht einen gemeinsamen Ursprung all dessen." Motoki seufzte und stellte das Teleskop auf den Jupiter ein. "Die alten Griechen waren der Meinung, dass die Götter, also Zeus, Ares, Hera, und wie sie alle hießen, tatsächlich gelebt hatten, bevor sie zu Göttern wurden. Alexander der Große verstand sich mütterlicherseits als Nachfahre des Achilles, und väterlicherseits führte er seine Linie auf Zeus selbst zurück. Und wie wir heute wissen, ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass es tatsächlich einmal Menschen gab, die diese Namen trugen und zu Göttern würden. Mein Name Gyes zum Beispiel fand Jahrtausende nach meinem Tod Verwendung für die Legende der Hekatoncheiren, den drei Brüdern mit den Hundert Händen, die Zeus geholfen hatten, die Titanen einzusperren. Leths Name, oder vielmehr seine Legende, keinen Stein auf dem anderen zu lassen, wurde die Naturgewalt des Flusses Leth im Hades. Wasser, das dich alles vergessen lässt, wenn du es trinkst."

"Das habe ich gehört, Hunderthänder", klang Yuichiros amüsierte Stimme auf. Rei, die neben ihm saß, kicherte leise.

Motoki grinste breit. Seine weißen Zähne glänzten dabei im Licht der Sterne. "Und unser Freund Iskander... Nun, sein Name wandelte sich im Laufe der Jahrtausende ein wenig. Es gab Varianten wie Alexander, Alixander, Alik, Alix, Iska, Iskender... Doch alle hatten eine Grundbedeutung. Einer, der sich wehrt und andere beschützt. Ich denke, damit haben sie dich ziemlich gut getroffen, Aki... Akira?"

"Psst", machte Usagi leise. "Erkläre einfach weiter und lass die beiden in Ruhe." Sie deutete mit einem Nicken zu den beiden Schatten an der Westecke des Balkons.

"Oh", machte Motoki. Ein Lächeln stahl sich auf seine Züge. "Und so hielten wir mehr oder weniger unfreiwillig Einzug in die griechische Mythologie, genau wie dein Vater aus dem SilverMillenium, Usagi. Ikakles' Name erfuhr eine Spaltung. Einerseits war er Bestandteil des Namens Herakles, der auch Herkules genannt wird, eines großen Helden und Sohn des Zeus. Andererseits deutet der erste Namensbestandteil Ika auf den Jungen Ikarus hin, den Sohn des Baumeisters Daedalus, der mit seinem Sohn der Haft der Minoer entfliehen wollte und deshalb Flügel aus Wachs und Federn bastelte. Der Legende nach stieg Ikarus immer weiter gen Sonne, bis diese das Wachs schmolz und Ikarus zu Tode stürzte. Passt alles ziemlich gut auf das Schicksal von Ikakles, was? Sagt mal, hört ihr mir überhaupt zu?"

"Was ist falsch daran, wenn wir versuchen zu hören, was sich die beiden erzählen?", fragte Rei mit unschuldiger Stimme.

"Sie wird es euch doch hinterher sowieso erzählen", erwiderte Motoki. "Oder etwa nicht?"

"Irgendwann wird sie das tun. Sie wird es müssen", sagte Rei resolut. "Okay, fahr fort, Motoki. Gibt es auch Spuren unserer Existenz in der griechischen Mythologie?"

Verlegen kratzte sich der Student an der Schläfe. "Gewisse Hinweise gibt es da schon. Die Göttin Artemis, die Bogenschütze war, zum Beispiel, erinnert sehr an deinen Feuerbogen. Und Hotarus Stabklinge finden wir..."
 

Gut hundert Meter weit entfernt standen Ami und Akira beisammen und sahen sich den Sternenhimmel an. Die junge Frau hatte sich auf den breiten Sims des Geländers gesetzt. Akira lehnte neben ihr und starrte über den Rand in die Tiefe. "Du wolltest mit mir reden, Ami-chan."

"Ja. Nein, ich... Ja, ich wollte, aber..." Sie wandte den Blick von Akira ab. "Es ist schwierig zu erklären."

Ein eiskalter Stich fuhr durch Iskanders Herz. "Nein, bitte sag mir nicht, dass du..." Er stockte. Das war nicht fair. Wenn seine dunkelsten Befürchtungen wahr wurden, wenn sie die Beziehung mit ihm beenden wollte, dann hatte er kein Recht dazu, sie auf irgendeine Weise dazu zu zwingen, trotzdem mit ihm zusammen zu bleiben. Weder mit Worten, noch mit Taten. "Sag mir nicht, dass du neue Erkenntnisse über den Angriff hast."

Mit einem lauten Seufzer fiel sie nach hinten und streckte sich auf dem breiten Balkongeländer aus. "Akira, manchmal bist du wirklich nicht sehr hilfreich." Sie seufzte erneut. "Was ich dir sagen wollte, war..."

Akira fasste sich ein Herz. Letztendlich hatte er jedes einzelne Wort ernst gemeint, das er damals zu Yuichiro und Motoki gesagt hatte. Was sollte das für eine Liebe sein, zu der sie sich zwingen musste?

Letztendlich liebte er sie sehr. So sehr, dass er ihr Glück über alles stellte, auch sein eigenes Glück, auch sein eigenes Leben. "Vielleicht sollten wir diese Farce endlich einstellen", sagte er mit matter Stimme. "Ich bin es müde, den anderen etwas vorzumachen."

Erfreut hob Ami den Kopf. "Ja, das denke ich auch. Machen wir... Schluss damit. Wir müssen einen Schlussstrich ziehen."

Resignierend ließ Akira den Kopf hängen. Verdammt, er hasste es, wenn er Recht hatte. "Vielleicht sollten wir mit den heimlichen Treffen aufhören. Ich meine, ganz aufhören."

Ami nickte bestätigend. "Ganz und gar richtig. Zum Teufel mit den heimlichen Treffen."

Akira fühlte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte. Was hatte er Ami angetan? Was hatte er an ihr verbrochen? Und warum hatte er das nie gemerkt? Hatte er sie gezwungen, in seiner Nähe gefesselt, mundtot gemacht? "Und dann sollten wir vielleicht erstmal getrennte Wege gehen", sagte er ernst.

"Richtig. Getrennte Wege... Was?"

Akira sah in ihre Richtung. "Ich habe gehört, dein alter Jugendfreund kommt zu Besuch. Dieser Ryo Uwara, der damals einen Splitter des Regenbogenkristalls in sich getragen hat. Rei hat mir erzählt, dass du in den eine Zeitlang verknallt warst. Es gibt sicherlich Schlechtere."

Entsetzt setzte sich die junge Frau auf. "Ryo? Wieso Ryo? Akira, wovon redest du?"

"Ich will dir deinen Freiraum lassen. Es ist sicher besser so."

"Freiraum? Okay, ich war eine Zeitlang wirklich richtig verschossen in ihn, aber das ist lange her. Wir sind nur Freunde. Er hat gar nicht das Kaliber, um mein fester Freund zu sein. Es muss schon jemand sein, der mindestens einmal die Welt gerettet hat."

Bevor Akira aus diesen Worten Hoffnung schöpfen konnte, sah er etwas vor dem Tor der Botschaft aufblitzen. Es war genau elf Minuten nach Mitternacht, und dem Gesetz der Physik folgend, nach der das Licht mit der höchsten Geschwindigkeit im Universum reiste, folgte der Plasmaschwall, auf den Balkon gezielt, nur einen halben Herzschlag später. Akira hatte kaum die Zeit, einen Arm um Amis Hüfte zu legen und sie mit sich fort zu ziehen, da barst bereits das Geländer des Balkons, wurde auf einer Breite von drei Metern pulverisiert.

Alarm gellte auf.

"Bist du in Ordnung, Ami?", rief Akira panisch.

Die junge Frau schüttelte benommen den Kopf. "Ich... Ja, es geht mir gut. Wir werden angegriffen, oder?"

Akira ließ sie los und erhob sich. Er zückte den Zeigestift, und ließ ihn in seiner Hand auf die Größe einer Reitgerte heran wachsen. "Ich kümmere mich darum." Einen Augenblick später setzte seine Verwandlung in den Mondkrieger Iskander ein.

Drüben beim Picknick verwandelten sich die anderen ebenfalls. Akira wusste, wie der Notfallplan aussehen würde: Die Wachen der Millenier würden versuchen, die Angreifer auf dem Vorplatz zu stoppen. Gelang das nicht, dann würden sie sich ins Gebäude zurück ziehen und auf Verstärkung warten. Wurde das zu riskant, würden sie über den von SailorUranus getriebenen Tunnel zum SilverMillenium auf dem Mond zurückkehren. Aber so weit war es noch lange nicht. "Es dauert nicht lange. Bleib hier oben, Ami."

"So hast du dir das gedacht, Hm?", erwiderte sie. "Macht des Merkur..."

Akira stieß sich ab, über den Rand des Balkons hinaus. Wenn er sich beeilte, war diese Gefahr beseitigt, bevor auch nur eine SailorKriegerin eingreifen musste. Der Plasmablast war eine eindeutige Visitenkarte gewesen. Sie hatten es mit mindestens einer Rüstung zu tun, die sie bereits am Morgen attackiert hatte. Verdammt!
 

"AKIRA!", gellte die Stimme von Motoki auf. Der ehemalige General des Mondes drehte sich im Fallen in Richtung des Rufenden. Er erkannte den verwandelten Gyes, der gen Himmel deutete. Akira folgte der Hand, und erschrak. Zwei Transporthubschrauber waren illegal in den Luftraum der Botschaft eingedrungen. Sie warfen Rüstungen ab, die auf dem Balkon landen würden. Mist, Mist, Mist, wie dumm konnte ein einzelner Mensch nur sein? Er konzentrierte seine Kraft, wollte zurück auf den Balkon springen, da erinnerte ihn etwas daran, dass er sich bereits für eine Richtung entschieden hatte, bevor er gesprungen war.

Tuxedo Masks Spazierstock bohrte sich für eine Viertelsekunde schmerzhaft in seine Seite, drückte ihn aus der Bahn, dann rauschte ein Plasmablast heran, verfehlte den General nur knapp. Dafür zerfraß er Tuxedos Spazierstock beinahe gänzlich.

Akira wirbelte herum, sah auf den Boden. Acht Rüstungen wie jene, die er bereits kennen gelernt hatte. Seine Brust schmerzte, sein Magen zog sich krampfartig zusammen bei dem Gedanken, Ami da oben zurück zu lassen, aber er musste vertrauen. Vertrauen, dass die SailorKrieger und Motoki, der ebenfalls noch oben war, mächtig genug waren, um diese feige Attacke zu überleben. Neben und hinter sich sah er Mars, Jupiter und Leth, die dem Boden entgegen fielen. Das machte nur noch Motoki, Ami und Usagi für den Balkon. Usagi war ihre mächtigste Gefährtin, das durfte er nicht vergessen. Andererseits brauchte es nur genügend Hunde, um einen Bären zu fällen.

Ein weiterer Blast zielte auf ihn. Mit seinen durch die Verwandlung geschärften Sinnen war es diesmal ein Leichtes für ihn, den Plasmablast zu erkennen. Aber diesmal wich er nicht aus. Sie brauchten Gewissheit über die eigene Stärke. Er wehrte den Blast mit dem Zeigestab ab, maß seine Kraft mit ihm, und wischte ihn dann, kurz bevor er überwältigt zu werden drohte, die rohe Energie durch pure Kraft an sich vorbei in den Sternenhimmel.

Dann landete er hart auf beiden Beinen auf dem Vorhof. "Sie können uns gefährlich werden!", rief er ernst. "Seid vorsichtig!"

"Die Sicherheit der Millenier hat Vorrang!", rief Mamoru zurück. Noch trug er seine Maske als Tuxedo Mask, noch hielt er sich an das was sie besprochen hatten, zeigte dem Feind nicht zu viel von ihrer Kraft. Aber Akira war sich sicher, bevor er auch nur einen Millenier oder Freund sterben ließ, würde er die mächtige Verwandlung in Endymion vollziehen.

Er selbst hatte noch eine kraftvolle Verwandlung, konnte die Rüstung eines Palastwächters herbei rufen. Diese Rüstung hatte ihm viele Jahre gut gedient, und so manche Schlacht gesehen. Sie würde ihm auch diesmal wieder hilfreich sein, wenn es sein musste. Mit Gewalt zwang sich Akira, auf das Hier und Jetzt zu achten, nicht auf den Kampf zu schielen, der bald auf dem Balkon ausbrechen würde. Vielleicht war es besser so, vielleicht sollte er den dringenden Wunsch, Ami zu beschützen, ablegen. Sie war selbst sehr stark, und sie sollte sich ihm nicht erneut verpflichtet fühlen und sich wegen Schuldgefühlen zwingen, weiter mit ihm zusammen zu bleiben. Das war seine größte, seine allergrößte Angst gewesen, seit Usagi die Welt gerettet hatte. Offenbar war sie wahr geworden.
 

Auf dem Vorhof hatten sich die Millenier verbarrikadiert, aber die Steinsockel, die ihnen Schutz boten, waren gegen die Plasmawaffe nur Makulatur. Die Botschaft wies schon einige Löcher auf, die groß genug waren, um bequem hindurch zu gehen. Akira konnte nur hoffen, dass es noch keine Toten gegeben hatte. Ein Millenier, der von einem Plasmaball erwischt wurde, konnte rückstandslos aufgelöst werden.

Er orientierte sich kurz, suchte die Gegner. Sie standen frei auf der Innenfläche, schossen zwei Blasts und luden dann neu auf. Acht Angreifer, sieben Löcher in der Fassade, zwei Schüsse gen Himmel, einer von ihnen summte unheilvoll im Tonfall des erneuten Ladens. Machte rund sieben noch nicht abgegebenen Schüsse, die Tod und Verderben säen konnten.

"Donnerschlag!" SailorJupiter warf ihre mächtige Hauptwaffe auf den vordersten Rüstungsträger. Der Energieball traf die Rüstung mittig und schleuderte sie meterweit davon. Das letzte Mal hatte Jupiters Angriff die Rüstung bis auf die letzte Naht verschweißt und zu absoluter Bewegungslosigkeit verdammt. Doch diesmal richtete sich die unheimliche Waffe wieder auf. Die Person in der Rüstung hatte erhebliche Mühe dabei, immerhin. Aber Jupiter hatte diesmal nicht gesiegt. Ein neuer Plasmaschwall schoss auf Akira zu, wieder parierte er mit seinem Zeigestock. Das zweite Mal ging einfacher, leichter. Er wusste jetzt, worauf er achte musste. Und nach wenigen Augenblicken hatte sich die Energie des Plasmaballs verzehrt.

"Oh, das will ich auch können!", rief Jupiter neidisch.

Iskander lächelte herüber und wollte dazu etwas sagen, sie motivieren, aufbauen, aber dazu kam er nicht mehr, weil sich dort wo er stand, gleich drei Schüsse kreuzten.

"Iskander!", rief Tuxedo Mask erschrocken. Er ließ seinen Spazierstock neu entstehen und wehrte den vierten Blast auf sich ab, indem er die Kugel gen Himmel lenkte, wo sie als harmloses Lichtspektakel verging.

"Nein!", rief Leth zornig und griff in den Kampf ein.

An der Stelle, wo sich die drei Plasmablitze vereint hatten, glühte der Boden rot vor Hitze, während sich die verdreifachte Energie langsam verzehrte. Iskander war fort.

An seiner Stelle hockte eine Palastwache, die Rüstung weißlich glühend, in der Hand den mächtigen Speer. Langsam erhob er sich, und die Phalanx der Angreifer trat kollektiv einen Schritt zurück. "Das hat weh getan!", rief Iskander wütend. "Verdammt weh getan!" Er wirbelte die Speerspitze nach vorne und entließ die Energie der Waffe zwischen die Angreifer. Der Boden entlang der Flugbahn der Energie wurde einen halben Meter tief zerfurcht und sprengte die Rüstungen auseinander. Zwei Angreifer blieben liegen, doch die anderen rappelten sich auf und feuerten zurück.

Akira, von der Abwehr und seinem eigenen Angriff geschwächt, fiel derweil in sich zusammen, der neuen Attacke schutzlos ausgeliefert.

"Iskander!", rief SailorMars und lief herbei. Sie war dem Hilflosen am Nächsten. Doch bevor sie ihn erreichen konnte, kreuzten sich wieder drei Plasma-Bahnen an seiner Position, und erinnerten die Verteidiger daran, dass die Aufladezeit der feindlichen Rüstungen nicht allzu lang war.

Aus der Helligkeit, die alles verschlungen zu haben schien, schälte sich schließlich eine große, schlanke Gestalt. Sie hielt die Rechte vor sich, wo die restliche Plasma-Energie verpuffte. Es war eine Frau mit schwarzen Haaren und einem langen Zopf. Sie trug bauchfreie, schwarze Lederkleidung, die von einer Rüstung noch weiter entfernt war als die Uniformen der SailorKrieger, aber augenscheinlich ihren Zweck erfüllte. Während sich die letzten Reste des Plasmas zwischen ihren Fingern verflüchtigten, stellte sie zufrieden fest: "Na, da bin ich ja noch mal rechtzeitig gekommen." Sie warf der Gestalt in der Rüstnng einer Palastwache einen zweiten Blick zu. "Du bist neu, oder?"

"Rede weniger und hilf mehr, Starfighter!" Ein Mädchen mit schulterlangen weißen Haaren und dem obligatorischen Zopf erschien gerade hinter der Phalanx der Angreifer. Sie legte eine Hand auf den Rücken der Rüstung, die ihr am Nächsten war, und lächelte gemein. "Mal sehen, was hier drin ist." Sie erfüllte die Rüstung mit ihrer Energie, und plötzlich begann sie sich selbst zu zerlegen, Stück für Stück, Teil für Teil. Drei Sekunden nach diesem ungewöhnlichen Angriff stand ein großer, breitschultriger Mann mit blondem Bürstenhaarschnitt inmitten der Trümmer, die einmal seine Rüstung gewesen waren. Entsetzt begann er zu schreien.

"Ich habe geholfen, Starhealer", mahnte die Schwarzhaarige. "Und ich spiele weniger herum als du."

Mars, die bei Starfighters Auftauchen erschrocken gebremst hatte, starrte die große Frau entsetzt an. "S-Seiya?"

SailorStarfighter deutete spöttisch eine Verbeugung an. "Zu Diensten, SailorMars. Eigentlich wollten wir zur Hausherrin, aber wie es scheint, müssen wir uns unsere Begrüßung erst noch verdienen." Sie deutete auf die Schar Rüstungen, die von dem unwirklichen Vorgang noch immer wie erstarrt waren. "Ihr hattet in letzter Zeit wohl nicht so gute Kritiken, oder?"

"Es ging eigentlich", erwiderte Tuxedo Mask.

***

Auf dem Balkon war Motoki in einer prekären Situation. Merkur hatte sich bereits verwandelt, aber Usagi noch nicht. Die vier Rüstungen, die zu ihnen herab stürzten, feuerten aber bereits. Also stellte er sich schützend vor die Inkarnation der Prinzessin und wehrte den ersten Treffer so gut ab, wie er konnte. Letztendlich musste er ihn ablenken und ins Mauerwerk fahren lassen, weil seine Kraft nicht für eine Absorption oder vollständige Abwehr reichte. Die erste Rüstung landete mit federnden Beinen auf dem Balkon. Sofort schoss sie wieder auf Motoki, der noch immer die sich verwandelnde SailorMoon beschützte. Wieder gelang es ihm nur, den Plasmaschuss abzudrängen. Wenn sie es mit Technologie zu tun hatten, dann mit brandgefährlicher.

Hinter ihm erklang ein Entsetzensschrei. Motoki erkannte die Stimme von Ami. Er warf einen kurzen Blick nach hinten und sah sie neben dem Loch liegen, das der Plasma-Beam, den er selbst abgelenkt hatte, geschlagen hatte. Verdammt. Er hatte eine Gefährtin durch Unachtsamkeit verletzt.

Die Angreifer nutzten den Umstand schamlos aus. Zwei von ihnen zielten auf die am Boden liegende SailorMerkur, während die anderen beiden ihn angingen. "NEIN!", rief er erschrocken, unfähig, seine Position vor SailorMoon zu verlassen.

"Geh beiseite, Gyes!", klang Usagis Stimme hektisch auf. "Ich bin bereits verwandelt!"

Die beiden Rüstungsträger, die Merkur angriffen, feuerten ihre Plasma-Waffen. Motoki wusste, wie stark diese Dinger waren, welches Unheil sie anrichten konnten. "Nein!"

Dann trafen die geballten Kräfte auf Merkur, hüllten sie in eine flammende Aureole ein.

Die Aureole barst, nur um ein hoch gewachsenes Mädchen mit braunen Haaren freizugeben, das schwarze, freizügige Lederkleidung trug. "Eine tolle Begrüßung", stellte es fest. Sie sah zur am Boden liegenden Ami, die erstaunt aufsah.

"Starmaker?"

Die Braunhaarige grinste bestätigend und zeigte ihr mit der rechten Hand das Victory-Zeichen. "Genau dieselbige. Hast du mich vermisst?"

Erleichterung erschien auf Merkurs Gesicht, die schnell von Entsetzen abgelöst wurde. "Pass auf!"

SailorStarmaker sah zurück zu den Rüstungsträgern, die mittlerweile alle auf dem Balkon gelandet waren. Wieder schossen zwei auf sie, aber Starmaker wischte die Angriffe beiseite, als wären es harmlose Insekten. "Mir scheint, ihr wollt unbedingt spielen. Also gut, spielen wir." Sie zog beide Augenbrauen hoch. "Und es wird euch nicht gefallen. Das verspreche ich."

***

"Rückzug!" Eine der Rüstungen winkte, und die anderen sechs Angreifer liefen über den Hof zurück zum Tor. Auch der Angreifer, der seiner Rüstung beraubt worden war, eilte Richtung Straße.

Dort fuhren gerade Polizeiwagen vor.

"Sind es diesmal richtige Polizisten? Was meint ihr?", fragte Makoto nachdenklich, bevor sie sich an die Stirn schlug. "USAGI! Da sind doch noch immer vier Rüstungen auf dem Balkon!"

Bevor sie am Turm der Botschaft hoch springen konnte, hielt Starhealer sie zurück. "Keine Sorge, Jupiter. Hast du vergessen, dass wir zu dritt sind? Starmaker ist längst da oben und hilft."

"Danke. Ihr kommt genau im richtigen Moment", sagte Tuxedo Mask erleichtert.

Vorwurfsvoll sah Starfighter Mamoru an. "So was kann natürlich auch nur dir passieren, Licht der Erde. Hier unten kämpfen, und dein Mädchen oben auf dem Balkon im Stich lassen."

Auf der Straße hatten die Polizisten mittlerweile die Angreifer aus ihren Rüstungen geschält und verhaftet. Eine Abordnung von ihnen wartete respektvoll am Tor darauf, dass die Millenier für sie Zeit hatten.

Oben auf dem Balkon gab es einen mächtigen Lichtblitz, der ihnen selbst hier unten in den Augen schmerzte. Dann herrschte auch dort Ruhe.

"Das war Starmaker", sagte Starhealer zufrieden. "Starfighter, hör auf Usagis Freund zu ärgern."

"Was heißt hier ärgern? Ich spreche nur ein paar Offensichtlichkeiten aus", murrte Starfighter.
 

In diesem Augenblick ging ein Ruck durch Iskander. Er stemmte eine Hand auf den Boden und versuchte sich hoch zu drücken.

"Whoa! Lass es langsam angehen, Junge", mahnte Starfighter. "Der Kampf ist vorbei."

Doch der ehemalige General des Mondes schien ihn nicht zu hören, oder nicht zu wollen. Er stemmte sich weiter in die Höhe, nahm die andere Hand zu Hilfe. "Muss... Ami..."

Beinahe wäre er wieder vornüber gestürzt, doch diesmal war Mars rechtzeitig da, um ihn aufzufangen. "Es geht ihr bestimmt gut", sagte sie hastig. "Wir brauchen nicht mehr zu kämpfen, Akira."

"Nicht?", fragte er verständnislos. Mehrmals griff er sich an den Helm, bis es ihm gelang, ihn über den Kopf zu schieben. "Verdammt." Er bekam einen Hustenanfall, krümmte sich unter den Schmerzen, und verdankte es nur SailorMars, dass er nicht erneut umkippte. "Verdammt!"

"Anscheinend ein schlechter Gewinner, euer Iskander", sagte Starfighter. "So, ich gehe dann mal zu Usagi rauf. Du hast doch sicherlich die Menschenpolizisten im Griff, Licht der Erde. Immerhin bist du hier ja so was wie der Hausmeister, oder?"

Mamoru löste die Verwandlung wieder auf. "Direktor trifft es eher", erwiderte er bissig. Leider hatte Starfighter Recht. Es war seine Pflicht, jetzt für die Botschaft zu sprechen.

Starhealer war indes interessiert näher gekommen. "Nicht, das es mich etwas angeht, SailorMars, aber wollt ihr zwei nicht mal langsam vom rotglühenden Asphalt runter kommen?"

"Oh. Oh! OH! Das sollten wir wohl wirklich besser. Meine Verwandlung hält einiges ab, und mit Feuer kann ich umgehen. Aber wir riskieren besser nichts!" Mars half Akira dabei, sich aufzurichten und stemmte sich unter seinen rechten Arm. "Komm, Akira, nur ein paar Schritte. Verdammt, ist die Rüstung schwer."

"Warte, ich helfe dir", bot Leth an.

"Schon gut, ich mache das." Mit drei schnellen Schritten war Starhealer an Akiras Seite und stemmte sich unter den linken Arm. Gemeinsam manövrierten sie den geschwächten Krieger auf ein Stück Asphalt, das nicht mehr glühte. Dort halfen sie ihm, damit er sich setzen konnte. Noch immer benommen schüttelte er den Kopf. "Verdammt."

"War übrigens ein netter Angriff von dir", sagte Starhealer und deutete auf die Furche, die seine Attacke gerissen hatte, bis hin zu dem Krater, wo der Angriff seine Energie abgegeben hatte. "Da hast du noch etwas Entwicklungsbedarf, aber es steckte richtig Wumms hinter. Übrigens, ich mag deine Haarfarbe."

Akira sah die fremde SailorKriegerin verständnislos an. Mit zittrigen Fingern griff er sich ins eigene Haar. Übergangslos begann er zu lachen, halb zornig, halb verzweifelt. "Verstehe."

Starhealer beugte sich zu ihm herab. Ehrliches Interesse lag in ihren grünen Augen. "Hast du schon einen Namen für die Attacke? Und du bist doch neu, oder? Und warum kann man deine Augen nicht sehen?"

"Nun lass ihn doch erst mal zu Atem kommen", fauchte Mars.

"Oh, entschuldige. Er ist sicher dein Freund, SailorMars."

Leth räusperte sich verlegen. "Nein, das bin ich. Akira... Ich meine, Iskander ist der... Hm, wenn ich es genau überdenke, dann ist er noch zu haben. Hast du Interesse, SailorStarhealer?"

"Du bist auch neu, nicht wahr? Hier ist ja einiges passiert, seit wir SailorGalaxia befriedet haben. Hm, warum beschützt Mars ihn dann so verbissen, wenn er nicht ihr Freund ist?"

"Ich beschütze ihn nicht. Ich passe nur auf ihn auf. Wir halten das eben so", erwiderte sie mit wütender Stimme. "Immerhin haben wir gemeinsam die Welt gerettet, und so."

"Ja, ich habe den Part im Fernsehen gesehen. Schau mal hier her, Iskander. Wie viele Finger siehst du?"

"Habe ich dir nicht gerade was gesagt, Yaten? Nun lass ihm doch mal Luft zum atmen!"

"Drei Finger. Ich sehe drei Finger." Akira fuhr sich mit beiden Händen über sein Gesicht. "Der Balkon. Ich muss hoch."

"Du bist noch viel zu schwach", protestierte Mars.

"Ich nehme den Fahrstuhl." Schwankend entzog er sich SailorMars' Stütze und kam unsicher auf die Beine. "Dagegen ist doch nichts zu sagen, oder, Rei?"

Mars starrte Iskander entsetzt an. Schließlich nickte sie. "Den Fahrstuhl, Akira. Den Fahrstuhl." Sie erhob sich und sah dem wankenden Mann hinterher. "Starhealer, begleitest du ihn? Als Sicherheitschefin werde ich hier unten gebraucht. Ich hoffe, wir hatten keine Opfer."

Starhealers Augen leuchteten auf. "Aber gerne doch. Ich wollte eh zu Usagi auf den Balkon. Und ob ich nun hoch springe, die Treppe nehme, oder den Fahrstuhl, ist ja auch egal. Hoch kommen wir alle!"

Iskander löste die Rüstung auf. Seine blaue Uniform erschien. Er dehnte den Zeigestab auf die Länge eines Kampfstocks und benutzte ihn als Wanderstab. Es ging schon etwas besser, aber er wusste, dass er ohne die Hilfe von Starfighter wohl eher nicht überlebt hätte.

"Nicht so hastig, Großer." Starhealer schob sich wieder unter seinen linken Arm. "Ich will auch hoch. Nimmst du Anhalter mit?"

"Ausnahmsweise", erwiderte Akira mit einem verzweifelten Lachen. Leise fügte er hinzu: "Danke."

"Keine Ursache. Wir stehen alle auf der gleichen Seite." Starhealer legte kurz nachdenklich den Kopf zur Seite. Eine Geste, die Mars und Jupiter misstrauisch beäugten. Schließlich lächelte sie. "Ja, wir sind auf der gleichen Seite."

Die beiden SailorKriegerinnen atmeten erleichtert auf.

"Also komm, Großer. Bis zum Fahrstuhl ist es nicht weit."

Gestützt von Yaten betrat er die Botschaft. Eifrig herbei eilende Millenier, die helfen wollten, wies er ab. Zu der Hoffnungslosigkeit seiner Situation, zum Ende seiner Beziehung mit Ami kam nun auch noch die absolute Ungewissheit, ob ihr etwas passiert war, ob sie noch lebte. Das nagte an ihm, machte ihm Angst. Und am meisten fürchtete er, da hoch zu fahren und selbst nachzusehen.
 

Als der Fahrstuhl auf dem Stockwerk des Balkons angekommen war, konnte Akira wieder ohne die Hilfe von Yaten stehen. Langsam kehrte seine Kraft zurück, langsam konnte er sich selbst wieder auf den Beinen halten. Deshalb löste er sich mit einem Dankeschön von seiner Helferin und trat in den Gang zum Balkon.

Auf dem Balkon selbst erwartete ihn das Chaos. Mehrere Millenier, unter ihnen Gaion, versuchten halbherzig aufzuräumen. Ein Ärzteteam versorgte einen Schwerverletzten. In der Ostecke des Balkons hatte jemand eine Plane über drei reglose Gestalten gelegt. Akira krampfte das Herz zusammen, als er für einen Augenblick ein Stück von Merkurs blauem Rock unter der Plane hervor lugen zu sehen glaubte.

"Akira!", rief Usagi. "Was ist denn mit dir passiert?"

"Oh, das wollte ich gerade erzählen." Starfighter grinste über das ganze Gesicht. "Der Junge ist stark, aber er hat sein Limit etwas überschätzt. Also habe ich mir die Freiheit genommen, ihn zu retten."

SailorMoon klopfte der schwarzhaarigen Starfighter anerkennend auf die Schulter. "Und du hast gut daran getan. Akira hatte bei der Befriedung des Seelenschiffs einen so großen Anteil wie ihr drei bei der Befriedung von SailorGalaxia."

"In den Medien haben sie nichts darüber berichtet", erwiderte Seiya indigniert.

"Wir haben das nicht so an die große Glocke gehängt", sagte SailorMerkur. Sie kam mit Starmaker von der Westseite herüber. "Drei Tote, Taiki."

Die große braunhaarige Kriegerin verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte gering schätzend. "Ja, hätte ich dich sterben lassen sollen? Ich hatte leider keine andere Wahl."

"Ich weiß nicht. Ich meine, du..."

"AKIRA!", schrie Usagi erschrocken auf, als der ehemalige General auf die Knie fiel. Er fing sich mit der Rechten ab und begann würgend zu husten. Die Erleichterung, dass Ami unverletzt war, dass sie noch lebte, schlug über ihm zusammen und beutelte seinen angeschlagenen Körper. Und ein wenig Ärger darüber, dass eine Fremde Ami hatte retten müssen. Schließlich ließ die Kraft seiner Arme nach, und er fiel der Länge nach zu Boden.

"Junge, Junge. In seinem Zustand unbedingt hier rauf zu wollen", hörte er schattenhaft die Stimme von Starhealer, "warum macht er so etwas Dummes?"

Dann kam die gnädige Ohnmacht.

Zugabe 2: Gathering

.

Als Akira erwachte, geschah dies so plötzlich, als hätte jemand in seinem Kopf einen Schalter umgelegt. Er fuhr auf so weit er konnte, wurde aber zurückgehalten. Erschrocken kämpfte er gegen den Widerstand an.

"Lass den Quatsch, Akira", hörte er Mamoru neben sich sagen. "Du hängst noch an den Kabeln des EKG."

"Was?" Verwirrt starrte er an sich herab, sah die Sensorpflaster und die stramm gespannten Kabel auf seiner nackten Brust. "Oh, Mann." Mit einem Seufzer ließ er sich wieder nach hinten sinken.

"An was kannst du dich noch erinnern?", fragte Mamoru und setzte sich auf die Kante des Betts.

Akira erkannte den Raum wieder. Er gehörte zum Krankentrakt der Botschaft, und das EKG, an dem er angeschlossen war, beruhte auf der hochklassigen Millenier-Technologie.

"Der Überfall", antwortete er. "Die Rüstungen im Hof. Und auf dem Balkon bei Usagi und Ami... AMI!" Wieder fuhr er hoch, doch Mamoru hatte damit gerechnet, und drückte ihn wieder in die Kissen.

"Ami-chan geht es gut. Starmaker hat sie gerettet."

"Starmaker?" "Sailor Starmaker. Groß, kräftig, braune Haare, Lederoutfit."

"Sailor Starmaker?"

"Hat mich jemand gerufen?", rief eine fröhliche Stimme. Ein großer, braunhaariger Mann trat ein. Seine Gesichtszüge waren etwas feminin, aber sein Auftritt war definitiv männlich. Hinter ihm kam Ami in den Raum. Ihr folgten ein kleiner weißhaariger Bursche und Juichiro.

Der Braunhaarige trat ans Bett. "Sailor Starmaker, stets zu Diensten, Iskander. War mir eine Freude, dich zu retten."

Der weißhaarige General des Mondes richtete sich wieder in seinem Bett auf, soweit es die Kabel zuließen. "Du... Starmaker?", fragte er.

"Genau die", erwiderte er lächelnd.

Akira starrte den großen Mann ungläubig an, bis er die Frau erkannte, die er zusammen mit Merkur auf dem Balkon gesehen hatte. Wie hatte Ami sie genannt? Taiki. Dieser Mann sah ihr zum Verwechseln ähnlich und erhob den Anspruch, Starmaker zu sein.

Resolut klopfte Akira dem großen Kerl auf die Brust, aber da war nichts, rein gar nichts von der beachtlichen Oberweite zu finden, die er auf dem Balkon gesehen hatte. "Jetzt bin ich verwirrt."

"Oh, das ist einfach erklärt", sagte der weißhaarige kleine Bursche. "Weißt du, als wir das letzte Mal auf der Erde waren, haben wir unsere Prinzessin gesucht, und Seiya, unser Anführer, hatte die großartige Idee, dass ein Mann eine Frau leichter finden würde. Deshalb haben wir uns außerhalb unserer Verwandlung in SailorKrieger transformiert. Zu Männern. Bei einigen ist das ein wenig sehr gut gelungen. Seiya zum Beispiel hätte sich glatt mit seiner neuen Seite als Mann anfreunden können." Der kleine Bursche hielt sich eine Hand vor die Brust. "Ich bin da ja anders. Für mich war es immer eine Verkleidung. Das habe ich nie vergessen. Ach ja, ich bin Starhealer. Aber du kannst mich Yaten nennen, Akira."

Irritiert sah Akira von einem fremden Sailorkrieger zum anderen. Schließlich griff er nach Yatens Brust, aber er fand nicht einmal ansatzweise den Busen, den er bei der weißhaarigen Kriegerin gesehen hatte, die ihn auf den Balkon begleitet hatte.

Yaten errötete. "Das geht mir etwas schnell, Akira."

Nun war es am ehemaligen General des Mondes zu erröten. Wie hatte Taiki es doch genannt? Das männliche Auftreten war eine Tarnung. Und auch wenn die beiden in dieser Form keinen Busen hatten, so waren sie doch Frauen. Nun, zumindest Yaten, der immer noch verlegen war.

Akira räusperte sich vernehmlich und murmelte eine Entschuldigung.

"AH! Jetzt weiß ich es wieder! Ihr seid von den Three Lights!", rief er plötzlich. "Eure Gesichter kamen mir gleich so bekannt vor!"

"Was?" Taiki schien amüsiert. "Selbst nach fast zwei Jahren erinnert man sich noch an uns? Was ist aus dem schnelllebigen Musikbusiness in Japan geworden? Zu unserer Zeit war man als Band schon out, wenn man nicht einmal pro Halbjahr eine neue Single rausgebracht hat."

Akira verneinte mit einer resoluten Geste. "Auf manche Bands trifft das einfach nicht zu. Ich bin nicht gerade ein Fan, aber ich konnte mich mit eurer Musik immer anfreunden. Ich weiß, dass Ihr immer noch populär seid."

"Danke für die Blumen", sagte Taiki erfreut. "Seiya wird sich freuen, wenn wir ihm das erzählen." Er legte eine Hand auf Amis Schulter. "Du hast Recht. Für die Wiedergeburt eines halbverrückten Generals des SilverMilleniums ist er ein netter Kerl."

"Halb verrückt?", fragte Akira argwöhnisch.

"Oh, da habe ich wohl falsch formuliert", beeilte sich Taiki zu sagen. "Ich meinte den damaligen General, der noch blind gekämpft hat. Du bist zweifellos von einem ganz anderen Kaliber, Akira."

"Halb verrückt", echote Akira ärgerlich. Im Prinzip war das richtig. Sein Alter Ego war damals wirklich halb verrückt gewesen. Wegen seiner Verletzung, die sein Augenlicht gekostet hatte, wegen dem frühen Tod von Uranus und Neptun. Wegen Merkurs Tod. Vor allem wegen Merkurs Tod, die er mehr als alles andere geliebt hatte. Und die er immer noch liebte. So sehr liebte, das er bereit war, sie gehen zu lassen, anstatt sie zu zwingen, aus Pflichtgefühl mit ihrem Retter zusammen zu sein.

"Halb verrückt habe ich nie gesagt", beschwerte sich Ami. "Iskander war immer ein großer Krieger, und Akira ist in jeder Facette seine Inkarnation."

Taiki seufzte. "Schon klar. Großer Krieger. So groß, dass er ohne mich beinahe gestorben wäre."

"Und dafür, das du ihn gerettet hast, habe ich mich schon bedankt, Taiki", erwiderte Ami mit einem Anflug von Belustigung. Dabei boxte sie dem großen braunhaarigen Mann spielerisch in die Seite, was dieser mit einem gespielten Schmerzenslaut quittierte.

Akira fühlte sich, als würde er durch ein großes, schwarzes Nichts fallen. Verstanden die beiden sich einfach nur gut? Oder war da mehr? Vielleicht viel mehr? Damals, beim Kampf gegen SailorGalaxia, hatten die beiden etwas gehabt, was selbst über Amis Verbindung zu diesem Ryuji hinaus gegangen war? Langsam aber stetig begann sein Herz zu brechen. Okay, so hatte er es gewollt. Dass Ami glücklich wird, ohne ihn lieben zu müssen. Aber den Vorsatz haben, ihn umzusetzen, und dann zuzusehen wie er Wirklichkeit wurde, das tat weh, entsetzlich weh.

Matt ließ er sich wieder in seine Kissen sinken. "Ich bin etwas müde. Wärt Ihr so freundlich, und lasst mich etwas schlafen?"

"Oh. Oh, ja, natürlich." Taiki wandte sich zum gehen. "Yaten, Ami."

Die junge Frau schüttelte den Kopf. "Ich bleibe noch ein wenig."

Yaten hob beide Augenbrauen. "Ich wollte auch noch ein wenig bleiben."

Akira winkte ab. "Dazu besteht kein Grund. Ich bin nicht halb tot. Ich bin nur erschöpft. Was bringt es schon, einem geschundenen Schlafenden zu beobachten? Geht, Leute, geht und kümmert euch um die Rüstungen. Die kommen wieder. Und dann werden es mehr als zehn sein."

"D-das klingt plausibel. Ich bin mit meinen Analysen der Rüstungen, die wir erobert haben, auch noch nicht fertig", sagte Ami. "Aber das kann ruhig noch ein wenig warten. Wenn ich..."

"Ami", mahnte Akira, "wir sind nicht zusammen. Du bist nicht verpflichtet, deine Zeit an mir zu vergeuden. Ich denke, dass du eine Pflicht dem SilverMillenium gegenüber hast. Also gehe ruhig und analysiere diese Rüstungen."

Konsterniert sah die junge Frau Akira an. "Ja, wir sind nicht zusammen. Und ich habe eine Pflicht zu erfüllen. Komm, Taiki." Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Krankenzimmer.

"Kann ich noch bleiben? Ich habe nichts zu analysieren", meinte Yaten hoffnungsvoll.

"Es gehen alle", bestimmte Mamoru. Er deutete schweigend auf die Tür, und die anderen folgten der Geste. Yaten murrend, Taiki mit einem Schulterzucken.

Schließlich verließ Mamoru selbst den Raum.

Juichiro, der sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatte, wollte auch den Raum verlassen, doch er hielt kurz noch inne. "Du hast acht Stunden geschlafen. Ami hat die ganze Zeit neben deinem Bett gesessen, bis wir sie überreden konnten, sich wenigstens etwas frisch zu machen. In genau dieser Zeit bist du natürlich aufgewacht."

"Wie nett von ihr."

"Ja, das war es wohl. Und ich denke, sie hat eine bessere Behandlung verdient als jene, die du ihr gegeben hast."

"Ja, das hat sie wohl", seufzte Akira. "Ich versuche es, aber es ist schwer."

Juichiro kniff nachdenklich die Augen zusammen. "Aus dir soll einer schlau werden, Akira." Auch er verließ den Raum, ließ den ehemaligen General mit seinen Gedanken allein.

Ami, hatte sie wirklich acht Stunden an seinem Bett gesessen? Wie sehr musste sie sich ihm verpflichtet fühlen, um derart ihre Zeit zu verschwenden, auf ihn, einen Mann, der nichts weiter getan hatte als ihr Leben zu retten? Sein Herz fühlte sich an wie ein Stein, und seine Kehle zog sich zusammen. Am liebsten hätte er geweint, aber irgendwie schien er keine Tränen zu haben. Er hatte Ami hergegeben, vielleicht an Taiki. Alles war besser, als sie aus einem Schuldgefühl heraus an sich zu binden. Eine Zeitlang hatte er geglaubt, es könne funktionieren, sie könnten einander wirklich lieben. Aber ihre zurückhaltende Art in den letzten Wochen hatten ihm das Gegenteil bewiesen. Sie liebte ihn nicht. Nicht so, wie er sie liebte. Sie tat all das nur aus Pflichtgefühl, und ein geringerer Mann als er hätte das angenommen. Aber er nicht. Nicht ein ehemaliger General des Mondes, der die schrecklichsten Schlachten gesehen hatte. Nein, er würde diesen Kampf gewinnen, und Ami zu ihrem wahren Glück verhelfen.

Als sich die Tür öffnete, war Akira zu tief in Gedanken, um es zu bemerken. Erst als sich jemand neben seinem Bett räusperte, fuhr er auf.

Verlegen hielt Yaten ihm ein Tablett hin. "Ich hatte gerade nichts zu tun, und da dachte ich mir, bring ihm doch besser was zu trinken und zu essen."

Akira starrte auf das Tablett. Dort standen eine Flasche mit Eistee und ein Teller mit drei großen Onigiri. Verdutzt sah er von der Mahlzeit zu Yaten. "Danke."

"Ist mein ganz besonderer Service für alle Menschen mit weißen Haaren", erwiderte der SailorKrieger lächelnd.

Akira griff nach dem Eistee, und fühlte für einen Augenblick so etwas wie Erleichterung. Es konnte aber auch Hunger sein.

***

Superintendent Kabuto betrachtete wütend den jungen Amerikaner vor sich. Er und seine sechs Kameraden hatten sich einem der schlimmsten Verbrechen schuldig gemacht, das die Diplomatie kannte: Dem Angriff auf das autarke Staatsgebiet einer befreundeten Macht. Schlimmer noch, sie hatten ausgerechnet das SilverMillenium angegriffen, jene Institution, der die Welt in ihrer Gesamtheit ihre Existenz verdankte. Kabuto verkündete es weder lauthals auf der Straße oder vertraute es seinen Untergebenen an, aber er war ein Fan und Verfechter des SilverMilleniums. Deshalb war er auch recht froh, dass die Botschaft in seinem Zuständigkeitsbereich errichtet worden war. Sie mussten dem SilverMillenium so viel zurückgeben. Sie alle. Und dann kamen so ein paar Idioten in irgendwelchen Hightech-Rüstungen, führten sich auf als wären sie aus einem Marvel-Comic entkommen und griffen ausgerechnet Serenity an! Das war das Schlimmste, das Allerschlimmste in seinen Augen; mochte die junge Usagi Tsukino auch ein wenig naiv sein, mochte sie auch nicht die Aufnahmeprüfung für die Toudai bestehen können, als moralische Instanz, als Vorbild war sie mehr als genug. Bei sich hoffte Kabuto, dass hunderttausende japanische Mädchen ihrer Beherztheit, ihrem Mut und ihrer Hingabe nacheifern würden. Was würde das für eine glorreiche Zukunft bedeuten.

Und dieser junge Bursche, der zweifellos mit dem Shibuja-Zwischenfall zu tun hatte, der einem harmlosen Passanten einen Arm gekostet hatte - von den acht Millionen Yen an Sachbeschädigungen wollte er gar nicht erst reden, denn es hätte tausende Tote geben können - trat all das mit den Füßen. Er hätte dem Burschen ins Gesicht schlagen können, wenn er jünger, fitter und verdammt noch mal nicht so ein anständiger Kerl gewesen wäre. Dennoch, es reizte ihn mittlerweile sehr, denn der Bursche bekam den Mund nicht auf. Und dabei sprach Kabuto auf Englisch, Französisch und Deutsch mit ihm, und er war drauf und dran, jemanden kommen zu lassen, der italienisch oder spanisch konnte. Nein, die Sprache war nicht das Problem. Seine vier Jahre im amerikanischen Ausland hatten ihn akzentfreies Englisch gelehrt. Der Kerl verstand ihn, aber er ignorierte den Superintendenten.

"Okay, ein letzter Versuch. Sie sind mit illegalen, scharfen Waffen, einer militärischen Ausrüstung und unter Brechung von mindestens einem Dutzend internationaler Verträge auf die Botschaft des SilverMilleniums eingebrochen. Dort haben Sie zum Glück nur Sachbeschädigung im Wert von zwei Millionen Yen verursacht. Aber Ihr Vorsatz war sicherlich, Millenier zu töten. Der Abwurf von weiteren Rüstungen auf den Aussichtsbalkon ist für mich ein Indiz, dass Ihr sogar SailorMoon töten wolltet." Wütend sah er den Burschen in die Augen, der nun teilnahmslos zur Seite blickte.

"Nicht in meinem Bezirk!", zischte Kabuto. "Nicht in meiner Stadt! Nicht in meinem Land!"

Dies löste endlich eine Reaktion aus. Der Mann, eindeutig ein durchtrainierter Soldat, lächelte scheinheilig. "Ihr Land?" In seiner Stimme lagen Arroganz und ein wenig Unglaube. "Ihr Land, Herr Superintendent, steckt bis zum Hals mit drin", zischte er, nun gefährlich leise werdend. "Ich sage Ihnen das auch nur, weil ich ohnehin nicht lange Ihr Gast sein werde. Ich und meine Kameraden werden bald abgeholt. Die entsprechenden Befehle dürften gerade das Innenministerium passieren und dann dem Polizeipräsidenten mitgeteilt werden. Danach sollte das Kommando los fahren, und uns in etwa acht Minuten hier raus holen. Und Sie, guter Mann, werden feststellen, dass es uns eigentlich gar nicht gibt, nie gegeben hat. Uns nicht, und unsere Rüstungen nicht, die Sie dann selbstverständlich ebenfalls mitgeben werden. Sie führen doch eifrig die Befehle Ihrer Vorgesetzten aus, oder?"

Kabuto setzte sich wieder. Die Selbstsicherheit in der Stimme des Soldaten überraschte ihn, verwirrte ihn. Sein Land steckte mit drin? Ausgerechnet das Heimatland von Usagi Tsukino, die deren Bewohner in hunderten, wenn nicht tausenden Fällen gerettet hatte? Wenn das stimmte, war es ein Armutszeugnis für seine Nation, vor allem aber für die Regierung. Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass dieser Mann keinesfalls bluffte. Er glaubte, was er sagte.

Der Superintendent ballte für einen Moment die Fäuste. "Ihre Rüstungen?", echote er.

Schnaubend begann der Soldat zu lachen. "Machen Sie sich keine Hoffnungen. Sie werden nichts, nicht einmal das kleinste Schräubchen behalten. Dafür werden Ihre Vorgesetzten schon sorgen."

"Oh, machen Sie sich keine Sorgen darum. Natürlich führe ich meine Anweisungen aus. Natürlich bin ich ein guter Cop, so wie Sie zweifellos ein guter Soldat sind. Ein Soldat, den es gar nicht gibt, und den man deshalb weder misshandeln, noch die Nase brechen kann.

Der junge Bursche riss die Augen auf. "Whoa! Vergessen Sie nicht, das etwas über Ihre eigenen Vorgesetzten zurückkommen kann!"

Nun war es an Kabuto, schallend zu lachen. "Oh, der eiskalte GI Joe hat ja doch Nerven. Nein, ich werde Sie nicht misshandeln, auch wenn Sie es verdient haben. Ich habe bereits etwas viel Besseres, meine Genugtuung." Der Superintendent beugte sich vor und grinste verschwörerisch. "Wissen Sie, das SilverMillenium hat uns zwar Ihre drei toten Kameraden vom Balkon übergeben, aber nicht deren Rüstungen. Und da sie sich auf Botschaftsgebiet befanden, konnten wir die Herausgabe nicht erzwingen. Ich glaube... Nein, ich weiß, dass die Millenier genau in diesem Moment deren Technik komplett durchleuchten. Und spätestens morgen wissen die SailorKrieger alles darüber, und Ihre kleine Überraschung ist eine lange Zeit nichts mehr wert."

"Sie haben die Rüstungen nicht mitgenommen? Was sind Sie für ein Polizist?", brüllte der Amerikaner entrüstet.

"Oh, ein guter Polizist. Einer, der das Spiel nach den Regeln spielt. Und selten hat mich das so zufrieden gestellt wie in diesem Fall." Entspannt lehnte er sich nach hinten. "Und ich finde, das tut Ihnen mehr weh, als wenn ich Ihnen die Rippen eingedellt und die Nase gebrochen hätte."

In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Senior Superintendent Takeda trat ein. "Kenji-san, das Hauptquartier hat uns angewiesen, die ganze Bande an eine Militäreinheit zu überstellen und die Ermittlungen im vollen Umfang einzustellen." Der alte Mann bebte sichtlich vor Zorn. Er war Leiter eines Distrikthauptquartiers, kein kleiner Streifenpolizist. Und nun wurde er gezwungen, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen. Das machte ihn beinahe zum Mittäter.

Kabuto grinste breit. "Sollen sie doch. Alle wie sie da sind. Es ist ohnehin zu spät."

"Ihre Reaktion irritiert mich, Kenji-san", gestand der Vorgesetzte.

"Haben Sie vergessen, dass die Millenier drei Rüstungen behalten haben, Takashi-san? Dieser da und seine Kameraden haben nicht nur den Überraschungsvorteil verloren."

Leise begann der Ältere zu lachen. "Das hatte ich in der Tat vergessen. Nun, das versüßt mir den Tag und diese wirklich schreckliche Nachricht. Ich glaube, ich sollte das auch den anderen Verhörteams mitteilen. Verabschieden Sie sich schon mal von Ihrem Schützling."

Kabuto nickte zufrieden, während der Vorgesetzte die Tür wieder schloss.

Seine Miene wurde ernst und hart. "Und jetzt reden wir mal Tacheless, Bursche: Egal was die Polizeiführung sagt, erwische ich dich noch mal in so einer Rüstung in meinem Bezirk, dann mache ich dich mit guter alter japanischer Polizeiarbeit bekannt. Das ist ein Versprechen." Er erhob sich und verließ den Raum ebenfalls. Er hatte sein Versprechen ernst gemeint. Sehr ernst. Und er hatte eine Aufgabe erhalten. Er würde nun ein ausgewähltes Team zusammenstellen, und diesen Fall von Kompromittierung der Regierung untersuchen. Das war seine Aufgabe. Er war Polizist.

***

Agent Kano nahm die sieben verhafteten Soldaten und die drei Toten in Empfang. In einen zweiten Transporter wurden die sieben Rüstungen verladen. Artig bedankte er sich bei dem Senior Superintendenten, der ihn mit einem breiten Grinsen verabschiedete, und stieg dann hinten bei seinen Soldaten ein.

Der Wagen fuhr los, sobald sich die Tür geschlossen hatte. Hinter ihnen fuhren mehrere Polizeiwagen, die nicht zu seiner Truppe gehörten. Kano seufzte lang anhaltend, nahm sein Handy, und leitete alles in die Wege, um die Bluthunde abziehen zu lassen. Dann traf er Vorbereitungen, um die Bluthunde in den zweifellos vorhandenen zivilen Fahrzeugen los zu werden. Zumindest dieses Distrikt-Hauptquartier war sauer genug, um Ermittlungen gegen die Gruppe GunSuit zu beginnen. Wenn die japanische Regierung im Amt bleiben wollte, würde sie das Hauptquartier zerschlagen müssen, ein für allemal.

"Sie haben interessante Daten geliefert, Agent Ayoka", sagte er schließlich.

Der Japaner starrte ihn dumpf brütend an. "Sie haben Landsdale, Schmitt und Chun getötet. Das war zu erwarten gewesen. Ich habe mit drei oder vier Verlusten gerechnet, aber in dem Szenario hätten wir wenigstens einen SailorKrieger töten müssen. Die Millenier haben die Rüstungen behalten."

Kano erstarrte. "Was?"

"Das ist der Vorteil einer Botschaft. Sie ist ein autarkes Staatsgebiet. Der einzige, der befehlen könnte, dass die Rüstungen herausgegeben wird, war SailorMoon. Und die hat nein gesagt. Ich wette, in diesem Moment sitzen die Millenier daran und analysieren die Technologie."

Kano atmete tief durch. "Egal. Wir arbeiten bereits an den Verbesserungen, die durch die Messungen ermöglicht wurden. Ein zweites Mal wird dieser Iskander einem direkten Blast nicht widerstehen können."

"Also wird es ein Wettlauf darum, wer schneller und besser ist: Wir mit unseren Modifikationen, oder die Millenier beim Versuch, sie voraus zu ahnen und auszukontern." Ayoka rieb sich beide Schläfen. "Wenn es ungünstig läuft, reichen uns nicht mal zwei Dutzend Rüstungen."

"Wie ich schon sagte, Ende der Woche haben wir einhundert. Und wir werden sie einsetzen. So bald wie möglich."

"So bald wie möglich ist eine gute Idee, Sir", warf Sergeant Kelly ein. "Denn ich glaube eines nicht: Dass die Millenier langsam sind."

"Ich werde das in meinem Bericht berücksichtigen", versprach Kano. Tatsächlich waren das eine Menge wichtiger Informationen, die sofort zu Direktorin Douglas mussten, wenn die Operation noch Aussicht auf Erfolg haben wollte.
 

Über den Dächern der Stadt huschte ein schwarzer Blitz entlang, immer die beiden Fahrzeuge im Blick, die das Überfallkommando vom Vorabend abgeholt hatten. Die Polizeiwagen blieben irgendwann stehen und drehten in Seitenstraßen ab, erst die offiziellen, dann die zivilen. Aber der schwarze Blitz folgte weiterhin den Wagen. Hätte man ein Standbild geschossen, dann hätte man eine kleine schwarze Katze erkannt, auf deren Stirn ein mit den Spitzen nach unten geneigter Sichelmond prangte. Kano mochte Vorkehrungen gegen die Polizei getroffen haben, vielleicht sogar gegen Agenten jedwelchen Staates. Aber gegen eine Hauskatze? Luna fühlte eine grimmige Befriedigung.

***

"Danke, dass du mir assistierst, Taiki", sagte Ami, während sie konzentriert ein unzerstörtes Fragment der Rüstungen untersuchte. "Seltsam. Unter der Panzerung ist keine tragende Struktur. Soweit ich das erkennen kann, ist hier alles mit Recycling-Systemen, Festverbindungen und dezentralen Prozessoren ausgekleidet. Und das auf einer Dicke von nur einem Zentimeter. Dabei sind die Dinger garantiert nicht maßangefertigt. Dezentrale Prozessoren bedeutet ein Backup-System innerhalb der Rüstung. Eventuell eine Fernsteuerung. Ist das nicht gespenstisch? Stell dir vor, ein Rüstungsträger verliert seinen Kopf, und eine unbekannte Zentrale lässt seinen Körper weiter kämpfen. Was ist der nächste Punkt? Eine vollkommen robotisierte Rüstung?"

"Wird eine Anhäufung an Elektronik nicht automatisch die Zahl potentieller Fehlerquellen erhöhen?", fragte Taiki nachdenklich. "Nicht, dass die Rüstungen nicht bereits jetzt mit Fehlerquellen überladen ist."

"Soweit ich das sehen kann, wurden hier nur die feinsten Materialien verbaut. Alles ohne Firmenlogo oder Seriennummer. Da war jemand sehr sorgfältig. Da schmiert so schnell nichts ab. Und wenn sie auf einen Menschen verzichten können, der das Ding steuert und bedient, haben sie nur noch zwei Feinde. Einerseits Störfunk, und andererseits ein steuerndes Computerprogramm, das diese Rüstung nicht so steuert, wie seine Erbauer es wollen."

"Verstehe. Eine Fernsteuerung per Funk kann man stören, und ein Computerprogramm kann Fehlentscheidungen treffen. Vielleicht ist das der Grund, warum sie wertvollen Platz verschwenden und Menschen hinein setzen. Kannst du dir das Potential vorstellen, wenn man nur die Energiequelle, die Waffen und eventuell einen Flugantrieb nimmt? Man könnte erheblich kleiner bauen, mit weniger Material, aber mehr Waffen. Die Dinger könnten wie tödliche kleine Flugsaurier über einen herfallen."

"Na, du machst einem ja Hoffnung", tadelte Ami mit einem schüchternen Lächeln. "Da wir beide, oder vielmehr du auf diesen Gedanken gekommen bist, müssen wir davon ausgehen, das unser Gegner auch daran forscht. Und das wir uns vielleicht bald schon mit Drohnen auseinander setzen müssen."

"Ha, Drohnen, ein guter Begriff."

Ami nahm sich das nächste Stück, einen halb verschmorten Teil der Hauptwaffe. "Wenn du, Yaten und Seiya wieder auf der Erde seid, werdet Ihr dann auch wieder als Three Lights auftreten? Ihr habt immer noch eine Menge Fans, und es gab kein richtiges Abschiedskonzert."

"Als Three Lights? Ach so, ich erinnere mich. Du bist in unserem Fanclub. Du hast eine einstellige Mitgliedernummer, richtig? Welche war es? Die zwei?"

"D-die fünf." Sie errötete. "Und ich bin immer noch euer Fan. Also, tretet Ihr auf?"

"Na, ich weiß nicht. Wir sind zwei Jahre raus. Und wir haben nicht die Zeit, neue Lieder einzuspielen und anschließend aufzuführen. Und wer will nach der langen Zeit wegen unserer alten Hits kommen?"

"Eine ganze Menge. Ich zum Beispiel."

Taiki lachte. "Okay, das ist ein Argument. Bis auf Usagi sind ja alle SailorKrieger unsere Fans, oder?" Er runzelte die Stirn. "Akira wohl eher nicht, vermute ich mal. Aber er hat von uns gehört."

"Er findet euch zumindest nicht schlecht."

"Nanu, du kennst seinen Musikgeschmack? Das wollte ich dich ohnehin vorhin noch fragen, Akira betreffend. Hast du was mit ihm, Ami?"

"Wie? Was?" "Ich würde gerne wissen, ob Ihr beide zusammen seid."

Die junge Frau errötete. "Wieso? Habe ich...?"

"Du schienst sehr vertraut mit ihm zu sein. Und du bist die einzige aus eurer Gruppe, die keinen Freund aus der Zeit des SilverMilleniums hat. Da dachte ich, du und Akira, Ihr hättet vielleicht etwas miteinander."

Sie seufzte leise. "Nein, Taiki. Offensichtlich habe ich nichts mit ihm. Sonst hätte er mich nicht hochkant aus seinem Krankenzimmer raus geworfen, damit ich hier an diesem Haufen Trümmer herum bastele, oder?"

"Aber du hättest gerne etwas mit ihm?"

"Warum interessiert dich das alles? Selbst wenn ich was mit ihm hätte, dann wäre das meine Sache! Du brauchst gar nicht so zu bohren!"

Taiki lächelte fein. "Ami, hast du eine Ahnung, warum wir zur Erde zurückgekehrt sind?" Er legte eine Hand auf ihre Wange und streichelte sie sanft.

Die Röte in ihrem Gesicht nahm zu. "Wie jetzt?"

"Weißt du, ich bin vielleicht eine Frau, aber diese Verkleidung, diese Verwandlung, hat mich sehr geprägt. Seiya ebenso. Nur Yaten tanzt da aus der Reihe, irgendwie. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, wir sind das Vorauskommando für Kakyu-sama. Sie wird in wenigen Tagen auf der Erde eintreffen, um mit Usagi über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zu verhandeln. Jetzt, wo SailorGalaxia keine Gefahr mehr ist, und Ihr Menschen das Seelenschiff ausgeschaltet habt, können wir endlich über eine interstellare Kultur nachdenken." Er nahm die Hand von ihrem Gesicht, errötete und sah zur Seite. "Ich habe mich freiwillig gemeldet, weil... Weil ich dich sehen wollte, Ami. Ich habe dich vermisst. Und Seiya wollte unbedingt Usagi wiedersehen. Warum Yaten mitgekommen ist, weiß ich allerdings nicht. Es wäre mir neu, dass er Sehnsucht nach Minako oder Rei entwickelt hätte."

"Danke, Taiki. Das ist... Sehr nett von dir. Aber..."

"Ich sage ja nicht, das wir heiraten sollen. Ebenso wenig wie ich sage, dass ich aus der Verwandlung zum Mann etwas Permanentes machen will. Aber ich würde mir schon gerne die Zeit nehmen und sehen was passiert. Was mit uns passiert, Ami. Gibst du mir diese Chance?"

"I-ich..." Sie seufzte ärgerlich. "Es kann zumindest nichts schaden. Aber große Chancen hast du nicht, das sage ich dir gleich."

Diese Worte brachten den großen braunhaarigen Mann zum Lächeln. "Das bedeutet, sie sind nicht bei null. Mehr verlange ich ja gar nicht. Und vielleicht treten wir ja doch noch auf. Notfalls nur für euch."

Ami strahlte Taiki an. "Das würdet Ihr für uns tun? Oh, danke, danke!"

"Wir werden doch auch nicht unsere treuesten Fans im Stich lassen", tadelte Taiki gespielt.

***

"U-sa-gi!" "Nein!" "Usagi, warte mal!" "Nein, habe ich gesagt!" "U-sa-gi-chan!"

Wütend wandte sie sich um und wartete auf ihren hartnäckigen Verfolger. "Nein, nein, nein, nein! Pyramon, wie oft muss ich dir das noch sagen? Wir geben keine Pressekonferenz zum Vorfall ab! Wir werden keinesfalls aus der Situation "politisches Kapital" schlagen!" Anklagend deutete sie aus dem nächsten Fenster auf den Ballungsraum Tokio hinaus. "Siehst du das? Dreiundzwanzig Millionen Menschen, und das auf engstem Raum! Dreiundzwanzig Millionen! Willst du die allesamt in Panik versetzen, indem du den Rüstungen über die Medien den Krieg erklärst? Wir SailorKrieger waren immer zum SCHUTZ der Leute da, nicht um sie zu verunsichern!"

"Aber der zu erwartende diplomatische Gewinn wäre..." Der ehemalige Steuermann verstummte abrupt, als sich eine Hand auf seine Schulter senkte, und sie schmerzhaft umschloss. "Du bist Pyramon, nicht wahr?" Seiya zog ihn langsam auf seine Höhe zurück. "Ich finde, Usagi hat vollkommen Recht damit, wenn sie kein Interesse daran hat, Panik zu säen. Wir sind ohnehin die einzigen, die es mit den Rüstungen aufnehmen können. Warum also Panik schüren? Suggerieren wir den Leuten eher, dass wir die Lage im Griff haben, anstatt die japanische Regierung anzuklagen, ohne Beweise für diese Behauptung zu haben."

"Aber das könnte Zugeständnisse bei den Wirtschaftsverhandlungen bedeuten, die wir sehr gut gebrauchen können. Wir fangen doch gerade erst an, und..."

"Zugeständnisse, die wie lange halten, wenn es euch nicht mehr gibt? Nein, Usagis Weg ist besser. Vor allem verunsichert es unsere Gegner, wenn wir ihnen nicht einmal eine Pressekonferenz wert sind. Also, hör auf Usagi überreden zu wollen, oder ich unterhalte mich mit dir weiter."

"Danke, Seiya, aber ich kann mich alleine durchsetzen."

"Danach hat es gerade aber nicht ausgesehen."

"So, hat es das nicht?" Wütend sah sie Seiya an, bevor sie herum wirbelte und ihren Weg fortsetzte.

"Verdammt!" Er ließ Pyramons Schulter los und eilte der jungen Frau hinterher. "So habe ich das doch nicht gemeint, Usagi. Ach komm, jetzt schmolle doch nicht. Usagi..."

Als neben ihm jemand seufzte, fuhr der Millenier zusammen. Es war Mamoru, der den beiden nachsah. "Himmel, musst du mich so erschrecken, Licht der Erde?" Er deutete auf die gerade in einem Seitengang Verschwindenden. "Und wieso lässt du das überhaupt zu? Usagi ist dein Mädchen, nicht seins."

Mamoru lächelte amüsiert. "Und ich bin mir ihrer sehr sicher. Andererseits schulde ich es ihm, dass er es zumindest versuchen darf. Immerhin hat er sie all die Zeit beschützt, als ich ein Gefangener von SailorGalaxia war. Gut beschützt, möchte ich betonen. Wenn es einen geben sollte, den ich tatsächlich akzeptieren könnte, dann sicher nur Seiya. Das heißt aber nicht, das ich es tue. In keinster Form." Mamoru klopfte Pyramon auf die Schulter und ging an ihm vorbei. "Keine Pressekonferenz. Du hast die Prinzessin gehört."

"Ist in Ordnung", murrte der Millenier. "Ich wusste ja, was ich tat, als ich sie als unser Staatsoberhaupt vorgeschlagen habe."

"Das kann ich nachvollziehen", antwortete Mamoru, ohne sich umzudrehen.

***

Direktorin Douglas hörte dem Bericht mit ausdrucksloser Miene zu. Nur als sie den Verlust von drei Rüstungen ausgerechnet an die Millenier vernahm, zog sie eine Augenbraue hoch. Das hatte sie nicht einmal getan, als sie von drei Toten während der Mission gehört hatte. "Das setzt uns unter Druck. Wir müssen schneller handeln, als ich gedacht habe."

Kenichiro Kano sah von seinem Bericht auf. "Wir sind noch nicht in der Lage zu handeln. Wir haben drei Einsatzagenten verloren, die mit dem GunSuit gut vertraut waren. Vielleicht können wir in einer Woche einhundert Rüstungen haben, aber die Leute wären schlecht trainiert. Sie wären besseres Kanonenfutter."

"Und? Es geht hier um einen Krieg mit einem überlegenen, außerirdischen Feind!", hielt Douglas dagegen. "Moderne Kriegsführung setzt oft genug auf Masse, und nicht auf Qualität. Wenn der Feind nicht sehr zahlreich ist, aber die bessere Ausrüstung hat, dann kann man ihn mit Masse einfach fortschwemmen."

"Das ist nicht viel besser als geplanter Mord an unseren Leuten. Wir kennen die Fähigkeiten der Millenier und der SailorKrieger ziemlich genau. Verlustquoten bis einhundert Prozent könnten die Folge sein."

"Und ich würde einhundert Rüstungen opfern, wenn dies bedeutet, das auch nur eine SailorKriegerin getötet wird", erwiderte sie ruhig. Beinahe zu ruhig. "Die nächste Woche würde ich wieder einhundert auf sie hetzen, die Woche darauf noch mal einhundert, vielleicht zweihundert GunSuits. So lange, bis vom Feind nichts mehr übrig ist."

"Mit untrainierten Leuten?"

"Mit in GunSuits steckenden Leuten. Die Rüstung übernimmt einen Großteil der Koordination. Jeder Amateur kann sich mit ein paar Übungsstunden auf sie einstellen."

"Aber er kann sie nicht beherrschen. Und fernsteuern ist keine Option, denn dann bräuchten wir keine Menschen in die Rüstungen zu setzen."

"Haben Sie eine bessere Idee, als anzugreifen, jetzt wo die Aktion offensichtlich geworden ist, Agent Kano?", fragte Douglas trocken. "Vielleicht eine kleine Atombombe auf die Botschaft, die nebenbei noch einen ganzen Tokioter Distrikt mit mehreren hunderttausend unschuldiger Zivilisten auslöscht?"

Kano wurde es heiß und kalt zugleich. Die Atombombe war ein altes, japanisches Trauma, seit Hiroshima und Nagasaki. Würden die Verbündeten wirklich so weit gehen, um die SailorKrieger und die Millenier auszuradieren? Er wollte es nicht so recht glauben, aber auch nicht ausschließen.

"Werden wir eine Atombombe werfen, wenn wir es nicht schaffen, die SailorKrieger zu dezimieren?", fragte er ernst.

"Seien Sie nicht albern. Das ist die allerletzte Option, falls die Massenangriffe nichts bringen. Und damit sie funktionieren, entwickeln wir bereits stärkere Waffen. Die GunSuits von Ayokas Team werden damit ausgerüstet. Wir verstecken sie danach zwischen den normalen GunSuits. Das wird eine herbe, und recht kurze Überraschung für die Millenier."

"Geplant war eine kurze, chirurgisch präzise Operation mit der besten Hightech der Erde", sagte Kano streng. "Wir haben erlebt, was eine Rüstung für Schaden anrichten kann. Wir haben gesehen, zu welchen Schäden zehn Rüstungen in der Lage sind. Beinahe erscheint es mir gnädiger, eine Atombombe zu werfen, als einhundert GunSuits auf die Botschaft los zu lassen."

"War das Humor, Insubordination, oder beides?", fragte Douglas kalt. "Vergessen Sie nicht, warum wir hier stehen, gegen wen wir kämpfen, worum es uns geht! Wollen Sie die Erde in Händen der Millenier wissen? Oder noch schlimmer, in den Händen dieses blonden Görs?"

"Das zufällig die Erde gerettet hat!"

"Die sie wahrscheinlich selbst erst in Gefahr gebracht hat!", blaffte Douglas aufgebracht. Ihre Hand sauste auf den Schreibtisch nieder und erzeugte einen lauten Knall.

Kano nahm den Wutausbruch mit unbewegter Miene hin. "War es das, Direktorin?"

Von einem Augenblick zum anderen war Douglas wieder ausgeglichen. Zumindest wirkte sie so. "Tatsächlich ist da was. Wir werden in der Lage sein, einige der GunSuits mit Fluggeräten auszurüsten. Das geht auf Kosten der Bewaffnung und der Energieleistung. Aber sie werden eine Überraschung sein. Die Chinesen und die Koreaner schicken uns ein paar Piloten, die diese modifizierten GunSuits übernehmen und in der kommenden Schlacht steuern werden." Douglas atmete leise aus. "Bedenken Sie, noch haben wir die Initiative, noch bestimmen wir das Schlachtfeld. Wir können die Kollateralschäden eindämmen, eventuell verhindern. Solange wir sagen, wann und wo wir dem Feind begegnen." Die Direktorin widmete sich den Dokumenten auf ihrem Schreibtisch. "Heute Abend treffen die einhundert Rüstungen ein. Standard-Modelle und flugfähige. Morgen früh treffen neunzig Army Ranger ein, die auf den Rüstungen trainieren werden. Ich nehme an, Major Ayoka behält das Kommando. Sagen Sie ihm, dass es sich vergrößert hat."

"Jawohl, Ma'am", erwiderte Kano, drehte sich um und verließ das Büro. Verdammt, es hatte ein schneller, präziser Schlag werden sollen, der das Geschwür aus Tokio heraus schnitt, bevor es wuchern konnte! Aber jetzt drohte es mehr und mehr eine Amputation zu werden. Ihm blieb nur, so schnell wie möglich so erfolgreich wie möglich zu sein. War das Problem gelöst, hatten sich auch die Angriffe erledigt. Hoffentlich.

5.

Iori hatte so ein merkwürdiges Zucken. Wenn er nervös wurde, wenn er konzentriert nachdachte, oder wenn er nicht darauf achtete, dann machte sein Kopf diese ruckende Bewegung nach links.

Für seine Untergebenen war dies meist ein Zeichen für Arbeit oder Ärger. Und wenn Iori Arbeit oder Ärger hatte, dann bedeutete dies, er hatte eine ganze Menge Arbeit oder Ärger. Denn Takehito Iori war Premierminister Japans, und oberster Rädelsführer seines Landes in der geheimen nichtstaatlichen Bewegung gegen die SailorKrieger und die Millenier. Im Moment studierte der Premier jene Aufnahmen, die vom Angriff in der letzten Nacht gemacht worden waren. Oder vielmehr das grandiose Scheitern des Angriffs. Eine Entwicklung, die ihn nicht verwunderte. Nicht im Geringsten. Die Operation war von vorne herein als Fehlschlag einkalkuliert worden, um weitere, höchst wichtige Daten über den Gegner zu sammeln. Und tatsächlich hatte Iori mit dem Auftauchen der drei schwarz gekleideten Kriegerinnen, die mit SailorMoon assoziiert waren, gerechnet. Auf seiner persönlichen Liste standen noch mindestens sechs weitere Namen für Personen mit der Macht eines SailorKriegers, die in den Konflikt noch eingreifen würden.

Und darin bestand die große Gefahr, der sich Japan gegenüber sah. Einerseits hatten sie hier die Millenier, die der Menschheit zahlenmäßig unterlegen waren, aber ebenfalls viele mächtige Soldaten in ihren Reihen hatten, die es mit einem SailorKrieger aufnehmen konnten, andererseits stand da das ängstliche Militär und die ebenso ängstlichen Politiker verschiedener großer Nationen, die den stetig steigenden Einfluss eines kleinen, blonden Mädchens fürchteten, das sich mehr und mehr zum Vermittler der Welt aufspielte. SailorMoon, Prinzessin Serenity oder seinetwegen auch Usagi Tsukino war weit mehr als das Vorzeigeoberhaupt der auf dem Mond siedelnden Millenier. Sicher war sie kein intellektuelles Genie, aber sie hatte hinter ihrer naiven Maske eine gute Intuition, eine schnelle Auffassungsgabe und ein gutes Gespür für Menschen. Anders war es auch nicht zu erklären, das sich sogar der charismatische Mamoru Chiba, den Iori bereits hatte kennen lernen können, nicht über sie stellte, sondern einen gleichgestellten Rang angenommen hatte.

Auch die anderen Mächtigen, die vor nicht allzu langer Zeit geholfen hatten, die Welt zu retten, würden sich nicht einer Idiotin unterordnen. Sie hatten es getan, und was sagte das über die kleine japanische Oberstufenschülerin aus? Reichte das, um sämtliche Industrienationen so nervös zu machen, dass sie am liebsten Tokio zum Schlachtfeld gemacht hätten?

Premierminister Iori fürchtete sich davor, dass die Verschwörer aus den großen Nationen tatsächlich versuchten, die Millenier mit konventionellen Mitteln zu vernichten. Als das Seelenschiff in Richtung Erde geschwenkt war, waren alle militärischen Einrichtungen der Erde in Alarmbereitschaft versetzt worden. Kampfflugzeuge, taktische Bomber, Raketenstellungen, all das hatte auf Anzeichen von Aggression gewartet. Auf die Chance, dass das Seelenschiff in Reichweite kommen würde. Es wäre ein lächerlicher Witz geworden, eine Verschwendung von Material und Soldaten. Ein Schlachtfest ohne Gleichen. Selbst die Option, das Schiff mit atomaren Interkontinentalraketen zu beschießen war bestenfalls eine vage Hoffnung gewesen.

SailorMoon hatte die Millenier aufgehalten, ihr Seelenschiff beschädigt auf dem Mond abstürzen lassen, den Eispanzer, der sie alle langsam getötet hätte, geschmolzen, und die Welt gerettet. Diese Zurschaustellung absoluter Macht in Verbindung mit totaler Bereitschaft, der ganzen Menschheit zu dienen musste alteingesessene Eliten schockieren, unter denen Idealisten wohl eher selten waren.

Was, wenn das Beispiel Schule machte? Was, wenn Egoismus plötzlich kein Privileg dieser Eliten, sondern eine verpönte, verachtenswerte Handlungsweise war? Was, wenn alle Welt SailorMoon zum Vorbild nahm, und ein wenig selbstloser wurde? Was, wenn Massenkonsum zurückgeschraubt wurde, wenn man faire Handelsverträge mit Ländern der Dritten Welt aushandelte und den gigantischen Profit der Elite so reduzierte? Was, wenn Usagi Tsukino eines Tages nicht nur das SilverMillenium hinter sich hatte, sondern die Bevölkerung der Erde? Eine Usagi Tsukino, eine Königin Serenity, konnte mit ihrer Selbstlosigkeit, ihrer Macht und ihren Gefährten dieser Welt mehr Gutes tun als alle Eliten zusammen. Und Iori war sich sicher, dass die Zahl ihrer Anhänger sehr schnell steigen würden

Dass Usagi einbrechen würde, daran glaubte er nicht. Der Geheimdienst führte umfangreiche Dossiers über sie und die anderen SailorKrieger und hatte recht exakte Historien von der Art und dem Umfang ihrer Kämpfe gegen ihre Feinde, Einheimische wie außerirdische Invasoren, angelegt.

Iori wusste genau, was er, was Japan den SailorKriegern verdankte. Wie oft sie schon die Welt gerettet hatten. Wie oft sie Unschuldige gerettet hatten. Nein, dieses junge Mädchen würde seine Ideale niemals verraten. Usagi war dieses Ideal, und das war es wohl, was den Eliten wirklich Angst machte. Sie spielte die Hoheit nicht, sie war eine moralisch höhere Instanz. Sie predigte nicht Wasser und trank Wein, sie sorgte dafür, dass es Wein für alle gab.

Ihre ersten, beachtenswerten Verhandlungen für fairen Handel, in Grenzstreitigkeiten und bei internationalen Interessenkonflikten hatten sehr erstaunliche, beachtenswerte Ergebnisse erbracht, die kaum jemand so erwartet hätte. Am allerwenigsten Iori selbst. Usagi entschied selten auf Kompromisse, sondern stets so, dass den am meisten Betroffenen der größtmögliche Ausgleich zukam. Sie hatte die Grenze zwischen zwei Staaten fortgewischt, weil diese Grenze ein ethnisches Volk permanent voneinander getrennt hatte. Und die beiden Staaten waren darauf eingegangen, führten Verhandlungen für eine Personalunion. Es hatte nur dieser zierlichen Person bedurft, um die Politiker etwas vernünftig anzugehen, nicht wirtschaftlich oder logisch. Die Betroffenen zu sehen.

Kein Wunder, das jene, die weit oben standen, davor Angst hatten. Denn dies waren Konflikte, in denen sie zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren und in denen sie verdienen konnten. Wenn sich Tsukino-kun weiterhin so gut schlug, würden die Menschen sehr schnell merken, wer die Spielverderber auf der Welt waren. Wer am meisten von Streit und Krieg profitierte. Es würde keine besonders große Überraschung werden, zugegeben. Aber die Eliten würden nach und nach ihre Macht verlieren.

Deshalb musste die Retterin der Menschheit sterben. Deshalb mussten die Millenier ausgelöscht, oder zumindest von der Erde vertrieben werden.

Die Eliten handelten schnell und entschlossen. Vielleicht etwas zu schnell und zu entschlossen, weshalb sie Tote, materielle Verluste und negative Konsequenzen in Kauf nahmen. Alleine die Tatsache, dass der GunSuit nun von der überlegenen Technologie der Millenier analysiert wurde, war ein Risiko, genau wie der Feldversuch, der gegen SailorJupiter gerichtet gewesen war. Für die Geschwindigkeit waren Vorteile aufgegeben worden, ein unsinniges Vorgehen, das von Panik diktiert war. Er wäre niemals so vorgegangen, hätte sich Zeit genommen, Analysen gewälzt, oder hätte versucht, frei verfügbare Technologie der Millenier zu verwerten, anstatt ihnen zu verraten, womit man gegen sie antreten würde. Er hätte, wenn er es gewollt hätte, alles in einem sauberen, präzisen und kurzen Schlag abgehandelt. Aber Direktorin Douglas saßen die Investoren im Nacken, die Ergebnisse sehen wollten. Ergebnisse, die verhinderten, dass auf dem japanischen Staatsgebiet gekämpft werden würde – von regulären Armeen. Infanterie, Panzer, Kampfflugzeuge, und in der letzten Konsequenz tatsächlich die Atombombe. Und dann war alles Still halten, alles Kooperieren für die Katz. Dann war geschehen, was er eigentlich hatte verhindern wollen.

Auch wenn es ihn zerriss, wenn selbst er das nervöse Zucken seines Kopfes bemerkte, wenn er sich fragte wie sehr er sein Volk und ihre Nationalhelden verriet, es konnte nur zwei Ausgänge in diesem Konflikt geben. Entweder gewannen die Eliten, vertrieben die Millenier oder töteten viele von ihnen, inklusive der SailorKrieger. Oder Prinzessin Serenity gewann und vernichtete die Eliten. Andernfalls würde in einer Stadt mit dreiundzwanzig Millionen Einwohnern ein Krieg ausbrechen, gegen den ein Angriff Godzillas wie eine entspannte Teezeremonie wirken würde. Und – konnten die SailorKrieger gewinnen, wenn sie nicht einmal wussten, gegen wen sie kämpften? Wenn der Gegner in allen Staaten der Erde verstreut war? Es gab keine zwanzig von ihnen. Es war unmöglich für sie, zu gewinnen, zu siegen. Sie mussten vernichtet werden, auch wenn sie Japans Helden waren.Und wieder einmal töteten die Menschen ihre Heiligen.

Iori schwor sich, dass er zurücktreten würde, sobald die GunSuits erfolgreich gewesen waren. Und dann würde er in den Ruinen der Botschaft Abbitte leisten und sich selbst das Leben nehmen Wenn er schon die Helden seines Landes verkaufen musste, um einhundertachtzig Millionen Menschen vor einem Krieg zu bewahren, so war er doch nicht bereit, auch noch seinen Stolz zu verkaufen. Nein, es gab Grenzen. Und vielleicht würde sein Tod ein letztes, flackerndes Licht sein, das den Menschen eventuell etwas von der Hoffnung wiedergab, die der Tod von Usagi Tsukino und ihren Gefährten auslöschen würde.

***

"Oh. Du bist ja immer noch hier", sagte Seiya erstaunt, als er Akiras Krankenzimmer betrat.

Yaten blickte von seiner Arbeit auf und lächelte den Anführer ihrer kleinen Truppe erfreut an. Stolz zeigte er ihm ein von ihm geschältes Apfelviertel, das durch die aufgeschnittene Schale wie ein Kaninchen wirkte. "Hier, das hat mir Akira gezeigt. Kranken wird in Japan ein Apfel geschält. Und die wirklich großen Meister machen kleine Häschen draus. Das macht Spaß."

Seiya betrachtete das Viertel stirnrunzelnd und sah dann zum gut gefüllten Teller auf Akiras Schoß. "Gut, das verstehe ich. Aber hast du ihm nicht mittlerweile genug geschält?"

"Er hat versprochen, jeden Apfel zu essen, den ich schäle", erwiderte Yaten verstimmt

"Himmel, nun spiel nicht gleich die beleidigte Diva", tadelte der Schwarzhaarige und knuffte den Kleineren gegen die rechte Schulter. "Muss ich mir eigentlich Sorgen machen, wenn ich dich hier finde, Yaten? Akira, du hast doch hoffentlich nicht vor, unser perfektes Dreier-Team aufzubrechen?"

Yaten errötete. "Da interpretierst du jetzt aber doch zuviel rein."

Akira hustete kurz vor Verlegenheit. "Entschuldige. Ich vergesse immer noch, dass du eigentlich eine Frau bist, Yaten. Genau wie der da." Akira sah Seiya ernst an. "Und ich nehme nicht an, dass du gerade versuchst, meinem Freund Mamoru das Mädchen auszuspannen?"

Seiya grinste wölfisch. "Und wenn es so wäre? Würdest du dich gegen Usagis Entscheidung stemmen? Würdest du sie zwingen, bei Mamoru zu bleiben?"

"Unsinn. Ich zwinge niemanden zu gar nichts. Aber ich würde es mir nicht nehmen lassen, das eine oder andere klärende Gespräch mit ihr zu führen. So etwas tut man nämlich als guter Freund. Also keine Sorge, Seiya, ich würde nicht handgreiflich werden."

Seiya fixierte die grünen Augen seines Gegenübers. Akira erwiderte den Blick fest.

"Als wenn du eine Chance gegen mich hättest, Iskander. Ich meine, selbst wenn du gesund wärst, würde ich mit dir den Boden aufwischen."

Ein leises Grollen kam aus Akiras Kehle. "Was zu beweisen wäre."

Seiya schien mehr als bereit, den geworfenen Fehdehandschuh anzunehmen und setzte zu eine Erwiderung an, als er von Yaten unterbrochen wurde, der sich zwischen die beiden stellte. "Keinen Streit mit verletzten Leuten. Das verlangsamt die Heilung. Und das würde ich dir ganz persönlich übel nehmen. Verstanden, Seiya?"

Der große Mann hielt Yatens Blick ein paar Sekunden stand, dann sah er zur Seite. "Und ich dachte immer, du wärst mein Wachhund, und nicht seiner, Yaten." Er brummte noch etwas Unverständliches und wandte sich zum gehen. "Keine Sorge, Akira. Wir sind hier, um den Boden für einen Beistands- und Friedensvertrag vorzubereiten. Usagi wieder zu sehen und mit ihr Zeit verbringen zu können ist nur ein Bonus für mich. Ein ausgesprochen schöner Bonus, das bestreite ich nicht. Aber mehr ist da nicht. Für sie bin ich nur ein guter Freund. Eventuell ein sehr guter Freund" Er seufzte und sah über die Schulter zurück. "Im Moment hast du bei Yaten wesentlich bessere Chancen als ich bei Usagi, Akira. Oder Taiki bei Ami." Er winkte mit einer Hand und verließ den Raum. "Werde schnell wieder gesund, Akira. Wenn losgeht, was ich befürchte, werden wir sogar deine lächerlichen Kräfte gut gebrauchen können."

Yaten sah ihm lange nach, bevor er sich peinlich berührt zu Akira umdrehte. "D-das hat er jetzt sicher so nicht gemeint. Ich meine, wir sind ja beide Männer, und..."

Akira hatte die Hände vor der Brust gefaltet und den Kopf auf ihnen abgelegt. Er schien zu schluchzen.

Yaten erschrak ein wenig. Hatte Seiya es übertrieben und den Verletzten zu sehr getriezt? Oder war es die andere Sache gewesen, die mit Taiki und Ami? Sie hatten alle drei vermutet, das möglicherweise etwas zwischen den beiden war, was über die Freundschaft hinaus ging, die alle Freunde von SailorMoon verband. Wenn das stimmte, dann hatte Seiya den armen Kerl gerade tief verletzt. "Akira, ich bin sicher, dass..."

Das Geräusch wurde lauter, und Yaten erkannte, dass der ehemalige General des Mondes lachte. Er sah auf, und Tränen liefen seine Wangen herab. "Oh, ich glaube, das habe ich gebraucht, einfach gebraucht. Endlich hat mir jemand den Kopf wieder gerade gerückt."

Er wischte sich die Lachtränen ab und seufzte lang und tief. Dann ergriff er Yatens Hand und drückte sie. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich dich nicht mag, Yaten. Erschreckend gut für die paar Stunden, die wir uns persönlich kennen. Und ich weiß nicht, was gerade geschieht, ob da wirklich was zwischen uns ist oder ob du nur mit mir spielst, aber ich werde es auf mich zukommen lassen."

Yaten errötete erneut, doch diesmal vor Ärger. "Aber ich spiele doch gar nicht mit dir, Akira." Verlegen sah er zur Seite. Er entwandt seine Rechte Akiras sanftem Griff und trat vom Bett fort.

"Wenn ich dich beleidigt habe, dann tut mir das Leid", sagte Akira nach dieser Reaktion erstaunt.

"Das ist es nicht", erwiderte Yaten. "Ich will mich nur verwandeln. Es ist unglaublich schwierig für mich, gerade jetzt in dieser Verkleidung zu stecken. I-ich würde jetzt lieber eine Frau sein, Akira."

"Verstehe." Das war natürlich gelogen, denn Akira verstand gar nichts. Was er aber verstand, das war, dass sich die SailorKriegerin ihrer männlichen Maskerade entledigte, durch die Verwandlung in ihr enges, schwarzes Kampfkostüm schlüpfte, und sich als weibliches Wesen wieder neben ihn setzte. "M-möchtest du noch einen Apfel, Akira?", fragte sie hoffnungsvoll.

"Einer mehr kann nicht schaden." Erkältungen würde er die nächste Zeit bei seinem Vitamin C-Spiegel wohl nicht zu fürchten brauchen.

***

"Das ist es!", rief Ami aufgeregt. Sie wirbelte herum, ging einen Schritt, und rannte dabei in Taiki, der bei ihrem Aufschrei hinter sie getreten war, um ihr über die Schulter zu schauen. Sie verlor das Gleichgewicht, aber Taiki schloss seine Hände um ihre schmalen Schultern, und drückte sie an sich. "Vorsicht, junge Dame. Wenn du entgegen deiner Art zu stürmisch wirst, kann ich nicht mehr mithalten." Er lächelte frech. "Andererseits, wenn das bedeutet, dich öfters in Armen halten zu können, dann nur zu, Ami-chan."

Die junge Frau errötete. "Entschuldige, Taiki. Ich wollte nicht in dich rein rennen. Aber was wir hier entdeckt haben, das ist... Unglaublich. Sie verwenden Millenier-Technologie!"

"Tatsächlich? Das würde einiges erklären. Zum Beispiel, warum diese Rüstungen noch nie in irgendeinem Konflikt auf der Erde eingesetzt wurden. Man hat sie exklusiv für euch erfunden."

"Oh, ich fühle mich geehrt. Aber jetzt wo wir wissen, womit wir es zu tun haben, können wir uns besser dagegen verteidigen. Diese Plasmawaffe hat mich die ganze Zeit schon an den Antrieb des Seelenschiffs erinnert." Eine nachdenkliche Falte bildete sich über ihrer Nasenwurzel. "Als wir den Antrieb des Seelenschiffs zerstört haben... Als Usagi und die Anderen den Antrieb zerstört haben, befand sich das Schiff im Orbit um die Erde. Pyramon hat das havarierte Schiff dann absichtlich zum Mond driften lassen. Aber es ist durchaus denkbar, das Wrackteile des Schiffs bereits über der Erde abgestürzt sind. Wenn unsere unbekannten Gegner diese gefunden und analysiert haben, ist es denkbar, dass sie darauf gekommen sind, den Antrieb in einer Waffe zu verbauen."

"Das erklärt vielleicht auch, warum das Computersystem der Rüstungen auf primitivem Erd-Standard sind, die Energieleitungen aber allererste Sahne, nämlich Hohlfeldinduzierte Kraftfeldleitungen für Energie im Terawattbereich. Da beginnt nämlich überhaupt erst die Leistungsfähigkeit der Strahler." Amüsiert betrachtete Taiki die erstaunt aufblickende Ami. "Warum bist du so überrascht? Ich bin nicht nur Sänger, SailorKrieger und Idol der Massen. Ich habe auch eine handfeste Ausbildung als Wissenschaftler. Genauer gesagt bin ich Physiker, also kann ich dir auf dem Gebiet der Materialanalyse wenigstens etwas hilfreich sein." Taiki nahm Ami die Dokumente mit ihren Analysen aus der Hand und studierte sie eingehend. "Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich in unserem Team auch die Recherche war? Ich meine, eigentlich bin ich es wieder, weil wir unsere Welt erfolgreich in ihren alten, unzerstörten Zustand zurückversetzen und unsere Kameraden retten konnten... Aber ich will unserer Prinzessin nicht vorgreifen. Jedenfalls habe ich schon immer eine Flut von Daten erfasst, Querverbindungen gezogen und Analysen erstellt. Und mir drängt sich eine Frage auf: Verkaufen die Millenier ihre Technologie auf der Erde? Zumindest in einem gewissen Maße?"

"Ja, aber ausschließlich nichtmilitärische Waren."

"Fallen sekundäre militärische Waren darunter? Elektrotechnik, Computertechnologie und dergleichen?"

"Ja, im Prinzip schon."

Taiki rieb sich nachdenklich die Nasenwurzel. "Wir fangen also an mit einer Rüstung, die aus einer Plasmakanone besteht, welche sie von einem Stück Wrack des Seelenschiffs haben. Sie haben die Kanone nachgebaut, und das innerhalb der letzten acht Monate. Drum herum haben sie die Rüstung entwickelt, allerdings mit allermodernster terranischer Technologie. Eure übliche Primitiv-Technik also. Nichts für ungut, Ami-chan."

"Ich bin die erste, die freiwillig zugibt, dass die Millenier-Technologie unserer um Jahrhunderte voraus ist. Es fällt mir also nicht schwer nachzuvollziehen, dass dein Volk ebenfalls einen höheren Standard hat als wir. Immerhin reist Ihr von Sonnensystem zu Sonnensystem, Taiki. Worauf willst du hinaus?"

"Auf das Problem mit der sekundären militärischen Technologie. Stell dir vor, zu diesen beeindruckenden Plasma-Waffen kommen Computer der Millenier. Metalllegierungen der Millenier. Industrielle Technologie der Millenier. Eine entsprechend aufgebaute Rüstung könnte es ohne Weiteres mit einem SailorKrieger aufnehmen, wenn ich mir den derzeitigen technologischen Stand von Pyramons Leuten anschaue." Er stutzte. "Usagis Leuten."

"Also testen sie die Waffe gegen uns, und das in mehreren Anläufen, um unsere Stärken und Schwächen zu analysieren. In der nächsten Stufe verstärken sie ihre Rüstungen durch noch mehr Millenier-Technologie, um sie leistungsfähiger zu machen. Erheblich leistungsfähiger. Wir rechnen nicht damit, und werden nicht nur von stärkeren Rüstungen angegriffen, sondern auch von einer überlegenen Zahl Gegner." Amis Stimme begann zu zittern. "Angenommen, der Angriff auf Makoto und der auf die Botschaft waren Testläufe, dann hat unser Gegner elf Rüstungen samt Piloten riskiert. Von einem Tag zum anderen hat er nicht nur die eine Rüstung ersetzt, die er verloren hatte, sondern die Zahl verzehnfacht. Was, wenn er heute bereits einhundert hat?"

"Ich würde die Zahl bei zwanzig ansetzen, wenn er bereits Millenier-Technologie nutzt", warf Taiki trocken ein. "Aber da wären mir einhundert Rüstungen auf dem derzeitigen Stand lieber."

Taiki runzelte die Stirn. "Wenn du meinen Rat hören willst, Ami-chan: Schnappt euch alle, die euch lieb und teuer sind, und flieht eine Zeit lang auf den Mond. Das dürfte das Sicherste für euch sein. Ich meine, ohne uns hätten die Angreifer euch und eure wiedergeborenen Generäle eingeseift, wenn wir mal ganz realistisch sind."

"Die Erde aufgeben? Die Botschaft aufgeben? Mit dem SilverMillenium fliehen? Das klingt recht vernünftig. Aber weißt du, was Usagi dazu sagen wird?"

Taiki seufzte viel sagend. "Ich kann mir schon denken, was die größte Idealistin unter dieser Sonne dazu zu sagen hätte. Und es würde weder das Wort "fliehen" noch das Wort "aufgeben" sein." Er lächelte verschmitzt. "Dann bleibt uns nur noch eines. Wir müssen unsere gute Zusammenarbeit fortsetzen und ein paar Schwachstellen in den Rüstungen finden."

"Und vor allem müssen wir die Zahl unserer Krieger erhöhen", klang eine neue Stimme vom Eingang her auf.

Die beiden fuhren herum. "Hotaru!"

SailorSaturn zeigte ein breites Lächeln und hatte Zeige- und Mittelfinger der Rechten zum V-Zeichen erhoben. "In Person. Setsuna hat mich in meiner Zeit besucht und gesagt, es wäre mal wieder soweit, ein wenig interdimensionale Zusammenarbeit zu betreiben. Und ich komme nicht alleine." Ihr Lächeln wurde ein wenig gedämpft, als auf diese Worte nicht geschah, was sie erwartet hatte. "Usa-chan, du lässt mich gerade schlecht aussehen."

"Aber ich kann doch nicht...", klang es vom Gang her auf.

"Usa-chan, du bist bereits in dieser Zeit. Du kannst gar nichts mehr falsch machen."

Eine junge Frau mit rosa Haaren erschien in der Tür. Verlegen drückte sie die Fingerspitzen aneinander. "Hotaru-chan hat darauf bestanden, dass ich... Ich meine, ich wollte ja ohnehin immer, aber Setsuna-oneechan war immer dagegen, und jetzt hatte ich mal die Gelegenheit..."

Ami blinzelte ungläubig. "Chi... Chibi-Usa-chan?"

"Na, Chibi ist sie garantiert nicht mehr", meinte Hotaru mit einem breiten Lächeln."Unsere Mini-SailorMoon ist nicht nur längst erwachsen, sie führt auch die Palastgarde an. Und, wenn ich das anmerken darf, gar nicht mal so schlecht."

"Hör auf. Du machst mich ganz verlegen", sagte die junge Frau errötend. Sie sah schüchtern auf. "Ami, ich habe mich sehr darauf gefreut, dich wieder zu sehen." Sie sah zu Taiki herüber. "Und du bist sicherlich einer von den Three Lights, oder? Warte, du bist Taiki. Ich habe es leider nicht zu eurem letzten Konzert geschafft, aber ich gehe zum nächsten. Bestimmt."

"Konzert? In deiner Zeit? Wer ist die junge Dame überhaupt? Nicht, das ich mich nicht darüber freue, auch in Zukunft auf der Erde berühmt zu sein."

"Oh, das ist Chibi-Usa... Nein, das stimmt wohl nicht mehr. Sie ist Usagis und Mamorus Tochter aus der Zukunft. Dort hat Usagi ihren Namen abgelegt und sich Serenity genannt, wie damals ihre Mutter im alten SilverMillenium. So hat ihre Tochter ihren alten Namen geerbt. Wir haben dann immer kleine Usagi zu ihr gesagt, also Chibi-Usa." Ami lächelte angesichts der Flut an positiven Erinnerungen. Und unterdrückte ein Schlucken bei den nicht so schönen Erinnerungen. Sie ging auf die beiden jungen Frauen zu und schloss sie in die Arme. "Hotaru-chan, Usagi-chan, ich habe euch beide vermisst. Mehr als Ihr euch vorstellen könnt." Lächelnd hielt sie die beiden ein Stück von sich fort, um sie besser betrachten zu können.

"Usagis und Mamorus Tochter also." Taiki unterdrückte ein Lachen. "Oh, das wird Seiya aber gar nicht gerne hören. Und er hasst es, Zeitparadoxa zu produzieren. Na, das wird ihm zu denken geben."

"Zeit-Paradoxa?", fragte Usagi interessiert.

"Seiya ist mehr als freundschaftlich an deiner Mutter interessiert", sagte Hotaru trocken. "Wir hatten drüber gesprochen, als wir die Tickets für das Konzert bestellt haben."

"Aber Seiya-san ist doch auch eine Frau. Nicht, dass ich prüde bin, aber..."

"Es ist etwas komplizierter", antwortete Taiki. "Jedenfalls bist du der lebende Beweis, dass Mamoru Chiba den längeren Atem hat. Solltest du allerdings in der Zwischenzeit verschwinden, könnte Seiya die Zukunft geändert haben. Aber das ist was für Theoretiker, und ich bin Praktiker. Du stehst hier vor mir, in Fleisch und Blut." Er runzelte die Stirn. "Du kannst mir nicht zufällig sagen, mit wem Ami in deiner Zeit zusammen ist, Usa-chan?"

Die Tochter von Usagi und Mamoru setzte zu einer Antwort an, wurde aber von Hotaru durch einen schmerzhaften Tritt auf ihren Fuß unterbrochen. "Autsch, das hat wehgetan!"

"Du weißt doch, was Setsuna-oneechan zu uns gesagt hat! Keine Informationen über die Zukunft preis geben!"

"Oh. Oh! Ja, hätte ich beinahe vergessen. Aber... Dürfen wir nicht wenigstens die Nachricht von der Ami aus der Zukunft weiter geben? Nicht mal die?"

Hotaru sah die Freundin unerbittlich an. Doch ihre Gesichtszüge wurden schnell wieder weich. "Das ist was anderes. Wir verraten ja nichts aus der Zukunft."

"So? Was hat mein Ich aus der Zukunft denn gesagt? Geht es um die Rüstungen?"

Usa-chan winkte ab. "Nein, Ami, das wäre eine Information, für die ich Ärger mit Setsuna-oneechan kriegen würde. Du hast mich in der Zukunft vor meinem Aufbruch nur kurz beiseite genommen und mir aufgetragen, dir einen Rat zu geben."

Erstaunt sah Ami die junge Frau an. "Einen Rat? Was betreffend?"

Die beiden Mädchen tauschten einen schelmischen Blick aus. "Oh, es war ein sehr allgemeiner Rat", wiegelte Usagi ab.

"Nichts besonderes, eigentlich", fügte Hotaru hinzu.

"Du hast mir nur aufgetragen, dir zu sagen, dass du auch mal Schwein sein darfst."

"Dass ich... Auch mal Schwein sein darf? Hä?"

"Die Reaktion habe ich erwartet", sagte Hotaru verschmitzt lächelnd. "So, nachdem wir unsere Nachricht ausgeliefert haben, sollten wir zu den anderen zurückgehen. Es scheint so, als würden nach und nach auch die anderen kommen."

"Die anderen?" Taiki beugte sich interessiert vor. "Welche anderen?"

***

"Ach, die anderen." Interessiert musterte Taiki die Neuankömmlinge.

"Minako, du musst dein neues Album für mich signieren!", empfing Usagi die blonde Popsängerin. Die beiden Frauen umarmten einander herzlich. Ihr Begleiter verneigte sich derweil förmlich vor Mamoru. "Endymion, mein Herr."

"Lass den Quatsch, Jedithe. Wir sind Freunde, nicht Herr und Diener."

"Nanu? Steigt hier etwa eine Party, und niemand lädt uns ein?", klang eine kräftige Stimme vom Eingang herüber. Haruka Tenoh und Michiru Kaio traten in die Eingangshalle. Haruka hielt eine Tüte hoch. "Wir haben jede Menge Souvenirs dabei!"

Der Rest ging in einem Taumel der Begeisterung unter.

Neben Taiki materialisierte sich eine SailorKriegerin, die er noch recht gut kannte. Setsuna Meio alias SailorPluto, die Wächterin der Zeit. "Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis die anderen auch eintreffen."

"Erschrecke mich bitte nicht so, indem du aus dem Nichts neben mir auftauchst", tadelte Taiki. "Welche anderen?"

"Oh, wir haben mehr Verbündete als euch", orakelte Pluto. "Aber wir wissen eure Hilfe dennoch zu schätzen."

"Wie großzügig", erwiderte Taiki schmunzelnd.

"Hey, ich habe gehört, hier steigt eine Party?", klang eine fröhliche Stimme vom Eingang her auf.

Targetia und Rose, die ehemaligen Generäle des wiederentstandenen Dunklen Königreichs, die aber am Nordpol mit den SailorKriegern Seite an Seite gekämpft hatten, traten ein und wurden ebenfalls euphorisch begrüßt. Hinter ihnen betraten Chrysanthia und Tulip den Saal. Die beiden Frauen hatten sich von ihrer DemonSeed gelöst, aber sie trugen immer noch mehr Macht in sich als ein normaler Mensch beherrschte. Schüchtern hielten sie sich im Hintergrund, bis Usagi sie in ihrer überschwenglichen, herzlichen Art begrüßte.

"Ihr alle! Dass Ihr gekommen seid..." Usagi schluchzte leise und versuchte die Tränen der Rührung zurück zu halten.

Haruka grinste breit und klopfte der jungen Frau auf die Schulter. "Du glaubst doch nicht ernsthaft, das wir auch nur eine Sekunde zögern, wenn uns unser Messias ruft? Du hast die Erde so oft gerettet, du hast uns so oft gerettet, das können wir überhaupt nicht zurückzahlen."

"Ich will doch gar nichts zurückgezahlt haben", protestierte Usagi.

Haruka prustete in die rechte Hand. "Ja, und das ist das Problem." Sie sah zu Mamoru herüber. "Sind das alle?"

"Fast alle. Einige sind draußen, aber sie kommen zur Besprechung, wenn die Millenier eintreffen. Pyramon kommt mit seinen stärksten Kriegern."

"Iskander?"

"Verletzt auf der Krankenstation."

Haruka hob irritiert eine Augenbraue. "Hat Akira endlich seinen Meister gefunden?"

"D-das kann man so nicht sagen", mischte sich Ami ein. "Er ist der Erste, der den direkten Beschuss mit der neuartigen Plasmawaffe dieser Rüstungen abgewehrt hat. Bisher sind wir den Schüssen ausgewichen."

"Nanu? Seit wann verteidigst ausgerechnet du Akira?" Haruka feixte ihr zu. "Läuft da was zwischen euch beiden?"

Ami sah die Freundin ausdruckslos an. "Nein, zwischen uns läuft nichts."

Irritiert sah Haruka zu ihr herüber. "So ernst wie du das gesagt hast, muss ich mir ja Sorgen machen. Streitet Ihr euch etwa wieder?"

Die einfühlsame Stimme und der mitfühlende Blick der Freundin machte Ami verlegen. "Es ist alles in Ordnung. Es ist alles so wie es sein soll", sagte sie leise.

"Abgesehen davon, dass Akira Torah wie immer ein Vollidiot ist", schloss Haruka.

Ami seufzte. "Das kannst du wohl laut sagen."

"Aha! Habe ich es doch gewusst!"

Entsetzt fuhr Ami zusammen. "Haruka, es ist nicht so wie..."

"Ihr streitet doch!", stellte sie fest. "Und da du ein viel zu liebes Mädchen bist, muss es an ihm liegen! Ich sollte ihm mal die Meinung geigen!"

Michiru griff nach Harukas Schulter, Augenblicke bevor sie sich in Bewegung setzte. "Sind wir nicht wegen der Besprechung hier?"

"Oh. Ach ja, da war ja noch was. Gut, dann nach der Besprechung. Wenn uns keine einhundert Rüstungen dazwischen kommen." Als sie die Blicke der anderen bemerkte, murmelte sie eine leise Entschuldigung.

"Äh, vielleicht ist das jetzt wirklich nicht die beste Zeit...", klang zaghaft eine Mädchenstimme vom Eingang her auf. "Vielleicht sollten wir den Tag heute wie gestern bei meinen Eltern..."

"NARU!" Freudestrahlend lief Usagi zur Freundin aus Schultagen herüber. "Naru, ich habe dich so vermisst."

"Ich bin auch noch da", merkte ihr Begleiter amüsiert.

Usagi, die Freundin fest in der Umarmung, sah den großen, breitschultrigen Mann erstaunt an. "Äh, kennen wir uns?"

Naru schnaubte amüsiert, während der junge Mann sie entsetzt ansah. Dann schien es irgendwo in ihm Klick zu machen, und er griff in sein Jackett, um eine große runde Brille hervor zu ziehen. Er setzte sie auf und sah Usagi erwartungsvoll an. "Erkennst du mich jetzt, Usagi?"

Die junge Frau stand da wie vom Schlag getroffen. Nur langsam kroch die Erkenntnis in ihr Bewusstsein. "U-umino?"

"Derselbe. Jetzt dank der Technologie der Millenier nur ohne Brille", sagte Umino amüsiert.

Usagi legte ihm eine Hand auf die Schulter, dann hielt sie an seinem Kopf Maß. "UMINO?"

"Er ist noch ein wenig gewachsen", erklärte Naru. "Ein später Schuss mit siebzehn."

"Ein wenig gewachsen ist gut", warf Mamoru staunend ein. "Und breiter in den Schultern ist er auch."

Umino lächelte in die Runde. "Ich habe mit American Football angefangen, als ich auf die Oberstufe gekommen bin. Die wollten mich als Forward haben. Mittlerweile bin ich Linebacker." Er runzelte die Stirn. "Wir kommen wirklich ungelegen, oder? Gestern haben wir es nicht mehr her geschafft, bevor diese Rüstungen angegriffen haben. Dann hat die Polizei uns nicht durchgelassen, und wir haben bei Narus Eltern übernachtet. Und jetzt diese Versammlung... Das sieht nicht so aus, als hättet Ihr gerade Zeit für uns."

"Unsinn!", wiegelte Usagi ab. "Für Freunde habe ich immer Zeit. Ihr nehmt einfach an der Besprechung teil, und danach reden wir über die alten Zeiten!"

Taiki ließ einen skeptischen Ton hören. "Auch Verbündete?"

"Nur Freunde. Gute Freunde", erwiderte Ami. "Wir haben einiges zusammen erlebt."

"Also keine Hilfe, was? Darf ich dann annehmen, dass das hier alles ist, was euch zur Verfügung steht?"

Minako klopfte dem großen Sänger kräftig auf die Schulter. "Ein paar mehr Asse haben wir schon noch im Ärmel, keine Sorge. Die wirst du schon noch kennen lernen, Taiki."

"Ich bin angenehm überrascht", erwiderte er. Sein Gesicht aber verriet, dass ihn diese Ankündigung irritierte. Noch mehr Krieger? Woher? Auf die Auflösung dieser Frage war er mehr als gespannt.

Zugabe 3: Konferenz der Verteidiger

"Und das ist die derzeitige Lage." Mit ernstem Blick beendete Usagi ihre Zusammenfassung über die derzeitige Situation für die Neuankömmlinge.

"Junge, Junge. Gebt ihr einen Stahlhelm, eine Uniform und einen Zeigestock", scherzte Haruka. "Du referierst, als wärst du dem Pentagon entsprungen."

"Was?" Verlegen sah Usagi zur Freundin herüber. Sie lachte und legte die Rechte an den Hinterkopf - was den erwachsenen, routinierten Eindruck nachhaltig zerstörte. "Ach, weißt du, Haruka, das kommt von den vielen Gesprächen auf Staatsebene. Ich schnappe halt hier und da schon was auf, und so."

Konsterniert sah Haruka die Mondprinzessin an. "Ich habe schon einige Tiefstapler erlebt, aber du, meine liebe Usagi, übertriffst sie gerade alle."

Wie um ihre Worte zu bestätigen klang leises Gelächter der Anwesenden auf.

"Hm." Umino erhob sich. "Okay, da ergibt jetzt einiges Sinn."

Naru sah ihren Freund von der Seite an. "Entpacken, Umino, entpacken." Entschuldigend sah sie in die Runde. "So ist er immer, wenn er nachdenkt und seine Schlüsse zieht. Er geht dann immer davon aus, dass alle anderen nicht nur seine Worte, sondern auch seine Gedanken hören. Nicht, Schatz?"

"Ich würde gerne diese Rüstungen sehen, die Ihr erbeutet habt. Es könnte wichtig werden."

Erstaunt sah Naru ihren Freund an. Er war mit keinem Wort auf sie eingegangen und hatte auch keine nachträgliche Erklärung angehängt. Es musste also um eine ganz große Sache gehen. "Du musst dennoch entpacken, Schatz", sagte sie tadelnd und kniff ihm in die Seite.

"Autsch! Was? Oh, ach ja. Das könnt Ihr ja gar nicht wissen. Es ist so, dass ich an der Toudai lerne. Genauer gesagt habe ich einen Studiengang belegt, der erst geschaffen wurde, seit die Millenier auf dem Mond leben: Exo-Ingenieurstechnik. Wir versuchen, die Technik der Millenier nicht einfach nachzuahmen, sondern zu verstehen. Zu begreifen. Wir erstellen die Formeln und Funktionsweisen, nach denen ihre Technologie arbeitet. Und dann versuchen wir sie zu adaptieren. Das geschieht übrigens mit Billigung des SilverMilleniums", betonte er.

Pyramon nickte ernst. "Wir sind der Auffassung, dass es für einen dauerhaften Frieden nur zwei Gefahren gibt. Die eine Gefahr ist, dass wir unsere Technologie, die der Erde weit voraus ist, für uns behalten. Die zweite Gefahr ist, unsere Technologie unvernünftig oder zu schnell an die Menschheit zu verteilen. Deshalb begrüßen wir es, wenn die Menschen unsere Technologie verstehen und irgendwann einmal selbst bauen können. Wir wollen keine versiegelte Technologie, welche die Menschheit zwar nutzt, aber ansonsten nicht kennt. So entsteht nämlich Abhängigkeit und Angst."

"Das Problem ist, dass ich zu einer internen Forschungsgruppe gehört habe - zumindest eine Zeitlang - die sich damit beschäftigt hat, noch nicht freigegebene Technologie der Millenier zu erforschen. Damals ist mir das nicht besonders aufgefallen, und ich hielt es für einen vernünftigen Gedanken, nicht die Millenier das Tempo vorgeben zu lassen." Traurig schüttelte er den Kopf. "Aber ich hätte nicht erst misstrauisch werden dürfen, als unsere Geldgeber verlangten, Copyrightverletzungen vorzunehmen. Also eingetragene Patente der Millenier nachzubauen. Ich hätte schon misstrauisch werden sollen, als wir die Antriebsreste einer Steuerdüse des Seelenschiffs zur Untersuchung bekamen. Kurz und gut, wir haben es geschafft, sowohl was den Nachbau als auch was das Verstehen angeht. Aber seht Ihr auch nur ein einziges menschliches Raumschiff mit diesen Dingern fliegen? Jetzt verstehe ich einiges." Er ballte die Hände zu Fäusten. "Ich und meine Kommilitonen haben die Waffe gebaut, die benutzt wurde, um euch anzugreifen. Die Iskander verletzt hat. Ich bitte vielmals um Verzeihung." Er verbeugte sich förmlich in der Hüfte bis über die Tischplatte."

"Lass den Quatsch, Umino", tadelte Mamoru ernst. "Du hast keinen Fehler begangen. Stattdessen hast du uns ein paar wichtige Informationen geliefert, die wir gerade jetzt dringend brauchen." Er winkte dem jungen Mann. "Komm, ich bringe dich zu den Rüstungsteilen. Ami, wenn du Zeit hast..."

"Oh. Ich komme."

"Dann helfe ich doch mal aus", sagte Taiki erfreut. "Ein menschlicher Wissenschaftler, das könnte durchaus interessant werden."

"Student", korrigierte Umino. "Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken."

"Selbstbewusster Wissenschaftler. Ich bin beeindruckt", sagte Taiki amüsiert.

Umino seufzte ergeben. "Können wir diesen Iskander besuchen? Ich fühle mich mehr als ein wenig schuldig, ihn betreffend."

"Natürlich." Mamoru ging voran. "Hinterher."
 

Als sich die Tür hinter den vieren geschlossen hatte, brach im Konferenzraum ein kleiner Tumult los. "Und jetzt, wo wir die Besprechung hinter uns haben, und wir wissen, das heute, morgen oder übermorgen ein paar tausend Rüstungen über uns herfallen, können wir die restliche Zeit auch genießen!", rief Haruka fröhlich. "Hier sind unsere Mitbringsel. Süßigkeiten aus ganz Japan!" Die Mädchen sprangen auf, eilten zu den prall gefüllten Tüten, unter den ironischen Blicken der Männer.

Harukas Blick wurde spöttisch. "Jungs, ich habe auch an euch gedacht. Dunkle Schokolade, saure Drops, Lakritze... Es ist alles da."

"Oh, ich hasse deine vorausschauende Art", murrte Motoki, während er aufsprang und sich zu den anderen Souvenirjägern gesellte.

***

Als sich Umino den Rüstungsteilen widmete, zog er eine schmalrandige Lesebrille hervor. Als er sie aufsetzte, wirkte er wenigstens zum Teil wieder wie der tollpatschige, vorlaute und quirlige Umino Gurio aus der Mittelstufenzeit. Nicht, dass Mamoru jemals viel mit ihm zu tun gehabt hätte; denn lange bevor er mit Usagi zusammen gekommen war, hatte Umino seine Schwärmereien zugunsten von Naru aufgegeben. Wenn er sich den großen, breitschultrigen und gut aussehenden Studenten so ansah, dann war es eine kluge Entscheidung gewesen.

"Ist was?", fragte Umino überrascht, als er Mamorus Blick auf sich fühlte. "Oh, dich interessiert sicher die Brille. Das ist keine richtige Brille, sondern ein Minicomputer mit Vergrößerung, Speicher und dergleichen. Wir haben sie aus der Millenier-Technologie entwickelt. Man kann sogar mit ihr telefonieren, Datenbanken anlegen, Mails verschicken.Ich kann auch alle Daten, die ich erfasse oder erarbeite, zum Beispiel an den Monitor an der Wand senden." Er lächelte. "Ich bin am Patent beteiligt."

"Wie schön für dich", erwiderte Mamoru. Unwillkürlich zog er einen Vergleich zu SailorMerkurs Scannercomputer, der um einiges größer und klobiger als die filigrane Brille war. Blieb noch zu hoffen, dass Amis Relikt aus der Zeit des Ersten SilverMilleniums leistungsfähiger war. Eine drahtlose Datenverbindung hatte sie jedenfalls nicht, wie er neidvoll anerkennen musste, als die Bilder von Uminos Brille auf dem Monitor angezeigt wurden.

Umino runzelte die Stirn, sagte aber nichts und machte sich an die Analyse der Wrackteile. "Interessant. Die Bruchränder sind nicht abgeschmolzen, obwohl die Form der Trümmer auf Plasmabeschuss oder Laser hindeutet. Was hat sie zerstört?"

"Mein Angriff als SailorKrieger", sagte Taiki stolz mit Blick auf die dargestellte Molekülkette. "Es ist eine Art wellenmoduliertes Plasma, das ungefähr einhundert Grad heiß ist. Die Wirkung erzielt es durch den Wellenkoeffizient, nicht durch die Temperatur. Wenn sich mehrere hundert Wellen aufschaukeln, kann es aber auch schon mal zu einer Verzehnfachung der Temperatur kommen."

Umino sah den großen Mann erstaunt an. "Entschuldige, aber ab SailorKrieger habe ich dir nicht mehr zugehört. Ich meine, wie bitte? Ich weiß ja, dass es in Tokio von Überlebenden des SilverMilleniums nur so wimmelt, und das jetzt schon die alte Palastgarde auftaucht. Aber keiner von ihnen hat je gesagt, ein SailorKrieger zu sein. Ich meine, du bist ein Mann."

"Das hast du aber aufmerksam beobachtet", sagte Taiki spöttisch. "Ist aber auch nicht ganz richtig. Wenn ich mich in meine Sailor-Rüstung werfe, bin ich eine Frau."

"Okay, Auszeit. Ab hier komme ich nicht mehr hinterher. Kümmern wir uns um die Rüstung", sagte Umino mit resignierendem Unterton. "Ami-chan, unterstützt du mich?"

"Natürlich, Umino-kun." Die junge Frau drückte auf ihren rechten Ohrring, und ihre Datenbrille erschien. Ohne das sie sich in SailorMerkur verwandelt hatte. Eine Teilmaterialisation, und damit eine der schwierigsten Manöver, die es für transformierende Krieger wie sie gab. Taiki konnte nicht umhin als anerkennend zu pfeifen. Ami wirkte für eine Sekunde verlegen, dann aber war die Technik für sie wichtiger.

"Gewöhn dich dran, das diese Frau ihre eigenen Prioritäten hat", raunte Mamoru Taiki zu, als er dessen Enttäuschung sah.

"Anscheinend ja." Es klang nicht ärgerlich, aber schon ein wenig wehleidig.

"Wie gut ist deine Brille?", fragte Umino.

"Ich komme bis auf den molekularen Bereich runter, also in die Struktur hinein."

"Das ist gut. Analysiere für mich bitte die Zusammensetzung der Materie und erarbeite ein Gitterstrukturmodell über ein sich wiederholendes Muster in der molekularen Zusammensetzung. Hier wurde eindeutig mit Karbon gearbeitet, aber vieles deutet auf Werkstoffe in vier, fünf Lagen hin. Ich gehe sogar soweit und behaupte, dass Teile der Moleküle ersetzt und gegen andere Atome ersetzt wurden. Das wäre dann keine Verschmelzung von Atomen zu Molekülen mehr, sondern atomare Chirurgie. Tut mir Leid, ein anderes Wort habe ich nicht dafür. Wir können so etwas nicht." Er schien kurz nachzudenken. "Und das werden wir auch eine sehr lange Zeit nicht."

"Ist gut. Ich sende meine Daten ebenfalls an den Monitor", sagte sie ein wenig geistesabwesend.

Der Bildschirm teilte sich und zeigte nun die Daten beider Brillen. `Eins zu eins´, ging es Mamoru durch den Kopf. Ein beruhigender Gedanke.
 

Die beiden arbeiteten konzentriert weiter. "Na also, da haben wir doch den Hinweis, den ich gesucht habe. Ja, diese Kraftübertragung wurde bei uns entwickelt. Ebenso diese Supraleiter."

"Du meinst die Hohlfeldinduzierten Plasmaleitungen für die Energieversorgung?", warf Taiki nach einem intensiven Blick auf den Monitor ein.

"Eine Art offenes Gitter, das auf molekularer Ebene einen Schlauch bildet, und für den Transport von Elektronen in großer Zahl von einem Magnetfeld umschlossen ist."

"Genau das", sagte Taiki nicht ohne Stolz, da er den Supraleiter zuerst identifiziert hatte.

"Etwas zu fortschrittlich für Kampftechnologie menschlichen Ursprungs", sagte Umino ernst. "Diese Leitung hat die Qualität unserer Prototypen. Um sie dem mechanischen Stress und der Belastung eines Kampfeinsatzes auszusetzen, ist es noch zu früh. Ich meine, wie leicht kann dieses Magnetfeld kollabieren und macht aus der Rüstung entweder einen gigantischen Mikrowellenofen, oder eine farbenfrohe Explosion?"

"Interessant. Wir brauchen also nur die Magnetfelder zu stören, und die Urgewalten, die für den Betrieb der Rüstungen durch die Supraleiter fließen, erledigen für uns Rüstung nebst Piloten?"

Umino sah auf. "Etwas burschikos formuliert, aber im Prinzip hast du Recht Taiki-kun. Leider liegt darüber die Panzerung, und die ist..."

"Aus Buckyballs gebaut", sagte Ami ernst. "Also aus Kohlenstoffmolekülen, die sich in Sechs- und Fünfeckstrukturen aneinander gliedern und dadurch eine Kugel formen. Eine superkompakte Form des Kohlenstoff-Moleküls. In diesem speziellen Fall aber wurde die Kugel bei einem Drittel der Gesamtmasse geteilt. Die dadurch entstehende Linse war der Ausgangspunkt. Vier Linsen dieser Dicke bilden eine Schicht in ihrer Gesamtheit. Ich analysiere noch, aber abgesehen von diesen Buckyball-Buckeln, die quasi die Außenverteidigung bilden, gibt es noch Unterschichten, die diese Rüstungen meines Erachtens nach gegen Elektromagnetische Impulse schützen, um die Elektronik und den Computer vor einem Totalausfall zu bewahren."

Mamoru sagte ernst: "Das hatte die erste Rüstung, mit der Makoto, Motoki und Akira gekämpft haben, noch nicht. Sonst hätte Makotos Jupiterschlag sie nicht kurz geschlossen. Unser Feind hat nur einen Tag gebraucht, um seine Waffe zu verbessern und zehnmal zu reproduzieren." Ernst sah er in die Runde. "Und es ist wieder ein Tag vergangen. Hoffentlich sind wir gut genug vorbereitet. Umino, Ami, Taiki, wenn Ihr neue Erkenntnisse gewinnt, gebt uns schnell Bescheid. Ich werde mit den anderen unsere Möglichkeiten besprechen. Vor allem unsere Chancen. Falls Ihr nichts findet, was uns weiterhelfen könnte, beteiligt euch lieber an unserer Konferenz. Ich gehe jetzt zu Akira und

Yaten. Eventuell ist Akira wieder stark genug, um ebenfalls zur Konferenz zu kommen."

"Yaten ist immer noch bei Akira?", fragte Ami erstaunt.

Taiki lachte leise. "Das wundert mich nicht. Irgendwas an ihm spricht Yaten an. Vielleicht war es diese hirnrissige, selbstzerstörerische Art, in der er trotz seiner Verletzungen unbedingt auf den Balkon gewollt hat, nur um dort vollends zusammen zu brechen. Wir sind von euch SailorKriegern der Erde eben zu viele letzte Gefechte gewohnt. So etwas prägt."

"Blinde Tapferkeit?", fragte Umino interessiert.

"Ganz so war es nicht. Er hat dem Blast einer Rüstung standgehalten, und das hat ihn fast umgebracht", erklärte Taiki. "Und trotzdem wollte er danach noch auf den Balkon, wo Usagi angegriffen worden war."

"Usagi, Motoki und Ami", fügte Mamoru an. "Zu dem Zeitpunkt hatte Taiki die Situation aber bereits im Griff und drei der Rüstungen ausgeschaltet."

Umino sah zu Mamoru herüber, dann zu Taiki, und schließlich zu Ami. Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht. "Und im Moment ist dieser Akira mit einer SailorKriegerin zusammen? Also, im gleichen Zimmer, meine ich. Nicht in dem Sinne zusammen."

"Wahrscheinlich", flüsterte Ami.

"Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie mag ich den Burschen, bevor ich ihn kennen gelernt habe. Ich mag den sich selbst aufgebenden Verlierertypen. Wahrscheinlich weil ich da selbst dran knapp vorbei geschrappt bin." Er grinste nun offen und begann die Rüstungsteile zu sondieren. "Hm, geh schon mal ruhig zu deiner Konferenz, Mamoru. Ich habe hier eine brillante Idee. So wie ich das hier sehe, könnte man aus den Resten hier eventuell zwei komplette Rüstungen zusammen basteln. Es wäre ein ganz schönes Flickwerk, zugegeben. Aber wir würden weit mehr über ihre Möglichkeiten erfahren, wenn wir eine Rüstung ausprobieren könnten. Eventuell haben die Millenier auch ein Computersystem übrig, das wir hierin verbauen könnten... Oh, ich habe Ideen, Ideen, Ideen. Bist du dabei, Ami-chan?"

"Was?" "Guten Morgen. Wo bist du mit deinen Gedanken? Ich will aus den Resten hier eine oder zwei funktionsfähige Rüstungen basteln. Hilfst du mir?"

"Ich weiß nicht. Eventuell sollten wir doch lieber zur Konferenz mitgehen. Vielleicht braucht Mamoru mit Akira ja auch Hilfe", erwiderte sie.

Taiki legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Und ich denke, dass Umino-san eine grandiose Idee hat, die sich umzusetzen lohnt. Mamoru braucht bestimmt keine weitere Hilfe, solange Yaten dabei ist. Mamoru, kannst du uns ein paar millenische Techniker schicken? Ich habe leider gerade keinen Zugriff auf meine Technologie."

"Ich schicke euch Gaion", versprach Mamoru. "Falls es nicht zu zwei Rüstungen reicht, oder auch nicht zu einer, isoliert die Waffensysteme. Das wäre besser als nichts."

"Okay", murmelte Ami. Sie seufzte. "Also gut, wir haben einen Job zu erledigen. Kümmern wir uns darum." Mit frisch erwachtem Elan machte sie sich an die Arbeit.

"Ach, Taiki, ich glaube, du wirst mir beizeiten einiges erklären müssen", sagte Mamoru, bevor er den Raum verließ.

Der SailorKrieger wollte antworten, aber da hatte das Licht der Erde das Forschungslabor schon verlassen.

Umino pfiff fröhlich vor sich hin. "Oh, das wird Spaß machen."

"Ja, das Basteln mit den Rüstungen ist wie ein großes interaktives Puzzle", sagte Ami.

"Oh ja, das auch." Fröhlich pfiff er weiter und begann die Torso-Platten in beschädigte und brauchbare Teile zu zerlegen.

***

"Und was ist dann passiert?", klang Yatens Stimme auf, als Mamoru gerade das Krankenrevier betrat.

"Nun, es war die Hölle auf Erden. Ich frage mich heute noch, warum Artemis zu dem Zeitpunkt Yuichiro noch nicht geweckt hatte. Dann hätte ich die Seed vielleicht gar nicht erst in meinen Körper ziehen müssen."

"Und das hat dich fast umgebracht", sagte Mamoru und schloss die Tür hinter sich. Er sah Yaten an. "Du hast dich verwandelt?"

Die weißhaarige Kriegerin lächelte spöttisch. "Ich dachte, du würdest es mögen, wenn sich wenigstens eine von uns dreien bewusst wäre, dass sie eine Frau ist, und nichts anderes."

"Ja, leider nur die falsche, Starmaker. Leider nur die falsche." Er wandte sich dem General zu. "Akira, kannst du zur Konferenz kommen? Es sind einige Verbündete eingetroffen, die du kennen lernen solltest."

"Verbündete? Unter anderem eine junge Frau mit rosa Haaren, die wie Kaninchenohren hoch gebunden sind, und die mit Saturn herumläuft und jedes mal zu kichern anfängt, wenn sie mich sieht?"

"Ah. Meine Tochter." Er lächelte, als Akiras Gesicht einen Ausdruck annahm, der irgendwo zwischen Verwirrung, Unglaube und dem üblichen Wahnsinn pendelte.

"Meine zukünftige Tochter, Akira. Das habe ich dir doch erzählt."

"Das erklärt dann wohl auch, warum die zukünftige Hotaru mit ihr unterwegs war. Sie scheinen aus der gleichen Zeit gekommen zu sein. Bleibt nur noch die Frage, warum die beiden mich auslachen."

"Eventuell hast du es verdient", murmelte Mamoru leise.

"Was?" "Oh, eventuell wissen sie etwas aus deiner Zukunft über dich, was sie dir aber nicht sagen dürfen. Also, kommst du?"

"Ja, ich fühle mich schon viel besser. Kein Vergleich zu damals, als die DemonSeed in meinem Körper gewütet hat." Er schwang die Beine aus dem Bett und belastete sie langsam. "Es geht", stellte er verblüfft fest.

"Abgesehen von der Episode mit der SeedQueen warst du immer schnell wieder auf dem Damm", sagte Mamoru. "Brauchst du einen Schwebestuhl?"

"Ist Haruka schon da?" "Ja, ist sie. Was hat das mit einem Schwebestuhl zu tun?"

"Sie wird mich auslachen, wenn ich in den Konferenzraum hinein geschoben werde", erwiderte er mit säuerlicher Miene.

"Oh, ja, die Chance besteht." Mamoru grinste breit. "Sag mal, hast du Starhealer auch erzählt, wie du Ami die SeedQueen aus dem Körper geholt hast?"

"Du hast sie aus SailorMerkur extrahiert? Das hattest du noch gar nicht erwähnt."

"Ach, wirklich nicht? Dann war es wohl ein unwichtiges Detail."

"Genauso unwichtig wie deine Methode, oder?", stichelte Mamoru.

"Was war denn so besonderes an deiner Methode, die DemonSeed in deinem Körper aufzunehmen?", fragte Yaten.

"Ich habe sie ihr aus einer Körperöffnung gesaugt. Das war zufällig der Mund", sagte Akira unwirsch.

"Der Mund? Ihr habt euch also geküsst?"

"Wenn man exakt ist, dann habe ich sie geküsst. Sie war von einer SeedQueen besessen und hatte alles andere als ihren freien Willen", erwiderte Akira.

"Und jetzt ist sie sauer auf dich? Nicht einmal ein kleines bisschen dankbar, weil du ihr das Leben gerettet hast? Wie unfair." Yaten ballte die Hände zu Fäusten. "Wie unprofessionell. Ich hatte sie eigentlich ganz anders in Erinnerung." Sie nahm Akiras rechten Arm und zog ihn vom Bett hoch. "Ich stütze dich ein wenig. Außer natürlich, du hast was gegen die Nähe einer schönen Frau."

"Wie könnte ich", erwiderte er und machte einen ersten, vorsichtigen Schritt. Es schien gut zu gehen, also traten sie zu zweit durch die Tür, die Mamoru für sie aufhielt.

"Na, das kann ja noch was werden", sagte der resignierend und folgte den beiden.

***

Unruhig wanderte Kenichiro Kano durch die Basis. Die unterste Ebene des Parkhauses hatte nicht lange ausgereicht, und die nächsthöhere Passage war für ihre Zwecke hergerichtet worden. Wenn er sich über eines nicht beklagen konnte, dann über mangelnde Bereitschaft der japanischen Politik.

Auch das Dach des Hochhauses stand ihnen nun im vollen Umfang zu Verfügung. Mittlerweile trainierten die Transporthubschrauber, die ihnen von den Russen zur Verfügung gestellt worden waren, die Be- und Entladeaktionen offen; offiziell führten sie eine Übung zur Rettung von Menschen aus brennenden Hochhäusern durch.

Die unterste Ebene war überlaufen, schrecklich überlaufen. Zu den neunzig Army Rangers, die den Großteil der Rüstungen übernehmen würden, waren die zwanzig chinesischen und koreanischen Piloten gekommen, die in die flugfähigen Rüstungen steigen würden. Sein letzter Kenntnisstand war, dass sie in exakt siebzehn Stunden achtundachtzig konventionelle Rüstungen bereit haben würden, dazu neun hochgerüstete Exemplare nach den neuesten eruierten Daten des Überfalls auf die Botschaft, und die versprochenen zwanzig flugfähigen Exemplare. Allerdings, wenn er sich die Piloten näher ansah, die in den Simulatoren dafür trainierten, diese selbststeuernden Kanonenkugeln zu navigieren, war es vielleicht besser, auf den Flugmodus zu verzichten, wollten sie nicht zwanzig große, zweihundert Millionen Yen teure Fettflecken in der Landschaft produzieren.

Seine Hände zitterten. Als er es bemerkte, steckte er sie in die Taschen seiner Hose. Aber es wurde nicht besser, war ihm nur zu schmerzhaft bewusst. Er hatte Angst, furchtbare Angst. Die Atombombe, sie war das alte Trauma seines Volkes. Auf ihrem Land waren die ersten Atomwaffen abgeworfen worden, sein Volk hatte die ersten Kurzzeit-, Mittelzeit- und Langzeitschäden durch die radioaktive Strahlung erfahren, abgesehen von den hunderttausenden, die in den beiden Explosionen umgekommen waren.

Er kannte sich gut in Geschichte aus; seine Elite-Universität hatte vor seiner Ausbildung ein sehr umfassendes Allgemeinwissen gefordert, und er hatte es aufgebaut, wie es für die Kinder der Elite üblich war. Daher wusste er, dass der große Bomberangriff auf Tokio mehr Schäden angerichtet hatte und mehr Tote gefordert hatte als beide Atombomben zusammen. Aber der Fluch, der schreckliche Fluch, der damit auf sein Volk niedergefahren war, der hielt auch jetzt noch, nach siebzig Jahren, das Land im Griff. Die Atombombe war furchtbar, und jene, die sie verwendeten, hatten nicht geruht, und die schrecklichen Waffen weiter entwickelt. Eine einzige Rakete der Amerikaner oder der Russen konnte den ganzen Riesenbezirk von Tokio - abgesehen von den Pazifik-Inseln, die dem Distrikt zugerechnet wurden - einäschern und einen Bereich verstrahlen, gegen den Hiroshima und Nagasaki beinahe eine Lappalie wären. Von dreiundzwanzig Millionen Menschen würde nicht einmal die Hälfte überleben, beinahe fünfzig Millionen Japaner würden indirekt betroffen sein, und allen Überlebenden würde der Fluch gemein sein, der erneut auf sie herab gefahren war.

Und wofür das alles? Um ein kleines Mädchen zu töten, das zu dumm war um zu schweigen oder sich bestechen zu lassen? Um die Botschaft der Millennier zu vernichten? Um ein paar Superwesen auszulöschen, die ihre große Macht unverständlicherweise nicht bis zum Exzess zum Eigennutz missbrauchten? Und was würde danach kommen, wenn die Rüstungsträger des GunSuits erfolgreich gewesen waren? Wer würde die Erde fortan beschützen? Japan beschützen? Auf wen würden die Piloten der Rüstungen hören, wem würden sie dienen? Was würden sie mit ihrer Macht anstellen? In seinen Hosentaschen öffnete und schloss Kano die Hände mehrfach. So ähnlich musste sich Frankenstein gefühlt haben. Nicht nachdem er das Wesen erschaffen hatte, das andere als Monster bezeichneten, aber später, als er hatte sehen müssen, was Bigotterie, Angst vor dem Neuen, Angst um die eigenen Privilegien und ein wenig Mob-Mentalität aus den Menschen machen konnten. Was hätte Frankensteins Schöpfung für die Welt bedeuten können... Aber wie sehr hatten die Menschen dieses Geschenk doch abgelehnt. Himmel, was hätte er jetzt dafür gegeben, sich mit zwei bis drei Litern Sake in eine stille Ecke zurückziehen zu können, um sich ordentlich zu besaufen, und den ganzen Druck, seine Verantwortung, die Operation und die Millennier vergessen zu können.
 

Als sein Handy klingelte, wusste er, dass er die Idee mit dem Sake und dem Vergessen begraben konnte. Nicht, dass er auf seine Verwirklichung allzu große Hoffnungen gesetzt hätte.

"Kano."

"Kenichiro, kommen Sie in mein Büro."

"Ich bin unterwegs, Direktorin Douglas."

Stantepede machte er sich auf den Weg.

Im Büro erwartete ihn ein Mann, den er nicht erwartet hatte. Alleine schon aus dem einleuchtenden Grund, dass kein Politiker seines Ranges so dumm sein konnte, so offensichtliche Verbindungen zu Direktorin Douglas' Truppe zu zeigen. Also musste es wirklich wichtig sein.

"Herr Premierminister", sagte Kano und verneigte sich leicht.

Iori nahm die Ehrenbezeugung mit unbewegter Miene hin. "Special Agent Kano. Ich hoffe, Sie können mir einiges erklären, was sich dem Wissen der Direktorin entzieht."

Douglas saß in ihrem Sessel und sah den Premier mit unbewegter Miene an. Aber in ihren Augen brodelte es. Dass sie nicht selbst antwortete oder Kano gar den Mund verbot, deutete darauf hin, dass Iori deutlich gemacht hatte, wie die Rangfolge der Organisation war. Noch, musste Kano hinzu fügen, denn sobald die Mächtigeren auf den Gedanken kamen, Japan die Autorität über diesen Kampfeinsatz zu entziehen, dann würden sie ein besetztes Volk sein, das erneut nicht über das eigene Schicksal bestimmen konnte.

Iori lächelte schmallippig. "Ich sehe, wir denken ähnlich, junger Mann. Ich kann es in Ihren Augen lesen."

Kano stockte. "Herr Premierminister, das Wohl Japans ist immer meine oberste Direktive."

"So wie von uns allen", kam es halbherzig von der Direktorin.

Iori würdigte sie keines Blickes. "Helfen Sie mir aus, Kenichiro Kano. Erklären Sie mir etwas. Vor drei Tagen, beim Feldversuch gegen SailorJupiter, da hieß es, wir hätten am nächsten Tag zehn Rüstungen bereit, und in einer Woche einhundert.

Vorgestern aber hieß es bereits, es würden zwanzig flugfähige Rüstungen bereit stehen, und wir könnten erheblich früher mit den restlichen Rüstungen rechnen."

Kano nickte. "Über diese Information verfüge ich auch, Herr Premierminister."

"Und, können Sie mir erklären, warum das so ist? Warum sich die Erde plötzlich so viel schneller dreht, dass sie glatt vier Tage einspart?", fragte der Mann mit einer erheblichen Portion Spott in der Stimme.

"Ich habe keinerlei Informationen darüber, ich bedaure", stellte Kano klar. "Ich bin in den Forschungsprozess involviert, aber nicht in den Produktionsprozess. Vielleicht kann Ihnen Doktor Suun Ang Fragen zu diesem Thema beantworten - ich kann es leider nicht."

"So, so. Und was GLAUBEN Sie, Kenichiro Kano? Warum stehen uns die Rüstungen schon vier Tage früher zur Verfügung?"

Kano lächelte wölfisch. Darüber hatte er sich keine Gedanken gemacht, bis zu diesem Zeitpunkt. Aber die Erklärung war offensichtlich, und sie verhieß, dass die ganze Operation eine Größe, eine Dimension einnahm, die Japan einfach verschlingen würde. "Es gibt nur zwei Erklärungen, wenn man nicht den unwahrscheinlichen Fall annehmen möchte, dass die Produzenten des GunSuits plötzlich und spontan eine absolut geniale Idee gehabt hatten, um die Produktion eines einzigen Suits von einem halben Jahr auf einen halben Tag zu reduzieren."

Amüsiertheit spielte um die Lippen des Premiers. "Ich höre."

"Die Allianz gegen das SilverMillenium baut in diesem Moment an vier Standorten GunSuits, die alle nach der gleichen Vorgabe gebaut werden. In China, Russland, den USA und Groß-Brittannien. Diese Produktionswerke sollten zu diesem Zeitpunkt ziemlich genau zwanzig Rüstungen fertig haben, und weitere achtzig zu neunzig oder fünfundneunzig Prozent. Soweit die Planung."

Iori nickte konzentriert, während das Gesicht von Douglas eine starre Maske bar jeder Emotion wurde.

"Möglichkeit eins: Unsere Verbündeten produzieren ihre Rüstungen viel schneller, als sie uns gesagt haben. Dann ist es kein Wunder, dass so kurzfristig einhundert Rüstungen zur Verfügung stehen."

"Was bedeuten würde, dass eventuell mehr Rüstungen existieren als uns zur Verfügung gestellt wurden", sagte Iori.

"Möglichkeit zwei: Unsere Verbündeten haben bereits eine sehr große Anzahl an Rüstungen produziert, und sie geben uns unsere Exemplare nur nach und nach, je nach der Notwendigkeit. Die wahre Anzahl bereits produzierter Exemplare ist geheim. Geheim vor uns, und geheim vor den anderen Verbündeten der Koalition, vor allem aber vor den anderen GunSuit-produzierenden Ländern."

"Und das bedeutet?"

Kano atmete schnaubend aus. "Die Hölle auf Erden, Herr Premierminister. Wenn wir mit dem SilverMillenium fertig sind, werden völlig neue Fronten entstehen, und auf beiden Seiten werden die GunSuits eingesetzt. Stellen Sie sich einen Krieg mit eintausend GunSuits vor. Oder einen Krieg gegen ein Land, das keine GunSuits hat."

"Das heißt also, selbst wenn ich diese Anlage konfisziere und alle Rüstungen der japanischen Armee zur Verfügung stellen würde, wären wir zahlenmäßig dennoch unterlegen."

"Herr Premierminister, ich protestiere nachdrücklich gegen...", begann Douglas, doch Iori brachte sie mit einem scharfen Blick zum Schweigen.

"Wir wären wahrscheinlich die kleinste GunSuit-benutzende Nation. Und die Piloten der GunSuits kommen zum Großteil nicht aus Japan."

"Schwingt da ein aber mit, Kenichiro Kano?"

Kano lächelte. "Kennen Sie die Geschichte des Zauberlehrlings, der sich das Wasser schleppen sparen wollte, und deshalb einen Besen verzauberte? Ich denke nicht, dass wir in der Lage sind, den Besen wieder in die Ecke zu scheuchen. Also sollten wir zumindest einen haben, Herr Premierminister."

Die Augen Ioris schienen zu brennen, als er Kano ansah. "Und was machen wir mit den ausländischen Mitarbeitern im Stützpunkt?"

Kanos Augen gingen zu Douglas, die sichtlich bleich geworden war. "Wir werden auch in Zukunft fähige Leute in führenden Positionen brauchen. Direktorin Douglas hat sich als essentiell für das Unternehmen erwiesen. Vielleicht kann man ihr, ah, eine Loyalitätsverschiebung zu Gunsten des japanischen Volkes nahebringen."

Kano und Iori sahen beide zu Douglas herüber.

Die Frau, einerseits geschmeichelt von Kanos Worten, andererseits keine Idiotin und alarmiert, wusste genau, welchen Ausgang eine offene Konfrontation bedeuten würde. Immerhin waren sie hier in Japan, nicht in Washington. Und wenn Kano Recht hatte, dann war sie schon bald nicht mehr die Direktorin einer Organisation mit einer einmaligen Waffe, sondern nur noch eine unter vielen, oder gleich ganz arbeitslos. "Ich war dem japanischen Volk schon immer vom ganzen Herzen freundschaftlich verbunden", sagte sie so selbstbewusst, wie sie es vermochte. "Tatsächlich fühle ich mich mehr als Japaner, denn als Amerikaner."

Iori deutete ein Nicken an. "Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich für eine mehr als angemessene Position sorgen, Direktorin Douglas. Und selbstverständlich für eine mehr als großzügige Entlohnung."

"Davon gehe ich aus", antwortete sie.

"Gut, dann ist alles gesagt." Iori wandte sich zum Gehen. Dabei klopfte er Kano auf die Schulter. "Machen Sie es sauber, machen Sie es schnell, Kenichiro."

"Versprochen, Herr Premierminister." Und obwohl die Worte über seine Lippen flossen, wollte er selbst nicht so ganz an sie glauben. Aber hatte er eine andere Wahl? Die einzige andere Möglichkeit, die er hatte, hätte einen Mut erfordert, den er nicht aufzubringen in der Lage war.

***

"Akira!", rief Haruka hoch erfreut, als sie den Neuankömmling bemerkte. "Und du", fügte sie beim Anblick von Sailor Starhealer säuerlich hinzu.

"Danke für das "und du", Haruka-chan", erwiderte sie ironisch.

Die blonde Kriegerin hob fragend die Augenbrauen. "Gibt es einen Grund, warum du als einzige von euch dreien als SailorKrieger herumläufst?"

"Einen... Grund?" Sie hüstelte verlegen, und ein rosa Schatten huschte über ihre hellen Wangen.

Verdutzt hielt Haruka inne. Es dauerte einige Zeit, bis sie ihre Worte wiederfand.

Derweil hatte sich Akira mit Starmakers Hilfe gesetzt. "Ich danke dir, Yaten."

Haruka setzte zu einer Frage an, aber Michiru legte ihr eine Hand auf die Linke. "Es tut gut, dich wieder zu sehen, Akira. Nach dem was wir gehört haben, dachten wir du wärst schwerer verletzt."

Der ehemalige Kommandeur der Palastwache lächelte. "Ich war weniger verletzt, mehr verausgabt."

Kurz verdüsterte sich Harukas Miene. "Aber du streitest schon wieder mit Ami. Was hast du bloß mit dem armen Mädchen, dass du sie immer gängeln musst?"

"Haruka, bitte", versuchte Michiru ihre Freundin zu beschwichtigen.

"Ist doch wahr. Da glaube ich, endlich kenne ich diesen Burschen und verstehe, warum ich ihn mag, und dann erweist er sich als kleiner Fiesling, der unsere Ami traktiert. Akira, bei aller Freundschaft, aber was hast du mit ihr angestellt?"

"Das Richtige", erwiderte der weißblonde Mann trocken.

Das machte Haruka Tenoh sprachlos. Sie wusste nicht genau warum, aber sicher war es wieder eine seiner berühmten Dummheiten.
 

Akira sah ins Rund. "Man hat mir gesagt, ich würde einige neue Verbündete sehen, die ich noch nicht kenne."

Sein Blick ging zu Naru herüber, die sich unwillkürlich duckte. "Ich nicht. Ich bin nur auf Besuch."

"Das ist Naru Osaka, eine alte Schulfreundin von uns", erklärte Minako. Sie deutete auf die vier Generäle Jedithes. "Aber die hier kennst du doch noch, oder?"

Akira lächelte die vier Frauen an. "Ich habe euch nicht vergessen. Targetia. Rose. Tulip. Chrysanthia." Die vier erwiderten sein Lächeln.

"Und Ihr kommt genau zur richtigen Zeit. Wir..."

"Kommen wir zu spät?", rief Aelion fröhlich von den Fahrstühlen herüber. Er und Garalion waren gerade erst vom Mond eingetroffen. Zusammen mit Pyramon und Gaion, Mamorus Sekretär, bildeten sie die Speerspitze der militärischen Stärke des SilverMilleniums.

"Langsam wird es richtig voll hier", bemerkte Akira amüsiert.

"Was denn, was denn? Ich dachte, du musst das Bett hüten, weil dich diese lächerlichen terranischen Low-Tech-Waffen aus der Bahn geworfen haben, Iskander", neckte Garalion den ehemaligen General. "Aber dafür siehst du viel zu gut aus. Liegt das an der schnieken Schnecke neben dir? Und seit wann stehst du auf Lack und Leder?"

"Nun halte mal besser den Rand, du Krümel, wenn die Erwachsenen über Kuchen reden", sagte Akira angriffslustig. "Mit dir wische ich allemal den Boden auf. Und ob ich das Bett hüte oder nicht, entscheide ich immer noch selbst."

"Schade", erwiderte der Hüne, legte vertraulich einen Arm um Akiras Schulter und betrachtete Starhealer ausgiebig. "Wo es doch nie so viele Gründe wie heute für dich gab, das Bett zu hüten."

Yaten errötete bis unter die Haarspitzen. Das sah verdammt niedlich aus.

Ärgerlich erwiderte sie: "Halt bloß die Klappe, du großer Teddybär! Erstens musst du nicht deine schmutzigen Phantasien auf meinen Akira projizieren. Und zweitens trage ich nicht Lack und Leder, sondern die optimierte Funktional-Uniform für kinmokuianische SailorKrieger! Es sind High Tech-Rüstungen mit integrierten Kraftverstärkern, die alles was das SilverMillenium aufzubieten vermag wie Kinderspielzeug aussehen lässt!"

"So? Tut es das? Wollen wir das vielleicht mal austesten? Ich könnte dir etwas Respekt vor dem SilverMillenium beibringen!"

Akira hob eine Hand und brachte Garalion damit dazu, einen halben Schritt zurück zu treten. "Frag sie lieber nach den Patenten und den Vermarktungsrechten für ihre Technologie auf der Erde", riet er.

Garalion wirkte nachdenklich. "Gut, das würde aber erst einmal eine Vorführung erfordern, anschließend Leistungsvergleiche. Selbst wenn die Technologie unserer nicht überlegen sein sollte, könnte man bei gleicher Leistung schauen, ob wir technisch verschiedene Ansätze gegangen sind und den besseren ermitteln. Es könnte sich als sehr befruchtend für die Technologie beider Seiten erweisen, wenn wir da ein wenig zusammen forschen." Verlegen legte er eine Hand auf den Hinterkopf und grinste. "Entschuldige. Manchmal geht eben der Ingenieur mit mir durch."

"Ingenieur?", fragte Yaten argwöhnisch.

"Ja, hast du gedacht, einer der größten Krieger des SilverMilleniums sei nur ein tumber, vorlauter Muskelprotz?", bemerkte der Weißhaarige grinsend.

"Danke, Akira."

"Obwohl er es einem zu leicht macht, so einen Eindruck von ihm zu bekommen", fügte er hinzu.

"Das war jetzt ein Tiefschlag", murrte Garalion. Er sah an den beiden vorbei und ging auf Tulip zu. Die junge Frau flog ihm in die Arme. Nach einem zärtlichen Kuss raunte er: "Hallo, Schatz. Die ganze Zeit ohne dich ist so einsam."

"Ich weiß. Aber bis jetzt gingen immer andere Dinge vor. Sollten wir das hier aber überleben, dann verspreche ich dir einen wundervollen, extralangen Urlaub zu zweit."

"Das ist ein Versprechen, oder?"

Akira seufzte laut genug, um von allen gehört zu werden. "Als erklärter Single könnte ich dich manchmal umbringen, Garalion."

"Dass du erklärter Single bist, ist nur deine Schuld, und niemandes sonst", wies ihn der Mondkrieger zurecht. "Und du bist der einzige, der das ändern kann."

Nun war es Akira der errötete. Die Nähe von Yaten wurde ihm überdeutlich bewusst. Aber da waren immer noch die Gedanken und Gefühle für Ami. Und er wusste außerdem, dass jede seiner Antworten in dieser Situation die Sache nur noch schlimmer für ihn machen würde. Vor allem in diesem Augenblick, beobachtet von Haruka, die interessiert auf seine Erwiderung wartete.

"Wie dem auch sei!", klang die Stimme von Mamoru Chiba auf, während er mit Gaion und Pyramon eintrat. "Unsere letzten Verbündeten treffen gerade ein. Wir sollten mit der Konferenz beginnen. Gaion, hole Ami und unseren Gast."

"Sofort, Herr." Der Adjutant nickte bestätigend und verschwand vor aller Augen.

Innerlich atmete Akira erleichtert auf. Der alte Freund hatte ihn wahrlich vor dem Gong gerettet.

"Wie, unsere letzten Verbündeten?", fragte er. "Ich dachte, es wären alle da."

"Nun, nicht ganz. Viele kennst du gar nicht, und einige haben es auch nicht rechtzeitig geschafft. Einige der Zusagen... Nun, sie können uns rächen, falls wir uns nicht verteidigen können."

"Ich hasse es, wenn du kryptisch wirst, Mamoru", tadelte Akira.
 

"Hallo, SilverMillenium!", rief eine fröhliche Alt-Stimme vom Eingang her. Die großgewachsene Frau mit dem grünen Kurzhaarschnitt war sichtlich aufgeregt, als sie durch die Halle auf die Gruppe zugeeilt kam.

Mamoru lächelte wissend. "Petzite. Du hast meinen Ruf gehört."

"Und ich bin ihm gefolgt. Ich, und meine Schwestern. Sie kommen gleich nach. Im Moment sind sie mit so einem niedlichen Bengel beschäftigt, der auch gerade angekommen ist." Tadelnd sah sie Mamoru an. "Also wirklich, in all der Zeit hast du uns nicht ein mal gerufen. Nicht mal, als die Erde unter dem Eispanzer versank. Und jetzt brauchst du uns?"

"Es sind besondere Zeiten. Diesmal sind die Menschen unsere Gegner", sagte Mamoru entschuldigend. "Gegen diesen Feind brauchen wir jeden Krieger, der verfügbar ist."

"Oh, ich habe schon von den Rüstungen gehört. Du hast Recht. Ihr braucht jeden Krieger. Ich... Usagi-chan!"

Übergangslos hing die große Frau dem blonden Mädchen am Hals. "Oh, ich bin ja so stolz auf dich. Du hast so viel erreicht, so viel Gutes bewirkt."

Wie immer in solchen Situationen gab sich Usagi emotional und herzlich und erwiderte die Umarmung Petzites. "Ich freue mich auch, dich zu sehen. Aber wen meintest du mit dem niedlichen Bengel?"

In diesem Moment traten die anderen drei Frauen ein, in ihrer Mitte einen mittelgroßen, weißhaarigen Jungen. "Calaverite! Berthierite! Karmesite!"

Die schwarzhaarige Karmesite winkte aufgeregt. "Ihr braucht Hilfe, habe ich gehört? Schon sind wir zur Stelle."

Akira betrachtete den weißblonden Jungen, der inmitten der Mädchen ging, und mit gesenktem Kopf ihre Liebkosungen hinnahm. "Und der ist?"

"Helios. Der Wächter meines Hauses", sagte Mamoru mit Zufriedenheit in der Stimme. "Zumindest des Hauses von Endymion, dem Goldenen Königreich."

"Bei dem Begriff klingelt was bei mir", murmelte Akira. "Aber es sind keine... Guten... Erinnerungen..."

"Akira, verwandelst du dich gerade? Deine Augen liegen wieder unter diesem Schatten", klang Harukas besorgte Stimme auf.

Er starrte sie an, kurz bevor er eine Hand an die Stirn legte, und der Schatten verschwand. "Schon gut. Ich verwandle mich nicht. Es ist nur, dass... Dass es da einiges gibt, was ich besser im Vergessen lassen sollte."

"Da hast du vollkommen Recht", sagte Mamoru. Er deutete auf den großen Saal hinter sich. "Wir sind alle versammelt oder treffen bald ein. Kommt, wir müssen beginnen."
 

Die Menge der Beschützer der Erde trat an ihm vorbei in den großen Konferenzraum. "Mein Herr Endymion", sagte Helios förmlich, als er Mamoru erreichte.

"Hier gibt es keine Herren, Helios. Nur Verbündete und Freunde." Er bot dem Jungen die Hand.

"Mamoru, ist es schlau, Kinder zur Schlachtbank zu führen?", fragte Akira verärgert. "Wie alt ist der Bengel? Vierzehn? Fünfzehn?"

"Etwa achttausend Jahre, wenn Ihr gestattet, General Iskander." Der weißblonde Junge verbeugte sich vor ihm. "Ihr... Ich mag jung aussehen, aber ich habe gewiss nicht weniger gesehen, nicht weniger erlebt als Ihr, ehrenwerter General. Wir... Nun, vielleicht haben wir in naher Zukunft Zeit, uns ein wenig zu unterhalten. Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass Ihr trotz Eurer Wiedererweckung in diesem Leben nicht jedes Detail über die Vergangenheit wisst."

"A-achttausend?", fragte Akira mit Entsetzen in der Stimme. "Dafür hast du dich gut gehalten."

"Stress hält halt jung", erwiderte der Junge keck. Er sah an Akira vorbei. "Usa-chan!"

Usagis Tochter eilte herbei. "Helios! Wie schön, dass du es geschafft hast! Wollen wir rein gehen? Ich denke, Mutter fängt gleich an."

Akira sah den beiden mit Entsetzen hinterher. "Akira?", fragte Starhealer vorsichtig.

Der ehemalige General gab sich einen Ruck. "Warum sollte mich überhaupt noch etwas wundern? Seit ich euch kenne, erschlagen sich die Superlative doch gegenseitig, Mamoru. Mich wundert nur, dass Artemis uns drei Generäle nicht viel früher geweckt hat. Was für einen Spaß hätten wir haben können."

"Das ist vielleicht der Grund, Akira", erwiderte Mamoru lächelnd und trat auch in den Saal ein.

Der ehemalige Chef der Palastwache seufzte. "Komm, Yaten. Ich glaube, ab hier wird es interessant."

"Als wenn es aufgehört hätte, jemals interessant zu sein", sagte sie leise.

***

Mit dem Eintreffen von Umino, Ami und Setsuna Meio begann die Konferenz, die im ganzen Palast und auf den Mond live übertragen wurde. Man durfte nicht vergessen, dass das SilverMillenium Dutzende, ja, hunderte weitere Krieger hatte, die jedem normalen Soldaten der Erde technologisch und körperlich weit überlegen waren, und die im Bedarfsfall auch eingesetzt werden würden. Deshalb war es wichtig, sie ebenfalls auf dem Laufenden zu halten.

Nach der Begrüßung und einer Einschätzung der Lage durch Usagi - erneut, nur diesmal vor vollem Haus - übernahm Makoto und schilderte den Kampf in der Fußgängerzone.

Umino wurde als Experte zur Funktionsweise der Waffe gehört, und Garalion bestätigte die Analyse des Studenten. Geklaute Technologie des Seelenschiffs, die sich nun gegen das SilverMillenium wendete. Der Ärger war allen Teilnehmern deutlich ins Gesicht geschrieben.

Usagi übernahm erneut und erzählte, begleitet von den Überwachungsbildern vom Innenhof, vom letzten Überfall. Da es auf dem Balkon keine Kameras gab - ein Umstand, den Akira sich zu merken vornahm - erzählte sie plastisch vom Geschehen, und dankte zugleich den Three Lights für ihre heroisches Eingreifen. Auch die Szene, in der er vom Plasmaschuss einer Rüstung getroffen worden war, wurde mehrfach vorgeführt und mit den Analysen der Experten untermalt. Akira konnte nicht weg sehen, aber jede Wiederholung der Szene zeichnete sich auf seinem Gesicht mit körperlichem Schmerz nach.

Usagi schloss die Einleitung mit diesen folgenschweren Worten: "Unsere Gegner werden diese Waffe erneut verstärkt haben. Nicht einmal Iskander wird einen weiteren Schuss überstehen. Gegen diese Stärke haben wir nur eine Abwehr, und das sind die starken Schilde des Seelenschiffs. Wir planen, einige der Generatoren auf die Erde zu schaffen, und sie mit der Energie der SailorKrieger zu betreiben. Bis das aber der Fall ist, kann und muss ich jedem der hier Anwesenden raten, diesen Schüssen auszuweichen, auch wenn dies Schäden an der Botschaft bedeutet."

Pyramon räusperte sich vernehmlich. "Die wir, sollten wir den nächsten Angriff überstehen, übrigens schnell beseitigen können. Nur Tote wieder zum Leben erwecken, das können wir nicht."
 

"Wie also gehen wir vor?", fragte Seiya. "Bis unsere Prinzessin eintrifft, werden noch ein paar Tage vergehen, und ich denke nicht, dass die Terraner uns noch viel Zeit geben werden."

Mamoru erhob sich. "Wir haben keinerlei Interesse daran, Krieg gegen die Menschheit zu führen. In der Führungsspitze sind wir uns einig, dass wir bei einer offiziellen Kriegserklärung kapitulieren, ohne Kampfhandlungen aufzunehmen. Anschließend emigrieren wir zum Mond. Mit und ohne Familien, jeder wie er oder sie es für besser befindet. Dadurch entziehen wir uns und die Technologie des SilverMilleniums dem Konflikt."

Yuuichiro hob eine Hand. "Aber ist das nicht unser Hauptproblem? Wir haben es hier nicht mit einem kriegerischen Akt zu tun, sondern mit, hm, Piraterie."

"Das nenne ich eine gute Definition", sagte Motoki. "Piraterie."

"Worum geht es den Terranern überhaupt?", hakte Taiki nach. "Habt Ihr euch darüber schon mal Gedanken gemacht? Kann es sein, dass die Menschheit euch Superwesen einfach nicht haben will?"

"Ja, darüber haben wir nachgedacht", gestand Mamoru. "Und wir denken, wir konnten die Motive unserer Angreifer und ihrer Hintermänner ergründen, wenigstens zum Teil."

Das Licht der Erde sah lange ins Rund der vielen vertrauten Gesichter. "Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass sie Usagi tot sehen wollen."

Erschrocken raunten die Leute auf.

Rei erhob sich nun ebenfalls. "Wir haben das lange für und wider diskutiert, aber es ist die These mit der höchsten Wahrscheinlichkeit. Seit Usagi die Erde gerettet hat, seit sie den Eispanzer geschmolzen hat, unterstützt von Milliarden Menschen, die wie wir einfach nur leben wollen, wurde sie als Vermittlerin zu einigen Konflikten hinzu gezogen. Dabei ist es ihr egal, ob ihr Schiedsspruch ein großes Land verärgert, oder einen Großkonzern. Ich habe von Anfang an gesagt, dass du es auch so halten sollst und musst, Usagi. Gerade du als Mondprinzessin kannst gar nicht anders handeln."

"Warum sollte ich auch?", kam es etwas trotzig von ihr.

"Und genau deswegen lieben wir dich", sagte Akira lächelnd.

Ein zustimmendes Raunen ging durch den Saal, das Usagi vor Verlegenheit erröten ließ. "Danke. Ihr alle."

"Aber ich habe auch gesagt", setzte Rei ihre Erklärung fort, "dass du dir damit eine Menge Feinde machen wirst. In einer Welt, in der ein Großkonzern zehn Prozent Umsatzsteigerung pro Jahr erwirtschaften will, in einer Welt des Turbo-Geldmachens darf es eigentlich kein Nachgeben, keine Nachhaltigkeit und vor allem keine ausgewogenen Interessen mit einem schwächeren Gegner geben. Du hingegen, Usagi, hast einfach nach der Situation entschieden. Und bisher hat niemand gewagt, dir zu widersprechen. Die anfänglichen Stimmen, die dir spöttisch Naivität, Unerfahrenheit oder schlicht und einfach Dummheit vorwarfen, verstummten schnell, nachdem offensichtlich wurde, dass deine Schiedssprüche funktionierten. Du funktionierst, das SilverMillenium funktioniert, und nebenbei bemerkt verdienen wir an den Patenten Milliarden. Milliarden, von denen ein Großteil nicht nur in den Ausbau des Mondpalastes gehen, oder in unsere Aktivitäten auf der Erde, sondern auch in viele der Projekte, die du angestoßen hast. Oder anders ausgedrückt: Wir sind weder moralisch, noch intellektuell, noch finanziell angreifbar. Damit bleibt nur noch eine Möglichkeit, um uns zu treffen: Militärisch."

"Ah, das ist also die ganze Crux", sagte Petzite nachdenklich. "Unsere niedliche Usagi hier hindert die Reichen daran, noch reicher zu werden, und die Mächtigen daran, noch mächtiger zu werden. Und die ganze Welt liebt sie dafür. Also können die Reichen und Mächtigen nur noch militärisch gegen sie vorgehen. Und dies tun sie, indem sie die Technologie des SilverMilleniums stehlen."

"Im Großen und Ganzen hast du ja Recht, aber dass mich die ganze Welt liebt, ist wohl etwas übertrieben", merkte Usagi bescheiden an.
 

Ihre Tochter schien dazu etwas zu sagen zu haben, aber ein kurzer Blick von Hotaru ließ sie den Blick senken. Doch das stumme Lächeln auf ihrem Gesicht... war interessant.

Petzite tauschte einen überraschten Blick mit Karmesite und ihren anderen Schwestern aus. Selbst Helios wirkte auf einmal so, als wolle er die Ohren aufstellen.

"Sag mal, hast du heute schon aus dem Fenster gesehen, Usagi?", fragte Petzite unvermittelt.

"Wieso? Was ist denn da?"

"Nichts Besonderes, Majestät", sagte Gaion in geschäftsmäßigem Tonfall. "Nur ein paar Sympathisanten vor der Botschaft."

"Sympathisanten?", echote sie. "Ein paar?"

Gaion wechselte einen Blick mit Mamoru, der zufrieden nickte. Akira schien es für einen Moment, als hätten die beiden etwas Besonderes vor, und nur noch auf den richtigen Moment gewartet.

"Ein paar tausend, Majestät."

"Was?"

"Ob ein paar tausend ausreicht?", zweifelte Naru. "Als wir angekommen sind, da war die Straße voll. Ein Wunder, das wir überhaupt durch die Polizeisperren gekommen sind."

Umino lachte laut. "Und dann die Kostüme, die einige von ihnen trugen. Man könnte meinen, Ihr habt Fanclubs auf der Erde, die eure Kampfrüstungen imitieren."

"WAS?" Nun hielt nichts mehr die junge Mondprinzessin an ihrem Platz. Sie eilte aus dem Saal, dicht gefolgt von Mamoru und Seiya. Denen wiederum folgten die anderen Anwesenden, und schließlich und endlich zwang sich auch Akira in die Höhe, um der Menge zu folgen.

"Akira, schaffst du es?", fragte Ami besorgt.

"Danke, es geht. Geh ruhig schon vor", erwiderte er.

"Und im Notfall bin ja immer noch ich bei ihm", sagte Yaten in beruhigendem Tonfall.

Der schien allerdings bei Ami nicht anzuschlagen. Sie setzte zu einer Erwiderung an, doch da legte Taiki eine Hand auf ihren Rücken und drückte sie weiter. "Gut, die beiden kommen klar. Wir sollten jetzt den anderen folgen."

"Aber..."

"Oder magst du nicht mit mir raus gehen?"

"Das ist es nicht, und das weißt du auch, Taiki."

"Gut. Dann ist das ja geklärt. Wir sehen uns draußen, Akira, Yaten."

Akira sah den beiden steif hinterher. Es war unglaublich, wie fit er sich plötzlich fühlte, und wie die Beweglichkeit in seine Glieder zurückkehrte. Und wie stinksauer er war, auch wenn er nicht so genau wusste, warum. "Gehen wir, Yaten."

Sie seufzte ergeben. Diese Angelegenheit versprach schwieriger und härter zu werden als sie gedacht hatte. Und das in jeder Beziehung.
 

"Warum eigentlich SailorKrieger?", fragte Akira unvermittelt, als sie den großen Empfangsraum durchquerten.

"Wie bitte?"

"Das wundert mich schon seit Jahren. Warum nennt Ihr euch SailorKrieger? Ich meine, es ist nachvollziehbar, wenn man sich die Kostüme von Usagi und den anderen ansieht, nachdem sie sich verwandelt haben. Da ist eine gewisse Ähnlichkeit mit den Schuluniformen für Mädchen hier in Japan. Aber Ihr Three Lights, ihr... Eure Heimat heißt Kinmoku, richtig?"

Starhealer lachte leise. "Ah, ich verstehe. Du fragst dich, warum wir nicht auch diese Schulmädchen-Uniformen tragen."

"Nicht, dass ich was gegen deine Kampfrüstung habe", versicherte Akira.

"Ja, wie denn auch?" Sie griene ihn an. "Weißt du, dieser Kampfanzug, diese Rüstung... Er ist nicht gerade das, was man als klassische Rüstung kennt. Ich muss da wohl etwas weiter ausholen. Du kennst das Seelenschiff. Wusstest du, dass es vor SailorGalaxias Feldzug Dutzende, ja hunderte solcher Schiffe gab? Sie wurden angetrieben von der Kraft besonderer Wesen, die man Fahrer der Schwarzen See nannte. Seeleute, eben, oder Sailor, wenn du Anglizismen bevorzugst. Mit der Zeit wurde der Begriff Sailor aber nicht nur für diese Schiffsmannschaften genommen, sondern für alle, die diese Kräfte hatten. Dennoch orientierten sich viele an der Kleidung, die von den Fahrern der Schwarzen See benutzt wurden. Also Sailor-Uniformen.

Im Fall der Erde muss es sich so abgespielt haben. Die Leibwache der jungen Serenity hatte die Kräfte der Sailor, und sobald sie sich in ihre Rüstungen hüllten, orientierten sie sich an den Raumfahrern und deren Uniformen. Da es die gleichen Kräfte waren, nannten sie sich auch Sailor... Und dieses Wissen sowie die Rüstungen nahmen sie in diese Inkarnation mit."

"Okay. Das habe ich verstanden. Und Ihr auf Kinmoku, Ihr bevorzugt...?"

"Freizügigere Uniformen? Nein, das ist es nicht. Unsere Rüstungen sind speziell dafür entwickelt worden, um SailorGalaxia zu widerstehen. Was sie ja auch letztendlich geschafft haben. Zugleich mussten sie uns aber größtmögliche Beweglichkeit gewähren. Was du hier siehst, ist das Ergebnis. Eine Kampfrüstung, die jene der Sailor der Erde überlegen ist. Wir...

Ach du heilige Scheiße! Hier geht es ja zu wie auf einem Three Lights-Konzert!"
 

Sie traten durch das Hauptportal in den Innenhof. Der war nahezu leer. Aber am Zaun und am Tor drängten sich die Menschen. Für einen Moment verharrte Akira, unfähig einen weiteren Schritt zu machen. Er tastete nach dem Zeigestab, um sich im Falle der Gefahr verwandeln zu können. Aber dann erkannte er, was diese Menschenmenge tat. Was dieser kolossale verbale Orkan bedeutete.

Sie jubelten, und sie taten dies für Usagi und die Krieger des neuen SilverMilleniums. Akira erkannte Plakate mit Bildern von Usagi von verschiedenen Schlichtungsauftritten, aber auch in etlichen ihrer Uniformen. Bestimmender Tenor waren ihre Verwandlungen in Serenity. Auch die anderen Krieger wurden bedacht, und ein großer Teil der Bilder war den Three Lights gewidmet, deren Fanclub anscheinend noch immer existierte. Das war... Interessant.

Viele trugen Imitate der Uniformen und hatten sich entsprechend zurecht gemacht. Das Prinzessinen-Prinzip erfreute sich auch hier großer Vorliebe.

Schließlich entdeckte er sogar einige Menschen in der Menge, die seine Generalsuniform kopierten und weiße Perücken trugen, um ihn zu imitieren. Seine Existenz, also jene von Iskander, und die von Leth und Gyes waren bekannt geworden, nachdem die Erde gerettet worden war. Akira hatte das nie an die große Glocke hängen wollen, denn immerhin hatten sie Usagi nur einmal geholfen die Welt zu retten. Sie hingegen hatte das wie oft gemacht? Viermal? Fünfmal? Und wie oft würde sie es noch tun? Dennoch, es tat gut, zwischen all den SailorKrieger-Imitaten auch die Generalsuniform des SilverMilleniums zu sehen. Aber sollte es ihn eigentlich nicht irritieren, dass ihn hauptsächlich Frauen imitierten? Oder glich sich das aus mit der unüberschaubaren Menge junger Männer, die sich in SailorSuits gequetscht hatten?

Akira schob diesen Gedanken beiseite, während er an Yatens Seite auf die Menge zuging. Usagi und die anderen standen schon da, sprachen mit den Menschen, schüttelten Hände und posierten über die Polizeiabsperrung hinweg mit ihren Fans. Selbst jene, die von der Menge nicht gekannt wurden, also etwa die vier Schwestern, wurden allein für die Tatsache bejubelt, dass sie für das SilverMillenium kämpfen würden. Das war bei Naru nur schwer vorstellbar, gestand sich Akira grinsend ein, aber für einen SailorKrieger kam es selten auf körperliche Kraft an. Wichtiger war der Wille.
 

Auf etlichen Plakaten standen Sprüche, die Sympathie mit ihnen bekundeten. Andere verurteilten den nächtlichen Angriff, und die Menge - sie ging sicherlich in die Tausende - verurteilte in Sprechchören die Initiatoren dieser Attacke.

Akira und Yaten erreichten das Tor. Sie fanden Usagi vor dem Tor, jenseits der Absperrung umringt von Menschen, die sie einerseits bedrängten, andererseits aber gegen die nachrückenden Menschen hinter ihnen abschirmten. Was jene dazu brachte, nicht mehr so sehr zu drücken. In Momenten wie diesen verstand Akira, warum Haruka die kleine Usagi immer mal wieder als ihren Messias bezeichnete. Die Menschen wollten etwas von ihr, an ihr teil haben, sie berühren, sich an ihr begeistern. Aber gleichzeitig gaben sie auch einen Teil von sich her, schützten sie, mahnten sich selbst und andere, Maß zu halten, zu verstehen das Usagi ihnen nicht gehörte, sondern allen zugleich. Und dass man sie deshalb schonend zu behandeln hatte, auch wenn dies bedeutete, dass der eine oder andere dabei zu wenig Usagi bekam.

Auch die anderen SailorKrieger hatten sich vor das Tor gewagt, oder taten es gerade durch die Absperrung. Seiya und Taiki hingegen taten gut daran, auf dieser Seite der Kette zu bleiben. Ihre Fans wollten definitiv ein Stück von ihnen, koste es was es wolle. Um sie zu besänftigen schrieben sie Autogramme. Seiyas gestresster Blick ging zu Yaten. "Hey, mach dich mal nützlich und klebe nicht so an dem da. Der kann alleine laufen."

Yaten rollte die Augen. "War klar. Verstehe. Entschuldige mich, Akira."

Der ehemalige General nickte. "Verstehe. Ich werde deine Uniform allerdings vermissen."

"Die Uniform, oder die Frau darin?", fragte sie spöttisch.

"Beides, vermutlich."

Starhealer lächelte ihn für diese Worte an, und Akira fühlte sich für einen Moment erhoben. Dann begann sie sich zu verwandeln. Als plötzlich die männliche Version Yatens ihre Stelle einnahm, ging eine regelrechte Welle des Entzückens durch die Menge ihrer Fans. Yaten seufzte. "Ich gehe dann mal. Könnte länger dauern. Also warte besser nicht auf mich."

"Ich... verstehe."

"Nein, tust du nicht. Aber es ist auch nicht schlimm. Das gehört nun mal zum Leben eines Stars. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich es auch ein wenig vermisst." Yaten lächelte noch einmal für Akira, dann ging er zu seinen Kameraden herüber, um seinen Teil von der Begeisterung ihrer Fans zu schultern.
 

"Akira, kommst du bitte?", klang Mamorus Stimme dünn an seine Ohren, und das obwohl der große Schwarzhaarige nur wenige Meter entfernt an der Postenkette stand. Der unterschwellige Lärm fraß jedes leise Geräusch.

"Bin auf dem Weg", sagte er und schritt forsch aus. Vielleicht etwas zu forsch, denn für einen Moment musste er stehen bleiben, weil ihn heftiger Schwindel erfasst hatte. Aus dem Moment wurden mehrere, dann fast eine Minute.

Etwas Warmes, Vertrautes legte sich an seine rechte Seite. "Geht es dir gut, Akira?", fragte Ami besorgt.

"Mir ist schwindlig. Solange Yaten bei mir war, ging es mir gut. Aber jetzt..."

"Oh." Irrte er sich oder klang ihre Stimme enttäuscht. "Soll ich Yaten rufen?"

"Nein, Ami, es geht schon wieder. Hilf mir doch bitte zu Mamoru. Er wollte etwas von mir."

"Okay."

Er stützte sich ein wenig auf die junge Frau, die er liebte. Nicht zu viel, er wollte sie nicht überlasten. Das hatte er nie gewollt. Niemals, in keiner Form. Aber so schaffte er die Strecke zu Mamoru in annehmbarer Zeit.

Der Freund lächelte undefinierbar, als er sie näher kommen sah, doch seine Miene wurde schnell wieder ernst. "Akira, dies hier sind Senior Super Intendent Takeda und Super Intendent Kabuto von der Tokioter Polizei. Ihnen untersteht dieser Polizeibezirk, und damit auch der Schutz der Botschaft des SilverMilleniums von außen."

Akira schüttelte die Hände der beiden Männer. "Es freut mich, Sie kennen zu lernen, meine Herren. Wir hatten hier einigen Ärger, wie Sie wissen."

"Und der Ärger ist noch lange nicht vorbei. Wie Sie wissen, konnten wir die restlichen Rüstungsträger in Gewahrsam nehmen", sagte Takeda mit deutlichem Ärger in der Stimme, "aber wir mussten sie wieder frei lassen. Anweisung von ganz oben."

"Ach", sagte Akira, denn das hatte er mehr oder weniger erwartet. "Und ich nehme an, die Rüstungen ruhen nicht in der Asservatenkammer, oder?"

"Nein, wir mussten sie ebenfalls raus geben", bestätigte Kabuto, nicht weniger verärgert als sein Vorgesetzter. "Wir werden großem Druck ausgesetzt."

"Das kann ich verstehen. Wenn jemand aus der Polizeidirektion mit drin steckt, oder noch schlimmer, aus der Regierung, dann kann ich nachvollziehen, wie der Druck zustande kommt." Der ehemalige General sah zu Mamoru herüber. "Aber ich bin sicher, ich spreche im Namen des SilverMilleniums, wenn ich sage, dass wir nicht möchten, dass unsere Polizei alleine unter unserer Existenz zu leiden hat. Es ist in Ordnung, wenn Sie sich in den nächsten Tagen oder gar Wochen nicht involvieren lassen. Wichtiger ist es, dass Sie die Menge schützen. Vor allem die Tapferen hier, die sich wie wir kleiden. Wie schnell kann ein Unglück passieren, nur weil die Angreifer glauben, sie hätten die Originale vor sich?"

"Das tun wir ohnehin, das verspreche ich Ihnen", erwiderte Kabuto. "Aber Sie missverstehen meine Worte, Torah-san. Wir sind nicht hier um uns zu entschuldigen und danach die Hände in den Schoß zu legen. Wir sind aber auch nicht so übermütig zu glauben, wir könnten gegen diese Rüstungen bestehen. Aber wir, und damit meine ich jeden einzelnen Polizisten im ganzen Bezirk, sind mehr als bereit, das zu leisten was wir auch vermögen, um das SilverMillenium zu beschützen. Wir sind hier, um uns so weit es möglich ist, mit Ihnen zu koordinieren."

"Dann ist Ihre dringendste Aufgabe, diese... Demonstration für das SilverMillenium zu kontrollieren und in geordneten Bahnen zu halten. Es wäre ein furchtbares Grauen, wenn ich mir vorstelle, ein Angriff würde ausgerechnet jetzt erfolgen, und diese Menge geriete in Panik."

"Ein schreckliches Szenario bei zweihunderttausend Teilnehmern", bestätigte Kabuto.

"Zwei... Zweihunderttausend? So viele scheinen mir das gar nicht zu sein", erwiderte Akira verblüfft.

Kabuto grinste breit. "Oh, sie stehen die ganze Straße runter, und rund um die Botschaft."

Takeda fügte lächelnd hinzu: "Übrigens setzt sich die Demonstration auch in den Seitenstraßen fort, und noch immer kommen weitere Leute hinzu. Wir schätzen, das die gleiche Zahl an Menschen bis zum Nachmittag hinzu gekommen sein wird. Und wenn man die Menschen fragt, was sie hier wollen, dann kriegt man oft zu hören, dass sie dem SilverMillenium und SailorMoon das zurückgeben wollen, was sie von ihr erhalten haben."

Akira fühlte sich berührt, tief in seinem Innersten. "Sie begeben sich wissend in Gefahr", hauchte er.

"Und wollen das SilverMillenium alleine mit ihrer Anwesenheit abschirmen", bestätigte Takeda. "Ich empfinde großen Respekt für diese Entscheidung meiner Landsleute. Und jetzt verstehen Sie hoffentlich, warum wir Polizisten keinesfalls hintenan stehen wollen, Torah-san."

In diesem Moment war Akira dankbar dafür, dass Ami an seiner Seite stand und ihn stützte. Ihm wären sonst die Knie weich geworden. Die Freude und Erleichterung drohte ihn zu überwältigen, und als die junge Frau an seiner Seite ergriffen lächelte, konnte er nicht anders, als sie ein wenig fester an sich zu drücken.
 

"Ich... bin dankbar, dass du dieses Wissen mit mir teilst, Mamoru."

Das Licht der Erde lächelte sanft. "Rede nicht von Dank bei einer Selbstverständlichkeit. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb ich dich hergebeten habe. Senior Super Intendent Takeda?"

Der alte Mann atmete tief durch, bevor er sprach. "Torah-san, es ist keinesfalls so, dass wir Ihre Leistungen bei der Rettung der Welt oder beim Kampf gegen die Demon Seed gering schätzen würden. Wir sehen Sie außerdem als Verbündeten von Recht und Ordnung. Darüber hinaus sind Sie als Diplomat des SilverMilleniums in Japan akkreditiert und genießen Immunität. Deshalb verzeihen Sie meine Unhöflichkeit, Torah-san. Sie entsteht nur aus Sorge um das SilverMillenium."

Akira war nicht nur ein klein wenig peinlich berührt, als sich der erfahrene Polizist vor ihm tief verbeugte.

"Nicht doch, Senior Super Intendent Takeda. Sie können mir gegenüber gar nicht unhöflich sein."

"Nun, Torah-san, dann gestatten Sie uns, Ihnen eine Frage zu stellen", sagte Kabuto. "Wer sind Sie?"

"Was, bitte?"

"Wer sind Sie, Torah-san? Wir haben Sie betreffend recherchiert, weil weißblonde Menschen wie Sie eher selten in Japan vorkommen. Das Ergebnis war, dass es im Großraum Tokio etwas über zweihundert Akira Torahs gibt, von denen einige auch in Ihrem Alter sind. Aber Sie, Torah-san, gibt es nicht. Wir konnten weder einen Geburtsort, noch einen Schul-, oder gar einen Studiengang von Ihnen ermitteln. Für uns stellt es sich so dar, dass Sie plötzlich nach Ihrem Auslandsaufenthalt da waren. So als wären Sie hier erst entstanden. Wer also sind Sie, Torah-san?"
 

Starke Schwindel ergriff Akira. Seine Sicht begann sich zu drehen, zu verschwimmen. Er griff sich mit der Rechten an den Schädel, der ihm plötzlich zu zerspringen drohte. "Wer ich... bin?" Übergangslos sackten ihm die Beine weg. Er spürte, wie er Amis Halt verlor, und zu Boden stürzte. Besorgte Rufe klangen auf, aber sie erschienen ihm so fern, so verzerrt. So als würde er ihnen lauschen, während er unter Wasser war. Schwach glaubte er Mamorus Stimme erkennen zu können. Das war Sekunden, bevor ihm schwarz vor Augen wurde. Na, wenigstens wusste er jetzt, warum er im letzten Jahr nie den Wunsch verspürt hatte, die eigene Familie aufzusuchen. Geschweige denn sie zu kontaktieren. Sein letzter Gedanke, bevor die Schwärze vollends über ihn kam, war: `Wer bin ich?

Zugabe 4: Neue Waffen

"Verdammter Mist, Akira", sagte Haruka unbeherrscht, während ihre Hände nervös über die Bettdecke vor ihr strichen, um die Hand zu streicheln, die sich darunter abzeichnete. "Als wenn wir keine größeren Sorgen im Moment hätten. Du verdammter Idiot, ich sollte dich hier einfach liegen lassen."

Michiru schmunzelte verhalten. "Warum machst du es dann nicht auch?"

"Na weil..." Haruka verstummte und sah ihre Lebensgefährtin hilflos an. "Weil..." Sie seufzte auf. "Ich bin doch hoffentlich nicht in ihn verliebt."

"Oh, ich glaube, die meisten, die ihn kennen, sind auf irgend eine Weise in ihn verliebt. Aber ich bin mir sehr sicher, dass er in deinem Herzen keine Konkurrenz für mich ist. Abgesehen davon bin ich da auch schuldig im Sinne der Anklage."

Sie trat heran und legte ihre Hände auf das Gesicht des Bewusstlosen. "Er ist so kalt, so eiskalt", sagte sie erschrocken. Ihr erschreckter Blick ging zur Anzeige der Lebensüberwachung. Die dortigen Werte aber waren im normalen Bereich, und sie hatte sich sagen lassen, das fünfunddreißigeinhalb Grad Celsius als Körpertemperatur für einen Mann vollkommen in Ordnung war. Dennoch, die kalten Wangen hatten sie erschrocken.

"Es geht ihm gut", sagte Pyramon zuversichtlich. "Ich habe mit den Ärzten gesprochen. Er hat sich einfach viel zu viel zugemutet. Und das ist ja nicht das erste Mal, oder?" Der ehemalige Navigator des Seelenschiffs versuchte sich an einem schiefen Lächeln. "Bisher ist er doch noch jedes Mal im Krankenhaus gelandet, weil er sich zu sehr verausgabt hat."

"Das stimmt allerdings", sagte Yuichiro. "In der alten, vergangenen Zeit, als das Goldene Reich zusammenbrach, hat er oft gekämpft, bis er für Tage oder Wochen keine Kraft mehr hatte. Dafür war er aber auch ein furchtbarer Berserker. Er... Merkwürdig, für einen Augenblick dachte ich, über seine Augen würde wieder dieser Schatten fallen."

"Er wird also wieder gesund?", fragte Michiru ängstlich. "Mir kommt das nicht natürlich vor, dass sein Gesicht so eisig ist."

"Mach dir keine Sorgen um ihn", sagte Pyramon. "Wir tun alles, was wir für ihn tun können. Und das ist mehr als die Menschen können, glaube es mir. In diesem Raum, in diesem Bett ist er optimal versorgt."

"Und wie lange wird es dauern, bis er wieder aufwacht?", fragte Haruka mit Bitternis in der Stimme. "Einen Tag? Zwei? Ein Jahr? Ein Jahrzehnt?"

"Es kann heute sein, es kann morgen sein", wiegelte Pyramon ab. "Bisher war er nach seiner Entkräftung nie lange ohnmächtig. Nicht einmal, als er Ami gerettet hat, damals, in der Explosion des Youmas Metallia." Pyramon stutzte. "Gut, gut, das hat ihn für etliche Wochen ins Krankenhaus gebracht. Aber er hat bisher immer überlebt. Immer." Es klang wie eine Beschwörung, wie ein Mantra. Fast wie ein Gebet. Vielleicht war es das auch. "Ich jedenfalls werde ihn nicht sterben lassen!", sagte Pyramon plötzlich mit gepresster Stimme. "Das bin ich ihm schuldig. Das bin ich Usagi schuldig. Das bin ich meinem Volk schuldig."

Er hob abwehrend eine Hand, als Haruka ihn fragend ansah. "Schon gut, nur eine kurze Phase der Schwäche. Manchmal hat man eben Zweifel, auch wenn man es besser weiß. Ich wusste, wie leicht er sich überanstrengen konnte, nach dem was ihm passiert ist. Aber es dann doch passieren zu sehen ist eine ganz andere Sache." Trotzig sah er die beiden Mädchen an. "Er ist auch mein Freund."

"Das bezweifelt ja auch keiner", warf Motoki ein. "Aber es tut weh, ihn schon wieder so hilflos zu sehen. Und dass er draußen zusammen geklappt ist, vor zehntausenden Leuten, war auch nicht gerade gut. Wir werden mit Anfragen überschüttet, und können doch nichts sagen.

Verdammt, Akira, was machst du nur immer für Sachen?"

"Also gut, wir machen uns alle Sorgen um ihn", stellte Haruka fest. "Auch wenn wir es gar nicht müssten. Und... Jetzt wo ich es sage, warum sind eigentlich nur wir fünf hier? Wo sind denn die üblichen Verdächtigen?"

Tomoki schnaubte amüsiert. "Yaten sitzt draußen im Gang und bibbert wie Espenlaub. Er macht sich Vorwürfe, weil er Akira allein gelassen hat. Er wagt es nicht einmal, sich in seine Sailor-Rüstung zu hüllen und die weibliche Form anzunehmen.

Ami sitzt seit zwei Stunden im Labor und analysiert alle Daten, die sie über Akiras Körper bekommt. Taiki unterstützt sie dabei. Sie benehmen sich, als gelte es, einem ultragefährlichen Virus auf die Spur zu kommen, das die Menschheit auszurotten droht.

Mamoru beschwichtigt die Massen, und Usagi nimmt noch ein langes Bad in die Menge, um die Menschen zu beruhigen. Die anderen helfen ihnen, so gut es geht. Ach, habe ich erwähnt, dass dieser unverschämt gut aussehende Wissenschaftler, dieser Umino, schon wieder an der Rüstung bastelt? Ihm fehlt zwar Ami als Hilfe, aber er hat versprochen, dass die erste Rüstung noch heute einsatzbereit sein wird.

Und dann sind da noch Hotaru und Usa-chan, die uns aus der Zukunft besuchen. Sie laufen durch den Turm, als ginge es um Sightseeing, und die meiste Zeit lachen sie dabei. Ich finde das Verhalten äußerst merkwürdig. Ganz so als würden sie etwas wissen, was wir nicht wissen."

Haruka sah zu ihm herüber und zog das rechte untere Augenlid herab.

"Ja, ja, schon gut, sie sind aus der Zukunft, und deshalb werden sie einiges wissen, was wir noch nicht einmal kennen", erwiderte der Blondschopf. "Aber sie rücken damit nicht raus."

"Gibt es noch etwas zu berichten?", fragte Michiru. "Was ist mit den Vorwürfen des Polizisten, Akiras Identität betreffend?"

Motoki wurde blass. "Artemis hat selbstständig eine Computeranalyse durchgeführt und die Angaben der Polizei überprüft." Er schluckte hart. "Es sieht ganz so aus, als würde er Recht haben. Es gibt genügend Akira Torahs in seinem Alter in Japan, aber ihn gibt es nicht. Zumindest wurde er hier nicht geboren. Mittlerweile überprüft Artemis die Geburtsregister japanischer Enklaven weltweit. Da kann noch was drin sein. Aber wenn auch dort kein Akira Torah zu finden ist, dann stellen sich uns zwei Fragen."

"Okay, lass hören. Aber ich wette, sie werden mir nicht gefallen", sagte Haruka trocken.

"Die erste Frage ist dann: Wer ist er? Und die zweite Frage ist: Was ist er?"

"Nett formuliert. Jetzt noch mal für die Dümmeren unter uns", sagte Haruka bissig.

Yuichiro hob eine Hand. "Kein Streit, bitte. Wir sind uns doch wohl alle einig, dass Akira einer von uns ist, oder? Definitiv ein Verbündeter des neuen SilverMilleniums, und definitiv ein Nachkomme des alten SilverMilleniums. In diesem Fall eher ein Nachkomme des Goldenen Reichs, beziehungsweise einer verbündeten Nation, dem Parsischen Reich."

"Niemand mit genug Verstand würde Akira für einen Feind halten", sagte Haruka ärgerlich. "Und von dir hätte ich nicht mal den Gedanken daran erwartet, Leth, letzter General des SilverMilleniums."

"Gemach, gemach. Das bringt uns zur nächsten Frage, dem was. Wir haben da eine Idee. Sie bezieht sich darauf, dass er so unendlich spät geweckt wurde, während wir, also Motoki und ich, schon früh mit den anderen Reinkarnierten involviert waren. Freilich ohne unsere Kräfte erweckt zu bekommen."

"Dafür sollten wir Artemis bei Gelegenheit eins auswischen", warf Motoki ein.

"Wir setzen ihm eine rosa Haube auf und stecken ihm einen Nuckel in den Mund", sagte Yuichiro.

"Dazu ein schönes rosa Lätzchen mit einem lustigen Dino drauf."

"Wir klemmen ihm noch eine Rassel zwischen die Pfoten."

"Und dann", sagte Motoki mit zufriedener Stimme, "machen wir Fotos von ihm und verteilen sie an alle Freunde und im Internet."

"Wir waren bei "was", nicht bei euren Racheplänen", mahnte Haruka grimmig.

Yuichiro hielt inne. "Ach ja. Wie gesagt, wir suchen noch immer seine Identität. Und wir wissen, dass er für uns kein Feind ist, nicht sein kann. Das bringt uns zu der Alternative, dass er eventuell... Nun, wie formuliere ich das? Ich meine, ich habe Iskander sterben sehen, mit eigenen Augen. Aber... Was wäre wenn wir hier vor uns..."

"Willst du mir hier etwa weismachen, in diesem Bett liegt nicht Akira Torah, sondern General Iskander selbst?", fragte Haruka irritiert.

"Es besteht die Möglichkeit, ja. Und dann hätten wir auch eine Erklärung dafür, dass er nach jedem großen Kampf so vollkommen entkräftet ist. Er wurde per Stasis in unsere Zukunft befördert, erst vor kurzem geweckt, und ist noch lange nicht kräftig genug, um überhaupt bestehen zu können. Vieles spricht für diese Version."

"Und das ändert was?", fragte Michiru verdutzt.

"Gar nichts! Rein gar nichts!", rief Pyramon ärgerlich.

"Du nimmst mir die Worte aus dem Mund", sagte Yuichiro schmunzelnd. "Es ändert nichts. Er ist noch immer unser Freund. Vielleicht etwas schrecklicher als zuvor. Aber unser Freund." Er trat an das Bett heran, legte eine Hand auf die Stirn des Schlafenden. "Also komm wieder zu uns zurück, alter Freund. Kehre ins Leben zurück. Ich bitte dich. Wir Generäle sind doch nur zu dritt komplett."

Tomoki fasste Yuichiro an der Schulter. Für einen Moment fühlten sie die Gemeinsamkeit, die Ergriffenheit und den Zusammenhalt jener Tage, als sie verzweifelt versucht hatten, wenigstens das Goldene Reich Endymions vor dem Zusammenbruch zu beschützen. "Wir warten auf dich", sagte Tomoki leise.

***

Akira spürte die Berührungen nicht. Die Sorge seiner Freunde, die Worte, die ihm Trost und Kraft spenden sollten, all das offenbarte sich ihm nicht. Da war einfach etwas in ihm, abseits der Erschöpfung, die ihn befallen hatte, das ihn noch mehr geißelte. Da war diese plötzliche Frage nach dem Ich: Wer war er eigentlich? Was war er eigentlich? War er wirklich ein General des SilverMilleniums, der sich durch Reinkarnation in die neue Zeit gerettet hatte, oder war er etwas vollkommen anderes? Ein Schläfer vielleicht, platziert von SailorMoons Feinden, um ihr dann zu schaden, wenn er maximalen Schaden anrichten konnte? Etwas vollkommen anderes, ein Unbekannter aus den Tiefen des Universums, der verrückte Pläne mit dieser Welt hatte?

Wenn er kein Japaner war, was blieb dann noch? Nicht, dass er an dieser Staatsangehörigkeit besonders gehangen hätte, aber doch war sie sein Anker, seine Identifikation gewesen, seine Vergangenheit. Die Basis seiner Persönlichkeit. Und jetzt? Er stand ohne Basis da, und zu allem Überfluss auch noch ohne Leben. Was, wenn das, was er für seine Lebenserinnerungen hielt, eine einzige große Lüge war? Wie passte er überhaupt in diese Geschichte, diese Rolle? War seine Schwäche nicht eindeutig ein Zeichen dafür, dass er eben nicht die Kräfte der anderen teilte, dass er ein Placebo besaß, um jenen, die er Freunde nannte, etwas vorzugaukeln? Warum sonst landete er regelmäßig im Krankenhaus - und zwar nur er?
 

"Du denkst zuviel", tadelte ihm eine Stimme, die ihm seltsam bekannt vor kam.

Akira sah auf. Und er tat es mit Entsetzen, denn jeder Millimeter, den sein Kopf tat, veränderte die Welt. Als er endlich gerade aus schaute, hatte sich die ganze Welt gewandelt. Nichts hier erinnerte an den Turm des SilverMilleniums, nichts an Tokio oder eine andere Stadt, die er kannte. Nichts an einen einzigen Hauch Zivilisation. Was er sah, war eine ewig weite, mit meterhohem gelbem Gras bewachsene Einöde, immer wieder unterbrochen von fernen Hügeln und einzelnen Gruppen grüner Büsche und Bäume.

Etwas traf ihn an der Brust. Er fing es auf. Es war ein simpler Stein.

"Ich bin hier unten", sagte die Stimme erneut.

Akira folgte der Stimme, sah wieder hinab. Und erkannte... Sich selbst?

"Nein, du Dummkopf. Du magst ich sein, aber ich bin nicht du", sagte der im Gras sitzende Mann, dessen Augen wie unter dem Schatten seiner Frisur verborgen schienen. "Ich bin Iskander. Der einzig wahre, das Original. Der authentische General des SilverMilleniums, der mit Leth, Gyes und den SailorKriegern der äußeren Planeten versucht hat, wenigstens dem Goldenen Reich die Zerstörung zu ersparen. Ich bin der, der unendliches Leid gesät hat, mit der Waffe in der Hand, der unendlich vielen Gegnern das Leben genommen hat. Und dessen Kraft dennoch nicht dazu gereicht hat, das Goldene Reich Endymions zu schützen."

Der andere Akira - nein, Iskander - griff nach einem Grashalm, riss ihn ab und steckte ihn sich in den Mund. "Weißt du, das Goldene Reich ist - war - das Zentrum der Welt. Das Herz der Moderne. Das fortschrittlichste Reich auf Erden. Bis es zerstört wurde. Langsam, nach und nach. Brocken für Brocken, Tat für Tat.

Eigentlich lebte es mit seinen Nachbarn und den vielen Stämmen, die die Welt besiedelten, in Frieden. Oder es war stark genug, um sich jene vom Leib zu halten, die Streit suchten. Und es war mit dem SilverMillenium verbündet. Doch dann kam Metallia und vernichtete das Mondreich. Und damit begann die Scheiße hier auf der Erde. Anfangs fragten sich die Staaten nur, ob das Goldene Reich ohne das SilverMillenium bestehen konnte. Dann hatten sie Angst davor, dass es angegriffen werden könnte, zerstört werden könnte. Die Angst wuchs weiter, denn wem würde all das Wissen, all die Technologie, all das Gold zufallen und das Reich beerben?

Aus dieser Angst wurde Hysterie, und die vielen Staaten machten sich auf, selbst diese eine Macht zu sein, die das Goldene Reich beerben würde. Na ja, fast alle. Pars, mein Heimatland, hat sich so lange es ging da raus gehalten. Wahrscheinlich auch, weil einer der Generäle des Mondes, der reihenweise Armeen vernichtete, einer von ihnen war." Iskander machte ein abfälliges Geräusch. "Der Rest... Leichenfledderer. Durch die Kriege ging viel verloren, auch wenn sie zehntausenden Bürgern des Goldenen Reichs das Leben gerettet haben. All das Wissen, all der Fortschritt, die Mondkutsche, die Sailor-Kräfte, alles ging verloren. Wäre Pars nicht gewesen, hätte die Menschheit wieder bei Null anfangen müssen. Von Pars gelangte das restliche Wissen zuerst ins Zweistromland, und dann bis nach Griechenland, wo es mühevoll wieder restauriert wurde. Von dort erreichte es mit den Siedlerwellen der Vorzeit, in Tagen, in denen noch nicht einmal die Pyramiden standen, nach Asien. Das Wissen wurde die Grundlage für das fünftausendjährige Reich Chinas, und bildete auch in Japan die Grundform für Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft. Wohlgemerkt, das Wissen, das die Zeiten und die Kriege überdauert hat."

Iskander hob fragend eine Augenbraue. "Langweile ich dich?"

Akira schüttelte den Kopf. "Nicht im geringsten. Hast du vergessen, was ich studiere?"

"Ach ja, der Geschichtswissenschaftler. Also weiter im Text. In Europa wurde das Wissen wieder nach Pars getragen und bewahrt, bevor es mit dem späten Mittelalter nach Europa gelangte. Natürlich wieder mit etlichen Abstrichen, etlichem verlorenen Wissen. In Asien war es Grundlage für viele Hochkulturen, gerade in Siam, doch die meisten gingen unter, und nahmen ihre Brocken an Wissen mit sich, anstatt es an ihre Erben und Kinder weiter zu geben."

Iskander rupfte sich einen weiteren Grashalm aus. "Selbst heute, in diesen Tagen, ist der größte Teil dieses Wissens verschollen. Oder seid Ihr in der Lage, die Mondkutsche zu bauen und zu benutzen?"

"Die Mondkutsche?"

Iskander lächelte. "Das war die direkte Verbindung zwischen Mond und Erde. Eine simple Kutsche, die von einer Maschine gezogen wurde, während die gleiche Maschine für Luft, Schwerkraft und Wärme gesorgt hatte. Ein Meisterstück der Ingenieurskunst, und jedem Raketenstart der Menschheit überlegen. Ich langweile dich wirklich nicht?"

Akira schüttelte den Kopf. "Das solltest du eigentlich besser wissen."

"Dennoch, wir sollten langsam zur Sache kommen", erwiderte Iskander. "Wie ich schon sagte, bist du zwar ich, aber ich bin nicht du. Was du hier vor dir siehst, ist nichts weiter als ein pseudomaterieller Abdruck meiner Persönlichkeit. Sozusagen der Kern, um den herum du entstanden bist. Genauso wie es bei Motoki und Yuichiro geschehen ist, ist der alte General wiedergeboren worden. Und dann hat sich dein Leben um ihn herum geschmiegt und etwas Neues geschaffen."

"Ein pseudomaterieller Abdruck. Das bedeutet dann also, dass ich tatsächlich deine Reinkarnation bin, und nicht Iskander persönlich."

"Daran bestand nie ein Zweifel. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann weißt du das auch. "Iskander, erwache" war nicht irgendeine Formel. Sie war die pure Wahrheit.

Weißt du, normalerweise könnten wir uns so nicht unterhalten. Denn das ist schizophren, eine Geisteskrankheit. Man kann zwar gefahrlos Selbstgespräche führen, aber wenn eine andere Stimme antwortet, dann hast du ein Problem." Iskander musterte ihn amüsiert. "Abgesehen von denen, die du ohnehin schon hast, Akira. Du stehst unter Druck, hast schweren Stress, bist verzweifelt und fühlst dich allein. Die idealen Bedingungen, um... kurzfristig... etwas schizophren zu werden. Und die richtige Zeit, um Fragen beantwortet zu bekommen."

Akira setzte sich ebenfalls, dem General gegenüber. "Deine Augen..."

"Das hast du gut erkannt." Er lupfte seinen Pony. Darunter starrten ihn leere Höhlen an. Eine schlecht verheilte Narbe ging einmal waagerecht durch den Knochen und die Nase. "Ich projiziere mich von einem Punkt in der Zeit, der für mich der Endpunkt war. Hinter mir in der Ebene findet die letzte Schlacht statt, die ich schlagen werde. Ich werde in ihr sterben, begraben unter hunderten toten Feinden, das Herz durchbohrt, den Körper zerteilt, und doch noch immer so mächtig, dass kein Feind es wagt, mich zu berühren. Es ist nicht lange her, da starben die Majestäten von Uranus und Neptun in der Schlacht. Es war eine aussichtslose Lage, es war eine Falle. Aber sie hielten die Falle lange genug auf, bis wir Generäle uns ihr stellen konnten. Wir siegten an diesem Tag, aber für welch hohen Preis.

Mir war klar, dass ich nicht viel länger leben würde. Vielleicht suchte ich sogar den Tod, die Ruhe und den Frieden im Großen Vergessen. Vielleicht in der Hoffnung, meiner Liebe näher zu sein, der Majestät des Merkurs. Ich weiß nicht, wer dafür gesorgt hat, dass auch wir wiedergeboren wurden. Aber er hat gut gehandelt. Na, wohl eher sie."

"Königin Serenity", stellte Akira fest.

"Höchstwahrscheinlich. Das ist vielleicht der Grund, warum sie selbst nicht reinkarniert wurde. Sie vergeistigte sich und begab sich auf eine ewige Wacht." Iskander schüttelte sich. "Welche Opferbereitschaft. Ich hätte das nie gekonnt. Aber das ist ja auch der Grund, warum ich ihr mit vollem Herzen dienen konnte. Sie war der edelste Mensch, den ich jemals kennen gelernt habe...

Aber ich schweife ab. Möchtest du mehr wissen?"

"Eigentlich sollte ich alles wissen, was du weißt, oder?", fragte Akira.

Iskander grinste höhnisch. "Du würdest vielleicht dran zerbrechen. Ein Beispiel gefällig? Gut. Wusstest du, dass es vor achtzigtausend Jahren die erste Hochkultur der Menschheit auf der Erde gab? Das war kurz bevor die letzte Eiszeit begann. Die Welt drohte unter einem Eisklumpen zu erstarren, und die erste Hochkultur nahm dies zum Anlass, die Welt zu verlassen. Zuerst errichteten sie das SilverMillenium auf dem Mond, als Transit, als Bahnhof. Sie wollten niemals hier bleiben, auch wenn aus dem Transit schließlich ein eigenes Reich entstanden ist. Wenn sie schon ihre Heimat verlassen mussten, dann wollten sie es richtig tun. Die erste Hochkultur der Menschheit begann, die Seelenschiffe zu erfinden und die Sterne zu bereisen. Viele Planeten wurden in jenen Tagen besiedelt. Eine galaktische Hochkultur entstand, die verbunden war durch die überlichtschnellen Schiffe. Lotsensysteme entstanden, um den Seelenschiffen den Weg zu den bewohnten Welten zu weisen. Und fünfzigtausend Jahre lang war ein kleiner Teil der Galaxis von uns Menschen besiedelt. Menschen, die untereinander nicht viel Kontakt hatten, zugegeben. Dann begann das Dilemma um SailorGalaxia."

Akira nickte. "Oh ja, die Geschichte."

"Und die Menschen isolierten sich noch mehr, die Seelenschiffe wurden noch seltener. Bis der Verkehr fast ganz erstarb.

Auf der Erde jedoch war die Eiszeit nicht so zerstörerisch geworden, wie man gedacht hatte. Die Menschheit hatte auch hier überlebt, auf einem Niveau, das so niedrig war wie nichts zuvor. Es waren die Tage der Altsteinzeit.

Im SilverMillenium beschloss man, als die Gletscher wieder schmolzen und die Erde wieder wärmer wurde, diese Menschen sanft an das Licht heran zu führen. Ihre Entwicklung zu bestärken. Und so entstand das Goldene Königreich. Die Geschichte ging so lange gut, bis uns ein gewisses Seelenschiff besuchte und ein paar Youmas da ließ."

"Ich glaube, den Part kenne ich bereits", erwiderte Akira.

"Natürlich kennst du ihn. Er betrifft dich schließlich. Und es war der Beginn eines Lebens, das das Grauen der Schlachten, die Tage von Tod und Sterblichkeit kannte. Erinnerungen, die ich dir ungern überlassen würde. Vieles war zu schrecklich, selbst für mich. Und Grausamkeiten sind nichts, was ich dich sehen lassen will. Ich habe sie gesehen. Oft. Zu oft. Und ich habe sie gehasst. Doch jede Grausamkeit, die ich sah, war eine Grausamkeit, die ich nicht verhindern konnte. Das hat mich zerstört, nach und nach."

"Ich glaube, ich verstehe jetzt, was du meintest, als du sagtest, ich würde am Wissen zerbrechen."

"So? Dann bist du zumindest nicht dümmer als ich", spottete Iskander. "Und, geht es dir jetzt besser, wo du weißt, dass du tatsächlich meine Reinkarnation bist, die auf der Erde in diesen Tagen wiedergeboren wurde?"

"Es bleiben Zweifel. Aber es geht mir besser."

"Hm", machte Iskander. "Was die Zweifel angeht, solltest du mal den weißen Kater in die Mangel nehmen. Ich bin sicher, er hat dir was interessantes zu erzählen. Er hat dich schon mal mental manipulieren können, erinnerst du dich?"

"Ungern", gab Akira zu. "Aber ich nehme deinen Rat an. Bleibt mir nur noch eine Sache, die wichtig ist. Warum bin ich so schwach?"

"Schwach?" Iskander lachte. "Schwach ist das Letzte, was man einen General des SilverMilleniums nennen kann."

"Du weißt was ich meine. Vielleicht sind meine Kräfte groß, aber mein Körper, er... Er..."

"Oh, ich verstehe. Aber diese Frage solltest du nicht mir stellen, sondern ihr." Iskander deutete hinter Akira.
 

Der junge Mann drehte den Kopf und stieß überrascht die Luft aus den Lungen. Er sprang auf. "Ach du grüne..."

Hinter ihm stand eine Frau. Eine Frau, die er zu gut kannte, denn es war Ami Mizuno. Es gab jedoch einen frappierenden Unterschied. Ihre Augen waren ersetzt durch zwei blutrote, leuchtende Rubine. "Tsunami", sagte Akira. "Was muss ich denn noch alles tun, um dich auszulöschen?"

"Was tust du denn, um mich auszulöschen?" Sie lachte. "Das Gegenteil ist der Fall. Du tust alles, um mich bei dir zu behalten. Du klammerst dich an mich, und in jeder Notsituation ist es meine Kraft, die dich stärkt, damit du Unmögliches vollbringen kannst."

"Und dafür tötest du mich fast hinterher?", fragte Akira spröde.

"Nein, du tötest mich damit, du Dummkopf! Aber das ist dir ja auch nicht recht, und deshalb wendet dein Körper alle Kraftreserven auf, die er hat, um mich am Leben zu erhalten!"

"Was, bitte?"

"Das sollte eigentlich meine Frage sein! Wenn du so ein furchtbar mächtiger General aus uralten Zeiten bist, wozu brauchst du mich? Wozu erschaffst du sogar Illusionen, die meine Seed darstellen, die du dann zerstören lassen kannst? Warum hängst du so an mir? Es ist zum wahnsinnig werden, ich... Hör mal, es ist ja nicht so, dass ich nicht an meiner Existenz hängen würde. Auch wenn ich nur eine Membran aus Gedanken und Lebensenergie bin, so bin ich mir meiner bewusst. Und Sterben stelle ich mir schrecklich vor. Aber dein klammernder Griff ist so einengend, so einschränkend, dass ich manchmal denke, es wäre besser, wenn..."

"I-ich verstehe das nicht. Ich halte dich in mir fest? Ich benutze deine Kräfte? Ich tue alles, damit du nicht vergehst?"

"Und das ist Ironie pur, denn ich bin auf SailorMerkur geeicht, auf Ami Mizuno! Eigentlich dürfte ich dir nichts nützen! Aber mit meiner Hilfe hast du die große Tsunami aufgehalten, hast die Vernichtung Metallias überstanden und dabei Merkur beschützt. Und du hast den direkten Beschuss mit etwas überlebt, was früher mal der Antrieb eines Seelenschiffs war! Und das ist der eigentliche Wahnsinn an der Geschichte! Dabei hättest du mich übrigens beinahe ausradiert, denn du hast mich bis ans Limit ausgesaugt."

"Weshalb du ein zweites Mal zusammengebrochen bist", sagte Iskander.

"Ah, ja. Und was bringt mir diese Erkenntnis jetzt?", fragte Akira sarkastisch zurück.

"Oh, sehr viel. Nebenbei bemerkt warst nicht du es, der Tsunami immer wieder gerettet hat. Ich war es."

Erstaunt sah Akira den pseudomateriellen Abdruck des Generals an. "Und? Hast du auch eine Erklärung dafür?"

"Natürlich habe ich die: Sie ist nützlich, sogar sehr nützlich. Sieh mal, du bist stark. Ziemlich stark sogar, möchte ich sagen. Deine Kräfte sind so gewaltig, sie können mit denen von SailorMars konkurrieren. Aber damit sind sie nur ein schwaches Echo dessen, was ich vermocht habe."

"Echt jetzt?", fragte Akira verblüfft.

"Das ist die reine, einzige Wahrheit, Kleiner. Und diese Kräfte habe ich mir in langen Jahren harten Trainings und ungezählter Kämpfe herangezogen. Du wirst vielleicht auch einmal auf diesen Level kommen, wenn du lang genug lebst und gut genug übst. Aber leider reicht das manchmal nicht. Leider bist du zu schwach, um gegen die Rüstungen bestehen zu können. Und hier kommt unser Freund Tsunami ins Spiel."

"Unsere Freundin, meintest du wohl."

Iskander schüttelte den Kopf. "Sie sieht nur so aus wie Ami. Sie ist es aber nicht. Sie ist nicht einmal weiblich. Die Seed ist ein Es, ein Neutrum. Ihr wurde SailorMerkur aufgeprägt, um sie einerseits zu beherrschen, andererseits um ihre Kräfte zu potenzieren, aber das gibt ihr noch kein Geschlecht. Doch auch in dieser Form, geeicht auf Ami, potenziert sie deine Kräfte, wie du weißt."

"Und bringt mich anschließend ins Krankenhaus. Schon gut, ich weiß, das bin ich dann selbst, wenn ich versuche, dich zu retten. Oder vielmehr wenn du es dann machst."

"Du wirst jede Hilfe brauchen, die du kriegen kannst, Akira", fuhr Iskander fort. "Du warst bereits einmal ein SeedKing und hast deinen Willen nicht verloren. Und du, Tsunami, willst weiter leben, aber das kannst du nicht alleine."

Iskander musterte beide eindringlich. "Ihr müsst euch kombinieren, miteinander verschmelzen. Vielleicht gibt es irgendwann eine bessere Lösung, etwas leichteres. Aber bis dahin muss der SeedKing Tsunami immer abrufbereit sein."

"Nette Idee, aber hast du vergessen, dass ich diesmal fast drauf gegangen wäre?", rief Tsunami ärgerlich.

"Und wie dreckig es mir gerade geht?", fügte Akira hinzu.

Iskander lächelte schmallippig. "Weil Tsunami nicht auf dich abgestimmt wurde. Ist sie aber abgestimmt, werden ihre Kräfte richtig kanalisiert, behindert Ihr euch nicht gegenseitig und die Nutzung von Tsunamis Kräften ruft keine negativen Effekte in deinem Körper mehr hervor. Die Schwächeanfälle nach einem großen Kampf werden damit ausfallen, für immer. Und du wirst sie nicht mehr bis zum Limit aussaugen."

"Und was ist, wenn sie mich diesmal übernimmt? Wenn ich ein SeedKing werde, der unter der Kontrolle... Oh. Jedithe. Habe ich total vergessen."

Iskander nickte grinsend. "Und selbst wenn Jedithe dich betrügen sollte, was ich nicht glaube, gibt es immer noch SailorMoon und den Silberkristall im Mondzepter. Verstehe das als Drohung, Tsunami."

"Ja, schon kapiert. Du hast das alles schön durchdacht, alter General. Nur eines hast du vergessen."

"Und das wäre, DemonSeed?"

"Wie eicht man eine Seed neu?"

Das brachte Iskander zum Lachen. Er lachte so sehr, dass er sich den Bauch halten musste. "DAS ist dein Problem? Also wirklich, auf die Antwort hättest du auch selbst kommen können."

"Das ist peinlich! Hör auf zu lachen, bitte", sagte die Seed irritiert.

"Ehrlich gesagt weiß ich auch keine Lösung", fügte Akira hinzu.

Iskander wischte sich ein paar Tränen von den Wangen - anscheinend funktionierten zumindest die Tränendrüsen noch - und konnte sich nur schwer beruhigen. "Was meinst du denn, wie eine Seed auf jemanden geeicht wird?"

"Äh, keine Ahnung. Mein Bewusstsein erwachte erst, als ich in SailorMerkur aufging."

"Man eicht etwas, indem man weiß, worauf man es eichen muss", erklärte Iskander, spuckte den Grashalm aus und erhob sich. "Alles was du tun musst, ist, dich nicht länger als SeedQueen für Ami Mizuno zu bezeichnen. Dann wirst du wieder eine neutrale Seed. Anschließend begreifst du dich als SeedKing, der für Akira Torah bestimmt ist. Du existierst jetzt schon so lange in seinem Körper, du kennst ihn besser als du Ami je kennen gelernt hast. Du kannst dich in einem Maße auf ihn einstellen, die jene Kraft übersteigt, welche die gigantische Tsunami erzeugt hat."

"Und was ist", fragte sie bitter, "wenn ich eines Tages nicht mehr gebraucht werde?"

"Ich neige nicht dazu, sinnlos zu zerstören. Das solltest du wissen, wenn du schon so lange ein Teil von mir bist", sagte Akira streng. "Und wenn du mir nützlich bist, bin ich gerne bereit, dich in meinem Körper zu dulden, selbst wenn ich dich eines Tages nicht mehr benötigen sollte."

"Ich kenne dich zu gut, um nicht zu wissen, dass du dein Wort halten wirst", sagte die Seed in der Gestalt Amis. "Und alles ist besser, als am Rand der Vernichtung zu existieren. Also, gut, dann soll es so sein."
 

Es war ein merkwürdiger Vorgang. Zuerst wurden die Konturen von Ami unscharf, begannen zu flackern, zu verschwimmen, bis sie fort waren. Lediglich die rubinroten Augen waren geblieben.

Dann begann sich ein neuer Körper um sie herum zu formen. Eine Gestalt in einer blauen Phantasie-Uniform mit weißen Haaren - Akira.

So standen sie sich gegenüber: Der SeedKing Tsunami und Akira Torah.

Unsicher sahen beide zu Iskander herüber.

"Und was jetzt?", stellte Akira die wichtigste Frage. "Müssen wir nicht miteinander verschmelzen, oder so?"

Der General lachte erneut. "Akira, Akira, du bist wohl doch nicht ganz so helle wie ich. Sieh dich mal um, und sag mir, was du siehst."

"Eine wellige Landschaft, die mich an eine trockene Steppe erinnert. Afrika, Mongolei, Persien, etwas in der Richtung."

"Gut. Und was denkst du, wo du bist?"

"Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, wo du überall gekämpft hast."

Tsunami begann zu grinsen. "Ich glaube, ich weiß, was er dir mitteilen will."

"So? Dann wäre es nett, wenn du mich an deinem Wissen teilhaben lässt."

Tsunami breitete die Arme aus. "Wir sind nicht in irgendeiner Steppe, nicht an einem Ort, an dem bald die Schlacht geschlagen wird, in der Iskander sterben wird. Wir sind in deinem Verstand, mein Lieber. Will sagen, wir müssen gar nicht verschmelzen, weil wir es schon vorher waren. Aber jetzt bin ich auf dich eingestellt, und vieles sollte uns jetzt leichter fallen."

Akira unterdrückte ein prustendes Lachen. "Oh, ich bin so ein Dummkopf. Die naheliegendste Erklärung ist mir natürlich nicht eingefallen. Aber was kommt jetzt? Was muss ich als Nächstes tun?"

"Das ist relativ simpel, Akira", sagte der General zufrieden. "Du musst nur aufwachen."

"Ich muss was?"

"Nur aufwachen. Das ist keine besonders schwierige Sache. Hast du schon öfters gemacht", versicherte Iskander.

"Okay, dann wache ich doch mal auf." Akira wartete. "Ich sagte, ich wache auf."

Nichts geschah. Alles blieb so wie es war. "Geht anscheinend nicht."

Dies war der Moment, in dem er sich fühlte, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen fort gezogen, und er wäre anschließend in ein unendliches Loch gefallen.

"Siehst du?", sagte Tsunami, der neben ihm fiel. "Geht doch."

***

"Er wacht auf!", rief Pyramon aufgeregt.

Akira öffnete die Augen. Er blinzelte ein paarmal, dann war sein Blick wieder klar. "Eine illustre Runde. Habt Ihr euch alle Sorgen um mich gemacht?"

Yuichiro trat ans Bett und nahm ihn in den Schwitzkasten. Mit der freien Hand, zur Faust geballt, bearbeitete er Akiras rechte Schläfe. "Natürlich haben wir uns Sorgen um dich gemacht, du Dummkopf! Große Sorgen!"

"Autsch! Dann möchte ich nicht erleben, was du mit mir machst, wenn du dich über mich ärgerst."

Die Anwesenden lachten.

"Lässt du mich aufstehen, alter Freund?"

Besorgt wechselte Yuichiro mit Tomoki einen kurzen Blick. "Hältst du das für eine gute Idee? Was, wenn du wieder..."

"Zusammenbrichst? Ich habe mich darum gekümmert", sagte er.

"Okay..." Yuichiro entließ ihn aus seinem Griff und stellte sich zu Tomoki.

Akira schlug die Decke zurück, setzte die Beine auf den Boden und erhob sich. Kurz wackelte er, was Michiru und Haruka beherzt eingreifen ließ, aber schnell fand der ehemalige General des Mondes seine Standfestigkeit wieder. "Danke, Ihr zwei. Es geht schon. Wie ich schon sagte, ich habe mich darum gekümmert."

"Deine Vitalwerte sind fast wieder im Normbereich. Was genau hast du gemacht?", fragte Pyramon erstaunt.

Akiras Augen verwandelten sich in blutrote Rubine. "Sagen wir, ich habe ein neues Arrangement mit einem permanenten Logisgast getroffen."

Entsetzt raunten die Freunde auf. "Du bist von einem SeedKing besessen! Aber wenn du...", begann Haruka, aber sie stoppte mitten im Wort. "Oh. Ach ja. Jedithe und so. Verstehe."

Akira grinste. Die Rubinaugen verschwanden wieder. "Das hast du schnell begriffen, Haruka. Ich selbst habe etwas länger gebraucht. Und, um euch alle zu beruhigen, ich bin es, der die Kontrolle hat. Ihr wisst doch, DemonSeed konnte mich noch nie übernehmen. Und ich glaube, das ist bei Yuichiro und Tomoki auch nicht anders."

Tomoki erschauderte. "Ist der Preis nicht ein bisschen hoch? Ich weiß, Targetia und Rose haben ihre SeedQueens auch behalten, und es geht ihnen gut damit. Aber ich weiß nicht, ob ich damit leben könnte."

"Ich finde es so jedenfalls angenehmer, als dauernd körperliche Zusammenbrüche zu erleiden. Das Problem war immer, dass ich auf die Energie der Seed zurückgegriffen habe, wenn es eng wurde. Und dann habe ich die Seed erhalten, auf Kosten meiner eigenen Kraft. Für den Fall, dass es wieder eng wird. Leider war die Seed auf Ami eingestellt, und das hat mich unnötig viel Kraft gekostet. Jetzt sind wir... Geeicht. Ich erwarte, dass ich noch mehr Kraft zur Verfügung habe... Aber nicht mehr zusammenbreche."

"Dein Wort in Usagis Ohr", sagte Haruka grimmig. "Ich bin noch nicht überzeugt, dass dir dieses Arrangement gut tut. Ich werde das im Auge behalten, Akira."

"Tust du das nicht sowieso, solange meine Herkunft nicht geklärt ist?", fragte er missmutig.

Haruka blies die Wangen auf und entließ die Luft mit Empörung im Gesicht. "W-w-w-was? Akira, du zweifelst doch hoffentlich nicht daran, dass du für mich, dass du für uns alle ein wertvoller Freund und Mitstreiter bist, und dass nichts irgendetwas daran ändern wird! Selbst wenn du dich als der Wiseman persönlich entpuppen solltest, kann das nicht unsere gemeinsame Zeit auslöschen."

"Wiseman?", fragte Akira irritiert.

"Das Volk des Dunklen Mondes. Petzite und die anderen. Die potentielle Zukunft aus der Usa-chan stammt, Usagis Tochter", erklärte Yuichiro in Stichworten. "Die Zukunft, die wir eines Tages manipulieren werden, damit die Vergangenheit geschehen kann."

"Ich erinnere mich dunkel. Was ist mit dem Wiseman? Hat Usagi ihn nicht zum Freund gemacht oder sonst irgendwie bekehrt?"

"Auch SailorMoon kann nicht alles und jeden retten", sagte Michiru mit einem lapidaren Schulterzucken. "Unglaublich, aber wahr."

Gespielt griff sich Akira an die Brust. "Ah! Ich bin entsetzt! Es gibt etwas oder jemanden, der SailorMoons Charme und ihrer bedingungslosen Ehrlichkeit nicht verfallen ist? Unglaublich."
 

"So, so. Ich hoffe für dich, dass du hingegen meinem Charme und meiner bedingungslosen Ehrlichkeit verfallen bist, Akira Torah, sonst hätte ich Grund zur Annahme, du spöttelst über mich", sagte Usagi vom Eingang her. Sie lächelte.

"Selbstverständlich", erwiderte Akira amüsiert. "Das gilt allerdings für euch alle hier. Ich wäre nie froher in meinem Leben gewesen, selbiges für Andere zu riskieren, als für meine Freunde hier im SilverMillenium."

"Das freut mich zu hören." Das blonde Mädchen sah ihn amüsiert an. "Und? Bist du der Wiseman?"

Der ehemalige General breitete die Arme aus. "Es tut mir aufrichtig leid, Usagi Tsukino. Ich bin leider nur Akira Torah, nicht mehr, aber auch nicht weniger."

"Gut, dann ist der Punkt ja geklärt. Den SeedKing, den ich in dir spüre, ist unter deiner Kontrolle?"

"Du hast den SeedKing gespürt?", fragte Akira verblüfft.

"Unterschwellig schon immer, ohne das Gefühl einordnen zu können. Aber er hat plötzlich sehr viel Macht aufgebaut, sodass ich ihn umso deutlicher gespürt, fast schon gesehen habe." Sie winkte mit ihrem Mondzepter. "Was meinst du, warum ich hier so plötzlich aufschlage?"

"Ich bin beeindruckt, schwer beeindruckt", sagte Akira. Er nickte in die Richtung des Oberhaupts des SilverMilleniums. "Der SeedKing ist unter meiner Kontrolle, Majestät."

"Wenn du schlechte Witze und dumme Anspielungen von dir gibst, muss es dir wirklich gut gehen", erwiderte sie, und jedes dieser Worte war wie ein kleiner, wohlgemeinter Nasenstüber für ihn. "Wenn du tatsächlich wieder fit bist - es gibt da zwei Frauen, denen du das beweisen solltest."

Sie wandte sich wieder ab. "So, ich muss wieder zur Menge ans Tor. Ihr solltet derweil klären, was es mit den Worten der Polizisten auf sich hat. Ich sehe zwar Akira Torah, aber wer ist er?"

"Dein Freund, Usagi, dein unverbrüchlicher Freund", sagte Akira leise.

Sie wandte sich nicht um. "Das weiß ich. Aber ich glaube, dir würde es gut tun, die ganze Wahrheit zu kennen, oder? Es hört nicht damit auf, dass du bestätigt bekommst, dass du tatsächlich Iskanders Inkarnation bist."

Es hatte mal eine Zeit gegeben, so kurz sie gewesen auch sein mochte, da hatte er Usagi unterschätzt. Sie für ein naives, nicht besonders helles blondes Ding gehalten. Aber das war nur eine Fehleinschätzung, weil er nicht hatte glauben können, dass die stärkste Kriegerin auf Erden so unglaublich fröhlich, freundlich und herzlich sein konnte. Diese Zeit erschien ihm unglaublich weit entfernt.

Und wenn sie sogar seine Begegnung mit Iskander erspürt oder geahnt hatte, dann tat er sehr gut daran, sie niemals wieder zu unterschätzen. "Danke für den Rat, Usagi-chan."

Sie lächelte über ihre linke Schulter hinweg. "Gern geschehen. Schließlich bist du einer meiner unersetzlichen Freunde, die ich gerne glücklich sehen will."

Usagi trat auf den Gang hinaus. Dort sah sie jemanden an. "Willst du nun rein oder raus?"

"I-ich...", stammelte jemand.

"Also rein." Sie griff nach einem Arm, zog daran, und beförderte Ami in die Türöffnung.

"H-hallo, Akira", sagte sie mit matter Stimme.

"Und du gleich hinterher", sagte Usagi energisch und schob Yaten ebenfalls ins Zimmer.

"Geht es dir gut?", fragte Yaten. Er trat in seiner männlichen Form auf, aber die Augen waren die gleichen.

Taiki trat hinter ihnen ein. "Darf ich dann auch, oder wird es hier zu voll?"

Akira lächelte. "In meinem Raum kann es von meinen Freunden nie voll genug sein."

Er lachte und hüllte sich in seine Uniform.

"Akira, du bist noch zu schwach...", protestierte Haruka.

"Keine Sorge", erwiderte Iskander. "Ich habe genügend Kraft, und so geht es schneller als wenn ich mich umziehe." Er schenkte jedem der Anwesenden ein Lächeln. "So, und jetzt wüsste ich gerne, wo Artemis gerade ist. Ich muss ihm dringend ein paar unangenehme Fragen stellen."

***

Es war eine wahre Freude für Mamoru, Umino bei der Arbeit zu zu sehen. Die Finger des Toudai-Studenten flogen geradezu über die vor ihm ausgebreiteten Rüstungsteile, ständig nahm er Messungen vor und korrigierte etwas auf dem kleinen Pad, das mit der langsam entstehenden Rüstung verbunden war. Vor Mamorus Augen wuchs die Gestalt in die Höhe, gerade so, als würde das Geschehen im Zeitraffer ablaufen.

Naru winkte ab, als Mamoru sie fragend ansah.

"Das ist vollkommen normal. Sobald es um die Millenier-Technologie geht, ist er in seiner eigenen Welt und in seinem eigenen Tempo." Sie seufzte. "Und er ist nur deshalb so schnell, weil er diese Technik bereits in- und auswendig kennt. Es gibt nur zwei Dinge, die ihn aus seiner Welt raus holen können. Das eine tritt ein, wenn er fertig ist. Falls er nicht sofort etwas anderes findet, an dem er arbeiten kann."

"Und was ist das andere Ding?", fragte Mamoru.

"Äh." Leichte Röte schoss über ihre Wangen. "Ein Kuss."

Mamoru kicherte leise. "Wirklich?"

"Wirklich. Und er muss von mir sein."

"Na, das hat doch was", sagte Mamoru mit einem breiten Grinsen.

"So, fertig!", verkündete Umino mit lauter Stimme.

Mamoru zwinkerte mehrfach. "Wann ist das denn passiert? Ich dachte, bei der Rüstung fehlt noch die Hälfte."

"Tja, wenn du weg guckst wird er noch schneller", sagte Haru mit einem stolzen Lächeln.

"Redet Ihr über mich?", fragte Umino verwundert.

"Ja. Und es dreht sich nur um Gutes." Sie trat neben ihn und gab ihm einen Kuss. Dazu musste sie sich auf die Zehenspitzen stellen. Mamoru kannte noch sehr gut die Zeit, als das hübsche Mädchen größer als der damals so blasse Junge gewesen war.

"Danke." Der junge Wissenschaftler schenkte seiner Freundin ein Lächeln. "Wollen wir das Ding mal ausprobieren, Mamoru? Gibt es hier irgendwo eine stille Ecke, groß genug für einen Probelauf, die von außen nicht eingesehen werden kann?"

"Hier nicht. Aber wir könnten auf den Mond gehen, das SilverMillenium verlassen und auf dem Mond selbst erproben, was das Ding so drauf hat. Das dauert maximal zehn Minuten."

"Oh, gut. Aber dann brauchen wir einen Kran oder einen Palettenwagen. Die fertige Rüstung wiegt so rund dreihundert Kilo."

Mamoru lächelte viel sagend. Er hielt eine Rose in Händen, die er einmal vor seinem Gesicht entlang führte. Plötzlich trug er den Smoking und Zylinder des legendären Tuxedo Kamen.

Er legte einen Arm um die Rüstung und hob sie hoch. "Vergiss den Kran und den Palettenwagen. Leichtgewichte trage ich selbst. Willst du die Rüstung steuern? Ich glaube, du kennst dich am Besten damit aus."

"Da habe ich nichts gegen!", rief der Toudai-Student enthusiastisch. "Ich war noch nie auf dem Mond."

"Oh, du würdest staunen, wie viele Menschen noch nicht auf dem Mond waren", spöttelte Mamoru. "Was ist mit dir, Naru? Willst du mit, oder wartest du lieber bei Usagi?"

Die junge Frau bekam große Augen. "Huh? I-ich darf mit? I-ich meine, auf den Mond? Auf den richtigen Mond?"

"Ja, genau um den geht es."

"J-ja, gerne! Ich war auch noch nicht auf dem Mond!", rief sie aufgeregt.

"Na, dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren."
 

Die Rüstung wie eine Puppe unter dem linken Arm haltend öffnete Mamoru die Tür zum Gang und wollte hinaus treten. Er stockte, als ein weißgoldener Blitz an ihm vorbei huschte. Dem folgte ein ziemlich agiler Iskander. "Weglaufen nützt dir nichts, du kleiner Feigling!", grollte der General. "Ich erzähle alles Minako, wenn du nicht stehen bleibst!"

Ihm folgten auf dem Fuß einige der Freunde, darunter auch Ami und Taiki.

"Ah, euch beide wollte ich ohnehin gerade sprechen", hielt Mamoru sie auf. Er nickte den Gang hinab, wo der Lärm der Jagd noch nachhallte. "Akira verfolgt Artemis?"

"Es geht wohl um ein manipuliertes Gedächtnis", sagte Taiki und verdrehte die Augen. "Wer lässt sich denn schon von einer Schmusekatze eine falsche Erinnerung verpassen?"

"Das zeigt, dass du Artemis unterschätzt", tadelte Mamoru. "Und er wiederum Akira, wie es scheint. Und, wollt Ihr euch an der Jagd beteiligen, oder kommt Ihr mit auf den Mond, wo Umino, Naru und ich die Rüstung erproben werden?"

Amis Augen begannen zu glänzen, als sie die fertige Rüstung unter Mamorus Arm sah. Doch die Stimme von Akira, die wieder lauter durch den Gang hallte, lenkte sie wieder ab. Erneut hetzte der Kater an ihnen vorbei, gefolgt von Akira und den anderen.

"Ich...", begann sie, aber da legte Taiki eine Hand auf ihre Schulter. "Wir haben so viel Arbeit in diese Rüstung gesteckt, es wäre doch eine Schande, wenn wir nicht dabei wären, wenn sie ausprobiert wird. Oder, Ami-chan?"

"Du hast natürlich Recht. Da will ich nicht fehlen." Sie seufzte. "Und da es Akira augenscheinlich wieder viel zu gut geht, machen wir das doch." Sie lächelte zu Taiki hoch. "Die Mühen unserer Arbeit."

"Die mir sehr viel Spaß gemacht hat", bestätigte er.

"Na, dann kommt mal mit. Umino, sagst du den beiden noch fix was zu den Parametern der Rüstungen, und über deine Einstellungen?"

"Gerne. Ich musste die Hohlfeldinduktoren für die Energieleitungen komplett ersetzen, die waren vollkommen durch. Aber Pyramons Leute haben mir neue zur Verfügung gestellt. Das hat mir vor Augen geführt, dass ich hier ja quasi an der Quelle sitze. Mit einem der Analysegeräte des SilverMilleniums ging es dann auch ganz schnell. Folgende Parameter musste ich anpassen..."

Naru hielt Mamoru kurz zurück, während die drei Wissenschaftler, in Uminos Erklärungen vertieft, voran schritten. "Hältst du das für so klug? Ich meine, Ami ist doch..."

Mamoru schmunzelte. "Ach, weißt du, im Moment läuft alles genauso wie es laufen soll. Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt."

"Wieso bist du dir so sicher?", fragte die junge Frau erstaunt.

Mamoru nickte den Gang hinab. Dort standen Usa-chan und Hotaru. Sie kicherten leise.

"Solange die beiden glücklich sind, muss ja alles in Ordnung sein. Du weißt doch, sie sind aus der Zukunft."

"Oh. Ach ja. Ich vergaß, dass ich in eurer Nähe nie anfangen darf, mich zu wundern. Sonst kann ich damit nicht wieder aufhören."

***

Der weiße Kater fauchte und kratzte, und benahm sich allgemein wie eine wirklich wütende Katze.

Akira, der Artemis am Nackenfell hielt und hoch gehoben hatte, nahm das Gebaren unerschütterlich hin. "Reg dich auf, so viel wie du willst. Durch meine Rüstung kommst du ohnehin nicht. Also, wir können die ganze Sache hier abkürzen, oder ich bringe dich zu Minako, damit die ein Wörtchen mit dir redet. Oder noch besser, wir warten bis Luna von ihrer Undercover-Mission zurückkehrt. Soll sie sich um dich kümmern."

Schlagartig wurde der Kater still. "Du lässt mich runter, wenn ich ruhig bin? Diese Pose ist entwürdigend."

"Gib mir dein Wort, dass du nicht wieder abhaust."

"Ja, in Ordnung. Ich verspreche es."

"Gut." Akira setzte den Kater ab. Der setzte sich manierlich hin und strafte den General mit einem bösen Blick. "Musste es dir einfallen, ausgerechnet jetzt wieder gut zu gehen? Noch eine Stunde, und ich hätte alles zusammen gehabt."

"Was genau zusammen gehabt?", wollte Akira wissen.

"Deine neue Identität." Der Kater legte sich in einer menschlichen Geste die rechte Pfote an die Stirn und seufzte schwer. "Wenn ich bedenke, wie viel Mühe ich mir gegeben habe, um eine gute Erklärung zu stricken... Und dann kommen die beiden Polizisten, und ruinieren alles wieder."

"Neue Identität?", fragte Akira überrascht.

"Etwas für dein Seelenheil, was beweisen sollte, dass es einen Akira Torah, also dich, vor seinem Auslandsaufenthalt in Japan gegeben hat. Nichts wirklich wichtiges. Aber ich hätte es hingekriegt, und das hätte dich aus deinem Tief wieder raus geholt. Zumindest war das der Plan, bis ich merkte, dass du das schon selbst besorgt hast."

"Okay, jetzt will ich die ganze Geschichte hören, weißer Schmusekater", sagte Haruka und begann der Katze die Ohren zu kraulen. "Wenn möglich von Anfang an."

"Bestechung bringt gar nichts. Ich erzähle euch doch auch so schon alles, was ich weiß." Er seufzte erneut, tiefer und länger diesmal. "Weißt du, Akira, Königin Serenity, die Herrscherin des SilverMilleniums, hat euch betreffend - also dich, Leth und Gyes - sehr klare Anweisungen gegeben. Ihr solltet nie geweckt werden müssen, nur im allergrößten Notfall. Noch mehr als alle anderen hattet Ihr ein Recht auf ein eigenes Leben. Und obwohl Yuichiro und Motoki uns so nahe waren und wir vor entsetzlichen Gefahren standen, haben wir sie nie geweckt. Dennoch, es zog sie zu den SailorKriegern, sie waren bei ihnen, und es gab keinen Grund, um das zu verhindern.

Du hingegen warst ein anderes Kapitel, Akira. Du wurdest nicht in Japan geboren, hast hier nicht ein einziges Jahr deines Lebens verbracht, bevor du zum Studium herkamst. Ich habe dich schon früh entdeckt, vor nicht ganz fünf Jahren, als Minako in London als SailorV gearbeitet hatte. Aber damals schon habe ich keine Veranlassung dazu gesehen, dich zu erwecken. Doch ich habe dich im Auge behalten.

Du wurdest in Düsseldorf geboren, in der dortigen japanischen Gemeinde, als Kind eines Japaners und einer Engländerin, und hast seit deinem dritten Lebensjahr in London gewohnt. Ich weiß nicht, warum die Reinkarnationen des SilverMilleniums immer die Japaner treffen, aber es ist so. Vielleicht ist die Urerinnerung an das Reich auf dem Mond besonders stark in ihnen, was die Seelen der Inkarnationen anzieht, ich weiß es nicht.

Bei dir hatte ich zumindest gedacht, dass du weit genug vom Schuss bist, um nicht in unsere Kämpfe zu geraten, und es war für mich eine Riesenüberraschung, als du plötzlich hier in Tokio aufgetaucht bist, um zu studieren. Ich dachte, das Beste was ich tun konnte, wäre dich von den anderen fern zu halten. Deshalb habe ich dich beeinflusst und deine Lebensgeschichte umgestrickt, was der Auftakt dazu gewesen wäre, dich in einen anderen Landesteil zu schicken, weit weg von Tokio.

Doch meine ganze Planung wurde zum Trümmerhaufen, als du den SailorKriegern begegnet bist. Du hast dich selbst erweckt, du hast Gyes erweckt, und dann sind wir tatsächlich in eine noch größere Gefahr geraten als SailorGalaxia.

Ich gebe zu, ich habe schlampig gearbeitet, als ich dir den Glauben eingab, hier geboren zu sein, ohne ein paar Dokumente zu fälschen, aber ich dachte ja auch, nachdem du erweckt wurdest, wäre es egal geworden. Dass sich die Polizei für dich interessieren würde, damit habe ich nicht gerechnet. Auch nicht, dass es dich so sehr mitnehmen würde." Schuldbewusst sah der Kater den General an. "Das tut mir leid."

"Ja, glücklicherweise. Sonst wäre ich nämlich ernsthaft böse mit dir.

Tja, es ist also raus. Ich bin Halbjapaner und gar nicht hier geboren. Was für einen Unterschied soll das machen? Für mich? Für meine Freunde? Für die Welt?"

"Keinen natürlich", erwiderte der Kater patzig. "Ich hielt die Umdichtung deines Lebens eben damals für eine sehr gute Idee, um dich nach Kyoto oder Kobe zu schicken, weg vom Ärger."

"Und das war nicht deine einzige sehr gute Idee, die nach hinten los gegangen ist", sagte Luna, und trat zu den anderen. "Ich bringe schlechte Neuigkeiten, die den Streich von Artemis zur Nebensächlichkeit machen." Die schwarze Katze musterte Akira. "Dir geht es wieder gut?"

"Besser als je zuvor", versicherte der General.

"Gut. Denn ich fürchte, wir müssen gegen die ganze Welt kämpfen. Und dafür brauchen wir jeden Vorteil, den wir kriegen können."

"Du klingst wie ein Orakel", tadelte Yuichiro.

"Du wirst die Orakel-Version lieben, wenn du erst mal alle Fakten kennst", erwiderte die schwarze Katze.

***

"U-und wir können hier atmen?", fragte Naru ängstlich, als sie ihren Fuß auf den Mondsand setzte.

"Ja. Wir haben den Schild, der die Atemluft hält, beträchtlich erweitert, weil wir weitere Gärten anlegen wollen", erklärte Mamoru. "Dafür brauchen wir nur zusätzliches Wasser aus den Kavernen im Mondinneren, Mondsand und Saatgut. Das alles steht uns ausreichend zur Verfügung. Es fehlt einzig an der Zeit." Mamorus Lächeln verschwand. "Eventuell werden wir diese Zeit bald investieren müssen, falls wir uns auf den Mond zurück ziehen."

"Ist es wirklich so arg?", fragte sie, und machte einen weiteren Schritt. "WHOA!"

"Naru, du schwebst", lachte Umino.

"Das hatte ich noch gar nicht erwähnt", sagte Mamoru grinsend. "Wir haben den Schirm erweitert und den Luftdruck stabil gehalten, aber wir haben die Schwerkraft nicht erweitert. Noch nicht. Auf dem Mondsand wiegst du also nur ein Sechstel von dem, was du auf der Erde wiegst, Naru."

"Tatsächlich! Ich fühle mich so leicht! Oh, das macht Spaß!" Zur Probe sprang die junge Frau in die Luft und stieg beachtliche zwei Meter hoch, bevor sie wieder sanft zu fallen begann. Dies tat sie mit beachtlicher Eleganz.

Umino lächelte, als seine Freundin über den Mondboden tänzelte. "Wir sollten öfter hier her kommen. An ihr ist eine Ballerina verloren gegangen."

Naru landete wieder. "Aber nur auf dem Mond", lachte sie. "Ich würde trotzdem gerne wiederkommen."

"Das lässt sich gewiss einrichten." Mamoru schmunzelte. "So, wie weit sind wir denn?"

"Einen Moment noch", erwiderte Ami, während sie die Rüstung konzentriert mit ihrer Scanbrille betrachtete. "Wir wollen nur sichergehen, dass Umino perfekte Arbeit geleistet hat, als er die Anschlüsse zusammengefügt hat. Nicht, dass ich daran zweifle, aber Sicherheit geht vor."

"Keine Einwände meinerseits", sagte der Toudai-Student.

"Also, ich kann keinen Fehler finden. Beachtlich, junger Mann", sagte Taiki.

Verlegen lachte Umino. "Wie gesagt, ich habe beruflich mit der Technologie der Millennier zu tun. Die Rüstung ist ja teilweise auf sie aufgebaut."

"Fertig. Keine Fehler. Du hast sehr gute Arbeit geleistet." Ami nickte lächelnd in Richtung der Rüstung. "Bitte einsteigen."

"Okay." Die Rüstung lag, und war in zwölf Fragmente zerlegt, die einzeln angelegt werden mussten. Am einfachsten war es, sich in das Rückenteil zu legen und das Bruststück aufzusetzen. Dann folgten die Stiefel und die aufgeklappten Oberschenkelsegmente. Schließlich folgten die Handschuhe und die Oberarmschalen. Zum Schluss folgten Vorder- und Hinterseite des Helms.

"Gut. Ich initiiere jetzt", verkündete Umino. "Tretet alle mal ein Stück zurück."
 

Als sie sichere zwanzig Meter entfernt standen, hörten sie von der Rüstung eine Serie hoher Töne.

Mamoru lachte. "Wir haben ein Handy zusammen gebaut. Wer ruft uns denn an, Umino?"

"Nur kein Spott. Die Hochfahr-Melodie habe ich einprogrammiert", antwortete der Student gut gelaunt. "Alles braucht ein wenig Individualität. Für die Lackierung habe ich an rote Flammen auf gelbem Grund gedacht."

"Eine Rennbemalung für etwas, das nicht schneller als ein Fußgänger ist?", fragte Taiki amüsiert.

"Diese Rüstung ist eine von den fliegenden Modellen. Das macht sie im höchsten Maße mobil. Und Energieversorgung und Servormotoren machen sie flexibel."

Die Rüstung erhob sich in einer einzigen flüssigen Bewegung. "Seht Ihr?"

"Mach ein paar Schritte", sagte Mamoru.

Die Rüstung setzte sich in Bewegung und trat ebenfalls auf den Mondsand hinaus. Er kämpfte nicht einen Augenblick mit der wechselnden Schwerkraft. "Die Angleichung erfolgte sehr gut. Mal sehen, ob ich... Ja, das sieht doch sehr gut aus. Ich habe euch auf den Anzeigen, Leute."

"Wie schön. Sieh zu, dass die Waffen gesichert bleiben", versetzte Taiki säuerlich.

"Eigentlich dachte ich eher daran, sie jetzt mal auszuprobieren. Könntet Ihr alle hinter mich treten? Danke. Ich nehme an, der Hügel da vorne wäre eh irgendwann eingeebnet worden, Mamoru?"

"Oh, fühle dich frei, ihn zu benutzen."

"Danke. Ich glühe vor. Hm, diese Ersatzteile vom SilverMillenium machen die Rüstung viel leistungsfähiger. Knappe zwanzig Sekunden Aufladezeit. Achtung, ich feuere jetzt!"

Aus dem rechten Arm schoss ein grellweißer Plasmastrahl hervor, der die Rüstung im Mondsand fast einen Meter zurücktrieb. Der Hügel wurde getroffen, perforiert und durchstoßen. Sofort gellte der Alarm für einen Vakuumeinbruch auf, als der Energieschirm durchschlagen wurde.

"Okay, die Leistung ist zu groß. Der Strahl ging wahrscheinlich halb bis zur Erde durch. Das ist viel zu stark für einen Kampf. Ich drossle sie mal, und kriege dafür kürzere Aufladezeiten."

Beeindruckt betrachtete Mamoru das Loch im Hügel. Hinter dem Loch schloss sich flackernd und zischend wieder der Energieschirm, der Leben auf dem Mond erst möglich machte.

"Okay, das werde ich erklären", versprach Mamoru. "Magst du noch einmal schießen?"

"Ich versuche, vorsichtiger zu dosieren. Achtung, ich lade auf!"

Beinahe sofort löste sich ein Schuss, der wieder in den Hügel eindrang, aber diesmal nicht komplett durchschlug. Es reichte etwa für zwei Drittel. "Ja, so sieht das doch schon besser aus."
 

Der Helm wandte sich ihnen zu. "Ich probiere jetzt den Flugmodus aus."

Langsam begann die Rüstung, getragen von schwachen Pulsor-Jetstreams, aufzusteigen. Es dauerte nur Sekunden, bis Umino die Rüstung gekonnt in diesem Teil der Kuppel schweben ließ.

"Das ist phantastisch! Die eigentlichen Rüstungen hatten nicht diese Manövrierfähigkeiten! Die Ersatzteile sind atemberaubend, ich bin schwer beeindruckt. Und deshalb gehört diese Rüstung sofort wieder auf die Erde und in die richtigen Hände..."

Das waren seine letzten Worte, bevor er mehr Schub auf die Düsen gab, und in Richtung Erdpassage verschwand.

Konsterniert sahen sich die vier an.

"Umino? UMINO!", rief Naru ihm hinterher. "Er ist doch nicht etwa gerade... Ich meine, so etwas würde er doch nie machen!"

"Du meinst, mit der Rüstung auf und davon, entweder zu seiner Universität oder zu seinen Auftraggebern?", fragte Taiki nicht weniger erschrocken. "Nach was sieht es denn aus?"

Mamoru fluchte unterdrückt und verschwand in einem Wirbel aus Rosenblättern, auf der Jagd nach Umino.

"Ich kann nur sagen", begann Ami, "Umino hat sich sehr verändert. Aber eine so große Veränderung habe ich nicht erwartet. Bestimmt ist es anders, als es aussieht."

"Ja", lachte Naru unsicher. "Er würde mich doch nie derart enttäuschen, oder?"

Zugabe 5: Krieg?

Die Rüstung trat auf der Erde innerhalb der Botschaft wieder aus der Passage. Dabei verhedderte sie sich mit den eigenen Beinen und fiel vornüber.

Usagi, Rei, Petzite und Gaion, die den Ausgang der Mondpassage gerade eher zufällig passierten, sahen sich das Vorgehen konsteriert an.

Umino fluchte lautstark, während er sich wieder erhob. Das geschah sehr flüssig, viel flüssiger als alle Bewegungen, die sie bei anderen Rüstungen gesehen hatten.

Der Helm fuhr leicht herum und fixierte Usagi. "Dich habe ich gerade gesucht!", rief er und trat schnell an die Gruppe heran. "Usagi-chan, ich habe festgestellt, dass es unter anderem meine Arbeit an der Toudai war, die diese Rüstung überhaupt erst ermöglicht hat!"

"Und?"

"Was, und? Ich habe an dieser Waffe mitgebaut, die nun das SilverMillenium bedroht!" Er rang nach Worten, nach Erklärungen, und konnte sie doch nicht finden.

"Willst du sagen, dass du unser Feind bist, Umino?", fragte Rei.

"Ja! So was in der Art! Ich meine, ich bin... Ja, bitte?"

Akira war neben ihn getreten und hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. "Uns hat gerade ein Anruf vom Mond erreicht. Etwas wirr, wie ich zugeben möchte. Mamoru sagt, du wärst unter obskuren Umständen mitsamt der Kampfrüstung verschwunden, und es könnte sein, dass du die Rüstung den örtlichen Behörden übergeben willst, oder sonst etwas dummes tust."

"Das Dumme habe ich schon getan, als ich an den Einzelteilen für dieses Wunderwerk gewerkelt habe, ohne zu ahnen oder zu hinterfragen, wofür ich das überhaupt mache!", gab der Junge bissig zurück. "Und übergeben will ich die Rüstung auch nicht. Sie ist viel zu gefährlich und gehört nur in die Hände von..." Suchend fuhr der Helm herum. "Wie erkläre ich das am Besten? Ich denke, nur das SilverMillenium kann mit so einem Machtinstrument umgehen, weil Ihr SailorKrieger und Generäle selbst so mächtig wie diese Rüstung seid. Ich denke, wenn sie jemandem gehören sollte, dann SailorMoon. Und wenn sie jemand steuern muss, dann sollte ich das sein, um Buße zu tun. Oder sowas."

"Ach, Quatsch, du bist doch nur auf Action scharf", tadelte Akira grinsend.

"UMINO!", erklang aus dem Mondaufgang Narus Stimme. "Du hast uns alle zu Tode erschrocken, als du abgehauen bist!"

"Ah, Naru-Schatz, ja, das war vielleicht ein bisschen dumm von mir", sagte er und legte eine Hand hinter den Kopf. Hinter ihr folgten Ami, Taiki und Mamoru.

"Also, die Koordinierung mit der Rüstung wird bei dir immer besser", stellte Mamoru schmunzelnd fest. "Ja, du hast uns eine Heidenangst eingejagt mit deinem Gerede, dass die Rüstung auf die Erde gehört."

"Aber es ging doch nicht anders! Ich meine, wenn die anderen Rüstungen angreifen, dann muss meine Rüstung hier stehen und bereit sein, und... Und..."

"Und dann willst du kämpfen?", fragte Naru. "Umino, du bist kein Soldat!"

"Vielleicht ist es dann an der Zeit, einer zu werden", erwiderte er trotzig.

"Er hat Recht", sagte Akira. "Nicht unbedingt mit dem Part, ein Soldat werden zu wollen, aber durchaus mit dem Kampf. Luna ist vorhin zurückgekehrt. Sie hat die Basis unserer Gegner gefunden und infiltriert. Es sieht ganz so aus, als würden gerade gut einhundert Rüstungen für den nächsten Angriff bereit gemacht werden. Neue Piloten werden eingeflogen und instruiert. Die nächste Runde steht kurz bevor."

"Dann muss ich...", begann Umino und aktivierte den Antrieb seiner Rüstung.

"Nicht so eilig, Kleiner!", sagte Akira, nachdem er sich in seine Uniform gehüllt hatte und in der Lage war, die Rüstung zu bändigen. "Schön, dass du jetzt so ein Spielzeug hast, aber voreiliges Handeln ist der absolut falsche Weg. Außerdem braucht dein Prachtstück eine neue Lackierung, damit wir dich von den anderen unterscheiden können. Und das ist nur das einfachste Problem. Viel schwieriger ist es mit der Basis unserer Feinde. Bitte, Luna."

Die schwarze Katze sah sich im Rund der Freunde aufmerksam um. "Es gibt gewisse Informationen, die unsere Lage deutlich verschlechtern werden. Weit mehr als ohnehin schon. Es sieht ganz so aus, als würden an vier verschiedenen Orten auf dieser Welt mehrere hundert Rüstungen bereit stehen, und tausend weitere montiert werden. Diese Technologie, sie nennen sie GunSuit, kann gegen uns eingesetzt werden. Tatsächlich wurde sie aus genau diesem Grund gefertigt: Um uns angreifen zu können."

"Du willst uns also sagen, dass wir erneut angegriffen werden, selbst wenn wir die einhundert Rüstungen hier in Japan zurückschlagen?", fragte Usagi.

Das Schweigen der Katze sagte genug aus.

Die junge Frau seufzte lang und tief. "Okay, das war's. Sollen sie doch glücklich werden mit der Erde. Das SilverMillenium zieht sich auf den Mond zurück. Gaion, sorge dafür, dass soviel unserer Technologie wie möglich mitgenommen wird, bis auf die medizinische Technologie. Die überlassen wir ihnen gerne. Der Rest muss vernichtet werden. Vor allem alles, was sich als Waffe nutzen lässt. Du siehst ja, was die Menschen daraus machen."

"Jawohl, Majestät."

Usagi schaute sich um. "Das SilverMillenium bietet hiermit allen Anwesenden und ihren Familien Zuflucht auf dem Mond an. Und ich rate euch dazu, anzunehmen, denn jeder von uns, der zurückbleibt, wird ein Primärziel unserer Feinde werden. Das gilt ganz besonders für dich, Akira. Keine letzten Kämpfe und dergleichen. Kein Zeit erkaufen. Kein Feinde dezimieren."

"Aber ich habe doch gar nichts gesagt!", beschwerte sich Iskander.

"Ich kenne dich. Dir ist in deinem deprimierten Zustand zuzutrauen, dass du dich bewusst opferst!"

"Wieso deprimiert?", fragte der ehemalige General. "Warum sollte ausgerechnet ich deprimiert sein?"

Wütend sah Usagi ihn an, bevor sie ihm eine kräftige Kopfnuss versetzte, die der General auch durch die Rüstung hindurch spürte. "Autsch."

"Weil du so blöde bist, Ami von dir fort zu schieben, obwohl sie das gar nicht will!"

"USAGI!", rief Ami überrascht.

"Ihr beiden habt was miteinander?", fragte Petzite überrascht, während andere, nicht Eingeweihte, vielsagende Blicke austauschten.

"Nein, wir haben nichts miteinander", sagte Ami. Sie seufzte. "Überhaupt nichts, rein gar nichts."

Usagi wandte sich nun dem dunkelhaarigen Mädchen zu, die Augen immer noch voller Zorn blitzend, aber dann hielt sie inne. "Oh. Du hast Recht."

"Und was soll uns das jetzt sagen? Dass Akira labil ist und vielleicht den Heldentod sucht wegen was?", fragte Petzite.

"Es ist wohl etwas komplizierter als ich dachte", murrte Usagi. "Und wir sollten es dabei belassen. Vorerst. Und was dich angeht, Mister, du wirst hier keinesfalls als Letzter verschwinden! Dich halte ich schön an meiner Seite!"

"Aber ich habe wirklich nicht vor, dass ich..." Iskander stockte. "Was machen wir eigentlich mit denen da draußen? Was, wenn sie mitwollen? Was, wenn sie dort draußen bleiben, wenn der Turm längst leer ist? Was, wenn sie den Turm besetzen und an unserer Stelle den Turm verteidigen?"

Usagi wurde leichenblass. "Daran habe ich ja überhaupt nicht gedacht. Ich dachte, wenn wir weg sind, dann würden sie sich beruhigen. Ich meine, wir können es doch nicht mit der ganzen Welt aufnehmen."

"Und warum nicht?", fragte Akira, und schnippte mit der Linken.

"Weil wir nicht die Möglichkeiten haben! Wir sind nur ein kleiner Staat mit einer kleinen Armee...", begann Usagi.

Iskander klopfte mit der Hand, mit der er Umino festgehalten hatte, auf die Rüstung. "Mit bester Ausrüstung. Drei, vier Dutzend mit unserer Technologie hochgerüstete Exemplare sollten eine herbe Überraschung für jeden GunSuit-Angriff darstellen.

"Also, einen oder zwei können wir vielleicht noch zusammenbauen", sagte Ami, und vermied es, Iskander anzusehen. "Aber wir sind nicht in der Lage, auch nur eine einzige Rüstung aus dem Nichts zu konstruieren. Oder, Gaion?"

"Um einen GunSuit, der nur aus unserer Technologie besteht, zu bauen, brauchen wir auch mit Vorlage etwa zwei Wochen. Der dürfte dann allerdings sehr viel stärker sein als die anderen. Und auch stärker als das Modell, dass Umino gerade trägt."

"Aber wir wissen doch, wo es andere Rüstungen gibt", sagte Akira. "Und davon mal abgesehen besteht unsere kleine Armee aus den mächtigsten Wesen auf der Erde. Wir können vielleicht nicht die ganze Welt erobern, aber wir können uns gegen sie wehren."

"Immer noch eine Scheiß-Idee", kommentierte Usagi. "Aber wir können die Menschen da draußen nicht alleine lassen. Also holen wir uns diese Rüstungen."

"Usagi, das wäre ein kriegerischer Akt!", sagte Mamoru eindringlich.

"Und? Wir haben nicht angefangen! Und überhaupt, ein souveräner Staat attackiert uns ohne Kriegserklärung, das ist wohl die größere Frechheit." Trotzig sah sie Mamoru an.

"Na, dann ist ja alles geklärt. Ich suche schnell Haruka, Michiru und Motoki, und dann gehen wir diese geheime Basis ausheben. Wir brauchen dann ein paar Lastwagen für die eroberten Rüstungen, und... Urgs!"

Mamoru hatte Iskander am Kragen seines Umhangs ergriffen und am Gehen gehindert. "Bevor du deine Kriegspläne verwirklichst und zuschlägst, bevor sie zuschlagen können, mein lieber General, solltest du unbedingt noch auf ein bestimmtes Ereignis warten."

"Du machst mich neugierig. Was ist das für ein Ereignis?"

Mamoru lächelte nur, und es war ein äußerst bedrohliches Lächeln.
 

6.

Die neue Lackierung der Rüstung war der Generalsuniform des SilverMilleniums nachempfunden. Sie gefiel Umino recht gut, obwohl er sich eine weiße Rüstung mit roten Highlights, an die japanische Nationalflagge angelehnt, ebenso gut hätte vorstellen können wie eine Mischung als Gold und Rot.

Die Manövrierfähigkeiten waren hervorragend. Er zog über Tokio dahin, als wäre er ein Falke. Ein ziemlich schneller Falke sogar. Zwar konnte er es nicht mit einem Kampfjet aufnehmen, der mehrfache Schallgeschwindigkeit erreichte, aber einen läppischen Hubschrauber konnte er problemlos überholen. Das hatte er bewiesen, denn natürlich waren Polizeihubschrauber aufgestiegen, kaum dass die Rüstung hatte geortet werden können. Er hatte ein wenig mit ihnen gespielt, die höhere Manövrierfähigkeit der Rüstung ausgenutzt, und war ihnen dann einfach davon geflogen, raus zur Toudai, wo er seinem Projektleiter ein paar unangenehme Fragen stellen würde. Und er würde seine Kollegen mit der unangenehmen Erkenntnis konfrontieren, dass sie Waffen entwickelt hatten und noch immer taten.

Für die letzten fünf Kilometer zur Toudai schraubte er seine Emissionen runter und senkte seinen Flug beinahe auf Erdniveau herab. In lediglich fünf Metern Höhe zog er durch die Straßen. Bei deutlich reduzierter Geschwindigkeit von einhundert Km/H, um keine unnötigen Schäden anzurichten. Dabei wurde er gesehen, und das wollte er ja auch. Ein Lächeln stahl sich auf seine Züge. Vielleicht hätte er Akiras Vorschlag doch annehmen sollen, der Rüstung einen Umhang zu verpassen. Das hätte Stil gehabt. Allerdings wäre der Umhang auch in Gefahr geraten, bei einem plötzlichen unerwarteten Manöver in Brand zu geraten. Und ein halblanger Umhang sah einfach nicht so cool aus wie ein bodenlanger.

Über der Toudai bremste er ab und landete vor seinem Bereichsgebäude. Ein Sicherheitsmann, der zufällig in der Nähe war, kreischte erschrocken auf und richtete seinen Taser auf den Studenten.

"Nur keine Aufregung", sagte Umino und zog seinen Ausweis hervor. "Ich studiere an der Toudai, und in diesem Gebäude arbeite ich."

Misstrauisch beäugte der Mann den Ausweis. "Und was soll diese Rüstung?"

"Seit wann haben wir denn an der Uni eine Kleiderordnung? Ich kann doch anziehen, was immer ich will."

Der Wachmann wurde mutiger, und beharrlicher. "Aber ich kenne solche Rüstungen! Eine hat in Tokio ein Haus durchschossen, und andere haben das SilverMillenium angegriffen."

"Ach, wie witzig, dass Sie das erwähnen." Er zog einen zweiten Ausweis hervor, der ihn als Diplomaten des SilverMilleniums auswies. "Meine Akkredition liegt gerade beim Außenministerium vor. Und was den Angriff angeht, können Sie ja wohl schlecht alle Rüstungen über einen Kamm scheren. Ich habe jedes Recht der Welt, hier zu sein, und es gibt keine Kleiderordnung, die das Tragen von Rüstungen an der Toudai verbietet."

"Aber das Ding ist keine Kleidung, das ist eine Waffe!"

"Wo steht das? Wer hat diese Rüstungen zu Waffen klassifiziert? Ich habe davon jedenfalls nichts mitbekommen. Und solange das der Fall ist, trage ich, was ich will. Guten Tag."

"Gu-guten Tag." Verblüfft sah der Wachmann dem Studenten nach. Das schrie nach einer Meldung an die Zentrale. Und er war sich auch ziemlich sicher, dass eine Feststellung, dass diese Rüstungen Waffen waren, Kriegswaffen womöglich, nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
 

"Wir bauen Waffen!", rief Umino, als er das Labor betrat. "Verdammte Waffen aus der Technologie der Millenier, und Sie wussten es, Professor!"

Langsam drehte sich der Angesprochene in seine Richtung. "Und wie kommen Sie zu dieser interessanten Behauptung, Gurio-kun?"

"Weil ich mich in dieser Waffe befinde, Professor!"

Aufgeregtes Raunen erfüllte den Raum. Seine Kommilitonen, die Doktoranden und Forscher ließen ihre Arbeit liegen und kamen zu ihm.

"Machen Sie sich nicht lächerlich, Gurio-kun. Sie... Okay, Sie stecken wirklich in dieser Waffe. Oder Sie haben sich zuviel mit Cosplay beschäftigt in letzter Zeit. Ein interessanter Anblick, muss ich sagen."

"Es ist eine der Rüstungen vom Angriff auf die Botschaft des SilverMilleniums. Ich konnte einzelne Teile untersuchen und habe dabei eindeutige Beweise für unsere Arbeit gefunden", sagte Umino. "Wir haben Millenier-Technologie erforscht, nachgebaut, und dann die Integration in diese Rüstung ermöglicht. Womöglich haben wir diese ganze Rüstung überhaupt erst ermöglicht. Alleine meine Arbeiten für die Hohlfeldinduktorleitung, die wir patentiert haben, finde ich hier wieder. Für die Waffensysteme. Suzuki, deine Arbeiten für den mehrfachen Panzerschutz wurde auch verwendet."

"Was?", empörte sich der Angesprochene. "Das Patent wurde uns vor einem halben Jahr erteilt!"

"Und das war noch nicht alles. Sämtliche Arbeiten, die wir jemals erfolgreich durchgeführt haben, sind hier eingeflossen. Und ich wette, diverse andere Hochschulen und Universitäten wie das MIT haben ihren Teil dazu beigetragen, die anderen Baugruppen zu erstellen!"

"Mit anderen Worten", meldete sich ein anderer Forscher zu Wort, "wir wurden beklaut."

"Unser Auftraggeber hat die von uns entwickelten Erkenntnisse und Patente ohne unser Wissen verwendet, und damit Waffen erschaffen, während wir eine friedliche Nutzung vorhatten", bestätigte Umino. "Aber das Schlimmste ist, dass diese Waffen schon eingesetzt wurden, gegen das SilverMillenium, gegen SailorMoon!"

Das ließ die Forscher wütend aufraunen. Die Meisten hier waren Fans der Mondprinzessin.

"Wir haben also nicht nur ganz eng ausgelegt Industriespionage betrieben, wir haben auch geholfen, eine Waffe zu konstruieren, die einzig und alleine dafür erschaffen wurde, um SailorKrieger zu töten. Ich muss schon sagen, wir waren ein ganz schön naiver Haufen."

"Ich würde eher sagen, Sie wurden geschickt getäuscht, denn die Baugruppen waren so ausgewählt, dass ein direkter Zusammenhang zu Waffenentwicklung nicht gezogen werden kann. Eigentlich." Der Professor trat interessiert näher. "Modifikationen mit Originaltechnologie der Millenier?"

"Ein paar. Ich konnte bei ihnen aus dem Vollen schöpfen", sagte Umino.

"Warum steigen Sie nicht aus der Rüstung aus, und wir sehen uns Ihre Arbeiten mal genauer an? Ich bin sicher, unser Auftraggeber wird unsere fürstliche Bezahlung noch weiter aufstocken. Zahlungen, von denen auch Sie profitiert haben, Gurio-kun."

"Nein, ich bleibe in der Rüstung. Ich werde mich nicht weiter daran beteiligen, dass Waffen gegen das SilverMillenium gebaut werden."

Zustimmendes Raunen wurde laut.

"Ach, wachen Sie doch auf, Gurio-kun. Ihre Metawesen, Ihre SailorKrieger stören das Gleichgewicht der Mächte in der Welt. Es war klar, dass die großen Staaten diese Gefahr begreifen und entsprechend handeln würden. Wir konnten gar nicht anders, als dabei zu helfen, denn wer sind wir, wenn wir uns gegen die ganze Welt stellen? Dann ist es besser, gemeinsam zu profitieren. Und letztendlich können wir unsere Patente immer noch im zivilen Bereich nutzen. Hinterher. Nach der Zerstörung der Botschaft."

"Sie sind zynisch, Herr Professor. Ich denke, ich habe hier genug gehört. Ich werde nicht mehr zurückkehren, ob mit oder ohne Rüstung." Umino wandte sich ab.

"Moment, nicht so schnell, Gurio-kun. Sie können gehen, aber die Rüstung bleibt hier. Oder wem, glauben Sie, gehört sie wohl?"

"Ihnen bestimmt nicht", entgegnete Umino frustriert. "Ich habe Ihnen vertraut, an Sie geglaubt... Und so hintergehen Sie mich, hintergehen Sie uns alle. Ich bin enttäuscht."

"Damit kann ich leben. Und was die Rüstung angeht, denken Sie doch hoffentlich nicht, dass Sie eine Wahl haben, Gurio-kun?" Der Professor richtete einen Gegenstand auf Umino und aktivierte ihn. "So, jetzt sollte sie stillgelegt sein. Im Nacken muss es eine Vorrichtung geben, um die Rüstung zu öffnen. Beeilen Sie sich, sie ist luftdicht, und Gurio-kun könnte uns ersticken." Er sah seine zögernden Helfer an. "Nun machen Sie schon! Er muss ja nicht auch noch sterben, bei diesem ganzen Wahnsinn!"

"Ich denke, ich werde hier mit der Rüstung raus gehen", sagte Umino und wandte sich um. "Was Ihr Spielzeug angeht, Professor, was meinen Sie, was ich zuerst gesucht habe, als ich erkannt habe, was wir hier wirklich getan haben? Ich habe die Ferndeaktivierung ausgehebelt. War relativ einfach, wenn man weiß, wonach man suchen muss. Entschuldigen Sie mich, jetzt wo ich die Hintergründe kenne und meinem Ärger Luft gemacht habe, muss ich zur Botschaft zurückkehren."
 

Es hätte keiner dreihundert Kilo schweren Rüstung bedurft, um Uminos Entrüstung durch schwere Schritte zu untermalen. Zurück ließ er eine Horde laut diskutierender Forscher und einen Professor, der amüsiert feststellte, dass die Karten in diesem Spiel, die er sicher verteilt glaubte, doch ein wenig anders gemischt sein mussten. Die nächste gezogene Karte würde jedenfalls eine große Überraschung bringen. Gurio-kun war jedenfalls eine erhebliche Überraschung für ihn gewesen. Nie hätte er gedacht, dass in ihm ein Kämpfer steckte.

"Herr Professor, wir...", sagte jemand.

"Ich nehme es niemandem übel, wenn er Gurio-kun unterstützt oder ihm folgt, körperlich oder ideell", sagte er und sah in die Runde seiner Mitarbeiter. "Aber jedem von Ihnen muss klar sein, was ihn erwartet, was das SilverMillenium erwartet. Sie haben zu tiefe Einsichten in die von uns erforschte Technologie, als dass Sie nicht wüssten, was passieren kann. Und es wahrscheinlich auch wird. Die Welt hat eine neue Waffe und wird sie auch einsetzen. Bedenken Sie das bei Ihrer Entscheidung, ob Sie sich freiwillig in den Wirkungsbereich dieser Waffe begeben."

Ein Teil seiner Leute verließ den Raum, einige blieben, einer machte den Fernseher an, auf dem die Toudai zu sehen war, Gurio-kun in seiner Rüstung und weitere herbei eilende Medienvertreter. Der Rüstungsträger entzog sich ihnen, indem er einfach davon flog.

Die nächsten Tage würden gewiss alles sein, nur nicht uninteressant.

***

Eines musste Akira seinem Alter Ego Iskander lassen: der alte Bursche wusste, wie man eine Schlacht plante. Woher der Steinzeitritter aber die Vorgehensweise moderner Kommandounternehmen kannte, war ihm schleierhaft. Er selbst verfügte nicht über diese Kenntnisse, er war auch stets nur gegen Wesen mit ähnlichen Kräften wie den seinen vorgegangen. Also musste dieses Wissen auf Iskander beruhen, dem Kern seiner Persönlichkeit. Aber er nahm zu Recht an, dass auch Jahrtausende alte Militärstrategien mitunter anschleichen, nicht entdeckt werden und gemeinsam zuschlagen beinhaltet haben mussten.

Also drückte er sich mit Haruka und Michiru hier an eine Hauswand, während Ami im Kommandowagen in das Computernetzwerk des Gebäudes einbrach und die Alarm-, und Kamerasysteme manipulierte.

Nette Neuerungen, die es vor zwanzigtausend Jahren sicher noch nicht gegeben hatte, und auf die sie bisher verzichtet hatten, waren der selbstklebende Knopf mit Bonefone auf seinem Wangenknochen, und das Kehlkopfmikrofon. Beides ermöglichte ihm und den anderen Kriegern des SilverMilleniums eine nahezu lautlose Kommunikation und Koordinierung, solange ihre Frequenzen nicht entdeckt und abgehört wurden. Selbst wenn ihre Gegner die Verschlüsselung nicht knacken konnten, würde emsiger Funkverkehr auf unüblichen Frequenzen in direkter Nähe einen guten Soldaten alarmieren. Und dann adé, schöner Überraschungsangriff.

"Umino hat ganz schönen Wirbel an der Toudai ausgelöst", meldete Ami, die auch die Position als Kommunikationsspezialistin übernommen hatte. "Alle Sender berichten darüber. Und deshalb werden wohl auch viele Usagis Rede live übertragen, die sie angekündigt hat."

Akira drückte den Knopf am Kehlkopf und raunte leise. Für Ami aber kamen seine Worte laut und verständlich an. "Schalte uns mit drauf, wenn sie anfängt. Wegen dem exakten Zeitpunkt."

"Verstanden. Das wird eine ganz schöne Überraschung für Japan werden."

"Das wird eine ganz schöne Überraschung für die Welt werden", meldete sich Juichiro zu Wort, der ebenfalls das Gebäude infiltriert hatte. Bei ihm waren Rei und Kermesite. Insgesamt waren sie zwölf.

"Darauf kannst du Gift nehmen", kommentierte Akira.

"Sie beginnt jetzt", meldete Ami. "Ich schalte euch drauf, damit Ihr rechtzeitig zuschlagen könnt."

"Danke."
 

Übergangslos war Usagis Stimme zu hören. Akira stellte sich vor, wie es rund um sie nun aussah, wie sie in einem ihrer Prinzessinenkleider, die sie des Effekts wegen in letzter Zeit immer häufiger trug, auf dem improvisierten Podium vor dem Haupttor der Botschaft stand, und zu den erschienenen Pressevertretern sprach, neben sich die drei Starlights, Mamoru und Minako, die Berühmtesten aus ihrer Gruppe. Es musste ein toller Effekt sein, und die rund zweihunderttausend Menschen waren nicht umsonst gekommen.

Die Hintergrundgeräusche wurden leiser. Augenscheinlich bat Usagi um Ruhe, mit einer ihrer sanften Gesten. Schließlich war da nicht mehr als das Raunen, das ein Bach verursachte, der über ein paar Steinchen floss, die kaum aus dem Wasser ragten.

"Ich begrüße an diesem wunderschönen Tag die Menschen von Tokio, die gekommen sind, um uns zu unterstützen, die Vertreter der Presse und der Polizei von Tokio. Es freut mich, dass Sie sich alle bei uns eingefunden haben. Leider habe ich keine guten Nachrichten für Sie alle. Wie Sie alle wissen, wurden wir letzte Nacht angegriffen."

Wütendes Raunen klang auf. Vereinzelt rief jemand aufmunternde Worte.

"Ich habe unwiderlegbare Beweise, dass es mit dem Angriff nicht vorbei ist. Nein, just in diesem Moment wird eine Anzahl von gut einhundert Rüstungen bereit gemacht, um die Botschaft des SilverMilleniums anzugreifen. Dies ist nicht die Tat einer Gruppe von Terroristen oder Einzeltätern, sondern die Handlung der japanischen Regierung."

Entsetzte Rufe gellten auf, die Menschenstimmen rauschten wie ein unruhiger Sturm im Wald.

Wieder wurde es leiser, als sie um Ruhe bat.

"Doch das ist noch nicht alles. Wir wissen mit absoluter Sicherheit, dass sich auch andere Staaten der Erde auf den Kampf mit diesen Rüstungen, sogenannten GunSuits, vorbereiten. Sie wurden einzig dazu konstruiert, um SailorKrieger zu töten. Uns zu töten. Und wenn die japanische Regierung es nicht vollbringt, dann werden die anderen kommen und das Werk vollenden. Und wenn die GunSuits es nicht schaffen, dann wird man eben zu Atombomben greifen. Wir sind recht gut über die verschiedenen Szenarien informiert, welche die gegen uns verbündeten Kräfte simulieren."

Erneut wurde es laut, richtig laut. Es dauerte eine geschlagene Minute, bevor Usagi weiter sprach. "Die Technologie, auf der der GunSuit beruht, ist vom SilverMillenium gestohlen worden. Wäre sie eingesetzt worden, um der Menschheit zu helfen, hätten wir darüber hinweg gesehen. Aber sie wurde benutzt, um Waffen herzustellen, Waffen, die uns auslöschen sollen, die wir als Einzige zu mächtig für reguläre Waffen sind. Und diese Waffen werden bald von vielen Ländern oder auch nur gegen sie eingesetzt werden. Die Welt befindet sich im Umbruch, und dieser Umbruch ist Gewalt."

Sie machte eine Pause, obwohl die Menschen nicht lauter geworden waren.

"Wir wussten, hier im SilverMillenium, dass unsere Technologie auch zu Waffen pervertiert werden kann, deshalb haben wir sehr genau darauf geachtet, was wir weitergeben, und an wen wir es weiter geben. Unsere medizinische Hochtechnologie steht mittlerweile allen Ländern der Erde zur Verfügung, und wir arbeiten an der Ausrottung epidemischer Krankheiten. Unsere Energieerzeugungssysteme werden in wenigen Jahren konventionelle Kraftwerke komplett ersetzen und der Menschheit Unabhängigkeit von neuen Energieressourcen für die nächsten einhundert Jahre bescheren. Unsere Ingenieurskunst wird den Bau von Fahrzeugen und Flugzeugen revolutionieren. Dies sind alles Dinge, die wir der Menschheit geschenkt haben. Doch niemals wollten wir Waffen weiter geben, weil Waffen töten und zerstören, und das ist nicht Zweck und Ziel des SilverMilleniums. Das war es nie."

Jubel klang auf, untermalt von begeistertem Applaus.

"Uns bleiben nun nur noch zwei Möglichkeiten. Nummer eins bedeutet, dass wir uns komplett von der Erde zurückziehen, die Passage zum Mond verschließen, unsere Botschaft aufgeben und fortan nur noch im SilverMillenium leben."

Diese versteckte Androhung hatte viele enttäuschte Zwischenrufe und erschrockene Laute aus der Menge zur Folge.

"Aber auch dann wären wir immer noch da, und mit unserer Technologie, die die Menschheit schon besitzt, würde sie in der Lage sein, uns auf den Mond zu folgen. Nicht mit einem kleinen Raumschiff wie Apollo 11, sondern mit einer Flotte, einer Armada aus Kampfeinheiten. Wir würden mit unserer Flucht lediglich Zeit erkaufen. Und das kann nicht die Lösung sein."

"Jetzt kommt es, Leute! Bereit halten!", zischte ich.

"Deshalb wählen wir Möglichkeit zwei. Um uns zu schützen, um die Menschheit zu schützen, kann ich nicht anders handeln. Ich erkläre hiermit, dass sich das SilverMillenium wegen der gewalttätigen Übergriffe auf unser autonomes Territorium und unsere Streitkräfte ab sofort im Krieg mit Japan befindet."
 

"Jetzt!", blaffte Akira, umklammerte den Zeigestab fester und drückte die Spitze auf den Fußboden. Er malte einen Halbmeterkreis hinein, und kurz darauf fiel der runde Brocken Fußboden in die Tiefgarage unter ihnen. Usagi sprach weiter, aber er hörte nur noch mit einem Ohr zu. Völkerrechtlich waren sie jetzt auf der sicheren Seite, im Krieg mit Japan, das zuerst angegriffen hatte.
 

"Dieser Krieg wird andauern, bis Japans Möglichkeiten, GunSuits zu betreuen, zu bemannen und zu versorgen, vernichtet sind, oder es sich ergibt."
 

Akira sprang in die Tiefe hinab, dicht gefolgt von den Mädchen. Wie Luna berichtet hatte, waren die Rüstungen eine Etage tiefer zu finden. Hier campierten die neuen Piloten in ihren Containern.

"Was zum...", rief ein Mann in grünem Fleckentarn, bevor der General ihn mit einer nebensächlichen Handbewegung in eine größere Gruppe schleuderte. Schnell schnitt er im Fußboden einen zweiten Kreis aus.

"Oder sich ergibt?", fragte Jedithe. "Das meint sie doch nicht ernst, unsere Usagi?"

"War Mamorus Idee", erwiderte Akira. "Er sagte, man solle immer einen Notfallplan haben. So, wir brechen auf Ebene zwei durch!"

"Wir sind auch gleich drin", meldete Juichiro.

"Ebenso", kam es von Karmesite.
 

"Ich versichere Ihnen, Ihnen allen, dass uns hier im SilverMillenium diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist. Und ich verspreche Ihnen, dass wir dies vor allem tun, damit wir Sie alle beschützen können, indem wir zuerst zuschlagen und die Bedrohung durch die GunSuits beenden. Ich verspreche Ihnen, dass wir nicht vorhaben, die Infrastrukturen Japans zu zerstören, dass wir keine Zivilgebäude attackieren, dass wir Menschenleben schonen, wo immer es uns möglich ist!"
 

"Schöne Rede", murmelte Motoki.

"Was soll ich sagen? Du hast geholfen sie auszuarbeiten", lachte Rose.

Kugeln flogen auf sie zu, prasselten auf Iskanders Uniform ein und blieben als plattgequetschte Fladen darauf zurück. Das hatte Ähnlichkeit mit dem Scharfschützen von gestern, der Iskander an der Stirn erwischt hatte. Und das stimmte ihn nicht gerade freundlicher. Er bewegte den Zeigestab, der die Ausmaße einer Pike annahm, über acht Meter lang, und wischte die drei Schützen, die mit Uzis auf die kleine Gruppe schossen, von den Beinen.

"Ich kann die GunSuits sehen!", rief Juichiro aufgeregt. "Sie werden gerade bemannt!"

"Fixe Bande hier! Wir sind auch bald da!"

"Einer ist aktiv!", rief Haruka. "Ich greife an!"

"Wir geben Rückendeckung!", rief Akira Michiru zu.

"Schon klar, großer furchtloser General", spöttelte sie. Wir klärten die Flanken, die hauptsächlich aus Büros und Wohncontainern bestanden.
 

"Unser Ziel ist nicht Tod und Zerstörung, sondern ebendiese zu verhindern. Wir können es niemandem erlauben, unsere Leute permanent mit dem Tod zu bedrohen, aktiv unsere Vernichtung zu betreiben, wenn wir etwas Einfaches tun können, um es ein für allemal zu unterbinden: Ihnen unsere Technologie wieder wegzunehmen. Gerade in diesem Moment sprengen Einsatzkräfte des SilverMilleniums das geheime Lager der GunSuits und vernichten Japans Möglichkeit, auf diese Weise Krieg gegen uns zu führen. Und so werden wir auch mit jedem anderen Land der Erde verfahren, das uns auf diese perfide Art attackiert."
 

"Uranus, flieg!" Eine Energiekugel verließ Harukas rechte Faust und schoss auf den GunSuit zu, der gerade erst zur Gruppe herumfuhr, den Arm mit der Hauptwaffe auf sie ausgerichtet. Er verschwand in einer Explosion reiner Energie und fiel als geschwärztes Elend hintenüber. "Ups, das war wohl etwas zu stark", entschuldigte sich Haruka.

"Später!", rief Akira und eilte auf das Büro der Direktorin zu. Wenn sie Douglas in die Hand bekamen, war das ein wichtiger Teilschritt zum Sieg. Und der Auftakt zum zweitkürzesten Krieg aller Zeiten.

"Wo sind wir denn hier rein geraten?", klang Karmesites erstaunte Stimme auf. "Lauter Kerle in Tank Tops! Nein, das halte ich für keine gute... Nein! Nein! So, das hast du jetzt davon! Iskander, die werden aufdringlich mit ihrem Karate!"

"Dann zeigt denen mal, wozu drei der vier Ayakashi-Schwestern fähig sind, auch ohne ihre Fähigkeiten zu strapazieren."

"Kommt Ihr denn bei den Rüstungen alleine klar?"

Juichiro meldete sich. "Wir sind da und übernehmen die Sicherung. Iskander, wenn du uns Michiru oder Haruka schicken kannst, um uns zu helfen, bis Tomoki auch da ist..."

"Geht beide", befahl er. Die Mädchen nickten und verschwanden, als hätte es sie nie gegeben, nur um mehrere Dutzend Meter entfernt wieder aufzutauchen, in Reichweite der unbemannten GunSuits.

"Danke schön", klang Karmesites fröhliche Stimme auf.
 

"Unser Ziel ist nur unsere eigenen Technologie. Wir sind verpflichtet, sie der Menschheit wieder zu entziehen, was die GunSuits betrifft. Wir können uns auch dann keinesfalls zurücklehnen, wenn mit ihrer Hilfe Krieg gegen andere Länder geführt wird, wir aber nicht betroffen sind. Nein, das können wir nicht. Wir nehmen der Welt die Möglichkeit, GunSuits herzustellen. Wir beenden den Missbrauch unserer Technologie."
 

Akira machte sich nicht Mühe, die Tür zum Büro von Direktorin Douglas zu öffnen. Er brach einfach hindurch.

"Was hat das zu bedeuten?", blaffte die Frau hinter dem Schreibtisch. "Wer sind Sie?"

Er schlug seinen Zeigestab, der diesmal die Größe eines Floretts hatte, krachend auf den Tisch. "Ich bin hier, um Ihnen zu gratulieren, Direktorin Douglas. Sie sind offiziell die erste Kriegsgefangene in unserem Krieg. Zudem inhaftiere ich Sie wegen Kriegsverbrechen gegen das SilverMillenium."

"Das... Das ist doch ein starkes Stück! Wie können Sie nur...?"

Akira musste einen Lachanfall unterdrücken. "Ja, haben Sie überhaupt nicht damit gerechnet, dass wir zurückschlagen würden?"

Die Amerikanerin sah ihn so entsetzt und verwirrt an, dass er doch lachen musste. "Oh, vielleicht haben Sie wirklich nicht damit gerechnet."

Oder hier hatte man eine zufällig vorbei streunende schwarze Katze vollkommen unterschätzt.

Er kam um den Schreibtisch herum und ergriff sie unter der rechten Achsel. "Kommen Sie, die Botschaft wartet."

Aus nächster Nähe richtete die Frau eine Pistole auf ihn, drückte sie auf seinen Bauch und schoss mehrfach. Einem Menschen hätte diese Aktion die Eingeweide püriert. Aber keinen General des SilverMilleniums in Kampfrüstung. Er nahm ihr die Waffe aus der Hand und brach ihr damit wohl den rechten Zeigefinger. Zumindest verstauchte er ihn ihr. Dann bog er mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger den Lauf durch, bis er riss. Die nutzlose Pistole warf er achtlos fort.

"Haben Sie jetzt auch nur ansatzweise kapiert, mit wem Sie es zu tun haben? Haben Sie nun eine Ahnung davon, wer wir sind, was wir leisten können, und wie dumm es war, uns sauer zu machen? Nein? Habe ich auch nicht erwartet."

Akira zerrte die Frau hoch. Sie leistete keinen Widerstand. "Pyramon, schick die Verhaftungstruppen rein. Douglas ist in unserer Hand. Die Rüstungen sind sicher?"

"Sicher", bestätigte Juichiro.

"Gut, schick sie rein, Pyramon. Hat jemand Kenichiro Kano erwischt?"

"Sie brauchen nicht nach mir suchen zu lassen", sagte der Japaner ruhig, als er zur Tür herein kam. "Ich stelle mich selbst."

"Streicht Kano von der Liste. Ich denke, wir können aufräumen, sobald der letzte Widerstand gebrochen ist. Ami, gib Usagi Bescheid."

"Habe ich schon, als Juichiro bestätigt hat."

Akira lauschte auf seinen Knopf. Dort nahm Usagi ihre Rede wieder auf.
 

"Wie mir gerade mitgeteilt wurde, haben die Einsatzkräfte des SilverMilleniums den Stützpunkt der GunSuits erobert und alle Anwesenden festgesetzt. Wir werden die Waffen evakuieren und die Kriegsgefangenen auf das Gelände der Botschaft bringen. Über ihr weiteres Schicksal werden Verhandlungen entscheiden - es wird aber in keinem Fall der Tod sein, egal was sie planten, egal was sie ausführten. Das SilverMillenium ist eine zivilisierte Instanz."
 

Akira grinste. Damit unterstellte sie der japanischen Regierung, keine zu sein.

Im Hintergrund öffneten sich die Tore, um gut einhundert millenische Soldaten einzulassen, die bei den weiteren Verhaftungen und dem Abtransport der Rüstungen helfen würden. Der Kampflärm war nun auch verstummt. Akira ging mit Direktorin Douglas zu Kano und hielt ihm ihren Arm hin. "Hier, Sie passen auf sie auf."

Verdutzt griff der Mann zu. "Warum ich?"

"Weil Sie das vermutlich schon die ganze Zeit tun wollten", erwiderte Akira grinsend.
 

"Deshalb erkläre ich hiermit einen einseitigen Waffenstillstand des SilverMilleniums, der ab sofort gilt. All unsere Anstrengungen dienten nur dazu, unsere eigene Technologie zu bergen und die Verantwortlichen zu ergreifen. Wir wünschen keinen Waffengang mit den Selbstverteidigungsstreitkräften, sind aber dazu bereit."
 

"Der zweitkürzeste Krieg aller Zeiten", sagte Akira. "Hoffentlich."

"Welches war der kürzeste?", hakte Haruka nach.

"Oh, das war als sich Key West von den USA abgespaltet hat, den Krieg erklärte, sich sofort wieder ergab und von Washington eine Milliarde Dollar für die Beseitigung der Kriegsschäden einforderte."

Heiseres Lachen erklang. "Das kann auch nur den Amerikanern einfallen. Du nimmst mich doch hoch, oder?"

"Nein, Haruka, die Geschichte ist wirklich passiert", erklärte Michiru. "Es ging wohl ursprünglich um eine Autobahnmaut, die den Tourismus behinderte."

"Die spinnen, die Amerikaner."

Akira bedeutete Kano, zu den Milleniern zu gehen, die nach und nach das ganze Stockwerk sicherten. Die Tore wurden nun ganz geöffnet, um die Transporter einzulassen, welche die Rüstungen abholen würden. In der letzten Besprechung hatten sie sich darauf geeinigt, zwanzig von ihnen hoch zu rüsten und unter ein gemeinsames Kommando in Dienst zu stellen. Nun brauchte das SilverMillenium also nur noch Menschen, die nicht so mächtig waren wie ihre stärkeren Krieger und auf die Rüstung angewiesen waren.
 

"In diesem Moment landet, wie Sie sehen können, Umino Gurio, Student der Toudai, der unwissentlich an Komponenten der Rüstung mitgearbeitet hat. Wir haben die Rüstung aufgepeppt und planen dies auch bei weiteren GunSuits. Mit ihnen erreichen wir eine Mobilität und Flexibilität, die es uns erlaubt, sogar Raketen mit Kernwaffenbestückung abzufangen. Sie sehen, die regulären Streitkräfte der Selbstverteidigungsstreitkräfte könnten sich nicht mal auf Raketen oder Jet-Angriffe verlassen. Wir sind gegen jede Form der Gewalt gegen das SilverMillenium vorbereitet. Ich danke Ihnen. Ich danke Ihnen allen. Und möge der Tag vorüber gehen, ohne das wir im Krieg sind."

Vereinzelt hörte man ungläubige Rufe, die wissen wollten, ob das mit dem Krieg tatsächlich ernst war. Wesentlich größer aber waren die Sprechchöre, die den Namen SilverMillenium skandierten.
 

"Ich nehme uns wieder runter", verkündete Ami. "Mehr wird nicht passieren, bevor Ihr nicht an der Botschaft seid. Unsere Technologie verhindert ohnehin einen Flieger-, oder Raketenangriff auf die Botschaft."

"Auf die Botschaft schon", klang Juichiros Stimme auf. "Aber einen Angriff auf Japan?"

"Das hättest du besser nicht sagen sollen", murrte Akira. Er winkte einen Fünfertrupp Millenier-Miliz zu sich heran. "Die Frau in Handschellen. Der Mann bleibt auf Ehrenwort ungefesselt."

"Verstanden, General."

"Auf Ehrenwort?", fragte Kano erstaunt.

"Es taugt doch was, Ihr Ehrenwort?"

Wortlos hielt Kano ihm beide Hände hin.

Akira lachte auf und klopfte dem Mann auf die Schulter. "Keine Handschellen für ihn. Bringt beide mit dem ersten Transport zurück zur Botschaft."

"Ja, General."

"Ab hier wird es unruhig, schätze ich", murmelte Akira ins aktivierte Kehlkopfmikrofon.

"Was zu erwarten war", antwortete Motoki. "Also alles wie immer."
 

Akira grinste. Solange sie die Situation noch mit Humor sehen konnten, war es eigentlich nicht so schlimm. Das würde es erst noch werden.

Er ging zu den Rüstungen herüber. Zwanzig von ihnen waren fliegende Exemplare, das erkannte er auf den ersten Blick. Diese würden sie umbauen und mit Freiwilligen bemannen, zum Beispiel Milleniern, die nicht viel mächtiger als normale Menschen waren.

Vor ihm wurden Gefangene abgeführt. Einige waren reichlich lädiert, unter ihnen eine blonde Frau mit einer zerrissenen Army-Jacke, auf der die Sergeants-Keile auf der linken Brust zu erkennen war.

Ein anderer, nur mit Hose und Tank Top bekleidet, ein Asiat, entwand sich seinen Bewachern und stand dann direkt vor Akira.

"Ich kenne Sie", stellte der ehemalige General fest. Die Wachen, die ihn zurückziehen wollten, beschwichtigte Akira mit einem Kopfschütteln.

"Ja, Sie kennen mich. Ich bin Agent Ayoka, eigentlich Major des US Marine Corps, abgestellt für diese Sonderaufgabe. Ich sage Ihnen das, damit Sie eine Ahnung haben, worauf Sie sich eingelassen haben."

"Danke. Das haben wir zwar schon gewusst, aber eine Bestätigung ist immer gut. Keine Sorge, Sie werden gut behandelt und später repatriiert werden, Ayoka."

"Darum mache ich mir keinen Kopf. Es ist nur, dass..." Übergangslos verbeugte er sich vor Akira. "Haben Sie vielen Dank, dass Sie vorgestern meine Rüstung aufgeschnitten haben, als ich zu ersticken drohte."

"Oh, ja, jetzt fällt mir das wieder ein. Sie waren das. Und Sie waren wohl auch bei der Attacke auf die Botschaft beteiligt. Unter dem Deckmantel von Hochtechnologie-Terrorismus, aber mit der Erlaubnis Japans."

"Nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch. Japan hatte nicht gerade eine Wahl, was Ihnen Douglas bestätigen wird." Er richtete sich wieder auf. "Ich hatte meine Befehle. Aber ich erwarte nicht, dass Sie das verstehen."

"Oh, das kapiere ich schon. Ich... In einem früheren Leben war ich Soldat. Was ich nicht verstehe ist, dass Sie so sehr gegen Ihr Gewissen haben handeln können, Ayoka. Ja, schauen Sie nicht so ungläubig. Ihre Augen verraten Sie."

"I-ich..." Sprachlos verneigte er sich erneut. Dann ließ Akira ihn auch abführen.

Nun würde der eigentliche Spaß los gehen. Würde Japan akzeptieren, dass es nicht mehr der größte Junge auf diesem Spielplatz war? Und wie würden sich die Amerikaner verhalten, die auf den Inseln Japans auf US-Stützpunkten stationiert waren? Legte man sich mit Japan an, legte man sich auch mit den USA an. Die nächsten Stunden würden verdammt interessant sein. Und sie würden darüber entscheiden, ob man das Seelenschiff nicht doch besser wieder flott machen sollte, um die Menschheit hinter sich zu lassen.

***

Etwas bleich starrte Staatssekretär Hideyoshi den Fernseher an, auf dem die Live-Übertragung von der Botschaft gezeigt wurde. Nicht nur er war bleich, auch die anderen Stabsmitarbeiter sahen sich schockiert um. "Wie ernst können wir das nehmen? Wie ernst müssen wir das nehmen?", fragte er mit tonloser Stimme. "Ich meine, die Millenier sind eine Nation auf dem Mond, nur ein paar tausend Leute stark, und ihre Botschaft hier auf der Erde ist protzig, aber das einzige Gebäude dieser Art. Was bedeutet eine Kriegserklärung von so wenigen Menschen?"

Takehito Iori, Premierminister Japans, brummte unwillig. "Hören Sie auf, die Millenier als etwas darzustellen, was sie nicht sind, Hideyoshi! Ihre Existenz war Grund genug für alle großen Nationen der Erde, um zusammen zu arbeiten und ihre Vernichtung anzustreben. Und jetzt sollen wir sie nicht ernst nehmen, nachdem sie aller Welt verraten haben, wer hinter den Angriffen auf sie steckt?"

"Ich meine ja nur, dass...", begann der Staatssekretär.

"Herr Premierminister", rief Kuno, sein Stabschef, "die Millenier sind tatsächlich gegen die GunSuits vorgegangen! Sie haben den Stützpunkt im Handstreich genommen und alle Anwesenden verhaftet! In diesem Moment fahren auf das Silvermillenium zugelassene Lastwagen vor, um die Rüstungen und die Gefangenen fortzuschaffen!"

"Aber das ist Bruch von Völkerrecht", stammelte Hideyoshi. "Sie können nicht einfach Leute fortschaffen, wie es ihnen beliebt."

"Das hätten Sie wohl gerne, was?", blaffte Iori. "Serenity hat eine Kriegserklärung ausgesprochen, und kurz darauf haben ihre Leute zugeschlagen. Als sie fertig waren, hat sie uns den Schwarzen Peter zugeschoben, indem sie einen einseitigen Waffenstillstand verkündet hat. Was meinen Sie wird passieren, wenn wir den nicht annehmen und den Abzug ihrer Leute behindern? Die Menschen sind ohnehin auf ihrer Seite, waren es schon immer. Wenn wir uns in die Rolle von Aggressoren drängen lassen, dann haben wir im schlimmsten Fall einen Volksaufstand!" Missmutig sah er seine Sekretärin an. "Rufen Sie Superintendent General Matsumoto an, und sagen Sie ihm unmissverständlich, dass er die Millenier bei ihrem Rückzug auf gar keinen Fall behindern soll!"

"Ja-jawohl."

"Warum sollten wir nicht...", fragte jemand leise aus der Menge.

"Alle hier kennen das Video des Angriffs von letzter Nacht, haben gesehen welche Kräfte diese Leute haben. Nun stellen Sie sich vor, wir nehmen den Waffenstillstand nicht an, und die Polizei legt sich mit ihnen an. Können Sie sich ein größeres Desaster vorstellen? Und verantwortlich waren wir, weil sich das SilverMillenium nur verteidigt hat, mit einem kleinen, chirurgischen Schnitt, von dem selbst das amerikanische Militär nur zu träumen wagt. Nein, wir dürfen hier nicht die Nerven verlieren."
 

"Herr Premierminister!", rief Untersekretär Nagato, als er ins Büro gestürmt kam. "Die US Air Force hat von Yokota Air Base soeben zwei Rotten F-16 gestartet! Eine Rotte A-10 steht schon bereit, um ebenfalls zu starten! Auf unsere Anfrage wurde uns von General Young erklärt, er hätte Befehl, Japan in diesem Krieg beizustehen und einen Entlastungsangriff auf die Botschaft der Millenier zu führen!"

Er atmete heftig ein und aus. "Es befinden sich vierhunderttausend Menschen rund um die Botschaft!"

Iori, der anfangs bleich geworden war, sah nun grimmig drein. "Nun gut, Serenity. Du hast gesagt, Ihr seid auf konventionelle Angriffe eingestellt. Jetzt wird es interessant."

"Wir sollen sie nicht stoppen?", fragte Nagato.

"Wenn Sie wissen wie, nur raus damit", knurrte der Premierminister. "Wenn nicht, sollten wir uns zurücklehnen und schauen was das SilverMillenium wirklich drauf hat. Geben Sie die Information an die Medien vor Ort weiter. Ich will, dass es Aufnahmen vom Angriff gibt. Live-Aufnahmen."

"Ja, Herr Ministerpräsident!"

***

Die vier F-16 stiegen gleich nach dem Start auf dreihundert Meter auf. Sie machten einen Schwenk über Backbord von einhundertsiebzig Grad und hielten auf den Großraum Tokio zu. In der Ferne war schon bald die Spitze des Turms zu erkennen, in dem die Botschaft des SilverMilleniums residierte. Im Volksmund und auch auf der Basis wurde sie nur Serenitys Palast genannt.

Angeführt wurde der Einsatz von Captain Tobias Topper Cartland.

"Entfernung zum Ziel sechsundzwanzig Kilometer", meldete sein Bordschütze, Lieutenant Donovan Sparks Callahan. "Und es ist eine verdammte Schande, was wir hier machen, Topper!"

"Falls es dich tröstet, es ist eher unwahrscheinlich, dass die Trümmer des Turms auf die Zivilisten fallen werden", erwiderte Cartland sarkastisch.

"Du weißt genau was ich meine! Alles, was das Mädchen tut, ist Frieden in der Welt stiften und großartige Technologien für alle zu verteilen, und was tun wir jetzt? Wir beschießen sie dafür!"

"Wir beschießen sie dafür, dass sie Japan den Krieg erklärt hat, und eine kriegerische Handlung ausführen ließ, und nichts anderes. Sobald ihr kostbarer Turm mit der Mondverbindung ein paar Schäden einstecken musste, wird sie sich das mit dem Krieg zweimal überlegen. Beim nächsten Mal."

"Es wird kein nächstes Mal geben, und das weißt du! Unsere Bonzen werden schon dafür sorgen, dass..."

"Himmelherrgott, nochmal, Sparks, kannst du dich eigentlich selbst noch hören? Du jammerst wie ein Kind! Wir haben unseren Einsatzbefehl, Basta! Und wenn wir unsere Sache gut machen, werden sie die Warzenschweine nicht hoch schicken! Du weißt was eine A-10 mit einem Bodenziel anstellt! Das Mädchen kriegt einen Schreck, das SilverMillenium ergibt sich, und alle sind zufrieden! Ohne, dass jemand sterben musste!"

"Ja, das glaubst du doch selbst nicht", murrte Sparks. "Siebzehn Kilometer."

"Okay, es wird Zeit. Staffel, hergehört. Wir gehen bis auf vier Kilometer ran, dann feuern wir je eine Salve Mavericks auf die Botschaft. Anschließend drehen wir ab und kreisen, bis wir weitere Befehle bekommen. Copy?"

"Roger." "Roger." "Roger. Aber unter Protest."

"Registriert, Mac. Schaltet die Zielerfassung auf."

"Entfernung acht Kilometer. Erfasse Zielgebiet. Es bleibt trotzdem eine Schande, Topper."

"Du kannst gerne desertieren und für die Millenier kämpfen, wenn dir der Dienst an der großartigsten Nation der Welt nicht mehr zusagt", ätzte Cartland.

"Vielleicht mache ich das auch!"

"Sei froh, dass wir auf internem Funk sind. Wäre das im Äther gewesen, würde es im Flugprotokoll auftauchen! Und dann würde die Kacke für dich dampfen!"

"Fünf Kilometer. Schalte Waffen scharf. Schon mal drüber nachgedacht, ob es das wert wäre, Topper?"

"Hör auf zu träumen. Wenn du auf einen Millenier einprügelst, blutet der auch nur rot, wie wir alle. Habe Ziel erfasst! Fox two! Fox two!"

Zwei Raketen lösten sich von den Tragflächen der F-16 und rasten auf den nicht mehr so fernen Turm der Botschaft zu. Zeitgleich lösten sich Raketen von den anderen drei Jagdfliegern. Acht Kondensstreifen rasten auf das ferne Gebäude zu. Unaufhaltsam. Sie würden ihren Teil der Zerstörungen anrichten. Im schlimmsten Fall würde eventuell sogar eine der Raketen in die Menge fallen, die sich zur Unterstützung Serenitys eingefunden hatte.

"Mist", murmelte Callahan, und ballte die Hände zu Fäusten. "Mist."

***

Garalion trat neben Mamoru. "Wir werden beschossen. Acht Raketen vom Typ Maverick. Ziel ist die mittlere Ebene des Turms. Einschlag ist in siebzehn Sekunden."

"Acht Raketen wird er schaffen", bemerkte Mamoru amüsiert. "Wo befindet sich der Konvoi?"

"Drei Kilometer entfernt. Vier Sekunden bis zum Einschlag."

Die Zeit verstrich, und Mamoru lächelte, als keine Detonationen erklangen.
 

Oben auf dem Turm stand Jedithe, zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in seine graue Uniform gehüllt. Nicht ganz oben, aber auf dem Balkon, auf dem letzte Nacht die Party hatte stattfinden sollen, die so rüde unterbrochen worden war. Er sah die acht Kondensstreifen, fixierte sie, und lächelte müde. Sie rasten heran, näher, immer näher, mit dem zerstörerischen Potential um einen Panzer zu knacken oder einen Bunker anzugreifen. Gegen ein Zivilgebäude geschossen mussten schlimmste Schäden befürchten werden. Wenn sie denn trafen.

Als die Raketen nur noch wenige hundert Meter entfernt waren, gab er den Befehl zur Abwehr.

Aus dem Turm schossen Strahlen hervor, die die Raketen zwangen, aufzusteigen. Sie rasten heran, änderten ihren Winkel und schossen dann nur wenige Meter vor Jedithe senkrecht in die Höhe. Soweit hatte es geklappt.

Irgendwann war der Treibstoff aufgezehrt, und die scharfen und hoch gefährlichen Waffen trudelten über dem Gelände der Botschaft wieder der Erde entgegen. Jedithe hätte es auch diesmal der Turmabwehr überlassen können, die Raketen einzusammeln, bevor sie am Boden detonierten, aber es war an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. Und das tat er auch. Er sprang von Balkon, kam nahe der Turmspitze neben der untersten Rakete wieder zum Vorschein, ergriff sie und tauchte wieder auf dem Balkon auf, wo er die scharfe Waffe ablegte. Dies wiederholte er siebenmal. Dann lagen etwa zwei Millionen US-Dollar in Form von acht Raketen auf dem Balkon, ohne ihren Zweck erfüllt zu haben. Und mindestens zwei Kamerateams hatten ihn dabei gefilmt.

Nun würde sich einiges entscheiden. Würden die F-16 zurückgezogen werden, da Raketen nicht funktionierten? Oder würden die Piloten mit ihren Bordwaffen attackieren? Jedithe konnte unmöglich jede einzelne Patrone aufhalten. Dann aber würde er die Kampfjets aufhalten müssen, und dann würden Kollateralschäden nicht mehr zu vermeiden sein. Und die Air Force würde vier Jets weniger haben.

***

"Nicht detoniert." "Verloren." "Keine Detonation beobachtet", kamen die Meldungen der anderen Jets. "Das ist doch unmöglich", murmelte Cartland mehr zu sich selbst. "Ein Blindgänger mag ja alle einhundert Jahre mal möglich sein, aber acht auf einmal?"

"Sieh es ein, Topper, die Millenier sind nicht so schwach wie du geglaubt hast. Sie haben die Raketen abgewehrt, ohne auch nur eine zur Detonation zu bringen", sagte Callahan von hinten. "Und ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich würde mich mit denen lieber nicht direkt anlegen."

"Yokota Air Base, hier Yokota Air Base. Flight Delta 34 kommen."

"Flight Delta 34 hört, Yokota Air Base."

"Rückkehr zur Basis. Ich wiederhole, Rückkehr zur Basis!"

"Steigen die A-10 an unserer Stelle auf, Yokota Air Base?"

"Negativ. Wir stellen alle Angriffshandlungen bis auf weiteres ein. Yokota Air Base Ende."

"So, sie ziehen uns zurück. Bist du jetzt zufrieden, Sparks?"

"Fast", erwiderte der Waffenoffizier erleichtert.

"Na, immerhin", murmelte Cartland, seine zitternden Finger betrachtend. Was waren das nur für Monstren, die Mavericks stoppen konnten, ohne sie zu vernichten? Wenn er ehrlich war, war er selbst am Frohesten darüber, dass der Angriff abgebrochen wurde.

Zugabe 6: Krieg!

General Ernest Young hatte das Geschehen aus der CIC des Stützpunkts mitverfolgt. Der Taktik-Raum war so ausgelegt, das er selbst im Falle eines Atomkriegs genutzt werden konnte. Er lag in einem Tiefbunker und verfügte neben Satellitenverbindung, autarken computerisierten Arbeitsplätzen, dem neuartigen von den Milleniern gelieferten Echtzeithologramm und den nicht störbaren Telefonleitungen nach Washington D.C. vor allem über eines: einen kompletten Medienraum, in dem er die Live-Berichterstattung mitverfolgt hatte, während das Hologramm den Anflug der vier F16 gezeigt hatte, im Maßstab eins zu fünftausend.

Mehr als ungläubig hatte er dabei zugesehen, wie die Raketen erst in den unendlichen Himmel gezwungen worden waren - was an sich schon reiner Wahnwitz war - und dann den Mann in der grauen Uniform, der die acht Raketen eingesammelt hatte, mit irgend einer Methode, die nur Teleportation sein konnte. Und dieser Mann hatte die Raketen alleine angehoben, mit ihnen hantiert, als würden sie nur wenige Kilos wiegen anstatt einen vollen Zentner.

Sie alle hatten die Fernsehbilder gesehen, das Hologramm, und irgendjemand, vielleicht er selbst, hatte gemurmelt: "Woher kommen diese Monster? Und warum haben wir keine von ihnen?"

Zweihunderttausend Zivilisten umstanden die Botschaft des Silver Milleniums. Weitere zweihunderttausend standen in den Straßen rund um das Gebäude, und angeblich war die doppelte Menge auf dem Weg. Bei jedem anderen Volk der Welt hätte Young mittelfristig erhebliche Probleme bei diesem Massenauflauf befürchtet, spätestens wenn die ersten Menschen erschöpft zusammenbrechen würden. Aber nicht bei den Japanern. Die Anwohner taten auf eigene Kosten ihr Bestes, um Erschöpfte ruhen zu lassen, Hungrigen zu essen zu geben, und Dürstenden Wasser und Tee, oder was eben gerade da war. Sie ließen die Menschen ihre sanitären Einrichtungen benutzen und verabschiedeten jeden von ihnen mit einem Lächeln. Nein, diese Menschenmenge würde sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Oder aufhetzen lassen. Sie bildeten ein gewaltiges menschliches Schutzschild, und mit dem gescheiterten Angriff hatte er alle Optionen ausgeschöpft, zu denen er greifen konnte, ohne einem der Kriegsschiffe zu befehlen, mit Harpoon-Raketen oder Tomahawk-Raketen anzugreifen. Wobei zweifelhaft erschien, dass diese überhaupt ans Ziel kommen würden. Alternativ konnte er immer noch alles, was fliegen konnte, in die Luft hetzen und die Maschinen den Tower mit den Bordkanonen angreifen lassen, um den Milleniern zu zeigen, dass sie nicht unverwundbar waren. Stattdessen hatte er die beiden F16-Rotten zurückgerufen. Ein weiterer Kampfeinsatz würde mit erheblich härteren Mitteln erfolgen müssen, und er wusste nicht, ob er die Befugnisse hatte, diese Mittel zu benutzen. Geschweige denn, ob er überhaupt über sie verfügte. Das SilverMillenium war ihnen so himmelhoch überlegen wie ein Mann mit einem Repetiergewehr einem Angreifer mit Steintomahawk. Bisher hatte er sich nie daran gestört, denn der Friedenswille von Serenity und Endymion, den beiden Anführern, war stets und immer sprichwörtlich gewesen. Es gab keine Zweischneidigkeit in ihren Handlungen, keinen Betrug und keine Lügen. Wenn sie vermittelten, vornehmlich das kleine blonde Mädchen, dann taten sie dies nach bestem Wissen und Gewissen, niemals zum Vorteil einer einzigen Partei, selbst wenn auf der einen Seite die mächtige USA und auf der anderen Seite der unterdrückte und ausgebeutete Kongo standen. Sie trugen immer einen Kompromiss vor, der auf eine Verbesserung der Situation der Menschen vor Ort drang, und das beide Streithähne einen Teil ihrer Forderungen und Ansprüche aufgaben. Sie erarbeiteten immer Kompromisse, mit denen beide Seiten leben konnten, selbst geldgierige Aktienkonzerne. Und zwar besser leben als zuvor. Young machte sich klar, dass die Millenier die Macht hatten, anstatt Kompromisse auszuhandeln auch militärisch agieren zu können, was sicher im Sinne der ausgebeuteten Völker gewesen wäre. Aber sie hatten es nicht getan, setzten auf eine Politik der kleinen Schritte, der langsamen Annäherung von Interessen, beide Seiten auf Augenhöhe zu bringen. Sie erschufen Respekt voreinander, untereinander, Gleichheit, Verständnis. Man hätte sie für liebenswerte, aber naive Altruisten halten können, die tatsächlich glaubten, mit Reden die Welt verändern zu können. Etwas, was bestimmte Geld-Unternehmen in ihren Umsätzen zu spüren begannen, und nichts war so schlimm für sie, wie nicht die erwarteten Gewinne zu erzielen.

Es erschien im Nachhinein zwingend logisch, dass sie ihre Zähne zeigten, dass sie zubissen, wie es gestern geschehen war.

Nun aber hatte das SilverMillenium das erste Mal seine Fänge gezeigt, zugebissen, und das hart und erbarmungslos. Der Angriff auf die Anlage der GunSuits war mit einer Härte geführt worden, die niemand dem SilverMillenium zugetraut hatte. Nicht, dass er zuvor von der Anlage gehört hätte. Nicht, dass er erwartet hätte, dass das SilverMillenium die besten Kommando-Soldaten der Welt besaß. Die Gerüchte besagten, das viele aus der Führungsriege wiedergeborene Menschen des ersten SilverMilleniums waren, Krieger und Offiziere der obersten Güteklasse. Nach dieser Aktion musste er dem zustimmen.
 

"Der Konvoi fährt ein", sagte Major Craig fassungslos. Sie warf dem Fernseher einen ungläubigen Blick zu. "Zwanzig Schwebefahrzeuge der Millenier, und alle sind voll beladen."

Young sah herüber, sah sie einzeln halten. Zehn von ihnen fuhren in eine Ecke des Hofes, die anderen zehn vor den Haupteingang der Botschaft. Sie öffneten sich, und Millenier begannen damit, die Gefangenen in Fleckentarnkleidung ins Gebäude abzuführen. Einige Millenier trugen Rüstungen hinter ihnen her. Zwanzig, um genau zu sein. Dabei hantierten sie die Rüstungen, als wären es nur Luftballons, keine mehrere hundert Kilo schwere Hightech-Produkte.

Die anderen zehn Wagen wurden entladen, und türmten ihren Inhalt bald zu einem großen Haufen. Rüstungsteile, ganze Rüstungen, und dergleichen. Aus den Wagen stiegen auch die Teilnehmer des Kommando-Unternehmens. Männer und Frauen, die Männer mit prächtigen Umhängen ausgestattet, die in einem Einsatz sicherlich erheblich störten, die Frauen in Trikots oder Sailor-Uniformen, die erheblichen Bewegungsspielraum ließen und eine Menge Bein zeigten. Young wusste nicht, ob sie mit ihrem Sexappeal kokettierten, oder ob sie einfach nur beweglich sein wollten. Einer der wiedergeborenen Generäle, er glaubte sich zu erinnern, dass es Tomoki Furohata selbst gewesen war, hatte ihm erzählt, dass es sich bei den Kostümen um Rüstungen handelte, aber das war schwer zu glauben.

Drei der Männer, die mit den Umhängen, gingen auf den großen Haufen an Kampfrüstungen, Ersatzteilen und militärischer Ausrüstung zu. Das waren die drei Generäle, die Wiedergeborenen aus der Zeit nach dem Untergang des Ersten SilverMilleniums. Was er immer für eine Legende gehalten hatte, für Propaganda, für eine offene Lüge, damit die drei Männer, die fünf lange Jahre, in denen die SailorKrieger agiert hatten, niemals aufgetaucht waren, sich profilieren konnten.

Von besonderer Macht sollten sie sein, hieß es. Ihre Namen waren Leth, Gyes und Iskander. Leth wie der Totenfluss im Hades, der das Vergessen brachte. Man erzählte sich, dass Leth die letzten Kriege des SilverMilleniums geführt hatte, und wo seine Armeen marschiert waren, gab es bald keine Erinnerung an die vorige Welt mehr, weil er jeden Feind zerschlagen zurückließ. Es hieß, er hätte im Mittleren Osten, in der Wiege der Zivilisation, die erste feste Stadt der Menschheit nach dem Untergang des Goldenen Zeitalters gegründet.

Gyes, einer der Hekatoncheiren, den dreiköpfigen, zehnarmigen und hunderthändigen Brüdern, Titanen, die Zeus geholfen hatten, die Macht ihres Geschlechts zu brechen und die Zeit der Götter einzuläuten. Es war unbekannt, ob es einen Kottos, einen Briareos gegeben hatte, oder was diese Namen zu bedeuten hatten. Aber Gyes stand im Ruf, seine Armeen so geführt zu haben, als hätte er zehntausend Arme, und jeder einzelne Mann war seine verlängerte Hand.

Iskander, ein alter persischer Name, der sich mit Beschützer übersetzen ließ. Über ihn wusste man am wenigsten, es war lediglich durchgesickert, dass seine jetzige Identität ungeklärte Fragen hinterließ. Nicht, dass man wusste, wer die drei Männer wirklich waren. Von seiner Zeit auf den Schlachtfeldern hatte man ihm nur berichtet, dass er das SilverMillenium vehement beschützt hatte, wie ein Berserker, wie ein Wahnsinniger, egal ob er kommandiert oder selbst gekämpft hatte. Er war eine Naturgewalt gewesen.

Young betrachtete die drei Männer, die sich um den Haufen Schrott verteilten. Wie viel war davon Wahrheit, wie viel Legende? Und wie kämpfte man gegen solche Menschen?

Zahlenmäßige Unterlegenheit, das war das Zauberwort. Sie waren nur ein paar zehntausend, vielleicht fünfzigtausend, und jene dort waren ihre mächtigsten Krieger. Man konnte sie auskontern oder mit schierer Masse überwältigen. Jedenfalls hoffte der General das.
 

"Was tun sie jetzt?", rief Lieutenant Orville aufgeregt.

Zwischen den drei Männern spannten sich goldene Linien, die von ihren Füßen ausgehend, den Nächsten erreichten. Sie verbanden alle drei Männer zu einem gleichseitigen Dreieck, in der Mitte der Schrott. Dann trafen sich drei weitere Linien, scheinbar von ihren Köpfen ausgehend, und machten aus dem Dreieck eine Pyramide. Die drei Seiten der Pyramide erstrahlten in goldenem Schimmer, bildeten scheinbar feste Wände. Und dann...

Jemand schrie erschrocken auf, ein anderer ließ sich zu einem Fluch hinreißen. Ein dritter begann ein kurzes Gebet zu murmeln.

Die Bahnen der Pyramide erloschen, die drei Männer wandten sich um, als wäre nichts geschehen. Und wirklich, man musste sich fragen, warum sie dort gestanden hatten, wenn man nicht wusste, dass dort die übrigen Rüstungen gelegen hatten. GunSuits im Wert von zweihundert Millionen Dollar. Nun war dort... Nichts. Rein gar nichts. Nicht mal verdrehtes Metall, oder wenigstens Asche. Es war, als hätte es den Stahl, das verbaute Karbon, all die Einzelkomponenten nie gegeben. Es wehte nicht einmal Plasma herum.

"Was ist passiert?", fragte Craig schockiert. "Haben sie die Technik ausradiert oder teleportiert?"

Ja, teleportiert, das war eine Möglichkeit. Dann waren alle Teile nun auf dem Mond. So hätte er zumindest gehandelt. Was aber, wenn die drei dir Technik tatsächlich zerstört hatten? Was, wenn sie die Macht besaßen, die ganze Technologie, die Materie bis auf den subatomaren Level aufzulösen, sodass weder Staub noch irgendetwas außer Quarks und Gluonen zurückblieb? Gott der Allmächtige mochte sie beschützen, wenn die drei Generäle tatsächlich solch eine Fähigkeit besaßen. Wie sollten sie gegen diese bestens gepanzerten und mit unheimlichen Fähigkeiten ausgestatteten Titanen besiegen? Er hatte keine Lösung.

"General!", rief Orville und winkte ihm zu kommen. In der Hand hielt er das einzige Schnurtelefon in der ganzen CIC. Es verband ihn direkt mit dem wichtigsten Telefonnetz der USA. NORAD, Pentagon, Fort Knox, Hawaii-Kommando, Weißes Haus...

"Was gibt es denn?"

"Der Präsident ist dran."

"Welcher Präsident?", fragte er unvermittelt, weil die Erkenntnis ihn bis ins Mark erschrak.

"Unser Präsident, Sir. Er kündigt eine Videokonferenz auf dem verschlüsselten Kanal an."

"Gut. Ich nehme es in meinem Büro entgegen."

"Nicht mehr nötig, Ernest", erklang die Stimme des US-Präsidenten vom Hauptbildschirm zu ihnen herab. Da saß er also, der mächtigste Mann der USA, zumindest nach Sinn der Verfassung. Und, wenn es nach dem Ego der Amerikaner ging, der mächtigste Mann der Welt. Zumindest was die Armee anging, war er das auch. Wenn man die Millenier außen vor ließ. Aber das ging seit heute nicht mehr, oder?"

"Mr. President!", sagte er und salutierte.

"Ernest, ich habe gesehen, wie Sie die Botschaft der Millenier angegriffen haben." Die Stimme des Präsidenten war frei von Wertung und Tadel, dennoch fühlte sich Young ein ganzes Stück kleiner werden. "I-ich hielt es für richtig, unseren japanischen Verbündeten beizustehen. Das SilverMillenium ist eine autarke Nation, und sie hat Japan den Krieg erklärt. Der Angriff sollte klar machen, dass wir nicht gewillt sind, kriegerische Aktionen gegen unsere besten Verbündeten zu gestatten."

"Er ist fehlgeschlagen", stellte der Präsident fest.

"Ja, Sir, er ist fehlgeschlagen", gestand Young. "Die Abwehr des Turms ist zu gut, die Technologie unbekannt."

Der Präsident schwieg einen Moment. Young fühlte sich seziert. Gut, er hatte den Mann nicht gewählt, weil er traditionell Republikaner wählte - oder in letzter Zeit gar nicht, weil sie ihm zu sehr herum sponnen und von bedrohter Vormachtstellung durch das SilverMillenium gefaselt hatten. Aber dieser Mann war der Präsident.

"Ernest, ich habe nicht viel Zeit. Darum muss ich Ihnen jetzt eine wichtige Frage stellen: Bin ich Ihr oberster Befehlshaber?"

"Sir? Ich verstehe nicht..."

"Ernest! Bin ich Ihr oberster Befehlshaber?"

Young sah den Mann auf dem Bildschirm entsetzt an. "Ja, Sir, das sind Sie! Und Sie sind der Oberbefehlshaber jedes Mannes und jeder Frau in amerikanischer Armee-Uniform." Zu diesen Worten salutierte er, und die anwesenden Soldaten und Offiziere taten es ihm nach.

"Danke, Ernest, danke Ihnen allen. Es tut gut zu wissen, dass Sie Ihre Pflicht nicht vergessen haben." Der große Mann atmete aus. "Ich will ehrlich mit Ihnen sein, nicht nur weil ich es muss, Ladies und Gentlemen. Ich, und damit die Demokratie befinden sich in einer prekären, blamablen Lage. Sie, Ernest, werden vom Pentagon bald den Befehl erhalten, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um das SilverMillenium zu stoppen."

Young spürte, wie seine Hände zu zittern begannen. Er war versucht, zu widersprechen. "Schließt das auch die taktischen Atomraketen ein, Sir?"

"Meines Wissens nach ja."

Alles in ihm sträubte sich dagegen. Aber dieser Mann war sein Präsident. "Ich melde hiermit Protest an, Sir, aber ich werde meine Befehle ausführen."

"DAS WERDEN SIE NICHT!"

"Mr. President?" Seine Augen weiteten sich ungläubig.

"Diese Befehle sind von mir nicht autorisiert! Hören Sie, nicht autorisiert! Sie werden im Gegenteil alles tun, um Übergriffe auf das SilverMillenium zu verhindern, egal von wem und mit welchen Mitteln! Das SilverMillenium ist für die USA, für die ganze Menschheit, von enormer Wichtigkeit! Unser aller Überleben, unser aller Freiheit hängt davon ab, dass es morgen noch eine Botschaft hier auf Erden und ihr Siedlungsgebiet oben auf dem Mond gibt! Haben Sie verstanden, Ernest?"

"Ja, Mr. President. Ich werde keine Übergriffe erlauben und dies notfalls mit Waffengewalt verhindern."

"Gut", murmelte der Mann in Washington. "Sie führen diesen Befehl aus, bis ich Ihnen etwas anderes befehle, egal, wer Ihnen glaubt etwas zu sagen zu haben. Sollte ich fallen, warten Sie auf die direkte Order des nächsten vom Volk gewählten Präsidenten."

"Mr. President?", fragte er erschrocken. Hatte der Präsident tatsächlich gerade angekündigt, dass er sterben würde? Nein, er hatte "fallen" gesagt, das war ein romantischer Begriff des Militärs, was aber so ziemlich das Gleiche bedeutete. Etwas zerfetzter, etwas schwerer vom vielen Blei, aber im Prinzip das Gleiche. Nun dämmerte ihm, warum er Befehle aus dem Pentagon nicht befolgen sollte. "Mr. President, haben wir es mit einer Meuterei zu tun?"

"Ja, Ernest. Eine Clique hoher Offiziere setzt sich in diesem Moment über mich hinweg und unterstützt offen den Angriff auf das SilverMillenium mit GunSuits. Sie werden auch Ihnen befehlen, die GunSuits zu unterstützen."

"Ich habe Ihre Befehle, Mr. President", sagte Young mit fester Stimme. "Und die werde ich ausführen, bis Sie sie widerrufen. Und wenn Sie fallen sollten, werde ich sie weiterhin ausführen, als Ihr Vermächtnis."

"Es ehrt Sie, so etwas zu sagen, Ernest." Er sah auf seine Armbanduhr. "Ich werde jetzt versuchen, mit der First Lady, meinem Stab und meinen Kindern aus Washington D.C. zu entkommen. Die Flugbereitschaft der Marines wird uns hier raus holen. Hoffentlich. In diesem Moment startet die Air Force One, ohne mich an Bord, als Täuschungsmanöver. Mein Stab, meine Familie und ich fliegen zum Atlantik raus, um uns auf die Lincoln bringen zu lassen. Admiral Hancock hat mir und der Demokratie gegenüber seine Loyalität versichert. Je nachdem wie es die Lage erfordert, werde ich dort bleiben, oder über Europa nach Japan weiter reisen, um zu Ihnen zu kommen, Ernest."

"Wie schlimm ist die Meuterei, Mr. President? Soll ich Ihnen Hilfe schicken lassen?"

"Nett von Ihnen, das anzubieten, aber ich hoffe, ich finde genügend loyale Soldaten, die mich und die Demokratie unterstützen. Vielleicht sehen wir uns die nächsten Tage, Ernest. Ich würde es mir wünschen." Irgendwo im Hintergrund klang ein Schuss auf. "Ich muss los, Ernest."

"Eine Frage noch", sagte Young hastig. "Wer greift uns an, Mr. President?"

"Das Geld, Ernest, das Geld." Der Präsident lächelte traurig und deaktivierte die Verbindung.

Young blieb ein paar Sekunden wie erstarrt. Als er die Kraft zum Sprechen wiederfand, sah er ins Rund seiner Leute. "Ich brauche sofort eine Verbindung zum Ministerpräsidenten und eine ins SilverMillenium! Wir müssen uns dringend koordinieren."

"Mit Verlaub, Sir, aber das glaube ich nicht."

Young fuhr herum. "Elisa, was tun Sie da?"

Die Majorin der Air Force hatte ihre Dienstwaffe gezogen und auf ihn gerichtet. "Meine Pflicht, Sir. Wir können es den gottlosen Wilden aus dem All nicht länger gestatten, auf Gottes eigenem Land zu wandeln. Wir müssen..."

Es knackte laut, als Orville seine Dienstwaffe spannte. Er zielte auf Craig. "Ma'am, zwingen Sie mich nicht, abzudrücken. Aber wenn Sie bei drei nicht Ihre Waffe herunter genommen haben, werde ich schießen!"

"Orville, es geht um das Schicksal der Welt!", blaffte die Air Force-Frau.

"Ich weiß. Und darum werde ich schießen", sagte er entschlossen.

Kurz sah sie sich um. "Schaff mir jemand diesen Irren vom Hals! Jensen, Friederik, irgendjemand!"

Nach und nach wurden Waffen gezogen und ausgerichtet. Ein Wachsoldat mit Waffe im Anschlag trat zwischen sie und den General. Enttäuscht registrierte sie, das niemand bereit war, sie zu unterstützen. Sie hatte hier unten nicht einen Verbündeten.

"Ich denke, das Schicksal der Welt schließt mit ein, dass das SilverMillenium unsere Hilfe erhält. So es diese Hilfe überhaupt braucht", sagte Young, trat hinter dem Wachmann hervor und nahm der perplexen Frau die Waffe aus der Hand. "Jensen, bringen Sie Major Craig auf die Krankenstation. Sie ist sichtlich überspannt und braucht Ruhe. Sorgen Sie dafür, dass sie ein Sedativum enthält und bis morgen früh durchschlafen kann, um die Situation in aller Ruhe zu beleuchten. Sicherheitshalber, damit sie sich nicht selbst etwas antut, soll eine Wache aufgestellt werden."

Der Wachmann nickte grimmig. "Verstanden, Sir." Er griff grob nach ihrem rechten Arm und zog sie mit sich. Zwei weitere Wachleute schlossen sich an.

Als sie den Raum verlassen hatten, sah sich Young noch einmal um. Nun, jetzt fühlte sich das Geschehen erst richtig an. "Wo bleiben meine Verbindungen?", fragte er in bester Laune.

Die Soldaten und Offiziere salutierten vor ihm, dann brachen sie in Geschäftigkeit aus.

***

Takehito Iori war nicht erstaunt, dass er sofort zum Tenno, zum Kaiser aller Japaner, zum Nachfahren jener Götter, die den Himmel und die Erde getrennt hatten, vorgelassen wurde.

Der alte Mann erwartete ihn in seinem Büro. Er saß nicht, sondern stand vor seinem Schreibtisch. Er war gramgebeugt, und Falten rissen tiefe Furchen in sein Gesicht. "Takehito-san, ist das wahr, was ich über Sie gehört habe?"

Für einen Moment war er versucht, mit einer Gegenfrage zu antworten: Was haben Sie denn gehört? Aber das wäre feige und unreif gewesen. Und er war nicht hier, um sich reinzuwaschen, sondern um zu seiner Schuld zu stehen. "Es ist alles wahr, Hohiro-tono." Formell ging er auf die Knie und verbeugte sich, bis seine Stirn den Boden berührte. "Ich bitte in aller Form um Verzeihung. Ich hielt es für das Beste, was ich für Japan tun konnte. Ich hatte keine Ahnung von der militärischen Stärke des SilverMilleniums, und dachte, dass wir genauso zum Feindbild werden würden, wenn wir neutral blieben oder uns sogar auf die Seite von Serenity-sama stellen würden. Ich habe mich schlecht entschieden."

Der Tenno sah ihn peinlich berührt an. "Bitte, alter Freund, erhebe dich. Wir sind hier nicht im Bakufu, und ich bin nur der Sohn des Himmels, nicht der Himmel selbst."

Iori verharrte in seiner Stellung. "Ich biete hiermit in aller Demut meinen Rücktritt an, Hohiro-tono. Ich bin es nicht wert, dieses Land weiter durch diese schwere Krise zu führen."

"Nun steh endlich auf!", blaffte der Kaiser. "Uns erst hineinreiten, und dann kneifen, wenn es darum geht, das wir diesen ganzen Mist wieder gerade biegen, eh?"

Noch immer in seiner Stellung verharrend, sagte Iori: "Wäre dies das Bakufu, dann würde ich jetzt meinen ehrenvollen Selbstmord anbieten. Nein, für meine Fehlentscheidung wäre die Kreuzigung gerade gut genug."

"Wir sind aber nicht in den Zeiten der Shogunatsregierung, Takehito! Und jetzt lass den Quatsch endlich! Ich habe dich nicht von deinem Amt entbunden, und das werde ich auch nicht tun! Keiner hat so tiefe Einsichten in diese Affäre wie du, und du wirst es sein, der Japan retten wird! Vor den GunSuits, vor den globalen Wirtschaftsinteressen, vor jeder anderen Gefahr!"

Langsam richtete sich Iori wieder auf. Mit einer Leichtigkeit, die sein Alter Lügen strafte, glitt er aus dem knieenden Zustand auf die eigenen Füße. "Hohiro-tono, wenn ich mein Amt vorläufig tatsächlich behalten soll, dann bitte ich um die Erlaubnis, nach bestem Wissen und Gewissen vorzugehen."

Der alte Mann nickte ernst. "Natürlich. Dafür habe ich dich ausgewählt."

Er griff in seine Jacke und zog ein Dokument hervor. "Darf ich um den kaiserlichen Stempel bitten?" Langsam reichte der Premierminister das Dokument dem Kaiser.

Der nahm es entgegen, überflog es, und las es ein zweites Mal, diesmal genauer. "Takehito-san, das ist..."

"Ich bin der festen Überzeugung, dass dies das Beste für Japan ist. Zudem hatte ich vor wenigen Minuten ein Telefonat mit General Young, der mich vorbehaltlos unterstützt. Wie es heißt, ist der US-Präsident aus dem Weißen Haus geflohen, und die Nachrichtenlage ist unklar. Aber das US-Militär in Japan hat sich nun auf unsere Seite gestellt. Ja, ich halte dieses Dokument für unbedingt notwendig. Nein, es ist überlebenswichtig für unser Land."

"Dann werde ich es ratifizieren. Möge es unser Land zurück ins Glück führen." Der Kaiser trat zu seinem Schreibtisch, zog sein Siegel hervor und setzte es unter das Dokument. Damit war die Sache besiegelt, und das Schicksal nahm seinen Lauf.

***

"...haben Sie mich verstanden, Serenity-sama?", fragte Iori sicherheitshalber nach.

Usagi, in eines ihrer Prinzessinenkleider gehüllt, war blass geworden. Seiya, der sie wieder begleitete, starrte den Bildschirm der Videokonferenz an, als hätte er einen Geist gesehen. Oder SailorGalaxia im alten Wahn. Oder beides.

Mamoru schluckte mehrfach trocken und heftig.

"Ja... Ja! Aber seien Sie versichert, Herr Premierminister, dies war nie unser Anliegen, nie das Ziel. Wir..."

"Es tut mir außerordentlich leid, Serenity-sama, aber ich musste tun, was ich tun musste, auch wenn dies für das SilverMillenium eine außerordentliche Belastung darstellt. An den Tatsachen ändert es nichts." Er verbeugte sich tief. "Lassen Sie mich versichern, dass der Tenno ausdrücklich gesagt hat, dass Ihr, Serenity-sama, ein Kind Japans seid, und dass er das ausdrücklich, über alle Verwicklungen hinweg, anerkennt. Dies gilt für alle Eure Gefährten japanischen Ursprungs."

Hastig erwiderte Usagi die Verbeugung. "Nein, es ist kein Umstand für uns. Ich meine, selbstverständlich übernimmt das SilverMillenium auch diese wichtige Pflicht."

"Dann hat mein Anruf erreicht, was er sollte. Das offizielle Dokument wird Euch gerade gebracht, Hoheit. Ich werde mich nach der Ratifizierung noch einmal melden. Oder Ihr ruft an, Hoheit."

Mamorus Wangenmuskeln mahlten. "Wir werden anrufen, sobald wir die Konsequenzen abschätzen können. Und, um meine persönliche Meinung zum Besten zu geben, Sie sind ein gerissenes Arschloch, Herr Premierminister."

"Da gibt es keine zwei Meinungen, Endymion-sama." Der Mann lächelte leicht, dann verneigte er sich tief und lange, bevor die Verbindung erlosch.
 

Kurz danach kamen die drei Generäle herein. Sie waren guter Dinge, immerhin war die gesamte in Japan verbliebene GunSuit-Technologie entweder in der Botschaft, wo sie von den Forschern und Technikern unter Amis, Uminos und Taikis Anleitung gerade aufgerüstet wurde, oder auf dem Erdmond, wo andere Techniker von den Trümmern verwerteten, was sie konnten.

Ihre gute Laune verflog sofort, als sie die gedrückte Stimmung bemerkten.

"Haben wir etwas verpasst?", fragte Akira erstaunt.

Mamoru wandte sich dem Freund zu. Er seufzte. "Unser großartiger Plan ist gerade nach hinten los gegangen. Ihr drei kommt genau zur rechten Zeit. Wir brauchen euch jetzt mehr denn je zuvor."

Juichiro legte die Stirn kraus. "Sprich nicht in Rätseln, Mamoru. Sag einfach, was passiert ist."

"Tja." Er sah von Usagi zu Seiya, und dann wieder zu Usagi. "Wer sagt es ihnen?"

Die Prinzessin des SilverMilleniums lächelte vielsagend. "Ich mach das."

Tomoki schüttelte sich leicht, als ein kalter Schauder über seinen Rücken ging. "Ich wette, mir wird nicht gefallen, was du zu sagen hast, Usagi-chan."

"Nein, das wird es sicher nicht", orakelte sie. "Um es schlicht und kurz zu halten: Wir haben gewonnen."

"Wir haben gewonnen?", echote Akira.

"Ja."

Die drei Generäle sahen sich sprachlos an.

"Was haben wir gewonnen, Usagi?", fragte Juichiro. "Eine Straßenlotterie, die Fernsehlotterie, an Weisheit...?"

"Den Krieg", sagte sie schlicht.

"Welchen Krieg genau?", hakte Akira nach.

"Den Krieg gegen Japan", erklärte Mamoru. "Soeben hat uns der Premierminister kontaktiert und uns erklärt, das Japan bedingungslos kapituliert hat."

"Aber das ist doch toll!", rief Tomoki erfreut. Die Freude hielt nicht lange vor. "Nicht?"

"Zugleich hat er darum gebeten, dass wir die Verteidigung Japans gegen die GunSuits übernehmen", erklärte Seiya. "Die US-amerikanischen Stützpunktkommandeure haben bereits ihre Zusammenarbeit angekündigt. Wir sind jetzt die Oberkommandierenden dieses Landes. Und da hat Mamoru schon ganz Recht: Wenn wir jemals Generäle von eurem Kaliber gebraucht haben, dann heute und hier."

"Und wann soll das beginnen?", fragte Tomoki.

"Wir erhalten per Kurier die Kapitulationsurkunde. Sobald wir diese in Besitz haben", sagte Usagi, "ist der Krieg mit Japan offiziell vorbei. Durch die bedingungslose Kapitulation aber sind wir so lange die... Ich weiß nicht, die Lehnsherren Japans, bis wir etwas anderes entscheiden."

Akira fluchte unterdrückt. "Natürlich, für Iori war das eine gute Entscheidung. Er wusste, dass seine ehemaligen Verbündeten keinerlei Rücksicht auf Japan nehmen würden, wenn sie uns angreifen werden. Verwüstungen hier in Tokio waren vorprogrammiert. So hat er uns gezwungen, nicht nur uns zu verteidigen, sondern auch ganz Japan. Beziehungsweise jeden Ort, der von GunSuits angegriffen wird." Akira hielt kurz inne. "Was wir ohnehin getan hätten. Und jetzt sind wir auch noch dazu berechtigt. Ganz offiziell."

"Das steht außer Frage", bestätigte Mamoru. "Aber alles Lamentieren hilft nichts. Wir machen das Beste draus. Ihr drei übernehmt das Oberkommando der vereinigten Armeen. Macht euch schlau, über was wir verfügen, sichtet Geheimdienstberichte und die Berichte aus den Verhören der GunSuit-Leute, um euch ein Bild von der Bedrohung zu machen. Ich will, dass wir heute noch von hier Gänge in alle Teile Japans graben, so wie wir die Metropolen der Welt erreicht haben, um jederzeit mit unseren Leuten vor Ort sein zu können. Juichiro, du übernimmst das Oberkommando."

Der große braunhaarige Gefährte von Rei Hino, nickte. "Ich werde die Aufgabe zu deiner Zufriedenheit erledigen."

"Ich habe nichts anderes erwartet. Motoki, du übernimmst die Landesverteidigung."

"Hm. Einverstanden. Das heißt dann auch, dass ich die Millenier-Truppen koordiniere."

"Die meisten. Denn damit kommen wir zu dir, Akira." Mamoru nickte ihm zu. "Du übernimmst die Angriffsstreitmacht."

"Moment Mal, hast du gerade Angriffsstreitmacht gesagt?", fragte der Weißhaarige entsetzt.

"Du hast doch meine Rede gehört, sogar an ihr mitgearbeitet", sagte Usagi lächelnd. "Wir kämpfen so lange, bis die Länder der Erde nicht mehr in der Lage sind, GunSuits zu bauen."

"Ach. Ich soll also mit einer Schar entschlossener Leute da raus und die GunSuit-Fabriken in aller Welt vernichten."

"Drei, um genau zu sein. Eine in Russland, eine in England, und eine in den USA. Ich bin sicher, wir werden vom amerikanischen Präsidenten zumindest zu letzterer Informationen erhalten. Außerdem liefern wir dir Intel-Daten. Ich werde Ami drauf ansetzen, sobald sie mit den Rüstungen fertig ist."

"Toll. Wie viel Zeit haben wir für die Vorbereitungen? Tage oder Stunden?"

Ein leises Grollen trug zu ihnen herein. Es dauerte einige Zeit, bis sie erkannten, dass es Jubel war. Die Menschenmassen draußen vor dem Turm brachen in schier grenzenlose Begeisterung aus. "Vielleicht nicht mal eine Minute. Iori hat augenscheinlich gerade die Kapitulation verkünden lassen", sagte Seiya. "Und er bringt uns damit noch unter zusätzlichen Druck."

"Uns? Es freut mich, dass die Starlights uns weiterhin zur Seite stehen", sagte Mamoru.

"Du hast doch hoffentlich nichts anderes erwartet. Wenn meine Prinzessin hier ankommt, soll sie ja auch noch einen Ort vorfinden, der sich zu besuchen lohnt."

"Kann ich mir mein Team selbst aussuchen?", fragte Akira. "Wie viele kriege ich überhaupt?"

"Du kriegst mehrere Spezialeinheiten der Selbstverteidigungsarmee fürs Grobe. Und du kannst dir drei Begleiter des SilverMilleniums aussuchen. Mehr geht nicht. Japan ist groß, und wir müssen überall sein. Wenn es zum Äußersten kommt und Atombomben eingesetzt werden, brauchen wir jeden Krieger."

"Japan ist vor allem schmal, langgestreckt und auf vier Hauptinseln aufgeteilt." Akira rieb sich die Nasenwurzel. "Wie viele Special Forces?"

"Einhundert Mann. Die Besten, die Japan hat."

"Kriege ich Ayoka und Kano?"

"Die beiden Männer sind unsere Feinde", erwiderte Mamoru ernst.

"Kriege ich die beiden? Und ihre Leute? Wenn sie einwilligen, mir zu helfen? Als Special Forces?"

"Du glaubst, sie würden dich unterstützen?", fragte Usagi plötzlich aufgeregt.

"Eventuell werden sie das, wenn ich sie frage. Ich... Usagi, dein Blick gefällt mir nicht."

"Mir übrigens auch nicht", merkte Tomoki an. "Es wirkt so, als hättest du sie auf eine Idee gebracht, Akira."

Usagi strahlte Mamoru an. Der wies sie rigoros ab. "Nein!"

"Aber ich halte es für eine gute Idee..."

"Usagi, nein!"

"Aber ich glaube wirklich, dass..."

"Und ich glaube das nicht!"

"Ich bin sicher, wenn wir ihnen den Ernst der Lage erklären, werden einige von ihnen bereit sein, Japan mit den GunSuits zu verteidigen! Sie sind auf ihnen trainiert, sie werden sich schnell an die Verbesserungen gewöhnen! Sie müssen unsere erste Wahl sein!"

"Usagi!", rief Mamoru entrüstet. "Nicht jeder Feind wird beim ersten Lächeln von dir automatisch ein treuer, sorgender Verbündeter!" Er sah seine Verlobte an, schüttelte den Kopf und sah erneut hin.

Usagi sah schmollend zur Seite. "Die zehn Prozent Ausfallquote."

"Es ist ein Risiko! Was, wenn sie mit der Technologie, unserer Aufrüstung, zum Feind überwechseln?", begehrte Mamoru auf. "Dann sind zwanzig GunSuits zum Teufel."

"Dann geben wir eben nur der Hälfte einen GunSuit und suchen nach anderen Freiwilligen für die anderen zehn. Die aufgerüsteten GunSuits sollen uns doch sowieso nur unterstützen. Die Hauptlast tragen doch ohnehin wir. Wollen wir denn nicht wenigstens fragen?"

Mamoru sah sie wütend an. "Nein, Usagi, nicht mit diesem Blick. Unterstehe dich, zu versuchen, mich weich zu kochen! Ich bin der festen, unumstößlichen Meinung, dass... Dass..." Ein Seufzer, der direkt vom Grunde seiner Seele zu kommen schien, entrang sich seiner Kehle. "Ich hasse es, wenn du das mit mir machst, Schatz."

Freudestrahlend fiel sie ihm um den Hals. "Ich wusste, dass du meinen Standpunkt verstehen würdest! Du bist mein großer Held, Mamoru!"

Teils ärgerlich und teils amüsiert räusperte sich Seiya.

"Und du bist mein zweitgrößter Held."

"Na, immerhin", erwiderte der Starlight.
 

Akira runzelte die Stirn. "Ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir uns an die Arbeit machen sollten. Ich suche Ami auf und rede mit ihr wegen der Geheimdienstinformationen. Es müsste doch möglich sein, mit der überlegenen Technologie der Millenier diese Fabriken zu finden, wenn sie Internet haben. Oder wenigstens aufgrund des Warenflusses oder des Stromverbrauchs. Ich werde versuchen, Kano anzuwerben. Ayoka überlasse ich dir und den GunSuits, Usagie-chan." Er wandte sich um. "Und jetzt verschwinde ich, bevor Ihr anfangt rumzuknutschen und ich neidisch werde."

"Nicht die schlechteste Idee", murmelte Juichiro. "Ich gehe zu Rei, bis die Kapitulationsurkunde eintrifft."

Motoki trat unsicher von einem Bein aufs andere. "Ob ich mich schon mal auf den Weg zum Hauptquartier der Selbstverteidigungsarmee aufmache? Je früher ich einen Überblick bekomme, desto besser. Ja, das mache ich. Das, und ein wenig Komfortzeit mit Makoto."

Schließlich waren sie nur noch zu dritt im Raum. Usagi, Mamoru und Seiya.

"Hast du nicht auch irgend etwas dringendes vor, Seiya?", fragte Mamoru säuerlich.

"Im Gegensatz zu den drei Weicheiern kann ich ertragen, euch küssen zu sehen, ohne rot zu werden. Eifersüchtig, ja, aber sicher nicht rot."

"Verzeihung, aber habt Ihr Akira gesehen? Ich dachte, er wäre hier, und... Oh. Ich hoffe, ich störe nicht", sagte Yaten vom Eingang her.

"Du hast ihn gerade verpasst", sagte Mamoru. "Wenn du Glück hast, findest du ihn bei den Kriegsgefangenen. Ich glaube, er wollte Kenichiro Kano abwerben."

"Ja, das klingt nach ihm. Lasst euch nicht stören." Der Blick des weißhaarigen Starlights ging irritiert zu Seiya, aber der winkte nur ab. "Mir geht es gut", sagte er nur.

Das jedoch steigerte die Irritation des Kleineren nur noch mehr. Also flüchtete er in die Sicherheit dessen, was er beherrschen konnte - die Suche nach Akira.

***

"Danke, Gaion, ich übernehme."

Gaion, braungebrannt und wie immer in seine schwarze Lederhose und die offene passende Weste gekleidet, erhob sich und überließ dem Eintretenden das Verhör und den Gefangenen. "Natürlich, General Iskander."

Der junge Mann mit der uralten Seele setzte sich gegenüber dem Offizier, der den größten Teil der Angriffe auf das SilverMillenium koordiniert hatte und damit die Hauptschuld an seinen Verletzungen trug.

Akira musterte ihn eingehend. "Ich habe gute Nachrichten. Japan hat kapituliert. Das erhöht die Chancen, dass..."

"Wir haben was?", rief Kenichiro Kano erschrocken und sprang auf. Gaion, der hinter Akira stand, trat einen halben Schritt vor, um notfalls eingreifen zu können, falls Kano handgreiflich wurde. Nicht, dass ausgerechnet Iskander als einer der drei Generäle Schutz oder auch nur Hilfe gebraucht hätte.

"Kapituliert. Vollständig. Bedingungslos", erklärte Akira bedächtig und extra langsam.

Fassungslos ließ sich Kano wieder auf seinen Stuhl sinken. Seine Schultern begannen zu zucken, und Gaion nahm an, der Mann würde weinen. Was für ein erbärmliches Schauspiel für einen Soldaten. Andererseits stand der Mann unter enormen Druck und wurde im Herzen ihres Feindes festgehalten. Doch es war ein Lachen. Ein lautes Lachen, das irgendwo in seinem Bauch begann und sich in seiner Kehle entlud. "Dieser Fuchs. Dieser alte Fuchs. Ich hätte es mir denken können. Ich hätte es wissen müssen! Solch ein Werkzeug war ich also." Er schüttelte den Kopf, wie um seine Benommenheit los zu werden, aber er konnte das Grinsen nicht unterdrücken. "Was war ich doch dumm. All die Sorgen, die ich mir gemacht habe, all der Schmerz..." Er sah auf, Akira direkt in die Augen. "Ihre Befehle, Sir."

Nun war es an Akira, irritiert zu sein. "Moment. Ich dachte, ich erzähle erst einmal, dass wir nun die meisten Gefangenen repatriieren, also freilassen. Dann wollte ich lang und breit die Situation schildern, die Schwierigkeit, in der wir stecken, weil wir nun ganz Japan verteidigen müssen, und so... Und dann erst wollte ich Sie fragen, ob Sie mit mir arbeiten wollen."

Kano schüttelte energisch den Kopf. "Wenn Japan bedingungslos kapituliert hat, dann haben Sie jetzt hier das Sagen. Das bedeutet auch, dass Sie das Recht haben, die Selbstverteidigungsstreitkräfte aufzulösen oder komplett zu übernehmen. Ich nehme an, Letzteres ist geschehen. Da ich Offizier der SVS Japans bin, unterstehe ich also Ihrem Kommando, General Iskander."

Nun huschte ein Schmunzeln über das Gesicht Akiras. "Ich glaube, ich verstehe. Das war der Plan Ioris, richtig? Er hat Sie und die GunSuits benutzt, um zu ergründen, ob wir Japan beschützen können. Hätten wir es nicht gekonnt, wären wir vernichtet oder vertrieben worden. Da wir es aber geschafft haben, unsere Kampfkraft zu beweisen, hat er uns den schlechteren Teil des Handels aufgedrängt. Er hatte sicherlich vor, in diesem Fall zu kapitulieren, ob mit oder ohne Kriegserklärung. Notfalls hätte er sie selbst verfasst." Akira drängte sich die Geschichte mit der Conch Republic wieder auf, jene kurze Episode, in der Key West seine Unabhängigkeit von den USA erklärt hatte, gefolgt von einer Kriegserklärung - nur um fast sofort zu kapitulieren und eine Milliarde Dollar für die Reparationen zu fordern. Nun gut, hier ging es um mehr als um eine umstrittene Autobahnmautstelle. Aber der Mechanismus war der Gleiche. Waren sie denn alle nur Spielbälle in den Händen Ioris gewesen? Nun, für das SilverMillenium und für die Bevölkerung Japans, eigentlich für die Menschen in aller Welt, war er gerne ein Spielball.

"Ihre Befehle lauten wie folgt: Finden Sie sich in Ihrer Verfügung ein, bei den Special Forces. Übernehmen Sie das Kommando über die besten einhundert Soldaten und bereiten Sie sie darauf vor, mit den SailorKriegern im Verbund zu kämpfen."

"Ja, Sir. Was sind unsere Ziele?"

Akira lächelte gefährlich böse. "Wir greifen die Welt an."

"Klingt lustig. Ich bin dabei."

Und so, wie Kano es gesagt hatte, war es wie ein Schwur gewesen. Akira zweifelte nicht eine Sekunde an der Loyalität seines Gegenübers. "Gut. Dann muss ich mir nur noch Gedanken über die drei Krieger machen, die ich mitnehmen werde."

***

Irgendwie kam sich Ami Mizuno überflüssig vor. Sie hatte zusammen mit Umino und Taiki die ersten beiden Rüstungen umgebaut und die anwesenden Techniker entsprechend geschult. Nun wurden sie nicht mehr gebraucht, da Umino die Koordination übernommen hatte. Das stellte Taiki und sie frei. Frei für was? Sie fühlte sich etwas benommen, so als wäre sie unsanft geweckt worden, oder als würde sie sich von plötzlichem Schwindel erholen. Technisches Feedback. Sie hatte geträumt. Den Traum von Technologie. Nun war sie unsanft geweckt worden. Und es tat weh.

"Kann ich nicht...?", begann sie, aber Umino winkte sofort ab.

"Nein, keine Sorge, Ami-chan. Wir kommen zurecht. Du und Taiki könnt euch euren anderen Aufgaben widmen."

"Tu was er sagt", sagte Naru, die wie immer in seiner Nähe zu finden war. "Wenn er sagt, er hat alles im Griff, wäre es verschwendete Zeit, hier herum zu stehen. Ich bleibe hier und passe auf, dass er nicht vergisst zu essen, zu trinken und zu atmen."

"Zu atmen?"

"Zu atmen", sagte Naru, und es klang nicht nach einem Scherz.

"Oh." Ami wandte sich Taiki zu. "Was steht denn auf unserem Plan?"

"Ich würde eine Mahlzeit vorschlagen", sagte er. "Einen schnellen Happen, bevor uns die nächste wichtige Aufgabe ereilt, Ami."

Die Tür ging auf, und Hotaru rauschte herein. Die Hotaru aus der Zukunft. "Ach, hier steckt Ihr, Ami, Taiki. Wisst Ihr schon das Neueste? Japan hat kapituliert, und wir haben jetzt das Oberkommando über die Landesverteidigung. Akira wurde befohlen, ein Team zusammen zu stellen, das die GunSuits-Fabriken in aller Welt vernichtet, und du sollst ihn dabei geheimdienstlich unterstützen, Ami-chan."

"Na, das ging ja schnell", murrte Taiki. "Wir sind nicht mal dazu gekommen, auch nur einen Schritt in Richtung Küche zu machen."

"Was?" Ami schreckte auf. "Entschuldigung, Taiki. Hotaru-chan, ich habe nach Kapitulation nichts mehr mitgekriegt. Wir haben gewonnen? War es geplant, das wir gewinnen?"

Hotaru seufzte und wiederholte ihren Bericht. Etwas ausführlicher, diesmal.

"Und jetzt lasst uns keine Zeit verlieren. Wir müssen los."
 

Zur gleichen Zeit, ein paar Meter entfernt, war ein ähnliches Gespann unterwegs. Akira, begleitet von Yaten und Usa-chan, die man nun unmöglich Chibi nennen konnte. An ihr war nichts mehr Chibi, und Akira fragte sich besorgt, ob so ein Gedanke überhaupt erlaubt war. Er rauschte auf die nächste Ecke zu, in Gedanken schon im Gespräch mit Ami. Mit ihren Möglichkeiten musste es doch sicher machbar sein, dass...

"Darf ich am Angriffsteam teilhaben?", fragte Usa-chan unvermittelt.

"Was?" Erschrocken sah Akira zurück, ohne jedoch stehen zu bleiben.

"Du weißt, ich bin ebenso stark wie Mutter. Vielleicht sogar noch stärker, man weiß es nicht. Ich wäre dir eine große Hilfe."

Akira bedachte einige Möglichkeiten, darunter das des Zeit-Paradoxons. Aber war nicht alles, was Usa-can tun oder lassen würde, längst geschehen? Oder würde geschehen sein?

"Wirst du denn am Einsatz teilnehmen?", fragte er direkt.

Die junge Frau sah verärgert zu Boden. "Nein", gestand sie. "Ich werde hier bleiben und Mutter helfen, die letzte Verteidigungslinie zu errichten."

Akira lächelte sie an, während er um die Ecke fuhr. "Ich hätte deine Hilfe gerne angenommen. Ich hoffe, das weißt du."

Sie lächelte, nicht auf eine niedliche, aber dafür erwartungsvolle Art. "Ich weiß. Ich weiß einiges."
 

"Und wo finden wir Akira, Hotaru-chan?", fragte Ami, halb laufend in Richtung der Ecke zu den Fahrstühlen unterwegs.

Hotaru zuckte die Achseln. "Soweit ich weiß, sollte er gerade dabei sein und General Kano... Ich meine Major Kano dazu überreden, die Seiten zu wechseln und bei uns einzusteigen. Jetzt etwa in diesem Moment wird sich Vice-General... Ich meine Major Ayoka bereit erklären, für uns ein Zehn Mann-Team aus seinen Leuten in den verbesserten GunSuits zu führen, um Japan und die Welt zu retten."

"Gut. Also die Verhörräume." Entschlossen beschleunigte sie ihren Schritt.

"Jetzt weiß ich wenigstens, warum du so schlank bleibst, so viel wie du läufst", scherzte Taiki.

Ami sah errötend zurück., während sie um die Ecke schoss.
 

"Was passiert, wenn sich zwei fest Körper auf einander entgegengesetzten Richtungen befinden und miteinander kollidieren?", scherzte Usa-chan.

"Das weißt du doch", tadelte Hotaru. "Die Energie des schwereren, sprich massereicheren Objekts geht auf das masseärmere Objekt über. Der Effekt ist umso stärker, je größer der Masseunterschied ist."

"Warum ist Objekt zwei dann nicht abgeprallt wie ein Gummiball?"

Hotaru grinste frech. "Weil Objekt zwei eine höhere Geschwindigkeit hatte. Daher mehr Masse."

Das Ziel ihrer Studien waren Ami und Akira. Natürlich waren sie beide ineinander gelaufen, kaum dass sie ohne zu schauen um die Ecke gerast waren - beide.

Ami war leicht zurückgeprallt, und Akira hatte automatisch zugegriffen, um sie nicht stürzen zu lassen. Der Griff war stärker als notwendig gewesen, und so hatte er Amis Oberkörper zu sich gezogen. Etwas zu sehr. Schließlich waren sie mit den Gesichtern aufeinander geprallt, genauer gesagt mit den Lippen, und hatten sich eher unfreiwillig geküsst. Das Kuriose war nicht dieser unglaubliche Zufall, dass sie gegenseitig ihre Lippen getroffen hatten, sondern das sie fast eine geschlagene Minute in dieser Pose verharrten.

"Nun ist aber genug!", sagte Taiki aufgebracht. "Wir haben ja schon kapiert, also löst euch endlich!"

Entsetzt spritzten die beiden auseinander. Die Röte schoss Akira in die Wangen. "Tu-tut mir leid, Ami. Ich wurde abgelenkt!" Ein taxierender Blick traf Usa-chan, die aber nur frech zurücklächelte und mit Zeige- und Mittelfinger der Rechten das Victory-Zeichen formte.

"E-es muss dir nicht leid tun. Wir sind ja nur ineinander gelaufen." Röte schoss auch in ihre Wangen und verlegen sah sie fort. "U-und ich wurde ja auch abgelenkt. U-u-und du hast mich ja aufgefangen, und so."

"Und geküsst", soufflierte Hotaru.

"U-und geküsst... Hotaru-chan!"

Verlegen klopfte Akira seine Fingerspitzen aufeinander. "Das tut mir übrigens überhaupt nicht leid."

"Was?", fragte Ami.

"Schon gut. Dich habe ich übrigens gesucht. Hast du schon gehört? Japan hat kapituliert. Ich habe jetzt die Aufgabe bekommen..."

"Ja. Die GunSuit-Fabriken weltweit zu vernichten. Hotaru hat es mir schon gesagt."

Die junge Frau aus der Zukunft, griente fröhlich und imitierte einen militärischen Salut.

"Ich soll dich unterstützen, Informationen über die Fabriken zusammen zu tragen."

"J-ja. Wenn, dann will ich auch mit der Besten zusammen arbeiten. Wenn ich mich schon ins Ungewisse wage."

"D-danke für das Kompliment, Akira", hauchte sie mehr als das sie es sagte. Vorsichtig sahen sie einander an, nur um wieder fort zu sehen, als wären sie bei etwas Unanständigem ertappt worden.

"Wir... Wir sollten in den Konferenzraum gehen. Ich... Ich muss mir noch drei SailorKrieger als Begleiter aussuchen. Das wird wichtig sein für die Einsätze."

"Ja", stimmte sie zu. "Ja, das wird wichtig sein. Schade, dass ich dir nicht werde helfen können. Rei, Makoto, Minako und ich müssen hier bleiben, um notfalls die letzte Verteidigungslinie mit Usagi errichten zu können. Den ultimativen Schutzwall."

"Ja. Schade." Seinem Gesicht war anzusehen, dass er sie niemals freiwillig mitgenommen hätte. Nicht noch einmal würde er diese Frau einer Gefahr aussetzen. Nicht, wenn er es verhindern konnte.

Yaten starrte die zwei ein wenig sprachlos an. "Okay...", kam es gedämpft aus seinem Mund. Er sah zu Taiki herüber, der nur resignierend seufzte. "Okay... Vielleicht sollten wir uns dann langsam mal in Bewegung setzen. Oder habt Ihr vor, hier im Gang zu recherchieren?"

"Nein", sagte Akira hastig. "Natürlich nicht. Nach dir, Ami."

"Danke. Wie immer ein Gentleman." Sie ging an ihm vorbei in Richtung Aufzüge, Taiki direkt hinter ihr. Hotaru folgte dichtauf und tätschelte dem General gönnerhaft die Wange. Das irritierte ihn nur noch mehr.

"Zusammen gehen bedeutet, das wir folgen, Akira", sagte Usa-chan fröhlich und hängte sich an seinen rechten Arm, um ihn zu den Aufzügen zu ziehen.

"I-ich auch!", rief Yaten und hängte sich an den anderen Arm.

Und so begann die Rettung Japans und der Welt.

Zugabe: Selbstverteidigung

7.

Superintendent General Hiroshi Matsumoto hatte das Glück der späten Geburt; er war der erste Oberkommandierende der Selbstverteidigungsstreitkräfte Japans, der nicht mehr im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte. Allerdings war er ein Kind der Mangeljahre der Nachkriegszeit und hatte aus erster Hand erfahren, welches Leid Krieg über die Zivilbevölkerung brachte. Er hatte auch viel darüber gelernt, welche Gräuel der Krieg anzurichten vermochte, und er hatte - was für den Nachfahren einer alten Samurai-Familie durchaus nicht selbstverständlich war - einen sehr kritischen Blick auf die Kämpfe der japanischen Truppen im Weltkrieg und ihre Handlungen an der Zivilbevölkerung der Länder China und Korea, die man oftmals treffend mit Mord umschreiben konnte. Er hatte sein Leben dem Versuch gewidmet, es nie wieder zu einem Krieg kommen zu lassen, in den Japan verwickelt werden würde. Viele Politiker hatten ebenso gedacht, sodass Japan im Korea-Krieg, der zum Stellvertreterkrieg zwischen Kommunisten und Kapitalisten geworden war, lediglich als passiver Teil aktiv gewesen war.

Er war nun fünfundsechzig Jahre alt, und es hätte nicht mehr viel Zeit gefehlt, bis er sich ehrenvoll in den eigenen Augen und denen der Öffentlichkeit auf sein Ruheteil hätte zurückziehen können. Er hätte viel dafür gegeben, nie wieder Krieg in seinem geliebten Heimatland zu sehen. Zumindest nicht während seiner Amtszeit, obwohl das ein ziemlich blasierter Wunsch war. Ein egoistischer obendrein.

Nun konnte er nicht mehr entkommen. Siebenundvierzig Jahre in der Armee, davon fünfzehn an der Spitze der Streitkräfte, holten ihn heute ein, und Japan wurde in einen Krieg gezogen, den es nicht wollte. Diesmal ging es nicht um Land, um Rohstoffe oder um Handelsrouten. Es ging um die Millenier, auf deren Technologie die Welt ihre begehrenden Augen gerichtet hatte. Es ging um Prinzessin Serenity, die mit ihrer herzerfrischenden, manchmal naiven, aber stets zielsicheren Art Frieden in die Welt getragen hatte, also moralische Instanz, vor der keine Ausreden lange Bestand hatten. Es ging darum, dass Frieden für viele börsennotierten Unternehmen - vor allem bei weltweit agierenden Unternehmen - zu Umsatzeinbußen führen würden. Was ihr siebenprozentiges Wirtschaftswachstum pro Jahr behinderte, die Rendite an die Aktienbesitzer minderte und sie damit in Schwierigkeiten bringen würde. Selbstgemachten Schwierigkeiten, aber Firmen in dieser Preislage war es nicht erlaubt, auch nur zu ahnen, was das Wort Menschlichkeit bedeutete. Auf blanke Zahlen reduziert waren sie nichts weiter als Geldverdienmonster, die sich selbst, ihren Arbeitern und der ganzen Welt schreckliche Dinge antaten. Nun waren sie also nach Japan gekommen, um einerseits den Technologievorteil der Millenier zu beanspruchen, und andererseits die große Gefahr Serenity auszuradieren...

Eigentlich hätte er Angst haben müssen. Eigentlich hätte er nervös auf und ab marschieren müssen. Eigentlich hätte er in Panik und Wahnsinn, aus Angst vor einem Atomschlag, der ganz Tokio, vielleicht ganz Japan auslöschen würde, sein Büro in Trümmer legen müssen. Er tat es nicht. Er fühlte keine Angst, keine Panik. Da war nur... Zufriedenheit. Neugierde. Vertrauen. Die Millenier, allen voran die SailorKrieger, hatten die Welt gezwungen, offen zu legen, was sie wollte und wie sie angreifen würde. Er hatte wie Millionen andere, vielleicht Milliarden weltweit, gesehen, wie ein einziger Krieger des SilverMilleniums die Raketen der Kampfjets wie lästige Fliegen abgewehrt hatte, ohne das es zu einer Explosion gekommen war. Da hatte er gewusst, dass die Millenier mächtiger waren als die Truppen jedes Staates der Erde. Und er hatte gewusst, das sie ihr Heimatland nicht im Stich lassen würden. Außerdem hatte er in dem Moment, in dem er gehört hatte, das Iori die Kapitulationsurkunde unterschrieben hatte, gewusst, was für ein durchtriebenes Spiel der Premierminister gespielt und gewonnen hatte.

Nein, er hatte keine Angst. Nicht mehr. Er war gespannt darauf, was die Zukunft bringen würde. Eine spannende, aufregende, und hoffentlich friedliche Zukunft.

So saß er also in seinem Büro, umgeben von seinem Generalstab, den Chefs von Heer, Marine und Luftwaffe und deren wichtigsten Beratern sowie einer Schar ausgewählter kommandierender Admiräle und Divisionskommandeure, und wartete auf die neuen Hausherren.

Allerdings waren weder er noch einer seiner Leute auf den großen, den ganz großen Auftritt vorbereitet, den die Millenier inszenierten. Den ein Millenier inszenierte.
 

Es begann mit einem leichten Luftzug vor dem Schreibtisch, der zu einer Art Wirbel wurde. Der Wirbel verfärbte sich bläulich, und daraus trat ein blonder Mann in der Generalsuniform des Milleniums hervor, begleitet von einem Bodentruppenoffizier mit Majorsabzeichen.

"Entschuldigen Sie bitte, Matsumoto-sama", sagte der General lächelnd, "aber ich habe mir erlaubt, einen Gang von der Botschaft direkt in Ihr Hauptquartier zu treiben. Wir können ihn benutzen, um die Wege kurz zu halten. Oh, bevor Sie fragen, jeder kann ihn benutzen. Es ist eine Art Wurmlocheffekt. Na ja, kein richtiges Wurmloch, aber wenn Sie es Wurmloch nennen, dann kommen keine unnützen Fragen auf.

Verzeihung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt."

"Das ist ja wohl auch kaum notwendig, Furohata-sama", sagte der General mit donnernder Stimme. "Oder soll ich vielmehr sagen: General Gyes-sama?"

"Sprechen Sie mich an wie Sie wollen, aber bitte lassen Sie das Suffix weg. Ich mag die Inkarnation eines Generals des SilverMilleniums sein und mehr Schlachten gesehen und geleitet haben als jeder von Ihnen zusammen, aber meine strategischen Fähigkeiten gelten komplett anders ausgerüsteten Armeen, und mein Kampfstil bezieht sich auf meine Sailor-Kräfte, die kein Soldat Japans hat. Da wir aber die Selbstverteidigungsarmee Japans einzusetzen gedenken, bin ich auf Sie angewiesen. Sie alle kennen Ihre Leute am Besten, kennen Ihre Strategien und Taktiken. Ich bin vor allem hier, um unsere Krieger und Ihre Krieger zu koordinieren, dafür zu sorgen, dass sie zum optimalen Nutzen unserer Verteidigungsbemühungen eingesetzt werden."

"Sie begehen da einen frappierenden Denkfehler, Gyes-sama", erwiderte Matsumoto. "Es sind nicht meine oder unsere Leute - wir sind jetzt Ihre Leute. Und wir richten unser Wissen und unser Vertrauen auf Sie und die anderen Generäle."

Der alte Mann beugte sich ein wenig vor. "Kano, man hat mir von Ihrem Kommen berichtet. Gehen Sie sofort in Ihre Verfügung und suchen Sie die einhundert Spezialkräfte aus, die General Iskander benötigt. Sobald er hier eintrifft, soll er sie bereit vorfinden, mit Ihnen an der Spitze."

Kano salutierte bestätigend.

"Das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben, Gyes-sama."

Motoki Furohata grinste gefällig. "Sie werden es merken, wenn Sie Entscheidungen treffen, die mir missfallen, Matsumoto-sama. Ansonsten lasse ich Ihnen freie Hand, und ich glaube, ich fahre ganz gut damit. Gehen Sie, Kano. Iskander ist einer von der fixen Sorte. Er kann jede Sekunde hier eintreffen."

"Jawohl, General." Er salutierte erneut, diesmal aber für den ganzen Raum, dann trat er ab. Kaum hatte er das Büro verlassen, hörte man ihn laufen.
 

"Ein guter Junge. Ich wünschte, Iori hätte ihm nicht so viel schlimmes antun müssen. Aber es ging ja alles gut aus. Kuroda, bitte befördern Sie ihn. Für den Oberbefehlshaber der Angriffsstreitmacht der Special Forces ist Oberst sicher der angemessene Rang. Übrigens, dies sind die Generäle Kuroda, Oberinspektor des Heeres, Fushida, Oberinspektor der Luftwaffe, und Admiral Yamamoto, Oberinspektor der Marine." Im gleichen Atemzug stellte er auch die Offiziere in ihrer Begleitung vor, aber er rechnete nicht damit, das der General des Mondes alle Namen auf einen Schlag behielt.

Motoki schüttelte jedem einzelnen die Hand. "Gut. Gehen wir in den Besprechungsraum und reden wir darüber, was wir brauchen, und was wir zusammen bewirken können."

"Natürlich, Gyes-sama."

Im Besprechungraum herrschte erwartungsvolle Stille, während Gyes das erste Mal die Stimme erhob. "Sie wissen davon, das der amerikanische Präsident geflohen ist?"

"Ja. General Young hat stellvertretend für ihn den Oberbefehl für alle US-Basen in Japan und Südostasien übernommen. Er kooperiert in vollem Umfang mit uns und hat sich meinem Befehl unterstellt. Ich habe ihm vorgeschlagen, das er sich Ihnen direkt unterstellen soll, General Gyes-sama, aber das hat er abgelehnt, weil wir gerade jetzt sichere Strukturen brauchen. Und, wie Sie schon erwähnten, wir sind es, die unsere Truppen kennen."

"Kein Einwand meinerseits. Bitte klären Sie mich auf. Über welche Truppen verfügt Japan in diesem Moment, und wie sind sie ausgerüstet?"

Matsumoto nickte. "Ich werde dazu gerne ins Detail gehen. Vorab aber eine wichtige Information. Wir sind eine Selbstverteidigungsarmee, also auf Defensive ausgelegt. Wir sind auch darauf ausgelegt, Raketenangriffe aus Nord-Korea abzufangen, bevor sie unser Staatsgebiet erreichen können. Daher haben unsere Piloten besonderes Anti-Raketentraining, und wir verfügen über überdurchschnittlich viele Anti-Raketensysteme. Die meisten von ihnen können keine Interkontinentalraketen abfangen, bevor sie nicht in die Tropospause zurückkehren, aber alles was zehn Kilometer Höhe erreicht, ist für sie ein Ziel. Ausfallquote zwei Prozent."

"Machen Sie sich über durch die Stratospause oder gar die Mesosphäre geschossene Raketen in achtzig oder hundert Kilometer Höhe keine Sorgen. Wir werden Beiboote des Seelenschiffs über Japan platzieren. Sie werden jeden Interkontinentalraketenangriff vereiteln. Zu einhundert Prozent", sagte Motoki lächelnd. "Die Mittelstreckenraketen und die präzisen Systeme wie das amerikanische Tomahawk-Raketensystem sind unser Problem."

Erstaunt sah Matsumoto auf. "Das Seelenschiff hat Beiboote? Warum wissen wir nichts davon?"

"Wir hatten keine Veranlassung, um sie einzusetzen. Bis jetzt", erwiderte Motoki. "Es waren interne Angelegenheiten des SilverMilleniums, aufgehoben für einen Fall wie diesen. Finden Sie es nicht auch nützlich, dass die Staaten der Welt auch keine Ahnung davon haben, das wir Japan aus dem Weltraum heraus schützen können?"

Die verblüfften Gesichter verzogen sich zu breitem Grinsen, und nach und nach fielen die Männer und Frauen an zu lachen. "Je mehr Zeit vergeht, desto sicherer bin ich mir, dass der Premierminister eine richtige Entscheidung getroffen hat", sagte Matsumoto glucksend. "Also gut, wir klären Sie über unser Material und die Truppen auf. Wer will anfangen? Admiral Yamamoto?"
 

Der noch recht junge Karriere-Offizier mit dem Namen, der ihm viel zu groß zu sein schien, nickte entschlossen. "Gerne, Matsumoto-sama. General Gyes-sama, die Marine Japans unterhält fünfundvierzigtausend Männer und Frauen unter Waffen. Sie bemannen vierundvierzig Zerstörer verschiedener Klassen, sechs Lenkwaffenzerstörer, einundzwanzig Unterseeboote verschiedener Klassen, keines davon atomar betrieben, sowie fünfundvierzig unterstützende Einheiten wie Minenräumer und Patrouillenboote. Hinzu kommt der in diesem Jahr fertig gestellte Hubschrauberträger Soryukaze, der speziell für Unterstützungsaufgaben und die Raketenabwehr eingerichtet ist. Wir sind eher defensiv ausgelegt, dafür aber auch in der Lage, ein Bollwerk zu bilden, ein Bollwerk gegen Raketen und Landungsoperationen. Zudem sind wir darauf spezialisiert, den U-Boot-Krieg zu führen, um Dieselbetriebene und atomar betriebene Raketenträger aufzuspüren und abzuwehren."

"Danke, Admiral. General Fushida?"

"Gerne. Japan verfügt über rund vierhundertzwanzig militärische Flugzeuge, davon dreihundertachtzig in dreizehn Geschwader organisierte Kampfeinheiten, sprich Jagdflugzeuge. Zehn Geschwader sind für den Luftkampf optimiert, drei für die Bodenunterstützung."

"Danke, General. General Kuroda?"

Der älteste Mann der Runde verbeugte sich, bevor er zu sprechen begann. Dabei verneigte er sich so lange und tief, das Motoki Verlegenheitsröte über die Wangen schoss.

"Verzeihung, General Gyes-sama, ich kann Ihnen keine komplette Aufstellung liefern. Mein Stab wird die nachreichen. Sie müssen sich bis dahin mit dem Gedächtnis eines alten Mannes zufrieden geben müssen."

Abwehrend hob Motoki die Arme. "Ein kurzer Überblick reicht mir vollkommen, General Kuroda-sama."

Der alte Mann verneigte sich erneut. "Japan unterhält einhundertfünfzigtausend Männer und Frauen in seinem Heer. Als primäre Last teilen wir uns in zwölf Divisionen auf, die teils als Division, teils als Brigade organisiert sind und auf fünf Teileinheiten aufteilt. Auch hier gilt, das wir auf Abwehr spezialisiert sind. Wir sind das Bodenbollwerk Japans. Etwa ein Drittel von ihnen ist in Panzereinheiten organisiert, die rund sechshundert Kampfpanzer und zweihundert Artilleriepanzer umfasst. Ein weiteres Drittel betragen unsere berittene Infanterie, unsere Pionierabteilungen und unsere Heeresfliegertruppe. Das letzte Drittel teilt sich in die Raketenabwehreinheiten, Nachschub, Stabsdienst und Spezialeinheiten auf. Wir nennen die fünf Teileinheiten Nordarmee, Nordostarmee, Mittelarmee, Westarmee und Ostarmee. Mein Stab bereitet in diesem Moment Diagramme vor, die die Stellungen der Armeeverbände erfassen werden, die sie in diesem Moment einnehmen werden, um Japan zu verteidigen."

"Hm", machte Motoki nachdenklich. "Welche Armee ist die Ihrer Meinung nach stärkste, Kuroda-sama?"

"Die Nordarmee. Sie hat drei Divisionen zur Verfügung, und eine hochmoderne Ausrüstung, General Gyes-sama. Wir haben hier Jahrzehntelang mit einer Invasion Russlands gerechnet", erklärte der alte Mann mit Stolz in der Stimme.

"Gut, ich werde das berücksichtigen." Gyes sah in die Runde. "Das klingt doch viel versprechend, meine Herren. Das bedeutet für mich eine solide Basis, auf der ich aufbauen kann. Anhand der Einsatzpläne werden General Leth und ich entscheiden, wo wir welchen unserer Millenier einsetzen. Ich erwarte volle Kooperation, meine Damen und Herren."

"Selbstverständlich." Matsumoto nickte gewichtig. "Ich nehme an, das Leth-sama damit der Shogun ist, unser Oberkommandierender?"

Motoki stockte für einen kurzen Moment, bevor er nicken konnte. "Ja, das bedeutet wohl, das Leth die Pflichten eines Shoguns übernommen hat. Und glauben Sie mir, kein anderer hat so viel und so erfolgreich gekämpft wie Leth."

Er hielt erneut inne, und sah ins Rund, in die Gesichter der Offiziere, der Menschen. "Ich denke, das wir zusammen, also wir Millenier und die Selbstverteidigungsstreitkräfte Japans, es schaffen werden, dieses Land zu beschützen."

"Keiner von uns zweifelt daran, sonst wären wir jetzt nicht hier", sagte Matsumoto mit ernster Stimme.

"Gut", erwiderte Motoki, und in diesem einen Wort lag so viel Gewicht, so viel Versprechen, so viel Schwur, das der alte Matsumoto erschauderte vor Erwartung und Spannung. Die Welt war interessant in letzter Zeit.

***

Als Yuichiro eintrat, geschah etwas, was ihm nicht oft passierte: Er war maßgeblich irritiert. Kaum das er hereingekommen war, hatten sich alle Anwesenden erhoben. Nun, zumindest neunzig Prozent. Der Rest saß isoliert und mit sauren Mienen in einer Ecke und würdigte die Mehrheit keines Blickes.

Ayoka stand ganz vorne in der Reihe und vollführte einen Salut, der einem Westpoint-Kadetten Ehre gemacht hätte. "General Leth, ich melde die Einsatz- und Unterstützungstruppe SilverMillenium für einsatzbereit!"

Angenehm berührt gab er Garalion, der ihn begleitete, einen Wink, und der eher kleine Millenier hielt sich bis auf ein breites Grinsen zurück.

"Bitte erklären Sie sich, Agent Ayoka", forderte Leth, mühsam darum kämpfend, nicht ebenfalls breit zu grinsen.

"Sir, wir sind umfassend informiert worden. Das Gros der Offiziere und Mannschaften stammt aus den USA und Japan. Dazu haben sich etliche unserer russischen und europäischen Verbündeten angeschlossen. Die Japaner stehen ohnehin formell unter Ihrem Befehl, Leth-sama, und wir Amerikaner. Zumindest jene, die sich zu unserem Oberbefehlshaber bekennen, und nicht zu den Meuterern im Pentagon."

"Äh..." Für einen Moment war Yuichiro verwirrt. "Gab es denn schon Befehle?"

"Ja. Wir sehen sie aber nicht als bindend an. Wir wurden bereits über die Flucht des Präsidenten von General Young informiert. Als auf dem GunSuit ausgebildete Piloten und für die Arbeit am GunSuit ausgebildete Techniker bieten wir Ihnen hiermit unsere Hilfe im vollen Umfang an."

"Dann sehe ich keinen Grund dafür, Sie länger hier zu behalten. Alle die bereit sind, dieses Land vor der Vernichtung zu retten, bitte ich, mir zu folgen."

Interessanterweise befand sich Doktor Ang Suun, der Chefwissenschaftler, in dieser Truppe, Direktorin Douglas jedoch nicht.

"Sie haben den Mann gehört, Sergeant Kelly. Wir treten ab."

Die blonde Frau neben ihm nickte. "Jawohl, Sir! Kompanie rechts um! Ohne Tritt Marsch!"

Die fast zweihundert Männer und Frauen, ausgenommen die Offiziere, immerhin beachtliche fünfzehn Männer und Frauen, verließen den Raum. Die Offiziere folgten ihnen auf dem Fuß, und lediglich Ayoka und Yuichiro blieben noch einen Moment zurück.

"Sie werden repatriiert werden, noch in dieser Stunde", versprach der General den Zurückgebliebenen. "Wir bringen Sie zu Ihren Botschaften."

Einer der Männer, auf seiner Schulter prangte der Union Jack, erhob sich plötzlich. In seinem Gesicht arbeitete es, als er langsam näher trat. "Sir, Lieutenant Junior Grade Josh Wicksworth, Navy ihrer Majestät. Wie ich hörte, bereiten Sie sich auf die Möglichkeit eines Angriffs mit Atomraketen vor."

"Ja, die Möglichkeit besteht", sagte Yuichiro ernst.

Die Hände des Mannes öffneten und schlossen sich. "Sie meinen wirklich Kernwaffen? Mit der zwanzigfachen Zerstörungskraft von Hiroshima? Dutzend- oder hundertfach?"

"Mit wie vielen Raketen sie angreifen werden weiß ich nicht. Aber wenn sie angreifen, dann wird die Botschaft ihr Ziel sein. Damit wird das gesamte Umland in Mitleidenschaft gezogen werden."

"Also der Großraum Tokio", sagte er mit knirschenden Zähnen.

"Ja." Es gab keinen Grund für den General, die Situation zu beschönigen.

"In dem Fall, Sir, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, das ich den Einsatz von Kernwaffen für einen terroristischen Akt halte. Ich stelle mich selbsttätig unter Ihr Kommando."

"Das ehrt Sie, Lieutenant, aber Sie müssen nicht zum Deserteur werden."

"Mit Verlaub, aber Sie werden jeden Mann brauchen können, sobald der Tanz hier los geht. Sie werden gegen einen ganzen Haufen Rüstungen kämpfen, und letztendlich wird jeder, der zumindest Gefangene aus abgeschossenen Rüstungen schälen kann, für Sie wertvoll sein."

Nun war es an Leth, zu zögern und zu hadern. Schließlich nickte er. "Kommen Sie mit, Lieutenant."

"Danke, Sir!", rief der Mann erfreut.

Nun sprangen weitere Männer und Frauen auf, sechs insgesamt. Drei Chinesen, eine Russin und zwei weitere Briten. Zurück blieben dreizehn verbissen dreinschauende US-Amerikaner, die vielleicht einfach nicht mehr wussten, was richtig und was falsch war.

Yuichiro verließ den Saal als Vorletzter, Garalion als Letzter.

***

Etwa zur gleichen Zeit saßen Akira und seine zukünftigen Begleiter in einem Arbeitsraum und lauschten Amis Ausführungen, die auf den Erkenntnissen der Millenier, den Informationen des US-Präsidenten und Geheimdienstinformationen Japans beruhten.

Er hatte seine Krieger zusammen gestellt, und zu seinem maßlosen Erstaunen hatte er die vielleicht besten für diesen Job bekommen. Hotaru hatte sich bereit erklärt, mitzugehen, nicht ohne zu erwähnen, das er die Geschichte verändern würde, wenn er sie hierließ.

Dann hatte Yaten gedrängelt, um mitkommen zu dürfen. Da der Starlight - im Moment in der ursprünglichen Form einer Frau, was Akira immer ein klein wenig unruhig machte - sich als großartiger Kämpfer erwiesen hatte, musste der General nicht lange überredet werden. Was ihm einen wütenden Blick von Ami eingebracht hatte, den er sich nicht erklären konnte. Was hatte er getan, um das zu verdienen?

Der letzte Rekrut in der Runde war Pyramon selbst, der ehemalige Navigator des Seelenschiffs und erster Minister unter Prinzessin Serenity.

Mit ihm selbst waren hier vier besonders mächtige Krieger versammelt, und die Mächtigste war das schlanke kleine Mädchen mit der Kraft, ganze Planeten zerstören zu können.
 

"Unser erstes Angriffsziel ist die Fabrik in den USA", dozierte Ami. "Dank eines Whistleblowers sind wir über Lage und Verteidigung der Fabrik informiert. Er unterstützt weiterhin den geflohenen Präsidenten, der offiziell noch im Weißen Haus residiert, da es ebenso offiziell keinen Militärputsch gegeben hat. Das Gerücht über seine Flucht beginnt sich aber über das Internet zu verbreiten. Aber noch ist er nicht in Sicherheit. Die USS Lincoln hat seine sichere Ankunft noch nicht vermeldet, und solange das nicht der Fall ist... Aber ich schweife ab."

Hinter Ami entstand eine Karte. "Das, was Ihr hier seht, ist Amerikanisch-Samoa, also ein US-Protektorat in moderater Entfernung zu uns. Die Fabrik steht auf der der Hauptinsel Tutuila vorgelagerten Mini-Insel Aunu'u. Die Fabrik befindet sich im erloschenen Vulkan der ohnehin spärlich besiedelten Insel."

"Erinnert mich an James Bond", sagte Akira. "Da war doch mal was mit einer Raketenbasis im japanischen Inselreich, die sich unter einem falschen Kratersee erstreckt hat."

"So in der Art kannst du das sehen", sagte Ami, und fügte schnippisch hinzu: "Allerdings bist du nicht James Bond."

"Nein, ich bin viel besser dran. Statt einem hübschen Mädchen begleiten mich gleich zwei", witzelte er, und kassierte dafür einen weiteren bösen Blick der jungen Frau.

"Die musst du allerdings teilen, Akira", mahnte Pyramon lächelnd.

"Bitte kein James Bond-Ende", sagte Hotaru und hob abwehrend beide Hände. "Nicht, das Ihr zwei nicht auf eure ganz eigene Arten wirklich lieb und attraktiv wärt, aber mein Freund hätte da sicher was dagegen."

"James Bond-Ende?", fragte Yaten.

"Kennst du James Bond nicht? Den berühmten Geheimagenten ihrer Majestät, der britischen Königin?" Tadelnd sah Hotaru die Außerirdische an. "Das ist doch Allgemeinwissen. Eigentlich."

"Wenn es nicht im japanischen Fernsehen lief, wird es mir entgangen sein", erwiderte sie. "Also kläre mich auf. Was ist ein James Bond-Ende?"

Hotaru zwinkerte ihr zu. "Der große Held besiegt den Bösen, und anschließend kriegt er das Mädchen. Und damit meine ich nicht nur ein kleines Küsschen, sondern eine ordentliche..."

"Hotaru!", rief Ami aufgeregt.

"Aber ist doch wahr!", murrte sie unzufrieden. "Außerdem sind wir ja alle reife, erwachsene und aufgeklärte junge Menschen, die sich nicht vor so einem bisschen Sex im Fernsehen fürchten!"

"Hotaru, können wir bitte, bitte zum Thema zurückkehren?", bettelte Ami verzweifelt. "Yaten, ist dir nicht gut? Du bist so rot im Gesicht."

"M-mir geht es gut! Ahahaha. Ich bin eine abgeklärte und erfahrene Frau. So ein bisschen Gerede über Sex im Fernsehen bringt mich doch nicht aus der Ruhe! Hahahaha!" Sie senkte den Kopf und seufzte leise. "Bleibt ja auch nur beim Gerede. Also gut, mach weiter. Was wissen wir über die Anlage?"

Ami Mizuno atmete sichtlich erleichtert auf. "Danke, Yaten. Es handelt sich um einen kompakten Industriekomplex auf zwei Stockwerken mit Unterkünften, Produktionshalle und Büros. Gefertigt wird auf beiden Etagen in fünfhundert Arbeitsschritten an vier parallel laufenden Produktionsstraßen. Der Ausstoß beträgt vierzig Rüstungen pro Tag, wobei die Produktion dankenswerterweise erst vor wenigen Tagen angefahren wurde. Die bisherigen GunSuits, mit denen wir zu tun hatten, waren eigentlich nicht mehr als Prototypen und Testprodukte."

"Aha. Wir waren also nur eine Testreihe der Stiftung Warentest Massenmord", witzelte Akira gehässig.

"Damit hast du durchaus Recht", sagte Ami. "Und anhand der Daten, die wir ihnen geliefert haben, haben sie ihre Produktion verbessert."

Pyramon hob wie ein Mittklässler die Hand. "Das bedeutet, wir rechnen mit wie vielen Rüstungen auf Samoa? Und mit wie vielen Rüstungen in den anderen Fabriken?"

"Im Idealfall mit keiner einzigen, beziehungsweise den Rüstungen, die das Wachpersonal trägt, weil die anderen bereits für den Angriff auf Japan in Position geschafft wurden. Im ungünstigsten Fall vielleicht mit zweihundert, vielleicht mit dreihundertzwanzig. Der Präsident wurde über den Start der Massenproduktion nicht mehr informiert, daher können wir nur Vermutungen anstellen."

"Eieieieieiei", kam es von Akira. "Die ursprünglichen Rüstungen waren schon übel, aber verbessert werden sie nicht harmloser sein."

"Du sagst es. Zum Beispiel gehen wir davon aus, das nun alle Modelle flugfähig sein werden, da die Rüstungen, die es beim Angriff auf uns nicht waren, eklatant versagt haben. Zu geringe Mobilität", sagte Ami ernst. "Insgesamt rechnen wir mit einer moderaten Verteidigung, die uns vor keine großen Probleme stellen wird. Wichtig ist für uns, die Möglichkeiten zum Bau dieser Rüstungen ein für allemal zu beenden und so viel Technologie des SilverMilleniums wie möglich zu bergen. Dazu gehören vor allem die Baupläne. Die Special Forces sind bereits informiert, und Major Kano sucht sich seine Leute auch unter dem Gesichtspunkt der Computerkenntnisse aus. Ein paar von ihnen werden nicht nur Elite-Soldaten, sondern auch ordentliche Cracker sein."

Yaten runzelte die Stirn. Ein durchaus nicht unansehnlicher Anblick. "Du meinst ordentliche Hacker."

Bestimmt schüttelte die Herrin des Merkurs den Kopf. "Nein, ich meine Cracker. Sind so was ähnliches wie Hacker, nur böser."

"Na, Matsumoto wird uns doch keine Bösen mitgeben wollen, also meinst du doch Hacker. Immerhin sollen sie uns helfen, Japan zu retten, nicht zu zerstören."

Akira hob die Rechte, bevor Ami antworten konnte. "Bevor das hier eskaliert, und der Computerfreak mit dem Sozialmagneten in die zweite Runde geht, möchte ich feststellen, das wir Spezialisten kriegen, die das Firmennetzwerk infiltrieren und sämtliche virtuellen Pläne klauen werden. Ist das richtig zusammengefasst?"

"Ja, das stimmt. Aber Computerfreak? Ich?", fragte Ami entrüstet.

"Und ich, Sozialmagnet? Was soll das denn sein?", fragte Yaten nicht minder laut.

"Computerfreak, weil ich dich kenne, Ami. Alleine deine Datenbrille macht dich neunundneunzig Prozent aller Cracker überlegen, und ich weiß, dass du letztes Jahr dem organsierten Verbrechen ein paar Milliarden Yen geklaut und für wohltätige Zwecke umgeleitet hast, ohne das man dir auf die Spur hätte kommen können - ich habe dir dabei geholfen."

Ami schnaubte ärgerlich, beließ es aber dabei.

"Und Sozialmagnet, weil du überall wo du auftauchst, sofort der Mittelpunkt bist, beste Yaten."

"Ach komm. Ich bin doch nicht Taiki. Ich bin doch viel zu ernst und sachlich. Sozialmagnet, ich, also bitte. Hey, was guckt Ihr mich denn alle so merkwürdig an?"

"Yaten, du bist bei uns ein verdammter Superstar!", rief Ami entgeistert. "Ich bin dein Fan!"

Sie griff in ihre Rocktasche und zog eine laminierte Karte hervor. "Hier, die trage ich immer bei mir."

"Oh. Oh! Ich erinnere mich! Die berühmte Nummer acht! Du bist in unseren offiziellen Fanclub eingetreten, bevor die meisten Menschen überhaupt wussten, das es uns gibt! Okay, vielleicht bin ich ein Sozialmagnet. Aber nur ein kleiner."

Akira räusperte sich verlegen und zückte ebenfalls ein Kärtchen. "Leider nur eine siebenstellige Mitgliedsnummer..."

Yaten sah ihn aus großen Augen an. "Du bist unser Fan? Aber..."

"Ich bin gleich eingetreten, nachdem wir den ersten Angriff der DemonSeed abgewehrt hatten. Die Mädchen haben mich mit der Musik angefixt, und die anderen Jungs sind sowieso Mitglied... Und Ihr habt eine gut durchmischte Fangemeinde beider Geschlechter und aus allen Gesellschaftsschichten. Abgesehen von der tollen Musik."

"Na, das nenne ich mal eine überraschende Entwicklung. Ist Mamoru auch Mitglied?", fragte sie trocken.

"Alle sind Mitglied. Soweit ich weiß hat Usagi sogar Luna und Artemis angemeldet", erwiderte Akira.

"So, so. Welche Mitgliedsnummer hat er dann?"

Eisiges Schweigen antwortete ihr.

"Ich kann euch nicht hören", scherzte sie. Erschrocken fügte die junge Frau hinzu: "Es wird doch nicht die eins sein?"

"Ich glaube, es ist die drei, oder? Er war einer der ersten. Hilf mir mal, Ami."

"Nein, es ist die zwei. Er war einige Zeit Vize-Präsident, ist dann aber wegen seines Amerika-Aufenthalts zurückgetreten. Kam natürlich alles ganz anders, aber Mamoru ist einer eurer größten Fans." Die Herrin des Merkurs lächelte verlegen. "Wie Akira schon gesagt hat, wir sind alle Mitglied im Fanclub."

"Oh. Ich fühle mich sehr geehrt." Yaten räusperte sich verlegen und versuchte den Kloß von ihren Stimmbändern zu bekommen.

"Mit wie vielen Verteidigern rechnen wir also insgesamt?", fragte Akira im Versuch, das Gespräch wieder zurück auf die Mission zu lenken.

"Über den Daumen mit acht- bis neuntausend", sagte Ami.

"Ach, doch so viele?" Pyramons Stimme klang spöttisch. "Passen die überhaupt alle auf das kleine Inselchen?"

"Die meisten sind nicht auf der Insel, sondern auf dem Gewässer vor der Insel", erklärte Ami. "Laut unseren Satellitendaten schwimmen da nämlich achtzehn amerikanische Kampfschiffe, die da gestern noch nicht waren. Sie sichern die Insel zu allen Seiten ab."

Ein leises Schnauben war von Akira zu hören. "Uff. Ich habe schon befürchtet, es könnte langweilig werden. Mit achtzehn Kampfschiffen werde ich fertig."

Pyramon lachte rau. "Wie? Du alleine, oder dürfen wir dir helfen?"

"Ein wenig, vielleicht", erwiderte Akira im gleichen scherzenden Tonfall. "Aber vergesst dabei nicht, auf unsere Leute zu achten, die wir mitnehmen werden. Ich möchte auf keiner Seite Tote haben... Vor allem nicht auf unserer Seite."

Akira erhob sich. "Während wir unterwegs sind, brauchen wir Daten zu den anderen Fabriken, Ami."

"Das steht außer Frage. Taiki und ich setzen uns mit den Milleniern und dem Auslandsgeheimnis sofort dran. Wenn Ihr wiederkommt, haben wir Russlands Fabrik schon entdeckt. Eventuell auch schon die britische und die chinesische Fabrik."

"Äh, wenn ich mich nicht irre, haben Russen und Briten im Pazifik Besitzungen in relativer Nähe zu Japan, oder?", fragte Akira nachdenklich.

"Sieh an. Du kannst ja immer noch kombinieren", erwiderte Ami mit spöttelndem Ton in der Stimme. "Wir haben, nachdem uns die Position der ersten Fabrik einmal bekannt war, Emissionsmessungen vorgenommen. Taiki und seine Spezialisten suchen bereits nach ähnlichen Emissionen auf in Frage kommenden Inseln und im chinesischen Meer. Gerade bei den Russen sollte das nicht so lange dauern. Ich rechne da mit ersten Ergebnissen noch in dieser Stunde."

"Okay, freut mich zu hören. Kommt, Leute, der Einsatz beginnt." Akira zögerte kurz, dann nickte er Ami zu. "Tut mir leid wegen eben." Er nickte erneut und verließ den Saal. Yaten folgte ihm, nachdem sie Ami zugezwinkert hatte, auf dem Fuß.

Hotaru schien sich dabei köstlich zu amüsieren. Sie folgte den beiden und klopfte schnell noch Ami auf die Schulter, bevor sie den Raum verließ.

Pyramon schüttelte den Kopf und ging den dreien hinterher. Dabei murmelte er irgend etwas vom einzigen Vernünftigen, und davon, auf diese Hitzköpfe aufzupassen.

Ami starrte auf die Tür. Leise sagte sie: "Ich habe mich nicht beschwert, Dummkopf. Außerdem muss ich mich dann genauso entschuldigen."

"Bei wem musst du dich entschuldigen?", klang Akiras Stimme direkt vor ihr auf, als der General wieder eintrat.

Erschrocken sah sie ihn an. "N-nicht so wichtig. Hast du was vergessen?"

"Ja. Im Anbetracht der Tatsache, das dies vielleicht das letzte Mal sein kann, das wir uns sehen, habe ich mich entschlossen, auf deine Gefühle keine Rücksicht zu nehmen." Er ging zu der jungen Frau und schloss sie in die Arme. "Bleib am Leben, versprich mir das."

Bevor Ami Mizuno reagieren konnte, hatte der ehemalige General sie schon wieder los gelassen. Vor ihren Augen verschwand er, den Blick gefüllt mit Schuldgefühlen und Wehmut.

"Ich habe mich nicht beschwert, du Riesendummkopf", murmelte sie hilflos.

***

Tomoki galt als einer der besten Tunneltreiber des SilverMilleniums. Seine Verbindungen von Tokio zu den verschiedensten Städten der Welt waren damals sehr schnell errichtet worden, und wären sie nicht von Echitron, dem toten Herrn des Seelenschiffs, dazu missbraucht worden, die Erde einzufrieren, würde es sie sicherlich heute noch geben. So gesehen war Tomokis Tunnel zum Generalstab eine leicht zu nutzende Einrichtung. Allerdings staunten Pyramon, Hotaru, Yaten und Akira nicht schlecht, als sie mitten im Büro des Oberbefehlshabers der Streitkräfte heraus kamen.

Der Freund empfing ihn überrascht. "Okay, damit habe ich nicht gerechnet."

"Du hast nicht damit gerechnet, dass wir deinen Tunnel nutzen, anstatt selbst einen zu treiben?", fragte Pyramon.

"Damit habe ich gerechnet, weil Ihr keinen Tunnel erschaffen könnt, ohne diesen hier kollabieren zu lassen. Sie wären irgendwann verschmolzen. Ich habe das im Lissabon-Experiment eindeutig bewiesen, und... Na, wie dem auch sei. Hätte ich dran gedacht, dass Ihr den Tunnel benutzen müsst, hätte ich ihn zumindest im Vorzimmer enden lassen."

"Dafür ist es jetzt ein wenig spät", sagte Akira. Er nickte den versammelten Militärs zu. "Entschuldigen Sie die Störung, wir bleiben nicht lange. Ihr Einverständnis vorausgesetzt treiben wir vom Hof aus unsere Tunnel in das jeweilige Einsatzgebiet, General Matsumoto."

Der General lächelte jovial. "Nicht doch, Torah-sama. Wir sind es nicht, die hier Bedingungen stellen können. Ihre Operationen genießen unsere volle Unterstützung."

Als Matsumoto sah, wie ein erwartungsvolles Lächeln über die Züge des wiedergeborenen Generals glitten, und er sich an das erinnerte, was im Dossier über ihn gestanden hatte, nämlich das er den direkten Kampf gesucht und stets gewonnen hatte, lächelte er seinerseits. "Die Spezial-Einheit ist im Hof bereits angetreten, General."

"Danke schön." Iskander grüßte knapp und verließ, die anderen drei im Schlepp, das Büro.
 

Überall wo sie gingen, blieben die Soldaten und Offiziere stehen und salutierten. Wo sich die Menschen ballten, klang ehrfürchtiges Gemurmel auf, das die Namen der vier skandierte. Unten in der Vorhalle schließlich wurde für sie geklatscht.

"Ein würdiger Empfang für Krieger", befand Pyramon.

"Was denn? Geklatscht wurde für dich ja schon öfter auf der Erde, oder?", neckte Yaten.

"Ja, aber in diesen Fällen wurde ich als Diplomat empfangen. Dies ist das erste Mal, das ich als Krieger auftrete, daher freut mich diese Anerkennung. Dir muss doch auch auffallen, das es ein anderes Klatschen ist als auf deinen Konzerten, Starhealer."

Yaten lauschte dem Applaus einen Moment. "Du hast Recht", fand sie schließlich.

Akira lächelte dünnlippig. Der Applaus war nett und gut, aber er war nicht zu vergleichen mit dem Schildjubel von zehntausend bewaffneten Gerüsteten, die zu allem entschlossen und zum Kampf bereit waren, wie es sein früheres Ich so oft erlebt hatte.
 

Sie traten auf den Hof hinaus, und lauter, ekstatischer Jubel mehrerer tausend Soldaten empfing sie. Die Spezial-Einheit stand in der Mitte und rührte keinen Muskel, aber jedes Gesicht war entschlossen, die Leute bis an die Zähne bewaffnet und kampfbereit. Ja, das kam der Vergangenheit schon näher.

Als die vier Krieger des SilverMilleniums heran traten, ruckten die Stiefel der Spezial-Truppe mit der Bewegung wie von einem Mann aneinander ins Hab acht.

"Junge, Junge, exerzieren können sie ja schon mal", sagte Hotaru respektlos. "Wenn sie jetzt auch noch kämpfen können, haben wir ein Problem weniger."

"Geh davon aus, das sie das können", sagte Akira. "Sie sind die Besten von einhundertfünfzigtausend. Außerdem solltest gerade du das genauer wissen."

Hotaru verzog ihre Miene zu einem gequälten Grinsen. "Oh, ich weiß wie die Geschichte ausgeht. Aber ich bin jetzt erst quasi live dabei."

"Du hast doch nicht etwa Angst?", fragte Pyramon die junge Frau.

"Was? Redest du mit mir? Ich bin SailorSaturn, die Kraft des Todes, die Macht, die ganze Planeten zerstören kann. Wenn ich Angst habe, dann um euch, denn ich bin ziemlich gut darin, zu kämpfen, aber wirklich mies darin, jemanden am Leben zu erhalten."

Akira gab den beiden einen Wink, um ihren Disput zu unterbrechen. Sie stellten sich in einer losen Linie vor der Truppe auf. Kenichiro Kano stand ein Stück davor und salutierte. Wie alle anderen war er einsatzbereit. Sein Gesicht und alle sichtbaren Körperteile waren mit Tarnfarbe bemalt.

"General Iskander, die Einheit ist bereit zum ausrücken."

"Gut. Unser erstes Ziel ist eine Insel der Amerikanisch-Samoa-Gruppe. Die Fabrik produziert die amerikanischen GunSuits. Da wir sie zu den Okkupatoren von Pentagon und Weißem Haus rechnen können, gehen wir hier von einer Operation wider die US-Demokratie und ihren legimitierten ersten Vertreter aus. Den USA den Krieg zu erklären wäre hier vollkommen verkehrt, denn der Präsident ist auf unserer Seite. Einer Polizei-Aktion hingegen steht nichts im Weg."

Akiras Blick ging über die Reihen. "Noch etwas. Der Erste, der Pearl Harbour sagt, oder irgend eine Weltkrieg II-Anspielung macht, hat die Ehre, eintausend Liegestütze zu machen!"

Verlegenes Grinsen antwortete ihm. Wahrscheinlich war der historische Vergleich schon ein paarmal im Rund herumgegangen.

"Bilden Sie Marschreihen, Major Kano. Anschließend geben Sie uns zwei Minuten, um die Situation auf der anderen Seite zu sichern und folgen uns. Ihre Aufgabe und die Ihrer Leute ist es, die Fabrik zu erobern und zu sichern, sämtliche GunSuits und Teile zu erbeuten, und sämtliche Pläne, digitale wie gedruckte. Am Besten vernichten Sie das Computersystem komplett, damit nicht mal Spezialisten etwas von der zerstörten Platte lesen können."

"Aber das kann ich doch machen", sagte Hotaru. Sie holte ihre Gleve aus einer interdimensionalen Falte, in der sie ruhte, wenn sie die schreckliche Waffe nicht benötigte und schwang sie ein paarmal zur Probe.

"Abgelehnt. Ich möchte, das danach noch eine Insel existiert. Außerdem brauche ich dich zur Abwehr vom schweren Gerät." Akira wandte sich wieder Kano zu. "Man hat mir zu verstehen gegeben, dass Sie Spezialisten für Computeraufgaben haben."

"Ja, General Iskander. Und Ninjas."

"Ninjas?"

"Ninjas", bestätigte Kano und deutete auf die linke Flanke. Dort standen zehn schwarz vermummte Soldaten. Ihre Bewaffnung war ein Mix aus Handfeuerwaffen und Klingenwaffen.

"Und ich dachte, Ninjas wären nur eine Legende", gestand Akira.

"In etwa so eine Legende wie die Sailor-Fähigkeiten?", fragte Kano.

"Punkt für Sie. Wir wissen nicht wie es auf der anderen Seite aussehen wird, aber wahrscheinlich wird es heiß werden, verdammt heiß. Wir treiben den Tunnel direkt nach Aunu'u und geben Ihren Leuten dann Deckung. Achtzehn Kampfschiffe sichern vom Meer aus. Die Zahl der gepanzerten Kampfeinheiten und aktiven GunSuits ist unbekannt. Aber wir werden uns darum kümmern, so gut wir können. Nur die Besten sollten in diesen Einsatz gehen. Und nur deren Beste werden ihn überleben, wenn es schlimm kommt."

"Keine Sorge", sagte Kano bestimmt. "Dies sind die Besten."

"Na, dann los."
 

Akira wandte sich um, ging bis an den Südosten des Kasernenhofs. Das war einerseits wichtig, damit sich sein Tunnel nicht mit dem im Büro des Superintendent General parallel legte, was Schwierigkeiten mit der Stabilität gebracht hätte, andererseits würde er die Distanz noch brauchen, wenn er Tunnel für die anderen Einsatzgebiete durch die Raumzeit trieb.

Es bedurfte nur leichter Konzentration, um seine Kraft zu fokussieren. War er bisher in seiner Gestalt als Akira unterwegs gewesen, gab es nun einen blendenden Lichtblitz, seine Augen verschwanden unter dem Schatten seines Ponys, ein undurchdringlicher Luftwirbel umspülte seinen Körper. Als der Wirbel ihn frei gab, schwang er zur Probe seinen Zeigestab herum. Bei der Bewegung wurde sein Umhang nach hinten gewirbelt. Begeistertes Raunen klang auf. Der General des SilverMilleniums, Iskander, war da.

Er richtete seinen Zeigestab auf die Gebäudemauer vor sich und konzentrierte seine Kraft. Pure, strahlendweiße Energie traf auf die Wand, und doch wieder nicht. Sie brandete irgendwie auf ein unsichtbares Hindernis, und die Luft begann Wellen zu werfen wie eine Wasseroberfläche, in die etwas hinein gefallen war. Schließlich schien sie sich zu dehnen, nach innen konkav auszuhöhlen. Es vergingen mehrere Minuten, in denen er stumm auf seinen Tunnel konzentriert war. Schließlich nahm er den Zeigestab ab. "Es hat ein wenig gedauert, aber Aunu'u ist auch ein ziemlich kleines Ziel in der Weite des Ozeans."

Donnernder Applaus klang auf. Akira hoffte, das noch viele Soldaten Japans noch oft würden applaudieren können. Denn das würde bedeuten, dass sie den Wahnsinn dieses Krieges überleben würden.

"Zwei Minuten", wiederholte Iskander und schritt voran in den Tunnel. SailorSaturn und Sailor Starhealer folgten ihm auf dem Fuß, Pyramon bildete den Abschluss.

Major Kenichiro Kano streckte den linken Arm, winkelte ihn an und sah auf seine Digitaluhr. Zwei Minuten. Nicht eine Sekunde länger.
 

Auf der anderen Seite des Tunnels erwartete sie der nackte Berghang. Keine Spur von der Fabrik, die ja in den Vulkan hinein gebaut worden war. Leider war auch keine Zugangsmöglichkeit zu sehen. Auf der Haben-Seite stand, das sie bisher noch nicht entdeckt worden waren.

"Achtzehn Schiffe, hat Ami-chan gesagt, oder?", klang Pyramons Stimme auf. Es klang resignierend-amüsiert.

"Ja. Wieso?", fragte Akira, der noch immer grübelte, wie man in die Fabrik gelangte.

"Es wäre nett von ihr gewesen, wenn sie uns gesagt hätte, das einer davon ein Flugzeugträger ist."

Der General des Mondes fuhr erschrocken herum. Tatsächlich, nur wenige hundert Meter vor der Küste lag ein Flugzeugträger, umgeben von seiner Begleitflotte. Was an der Geschichte nicht so schön war: Er drehte auf Lee, also hatte er vor, seine Flugzeuge zu starten.

Akira zählte die Schiffe. Zwölf. Der Rest war wohl um die Insel verteilt. "Meinst du, sie haben uns entdeckt, Pyramon?"

Eines der Begleitschiffe, ein Kreuzer, wandte seine Geschütze der Insel zu und feuerte die 127mm-Geschütze ab.

"Also, der Träger und dieser Ticonderoga-Kreuzer haben uns jedenfalls entdeckt", erklärte er trocken. "Wir können wohl froh sein, dass sie Schwierigkeiten haben, ihre Tomahawks auf ein so kleines Ziel wie wir es sind, abzufeuern."

"Da kennt sich ja einer gut aus", sagte Hotaru.

"Kenne deine potentiellen Feinde. Ich bin seit einer Ewigkeit auf diese Situation vorbereitet." Er grinste wild. "Ich kümmere mich darum, so gut ich kann. Wenn ich Hilfe brauche, werdet Ihr es merken. Versucht, einen Weg hinein zu finden. Noch achtzig Sekunden, bis Kano nach kommt."

"Ich denke, wir suchen gar nicht erst lange. Hotaru!"

"Ja, Boss?"

"Schlag mir ein Stück vom Vulkan weg. Sagen wir ein Viertel. Lass die Trümmer ins Meer sacken."

Die junge Frau lächelte verwegen. "Einmal filetierter Vulkan, kommt sofort!" Sie hob ihre Klingenwaffe mit beiden Händen in die Höhe. Die Energie ihrer Kraft entlud sich in kleinen Blitzen, die über ihren Körper wanderten. Langsam begann sie zu schweben. Sie hob die Klinge immer höher, hielt sie über ihren Kopf, und ließ sie dann mit einem Schrei niedersausen.

Zunächste schien nichts zu geschehen. Dann aber, nach Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit dehnten, schien im Gestein eine helle Linie aufzuleuchten. Auf dieser Linie, die von rechts oben schräg nach unten links geführt worden war, begann der gesamte Berghang abzurutschen. Und einmal in Bewegung rauschte er gleich bis ins Meer weiter, wo er eine kräftige Welle erzeugte, die eines der Begleitschiffe des Trägers für ein paar Sekunden verschlang.

Sie hatten einen wunderbaren Blick in das Innere des erloschenen Vulkans. Ihr Hieb hatte auch ein Stück der Fabrik zerstört und deren Flanke geöffnet. "Na also, da ist doch unser Zugang", sagte sie zufrieden.

"So ein Ding will ich auch", klang Yatens beeindruckte Stimme auf.

Hotaru sah sie mit wutverzerrtem Gesicht an und griff ihr an den Kragen.

"Whoa, was...", entfuhr es Yaten, dann hatte die Jüngere sie hinter sich geworfen. Dort wo die Starlight gerade noch gestanden hatte, fuhr der Strahl eines GunSuits ins Gestein.

"Sorry, habe ich dich verletzt? Das ging schneller als Erklärungen", sagte Hotaru.

Yaten erfasste die Situation und schleuderte dem GunSuit ihren Angriff entgegen. Er traf frontal. Für einen Moment schien sich der GunSuit weiter bewegen zu wollen, hohnlachend über diese minderwertige Attacke, dann aber begann er zu rauchen und fiel vorneüber.

"Ja, da staunst du, was? Auch wir lernen dazu", sagte sie triumphierend. "Schätze, da sind noch mehr von unterwegs. Wir sollten uns um sie kümmern. Und danke für die Rettung, Hotaru-chan. Das hätte mir weh getan."

"Jederzeit wieder, Yaten."
 

Die Begleitschiffe des Trägers begannen Marschflugkörper auszuspucken. Akira musterte die Kondensstreifen der anfliegenden Raketen. "Hotaru, Yaten, Ihr jagt die GunSuits in der Fabrik und außerhalb! Ich sichere den Tunnel und helfe Pyramon!"

"Verstanden!" Die beiden Frauen sprangen und verschwanden.

Nach exakt zwei Minuten kamen die ersten Elite-Soldaten aus dem Tunnel gelaufen. Vorweg Kano selbst, der die Situation sofort erfasste. "Nicht stehen bleiben! Gleich weiter in die Fabrik!", rief er. Nur wenige Meter entfernt detonierten die Geschosse der Bordgeschütze des Ticonderoga in Pyramons Händen, als wären es nur Knallbonbons. Dazu kamen bereits über dreißig Kondensstreifen gestarteter Raketen. Ihr einziger Schutz dagegen waren die Krieger des SilverMilleniums, aber so war die Aufgabenverteilung auch gedacht. Kano würde einen Teufel tun, und seinen Teil vernachlässigen. Die MP im Anschlag eilte er mit seinen Leuten auf die Bresche im Berg zu, um die Fabrik zu erobern.

"Warum hast du Hotaru auf GunSuit-Jagd geschickt?", fragte Pyramon, krallte die Hand zur Faust, was eine Tomahawk in seinem Sichtbereich wie von einem Riesen zerknüllen und explodieren ließ.

"Eine rein taktische Erwägung. Stell dir vor, sie würde mit den Schiffen das gleiche machen wie mit dem Berg." Der Zeigestab Iskanders wuchs auf die Größe einer Kampflanze. Sie spie einen Energiestrahl aus, den er über den Himmel führte und dabei mehrere Tomahawks berührte, die in Detonationen vergingen. Das waren fünf von dreißig, die Schiffe hatten nicht erneut geschossen, würden es aber tun. Vor allem die Geschütze würden weiter feuern.

"Wäre vielleicht eine gute Idee gewesen", sagte Pyramon. "Was für ein Wespennest."

"Was denn, was denn, gibst du schon auf?", spöttelte Akira.

"Ach, ein paar Minuten halte ich noch durch", erwiderte der Navigator im gleichen Tonfall.

Die Kreuzer, Zerstörer und Fregatten starteten weitere Raketen, während der Träger seine Flugzeuge zu starten begann. Es begann, und es wurde nicht leichter.

***

An einem Ort, den nur eine Handvoll Menschen wirklich kannten, flammten ein gutes Dutzend Monitore auf. Sie hatten integrierte Kameras, deshalb konnten die auf den Monitoren abgebildeten Menschen sehen, wer auf den anderen Monitoren zu sehen war. Zumindest die Symbole, die sie repräsentierten, denn niemand von ihnen würde sein wahres Gesicht zeigen, nicht einmal hier. Es stand jedoch außer Frage, das die meisten wussten, wer die anderen waren. Wirtschaftsbosse, Reiche, hohe Militärs, Anführer politischer und religöser Gruppen, sie waren ein wilder Mix aus Geld und Macht. Nun, zumindest waren sich alle sicher, das die Person, die durch die gestürzte Pyramide dargestellt wurde, jeden von ihnen kannte. Immerhin waren sie von ihm eingeladen worden.

"Es beginnt", sagte die verzerrte Stimme vom Pyramidenmonitor, als alle anwesend waren. "Sie greifen die GunSuit-Fabrik in Amerikanisch-Samoa an. Leider ist es uns nicht gelungen, die amerikanische Exekutive in unsere Gewalt zu bringen, deshalb können wir die Situation nicht als unprovozierten Angriff ausschlachten. Jede besondere Aufmerksamkeit der Presse würde auch den Putsch aufdecken und damit die Situation in den USA unnötig erschweren."

"Das sagen Sie, Pyramide", ereiferte sich eine Stimme aus einem Monitor mit goldenem Stern. "Überlassen Sie es mir, und wir werden sehen, ob und wie Propaganda funktioniert!"

"Propaganda gegen das SilverMillenium ist eine schwierige Sache", sagte der Monitor mit einem Symbol aus vier liegenden Kettengliedern. "Sie haben mehrfach dabei versagt, Serenity und die Millenier zu diskreditieren. Das Ergebnis waren sinkende Einschaltquoten und Verkaufszahlen Ihrer Sender und Zeitungen."

"Diesmal ist es anders. Sie greifen uns an und geben uns jede rechtliche Handhabe, die wir uns wünschen könnten", widersprach der Goldstern.

"Eben nicht", sagte Pyramide. "Ihre eigene Propaganda ist lückenlos. Für die Welt wehren sie sich nur, und die Welt kauft es ihnen ab. Sie werden diese Fabrik und die anderen drei finden und vernichten. Und die Welt wird sie dafür hochleben lassen."

"Was also schlagen Sie vor, Pyramide?", fragte eine vierte Stimme, die von einem X aus Holzstäbchen symbolisiert wurde.

"Armageddon", sagte Pyramide ruhig. "Wir greifen sie an, mit unseren GunSuit-Divisionen und unseren regulären Streitkräften. Offiziell um das besetzte Japan zu befreien. Das wird uns keiner glauben, aber sobald wir gesiegt haben, schreiben wir ohnehin die Geschichte."

"Und was wenn unsere regulären Truppen und die GunSuits keinen Erfolg haben?", fragte Stäbchen.

"Judgement Day."

Für ein paar Sekunden wurde es still. Dann redeten alle Stimmen wild durcheinander. Einige waren dafür, einige dagegen, andere hatten ganz andere Meinungen.

"RUHE!", rief Pyramide. "Wenn wir Armageddon ausrufen, und es nicht funktioniert, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig als Judgement Day folgen zu lassen! Wir sind dann schon zu weit gegangen! Wir können nicht mehr zurück!"

"Dann sollten wir es wohl auch hier besser enden lassen", sagte eine fünfte Stimme, die von einer weißen Wolke symbolisiert wurde. Der Monitor erlosch.

"Noch jemand, der gerne möchte, das die Millenier in Zukunft die Welt regieren?", fragte Pyramide sarkastisch.

Keiner der anderen Monitore erlosch. "Gut. Ich werde dafür sorgen, das man sich um den Verräter kümmert, bevor er uns schaden kann. Jetzt aber müssen wir unsere Truppen in Bewegung setzen und angreifen. Hart und gnadenlos."

Die anderen Monitore stimmten zu, danach erloschen sie einer nach dem anderen.

Der letzte Monitor, der erlosch, war Pyramide. Der Mensch, der das Symbol nutzte, wusste, das seine Pläne dreißig Millionen oder mehr Menschen das Leben kosten würde, aber das war ein geringer Preis für die Macht und das Geld, das ihm ein Sieg bringen würde.

GunSuits

8.

Armageddon. Dieses alte biblische Wort beschrieb die absolute Zerstörung der alten Welt, der alten Ordnung. Die Vernichtung von Königreichen, von allen Strukturen und vor allem der Menschheit. Ein wahrhaft passender Name für das, was die Verschwörer - Milliardäre, Politiker und Militärs - geplant hatten. Alle Armeen im Umkreis um Japan wurden aktiviert und für den Erstschlag ausgeschickt, ob ihre Regierungen dies guthießen oder nicht. Dies beinhaltete hauptsächlich die Luftstreitkräfte von Nord-, und Südkorea, der Südostarmee Russlands, die chinesischen Luftstreitkräfte und jene Taiwans und der Phillipinen. Weitere Einheiten aus Südostasien - Vietnam, Thailand, Laos, Myanmar, Indonesien und Australien, würden nachrücken und chinesische und taiwanesische Luftbasen für ihren Nachschub nutzen, über alle Ländergrenzen, über alle Interessengrenzen hinweg, jenseits aller politischen Ideologien und Systeme. Auch Indien mobilisierte seine Luftwaffe und sandte sie nach Osten, ebenso wie US-amerikanische Luftstreitkräfte für den Kampf mobilisiert und über Alaska zur Kamschatka-Halbinsel nördlich von Japan geführt worden, um auf den dortigen russischen Basen Munition und Treibstoff für den Angriff auf Japan zu fassen. Und es war abzusehen, dass weitere Einheiten, auch europäische - Deutsche, Polen, Italiener, Franzosen, Briten, Holländer, Rumänen, Bulgaren, Griechen, selbst die Türken und andere Länder mit nennenswerten Luftflotten - ihre Einheiten ebenfalls in den Marsch setzten. Der Mittlere Osten würde sich anschließen. Und selbst wenn die Sailor-Krieger und die Self Defense Army Japans den ersten Schlag aus über viertausend Flugzeugen abwehren würden, weitere zehntausende Kampfjets waren bereits jetzt auf dem Weg.

Zeitgleich mobilisierte China seine große Flotte; über Jahrzehnte hatte das Riesenland eine Landung auf dem abtrünnigen Taiwan geplant und vorbereitet. Nun sollten diese Kapazitäten zur Landung auf Japan genutzt werden. Immer noch eine wesentlich angenehmere Variante, die vier Hauptinsel Japans Honshu, Shikoku, Hokkaido und Kyushu mit dem Ersatzplan zu überziehen: Judgement Day. Dieser Begriff aus dem christlichen Mythos, genauer gesagt aus der jüdischen Lehre des Ende aller Tage, jenes Tags, an dem die Toten auferstanden, die Letzten zuerst und die Ersten zuletzt, um auf ewig gerichtet zu werden nach der absoluten Zerstörung der Welt (wobei sich die Juden sicher waren, dass von ihnen immerhin zwölftausend überleben und im neu gegründeten Jerusalem wohnen würden, aber das nur nebenbei), bezeichnete in diesem Fall etwas ganz Ähnliches: Die atomare Auslöschung aller japanischen Zentren. Und in einem Land mit einhundertachtzig Millionen Bewohnern, das durch die bergige Landschaft nicht gerade über viele Möglichkeiten gebot, Städte zu gründen, gab es diese Zentren zuhauf. Der Platz war so spärlich gesäht, dass selbst Hiroshima und Nagasaki nach den Atombombenangriffen erneut bebaut und genutzt wurden und noch immer werden. Es war Ironie, dass beiden Städten das gleiche Schicksal erneut bevorstand. Nun mochte sich der eine oder andere Verschwörer damit beruhigen, dass Judgement Day ein Ausweichplan war, für den absolut unwahrscheinlichen Fall, dass die regulären Streitkräfte Japan und die Sailor-Krieger nicht besiegen konnten. Aber was sollte man von einer Armee halten, die auf Selbstverteidigung ausgelegt war, auf das Abfangen von Raketen? Und was von einer Gruppe Zivilisten, die mit ihren Sailor-Kräften ein Land wie Japan erobert hatten, und das mit einer weit geringeren Zahl, als ihnen jetzt zur Verfügung stand? Die Realisten unter den Verschwörern wussten längst, dass es keinen anderen Weg gab, als Japan, sollte Judgement Day nicht noch gestoppt werden, mit mehreren hundert Raketen mit atomarem Gefechtssprengkopf zuzupflastern. Zwei Dutzend, ein Dutzend, das durchkam, würde ausreichen. Vielleicht nicht, um Japan zu vernichten. Aber Japan würde es danach nicht mehr geben. Und was vom Volk und von den Sailor-Kriegern übrig war, würde vom gerechten Volkszorn ausgelöscht werden. Denn niemand, niemand, auf den eine Atombombe geworfen worden war, würde ja ausgerechnet den, der sie geworfen hatte, mehr verantwortlich machen als jene, die versprochen hatten, sie zu beschützen, und die dabei versagt hatten. Doch das war Zukunftsmusik, wenngleich auch keine allzu ferne. Zuerst einmal gab es mehrere Tausend Piloten in ihren Jagdmaschinen und Bombern, die Befehl hatten, Japan niederzukämpfen. Dabei wurde möglichst darauf geachtet, dass ihnen nicht klar wurde, dass nicht alle Staatsoberhäupter und nicht alle ihre Generäle und Admiräle tatsächlich auch diese Befehle erteilt hatten. Am Ende würde der Sieger die Beute erhalten und alle Fragen nach der Legitimität würde hintenan stehen vor der internationalen Zusammenarbeit gegen die akute Bedrohung durch die Sailor-Krieger und die "Rettung" Japans.

***

Das Einsatzgeschwader "Rote Fahne" der nordkoreanischen Luftstreitkräfte wurde als erste Einheit mobilisiert. Im Bereitschaftsraum der Einheit gellten die Alarmsirenen. Eine Lautsprechrstimme blökte dazu die magischen Worte: "Dies ist keine Übung!"

Staffelchef Park Sung-kee rannte neben seinen Leuten auf die wartenden Maschinen zu, die bereits mit Luft-Luft-Bewaffnung ausgerüstet waren. Mit Kennerblick erkannte der Koreaner, dass weitere Maschinen für den Kampf bestückt wurden, hauptsächlich mit Luft-Luft-Bewaffnung. Die Doktrin bei einem amerikanischen Überfall sah vor, zuerst die Lufthoheit zu erkämpfen und anschließend mit dem Bodenbombardement der technisch besseren, aber zahlenmäßig unterlegenen Invasoren zu beginnen. Der Schlüssel lag im ersten Schlag, lag in der Erringung der Lufthoheit. Wer sie besaß, der beherrschte das Schlachtfeld. Nur, was hatte die Amerikaner und ihre koreanischen versklavten Brüder aus dem Süden dazu getrieben, sie anzugreifen? Warum hier, warum jetzt? Es gab keine nennenswerten Spannungen zwischen dem freien Norden und dem okkupierten, korrupten Süden, nichts was darauf hingezeigt hätte, dass eine Krise oder gar ein Militärschlag bevorstand. Als Park dann auch noch sah, wie seiner Maschine Zusatztanks angesetzt wurden, stockte er im Lauf. Eine zügige Neubewaffnung, die Verteidigung der Fliegerhorste, Ausspielung der höheren Flexibilität der wendigeren MiGs gegen die amerikanischen Falcons, dies war das Geheimnis zum Erfolg. Zusatztanks aber machten das Flugzeug langsamer, weniger aerodynamisch. Zusatztanks machten nur Sinn, wenn der Einsatzort tief im Süden des unterjochten Bruderstaates war. Oder an einem ganz anderen Ort.

Park erreichte seine Maschine, hetzte die Trittleiter hoch und schnallte sich an. Zwei Techniker halfen ihm dabei. Als er die Kommunikation eingestöpselt hatte, meldete er sich und seine Staffel beim Tower an und bat um Missionsziele und weitere Anweisungen.

"Starten Sie und sammeln Sie Ihr Geschwader am Leiterpunkt Alpha. Um eins dreihundert werden russische und chinesische Luftkampfverbände zu euch stoßen. Gemeinsam werdet Ihr zur Befreiung aufbrechen!"

Für einen kurzen Moment fühlte er eine enorme Erleichterung. Sein Land wurde nicht angegriffen. Mehr noch, die loyalen Verbündeten, die Chinesen, waren an ihrer Seite. Und auch die Russen hatten sich der Gemeinsamkeiten entsonnen und die alte Freundschaft aufleben lassen und stritten mit ihnen zusammen für die Befreiung des vom Kapitalismus versklavten südkoreanischen Volkes.

Park stutzte, als er diesen Punkt in Gedanken erreicht hatte. "Tower, Leiterpunkt Alpha liegt über dem Koreanischen Ostmeer! Was ist unser Auftrag? Amerikanische Verstärkungen aus Japan abfangen?"

"Negativ, Staffelführer. Ihr Einsatz gilt Japan. Ihre Aufgabe ist es, die dem Volk unloyalen Selbstverteidigungsstreitkräfte niederzukämpfen und eine Landinvasion der internationalen Streitmacht zu ermöglichen. Hier arbeiten alle großen Nationen Hand in Hand."

Park schluckte kurz. Klar, Japan war der schlimmste Vasall der USA, war das beinahe uneinnehmbare Trittbrett, das die Amerikaner missbrauchten, um Einfluss auf ganz Ostasien zu nehmen. Aber ein direkter Angriff auf Japan, durchgeführt mit russischen und chinesischen Einheiten... Es gab nichts, was international auf eine Operation dieser Größenordnung hingewiesen hätte! Außer... "Tower?"

"Starten Sie, sobald Ihre Staffel bereit ist. Leitern Sie und fliegen Sie dann Leiterpunkt Alpha an. Das sind Ihre Befehle, Park."

"Tower, wem gilt unser Einsatz? Wen bekämpfen wir?"

"Japan und das japanische Volk befinden sich in diesem Moment in der Gewalt des Silver Milleniums. Teile der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte kolpotieren mit ihnen. Ziel der Aktion ist es, das Silver-Millenium zu vernichten und die alte Ordnung wiederherzustellen."

"Das Silver-Millenium? Aber..."

"Sie haben Ihre Befehle!", blaffte der Mann im Tower in sein Mikro, ganz so, als hätte er diese Ansprache schon ein paarmal gehalten oder erwarte, dies noch ein paarmal tun zu müssen. "Für unseren großen Führer, tun Sie Ihre Pflicht!"

Die Techniker meldeten die Startbereitschaft und das Ende der Beladung. Sie zeigten den erhobenen Daumen und traten von der Maschine zurück. "Rote Fahne eins, bereit zum Start."

"Start freigegeben auf Startbahn zwei. Viel Erfolg, Staffelführer."

"Danke, Tower." Park ließ die MiG anrollen und führte sie in Richtung der korrekten Startbahn. Andere Jäger folgten ihm. Er hatte tatsächlich die Ehre, als Erster zu starten. Er hatte keinerlei Zeit, um über die Situation nachzudenken. Eher automatisch ging er durch das Startprozedere und jagte den Jet die Piste hinab, zog hoch und suchte jenen Punkt über dem Fliegerhorst auf, an dem sich sein Geschwader sammeln würde, leitern nannte man das, bevor es zum Treffpunkt mit den Russen und Chinesen weiterflog. Und wieder hatte er keine Zeit zum Nachdenken. Wie auch, wenn in seinem Kopf die Erinnerung alles verdrängte - die Erinnerung, als er unter dem erstickenden, tödlichen Eis gelegen hatte, seinen Sohn auf den Armen, dem Tode näher als dem Leben, als er das Ende seiner Familie, als er sein Ende schon gekommen gesehen hatte. Er erinnerte sich daran, wie die hellen Funken die Finsternis des nahen Todes durchbrochen hatten, wie die Menschen im Dunkeln zu leuchten begonnen hatten. Er erinnerte sich, wie er, mit allen anderen, die Mondprinzessin gesehen hatte, obwohl sie sich im Orbit um die Erde befunden hatte, von wo aus sie die tödliche Eiskruste, die sie alle vernichtet hätte, fortgeschmolzen hatte, um ihnen allen eine zweite Chance zu geben, ihnen allen ihre Leben wiederzugeben. Verdammt, er und alle anderen Koreaner wären jetzt nicht mehr hier, nicht mehr am Leben, wenn sie nicht gewesen wäre!

Und er erinnerte sich an die aus seiner Sicht sehr erfolgreichen bilateralen Verhandlungen unter der Aufsicht des Silver-Milleniums, das zwischen ihnen und ihren südlichen, versklavten Brüdern geführt worden waren. Es hatte gut ausgesehen, so gut ausgesehen, dank Usagi Tsukino und ihren Leuten. Und nun würden sie all das zerstören.

Als sein Radar anschlug, weil es feindliche Kampfflieger meldete, kam auch sofort der Tower: "Eintreffende Falcons sind freundlich, ich wiederhole, eintreffende Falcons sind freundlich! Unsere südkoreanischen Brüder unterstützen uns im Kampf um die Freiheit Japans von Silver-Millenium!"

Park zählte zwanzig Blips auf dem Radar, dann sechzig. Die Zahl wurde irgendwann mit dreihundert angegeben, und alle strebten sie wie er und sein Geschwader Leiterpunkt Alpha entgegen, dort wo die Russen und die Chinesen auch hinkommen würden. Nun hatte es die Mondprinzessin zumindest noch geschafft, dass Nordkorea und Südkorea ihre Luftarmeen gemeinsam ins Feld führte. Wohl fühlte er sich dabei nicht.

***

"Und, bist du jetzt zufrieden, Sparks?", fragte Captain Tobias Cartland, während er an der Spitze von achtzehn F-16 der amerikanischen Streitkräfte auf dem Weg zur Westküste war, um die Selbstverteidigungsstreitkräfte zu unterstützen.

"Zufrieden ist kein Ausdruck, Topper", erwiderte Donovan Sparks Callahan gut gelaunt. "Wir sind jetzt auf der richtigen Seite, und das weißt du."

"Dir ist aber schon klar, dass es Tote geben wird? Egal, was die große Verschwörung auf uns hetzt, die beinahe das Silver-Millenium vernichtet hätte, wir werden vorne stehen und sie töten, Sparks."

"Ja, ich weiß. Und ich weiß auch, dass diese armen Schweine nicht mal genau wissen, was sie da tun werden. Weil es ihnen nämlich keiner sagt. Würden sie es wissen, würden sie nämlich zu uns desertieren." Er lachte trocken. "Okay, ein Teil vielleicht. Der Rest wird so handeln wie wir beim Angriff auf den Turm des Silver-Milleniums. Er wird das tun, was er für seine Pflicht hält."

"Sieh an, sieh an, der junge Herr ist also doch realistisch", spottete Topper. "Ich denke auch, dass wir jetzt auf der richtigen Seite sind. Tun wir also unser Bestes, um dieses Land zu verteidigen, egal wer unser Gegner ist."

"Ich habe schon mehr angestellt und weniger erreicht, Topper", erwiderte Sparks gut gelaunt. Auch wenn jeder Tote einer zuviel sein würde, ohne SailorMoon wären sie jetzt allesamt tot. Alle, wie sie da waren. Ohne jede Ausnahme. Alleine für sie würde er wissentlich sein Leben riskieren. Und er würde töten.

***

Leth, Gyes, Matsumoto und ein weiteres Dutzend Generäle und Admiräle sah gebannt auf die taktische Karte, die sie über den neuesten Aufklärungsstand informierte.

General Fushida, Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte, referierte: "Der größte Block ist hier, im Nordosten Koreas. Es handelt sich um einen Schwarm von fast eintausend Kampfflugzeugen und etwa siebzig Bombern. Ein weiterer, etwa gleich starker Verband sammelt sich hier, zweihundert Kilometer nordöstlich von Shanghai über dem Gelben Meer. Weitere über eintausend Jagdmaschinen sind aus Australien und den Phillipinen auf dem Weg nach Taiwan. Ein vierter, doppelt so großer Schwarm, ist auf dem südostasischen Festland unterwegs in Richtung Shanghai. Das bedeutet also, dass der erste Schlag des Komitees hier oben geführt werden wird, bei Hokkaido und im Norden Honshus. Die Hinweise auf eine Bodenoffensive verdichten sich ebenfalls; amphibische Einheiten und die Flotten unserer Nachbarländer werden eifrig mobil gemacht. Mit einem ersten Angriff kann bereits in acht Stunden gerechnet werden."

Juichiro tippte nachdenklich mit seinem Kugelschreiber auf die Arbeitsunterlagen vor sich. "Nordjapan also. Ich tippe auf eine Landung auf Honshu selbst. Was nützt es ihnen, auf Hokkaido zu landen, wenn ihr Ziel Serenitys Palast ist? Die zusätzliche Entfernung wäre unproduktiv."

"Andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass Hokkaido als Sprungbrett für jene Einheiten dienen kann, die derzeit aus Nordrussland und aus Alaska unterwegs sind, um via Kamschatka anzugreifen", wandte Admiral Yamamoto ein. "Wir sollten Flak-Einheiten vor der Nordküste Hokkaidos auffahren lassen."

Juichiro nickte. "Veranlassen Sie das, Admiral. Aber zuvor sollen die Einheiten die Nordwestküste Honshus verteidigen helfen. Bevor die Jagdflugzeuge aus dem Norden über Hokkaido eintreffen können, ist die Schlacht mit den Koreanern und den Chinesen bereits entschieden und sie haben ihre neuen Positionen eingenommen."

"Apropos schicken", sagte Motoki. "Wen schicken wir nach Nord-Honshu?"

"Gute Frage." Japan war kein flächenmäßig großes Land, aber es hatte eine Menge Küste. Die wenigen Millenier und ihre Verbündeten mussten ebenso wie die Selbstverteidigungsstreitkräfte ein riesiges Gebiet abdecken. Der einzige und wichtigste Schutz war die Entfernung vom Festland, der nur im Falle der koreanischen Halbinsel und des russischen Festlandes eingeschränkt wurde.

Und das "wen" bezog sich nicht auf die Luftstreitkräfte der Nordarmee Japans, sondern auf die Millenier und ihre Verbündeten. Zur Verfügung standen neben sieben Sailorkriegern zwei Starlights und drei Elite-Milleniern noch die vier Generäle Jedithes, Helion und Petzite mit ihren vier Schwestern. Dazu kamen natürlich noch die Kampfrüstungen, die nun unter Millenier-Kommando standen, auch wenn die nur ein Tropfen auf dem heißen Stein waren. Und dies auch nur solange, bis Japan von Rüstungsträgern angegriffen wurde, was über kurz oder lang der Fall sein würde. Noch konnten Rüstungen keine großen Strecken zurücklegen, was die letzten Kämpfe klar gezeigt hatten, aber die Entwicklungen verliefen sehr rasant. Und ein Rüstungsträger war durchaus ein ernstzunehmender Gegner für eine Sailor-Kriegerin.

"Makoto geht", entschied Juichiro. "Sie nimmt Petzite und ihre Schwestern mit. Und ihr Hauptaugenmerk werden nicht die angreifenden Kampfjets sein, sondern die GunSuits."

"Du rechnest mit ihrem Einsatz?"

"Ihr Zweck ist es, uns Millenier anzugreifen. Also macht es Sinn, sie in der ersten Welle mitzuführen, weil sie wissen, dass wir den Selbstverteidigungsstreitkräften helfen werden."

Motoki runzelte nachdenklich die Stirn. "Warum entsenden wir dann nicht mehr?"

Leth deutete auf den Bildschirm, auf dem General Young zu sehen war. Der Amerikaner verstand den Wink und räusperte sich vernehmlich. "Fünf Atom-U-Boote der Los Angeles-Klasse sind von uns temporär geortet worden, nun aber wieder verschwunden. Ihre letzten Bewegungen bedeuten, dass sie aus Amerikanisch-Samoa gekommen sind und die Bucht von Tokio angefahren haben. Wenn sie Höchstgeschwindigkeit gefahren sind, treffen sie in ein bis zwei Stunden ein. In Reichweite ihrer Tomahawks und Harpoons sind wir bereits seit acht Stunden."

"Aber sie werden keine Marschflugkörper abschießen", sagte Juichiro. "Stattdessen werden sie GunSuits losschicken." Wieder klapperte er mit dem Kugelschreiber auf dem Tisch. "Minako und Jeb sollen sich um den Schutz der Ostküste und der Bucht von Tokio kümmern. Gib ihnen so viele GunSuits mit, wie wir bemannen können. Der Rest soll sich an den Tunneln bereit halten, die wir nach ganz Japan getrieben haben. Dies ist nur der Anfang. Und wenn ich mir ansehe, was für den Angriff auf uns weltweit zusammengezogen wird, weiß ich nicht, wie lange dieser Kampf dauern wird."

"Egal, wie lange er dauern wird, General Leth", sagte Matsumoto mit ruhiger, sachlicher Stimme, "wir werden es durchstehen. Wenn sich der Präsident durchsetzt, wird die Weltlage auch wieder ganz anders aussehen."

General Fushida, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, merkte an: "Zumindest hat er es auf die Abraham Lincoln geschafft. Auch wenn die Meuterer ihr Bestes versuchen, um die Nachricht zu unterdrücken, nach und nach sickert doch durch, was geschehen ist. Und mit dem Flugzeugträger und seinem Begleitverband hat er eine ernstzunehmende Machtbasis."

"Hoffen wir das Beste." Juichiro seufzte. "Welcher Halunke hat mich gleich noch mal zum Oberkommandierenden gemacht?"

Yamamoto grinste. "Willkommen in der Oberliga, General Leth."

Für einen Moment sah Juichiro den Seefahrer erstaunt an. Dann begann er zu lachen. "Oh, ich habe schon Heere geführt. In meinem früheren Leben. Aber damals machte man sich Sorgen über Rüstungen, über Schlachtaufstellungen, über Anmarschwege und über die Kavallerie. Hier aber führt man Krieg in der Luft, an Land, zu Wasser und unter der Wasseroberfläche. Das erfordert einiges an Umdenken."

"Keine Sorge, General, wir vertrauen Ihnen und Ihren Fähigkeiten", erklärte der Admiral generös. "Und nochmal: Willkommen in der Oberliga."

"Danke", erwiderte er trocken. Wenn diese Sache vorbei war, so nahm er sich fest vor, würde dies das letzte Mal sein, dass er über irgendetwas das Oberkommando übernahm. Zumindest in diesem Leben.

***

"Mein Name!", gellte die Stimme des Amerikaners über den Platz vor der Botschaft der Millenier, "ist Major Ayoka, derzeit der Oberkommandierende über die GunSuit-Streitkräfte des SilverMilleniums! Das, was Sie hier vor sich sehen, ist die Gesamtheit der Streitmacht! Weitere einhundert Stück aber werden noch am heutigen Tag einsatzbereit sein!" Die Hand des US Marines deutete auf die gut fünfzig Rüstungen, die von den Milleniern wie durch Zauberhand auf den neuesten Stand der Technik gebracht worden waren. Alle waren flugfähig, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit. Alle hatten den Pulser, und bei den meisten waren Miniraketen installiert worden, mit denen man Sidewinder und Mavericks vom Himmel holen konnte. Um eine Interkontinentalrakete zu erwischen, musste man aber den Pulser nehmen, weil die gigantischen Raketen sonst zu wenig Schaden nahmen und womöglich noch ihr Angriffsziel erreichten. Aber noch, noch flogen keine Bomben auf Tokio. "Mit meinen Leuten und Freiwilligen des SilverMilleniums kann ich genau dreißig besetzen!", donnerte er mit seiner Kasernenhofstimme weiter. "Das heißt, ich brauche noch zwanzig Leute jetzt und einhundert heute Abend!"

Der Blick des Marines ging über die angetretenen Männer und Frauen. Soldaten der Selbstverteidigungsstreitkräfte Japans, US-Soldaten, Polizisten, aber auch ein unübersehbarer Haufen an Freiwilligen, viele von ihnen Studenten der Toudai, die nach einer gewissen Ansprache einer gewissen Person hergekommen waren, um ihren Teil zur Verteidigung der Welt beizutragen. Denn darauf lief es hinaus. Auf dieser Seite war Usagi-chan - er meinte natürlich Serenity-sama! - die für den Ausgleich stand, für das Gute und für die Versöhnung. Auf der anderen Seite aber standen die Geldadligen, die nur ihren Profit sahen, die korrupten Politiker, die gerade seine geliebte Heimat mit Bürgerkrieg überzogen und natürlich verblendete oder kriecherische Militärs, die entweder zu feige, zu schwach oder zu machtgeil waren, um ihren Job zu tun und Serenity zu beschützen.

Der große Ameriko-Japaner verschränkte die Arme auf dem Rücken und lächelte. Zumindest war es das, was er für ein Lächeln hielt. Einige verschreckte es. "Wir leben in merkwürdigen Zeiten. Oft genug war Krieg in unserer Geschichte nur eine Fortsetzung der Politik, die wiederum aus Ausbeutung bestand. Nicht immer konnten Soldaten dagegen etwas tun. Im Gegenteil! Ich selbst war noch vor kurzem ein williges Werkzeug in dieser Maschinerie, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Serenity-sama und Endymion-sama, die ihr Bestes geben, um Kompromisse zu schließen, auszulöschen! Denn Kompromisse mindern die Gewinne, mindern die Margen, schmälern die Rendite! Und diese Leute denken nur in Rendite, nur in Geld!

Jetzt aber sind meine Augen weit geöffnet, jetzt aber sehe ich meine Pflicht, jetzt aber kann und will ich etwas tun!" Er zog die Rechte hervor und ballte sie zur Faust. Seine Fingernägel bohrten sich ins Fleisch und einer verursachte tatsächlich eine Wunde, als er abbrach. Blut lief als Tröpfchen seine Hand hinab. "Das Geld hat sein hässliches Gesicht gezeigt und meine Heimat übernommen! Aber der Präsident konnte fliehen und ist noch immer in der Lage zu regieren! Und sein Befehl war eindeutig: Das SilverMillenium als die Hoffnung der Menschheit zu schützen! Dafür sind Sie hier! Dafür haben Sie sich gemeldet, mit mir, mit uns, Seite an Seite, in diesen Anzügen zur Rettung Japans zu schreiten!"

Er nahm die Hand wieder auf den Rücken. "Mehr als einen Crashkurs, eine kurzfristige Einweisung, wird es nicht geben! Sie riskieren Ihre Leben und viele werden voraussichtlich sterben, weil sie den GunSuit nicht beherrschen! Aber eine Waffe, die man nicht einsetzt, ist eine unnütze Waffe, und wir brauchen jetzt jede Waffe, derer wir habhaft werden können! Seit aus "die" und "ich" wir geworden ist, um exakt zu sein! Machen Sie sich bewusst, dass Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit da oben oder zu Land sterben werden und entscheiden Sie dann noch einmal, ob Sie tatsächlich kämpfen wollen!"

Die Freiwilligen vor ihm, weit mehr als einhundert Männer und Frauen, wurden kurz unruhig, aber das dauerte nur einen Moment. Dann kehrte wieder Stille ein. Keiner ging, keiner stellte Fragen. Keiner zeigte Bedauern oder Bedenken.

Ayoka nickte anerkennend. Er deutete neben sich. "Dies ist Umino Gurio! Viele von Ihnen werden von ihm gehört haben! Er hat herausgefunden, dass unser Gegner im großen Stil Millenier-Technologie hat stehlen und reproduzieren lassen! Das Ergebnis sind diese Rüstungen und der Versuch, die Dominanz auf der Erde zu erhalten, indem das SilverMillenium ausgelöscht wird! Gurio-san hat ad hoc ein Verfahren entwickelt, um jene unter Ihnen herauszufiltern, die am ehesten in der Lage sind, mit einem GunSuit umzugehen! Die Besten von Ihnen werden uns bei der ersten Verteidigungswelle begleiten, die in einer Stunde aufbricht - rechtzeitig, um beim ersten Angriff auf japanischem Boden mit konventionellen Streitkräften vor Ort sein zu können! Die anderen geeigneten Piloten werden trainieren können, bis heute Abend die weiteren einhundert Rüstungen bereit sind!" Er sah zur Seite. "Bitte, Gurio-san."

Umino trat vor. Knapp nickte er Doktor Ang Suun zu, der Koryphäe der Organisation für den GunSuit. Was nun kam, würden sie gemeinsam erledigen. "Die ersten zwanzig bitte ich, mir zu folgen. Wir haben Simulatoren vorbereitet. Wir sortieren die besten Zwanzig, denen wir zutrauen können, sich nicht selbst umzubringen und ein intuitives Verständnis für den GunSuit mitzubringen, für den Einsatz aus. Bitte folgen Sie mir!"

Ayoka sah den beiden Wissenschaftlern sowie der ersten Gruppe mit gemischten Gefühlen nach. Gewiss, es war Krieg. Sie waren im Krieg. Aber einige von denen, die dort gingen und einige von denen, die noch hier warteten, begierig auf ihre Chance, sich im Simulator zu beweisen, waren noch nicht einmal einundzwanzig, geschweige denn achtzehn.
 

Zwanzig Minuten später saß Ayoka an seinem Schreibtisch und nahm die Personalien der besten zwanzig auf, die sie begleiten würden - in nicht einmal achtzehn Minuten. Im Hintergrund machte sich Umino Gurio fertig und legte seine - ja, seine - Rüstung an. Er würde sie begleiten, auch weil er das intuitive Verständnis für die Rüstung hatte, das er bei den anderen suchte. Ang Suun würde hier weitermachen und die anderen einhundert trainieren, bis man ihnen einen GunSuit anvertrauen konnte.

"Name?", fragte Ayoka, ohne aufzusehen.

"Unazuki", antwortete eine Mädchenstimme.

Ayoka sah auf. "Hat Unazukui auch einen Familiennamen?"

Das braunhaarige Mädchen sah ihn konsterniert an. "Ich habe die Befähigung und das intuitive Verständnis für den GunSuit. Braucht es noch mehr?"

"Ja. Einen Nachnamen. Für das Protokoll."

Die junge Frau zwinkerte nervös. Irgendwas an ihr stimmte nicht. "Unazuki Furohata."

"Na also, warum nicht gleich so? Sie sind in meiner Squad, Furohata. Keine Sorge, ich passe auf Sie auf. So gut ich kann, zumindest."

"Ich gebe mein Bestes, Major Ayoka", sagte sie, erleichtert aufatmend.

"Gehen Sie zu Doktor Ang Suun rüber. Die Techniker helfen Ihnen dabei, die Rüstung anzulegen."

"Danke." Sie imitierte einen Salut und passierte den Schreibtisch.

Leises Getuschel erregte seine Aufmerksamkeit. Zwei millenische Soldaten sahen dem Mädchen nach. Ihren Gesichtern ließ sich entnehmen, dass sie probate Schwierigkeiten hatten, mit der Situation klarzukommen. Einer von ihnen rief tatsächlich Gaion herüber, den Sekretär Mamoru Chibas. Die drei redeten kurz miteinander, dann wurde der Millenier, einer ihrer größten Krieger, bleich und trat zu Ayoka heran, der mittlerweile drei weitere Kandidaten aufgenommen hatte.

"Herr Major, das Mädchen, das Sie gerade registriert haben..."

"Ja, was ist mir ihr, abgesehen davon, dass Sie eine verdammt gute Synchronisation aufweist und intuitiv einen Großteil des GunSuits erfasst hat?", fragte er patzig.

"Nun, es ist Unazuki-chan."

"Und das bedeutet was?"

Gaion starrte den Ameriko-Japaner ungläubig an, bevor es in seinem Kopf Klick zu machen schien. "Ach so. Natürlich kennen Sie sie nicht. Es ist Motoki Furohatas kleine Schwester."

Für einen Moment erschrak Ayoka. Und das nicht zu knapp. Er räusperte sich mehrfach, um seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen. War er gerade dabei, die Schwester des zweithöchsten Generals des jetzigen Japans in den Tod zu schicken? Er hatte versprochen, auf sie aufzupassen. Sah ganz so aus, als würde er das Versprechen um jeden Preis halten müssen. "Ich habe ein Auge auf sie", sagte er daher, als er seiner Stimme wieder vertrauen konnte.

"Hey, geht es hier mal bald weiter?", fragte eine Männerstimme. Eine sehr junge Männerstimme.

"Na, da hat es aber einer eilig", scherzte Ayoka. Er sah vor sich. "Sicher, dass du hier richtig bist, Junge?"

Der junge Mann, vielleicht sechzehn oder siebzehn, nickte in Richtung des Dokuments vor Ayoka. "Ich bin derjenige mit den zweitbesten Synchronisationswerten und bei der intuitiven Erfassung der Möglichkeiten nur knapp hinter Unazuki. Sie brauchen mich."

"Das steht außer Frage." Der Major fühlte seine Wangenmuskeln mahlen.

"UM HIMMELS WILLEN, AYOKA!"

"Was denn, Gaion?", fuhr der Major den Sekretär an.

"Das ist nicht irgendwer! Das ist Shingo!"

"Shingo wer?"

"Shingo Tsukino! Der kleine Bruder von Serenity-sama!"

Ayoka fühlte, wie ihm der Magen nach unten sackte. Zweifellos folgte auch noch sein Herz, und das ziemlich bald und ziemlich heftig. "Was? WAS?"

Shingo schnaubte ärgerlich. "Meine Schwester", sagte er traurig, "hat die Welt gerettet. Und sie versucht, sie zu einem besseren Ort für uns alle zu machen. Manchen gefällt das nicht, und sie versuchen, ihre Möglichkeiten zu nutzen, um ihren Willen durchzusetzen, gegen den Willen der Mehrheit." Shingo legte beide Hände auf dem Schreibtisch ab. "Hier und jetzt habe ich eine kleine, eine winzigkleine Chance, um Mamoru-nii und Onee-chan einen klitzekleinen Teil dessen zurückzugeben, was sie für uns, was sie für mich vollbracht haben! Sie haben mich gerettet, als der Eispanzer auf mir lastete, als er auf uns allen lastete, als ich, als wir alle hilflos und verloren waren! Das konnte ich nie zurückgeben, egal wie sehr ich das wollte! Aber jetzt ist es anders! Ich kann etwas tun! Ich bin dazu in der Lage, ich habe die Möglichkeiten! Meine Werte auf dem GunSuit sind die zweitbesten von allen! Aber selbst wenn sie die schlechtesten wären, würde ich diese Chance mit beiden Händen ergreifen!" Seine Stimme wurde drohend. "Als Bürger des SilverMilleniums fordere ich mein Recht, mein Reich verteidigen zu dürfen!"

Ayoka sah schockiert zum Millenier herüber. "Darf er das?"

Gaion ächzte. "Er ist Bürger des SilverMilleniums, ja. Und wir alle haben das Recht, die Gemeinschaft zu verteidigen... Ich schätze, wir hatten da ein, zwei dumme Ideen, als wir unsere Satzung als Millenier neu ausgearbeitet haben." Er griff in eine seiner Taschen. "Lassen Sie mich Usagi anrufen. Sie wird Shingo schon den Kopf wieder geraderücken. Usagi-chan? Shingo ist hier und will sich für die GunSuits melden. Ja, ich weiß. Habe ich auch gesagt... Hm? Hm. Was? ECHT? Hm. Okay... Okay... Ja. Nein, aber du bist der Boss." Der Millenier beendete das Gespräch. "Sie hat ja gesagt."

Shingo ballte beide Hände zu Fäusten. "Ja, verdammt!"

"Wenn Ikuko und Kenji ja sagen. Usagi-chan hat gesagt, dass sie deine Schwester ist, nicht deine Oberbefehlshaberin. Du musst nicht auf sie hören und sie hat auch keine Gewalt über dich. Bei deinen Eltern aber sieht es anders aus."

"Wir haben es ihm schon erlaubt", klang die Stimme des nächsten Manns in der Reihe auf.

Gaion sprang erschrocken einen Schritt zurück. "Tsukino-sama!" Er stutzte, kam wieder einen Schritt vor und erbleichte erneut. "Sie melden sich auch?"

"Es scheint so", sagte Kenji Tsukino, "dass sowohl Sohn als auch Vater sehr gut mit einem GunSuit umgehen können. Sie wissen, dass Sie uns brauchen, Major Ayoka. Und wir haben hier unsere einzige Chance, uns auf die einzige Art bei meiner Tochter zu bedanken, die wir haben, indem wir für das SilverMillenium und für einhundertachtzig Millionen Japaner kämpfen."

"Kommt Ikuko-sama auch noch?", fragte Gaion misstrauisch.

Kenji Tsukino hob abwehrend eine Hand. "Oh nein, nicht Ikuko. Sie ist keine Soldatin. Aber sie hilft im Turm bei der Organisation des provisorischen Lazaretts, das wir sicher bald dringend brauchen werden."

"Na, immerhin etwas", knurrte der Mondbewohner. "Das gefällt mir nicht, aber was soll ich machen? Ayoka, passen Sie verdammt noch mal auf die beiden auf!"

"Zischen Sie mich nicht an, Gaion!", erwiderte der Major wütend. "Mir gefällt das erst Recht nicht! Ich möchte ungern als der Mann in die Geschichte eingehen, der Shingo und Kenji Tsukino in den Tod geschickt hat! Aber wenn wir sie nicht mitnehmen, kann es sehr gut sein, dass sie unter mehreren Millionen Toten überhaupt nicht auffallen, und das würde Serenity-sama mir erst Recht übel nehmen!" Er wandte sich beiden Tsukino-Männern zu. "Gehen Sie durch. Die Techniker werden Sie einweisen!"

Mit einem Nicken passierten Shingo und Kenji den Marine. Kaum waren sie außer Hörweite, griff Ayoka Gaion in den Nacken und zog ihn zu sich herunter. "Besorgen Sie mir jemanden mit Sailorkräften! Irgendwen! Ich habe hier nicht nur Serenitys Vater und ihren Bruder, sondern auch General Gyes' kleine Schwester! Ich brauche Hilfe, verdammt!"

"Ich werde zusehen, was ich tun kann", versprach Gaion. Viel Hoffnung hatte er indes nicht, das sah man an seinem Gesicht.

***

"Nicht auf das Schiff!", rief Iskander scharf. SailorSaturn, ihre Gleve bereits zum Schlag gegen den fernen amerikanischen Flugzeugträger erhoben, schob die Klinge ein klein wenig nach links und zog voll durch. Das Ergebnis war ein Hieb aus purer schwarzer Energie, der den Sand vor ihr teilte, die Wellen bis zum Meeresgrund und knapp an der Nachbarinsel vorbei so weit das Auge reichen konnte. Tatsächlich konnte ein Fischerboot, das neun Seemeilen entfernt war, sehen, wie der Hieb von Hotaru mit ihren Sailorkräften der Erdkrümmung entbunden wurde und von dort in gerader Linie ins Weltall aufstieg, wo sich der Hieb letztendlich verlor. Das Ergebnis war aber nicht nur dort spektakulär. Vor dem Flugzeugträger der Niemitz-Klasse vaporisierte der kraftvolle Schlag das Wasser auf einer Breite von fünfzig Metern und bis in die Unendlichkeit und riss auch noch mehrere hundert Meter Meeresgrund auf. Mit dem Wasser, das in diese riesige Öffnung hineinflutete, wurde auch der Träger mitgerissen. Der gewaltige Bug sackte plötzlich nach unten, senkte sich auf mehr als dreißig Grad, dann stürzte er, auf dem nachströmenden Wasser ruhend, mehrere Dutzend Meter in die Tiefe. Zwei TomCat, die gerade hatten starten wollen, rutschten über das Landedeck hinaus und fielen in die Tiefe. Mehrere Dutzend Männer der Bodencrew rutschten ebenfalls über den Boden, dem Abgrund entgegen, und versuchten verzweifelt, irgendeine Form von Halt zu finden. Die erste TomCat stürzte ins Leere; Pilot und Co-Pilot lösten den Schleudersitz aus, der sie in Sicherheit katapultierte, während ihr Überlegenheitsjäger erst in der Tiefe und dann in den brodelnden Wassermassen verschwand. Die zweite TomCat stürzte ebenfalls in die Tiefe, hier aber löste niemand einen Schleudersitz aus. Sechs oder sieben Männer und Frauen des Trägers stürzten ebenfalls ungehalten in die Tiefe. Und Iskander konnte sich ausmalen, wie es in den Eingeweiden des Trägers gerade aussah. Dann tauchte der gewaltige Bug ins Wasser ein, durchstieß es mit gerade mal zehn Meter Wasser unter dem Kiel, nahm die Fluten auf und kam, die Wellen nach oben durchbrechend, endlich wieder auf dem Wasser an. Die ersten dreißig Meter des Decks waren wie blankgefegt; alle Aufbauten waren abgerissen worden, die Bodencrew, die sich dort aufgehalten hatte, fortgespült und in den Fluten umgekommen. Das Wasser, das aufs Deck geraten war, spülte nun Richtung Heck wie eine unaufhaltbare Flut, da dieses nun tiefer lag als der Bug, und riss alles andere ab, was nicht niet-, und nagelfest war. Die Crew zum Beispiel.

In diesem Moment aber teilte sich das Meer erneut, wenngleich nicht so gewaltig wie beim ersten Mal. Aus den Wassermassen kam Saturn hervor, auf der zierlichen Schulterdie abgeschlagene Spitze der zweiten TomCat mit den beiden Piloten, während sie mit der anderen Hand ihre Gleve hielt, an der sich sieben Leute der Bodencrew festklammerten. Hotaru setzte ihre Last auf dem schwer beschädigten Landedeck ab, entriss den zu Tode verängstigten Männern und Frauen ihre Gleve und verschwand per Step vom Bug. Als sie diesmal wieder auftauchte, hatte sie ein weiteres Dutzend Menschen bei sich. Sie waren jene Leute der Bodencrew, die vom Heck gespült worden waren. Als sie alle abgesetzt hatte, verschwand sie erneut und tauchte per Step direkt neben Iskander auf. "Gut so?"

Iskander zögerte mit einer Antwort. Er, das heißt sein früheres Ich, war Militär und kannte die Notwendigkeiten von militärischen Aktionen. Es hieß sogar, er, also Iskander, wäre in seiner besten Zeit ein ziemlicher Berserker gewesen, der wenig Rücksicht auf den Feind genommen hatte. Wobei Rücksicht für den Feind ohnehin ein Spiel mit dem Feuer war.

Das Wasser vor ihnen beruhigte sich nur langsam, der Träger bockte auf den Wellen und Wasser schoss aus einem geöffneten Hangarschott. "Was ist damit?"

"Die waren schlau genug, ein stabiles Schott zwischen sich und das Wasser zu bringen", erklärte Hotaru. "Das habe ich gecheckt. Keine Verluste auf dem Träger."

"Hm", machte Iskander. Ein paar Tote hatte es mit Sicherheit schon gegeben, denn Pyramon hatte nicht nur anfliegende Tomahawks und Harpoons wie Seidenpapier mit seinen Sailorkräften zerknüllt. Auch ein paar F16 waren darunter gewesen. Und er selbst hatte einen Zerstörer des Begleitverbands attackiert und mit einem Energieschlag ein mehrere Meter durchmessendes Loch in den Bug geschlagen. Das große Kriegsschiff nahm seither Wasser und schleppte sich in Richtung des nächsten Hafens. Es wäre ein Wunder gewesen, hätte der rüde Angriff nicht zumindest Verletzte gefordert. "Damit bist du besser als wir."

"Kann ich so nicht bestätigen. Ich wollte den Schlag direkt durch den Flugzeugträger jagen und das Schiff in zwei Teile spalten. Du hast mich zurückgehalten, Akira."

Die Kiefer des in Deutschland aufgewachsenen Japaners mahlten. "Das Ergebnis zählt, Hotaru. Und du machst einen guten Job hier." Mittlerweile war der Beschuss eingestellt worden. Weder die Geschütze der Flotte, noch ihre Raketenwerfer und erst recht nicht ihre Flugzeuge feuerten noch auf sie. Ihre überlegenen Sailorkräfte hatten sehr genau gezeigt, wie sehr sie ihnen überlegen waren. Und die GunSuits, welche die Fabrik verteidigt hatten, waren für Hotaru nicht wirklich ein Probmel gewesen. Erst recht nicht in der Luft, wo sie eigentlich im Vorteil hätten sein müssen. Aber ein Sailorkrieger war alleine schon wegen seiner Rüstung im Vorteil.

"Danke", erwiderte die Sailorkriegerin jovial. "Aber ich muss dich auch loben. Du bist nicht nur ein guter Anführer, du bist auch zu mir durchgedrungen, als mein Kopf längst im Kampfrausch war." Ihre Augen waren, als sie dies sagte, vollkommen ernst und wollten überhaupt nicht zu ihrem Lächeln passen. Das war sie also, SailorSaturn, die Kriegerin des Todes.

"Jeder Tote ist einer zuviel", erwiderte Akira mürrisch. "Und erinnere mich daran, den Ersten umzuhauen, der irgendwelche Phrasen drischt, die "wir sind im Krieg", "wir tun nur unsere Pflicht" und "wir machen nur, was nötig ist", okay?"

Hotaru lächelte, und diesmal erreichte es ihre Augen. "Ist gut, mache ich."

General Iskander wandte sich von der Kriegerin ab. Er mochte das Mädchen, vielleicht sogar etwas zu sehr, als wirklich gut war. Die Sailorkrieger konnte er als gleichwertig ansehen, unterschied sie in Männern und Frauen. Sie waren Partner, Kollegen im gemeinsamen Ringen um die Welt. Aber Hotaru und vor allem Klein-Usagi kamen ihm vor wie kleine Schwestern. Die vermutlich mächtigsten kleinen Schwestern des bekannten Universums.
 

"General?" Kenichiro Kano salutierte mit links vor ihm, weil der rechte Arm in einer provisorischen Schlinge steckte. Er bemerkte den besorgten Blick und winkte ab. "Halb so wild. Ein einfacher Bruch von Speiche und Elle. Pyramon-sama hat es bereits gerichtet und behandelt. Wenn ich den Arm zwei Stunden ruhig halte, ist er wieder wie neu."

Iskander hob fragend die Augenbrauen.

"Ein GunSuit. Genauer gesagt ein Arm. Einer der Wissenschaftler wollte sich nicht mit der Kapitulation abfinden. Er schlupfte mit rechts in den Arm, und da dieser unbewaffnet war, brach er mir mit dem Kraftverstärker den Unterarm. Die Quetschungen sind eigentlich schlimmer als der Bruch, aber auch die hat Pyramon-sama behandelt." Der japanische Elite-Offizier räusperte sich. "Die Ninja haben eine Gruppe hoher Offiziere davon abgehalten, sich durch einen Geheimgang zu einem Boot in einer Grotte am Nordrand des Vulkans zurückzuziehen und zu fliehen. Sie stehen für ein schnelles Verhör bereit."

Iskander nickte. "Gehen wir hin. Hotaru, schaffst du es hier draußen alleine?"

Die Sailorkriegerin zuckte beinahe gelangweilt mit den Schultern. "Die NORFOLK schleust gerade eine Kompanie Marines aus, die mit Sturmbewaffnung und Bazookas ausgerüstet unsere Flanke angreifen sollen. Sind in acht Minuten am Strand, und dort werde ich sie heftigst aufmischen, sodass ihnen die Lust an weiteren Landungsversuchen vergeht. Ansonsten treibt sich da draußen noch eine L.A.-Klasse herum, die auf den Befehl wartet, die Fabrik und alle, die in ihr sind, mit einem massiven Raketenangriff in Asche zu verwandeln... Nichts, womit ich nicht fertig werde. Geh rein und tu deinen Job, Niichan."

Niichan hatte sie gesagt. Eine Koseform für großer Bruder. Das fühlte sich gut an. Zugleich aber war Iskander auch bestürzt, denn seine neue kleine Schwester stammte ja aus der Zukunft. Sie wusste also schon vorher, was hier geschehen würde, wusste, wie die Soldaten dieses Verbandes angreifen würden und wann, solange sich die Geschehnisse an das hielten, was sie kannte. Er war versucht zu fragen, ob das U-Boot angreifen würde oder nicht, aber er hatte keine Zweifel daran, dass Hotaru mit allem fertig werden würde, was die Flotte aufzubieten hatte, zumindest mit allem, was noch vor der Küste kreuzte und noch nicht das Weite gesucht hatte. Und effektiv würde es nur ein paar Sekunden dauern, um ihn und Pyramon zu Hilfe zu rufen.

"Nun geh schon", sagte sie tadelnd. "Es wird nichts passieren, womit ich nicht fertig werde."

"Aber du rufst mich, wenn sich der Verlauf der Zeit ändert?"

Hotaru seufzte gespielt auf. Sie stellte sich hinter ihn und begann zu schieben.

"Ist ja gut", lachte Iskander und setzte sich endlich selbst in Bewegung. "Ich gehe. Weil ich dir vertraue, kleine Schwester."

"Und du tust gut daran", erwiderte sie strahlend.

"Aber eines noch. Wenn du es mir nicht sagen kannst, Mädchen aus der Zukunft, nehme ich das hin."

Hotaru seufzte, diesmal aber mehr vom Grunde ihrer Seele. "Ich habe mich schon gefragt, wann du die Frage stellst. Also los, raus damit."

"Die Frage? Du meinst, du weißt, was ich fragen will?"

"Hallo? Mädchen aus der Zukunft, schon vergessen?", fragte sie, mit dem rechten Daumen auf sich deutend. "Du wirst mich fragen, was mit dir und Ami-chan passieren wird. Und das in dieser Situation mitten im Kampf, nur weil du dich erinnert hast, dass ich weiß, was passieren wird."

Akira zuckte zusammen. "Du hast Recht. Und? Was wird mit mir und Ami passieren?"

Die junge Frau sah plötzlich betreten zu Boden. "Du weißt, dass ich dir das nicht sagen darf. Es könnte die Zukunft verändern und so. Es könnte schlimmste Konsequenzen haben und... Und... Nun, eigentlich darf ich das nicht."

"Und uneigentlich?"

"Uneigentlich kann ich dir ja einen Hinweis geben." Sie sah auf, aber sie lächelte nicht mehr. "Du wirst ihr das Leben retten, Akira. Du wirst sie retten."

Diese Antwort war auf viele Arten zu interpretieren und konnte sehr viel bedeuten. Vor allem aber bedeutete sie, dass Ami überleben würde. Und das war bereits mehr, als er zu hoffen gewagt hatte, seit sie die Verschwörung aufgedeckt hatten.

Er wandte sich von ihr ab. Sein Mantel flog dabei auf, als würde ein mittelschwerer Wind gehen. "Danke. Diese Antwort reicht mir." Um weitermachen zu können, das lag ihm auf der Zunge, aber er konnte es nicht aussprechen. "Führen Sie mich hin, Kano."

"Ja, Sir. Hier entlang, bitte."
 

Sie gingen durch die aufgeschnittene Bresche in die Fabrik. Dabei konnten sie tief in die Hallen, Labors und Werkstätten hinein schauen. Die Soldaten der Hundertschaft bewachten einerseits die über dreihundert zusammengetriebenen Soldaten und Arbeiter und kümmerten sich andererseits um den Abtransport der erbeuteten Daten und Rüstungsteile. Einer der Männer war fürchterlich verrußt, aber er brachte sein Dauergrinsen nicht unter Kontrolle. Akira blieb stehen und winkte den Mann, einen Unteroffizier, zu sich heran. Omo stand auf seinem Namensschild. "Was ist passiert?"

Der junge Soldat grinste. "General Iskander, ich melde, dass ich einen GunSuit erwischt habe."

Kano schnaubte amüsiert, als hätte er einen guten Witz gehört. "Er wurde in einem Gang von einem GunSuit überrascht. Daraufhin hat er seine Leute rausgejagt und eine Panzerfaust auf den Anzug gejagt. Durch die Enge des Gangs konnte die Rüstung nicht ausweichen und die Druckwelle der Explosion tobte sich nur im Gang aus. Omo war weit genug weg, um zu überleben, aber zu nahe dran, um der Druckwelle zu entgehen. Der Ruß ist da nur ein kleiner Preis dafür, dass er sich weder was gebrochen hat, noch dass ihm die Lunge gerissen ist."

Der Leutnant strahlte nur noch breiter. "Sind doch auch nur große Blechbüchsen, General."

"Etwas mehr sind sie schon", korrigierte Iskander, musste aber schmunzeln. "Gut gemacht, Leutnant. Das war sehr tapfer und Sie haben verdammt viel Glück gehabt."

"Das gehört dazu, Iskander-sama. Und ich hoffe, wir werden noch viel öfters und viel mehr Glück haben, solange dieser Konflikt andauert."

"Das hoffe ich auch." Er klopfte dem Kleineren anerkennend auf die Schulter und setzte mit Kano seinen Weg fort.
 

Kano reichte ihm ein Papiertaschentuch. Iskander sah es etwas irritiert an, bis der Elite-Soldat auf die Linke des Generals deutete. Sie war rußverschmiert. Von Omos Uniform. Iskander nahm das Taschentuch an und reinigte seine Hand, obwohl er das auch mit seinen Sailorkräften hätte leisten können. "Danke."

"Keine Ursache. Hier herein, bitte."

Sie betraten einen Raum, der vor allem dadurch auffiel, dass zwei schwarz gekleidete Männer im Raum waren. Von beiden waren nur die Augen zu sehen, obwohl ihre Masken Sehschlitze offen ließen. Aber sie hatten ihre Haut schwarz eingefärbt, sodass man nur die weißen Augäpfel sehen konnte. Ein gespenstischer Anblick und gewiss auch gewollt.

Vor ihnen, an einem Tisch, saßen fünf Männer. Zwei Offiziere und drei Zivilisten. Der höchstrangige Offizier, ein Ein Sterne-General, erhob sich und rief: "Ich protestiere gegen..."

"Sie tun gar nichts!", blaffte Iskander. Der General des Silvermilleniums drückte den Mann mit seinem Zeigestab zurück auf den Stuhl. Der zweite Offizier war nur ein Major, aber er war beherrscht, geradezu gelassen. Die drei Zivilisten waren Ingenieure oder Wissenschaftler. Auf den ersten Blick erkannte Iskander, dass sie Angst hatten, Angst um ihre Leben. Von ihnen war nicht viel zu erwarten, wenn die Angst zu groß war. Aber die beiden Militärs...

"Mein Name ist Iskander", erklärte der großgewachsene Mann. "Ich diene derzeit als General der besonderes Eingreiftruppe im Silvermillenium. Meine Aufgabe ist es, die fünf GunSuit-Fabriken zu vernichten, die Sie und Ihre Verbündeten erbaut haben."

"Vier", kam es leise von einem der Ingenieure.

"Vier", wiederholte Iskander. "Danke."

Der schweigsame Major sah den Zivilisten an, was diesen in sich zusammenschrumpfen ließ. "Was? Was habe ich gemacht?"

"Sehen Sie mich an, Major!", blaffte Iskander streng. "Dies war nur ein Test. Nationalität und Lage der anderen drei Fabriken sind längst bekannt. Wir haben die Rohstoffe verfolgt, was sehr einfach war. So haben wir Ihre Fabrik hier auf Samoa gefunden. Sobald wir hier fertig sind, werden wir die Chinesen im südchinesischen Meer angreifen und ihre Fabrik vernichten. Danach kommen die Briten dran. Oder die Russen. Ich werde eine Münze werfen."

Der Mann bebte. Eindeutig nicht vor Angst, aber vor unterdrücktem Zorn. Ihm musste klar sein, dass er mit bloßen Händen nichts gegen einen Krieger vom Range des Generals in voller Rüstung ausrichten konnte. Aber er spielte sichtlich mit dem Gedanken, es trotzdem zu tun, Erfolgsaussichten hin oder her. "Wenn Sie glauben, Sie werden es bei den anderen ebenso einfach haben wie bei uns, dann..."

"Mir ist klar, dass Sie im permanenten Austausch mit den anderen Fabriken stehen. Und dass Sie permanent Ergebnisse vergleichen und verbessern. Bis auf die kleinen Details, die Sie und die Russen und die Chinesen für sich behalten, um die Rüstungen so entscheidend zu verbessern, dass sie im Krieg, der nach der Vernichtung des Silvermilleniums kommen wird, gegenüber der Konkurrenz einen entsprechenden Vorteil haben werden. Fasst das in etwa alles zusammen, was Sie hier treiben?", sagte Iskander kalt.

Als der Major puterrot wurde, hätte der General des Mondes beinahe geschmunzelt. Natürlich arbeiteten sie mit dem ehemaligen Gegner zusammen. Wie sonst hätten sie die militärische Stärke aufbringen können, um das Mondreich sichtlich zu gefährden? Und genauso natürlich war die Zusammenarbeit beendet, sobald der letzte Mondkrieger getötet worden war, wenn das Habitat auf dem Mond nicht mehr existierte. Eventuell würde eine der vier Parteien - Iskander war sich nicht sicher, ob er Amis und Briten tatsächlich als eine Partei zählen konnte, wenn die Briten erst mal die potentesten Rüstungen entwickelten - schon vorher damit beginnen, den Feind zu dezimieren. Er rechnete sogar fest damit, dass eine Nation der anderen bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken fallen würde.

Iskander zuckte die Achseln. "Hier gibt es nichts mehr für uns zu lernen, Major Kano. Bereiten Sie unseren Abzug vor. Die nächste Fabrik wartet schon."

"Jawohl, Iskander-sama. Was machen wir mit denen hier?"

Akira sah zu den fünf Männern herüber. "Was wohl? Wir lassen sie hier. Sie sind wertlos für uns. Soll sich ihr Präsident um sie kümmern, sobald der Aufstand niedergeschlagen..." Akira stockte. Der Veteran in ihm hatte etwas registriert. Etwas kleines nur, aber extrem beunruhigend. Und es war dabei, bedeutend zu werden, sehr bedeutend, so sehr, dass... Sein Kopf ruckte hoch, fixierte den Ninja an der Rückwand. Der aber reagierte schon von selbst, warf sich zur Seite. Keine Sekunde zu früh, denn dort, wo er sich eben noch befunden hatte, brach ein GunSuit durch die Wand. Die Rüstung lief direkt auf Iskander zu, schob die beiden Soldaten so unsanft beiseite, dass beide augenscheinlich Brüche und weitere Verletzungen erlitten, durchbrach den Tisch, an dem die fünf Amerikaner saßen, was einen Trümmerregen über sie ausschüttete, und griff ihn direkt an. Nur einer der Ingenieure war nicht entsetzt. Er lächelte, und das, obwohl ein Holzsplitter seine linke Wange aufgerissen hatte. Der GunSuit kam heran, Iskander schlug seine Rechte fort, brachte den rechten Arm mit dem Zeigestab ins Bild. Der GunSuit versetzte ihm einen Hieb mit dem Kopf, der seinen Schädel nach hinten warf. Ein harscher Schlag traf sein rechtes Handgelenk, der seinen Zeigestab aus der Hand trieb. Kano war schon gestartet, bereits im Gang und rief nach Yaten, die in der Zentrale war und die Hackerarbeiten überwachte. Der erste Ninja schoss mit einer schweren Pistole auf den Rücken der Rüstung und der Ninja an der Tür hatte seine Waffe gezogen, ein schwarz mattiertes Schwert, das auf Knopfdruck zu vibrieren begann. Damit stieß er direkt durch den Kopf des GunSuits, aber der war davon herzlich unberührt. Er wischte den Ninja mit der Rechten gegen die nächste Wand, was ihm garantiert ein paar Rippen brach.

Die Erkenntnis traf Akira härter als der Hieb gegen seine Rechte! In dem Ding steckte kein Mensch! Dies war eine Sekunde, bevor der GunSuit seine rechte Hand mit der Waffenmündung auf Akiras Bauch legte. Dann drückte er ab. Die Luft war erfüllt vom hellen Singen der Waffe, die ursprünglich eine Schubkorrekturdüse des Seelenschiffs gewesen war, die man nun zur Waffe gemacht hatte. Daraufhin folgte Stille, unerträgliche Stille.

Der unbekannte Ingenieur, der selbst erhebliche Schmerzen hatte, grinste nun. "Aber die Zusammenarbeit funktioniert bis dato recht gut. Diese Rüstung und vor allem die verbesserte Waffe sind ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit, Herr Möchtegern-General. Damit sollte erwiesen sein, dass selbst die Sailor-Rüstungen zu besiegen sind."

Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, als hätte es jemand fortgewischt. Der Grund hierfür war etwas, was es seiner Meinung nach gar nicht geben durfte - Iskander bewegte sich. Mehr noch, seine Rechte schnellte vor, legte sich auf die Brust der Rüstung. "Und du bist also tatsächlich der Meinung, dass meine ganze Kraft in meinem Stab steckt?"

Energie in seiner reinsten Form wurde durch Akira Torahs Handfläche direkt in die Rüstung geleitet; ungefilterte, reine Kraft von jener Sorte, die man mangels einer besseren Bezeichnung Sailorkraft nannte. Sie lud die Rüstung, überlud die Rüstung, erfüllte sie mit Energie. Der GunSuit reagierte, ließ die Linke heranschnellen, um Iskander den Schädel zu zertrümmern, aber der zweite Ninja war heran, klammerte sich an den Arm und machte ihn so ein paar Augenblicke zu langsam. Sailor Starhealer machte sich diese Pause zunutze. Kaum, dass sie in den Raum geeilt kam, schnitten ihre Fingernägel wie superscharfe Messer durch Butter über den Arm und trennten ihn von der Rüstung. Das scherte den GunSuit noch nicht. Ein weiterer Energiepuls aus dem rechten Arm schlug in Iskander ein, schlug auf ihm auf wie ein Ziegelstein auf eine Windschutzscheibe. Sailor Starhealer trennte auch den Arm ab.

Bevor die Software aber bis zum logischen Schluss kam, hatte Iskander sein Ziel erreicht. Die Rüstung war mit seiner Energie, seiner Körperkraft, gesättigt. Er zog die Hand zurück und atmete einen kurzen Moment aus. Sein sardonisches Grinsen ließ den Ingenieur, der den unbemannten GunSuit gerufen hatte, zutiefst erschaudern.

"Ich bin weit mehr als mein Stab", sagte Iskander. Er schnippte. Ein leises, beinahe unauffälliges Geräusch, das aber durch den Raum schnitt wie eine Sirene. Das Ergebnis war spektakulär. Der GunSuit zerfiel vor seinen Augen zu... Asche. "Und das SilverMillenium lernt mindestens ebenso schnell dazu wie Ihr!" Iskander schnaubte abfällig, fast beleidigt. "Den da nehmt mit. Er weiß mehr über die unbemannten GunSuits. Das wird uns nützlich sein." Sein sardonisches Grinsen vertiefte sich. "SailorMars soll sein Verhör führen."

Sailor Starhealer wurde blass. "Steckt vielleicht ein kleiner Sadist in dir, Iskander?"

"An dem ist nichts klein", erklärte der General, wandte sich ab und trat auf den Gang hinaus, während die beiden Ninjas den wehrlosen Mann noch wehrloser machten.
 

Draußen brach Iskander zusammen. Seine Rüstung flackerte und erlosch schließlich. Ein leises, schmerzerfülltes Stöhnen entrang sich seiner Kehle, während er mit dem Rücken an der Wand lehnte und mit beiden Händen den Bauch hielt. "Warum immer ich? Warum dauernd ich? Warum nicht mal Endymion oder Gyes? Wieso kriege ich immer alles ab?"

"Akira, lass mich mal sehen..." Yaten war nur mäßig beunruhigt. Wenn dieser Rotzlöffel von Mann sich über sein Schicksal beklagen konnte, dann ging es ihm nicht so schlecht.

Der General lüftete die Hände vom Bauch. Seine Kleidung war verschwunden, die Haut darunter stark gerötet. Aber es war nichts verbrannt und es sah auch nicht so aus, als hätte er sich einen Bruch zugezogen, oder noch schlimmer, innere Verletzungen. Um sicherzugehen führte Yaten einen mentalen Scan seines Körpers durch. "Du hast diesmal Glück gehabt."

"Kein Glück", wehrte Akira ab und griff nach Yatens Händen, die auf seinen Schläfen ruhten. Er lächelte, als er ihre Hände umfasste und sanft an seine Lippen drückte. "Erstens hatte ich den besten Schutzengel von allen und zweitens waren die Modifikationen an den Rüstungen erfolgreich, wie du gesehen hast."

Yaten errötete. "Viel getan habe ich nicht", stammelte sie.

"Im Gegenteil. Hättest du den zweiten Arm des GunSuits nicht abgetrennt, hätte ich jetzt keinen Kopf mehr." Erneut küsste er ihre Hände. "Dir verdanke ich mein Leben."

Sie entzog ihm beide Hände mit einem Ruck, aber ein Lächeln spielte auf ihren Lippen. "So, habe ich das? Dann mach dich mal bereit für die Rechnung. Die wird verdammt hoch ausfallen, wenn dein Leben retten meine Gewohnheit wird."

"Was immer du willst, Yaten, was immer du willst." Er sah zur Seite, wo Kano stand. "Major, bringen Sie den Gefangenen mit nach Japan. Er weiß etwas über autarke GunSuits ohne Piloten. Und verdammt noch mal, sagen Sie Ami und Taiki Bescheid, sie sollen sofort dafür sorgen, dass unsere Rüstungen nicht trotz Piloten von irgendeiner Fernsteuerung übernommen werden können! Gleich nach der Warnung vor den unbemannten, autarken Rüstungen!"

Kano grinste erleichtert und bot Akira eine Hand zum Aufstehen. "Jawohl, General. Die Truppen sind übrigens zum Abmarsch bereit. Wir haben alles geklaut, was zu klauen ging."

"Klauen. Was für eine Ausdrucksweise", tadelte Akira. Yaten stemmte sich unter seinen Arm und stützte ihn. "Das ist natürlich alles Kriegsbeute."

"Ja, klar, Kriegsbeute", lachte Yaten. "Was immer du sagst."

Akira besah sich die Sailorkriegerin aus einem fernen Sonnensystem amüsiert. "Weiter so, und du wirst meine beste Freundin von allen."

Sie seufzte leise. "Ja, das bin ich wohl. Deine beste Freundin, Akira Torah. Na, dann werde ich dich mal sicher zurück nach Japan schaffen, bester Freund. Major Kano, wir ziehen sofort ab. Und jemand soll die Ninjas aus dem Raum unterstützen. Mindestens einer von ihnen ist schwer verletzt."

"Jawohl, Miss." Für eine Sekunde salutierte der gestandene Offizier vor der Sailorkriegerin. "Für ein Autogramm."

"Sind denn alle hier Fans der Starlights?", fragte sie mehr amüsiert als verzweifelt.

"Einige der amerikanischen Gefangenen haben gefragt, ob Sie Zeit für Autogramme haben...", wandte Kano ein.

"Das war ein Witz, oder?", fragte sie verdutzt.

Akira lachte auf. "Musik verbindet eben alle. Schneller und besser als jeder Friedensvertrag." Er drückte der verdutzten Frau einen Kuss auf die Wange. "Sieh es ein, du bist ein Friedensbote. Wenn die Welt eines Tages eins ist, dann nicht zuletzt wegen dem positiven Beispiel der Starlights."

Verwundert rieb sie sich die Wange. "Na, danke."

Akira sah wieder zu Kano. "Ansonsten? Hat Hotaru den Landungsversuch abgewehrt? Gab es Überlebende?"

"Woher wissen Sie das schon wieder?", fragte Kano irritiert. "Es gab einen Landungsversuch der Marines. Sie hat ihn spektakulär abgeschlagen und die Truppe wieder ins Meer getrieben. Ein Teil von ihnen war so schockiert, dass er sogar versucht hat, zurück zu schwimmen. SailorSaturn kann sehr furchteinflößend sein."

"Du hast ja keine Ahnung, wie furchteinflößend", murmelte Akira mehr zu sich selbst. "Also gut, wenn es das war, dann hauen wir ab. Jemand soll die Reste des unbemannten GunSuits mitnehmen, und dann nichts wie los. Da warten noch drei Fabriken auf unseren Besuch."

Kano ging in den Hab Acht und salutierte so korrekt wie ein Westpoint-Kadett. "Jawohl, General Iskander!"

Alles in allem führte das Silvermillenium nach Punkten. Aber es war ja auch nur die erste Schlacht gewesen.

***

"Hier bist du also", sagte Mamoru, als er auf den Balkon trat, auf dem sie vor wenigen Tagen noch von GunSuits überfallen worden waren. Er trat hinter die einsame Gestalt, umarmte sie von hinten und drückte einen Kuss auf ihren Hals. "Suchst du dir die Einsamkeit, weil du dich nicht zwischen mir und Seiya entscheiden kannst?"

Usagi Tsukino wandte sich in den Armen des Lichts der Erde und umarmte ihn ihrerseits. "Mach dich nicht lächerlich. Notfalls nehme ich euch beide", scherzte sie.

"Oho, da hat sich aber jemand was vorgenommen", scherzte Mamoru. Er schloss die Arme etwas fester um die junge Frau, die ihm wichtiger war als alles andere in der Welt. "Und was ist der wahre Grund?"

Usagi seufzte. "Es fing an mit Papa und Shingo. Sie haben sich zu den GunSuits gemeldet. Und sie wurden genommen, weil sie Uminos Tests beide mit hervorragend bestanden haben. Von da an war es nur ein kurzer Weg, bis ich erfahren habe, dass Motokis Schwester ebenfalls zu den GunSuits gestoßen ist. Das ist logisch, weißt du, denn alle drei haben jederzeit Zutritt zur Botschaft. Sie gehen hier ein und aus, wenn sie wollen, und deshalb konnten sie sich der Auswahlprüfung stellen. Da habe ich Angst bekommen, Angst um die drei. Und ab da war es nur ein Katzensprung, bis ich Angst um sie alle bekommen habe." Sie sah ihrem Freund in die Augen. "Mamoru, können wir nicht einfach ganz Japan unter einen Schild legen und die ganze Geschichte aussitzen? Niemand wird sterben müssen und niemand..."

"Schhhhh", machte Mamoru und legte einen Finger auf ihre Lippen. "Ganz Japan unter einen Schild zu legen, ihn vielleicht zu erhalten beim Einschlag von Atomraketen, würde dich und die anderen Sailorkrieger ausbrennen, sogar töten. Er würde nicht lange halten. Du weißt, dass wir in der Zukunft lediglich das Areal rund um den Turm für längere Zeit unter einen Schirm legen können."

"Darüber habe ich auch nachgedacht. Aber die Geschichte mit Prinz Diamant und seinem Bruder Saphir ist... Ich meine, wie... Wir haben es erlebt, wir waren da, wir haben es gesehen, aber es wirkt selbst jetzt noch so unwirklich, obwohl es definitiv unsere Zukunft ist!"

"Das werden wir noch sehen", orakelte Mamoru. "Was die andere Geschichte angeht, so können wir Tokio und seine über zwanzig Millionen Bewohner für eine gewisse Zeit schützen, aber nicht mehr. Das ist aber in Ordnung, weil wir sehr wahrscheinlich das einzige Ziel der Angriffe sein werden." Er entließ sie aus seinen Armen und trat an den Rand des Balkons. "Und davon einmal abgesehen musst du nicht alleine kämpfen. Sieh sie dir an, die Menschen, die uns unterstützen."

Usagi trat neben ihren Verlobten an die Reling des Balkons. Sie sah hinab in die Tiefe. Noch immer war das Gelände der Botschaft des Silvermilleniums regelrecht umlagert. Eine halbe Million Menschen waren es mittlerweile, und ihre Unterstützung für sie war ungebrochen. "Ich sehe", sagte sie mit Bitterkeit in der Stimme, "Menschen, die durch meine Taten in Gefahr geraten sind. Gefahr, die ich vielleicht nicht abwenden kann."

"Komisch", sagte Mamoru. "Ich sehe Menschen, die dich in Nord-Korea haben sprechen hören, die erlebt haben, wie du die Konfliktparteien im Kongo an einen Tisch und dann zu einer Einigung gebracht hast. Ich sehe Menschen, die dich haben in China intervenieren sehen, um den Minderheiten der Uiguren und Tibeter mehr Rechte einzufordern, was aber, wie es sich bei einem Kompromiss gehört, auch zu Zugeständnissen von Seiten der Minderheiten führte. Ich sehe da unten Menschen, die gesehen haben, wie wir angegriffen wurden und die uns unterstützen wollen. Sie alle dort haben unter der Eisschicht gelegen, die Echitron über sie gelegt hat, sie alle waren dem Tod näher als dem Leben, bevor du der Fokus für die Kräfte aller Sailorkrieger geworden bist, um das Eis zu schmelzen und der Welt ihr Leben wiederzugeben. Jeder Mensch da unten verdankt dir sein Leben."

"Uns!", wandte sie vehement ein. "Uns allen, nicht mir alleine."

"Ich denke, das ist all jenen dort auch klar. Aber du bist unsere Sprecherin, unser Gesicht, deshalb fokussiert sich die Unterstützung für uns vor allem in deiner Person. Sicher, vor uns liegen schwierige, gefährliche Zeiten. Und danach kommen noch schwierigere, noch gefährlichere Zeiten, wie wir wissen. Aber wir werden sie erleben, wir werden sie überstehen. Weil du nicht aufgibst. Weil du da bist. Weil dein Schein uns führt. Es mag sein, dass es da draußen Menschen gibt, die dich für eine Marionette halten, für eine hübsche Galeonsfigur, die nur niedlich auszusehen hat, während andere die eigentliche Arbeit machen. Es mag Menschen geben, die dir vorwerfen, zu simpel zu denken und zu einfach zu reden. Es mag Menschen geben, die dir nichts zutrauen."

"Na, danke. Das baut mich jetzt auf", beschwerte sie sich.

"Aber sie sind egal. Ihre Meinungen sind egal. Denn wir, die wir dich erlebt haben, die wir dich begleitet haben, wissen es besser." Er griff nach ihrer Linken und drückte sie. "Weißt du noch, als Beryll mich in ihrer Gewalt hatte? Du hast nie aufgegeben. Weder dich selbst, noch mich. Du hast weitergekämpft. Selbst als du wusstest, das ich tot war, hast du nicht aufgegeben. Und dies hast du wieder und wieder und wieder getan. Hast du vor dem Weltenbaum kapituliert? Nein. Vor dem Wiseman? Nie. Als wir die Talismane jagten, hattest du da Angst oder Zweifel oder hast du auch nur gezögert, nachdem Haruka dir deine Spieluhr fortgenommen hat, mit der du zu Sailormoon geworden bist? Nein. Du gibst nicht auf, gibst dich nicht geschlagen. Du gehst voran, weiter, immer weiter. Du machst es einem leicht, stolz auf dich zu sein und sich an dir aufzurichten, wieder aufzustehen, weiterzumachen. Und das nicht für einen selbst oder für dich, sondern für alle Menschen." Er lächelte sanft. "Man nennt mich das Licht der Erde. Aber du bist das Licht der Galaxis, Usagi."

"Danke, aber soll ich mich jetzt besser fühlen? Soll es mir leichter fallen, wenn mein Vater und mein Bruder in die Schlacht ziehen, obwohl sie weiter davon entfernt sind, Krieger zu sein als Akiravon vernünftigem Handeln?"

Mamoru zog die Augenbrauen hoch. "Was, bitte?"

"Nicht so wichtig. Ami hat sich bei mir beschwert, und ich gebe ihr vollkommen Recht. Akira ist ein Idiot."

"Dann sollte jemand ihm das mal sagen und seine Meinung entsprechend begründen, finde ich. Wir Männer verstehen nur klare Worte, aber keine mystischen Ansagen um zwanzig Ecken."

"Du hast mich immer verstanden."

"Du bist ja auch nicht Ami-chan."

"Zugegeben. Aber lenk nicht ab. Soll ich mich nun tatsächlich nach deiner Rede besser fühlen?", murrte sie.

"Nein, Usagi. Aber du sollst verstehen. Verstehen, was in diesen Menschen vor sich geht, was sie antreibt, was sie wollen. Verstehen und fühlen. Sicher, sie sind für uns alle hier, und der eine oder andere mag sicherlich einen anderen Sailorkrieger mehr als dich. Aber all ihre Bemühungen und all unsere Anstrengungen haben dich zum Fokus. Wir alle setzen große Hoffnungen auf dich. Und du wirst uns nicht enttäuschen."

Flehentlich sah sie ihren Gefährten an. "Na, danke. Noch mehr Druck. Schaffe ich das wirklich? Halte ich das aus, halte ich das durch? Ich kann keine Wunder bewirken, weißt du?"

"Da sind wir anderer Meinung", hallte eine bekannte Männerstimme über den Balkon. Zwei groß gewachsene Gestalten in Kapuzenumhängen betraten den Balkon. Sie verneigten sich vor Usagi und schlugen ihre Kapuzen zurück. Der eine hatte weißes Haar, der andere schwarzes.

"I-ihr zwei", stotterte Usagi. "A-aber wie..."

"Das wissen wir nicht", erklärte der Weißhaarige. "Aber als die Eisschicht geschmolzen ist und alle Menschen ihr Leben wiederbekamen, haben auch wir... Nun, mein Bruder und ich sind hier, um zu dienen. Um diesmal im richtigen Kampf zu dienen. Verfüge über uns, Serenity-sama."

"Das ist eine große Verstärkung", sagte Usagi mit großen Augen. "Ihr seid mehr als willkommen."

"Danke, Usagi-chan", sagte der Schwarzhaarige mit einem Lächeln. "Du musst wissen, dass wir erst vor kurzem begriffen haben, was wir sind. Oder waren. Oder wieder sind. Dabei ist so viel Zeit vergangen, seit Echitron die Erde eingefroren hat, und..." Er lachte auf. "Später. Es ist immer noch Zeit für lange Erklärungen, wenn wir die Welt gerettet haben. Mit dir zusammen, Usagi-chan."

Gerührt strich sich die Anführerin der Sailorkrieger eine Träne aus dem linken Auge. "Ihr zwei... Ich freue mich so sehr, dass Ihr hier seid, dass Ihr lebt, dass Ihr uns beisteht. Kommt, kommt mit. Die anderen müssen euch sehen."

"Das ist eine gute Idee. Denn Akira und sein Team kommen gerade zurück", sagte Mamoru.

"War er erfolgreich?"

"So lala. Auf jeden Fall wurde er verletzt. Von einer neuen Waffe des Feindes."

"Schon wieder? Oje." Usagi sah etwas wehmütig drein. "Wenn das noch mal passiert, könnte er langsam misstrauisch werden und sich fragen, ob wir ihn nicht als Versuchskaninchen vorschicken, oder so."

"Oh, ich bin sicher, das wird er nie herausfinden", schmunzelte Mamoru.

"Du schickst ihn vor als Versuchskaninchen?", fragte sie entsetzt.

"Sagen wir es so: Ich schicke ihn vor. Und das, weil er einer von denen ist, die das Talent haben, neue Situationen zu überleben. Gehen wir ihn empfangen. Ich bin gespannt, was das Team zu berichten hat." Er winkte den beiden Männern zu, ihnen zu folgen.

"Richtig finde ich das nicht", sagte Usagi und blies die Wangen auf.

"Mag sein, aber er hat überlebt, oder?", schmunzelte Mamoru. "Erinnere dich daran, wie er im Silvermillenium war."

"Mir reicht es zu wissen, wie er war, als er Ami vor ihrer DemonSeed gerettet hat. Und hoffentlich wird er sie diesmal auch retten", murmelte Usagi. Zu viert verließen sie den Balkon.

Angeln

9.

"Mir geht es gut!", wehrte Iskander die helfenden Hände ab, als er den Tunnel im Hauptquartier der Self Defense Force wieder verließ. "Die Gerüchte über meinen Tod sind stark übertrieben." Dabei versuchte er, mit festem Schritt zu marschieren und die Schwäche in seinen Knien zu verbergen. Es war niemandem hier damit genützt, wenn der Mann, der die Angriffe auf die GunSuit-Fabriken der Welt führen sollte, nicht mehr gehen konnte. Er wechselte einen schnellen Blick mit Yaten, die unauffällig nickte. Dann sah er zu Kano herüber. Auch der großgewachsene Japaner nickte unmerklich.

"Kenichiro, schaffen Sie Ihre Verletzten ins Lazarett, instruieren Sie die Ersatzmänner und ergänzen Sie unsere Ausrüstung. Danach sollen die Leute ausruhen. In dreißig Minuten starten wir zum nächsten Einsatzziel."

Kano salutierte. "Jawohl, Sir. Welches Ziel haben Sie im Auge?"

"Das, dessen Position wir als erstes ermitteln werden." Die Russen, die Chinesen und die Briten hatten jeweils noch eine Fabrik, und wusste der Henker, wo sie noch überall auf der Welt gerade Fabriken errichteten.

"Das wird dann wohl die russische Fabrik sein", sagte Motoki. Er trat hinzu und klopfte Akira auf die Schulter. "Ist das Staub, der da von deiner Rüstung aufsteigt?"

"Asche. Immerhin bin ich tatsächlich in so einen verdammten Blaster reingelaufen", knurrte er als Antwort. "Aber meine Rüstung hat gehalten. Unsere Feinde sind nicht die einzigen, die sich weiterentwickeln."

"Und hast du vor, uns mitzuteilen, wie du dich geschützt hast, oder hast du vor, jedem Sailor-Krieger den Lernerfolg zu belassen, sprich, ins Messer laufen zu lassen?"

"Das ist schnell erklärt. Versetz deine Rüstung in Rotation. Dann hält sie mehr aus."

"Interessant", erwiderte der blonde General. "Grundsätzlich lernt man zuerst einmal, die Rüstung stabil zu halten und sie daran zu hindern, eben nicht zu rotieren." Er lachte abgehackt. "Das erklärt, warum bei SailorMoon und den anderen manchmal die Röcke zu rotieren schienen, nicht?"

"Jedenfalls ist das der ganze Trick", sagte Akira. "Ob es auch was nützt, wenn man von zwei Seiten oder mehr gleichzeitig beschossen wird, kann ich nicht sagen. Ich will es auch nicht rausfinden." Er runzelte die Stirn. "Die Russen, hast du gesagt?"

"Die Russen."

"Wo?" "Ich weiß nicht, ob dir das gefallen wird, aber die russische Basis, die GunSuits herstellt, befindet sich auf dem Grund des Aral-Sees."

Akira zog eine Augenbraue hoch. "Du meinst den Grund des Aral-Sees, der freigegeben wurde, nachdem Wasserumleitungsprojekte den See nach und nach ausgetrocknet haben? Meines Erachtens nach eines der dümmeren Projekte der Sowjets."

"Nein, ich meine den tatsächlichen Grund, den unter Wasser."

Akira grummelte etwas Unverständliches und suchte sich einen Sitzplatz. "Ich will Michiru für den nächsten Einsatz."

"Klar, eine wasseraffine Sailor-Kriegerin. Michiru und Haruka sind bereits auf dem Weg hierher. Dafür habe ich sie von Hokkaido losgeeist, wo sie Makoto und ihr Team unterstützen sollten." Er grinste schief. "Die beiden gibt es nur im Team."

"Ist mir Recht. Ich kann mit ihnen umgehen, seit Haruka und ich uns beinahe gegenseitig umgebracht haben", scherzte Akira.

"So? Auf die Geschichte bin ich aber gespannt", sagte Yaten mit gerunzelter Stirn.

Akira lachte unsicher und sehr knapp unter diesem Blick. "Nächstes Thema. Wie sieht es bei Jeb und Minako an der Ostküste aus? Sind die Ballungsgebiete abgesichert? Wenn die Atom-Uboote zuschlagen und GunSuits ausschleusen, dann..."

"Es stehen fast alle unsere GunSuits entweder schon an der Küste, oder sind bereit, um von hier einen Tunnel ins Einsatzgebiet zu nehmen."

"Was ist im Fall dass die Amerikaner atomar bestückte Tomahawks abfeuern?", fragte Kano besorgt.

"Ich denke, Jeb hat bewiesen, was er davon hält. Selbst die überschallschnellen Geschosse sind für ihn besseres Kanonenfutter, atomarer Gefechtskopf oder nicht." Motoki grinste schief. "Tomahawks schießen auch im Gegensatz zu einem GunSuit nicht zurück. Und wir können im Notfall zehn Leute mit Sailorkräften ins Einsatzgebiet bekommen. Und das in weniger als einer Minute."

"Beruhigend zu wissen", sagte Iskander. "Wen soll ich für Michiru und Haruka hier lassen?"

"Gut, dass du das ansprichst. Im Nordosten sammelt sich die erste Welle an Kampfflugzeugen und Bombern. Weit über eintausend Maschinen aus einem halben Dutzend Nationen. Wenn es hart auf hart geht, hätte ich Hotaru-chan gerne da oben. Wir rechnen immer noch mit GunSuit-Unterstützung für ihren Angriff."

Akira lachte rauh. "Wenn du gesehen hättest, wie Hotaru mit dem amerikanischen Träger vor US-Samoa umgegangen ist, würdest du das vielleicht noch mal überdenken."

"Oh, keine Sorge, ich habe es gesehen. Wir alle haben es gesehen. Und wir sind zu der Entscheidung gelangt, dass es sinnvoll ist, sie einzusetzen, denn wir haben auch gesehen, wie sie den Piloten der F-16, die ins Meer gerutscht ist, das Leben gerettet hat. Wenn du ihr also noch mal ins Gewissen reden könntest, Akira, dann..."

"Du interpretierst etwas viel in diese Beziehung hinein. Es ist nicht gerade so, dass sie auf mich hören wird, nur weil sie dies einmal getan hat", schränkte Akira ein.

"Nein, tue ich. Das geht in Ordnung", klang Hotarus Stimme hinter ihm auf. Gerade brach der Tunnel zusammen, der sie in den Pazifik gebracht hatte, um der US Navy die Chance zu nehmen, ihnen auf diese Weise zu folgen. Hotaru trat aus dem Energiegewitter hervor, als könne sie kein Wässerchen trüben. Das bisschen Energie, das einen Menschen durch Überschlagsblitze hätte töten können, war für sie auch wirklich nicht die Rede wert. Letztendlich war sie SailorSaturn. Sie verbreitete Tod; sie starb nicht selbst.

"Wie, du hörst auf mich?", fragte Akira verdutzt.

Die junge Frau zuckte die Achseln. "Ich denke, es schadet nicht viel, wenn du es erfährst. Im Moment bin ich, also ist mein Ich zu dieser Zeit noch ein Kind, das zwar zur jungen Frau evolvieren kann, aber immer wieder in den Zustand des Kindes zurückfällt, so als müsse mein Körper ruhen... Du wirst mein Vorbild sein, Akira. An dir richte ich mich auf, von dir lasse ich mich leiten. Von deinen Taten, deiner Tapferkeit, deiner Opferbereitschaft. Wenn also du mir etwas sagst, dann höre ich zweimal zu. Und wenn du meinst, ich soll versuchen, eintausend Menschen aus ihren brennenden und abstürzenden Flugzeugwracks zu retten, dann will ich das auch versuchen."

"Ich fühle mich geehrt, dass ich dir Humanismus beibringen konnte, Hotaru-chan."

Die junge Frau musterte ihn auf eine verstörend direkte Art. "Es ist nicht so, als hättest du es mich gelehrt." Sie zuckte die Achseln salopp und wandte sich um. "Ich gehe Usagi anrufen. Scheint so, als hätten wir beide sehr bald sehr viel zu tun."

Akira sah ihr nach und massierte dabei mit der Rechten seine Stirn. "Verdammt, sie hätte zumindest lügen können", raunte er.

"Was?"

"Schon gut, Yaten, schon gut. Sie hört auf mich, also hoffen wir das Beste für die armen Männer und Frauen, die Japan angreifen, weil es ihnen befohlen wurde. Wir können keine Wunder von ihr erwarten, sicher nicht, aber Makoto ist ja auch noch da. Sie, Petzite, ihre Schwestern, und dann haben wir immer noch die Eingreifreserve."

"Hoffentlich werden wir auch die Zeit und die Kraft haben, um so human zu sein, wir wir es sein wollen, Akira."

Der weißhaarige Mann wandte sich der neuen Stimme zu. "Ich weiß, Yuichiro, wir sitzen viel zu tief in der Tinte, um..."

"Nein, das ist es nicht. Aber nur Sieger können Gnade gewähren. Und da sehe ich uns noch nicht. Immerhin kämpfen wir gegen die ganze Welt, und das alleine." Sein ernster Blick war von einer Traurigkeit durchzogen, die jedem, der es sah, ans Herz ging. Warum hatten sich die Dinge so entwickeln müssen? Warum konnte die Welt kein friedlicher Ort sein, mit friedlichen Menschen, die friedlich miteinander kooperierten? Frei von Vorwürfen, Vorurteilen, Hass, Angst und dem unsäglichen Unwillen, andere Menschen kennenzulernen, um eben Vorurteile abzubauen?

"General Leth!", rief ein junger Leutnant. Atemlos blieb er nach schnellem Lauf neben dem neuen Oberbefehlshaber Japans stehen. "General Leth, wir... Ich... Wir..."

"Ruhig, Soma. Atmen Sie ein, aus, ein, aus. Dann erst sprechen Sie", mahnte Yuichiro.

Der Soldat tat, wie ihm gesagt wurde. Endlich schöpfte er wieder Atem. "General Leth, der Generalstab bittet Sie um Ihre Anwesenheit. Die Australier möchten wissen, wo sie eingesetzt werden sollen."

Erstaunt tauschten die Freunde Blicke aus. "Die Australier?", fragte Motoki.

Der Leutnant grinste von einem Ohr bis zum anderen. "Und die Neuseeländer! Sie kommen mit einem Drittel ihrer Flotte hoch und erreichen in drei Stunden Okinawa! Sie haben gesagt, sie sehen sich auf der Seite des US-Präsidenten, nicht auf der Seite der Putschisten, daher unterstützen sie General Young! Außerdem sind fünfhundert Kampfjets auf dem Weg zu uns, ebenfalls Australier! Sie bitten um Instruktionen und Luftbetankung!"

"YES!" Akira war aufgesprungen, und sein Körper schien vor Energie regelrecht zu vibrieren. Kleine Überschlagsblitze aus der Energie, die Sailorkrieger antrieb, huschten über seine Uniform hinweg. Wie alle anderen wusste er, dass die internationale Front damit eine Bresche erlitten hatte, die nicht wieder zu kitten war. Ein ganzes Land hatte sich auf ihre Seite gestellt, eigentlich zwei Länder. Damit waren Japan und das SilverMillenium nicht mehr länger isoliert. "Haben Sie noch mehr so gute Nachrichten?"

"Südafrika bedauert, uns nicht unterstützen zu können, aber das Land will diplomatischen Druck auf die angreifenden Nationen ausüben", sagte der junge Offizier. "Das ist aber noch nicht der letzte Stand. Die afrikanische Föderation diskutiert noch, aber in dieser Stunde wird eine Resolution verabschiedet, die Serenity-sama voll unterstützt!"

"Einen Tag!", rief Motoki enthusiastisch. "Einen Tag widerstehen, und die Welt sieht für uns schon anders aus! Wenn die Angreifer erst mal diplomatisches Feuer von allen Seiten kriegen, versiegt auch ihr Antrieb für den Angriff!"

"Na, na, nicht ganz so enthusiastisch", mahnte Yuichiro, konnte aber ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. "Es ist ein Anfang, aber nicht das Ende dieses Konflikts. Konzentrieren wir uns also zuerst darauf, die russische GunSuit-Fabrik zu vernichten. Danach sehen wir weiter, okay?"

Akira nickte. "Einverstanden." Auch die anderen bestätigten mit bejahenden Gesten.

"Wenn mir jetzt jemand einen verdammten Grüntee beschaffen könnte, oder noch besser einen dreifachen Espresso...", brummte Akira. "Das eine oder andere Vergnügen sollte ich wohl besser noch mitnehmen."

"Was hast du gesagt?", fragte Motoki irritiert.

Ein japanischer Soldat erschien mit einer Cappucchino-Tasse. "Ein dreifacher Espresso für General Iskander", verkündete er stolz. "Zwar nur Maschinengezapft, aber dafür frisch und heiß."

"Danke, Sergeant." Mit einem Lächeln nahm er die Tasse entgegen. Dann sah er Motoki an. "Ich habe gesagt, dass ich glücklich bin."

"Da habe ich, glaube ich, aber was anderes gehört", erwiderte der blonde General skeptisch.

***

Je näher die nordkoreanischen Flieger dem Leiterpunkt Alpha kamen - jener streng geheimen Position, die im Zuge der Weltrevolution als Sammelpunkt der aufrechten kommunistischen Kräfte geplant worden war, als es noch eine Sowjetunion gegeben hatte und die Chance auf die Vernichtung der Kapitalisten möglich gewesen war, desto unwohler fühlte sich Park Sung-kee. Das lag nicht nur daran, dass ein Großteil der Kampfmaschinen amerikanische Modelle waren, deren Silhouetten er als Feinde verinnerlicht hatte. Es war vor allem der Zweifel daran, ob er tatsächlich das Richtige tat. Sie griffen hier das SilverMillenium an! Prinzessin Serenity! Jene Frau, die im letzten Jahr mehr für die Aussöhnung von Norden und Süden getan hatte als drei Generationen an Politikern! Selbst das Staatsfernsehen hatte sie gepriesen, bis... Ja, bis der Einsatzbefehl gekommen war. Seither lief selbst im Radio, das er hörte, die gleiche Hetze, die auch auf den südkoreanischen Frequenzen erklang und die Millenier als Invasoren und Serenity-sama als Despotin bezeichnete. Sung spürte, wie seine Hände zitterten. Verdammt! Er fasste nach. Was tun? Was konnte er tun, was durfte er tun? Für ihn war es offensichtlich, dass das Kapital einen Weg gefunden hatte, ausgerechnet die nordkoreanischen Truppen, ihre Todfeinde, zu instrumentalisieren. Und das hieß, dass sie die Oberen in der Tasche hatten, eventuell sogar den Präsidenten. Darüber hinaus, was passierte, wenn er den Befehl verweigerte? Seine Frau, seine Tochter, was würde mit ihnen geschehen? Er würde sie nicht einmal vorwarnen können. Und vielleicht waren sie auch schon längst in der Gewalt der Kapitalisten... Im Moment war einfach alles möglich.

"Park Sung-kee, was denkst du, was wir...", klang die Stimme eines anderen Staffelchefs auf, Seong Lei-wen, dem Anführer des "Roten Marschs".

"Ich denke, dass wir Befehle haben, Lei", erwiderte er barsch. "Auch, wenn sie dem einen oder anderen nicht gefallen."

"Schön, dass du deine Loyalität so herausposaunst, aber das wollte ich nicht fragen. Auch wenn es naheliegt", klang die spöttische Stimme des Kameraden auf. Indirekt gab er damit zu, selbst über ihre Befehle nachgedacht und diese kritisch betrachtet zu haben. Erstaunlich für einen Elite-Offizier wie ihn. Oder auch für Park selbst.

"Sondern?"

"Sondern warum am Leiterpunkt Alpha gekämpft wird."

"Was?" Park checkte seine Ortung und sah mit Erstaunen, dass in diesem Moment ein Flugzeug abstürzte, als es von zwei amerikanischen Mavericks getroffen wurde. Erstaunlich daran war, dass es eine südkoreanische Tigris war. "WAS?" Nun schien am Leiterpunkt vollends das Chaos auszubrechen. Noch mehr Raketen wurden abgefeuert, Piloten jagten einander im Dogfight, die Grenzen zwischen den Nationalitäten verschwammen, als sich ein Tigris, zwei F-18, ein europäischer Tornado und zwei MiG-27 als Halbstaffel formierten, die sich über das Heer von über eintausend Kampfflieger erhob.

"Achtung, hier spricht Major Lebev von den russischen Streitkräften. Ich, mein deutscher Kollege Oberst Schneider, mein koreanischer Kollege Major Lee und mein amerikanischer Kollege Captain Harris haben uns zusammengetan, um folgendes zu erklären: Wir erklären uns mit der militärischen Entscheidung unserer Anführer als nicht einverstanden. Wir werden nicht militärisch gegen das SilverMillenium oder die japanischen SVS vorgehen. Wir werden auch nicht dulden, dass dies jemand anderes tut, soweit dies in unserer Macht steht. Wir bitten all jene, die denken wie wir, auf unsere erhöhte Position zu kommen und sich uns anzuschließen. Alle anderen bitten wir, den nächsten ihnen freundlich gesonnenen Flughafen anzufliegen und unnötige Kämpfe zu vermeiden wie jene, die schon elf Abschüsse verursacht haben. Wir sind bereit, für unsere Überzeugung und für Prinzessin Serenity zu kämpfen, aber wir werden nicht den ersten Schuss abgeben. Major Lebev Ende."

Park saß in seinem harten Pilotensitz wie paralysiert. Er konnte nicht fassen, nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Hatten diese Männer keine Verpflichtungen, keine Familie, die sie zurückgelassen hatten? Sein Körper war stocksteif, nur die Hände zitterten, als er den Steuerknüppel nach hinten zog, damit seine Maschine steigen konnte.

"Park! Was tun Sie? Greifen Sie noch nicht an!", klang Seongs Stimme im Funk auf.

"Ich greife nicht an", erwiderte er mit sich überschlagender Stimme, die seine sich überschlagenden Emotionen spiegelte, "ich schließe mich ihnen an!"

"Autschverdammtnochmal! Park, denken Sie an ihre Frau! Ihre Tochter! Ihre Eltern!"

"Das tue ich ja! Das tue ich! Und deshalb muss ich jetzt das Richtige tun!" Nervös beobachtete er seine Instrumente, aber keiner seiner Kameraden machte die Waffen scharf oder schaltete die Zielerfassung auf ihn. Umso erschrockener war er, als direkt links von ihm eine baugleiche Maschine hochzog und seinen Steigflug begleitete.

"Das Richtige, eh?", klang erneut Seongs Stimme auf. "Ich schätze, sie können nicht alle unsere Verwandten deportieren oder gar töten. Und wenn wir jetzt und hier nicht handeln, sieht ihre Zukunft ohnehin düster aus." Weitere Kampfjets schlossen zu ihnen auf.

"Nordkoreanische Luftverbände!", rief eine Stimme über den offenen Kanal, und schon glaubte Park den näselnden Tonfall seines Leitstandleiters zu erkennen, der ihn tadeln und dann bedrohen würde, damit er seinen ursprünglichen Auftrag wieder aufnahm. "Hier spricht die Osan Air Base. Wir bieten allen nordkoreanischen Fliegern auf der Seite des SilverMilleniums einen sicheren Landeplatz und eine Möglichkeit zum Nachtanken an. Dies ist die erste und die beste Stunde, um einmal für eine gute Sache zusammenzuarbeiten, die uns allen zugute kommt."

Park musste lachen. Vor Erleichterung. Vor Freude. "Osan Air Base, wir nehmen dankend an." Weiter schlossen sie auf, gewannen wie hunderte andere Maschinen an Höhe, um die Führungsgruppe zu erreichen.
 

Eine Gruppe neuer Blips auf dem Radar weckte Parks Argwohn.

"Sung-kee, da..."

"Schon gesehen, Lei-wen! Das sind keine Kampfflieger! Das sind GunSuits! Sie kommen aus Nordosten!"

"Wladiwostok?", argwöhnte der andere Pilot.

"Hier spricht Major Lebev! Viele werden die neuen Blips bemerkt haben, die auf uns zustreben! Dies sind feindlich gesinnte GunSuits! Ich wiederhole, feindlich gesinnte GunSuits! Wir splitten uns auf und ziehen rottenweise davon, damit wir nicht en gros von den Pulserwaffen vernichtet werden können!"

Beinahe sofort folgte Park der Anweisung. "Aufteilen, aufteilen! Kollisionen vermeiden!"

"Aber es haben sich noch nicht alle Flieger für eine Seite entschieden!", brachte jemand ein. Tatsächlich war der Pulk jener, die unter ihnen flogen und augenscheinlich ihren Befehlen folgen wollten, auf ein Fünftel geschrumpft, aber noch immer zogen Flugzeuge höher. Von einem Teil der restlichen Kampfjets, etwa zwanzig an der Zahl, stieg eine erkleckliche Anzahl hitzesuchender Raketen auf. Leider gerieten die meisten von ihnen in Pulserjets, die von den GunSuits abgefeuert wurden, ihrerseits auf der Jagd nach den Maschinen, die nun ausfächerten und aus dem Kurs brachen. "Yeowww!", entfuhr es Park, als der Lichtblitz eines Pulsers auf seiner Netzhaut nachbrannte. Sekundenlang sah er den armdicken Balken neben seiner Maschine stehen, bevor er das Entsetzen zurückgedrängt hatte. Das war knapp gewesen, viel zu knapp. "Feuer frei, sobald Ihr eine Ziellösung habt, Rote Fahne!", rief er seinen Leuten zu und drückte die Maschine noch ein Stück seitwärts. Aber sie reagierte nicht. Es kam auch keine Antwort von seinen Leuten. Er sah in den Rückspiegel und keuchte entsetzt auf. Der Strahl, den er gesehen hatte, hatte sein Heck abgeschnitten und den rechten Flügel kastriert. Dass er überhaupt noch flog, und das geradeaus, war ein mittelschweres Wunder. Aber eine einzige Böe würde ihn aus der Bahn werfen, seine Maschine abstürzen lassen. "Eject!", brüllte er in den Funk, der für ihn längst taub war. Dann griff er nach der Lasche, mit der er die Treibpatrone für das Kanzeldach und den Schleudersitz aktivierte und zog sie über den Kopf hinweg. Er machte den Rücken steif, wie er es gelernt hatte und wartete auf den unvermeidlichen Ruck, der ihn hinausschoss, zwanzig, dreißig Meter über dem zum Tode verurteilten Jet. Die Kanzel wurde abgeschossen. 'JETZT!', dachte er. Aber nichts geschah. Stattdessen, beeinträchtigt von der Treibladung, begann sein Jet zu taumeln. Er stürzte ab. An Orientierung war jetzt nicht mehr zu denken. Verzweifelt zog er erneut an der Lasche, versuchte dann die zweite zwischen den Beinen, aber die Treibladung zündete nicht! Verdammt, sollte er das überleben - und er nahm sich sehr fest vor, das zu tun - dann würde seine Wartungscrew einen Anschiss erleben, der sich gewaschen hatte! Park griff nach dem Steuerknüppel, versuchte, die anderthalb Tragflächen zu nutzen, die Maschine wieder ruhig zu halten und so etwas wie eine Notlandung auf dem Wasser hinzukriegen. Als Ergebnis riss die bis dato stabile Tragfläche direkt am Rumpf an. Nun war nur noch eines angesagt: Grenzenlose Verwunderung.

Park Sung-kee blinzelte überrascht und schob das Helmvisier hoch. "Bin ich tot und im Himmel?"

Das braunhaarige Mädchen lächelte ihn zuckersüß an. "Danke, das hört eine Frau doch gerne. Nein, Sie leben noch, Captain. Ich habe mir erlaubt, Sie aus Ihrem abstürzenden Flugzeug zu retten und zum Glück ist noch an Ihnen alles dran. Ich bin..."

"SailorJupiter!", stieß er erstaunt hervor. Bis er merkte, dass sie ihn im Prinzessinnengriff auf den Armen hielt. Und dass es eine dumme Idee gewesen wäre, dagegen zu protestieren, denn sie schwebten beide rund fünfhundert Meter über dem schäumenden Meer.

"Richtig. Wenn uns tapfere Nordkoreaner zu Hilfe eilen, dann werden wir diesen Wagemut nicht damit belohnen, dass wir euch sterben lassen. Oder einen der anderen Piloten." Ihre Augen wurden zu engen Schlitzen. "Nicht, nachdem Ihr euch ohne jede Spur von Sailor-Kräften gegen diesen übermächtigen Feind gewandt habt."

Direkt vor den beiden erschien Berthierite. Die junge Frau mit den weißen Haaren griente fröhlich. "So, das war Nummer siebzehn. Gibst du mir den da auch?"

Verwirrt starrte Park die ehemalige Schwester des Bösen an. "Was?"

"Seit Ihr hier untereinander herumballert", erklärte Makoto, "sind wir in der Gegend und retten euch aus euren abstürzenden Maschinen. Wir bringen sie mit Hilfe eines Dimensionstunnels aufs Festland nach Hokkaido zu unseren Verbündeten." Sie kniff lächelnd die Augen zusammen. "Ich sagte doch, wir lassen niemanden sterben." Makoto reichte den ausgewachsenen Mann an das zierliche Mädchen weiter. Die hielt ihn ohne jedes Zeichen von Anstrengung. "Na, dann will die Mama den Kleinen mal in Sicherheit bringen."

Makoto hielt sie mit einer Handbewegung zurück. "Warte noch." Sie deutete auf die Flieger, die sich nun weiträumig aufgeteilt hatten. Strahlbahnen der GunSuits zuckten zwischen den Maschinen hin und her, machten keinen Unterschied, auf welcher Seite sie waren und trafen hier und da. Manchmal wurde der Strahl reflektiert und in tausend Richtungen gestreut, als harmloses Feuerwerk. "Wir sind fünf Personen mit Sailor-Fähigkeiten hier, und wir versuchen uns Bestes, alle zu retten, wirklich alle", sagte sie mit einem Lächeln, das immer schmaler wurde. "Auch wenn es unsere Arbeit schwerer macht. Aber wenn wir jetzt nicht zu unseren Prinzipien stehen können, was waren dann all unsere früheren Kämpfe wert, was war ihre Bedeutung?" SailorJupiter legte eine Hand an das rechte Ohr. Dort befand sich ein millenisches Funkgerät, fast unsichtbar für das bloße Auge. Ihr Lächeln wurde zu einem triumphierenden Grinsen. "Hast du es auch gehört, Berthierite?"

Das weißblonde Mädchen grinste frech. "Habe ich. Die GunSuits sind also die unbemannten Modelle. Ich weiß nicht so recht, ob es mich nervös machen sollte, dass die Russen das Prinzip der selbstständig agierenden Rüstungen so schnell adaptieren konnten."

"Es sollte dich beruhigen. Auf unbemannte Rüstungen müssen wir keinerlei Rücksicht nehmen", sagte Makoto. Um ihre Rechte sammelte sich pure Energie, bildete eine Kugel von der dreifachen Größe ihres Kopfes. Und die Kugel wuchs noch weiter, bis sie die doppelte Größe erreicht hatte. "Jupiter Blast!"

Ihr Arm schoss nach vorne, die Energie verließ ihre Hand. Rasend schnell schoss der Blast auf die fernen GunSuits zu. Bevor die unbemannten Maschinen reagieren konnten, war die Kugel mitten unter ihnen. SailorJupiter schloss die Rechte, und dies löste eine Detonation aus. Die Kugel expandierte rapide, verschlang alles im Umkreis von drei Kilometern mit ihrem Licht. Dann erlosch sie und hinterließ eine Serie von kleineren Explosionen.

"Ein paar sind mir entwischt", sagte Makoto enttäuscht.

"Ja, sehe ich", erwiderte das weißblonde Mädchen. "Aber Calaverite und Petzite sind schon dran."

Park schluckte hart. Er konnte auf die Entfernung gerade mal die Explosionswolken erkennen, die alles waren, was von den angreifenden GunSuits übrig geblieben war, und das auch nur, weil sie fünfzig oder gar sechzig Meter durchmaßen. Und diese Mädchen sahen Details? Abgesehen davon, nach der Detonation von SailorJupiters Hauptangriff war er plötzlich sehr, sehr sicher, dass er die beste Entscheidung seines Lebens getroffen hatte, sich eben nicht gegen das SilverMillenium zu stellen. Ihm wurde klar, wie sanft und vorsichtig die SailorKrieger die ganze Zeit vorgegangen waren, seit der Knflikt eskaliert war. Bei dieser Macht konnten sie es sich leisten.

"So, ich bin dann mal weg", sagte Berthierite, salutierte gespielt mit dem Arm, der Parks Oberkörper stützte, und verschwand dann im Tunnel.

Definitiv die beste Entscheidung seines Lebens, gleich nach seinem Antrag an seine Cheul.

***

Wer das einsame Paar an Nojimazaki Lighthouse so sah, der dachte vielleicht an ein verträumtes Pärchen, das sich von der Gefahr, in der ganz Japan schwebte, nicht die Laune verhageln ließ. Wer etwas näher herantrat, hier, auf der Pazifikseite der Bousou-Halbinsel, die auf der Westseite die Tokio-Bucht einschloss - eine gute Entscheidung, hier einen Leuchtturm zu bauen, der den Schiffen den Weg zur relativ schmalen Einfahrt zur Bucht von Tokio wies - der erkannte oder glaubte zumindest, dass es so war, den internationalen Popstar Minako Aino, die stark mit dem SilverMillenium verbunden war, sowie ihren Manager und Lebensabschnittsgefährten Jed Smith, die in trauter Eintracht auf die Wellen sahen. Weiteren Gerüchten zufolge war Minako Aino in Wirklichkeit die gefürchtete, aber auch hoch verehrte Stilikone und SailorKriegerin SailorVenus, und noch mehr Gerüchte wollten wissen, dass sie zuvor als SailorV unterwegs gewesen war, um Frieden und Liebe zu verbreiten - und dem Bösen den Arsch zu versohlen, was, zugegeben, etwas von dieser Politik abwich. Wer noch näher herantrat, der bemerkte einen Kordon von Soldaten, Marine-Infanterie in Regimentsstärke, die ein gutes Stück abseits der kleinen Halbinsel postiert waren, auf der der Leuchtturm stand. Aber wenn man sie einmal entdeckt hatte, waren sie unüberschaubar. Allen gemein war, ob Männer, ob Frauen, dass sie vollkommen unjapanisch grinsten. Hätten sie keine Helme gehabt, das Grinsen hätte locker einen Kreis einmal um den Kopf beschreiben können. Der Grund für dieses Grinsen war weniger das prominente Paar vor ihnen (wobei Jed Smith nachweislich der Mann war, der die Raketen der angreifenden amerikanischen Jagdflieger so beeindruckend und medienwirksam ausradiert hatte), es hatte andere, tiefgreifendere Gründe. Und wer diese Gründe kannte, auf der Seite des SilverMilleniums war und im Idealfall Japaner oder in Japan lebender Koreaner, der musste ebenfalls grinsen.

Der alte Mann, der seinen Hund Gassi führte und peinlich genau darauf achtete, dass kein noch so kleines Häufchen zurückblieb, wo es nichts zu suchen hatte, wirkte unscheinbar mit der abgewetzten Hose, dem groben Wollpulli in hässlichem Grün und den abgelaufenen Getas an den Füßen. Kaum einer hätte einen Yen darauf gesetzt, dass dieser Mann bis vor wenigen Jahren einen der größten und erfolgreichsten Wirtschaftstrusts Japans, wie man große Firmenkonglomerate nannte, geführt hatte und dabei Milliardär geworden war. Aber was war schon Geld? Man hatte es, und dann redete man nicht drüber, oder man hatte es nicht, und redete, und redete und redete. Jedenfalls war dieser Mann mehrfacher Milliardär, und wir redeten hier nicht von Yen, sondern von Dollar. Selbst als Euros under Hong Kong-Dollar hatte sein Vermögen zehn Nachkommastellen. Aber alles, was der alte Mann in seinem Ruhestand wollte, war, seinen Hund Gassi zu führen, die Luft zu genießen und darauf zu hoffen, dass das SilverMillenium ganz Japan jene Zeiten ersparte, die er selbst noch als Kind miterlebt hatte, als der Krieg auf sein Heimatland übergegriffen hatte. Nachdem, zugegebenermaßen die strikten Regeln und die rigorosen Handlungen japanischer Soldaten genug Zwietracht, Hass und Ärger gesäht hatten. Von den Kriegsverbrechen mal ganz abgesehen, aber wenn er ehrlich war, gab es nicht eine einzige Armee auf der Welt, deren Angehörige nicht in irgendeiner Form von geächteten Tätigkeiten involviert gewesen waren. Das machte sie nicht besser, aber es machte alle irgendwie gleich schuldig. Halt, eine Armee gab es, die keine Kriegsverbrechen begangen hatte. Noch nicht. Das SilverMillenium. Tatsächlich hatten die SailorKrieger bisher ihr bestes gegeben, um selbst ihre Feinde noch zu retten, und das ließ den alten Mann hoffen, hoffen, dass dieser Konflikt anders werden würde. Dass er ohne Millionenfachen Tod, oder Millionenfaches Leid enden würde. Nicht, dass er wirklich auf dem Laufenden war. Nicht, dass er den Nachrichten wirklich viel Beachtung geschenkt hatte. Er war alt, und wenn das Schlimmste geschah, dann tat es ihm nur um Bazou leid, seinen Chiba Inu-Rüden, der noch mindestens zehn Lebensjahre vor sich gehabt hätte. Der Rest war ihm reichlich egal. Ein Privileg des Alters, derart egozentrisch zu sein.

Dementsprechend erkannte er die beiden nicht, als er an ihnen vorbei ging, den Hund an der Leine.
 

Bazou fiepte aufgeregt und zerrte an der Leine. Der alte Mann gab nach, und der Hund eilte, so schnell es die Leine zuließ, auf Minako zu. Heftig mit dem Schwanz wedelnd versuchte er, der jungen Frau, die sich zu ihm heruntergebeugt hatte, das Gesicht abzulecken, was sie mit einem erfreuten Lachen quittierte.

"Bazou, lass das. Das ist unhöflich", wies der alte Mann seinen Hund zurecht.

"Nein, schon gut. Minako mag Hunde, obwohl sie eigentlich mehr ein Katzentyp ist", sagte Jedithe mit einem dünnen Lächeln. "Nicht, dass sie da großartig eine Wahl gehabt hatte." Und gut, dass Artemis, ihr weißer Kater, bei diesem Ausflug nicht dabei war. Artemis hasste Hunde, die er nicht kannte. Es war zu schwierig, sie zu erziehen, wie er immer zu sagen pflegte. Tatsächlich hatte er bisher noch jede Rauferei für sich entschieden, auch ohne seine speziellen Kräfte einzusetzen. Dennoch, gut, dass der Chiba Inu nicht aggressiv auf den Geruch des Katers an Minako reagierte.

"Du bist aber auch ein Süßer", säuselte sie und streichelte dem Tier über den Kopf.

Der alte Mann sah das Lächeln des Mannes, die Freude im Gesicht des Mädchens, und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich dazu in der Lage, mit seiner Umgebung mehr zu tun als Belanglosigkeiten auszutauschen. "Hört mal, Ihr zwei, eventuell solltet Ihr nicht hier am Strand bleiben. Vielleicht solltet Ihr hoch nach Chiba fahren, wo es sicherer ist. Ich hörte, die SVS verteidigt die Stadt, und es soll dort auch SailorKrieger und GunSuits geben."

Die beiden sahen sich verdutzt an, bevor sie gemeinsam dem alten Mann ein Lächeln schenkten. "Schon in Ordnung. Wir sind selbst Krieger des SilverMilleniums." Der Hund schnaubte dazu, dass es klang, als würde er ihre Worte bestätigen.

"Ihr seid was?", fragte dieser verblüfft.

"Krieger des SilverMilleniums. Ich bin SailorVenus, und dies ist Jedithe, unser treuer Verbündeter, der Serenity geholfen hat, die Erde vom Eispanzer zu befreien."

"Oh", machte der alte Mann, sichtlich überfordert. "Und was tut Ihr hier?"

"Wir verteidigen Japan, natürlich", erklärte Jedithe lapidar.

"Von hier?", fragte der alte Mann stirnrunzelnd.

"Ist doch eine gute Position. Wir können einen Großteil der Einfahrt zur Bucht von Tokio einsehen und haben zudem freien Blick auf den Pazifik. Für unsere Aufgabe ein sehr guter Platz", erklärte Minako, während sie den Chiba Inu anhob und an sich drückte.

"Eure Aufgabe?"

Wieder grienten die beiden, doch diesmal füreinander. "Wir angeln", erklärte Jedithe.

"Das macht uns wohl zum ersten Angelclub des SilverMilleniums", fügte Minako hinzu.

"Ihr angelt?", fragte der alte Mann fassungslos. "Und damit verteidigt Ihr Japan?"

"Es kommt eben ganz darauf an, wonach man angelt", dozierte Minako, nich immer grienend. "Ich gehe auf Tiefseefische, und Jed angelt fliegende Fische."

"Mir will immer noch nicht in den Sinn, wie das Japan helfen soll", platzte es aus dem alten Mann hervor.

In diesem Moment erschien Rose vor den beiden wie aus dem Nichts. Wie alle, die je von Demon Seed besessen waren oder auch nur gewesen waren, hatte dies eine Erweckung ihrer Sailor-Fähigkeiten zur Folge gehabt, die auch nach ihrer Befreiung von der Seed noch aktiv geblieben war. "Jedithe-sama, Minako-chan", sagte sie und deutete eine Verbeugung an. "Targethia und Chrysanthia treiben das dritte U-Boot vor sich her. Es wird in drei Minuten in deiner Reichweite sein, Minako-chan. Und wahrscheinlich wird es vorher die GunSuits ausschleusen, eventuell Harpoons abfeuern wie das letzte Boot."

"Also los, angeln wir", rief Minako freudig.

Jedithe nickte dazu. "Geh zurück und hilf ihnen. Nicht, dass unsere sichere Beute nach Osten schwenkt und in den Tiefen des Pazifiks abtaucht."

"Verstanden, Jedithe-sama!" Die junge Frau verneigte sich erneut und verschwand, als hätte es sie nie gegeben.

"Sag mal, muss sie dauernd Sama sagen?", murrte Minako.

"Ich habe ihr gesagt, sie muss mich nicht Sama nennen. Dieser Suffix passt nicht mehr zu mir. Aber sie will es so haben", seufzte Jedithe. "Als wenn ich je etwas getan hätte, was meine Erhöhung gerechtfertigt hätte."

"Du meinst solche Dinge wie gegen Echitron zu rebellieren, das Seelenschiff zu vernichten und die Welt zu retten?", fragte das Mädchen augenzwinkernd.

"Aber das waren doch wir alle!", wandte Jedithe ein.

"Aber du hast sie angeführt, deine Seed-Generäle."

"Dennoch. Ich finde, es steht mir nicht zu. Damals, als ich noch ein verblendeter, machtgieriger Despot unter Beryll-samas Einfluss war, ja, aber hier und jetzt und heute?"

Minako tätschelte seine Wange. "Sieh es doch mal so: Vielleicht hast du dir das Sama durch deine Taten längst wieder verdient. Und jetzt sag mal des SVS Bescheid. Ich bereite mich vor." Bedauernd setzte sie den Hund ab. "Mein Herr, es ist wohl das Beste, wenn Sie hinter uns bleiben, bis die Sache vorbei ist."

"Du meinst das Angeln, junge Dame?"

"Ja, das Angeln." Bei diesen Worten sprühten ihre Augen vor Schalk und Charme.

"Gun-so Kakuta!", brüllte Jedithe.

"Ja, Jedithe-sama?", antwortete ein Mann, der mit weiteren Leuten in Fleckentarn am Leuchtturm stand.

Minako feixte ihm zu, was der blonde Mann auffällig unauffällig ignorierte. "Geben Sie den Teams Bescheid! Kunde Nummer drei kommt!"

Der Mann ließ ein unmilitärisches Lachen hören. "Verstanden, Jedithe-sama! Habt Ihr gehört, es gibt wieder zu tun, Leute!"

Unmilitärischer Jubel erklang von jenseits der kleinen Halbinsel vom Bouzou-Festland und offenbarte dem unbedarften Beobachter die Anweisenheit der restlichen Truppen der SVS Japans in Regimentsstärke.

Verblüfft sah der alte Mann auf die knapp zweitausend gut ausgerüsteten Männer und Frauen, die in hektische Aktivität ausbrauchen. "Was, sagtet Ihr, macht Ihr hier gleich noch mal?"

"Wie ich schon sagte, wir fischen. Ich gehe auf Tiefseefische und Jedithe auf fliegende Fische", antwortete Minako lachend. "Feuerherzen!" In ihrer Hand entstand eine Kette aus goldenen, rot umloderten kleinen Herzen, die eine Kette bildeten.
 

Dann war es soweit. In der Ferne explodierte etwas auf dem Meer, und man konnte schwach zwei weit entfernte Punkte sehen, die mehrere Dutzend Meter in der Luft schwebten. Von ihnen gingen unregelmäßig Energiebahnen ins Wasser, die daraufhin diese heftigen Detonationen auslösten. Plötzlich durchbrach der Bug eines Unterseebootes der Los Angeles-Klasse die Wasseroberfläche, öffnete ihre Raketenklappen und begann mit einem Überwasserabschuss. Auch diesmal, wie die letzten beiden Male, schoss das U-Boot keine Raketen ab, sondern GunSuits.

"Ayoka soll sich bereit machen!", rief Jedithe nach hinten. "Es sind diesmal mehr, er wird seine Verstärkungen brauchen!"

"Verstanden!", rief Kakuta zurück. Wie als Antwort auf seine Worte erhoben sich rund dreißig Rüstungen der SilverMillenium-GunSuit-Klasse auf ihren lodernden Energiebahnen in den Himmel und strebten ihren amerikanischen Gegenstücken zu, die nun fast die Zahl von zweihundert erreicht hatten.

"Achte mir bloß auf die Raketen", sagte Minako konzentriert. Sie warf ihre Feuerherzenkette, die sich in diesem Moment um etliche Kilometer verlängerte. Das vordere Ende peitschte auf das U-Boot heran, traf den Bug und wickelte sich mehrfach darum. "Ich habe es!", rief sie triumphierend. Minako griff mit beiden Händen zu und stemmte sich in die Kette hinein. "Und jetzt holen wir den Burschen mal an Land!"

Über ihnen griffen Ayoka und seine Leute die GunSuits an, wichen den gegnerischen Blasts aus und feuerten ihrerseits Miniraketen und eigene Blasterschüsse ab. Es entwickelte sich ein vehementer Luftkampf, bei dem aber verdammt schnell abzusehen war, dass die amerikanischen GunSuits heillos unterlegen waren. Das Unterseeboot, fest im Griff der Sailorkriegerin, feuerte Stinger-Raketen ab, so schnell es die Abschussrampen zuließen, um die eigenen Suits zu unterstützen, aber die SVS hatte eigene Abwehrbatterien und antwortete mit Lasergestützten Gatlings und eigenen Raketen. Die, die durch kamen, wurden von den GunSuits aus der Luft gewischt, als wären es keine gefährlichen Gefechtsraketen, die Kampfjets zerstören konnten, sondern lediglich lästige Insekten.

Minako indes zog an der Kette, suchte nach sicherem Stand und zog erneut. Das U-Boot machte einen kräftigen Ruck und schlitterte auf die Küste zu. "Links oder rechts, Kakuta-san?", rief sie über die Schulter hinweg.

"Rechts von Ihnen aus gesehen, SailorVenus-sama! Die Leute dort haben gerade Zeit!", rief der Gun-so fröhlich zurück. Das war bei weitem die beste Invasion aller Zeiten, wie er fand.

"Okay, also nach Rechts!"

"Das Männer-Rechts, nicht das Frauen-Rechts", mahnte Jedithe.

"Sehr witzig", murrte sie und stemmte sich derart in die Kette, dass Kette und damit das U-Boot einen Drall nach Süden bekamen, auf Minakos rechte Seite. Das Schiff, noch mehrere hundert Meter vom Strand entfernt, begann seitlich auszubrechen und auf der ganzen Breite seines Bugs davon zu schlittern. Dabei umrundete es die vorgelagerte Halbinsel des Leuchtturms und lief schließlich am südlichen Strand auf Grund. Nun öffneten sich weitere Klappen und spien diesmal Raketen aus. "Na, dann muss ich wohl", murmelte Jedithe, gab der Freundin einen flüchtigen Kuss und verschwand, nur um über dem U-Boot wieder aufzutauchen und in bewährter Manier die Raketen einzusammeln. Jene, die er nicht erreichen konnte, weil er bereits die Arme voll hatte, drückte er mit seinen Fähigkeiten auf die hohe See und zerquetschte sie dort bis zur Detonation.

Minako indes blieb nicht untätig. Sie löste die Feuerherzenkette von ihrer Beute, zog sie zu sich zurück, wo sie wieder normale Größe einnahm, und schleuderte sie erneut. Wieder streckte sich die Kette, überwand die Distanz bis zum Unterseeboot und traf das Heck. Minako zog stramm, und die Kette zog einmal eine Spur über das Heck, ging quer über den Turm und raste den Bug entlang. Dann schnellte sie wieder in ihre Hand.

Voller Unglauben sah der alte Mann, wie das U-Boot auf unheimliche Art knirschend, der Länge nach aufplatzte. Beide Hälften drifteten auseinander und fielen schließlich zur Seite. Sofort eilten SVS-Marines herbei, erklommen mit Steighilfen und Leitern die halbierten Teile des Bootes und enterten, um die vollkommen überraschte, paralysierte und sicherlich zu Tode geschockte Besatzung festzunehmen. Als er aber genauer hinsah und auch den Blick nach Norden richtete, erkannte er zwei weitere U-Boote, die auf diese Weise misshandelt worden waren. "Ihr fischt ja wirklich!", rief er erstaunt. "Und es ist erschreckend effizient für die Verteidigung Japans!"

"Sag ich doch", erwiderte Minako grinsend und zeigte dem alten Mann mit Zeige-, und Mittelfinger der Rechten das Sieges-V.

Plötzlich druckste der alte Mann verlegen. "Äh, haben solche U-Boote nicht einen Nuklear-Reaktor?"

"Keine Sorge, ich habe die Reaktionskammer ausgespart", erklärte die blonde Frau. "An so was habe ich nachtürlich vorher gedacht."

"Na, dann ist ja gut." Er starrte einige Zeit lang auf das halbierte U-Boot und wie die ersten Gefangenen abgeführt wurden - es war mehr ein Bergen als ein Abführen, fand er - bis er sich ein Herz fasste. "Wie kann ich helfen?"

Minako seufzte leise. "Ich weiß nicht, beten? Die ganze Welt steht gegen uns, weil man Lügen und Halbwahrheiten über uns verbreitet, um das SilverMillenium zu diffamieren und die Massen gegen uns aufzubringen. Und warum das alles? Weil sie Angst davor haben, dass wir stärker sind als sie. Weil sie Angst davor haben, dass Usagi die Welt näher zusammenrückt, alle Länder auf eine gemeinsame Stufe stellt und diesem unsäglichen Mehrklassensystem ein Ende macht, das gewisse Firmen brauchen, um andere Länder auszubeuten, sich zu bereichern. Ich sage ja nicht, dass alle Geldmenschen schlechte Leute sind, aber die, die uns angreifen und die diese maßlosen Lügen über uns verbreiten, die haben Angst davor, sich Usagi zu stellen und ihr wahres Gesicht zeigen zu müssen." Sie lachte leise. "Ja, beten hilft."

"Was Ihr braucht, ist also ein öffentlicher Meinungsumschwung?"

"Der sollte schon im Gange sein. Wir leben im Zeitalter des Internets. Neuigkeiten verbreiten sich schnell und unaufhaltsam. Das wissen unsere Feinde und haben auch dort begonnen, ihre Lügen zu verbreiten. Aber die Wahrheit setzt sich durch, nach und nach. Nur zu langsam, zu langsam für uns."

"Und damit kommen diese Leute durch? Serenity-sama hat die Welt unter dem Eispanzer wieder hervor geholt."

"Und diese Leute betonen so gerne, dass der Eispanzer erst wegen ihr entstanden ist. Sie behaupten sogar, es wäre ihre Absicht gewesen, damit die Menschen der Erde ihr dankbar sein müssen. Dabei wird die Existenz des Seelenschiffs, das beweist, dass wir nicht die Initiatoren des Eispanzers waren, eifrig ausgespart, so als wären Seelenschiff und SilverMillenium zwei verschiedene Dinge. Und so erkämpfen sich unsere Feinde einen oder zwei Tage Zeit, um ihr Verbrechen zu beenden. Wenn Japan und das SilverMillenium erst einmal zerstört sind, dann brauchen sie nicht mehr um Erlaubnis fragen, nur noch um Verzeihung."

Der alte Mann nickte verständnisvoll. Er ging in die Hocke und kraulte seinem Hund das Kinn. "Was meinst du, Bazou, sollen wir den jungen Leuten zur Hand gehen?"

Der Hund bellte bestätigend. "Ja, das ist auch meine Meinung." Aus seiner abgetragenen Hose zog er ein Handy hervor, das noch aus der Generation stammte, die man aufklappen musste. Dennoch war es wertvoller als selbst das neueste Smartphone, weil es Informationen und Verbindungen gespeichert hatte, die ein Land umstürzen konnte. Und genau das tat der alte Mann nun. "Koda hier. Micchan, wie sieht es aus mit meinen Beteiligungen an folgenden Zeitungen?" Der alte Mann ratterte eine Reihe Namen mehrerer international bekannter Titel herunter und nickte zufrieden, als er die Antwort hörte. "Weise sie in meinem Namen an, die Wahrheit über den SilverMilleniums-Konflikt zu schreiben, nicht das, was andere ihnen vorgeben. Was die Wahrheit ist? Sie sind Journalisten. Sie werden es schon herausfinden. Wenn sie das nicht schon haben. ...Ja. Ja. ...Ja. Gut, das sind sinnvolle Unterstützungsmaßnahmen. Sieh zu, dass meine Anteile bei den amerikanischen Zeitungen so weit ausgebaut werden, dass wir eine Sperrminorität erreichen. Ja. Ja. ...Ja. Danke, Micchan. Viel Glück. ...Was? Nein, nein, ich denke einfach nur, dass man den jungen Leuten nicht alles an der Rettung der Welt aufbürden sollte. Wir alten Knacker sollten auch unseren Teil dazu beitragen. Ruf mich in einer Stunde an und sag mir den Stand durch."

Entgeistert starrte Minako den alten Mann an. "Und wer, zum Henker, sind Sie?"

Koda lächelte verschmitzt. "Nur ein alter Mann im Ruhestand, der mit seinem Hund spazieren geht."

"Ja", erwiderte sie. "Nur."

"Jeder von uns kann etwas dazu leisten, um die Welt besser zu machen. Ein Quentchen von jedem reicht, und raus kommt ein reißender Strom mit dem guten Willen aller", sagte Koda. "Und wann wäre die Zeit hierfür besser als jetzt und hier?"

"Ich... Verstehe. Denke ich."

Jedithe kehrte zurück. Neben und hinter ihm kamen Chrysanthia, Rose, Tulip und Targethia erschienen hinter ihm. "Das hat Spaß gemacht", rief Rose erfreut. "Holen wir uns die anderen beiden auch noch?"

"Und ob wir das werden", knurrte Targethia angriffslustig.

"Ja, das werden wir", sagte Jedithe. Zuversicht stieg in ihm auf, Zuversicht, die er so nicht erwartet hatte. "Ist was passiert, während ich weg war?"

Der alte Mann und Minako sahen sich an und lächelten. "Nichts besonderes. Nur ein weiterer Baustein zur Rettung der Welt."

"Ach so, wenn es nichts weiter sonst ist", murmelte Jedithe. Er kratzte sich am Haaransatz. Das musste er jetzt nicht verstehen, oder?"
 

"Jedithe-sama!" Neben den sieben Personen landete eine Rüstung. Das Visier schoss auf und zeigte Major Ayokas Gesicht. "Das war Nummer drei! Ich schlage vor, wir kümmern uns um die anderen beiden, so schnell wir können. Dann haben wir mehr Zeit für die, die wir nicht entdeckt haben."

Weitere Rüstungen landeten hinter ihm. Visiere fuhren hoch und zeigten ein paar Gesichter, die Minako hier nicht erwartet hatte. "Shingo? Papa Kenji? Unazuki-chan? UNAZUKI-CHAN?"

Verlegen hob Ayoka beide Hände. "Die drei sind gut auf den Rüstungen, wirklich gut! Ich weiß nicht, wie viele von meinen Freiwilligen jetzt tot bei den Fischen liegen würden, wenn ich sie nicht bei mir gehabt hätte. Ich kann nicht mehr auf sie verzichten."

"Also, ich erkläre das Usagi und Motoki jedenfalls nicht", murrte Minako.

"Die beiden wissen Bescheid. Und sie haben ihr Okay gegeben."

Minako setzte zu einer Erwiderung an, schluckte sie jedoch runter, als ihr klar wurde, was Ayoka ihr gerade gesagt hatte. Wenn die beiden Tsukino-Männer eingesetzt wurden, und sogar Motokis kleine Schwester, und zwar als Teil der Freiwilligen auf den GunSuits, dann war die Lage noch eine ganze Ecke ernster, als sie ohnehin schon gedacht hatte. Sie schluckte Entsetzen und Ärger runter. "Seht zu, dass Ihr neuen Treibstoff fasst und euch ausruht, wenn Ihr es noch könnt." Ihr Blick ging suchend zu den anderen GunSuits, die gerade landeten. "Mama Ikuko ist aber nicht mitgekommen, oder?" DAS hätte sie erst Recht vor Sorge sterben lassen. Ausgerechnet die sanfte Ikuko in einem GunSuit direkt an der Front...

"Nein, keine Sorge, sie hilft in der Botschaft", sagte Kenji Tsukino. "Ich wäre auch nie so unverantwortlich gewesen, sie in einen GunSuit zu lassen."

"Aber du bist unverantwortlich genug, um es selbst zu tun, was?", tadelte Minako.

Usagis Vater grinste. "Es gibt Störrigkeiten, die das Vorrecht des Alters sind. Dazu gehört, dass mir als Vater erlaubt sein muss, meine einzige Tochter zu beschützen. Aber dazu gehört auch, den eigenen Sohn ziehen zu lassen, wenn er sein Leben in Gefahr bringen will."

"Um andere zu schützen", fügte Shingo erklärend an. Merkwürdigerweise aber huschte sein Blick dabei zu Motokis kleiner Schwester, die dabei leicht errötete. Ihr Helmvisier fuhr zu. "Wir... Wir sollten auf Minakos Vorschlag hören und Nachschub fassen. Wer weiß, ob wir dazu bald noch Gelegenheit haben." Sie zögerte. "Shingo, kommst du?"

Das Visier von Usagis kleinem Bruder schnappte zu. "Ich bin direkt hinter dir, Unazuki-chan."

Die beiden Rüstungen starteten durch und andere folgten, bis nur noch Kenji Tsukino und Major Ayoka vor ihnen standen.

"Passen Sie um Himmels willen auf sie auf", tadelte Minako den Soldaten.

"Versprochen", erwiderte Ayoka. Er wunderte sich, wie glatt die Lüge über seine Lippen ging, denn längst passte er nicht mehr auf seine "Neuen" auf, sondern verließ sich auf sie, beinahe so sehr, als würden sie bereits Jahre zusammenarbeiten. Er schloss sein Visier, Usagis Vater tat es ihm gleich. "Sagt Bescheid, wenn wir uns Nummer vier vornehmen, ja?" Die beiden Rüstungen stiegen auf, erklommen etwa zwanzig Meter, kippten dort ab und schossen nach Westen davon.

Jedithe lächelte leicht. Er wandte sich um. "Rose, sucht die letzten beiden Los Angeles. Und schaut dabei auch nach anderen Schiffen. Die Russen haben auch U-Boote."

"Verstanden, Jedithe-sama!" Die Frau nickte, und die anderen taten es ihr nach. Nacheinander verschwanden sie, als hätte es sie nie gegeben.

"Weiter also zum nächsten Akt", grummelte Jedithe.

"Also, eins muss ich ja schon sagen", warf der alte Mann ein. "Ihr seid wesentlich aufregender als das Nachmittagsfernsehen."

So trocken, wie er das gesagt hatte, mussten Minako und Jedithe lachen. Laut und lange.

***

Akira döste. Es war kein Schlaf, es war kein Wachen. Er döste, dämmerte halb in der Schattenwelt, weit weg vom Hier und Jetzt. Eine alte Soldatenregel besagte: 'Iss, wenn du kannst, schlaf, wenn du kannst, geh kacken, wenn du kannst. Du hast keine Ahnung, wann du wieder dazu die Gelegenheit dazu hast.' Die Themen eins und drei hatte er abgearbeitet, nun war Nummer zwei dran. Aber es war wie mit allen kostbaren Dingen im Leben - wenn man sie brauchte, hatte man sie nicht.

"Iskander-sama?"

Akira schreckte hoch. "Fängst du jetzt auch schon mit diesem Quatsch an, Motoki?"

"Du hast nicht reagiert. Also dachte ich, versuche ich es mal mit einem Reizwort."

Der weißhaarige General schnaubte aus. "Geht es los?"

"Gleich. Fünf Minuten, dann haben wir den Baikal-See im wahrsten Sinne des Wortes angebohrt." Motoko setzte sich auf die Bank neben Akira. Sein Blick ging in die Runde und schickte jeden weg, der in Hörweite war.

"Was wird'n das jetzt?"

"Ich dachte mir, du hast vielleicht etwas zu sagen, was nicht jeder hören soll. Und seien wir doch mal ehrlich, ich bin dein einziger Freund."

"Du meinst abgesehen von Mamoru, Yuichiro, Artemis und den Mädchen? Bei Haruka bin ich mir selbst nicht immer sicher, auf welche Seite ich sie zählen soll", scherzte er.

"Der einzige Freund, der hier ist und dir zuhört", korrigierte der blonde General. "Du weißt, was ich meine. Also, alter Freund, was ist los mit dir? Was macht dir zu schaffen? Hast du einfach genug von den ganzen Beinahe-Toden in letzter Zeit? Du wirst ja gebeutelt wie eine populäre Romanfigur in "Games of War", die Theodor T.D. Maywald schon seit etlichen Versuchen umbringen will, aber es einfach nicht schafft."

"Das ist es nicht", erwiderte Akira. "Außerdem mag ich "Games of War" recht gerne, wenngleich ich meine, dass der alte Theo zu inflationär mit seinen tragenden Charakteren umgeht. Er wird ja zitiert, dass er absichtlich so viele Charaktere umbringt, weil es im wahren Leben auch so ist und weil man so viel mehr mit seinen Lieblingen leidet, wenn man weiß, sie könnten auf der nächsten Seite rausgeschrieben werden. Ich finde ja, ein guter Autor kriegt Spannung und Faszination auch ohne Massensterben hin."

Motoki nickte bestätigend. "Und was beutelt dich jetzt, Aki-chan?"

"Aki-chan? So nennt mich ja nicht mal meine Mutter."

Motoki sah den Freund mahnend an, bis dieser seufzte und zum Zeichen der Kapitulation die Arme hob. "Schon gut, schon gut. Ich sage es dir." Er atmete aus, beugte sich vor, stützte die Ellenbögen auf den Knien ab und bettete sein Gesicht in den Händen. "Ich werde in diesem Konflikt sterben, Motoki."

"Was, bitte?" Verdutzt sah er den Freund an. "Hast du 'ne Meise, oder was? Keiner von uns wird sterben, jedenfalls nicht, solange ich dabei etwas zu sagen habe."

"Du hast doch Hotaru-chan gehört. Sie hat eindeutig impliziert, dass ich sterben werde. Ich bin ihr Vorbild, aber nicht ihr Lehrmeister. Das geht aber nur, wenn ich nicht mehr lebe, um sie auszubilden. Und ich weiß ganz genau, dass sie sich nicht verplappert hat. Sie hat mir einen Hinweis gegeben, einen ziemlich eindeutigen."

"Ach, hast du deshalb Ami den Laufpass gegeben?"

"Damals wusste ich noch nichts davon. Ich habe sie gehen lassen, weil sie sich die Freiheit gewünscht hat. Und ich... Du verdammter... Seit wann weißt du es?"

"Ihr habt doch nicht wirklich gedacht, dass Ihr das vor uns geheim halten könnt? Vor allem nicht, wenn Ihr beide für das SilverMillenium arbeitet, oder? Wie ist es eigentlich passiert? Wir alle waren der Meinung, ihr seid ein tolles Paar."

"Sie hat sich Veränderungen gewünscht. Wer bin ich, dass ich ihr da dreinrede und klammere? Letztendlich habe ich immer im Hinterkopf gehabt, sie war nur mit mir zusammen, weil ich ihr Leben gerettet habe", seufzte Akira. "Dieser Jugendfreund von ihr, dieser Ryu Uwara, vielleicht passt er besser zu ihr. Oder Taiki. Ich weiß es nicht. Ist aber auch nicht meine Entscheidung."

"Idiot."

"Das steht außer Frage", sagte Akira todesmutig lächelnd.

"War das also dein Plan? Beim ersten Anzeichen von Widerstand schießt du sie ab und gehst eigene Wege?" Motoki schüttelte unmerklich den Kopf. "Vollidiot."

"Nicht von Widerstand. Unwillen. Seien wir doch ehrlich, ich habe jede Minute mit ihr genossen. Ich habe sie mit Beschlag belegt, sie wann immer ich konnte für mich behalten, ganz so wie ich mir eine Beziehung mit ihr vorgestellt habe. Aber ich... Ich kann sie nicht ewig an mich fesseln. Und als sie sagte, sie wolle etwas verändern, da wusste ich, dass es Zeit ist, sie gehen zu lassen. Glaub mir, ich habe alles ausgeschöpft, was ich kriegen konnte, und das ist schlimm genug, denn eine Beziehung sollte sich nie um "mich" oder "dich" drehen, sondern um "uns"."

"Danke, ich habe schon eine Freundin."

"Motoki..."

"Riesenidiot. Und das hat sie einfach so geschluckt?"

"Was soll ich sagen? Sie war es doch, die unsere Beziehung geheim halten wollte. Keine gute Grundlage, um auf das große Wunder zu hoffen, oder?"

Motoki lachte abgehackt. "Scheint so, als wärt Ihr beide die Idioten hier. Und scheint so, als hättet Ihr beide unnötig euren Ängsten nachgehangen. Und jetzt hast du auch noch Todessehnsucht..."

"Keine Todessehnsucht, aber Hotaru-chan ist aus der Zukunft. Ihre Worte waren eindeutig und ziemlich klar. Ich suche den Tod nicht und sterben will ich auch nicht, aber wenn es passiert, dann hoffentlich mit einem Knall. Ich kriege dann doch eine Latrine, die nach mir benannt wird?"

"Wir benennen dann alle öffentlichen Toiletten um. Die heißen dann alle nur noch Akiras", versprach Motoki todernst. "Du weißt aber schon, dass, wenn du mit solchen Gedanken in den Einsatz gehst, Fehler entstehen, die dich tatsächlich das Leben kosten können, oder?"

"Ich habe nicht vor, zu sterben", wiederholte Akira erneut, aber es klang leer und schal in seinen eigenen Ohren. Wollte er etwa sterben, um die letzten Bande zu Ami zu kappen, damit selbst die freundschaftlichen Gefühle verschwanden? Nein, natürlich nicht. Aber eine fatale Stimme irgendwo in ihm drin wollte ihm einreden, dass es doch ganz toll war, von allen anderen, besonders von Ami betrauert zu werden, natürlich nur abgesehen davon, dass er dann tot war. Aber sie hatte ihn ja auch nie wirklich gewollt, ihn immer geheim gehalten wie etwas Verbotenes. Und das hatte ihm weh getan, auch wenn er es nie gezeigt hatte, während sie ihre Freude an diesem Versteckspiel gehabt hatte. Die heimlichen Blicke, Küsse und Treffen, das hatte sie richtig aufleben lassen. Er war wie ihre gefährliche Affäre gewesen, aber er hatte mehr gewollt. Mehr als sie letztendlich hatte geben können. Nein, so war es richtig. Der beste Weg. Er seufzte laut.

"Wie weit seid Ihr eigentlich schon gegangen", fragte Motoki gedehnt.

"Was, bitte?"

"Na, Ihr beide seid erwachsene Menschen, gesund, kräftig und sexuell auf der Höhe. Wie weit ist es denn bisher so gegangen, Aki-chan?"

"Ich habe nicht mit ihr geschlafen", verteidigte sich der ehemalige General des SilverMilleniums.

"Aber alles andere bis auf diese Stufe lief schon, oder wie?", scherzte Motoki.

Akira fühlte, wie ihm Hitze in die Wangen stieg. "Ich... Ich..."

"Junge, Junge, du hast wirklich fast alles ausgekostet, hm?"

Fahrig sah er zur Seite, sich der Röte seiner Wangen mehr als bewusst. "Wir sind erwachsen, genau wie du gesagt hast."

"Und Ihr könnt beide nicht über eure riesigen Schatten aus dem ersten Leben springen", murmelte Motoki mitfühlend.

"Was?"

"Ich sagte, Ihr redet zu wenig miteinander."

"Ja, da ist was dran", murmelte Akira und senkte den Blick. "Aber das ist ja nun auch egal, nicht?"

"Ist es nicht. Denn im Gegensatz zu dir sind Makoto und ich schon wesentlich weiter, und wir genießen es. Nimm dir an uns mal ein Beispiel, alter Freund. Und was deine Todesahnungen angeht: Du hast jetzt zwei volle Blasterschüsse auf dich überlebt. Drei, wenn wir den hinzu zählen, der dich beim Attentat auf Makoto nur knapp verfehlt hat. Was, bitte, soll dich denn noch umbringen? Willst du vor eine Korrekturdüse des Seelenschiffs gespannt werden? Ich glaube, eine harmlosere Sache wird dich nicht mal ankratzen. Man nennt dich hier schon hinter vorgehaltener Hand den Siegfried, der unverwundbar ist."

Akira lachte abgehackt. "Unverwundbar ist vielleicht das falsche Wort. Wunden habe ich genug."

"Dann eben der, der nicht sterben will." Motoki erhob sich und klopfte dem Freund auf die Schulter. "Nimm dir das als Leitfaden. Dich wird nichts umbringen, was Menschenhände je geschaffen haben, glaub es mir. Nur dein Selbstmitleid kann dich umbringen."

"Na, danke", murrte Akira.

"General Gyes, General Iskander, es wird Zeit!", rief eine Ordonnanz herüber. "Der Tunnel ist fertig!"

"Wir kommen!", rief Motoki zurück. Er konzentrierte sich auf seine Kraft, verwandelte sich in Gyes, den Vielarmigen und Hunderthändigen General des SilverMilleniums. Neben ihm wurde Akira von der puren Kraft seiner Sailorkräfte umspült. Sie ließen nur den Kopf frei. Als sie verschwanden, trug er seine blaue Uniform, und seine Augen lagen tief im Schatten seines Ponys. "Also gut, gehen wir die Welt retten."

"Die Welt retten wir morgen. Heute retten wir erstmal nur Japan", spöttelte Motoki.

"Oder so rum", scherzte Iskander zurück.
 

Die beiden Männer wandten sich zum Gehen, aber Iskander wandte sich noch mal um. "Kommst du mit, Yaten?"

Die junge Frau kam hinter einer Ecke hervor. Ihre Wangen waren gerötet, ebenso wie ihre Augen. "Seit wann weißt du, dass ich da bin?"

"Seit ich versucht habe, zu schlafen." Er streckte eine Hand nach ihr aus. "Gehen wir."

Yaten alias SailorStarhealer trat heran, ließ zu, dass Iskander einen Arm um ihre Schulter legte und begleitete die Männer.

Als sie den Platz wieder betraten, waren Kano und seine Elite bereits wieder angetreten. Einige trugen Verbände; trotz offensichtlicher Verwundungen hatten sie sich das Okay erkämpft, erneut in den Einsatz gehen zu dürfen. Akira spürte einen Kloß im Hals, als er es bemerkte. Diese Opferbereitschaft, dieser Wagemut. Er fühlte sich in die Zeiten des Ersten SilverMilleniums zurückversetzt, als so vieles für ihn, das Königreich der Erde und das Königreich des Mondes genauso gewesen war. Er fühlte Stolz darauf, diese tapferen Männer und Frauen in die Schlacht führen zu dürfen.

"ACHTUNG!", gellte Kenichiro Kanos Ruf auf. Die Spezialtruppen gingen in Hab Acht. "STILLGFESTANDEN!"

Ihre schweren Stiefel machten genau ein Geräusch, das aber ziemlich laut. "General Iskander, das Einsatzteam ist bereit!"

"Dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren!" Akira sah zu Haruka und Michiru herüber, die mittlerweile eingetroffen waren und den Tunnel zu Ende getrieben hatten. "Haruka, Michiru, macht auf."

"Sehr wohl, General Iskander", erwiderte die große Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt, aber ihr Tonfall und die Grimasse, die sie dabei schnitt, nahmen den Worten jedwelche Form der Unterwürfigkeit.

"So, wir sind durch. Der Weg zum Grund des Baikal-Sees ist frei, und... Verdammt! DECKUNG!" Haruka sprang Michiru an, riss sie mit sich, rollte mit ihr in den Armen beiseite und verließ die Schneise des Dimensionstunnels.

Die Truppe reagierte sofort. Die einhundert Männer und Frauen spritzten auseinander, und dies keine Sekunde zu spät. Ein Energiestrahl brach aus dem Tunnel hervor, der die Höhe eines ausgewachsenen Europäers hatte. Er schoss über den Exerzierplatz, schlug in das gegenüberliegende Gebäude ein, durchschlug es, nahm alles mit, was auf seinem Weg war und löste Kilometer entfernt eine Detonation aus, nachdem er erlosch. Auch das getroffene Gebäude explodierte nun und verteilte seine Trümmer über den gesamten Platz. Motoki reagierte sofort, sprang in die Luft und wischte die Trümmer beiseite, die Menschen gefährdet hätten. Leider war er nicht schnell genug gewesen, um jenen zu helfen, die im getroffenen Gebäude gewesen waren.

"Der Tunnel! Schließt den Tunnel!", rief Iskander. Er sprang heran, kam direkt vor dem Dimensionstunnel heraus. Mit seinen Sailorkräften griff er nach dem Gefüge zwischen der Realität und zerrte die Falte wieder in sich zusammen.

Eine Hand schoss auf ihn zu. Halb bemerkte Akira es, halb ahnte er es nur. Ein Blast verließ seine Rechte, traf Haruka mittig im Leib und schleuderte sie meterweit nach hinten. In diesem kurzen Moment, der nur Bruchteile von Sekunden dauerte, fand ein stummer Dialog statt.

'Eine Falle', kam es von Haruka. 'Sie haben uns eine Falle gestellt und aus der Antriebsdüse eine Kanone gemacht!'

'Und sie haben sie rechtzeitig in Position gebracht, um uns durch unseren eigenen Tunnel zu beschießen', sagte Akira.

' Sie können jede Sekunde erneut feuern!', erwiderte Haruka.

'Ja, das werden sie. Und wenn wir nicht unser Hauptquartier und unsere besten Truppen verlieren wollen, müssen wir den Tunnel jetzt einreißen!'

'Du kannst dabei sterben, du Idiot!'

'Einer muss den Tunnel schließen.'

'Warum du?'

'Es ist besser, als wenn du es tun würdest, Haruka. Außerdem, noch haben sie nicht gef-'

Haruka Tenoh war noch keine zwei Meter weit geflogen, als erneut ein Blast aus dem Tunnel schoss. Er verfehlte ihre Füße nur um Bruchteile von Millimetern, ihre Rüstung aus Sailor-Kräften knisterte unter der Belastung, hielt aber stand.

Akira Torah alias Iskander aber stand mitten im Fokus des Blasts. Er war darüber nicht überrascht. Das hatte er erwartet. Er wusste, dass sein Ende mit einem großen Knall kommen würde, und dieser Tod war seiner würdig. Aber noch war er nicht gestorben, noch war seine Aufgabe nicht beendet. Noch bevor das erste Kilojoule an Energie in seiner Rüstung verpuffte, hatte er sie in eine schnelle Rotation versetzt, um sie gleichmäßig von allen Seiten zu belasten. Dies verschaffte ihm genau jene halbe Sekunde, die er brauchte, um die Rüstung zu wechseln, von der Uniform zur schweren Plattenrüstung der Palastwachen des alten SilverMilleniums. Die war weit robuster und hielt länger aus. Und das wiederum brachte ihm die Zeit ein, um den Dimensionstunnel niederzureißen, sprich das Wurmloch nach Russland zu schließen. Es ging langsam, schleppend langsam, und er fühlte die reine Energie der ehemaligen Korrekturdüse des Seelenschiffs an ihm reiben und schmirgeln. Beinahe glaubte er zu spüren, wie die Rüstung Stück für Stück, Korn für Korn abgetragen wurde, und wie dies mit seinem Leib fortgesetzt wurde. Aber er würde nicht sterben, nicht bevor der Tunnel dicht war! Also entrang sich seiner Kehle ein unbändiger Schrei und seine Kräfte zerquetschten den Tunnel wie eine überreife Frucht. Dann war... Nichts mehr.
 

Im Baikal-See, genauer gesagt dem, was einmal der Seeboden gewesen war (und von dem man behauptet hatte, dieser Bereich läge noch immer unter Wasser), wirkte sich die Schließung des Tunnels verheerend aus. Zuerst kam es zu einem Rückstau, denn der Tunnel wurde von Japan aus Richtung Russland geschlossen. Das bedeutete, die Raumzeit drängte alle Energien zurück, die Japan nicht mehr erreicht hatten. All das schoss wieder aus dem Tunnel hervor; die Energie, frei und ungebunden, schlug zurück und verbrannte die Bedienungsmannschaft der Kanone zu Asche. Dann war die Raumzeit wiederhergestellt, und der Blast ging erneut geradeaus. Nur diesmal auf dem Boden Russlands, nicht auf dem Weg nach Japan. Schwere Detonationen zierten die Bahn, denn die Rückschlagsenergie hatte die Kanone auf die Seite gekippt. Dutzende Gebäude, eine Flugzeughalle, ein Tower und die hiesige Fabrik für GunSuits wurden getroffen und detonierten. Nur Sekundenbruchteile später explodierte auch die Kanone und vernichtete alles in dreihundert Metern Umkreis bis in den molekularen Bereich hinein. Die Generäle des hiesigen Stützpunkts waren entsetzt. Aber auch erfreut. Diese Zerstörungskraft war gigantisch. Zehn von diesen Dingern, und die Welt gehörte ihnen! Zumindest dachten sie das, bevor sich in der Ferne die Flutwelle abzeichnete. Welche Flutwelle? Nun, jemand schien sich dazu entschlossen zu haben, die Wasserableitungsmaßnahmen rückgängig zu machen - sofort und sehr massiv. Das Tausendfache des Wassers, das vor Sowjetzeiten täglich in den Baikal-See geflossen war, traf nun auf einen Schlag ein. Und es machte keinen Unterschied zwischen Gebäudetrümmern, Kanonenresten, Gefreiten und Generälen...
 

Der Strahl erlosch, der Exerzierplatz des Hauptquartiers wurde wieder im normalen Tageslicht sichtbar. Bei vielen brannte der Strahl noch auf der Netzhaut, machte normale Sehen unmöglich. Aber die SailorKrieger sahen klar. Und wünschten sich, sie hätten es nicht gekonnt.

"AKIRA!", rief Haruka verzweifelt. Wäre sie einen Sekundenbruchteil schneller gewesen, hätte sie den Freund retten können! Scheiß auf das Hauptquartier! Sie fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, als sie die leere Stelle sah, an der er gerade stehen sollte, gerupft, aber verwegen lächelnd, weil er auch das überstanden hatte. Er war doch nicht tot! Er konnte, er durfte nicht tot sein, verdammt! Nicht so, nicht jetzt, nicht auf diese Art, bevor er nicht verdammt noch mal die wichtigsten Dinge seines Lebens geklärt hatte! Wenn es sein musste, würde sie halt selbst in den Hades hinabsteigen und ihn wieder unter die Lebenden prügeln, jawohl! So ließ sie dieses Drama jedenfalls nicht enden.

"Also, ich habe mir ja wirklich schon gedacht, dass Iskander Eindruck auf das Hauptquartier gemacht hat", sagte Michiru, "aber das ist wirklich lächerlich."

"Was? Wovon redest... AKIRA!" Links über ihr im dritten Stock des Verwaltungsgebäudes war ein fünf Meter durchmessendes und zwei Meter hohes Loch gerissen worden. Zwei Beine baumelten daraus hervor, die unverkennbar von den Resten dessen eingehüllt waren, die einmal eine SilverMillenium-Rüstung gewesen sein musste. Dazu erklang eine kratzige Stimme, die ihr nur zu bekannt war. "Hat sich jemand die Nummer aufgeschrieben?"

"Muss er denn jetzt auch noch Witze reißen?" Motoki schien zu lachen und gleichzeitig zu weinen.

"Hast du ihn...", fragte Haruka verdutzt.

"Genau in dem Moment, als der Tunnel zusammenbrach. Hart und kräftig", bestätigte Motoki. "Etwas zu hart vielleicht. Es ist alles so schnell passiert. Es ging nicht schneller."

"Der Idiot lebt. Das ist mehr, als wir uns wünschen können", erwiderte Haruka erleichtert. Sie wischte sich das Wasser aus den Augen. Wann hatte sie nur angefangen, diesen Dummkopf so sehr zu mögen? Ach ja, als sie sich auf Leben und Tod duelliert hatten.

"Ein Königreich für einen Eisbeutel", klang wieder Akiras raue Stimme auf.

"AKIRA!" Yaten sprang an ihnen vorbei, verschwand und kam direkt im Loch in der Wand wieder zum Vorschein. Sie kniete sich nieder und beugte sich vor. "Was machst du nur immer für Sachen."

"Ich liebe dich auch, Yaten. Ich..."

Verdutzt, verlegen und erschrocken betrachtete sie den jungen General. "Eingeschlafen", rief sie in den Hof hinab.

"Bring ihn sofort in den Turm, Yaten!", rief Motoki, seine Erleichterung überspielend. Für einen Augenblick hatte er wirklich geglaubt, die düstere Prognose des Freundes würde eintreten - schnell und endgültig. "Dort wird man ihm besser helfen können als hier."

Für einen bangen Moment beobachtete er die weißhaarige Frau dabei, wie sie Akira auf die Arme nahm. Dann verschwand sie im Nichts mit ihm. Die Gute würde einiges zu erklären haben, wenn sie im Turm ankam - immerhin hatte der Blast nicht nur Akiras Rüstung zerfetzt, sondern auch die Straßenkleidung, die er darunter getragen hatte. Das amüsierte Motoki für eine Sekunde. Eine Sekunde, die er sich erlaubte. "Kommt, Leute, wir müssen den Einsatz umstellen. Michiru, du bist jetzt die Anführerin der Einsatzgruppe. Oder wünschst du jemand anderen?"

"Ich werde Akira nicht enttäuschen. Ich mach das schon", erwiderte sie mit fester Stimme.

"Dann ist das beschlossen. Kano, kommen Sie. Wir müssen uns Satellitenaufnahmen vom Einsatzgebiet besorgen."

"Ja, General Gyes."

***

Pause?

"Du hast aber auch ein Pech", sagte Mamoru grinsend. Er tätschelte dem weißhaarigen jungen Mann die Schulter. "Andererseits aber auch eine Menge Glück. Mir will niemand einfallen, der an deiner Stelle den direkten Beschuss durch eine Kanone überlebt hätte."

Akira Torah lächelte verbissen, um seine wahren Gedanken, seine deprimierenden Gefühle nicht zu offenbaren. Er wusste, dass er dem Tod diesmal nur sehr knapp von der Schippe gesprungen war. Das wievielte Mal war es gewesen, seit dieser Konflikt begonnen hatte? Das fünfte Mal? Das siebte Mal? Nachdem mit einer zur Kanone umgebauten Steuerdüse für das Seelenschiff auf ihn gefeuert wurde, hatte er keinerlei Zweifel mehr daran, dass er den Konflikt nicht überleben würde. "Wissen wir, wie viele Kanonen die Russen gebaut haben? Und wissen wir, wie sie die Dinger abfeuern? Ich meine, das war keine Sailorkraft, die mich getroffen hat."

"Du spielst auf die Tatsache an, dass das Seelenschiff über tausende von Jahren mit Hilfe der Lebensenergie von Lebewesen geflogen ist, richtig? Ja, das ist die Energie für den Hauptantrieb. Der Rest ist ein wenig technischer. Die Korrekturdüsen zum Beispiel arbeiten nach einem anderen Prinzip. Sie stoßen Plasma aus, ein Gemisch aus ultrahocherhitztem Gas und projizierten und gerichteten Magnetfeldern, die bis zu zehntausend Grad heiß werden. Das Gas expandiert, die Magnetfelder richten es aus, und somit wird mit kleinem Aufwand eine große Schubwirkung ausgelöst. Oder eine Waffenleistung, wie wir wissen. Die GunSuits..."

"Ja, ich weiß. Mir war da schon klar, dass die Blaster keine Sailorkraft verwenden", sagte Akira. "Aber wir müssen uns wohl darauf einstellen, dass wir in naher Zukunft gegen Menschen antreten müssen, die ähnliche Fähigkeiten haben wie wir. Vielleicht nicht Usagis Kraft und ihre lange Kampferfahrung. Aber an mir und den anderen Generälen kannst du ja sehen, wie schnell man aufholen kann, wenn man muss."

"Wie kommst du jetzt darauf?", fragte Mamoru irritiert.

"Die Sailorkraft ist etwas, das in allen Menschen steckt, richtig? Sie nutzen sie nur nicht, beziehungsweise wissen nicht, wie sie genutzt wird. Damals, als Usagi ihre ersten Kämpfe gegen das Dunkle Königreich bestritten hat, wurden Menschen mit Dämonen aus Metallias Eingeweiden infiziert, Ablegern ihrer Selbst. Diese Dämonen hatten niemals alleine genug Kraft, um aus den Menschen derart bizarre Gestalten zu machen, die als Dämonen gekämpft haben. Das Gleiche ist mit der DemonSeed geschehen. Sie haben die Sailorkräfte der Menschen angezapft, die sie infiziert haben. Nur dadurch gab es diesen Aufschwung an Kraft und Fähigkeiten. Und diese merkwürdigen Verwandlungen in riesige und unförmige Bestien. Es waren Rüstungen, so wie meine Uniform oder Usagis Prinzessin Serenity-Kleid."

"So habe ich das noch nicht gesehen", sagte Mamoru verblüfft. "Aber es erklärt einiges. Und deine Schlussfolgerung gefällt mir überhaupt nicht. Was, wenn wir tatsächlich mit anderen Menschen konfrontiert werden, die uns mit Fähigkeiten bekämpfen, die unseren so ähnlich sind? Sieben Milliarden Menschen auf der Erde, da muss es doch mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht ein paar Menschen gibt, die über enormes latentes Potential verfügen." Er blinzelte. "Wann ist dir das denn aufgefallen?"

"Als ich dachte, ich würde in Atome zerschossen werden. Wenn du den Tod vor Augen hast, machst du ziemlich merkwürdige Erfahrungen. Ich zum Beispiel habe mich gefragt, warum ich nach Japan gekommen bin, obwohl dies das Land der Sailor-Fähigkeiten ist. Dieser Japan-Chauvinismus, den unsere Fähigkeiten mitbringen, ist dir das nie aufgefallen?"

"Nicht wirklich. Ich war immer nur heilfroh, dass nicht die ganze Welt durchdreht und dass die Bedrohungen artig und brav zu uns nach Tokio gekommen sind. Als das Seelenschiff ankam und seine Seelenenergie-Ernter über die ganze Welt verstreut hat, war ich ehrlich gesagt reichlich irritiert. So nach dem Motto: Das dürfen die doch gar nicht, die müssen doch hier nach Japan kommen." Er lachte unsicher. "Ich verstehe, was du sagen willst. Aber bedenke, hier liegt das zukünftige Zentrum der Welt. Crystal Tokio wird der eine Punkt sein, an dem sich die Zukunft ethisch und moralisch orientieren wird, um aus unserer Gesellschaft eine wirklich friedfertige und progressive Gemeinschaft zu machen. Für alle. Dafür werden wir noch viel tun müssen, abgesehen davon, dass wir die Kämpfe überleben müssen, aber solange die kleine Usagi keine Auflösungserscheinungen zeigt, bin ich sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind."

"Was vielleicht der Grund ist, warum die Mächtigen der Welt glauben, uns vernichten zu müssen. Frieden ist schlecht fürs Geschäft." Akira zog die Stirn in Falten. "Warte mal, vier Fabriken, ein paar hundert Rüstungen, dazu diverse Militäreinsätze, ich schätze, eine ganze Industrie kann dieses Jahr prozentual dreistellige Zuwachsraten verzeichnen."

"Und das ist Grund genug für einen Krieg?", fragte Mamoru.

"Ja. Sieh dir die Beute an, die sie gewinnen können. Stell dir vor, das SilverMillenium fällt ihnen in die Hand, und mit ihm all die Technologie, die wir ihnen bisher vorenthalten haben."

"Was nicht viel ist, auch wenn wir durch unsere Produktionstechnologien klar im Vorteil sind", schränkte Mamoru ein. "Und wenn sie die Botschaft zerstören, zerstören sie auch die Technologien, nicht?"

"Sie werden in den Resten graben. Oder ein paar Jahre warten, bis sie den Mond direkt angreifen können. Die Schubdüsen haben sie schon. Ein Raumschiff drumherum zu bauen ist die kleinere Aufgabe."

"Na, das sind ja Aussichten", grummelte das Licht der Erde. "Im Übrigen sind wir dabei, das Seelenschiff flott zu machen. Ursprünglich wollten wir nur ein paar Hüpfer zu den anderen Planeten im System machen und dazu international Forscher und Astronauten einladen. Aber wir sind zuversichtlich, das Riesenbaby so weit hinzubiegen, sodass wir es schaffen, ein Dutzend Lichtjahre oder mehr zurückzulegen. Weit genug, um die Heimatwelt der Starlights zu erreichen, wo man uns mit Freude aufnehmen wird. Sagt zumindest Seiya."

"Ist das der Notfallplan? Die Sachen packen und abhauen?"

Mamoru nickte. "Bevor es richtig übel wird, werden wir rund fünfzigtausend Menschen evakuieren können. Also das ganze SilverMillenium und noch drei-viertausend weitere, die uns begleiten wollen. Aber das ist wirklich nur der allerletzte Ausweg, den wir nehmen werden, wenn die Botschaft zerstört wurde und der Tunnel zum Mond nicht mehr steht." Mamoru ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten, als er daran dachte.

"Ich bin nicht bereit, die Segel zu streichen!", brauste Akira auf. "Noch sind wir nicht besiegt, und..."

"Du, mein Freund, wirst hier in diesem Bett liegen bleiben und die Segel gestrichen lassen", bemerkte Mamoru amüsiert. "Du hast mächtig einen vor den Bug gekriegt, und bevor nicht jeder einzelne Arzt, den ich auf dich hetze, sein Okay gibt, dass du nicht im nächsten Moment aus welchen Gründen auch immer tot umfällst, wirst du dich erholen. Man hat mehrfach auf dich geschossen! Das muss sich auf dich auswirken! Auch wenn dein Körper in Ordnung ist oder in Ordnung erscheint, dein Verstand muss einen mitgekriegt haben. Aber ja doch, wir sind nicht besiegt, und noch fliehen wir nicht. Es wäre auch mehr als ungerecht gegenüber Japan und all seinen Bewohnern, die sich auf uns verlassen. Zu Recht. Wir haben immer noch eine veritable Chance, diesen Konflikt als Gewinner abzuschließen und Crystal Tokio zu erschaffen."

"Ich habe ja auch gar nicht gesagt, dass ich selbst mitmischen will", murrte Akira. "Sei unbesorgt, ich bleibe brav im Bett und kuriere mich aus."

Mamoru sah den Freund misstrauisch an. "Wer sind Sie? Und was haben Sie mit Akira Torah gemacht?"

"Ha, ha, ha. Sehr witzig. Ist es so undenkbar, dass ich die Schnauze voll davon habe, immer als Erster von neuen Waffensystemen beschossen zu werden? Also, wie viele Dinger haben die Russen jetzt?"

"Keine Ahnung. Unsere Agenten vor Ort waren sich der Strukturen rund um die GunSuit-Fabriken bisher nicht bewusst und haben sie entsprechend auch nicht infiltriert. Aber es existieren ein paar Aufnahmen, die wir aus der Stratosphäre mit einem Beiboot geschossen haben. Pyramon hat es kommandiert. Soweit wir sehen können, läuft der Baikal-See gerade wieder voll. Große Landflächen, die zuvor durch Austrockung frei wurden, sind überschwemmt worden. Dabei sind auch die Gebiete, von denen wir dachten, sie lägen noch unter Wasser - jetzt tun sie es. Pyramon meinte auch, er habe die Überreste der Kanone und die GunSuit-Fabrik entdeckt. Oder deren Reste."

"Na, immerhin. Aber damit wissen wir immer noch nicht, ob und wieviele die Russen noch haben. Sie bauen sie in die GunSuits ein. Es fehlt nicht viel dazu, sie in Kampfflieger einzubauen. Die sind nicht so flexibel und wendig wie GunSuits, aber sie haben Tausende davon."

"Davon werden sie wohl eher Abstand nehmen", meinte Mamoru grinsend. "Fast dreihundert ihrer Piloten sind über dem japanischen Meer zu uns desertiert. Insgesamt sind es mehr als eintausend Maschinen, Jagdflieger wie taktische Bomber, die zu uns übergelaufen sind. Im Moment sind sie in Bereitschaft auf Hokkaido und in Südkorea, aber die Piloten haben ein Komitee gebildet, das uns jedwelche Form von Hilfe bei der Abwehr jener Kampfflieger zugesagt hat, die immer noch auf dem Weg zu uns sind. Du weißt schon, alles aus dem südasiatischen Raum, und aus Mittelasien. Daher werden die Machthaber keine Menschen einsetzen, sondern vermehrt auf unbemannte GunSuits setzen. Die können nicht desertieren."

"Ich habe davon gehört. Makoto hat welche über dem japanischen Meer getroffen."

"Über dreihundert. Und wie sie sie getroffen hat. Verdammt gut sogar."

Der Witz war billig, zudem in keinster Weise amüsant, aber die beiden Freunde prusteten und begannen dann aus vollem Hals zu lachen.

Als ihr Gelächter verebbt war, fasste sich das Licht der Erde ein Herz. "Also raus damit. Wann gedenkst du, aus dem Krankenbett zu desertieren und dich der kämpfenden Truppe anzuschließen? Usagi und ich sind der Meinung, dass du genug einstecken musstest. Außerdem hat der letzte Schlag deine Sailorkräfte so ziemlich auf Null ausgelaugt, es wäre also ein Risiko für dein Leben, dich kämpfen zu lassen."

Abwehrend hoch Akira beide Hände. "Ich gebe zu, mir gefällt es hier nicht. Ich langweile mich. Und euch fehlt ein General an der Front, je länger ich hierbleibe. Wärst du damit einverstanden, wenn ich mich auf eine taktische Position im Hauptquartier beschränke?"

"Eventuell - wenn du dich einen halben Tag lang erholt hast. Und dann kommandierst du wirklich einen Schreibtisch, oder was auch immer Ihr Militärs macht, wenn Ihr hinter den Linien steht und die weiter vorne koordiniert."

"Du meinst eine taktische Karte."

"Was auch immer. Aber ist das angekommen? Ich habe eine Wache vor der Tür platziert, die dafür sorgt, dass du hier liegen bleibst, und... Hm, schläfst? Um dich zu erholen? Wir haben gerade Luft, weil der Schlag im Nordosten abgewehrt ist, und weil Minako und Jedithe die fünf Problem-Unterseeboote an der Ostküste ausgeschaltet haben. Ich denke nicht, dass mehr passiert, bevor die zwei- dreitausend Kampfflieger aus Mittelasien angreifen können. Vorher würde ich meine GunSuits jedenfalls nicht riskieren."

"Vier Stunden."

"Zehn."

"Sechs."

"Acht. Und das ist mein letztes Wort. Außerdem, bevor du deine Beine hier rausschwingst, wird Doktor Mizuno ihr Okay dazu geben, klar?"

"Einverstanden. Doktor Mizuno? Amis Mutter?"

"Richtig. Sie hat sich freiwillig gemeldet, um unten im provisorischen Lazarett zu dienen, genau wie Usagis Mutter. Aber bisher reichen die Betten hier im regulären Hospital der Botschaft, und wir hoffen, das bleibt auch so."

Akira runzelte die Stirn. "Gerade wollte ich dich bitten, mich runter in die Halle ins provisorische Lazarett zu verlegen, damit ich mich nicht so langweile. Aber da ist noch weniger los?"

Mamoru konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Wir haben zu wenige Verluste. Ein paar Kreislaufkollapse bei unseren Freunden vor der Botschaft, einige Schrammen und blaue Flecken. Wir versorgen ambulant, kaum stationäre Aufnahmen. Also, ich finde das gut."

"Ja, besser, als wenn die Halle voll wäre." Akira fühlte einen Schauder über seinen Rücken gehen. "Zum Beispiel nach einem nuklearen Angriff."

"Oi, mal den Teufel nicht an die Wand", sagte Mamoru. Er schüttelte sich bei diesen Worten, als hätte er etwa Saures getrunken. "Jedenfalls ist Michiru bereits aufgebrochen. Ihr Team - also dein altes Team - greift die GunSuit-Fabrik im südchinesischen Meer an. Diesmal wurden sie nicht beim Durchgang beschossen, also nehmen wir an, China hat die Kanone noch nicht. Oder setzt sie zumindest noch nicht ein. Und wenn wir erst mal Chinas GunSuit-Fabrik ausgeschaltet haben, wird es dauern, bevor das Land die Neubauten in Betrieb nehmen können, die es zweifellos vorbereitet hat. Das gibt uns Zeit, auch diese zu finden und zu vernichten. Du siehst, im Moment sieht es sehr gut für uns aus, auch ohne dich, Herr Akira."

"Isjagut. Ich habe verstanden. Also werde ich mich erholen, meine Akkus wieder auffüllen und darauf warten, dass ich wieder gebraucht werde."

"Na, dann ist ja gut." Mamoru erhob sich. "Usagis Mutter sitzt vor der Tür, versuche also gar nicht erst, dich rauszuschleichen. Ich weiß, dass du ihr nicht widersprechen kannst. Und Doktor Mizuno hat auf dieser Etage Bereitschaft und ist nur einen Ruf weit entfernt. Ich weiß, dass du vor ihr Schiss hast. Also versuch etwas zu schlafen. In zwei, drei Stunden, wenn Doktor Mizuno ihr Okay gibt, darfst du aufstehen und herumgehen, okay? Junge, Junge, begreifst du eigentlich, was für ein Glück du gehabt hast? Du bist aus der Nummer rausgekommen, ohne einen Kratzer, ohne eine Verbrennung. Allerdings wärst du wegen mangelnder Sailorkraft zu Atomen zerblasen worden, hätte Motoki dich nicht aus dem Strahl rausgehauen."

"Es ist ja nicht so, als würde ich gar nichts spüren. Mein ganzer Körper fühlt sich steif und schwer an", murrte Akira. "Und musstest du gleich zwei auf mich ansetzen? Usagis Mutter und Amis Mutter?"

"Ich mag dich halt." Erneut tätschelte Mamoru die Schulter des Freundes. Er erhob sich und wandte sich zum Gehen. "Ach, falls du, wenn du nachher rumgehen kannst, zwei obskure Gestalten mit Kapuzenmänteln siehst, die sich merkwürdig benehmen und sich überall im Turm herumtreiben - das geht in Ordnung. Es sind alte Feinde von uns."

"Und dann geht es in Ordnung?"

Das Licht der Erde lachte. "Der Usagi-Effekt, Akira. Heute sind es Freunde. Sie bereiten... Nun, eine besondere Verteidigung vor, die uns noch sehr nützlich sein wird."

"Aber sie wollen nicht erkannt werden?"

"Nein, das ist es nicht. Sie mögen diese Kapuzenmäntel einfach nur." Mamoru tippte sich mit dem rechten Zeigefinger auf die Stirn. "Wenn du mich fragst, haben beide eine Schraube locker."

"Na, dann passen sie ja wunderbar hierher", erwiderte Akira.

Mamoru lachte. "Ja, das habe ich auch gedacht. Also, dreh dich auf die Seite und versuch zu schlafen. Ich verspreche dir auch, ich rufe dich, falls wir so sehr auf Grundeis gehen, dass wir selbst das bisschen Kraft noch brauchen, das dir im Moment geblieben ist."

"Das, was ich gerade denke, würde selbst Makoto rot anlaufen lassen, alter Freund."

"Kann ich mir vorstellen. Ich war oft genug in meinem Leben selbst hilflos den Launen anderer ausgesetzt oder unfähig zu handeln. Als Galaxia mich entführt hat, zum Beispiel. Oder damals, als mich Beryll kräftig hirngewaschen hat... Nicht gerade meine glanzvollsten Momente. Aber so ist es nun mal. Manchmal geht es einfach nicht, und dann muss man sich auf seine Freunde verlassen." Mamoru Chiba lächelte sanft. "Du hast viel geleistet. Sehr viel sogar, Aki-chan. Ein anderer wäre vielleicht längst gestorben, hätte er ertragen müssen, was dir passiert ist. Ab jetzt lass bitte uns kämpfen. Für dich mit kämpfen. Wir retten die Welt, versprochen."

"Nun geh schon, und mach deine Arbeit", murrte Akira, um seine Rührung zu überspielen. "Ich kann sonst nicht schlafen. Und das muss ich doch, wenn ich wieder aufstehen will, richtig?"

"Richtig. Ach, nur für den Fall, dass du mich hier nach Strich und Faden an der Nase herumführst: Solltest du stiften gehen, bevor du dazu die Erlaubnis hast, und wir fangen dich wieder ein, ketten wir dich in Amis Labor an. Da kannst du dann zusehen, wie Taiki und Ami die GunSuit-Technologie erforschen und dich noch mehr langweilen."

"Du, Licht der Erde, bist ein sehr perfider Mensch."

Mamoru zuckte die Achseln. "Ami ist der einzige Mensch, auf den du immer hörst. Ist nur eine logische Entscheidung." Er zwinkerte, öffnete die Tür und trat hinaus.
 

"Ja, er versucht jetzt zu schlafen, Oka-chan", hörte Akira den Freund mit Usagis Mutter reden. "Aber falls er versucht, abzuhauen..."

"Keine Sorge, Mamo-chan", antwortete Ikuko Tsukino. "Ich habe Usagi und Shingo groß gekriegt. Ich bin mit jeder Form von störrischem Verhalten vertraut."

Die Tür schloss sich und schnitt die Unterhaltung der beiden ab. Akira war dankbar dafür, denn das bedeutete, dass er allein war. Allein. Für sich. Wieder. Für einen Moment fragte er sich, warum Yaten nicht hier war. Aber sie befanden sich im Krieg, und die Fähigkeiten von Sailor Starhealer wurden vom SilverMillenium beim Angriff auf die chinesische GunSuit-Fabrik mehr gebraucht als er ihre Anwesenheit an seinem Krankenbett brauchte.

Er seufzte lang und tief und ließ sich wieder in sein Kissen fallen. Okay, vielleicht würde er doch nicht sterben. Nach diesem Gespräch erfüllte ihn eine Zuversicht, die er noch vor einer halben Stunde nicht einmal ansatzweise verspürt hatte. Hatte er Hotarus Worte fehlinterpretiert? Gab es einen Ausweg? Er wollte daran glauben, wirklich daran glauben. Seine Hände krallten sich in seine Bettdecke, und bevor er es sich versah, forderte die Erschöpfung ihren Tribut, und er schlief erneut ein.

***

Auf einem wohlbekannten Balkon des Turms, der in den letzten Tagen Mittelpunkt von einiger Aufregung gewesen war, standen zwei junge Mädchen und ein Mann. Sie sahen den Balkon hinab, auf die Menschenmenge der Unterstützer des SilverMilleniums. Ihre Zahl war noch weiter angewachsen und lag nun bei fünfhunderttausend. Aus ihren Reihen waren etliche Menschen rekrutiert worden, die nun die GunSuits bemannte, die mit Milleniumstechnologie hochgerüstet worden waren, um die Botschaft und ultimativ Japan zu verteidigen. Eventuell sogar die ganze Welt, aber mindestens den Mond.

Der junge Mann mit den weißblonden Haaren hatte beide Hände schwer auf den Balkon gestützt und sah hinab. "Warum nicht?", fragte er schließlich, wohl auf eine frühere Bemerkung der beiden Frauen.

Usagi, die Tochter SailorMoons, lächelte undefinierbar, aber es war eine gewisse Nervosität darin erkennbar. "Weil ich dich darum bitte, Helios. Nur noch ein bisschen. Ein kleines bisschen länger."

Der junge Mann, der bereits über achttausend Jahre alt war, sah sie mit einem Blick voller Wehmut und Schmerz an. "Ich will helfen, Usa-chan!"

"Das kannst du und das wirst du, Heli-kun", sprang Hotaru ihrer Freundin zur Seite. "Sehr bald schon."

Er sah die beiden Mädchen an und atmete heftig aus. "Es wäre wesentlich einfacher, wenn Ihr mich einfach in alles einweiht, was Ihr wisst, anstatt mich im Unklaren zu lassen, was noch passieren wird. Dann könnte ich viel effektiver helfen."

Usagi und Hotaru wechselten einen schnellen Blick, den Hotaru mit einem harschen Nein beantwortete. "Aber Hotaru-chan, wir..."

"Gewiss, er ist schon ein paar Jahrtausende älter als wir. Gewiss, er hat mehr gesehen, mehr erlebt als wir, er war sogar zugegen, als das alte SilverMillenium noch existiert hat. Er kannte Akira und die anderen noch vor der Wiedergeburt. Aber er kann nicht durch die Zeit reisen und er kann auch nicht in die Zukunft sehen. Punkt. Wenn wir jetzt an diesem Punkt ein falsches Wort sagen, wenn es die falsche Person hört, kann es die Zukunft vernichten, so wie wir sie kennen. Und das ist nicht gut."

"Du meinst die Zukunft, in der die Angriffe der Familie des Bösen aus der Protozukunft diesen ganzen Landstrich hier bis auf den Turm vernichtet haben werden?", warf Helios sarkastisch ein. "Diese Zukunft?"

Hotaru zog die Augenbrauen zusammen. "Woher weißt du das?"

"Ich habe so meine Quellen."

Hotaru sah zur Seite. "Usagiiiii..."

"I-ich konnte doch nicht wissen, dass es mal wichtig werden würde. Ich hielt es für eine ganz harmlose Information, und..." Verlegen biss sie sich auf die Lippe. "Verzeihung?"

Hotaru atmete schwer aus und Helios seufzte. Diesem Blick zu widerstehen war schwer, auch wenn man ihn gewohnt war. So sehr sie im analytischen Bereich nach ihrem Vater schlug, so sehr waren ihre Persönlichkeit und ihr Charme ein Erbe ihrer Mutter.

"Also ist es diese Zukunft wert, gerettet zu werden? Ein zerstörtes Land, soweit mein Auge reicht?" Helios deutete hinab. "Das Ende von so vielen dieser fünfhunderttausend Menschen?"

"Ja", sagte Hotaru schlicht. "Das ist es."

"Wie sehr?", fragte Helios gepresst, während seine Hände das Geländer umklammerten.

Usagi sah die Freundin bittend an.

"Oh nein, nicht den Hundeblick. Usa-chan, du weißt ganz genau, was hier auf dem Spiel steht, und... Usa-chan, das ist nicht fair!"

"Aber... Aber... Aber... Er ist unser Verbündeter." Röte huschte über ihre Wangen. "Und er ist mein Freund. Ich meine, sein zukünftiges Ich wird es sein. So, jetzt habe ich es gesagt." Sie sah den Jungen an. "Überrascht?"

Helios schmunzelte. "Es war etwas zu offensichtlich, als dass es nicht passieren würde. Mich wundert aber, dass dein Vater dem zugestimmt hat, auch wenn unsere gemeinsamen Wurzeln uralt sind."

"Oh, er hat gesagt... Das heißt, er wird sagen: Ein bekannter Feind ist immer besser als ein unbekannter Feind", dozierte das Mädchen mit den rosa schimmernden Haaren lächelnd. Dabei sah sie ihrer Mutter zum Verwechseln ähnlich. Bis auf die Haare natürlich. "Damit wollte er sagen, dass..."

"Schon klar, schon klar", wiegelte Helios ab. "Ich verstehe, was er sagen will. Ich verstehe nur nicht, dass er es ernst meint. Ich hätte meiner sechzehnjährigen Tochter jedenfalls keine Beziehung mit einem achttausend Jahre alten Schutzgeist erlaubt. Ich nicht."

"Vater ist halt progressiv", verteidigte Usagi ihn.

Helios prustete überrascht und erheitert. "Ja, sicher ist er das."

Ärgerlich blies sie die Wangen auf. "Menno."

"Und? Bringt es irgendwas, dass du es gesagt hast? Erfahre ich jetzt mehr? Wenn ihr mir schon nichts über die Zukunft sagt, dann wenigstens, warum ich hier auf dem Turm bleibe, anstatt mit meinen Freunden in dem Kampf zu ziehen."

"Das liegt daran, dass..." Hotaru runzelte die Stirn. "Oh, oh. Tut mir leid, ich kann nicht bei euch bleiben. Ich muss mich voll und ganz auf den Kampf konzentrieren, und dazu muss ich diesen Körper aufgeben. Michiru und Haruka brauchen mich." Sie sah die Freundin noch mal streng an. "Du sagst nichts, verstanden?"

"Ja, ja, schon gut", murrte das Mädchen aus der Zukunft.

Hotarus Miene wurde zu einem Lächeln. "Das werden nämlich die beiden hier machen." Hinter ihr erschienen zwei großgewachsene Gestalten in Kapuzen.

"Du hast gerufen SailorSaturn?", fragte der Größere der beiden.

Hotaru nickte. "Weiht ihn ein, soweit es möglich ist, ohne die Zukunft zu verändern." Sie seufzte. "Usa-chan kann so eine Nervensäge sein."

"Menno..."

"Ich bin dann mal weg. Und macht keinen Blödsinn, ja?" Ihr Körper löste sich auf, als hätte es ihn nie gegeben. Tatsächlich war es gar nicht ihr eigener Körper gewesen, nur eine Manifestation. Ihr richtiger Körper und vor allem ihr Verstand befanden sich im südchinesischen Meer auf einer Insel, auf der GunSuits hergestellt wurden und schlug sich mit allerlei Gefahren rum - hauptsächlich in Form von chinesischen GunSuits.

Die beiden Männer schlugen ihre Kapuzen zurück. Zum Vorschein kamen ein Mann mit langen weißen Haaren und ein Mann mit kurzen, blauschwarzen Haaren. Beiden gemein war, dass sie einen rötlichen Schatten auf der Stirn hatten, der mit etwas Phantasie einem Sichelmond glich, der mit beiden Spitzen gen Boden zeigten. Fast wirkte es, als wäre dort etwas entfernt worden.

Helios sprang zurück, als er die beiden erkannte. Sarkastischerweise beförderte ihn das über das Balkongeländer hinaus. Überraschenderweise resultierte das nicht in einen tiefen Sturz, denn der Hüter des Goldenen Königreichs stand in der Luft, so als hätte er festen Boden unter seinen Füßen. Er nahm eine Kampfstellung ein. "Diamant! Saphir!", stieß er hervor.

"Halt, halt!", rief Usagi und stellte sich zwischen die beiden Männer und den jungen Hüter. "Die beiden sind Freunde! Sie sind wiedergeboren worden, als Mutter den Eispanzer um die Erde beseitigt hat, und... Nun, sie sind vom Einfluss des Wiseman befreit und sehen die Dinge nun anders! Verbündete! Du weißt, was Verbündete sind, Helios?"

"Nun... Ja, klar. Aber sie werden es sein, die das Gebiet rund um den Palast vernichten werden!"

"Nein, das siehst du falsch", sagte Diamant. Ein zynisches Lächeln spielte um seine Lippen, während seine Augen feucht schimmerten. "Tatsächlich haben wir es bereits getan."

Saphir räusperte sich vernehmlich. "Das ist das Problem bei Zeitreisen. Wir sind älter, haben bereits alles erlebt, was sich zutragen wird, aber unsere jüngeren Selbst in der Zukunft werden überhaupt erst erleben und tun, was wir erlebt und getan haben. Und das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen. Und auch werden, nebenbei bemerkt. Und der Schlüssel hierfür bist du, Helios-sama."

"Sama? Versuche nicht, mich weich zu kochen, ja?", knurrte der Wächter. "Also, gebt mir mehr zu kauen! So viel, damit ich mitmachen kann."

"Wie wäre es, wenn du erstmal wieder auf den Balkon zurückkommst?", fragte Usagi. "Es dreht mir den Magen um, dich zu sehen, während unter deinen Beinen nur fünfhundert Meter freier Fall sind."

"Was? Oh. OH! Okay, ich komme." Helios stieß sich ab und landete wieder auf dem Balkon. "Ich nehme an, hier spielt nicht nur das eine Rolle, was Usa-chan und Hotaru-chan aus der Zukunft mitgebracht haben."

"Es spielt alles eine Rolle", sagte Saphir. "Alles. Und wir sind hier und heute da, um alles zu einem Großen Ganzen zu verbinden und... Es zu verbessern. Das ist ja das einzig Gute an Zeitreisen: Man kann Dinge ändern. Auch ohne sie ändern zu müssen." Er lächelte verschmitzt.

"Vorsicht, Bruder, du sagst zuviel", mahnte Diamant.

"Ich denke, es war auf jeden Fall genug."

Usagi nickte. "Helios ist nicht auf den Kopf gefallen."

Der weißhaarige Junge zwinkerte verblüfft, als er ihre Worte hörte. "Natürlich bin ich nicht auf den Kopf gefallen, aber... Sollte das wirklich wahr sein? Plant Ihr so etwas... Großes? Aber wie... Womit... Was...?"

"Es wird sich alles entscheiden, wenn Ami mal Schwein ist und die Vergangenheit hinter sich lässt. Den ganzen emotionalen Ballast, die Männer, einfach alles." Usagi stieß einen tiefen Seufzer aus. "Der gefährlichste Moment von allen. Denn wenn sie sich nicht löst, wenn sie in der Vergangenheit verhaftet bleibt... Nun, dank Taiki sehe ich davon nichts, aber man kann ja nie wissen."

"Ist das wirklich der entscheidende Punkt?", zweifelte Helios.

"Aber ja. An diesem Punkt treten wir in die Zukunft ein. Meine Zukunft. Ich werde gezeugt werden, geboren werden, in diese Welt treten, inmitten der Zerstörung dieses ganzen Gebiets meine erste Zeitreise antreten, um meine Mutter als Mädchen zu treffen und mit ihnen diese beiden hier aufzuhalten..." Diamant und Saphir schmunzelten bei ihren Worten.

"Und ich werde dich treffen. Dafür bin ich am meisten dankbar."

"Usa-chan", hauchte Helios ergriffen. Er langte nach ihren Händen. Sie überließ sie ihm bereitwillig. "Usa-chan..." Die beiden traten aufeinander zu, ihre Gesichter näherten sich, die Lippen waren kurz davor, sich zu berühren...

"Ich denke, das reicht jetzt. Du wirst dich noch ein paar Jahre gedulden müssen", sagte eine elegante rosa Katze. Sie kam das Geländer entlang geschlendert, machte einen Satz auf seine Schulter und kam von dort auf Usagis Schulter, wo sie sich um den Hals legte.

"Diana. Wo warst du?", fragte das Mädchen erfreut.

"Ich hatte meine eigenen Probleme zu bewältigen, um sicherzustellen, dass ich geboren werde. Mutter ist wie immer ein furchtbarer Sturkopf, und Vater lässt sich wie immer vollkommen unterbuttern. Ich habe sichergestellt, dass Mutter für ihre ureigenste Entscheidung keine Ausreden erfindet."

"Oder dass sie glaubt, es wäre ihre eigene Entscheidung?", fragte Usagi tadelnd.

"Nun, ein wenig von beidem, denke ich", erwiderte die schlanke Katze grinsend. "Ich bin noch da, also muss der Part geklappt haben, denkst du nicht?"

"Ich bin auch noch da. Also muss mein Part ebenfalls geklappt haben." Sie lächelte, errötete aber sofort. Hastig verbeugte sie sich vor Helios. "Entschuldigung! Wenn ich in die Zukunft zurückkehre, werde ich dich sehen können, dich berühren, dich küssen, dich... Nun. Aber du wirst warten müssen, achtzehn lange Jahre warten müssen, und..."

"Und wenn schon. Zeit ist mir egal. Und auf dich zu warten lohnt sich allemal", erwiderte der weißhaarige Junge.

Ergriffen seufzte Usa-chan.

"Na gut, na gut", murrte Diana. "Ein Kuss, aber keine Zunge, okay? Als Versprechen aus der Zukunft."

"Danke, Diana!" Zuerst stürzte sie Helios in die Arme, drängte sich an ihn, fühlte die Geborgenheit seiner Gegenwart. Dann küssten sie einander sanft, während er ihre Arme um sie gelegt hatte.

"Genug jetzt", murrte die Katze und drückte die beiden auseinander. "Das reicht als Versprechen."

Helios gab sie frei. Sanft berührte er seine Lippen. "Wenn ich es recht bedenke, dann sind achtzehn Jahre doch eine verdammt lange Zeit."

"Charmeur", murmelte Saphir. "Da fällt mir ein, dass ich unbedingt jemanden sehen sollte, wenn sie von Hokkaido zurückkommt. Ich habe ein Versprechen einzulösen."

Diamant lachte. "Gut, dass DAS nur eine kleinere Zeitschleife ist, Bruder."

Sie lachten zusammen. Sie planten ihre Zukunft, als wäre das Morgen eine sichere Sache. Hätten sie das auch getan, hätten sie gewusst, was noch auf sie lauerte, unter den eigenen Füßen? Nun, zumindest Usagi-chan und Hotaru-chan wussten es...

***

Im sogenannten Kartenraum herrschte Stille. Zumindest die Anwesenden sagten kein einziges Wort und mieden jedes lautere Geräusch. Die Videoverbindungen, die Fernübertragungen und Kreide, die über primitiv wirkende Schiefertafeln kratzten, machten die einzigen Geräusche. Natürlich gab es modernste Technik. Der eigentliche Kartentisch war ein interaktives Hologramm, zoombar, das im Moment drei Zonen Japans darstellte, an denen gekämpft wurde: Kyushu, in der Abwehr einer rotchinesischen Luftarmada mit GunSuit-Unterstützung, Hokkaido, wo erst vor kurzem der letzte Schuss gefallen und der letzte unbemannte GunSuit vernichtet worden war, und der Großraum Tokio, an dem amerikanische Atomunterseeboote ausgeschaltet worden waren. Dazu kamen eine Unmenge an Monitoren, die Live-Bilder der verschiedenen Orte und auch von vor Ort vertretenen Nachrichtensendern zeigten. Die Berichte waren durchwachsen und sehr unterschiedlich. Die japanischen Medien neutralskeptisch bis begeistert-unterstützend, ausländische Medien im Tenor Anti-SilverMillenium bis vorsichtig neutral, je nachdem, ob sie mit den amerikanischem Militärputsch oder mit dem demokratisch gewählten Präsidenten hielten. Und dazwischen flossen die Daten von den Zuträgern zu den Männern und Frauen an den Tafeln, die dort die aktuellen Verlustrechnungen auftrugen. Dafür hätte auch eine interaktive Tafel dienen können, sicher, aber so, in Handarbeit, mit der Handschrift eines Menschen notiert, gewann es an Qualität.

Tatsächlich prangte noch immer auf allen Tafeln der fünf Verteidigungstheater, wie die militärischen Erfassungsbereiche der fünf Armeen Japans genannt wurden, noch immer eine stolze Null. Wenngleich aber die Zahl der Verletzten schon lange nicht mehr bei Null lag.

Eine Live-Schaltung verband den Kartenraum direkt mit dem Angriff gegen die chinesische GunSuit-Fabrik; nur zu deutlich sahen die Generäle dabei zu, wie die Spezialeinheiten und die SailorKrieger unter dem Kommando von Michuri Kaio alias SailorNeptun mit den Verteidigungseinheiten kurz und schmerzlos aufräumten. Dankenswerterweise stießen sie auch auf keinen Widerstand, der mit den bisherigen Szenarien zu vergleichen war. Weder hatte ihnen eine Kanone einen Salut entgegengefeuert, kaum dass der Tunnel gestanden hatte, noch hatten die Chinesen eine wehrhafte Flotte zur Verteidigung ihrer Fabrik zusammengezogen. Auch der Werksschutz kam über ein paar Dutzend GunSuits der Ersten Generation, noch ohne Flugeigenschaften, nicht hinaus. Für die SailorKrieger waren sie nicht mal eine ernsthafte Herausforderung. Nicht einmal die Spezialtruppen hatten Probleme mit diesen Rüstungen, denn ihre Schwachpunkte waren allgemein bekannt.

"Hätte ich gewusst", sagte Motoki nachdenklich und durchbrach damit das geheiligte Schweigen im Raum, "dass die Chinesen den schwächsten Widerstand leisten, hätte ich sie ans Ende der Liste gesetzt."

"Hinterher ist man eben immer schlauer", erwiderte Admiral Yamamoto, der Oberbefehlshaber der Marine. "Und was wir vorher nicht wissen, können wir nicht berücksichtigen, General Gyes. Tappen Sie nicht in die Falle, mehr von sich zu verlangen, als Sie sich selbst geben können."

Der Blondschopf sah den Admiral überrascht an. Schließlich aber nickte er. "Ich danke Ihnen für Ihre Worte, Admiral. Tatsächlich war es schon im SilverMillenium ein großer Fehler von uns, dass wir nie so recht die notwendige Distanz aufbauen konnten, die wir als Generäle zu unseren Leuten in der Schlachtordnung brauchten. Aber das war auch unsäglich schwer, weil wir so wenige waren, jeder kannte jeden, und mit jedem, der starb, starb auch ein Stück des SilverMilleniums..." Unwillig schüttelte er den Kopf. "Nein, nicht jetzt. In Erinnerungen schwelgen kann ich später noch."

Matsumoto ließ ein Brummen hören, das alles bedeuten konnte. "Ich persönlich denke nicht, dass Sie zu viel Abstand brauchen, General Gyes. Solange auf diesen Tafeln eine Null steht, auf all diesen Tafeln, bin ich glücklich und zufrieden und kann einen ruhigen Tod sterben, wenn meine Zeit gekommen ist. Also sorgen Sie sich ruhig um jeden einzelnen Mann. Wir... Fushida?"

Der Inspekteur der Luftwaffe kam in den Raum gehetzt. "Kuroda-san, es war, wie wir befürchtet haben."

Der Inspekteur des Heeres schien überrascht. "Welcher Fliegerhorst?"

"Akai Ichiban", sagte er, den aktuellen Codenamen der Basis benutzend. Fushida sah zu Motoki und Yuichiro herüber. "Ich weiß nicht, wieso Sie das wissen konnten, aber..." Er verbeugte sich aus der Hüfte, bis sein steifer Oberkörper weit über den Körperschwerpunkt hinaus geneigt war. "Hunderte meiner Männer verdanken Ihnen ihre Leben!"

"Das ist unsere Aufgabe, oder?" Yuichiro räusperte sich. "Was war es?"

"Ein Bestechungsversuch. Jedem Soldaten, der sich gegen uns stellt, wurden zwanzig Millionen Yen versprochen, Unteroffizieren und Offizieren das Zehnfache."

Motoki pfiff anerkennend. "Es war klar, dass sie irgendwann versuchen würden, einen Keil in die Abwehr zu treiben. Stell dir vor, der Fliegerhorst wäre uns mitten in einer Operation in den Rücken gefallen, Yuichiro."

"Das ist noch nicht alles." Fushidas Lippen bebten, als er an die Tafel des Nordwestlichen Theaters trat, die Null auswischte und eine eins auftrug. "Unsere Feinde haben Oberst Kodas Familie entführt, da sie glaubten, er könne nicht zu bestechen sein. Sie meinten, ihn damit zwingen zu können, die Basis überlaufen zu lassen. Doch anstatt ihnen zu Willen zu handeln hat er seine Leute losgejagt, um ihre eigenen Familien auf den Stützpunkt zu holen, damit diese nicht auch entführt werden können. Selbstredend hat niemand die Bestechung angenommen." Die letzten Worte sprach er mit Stolz in der Stimme. "Als die Angehörigen in Sicherheit waren und nur noch das Leben seiner eigenen Familie, seiner Kinder bedroht war, hat er sich... Jedenfalls weiß ich nur zwei Dinge: Eine Spezialeinheit der Polizei konnte seine Familie retten, und wir wissen nicht, wie schwer er sich mit seiner Dienstwaffe verletzt hat und ob er überhaupt noch lebt. Er hat sich selbst aus der Gleichung genommen. Nachdem er nicht mehr kommandieren konnte, waren die Geiseln wertlos geworden. Der Rest war verdammt gutes Timing und viel Glück. Hätten Sie uns nicht auf diese Möglichkeit hingewiesen, General Leth..."

"In diesem Konflikt sollte niemand sterben müssen, erst Recht nicht von eigener Hand", sagte Yuichiro mit stockender Stimme. "Mir scheint, zumindest für Koda-san sind wir zu langsam gewesen."

Betretendes Schweigen trat ein.
 

"Aber hallo, was ist das denn?", fragte Motoki erstaunt. "CNN berichtet über genau diesen Fall. Seit wann sind die denn zu den präsidialen Loyalisten übergelaufen?"

"Wahrscheinlich, seit seine Ansprache weltweit übertragen wird, mit der er die Putschisten bloß stellt und Unterstützung für das SilverMillenium fordert", sagte Matsumoto. "Und das ist der Meinungsumschwung, den wir so dringend gebraucht haben. Bevor die nächste Welle angreifender Flugzeuge und GunSuits ein blutiges Gemetzel wird, muss der Welt klar sein, auf wessen Konto und auf wessen Befehl diese Angriffe erfolgen."

Der alte Mann, im Dienst in Ehren ergraut, runzelte die Stirn. "Furohata-sama, ist das nicht Ihre Schwester?"

Motoki sah den Veteranen erstaunt an. "Woher kennen Sie meine Schwester?"

"Seit Ihre Identitäten bekannt sind, haben wir Ihr Umfeld komplett durchleuchtet, Verzeihung", sagte der alte General. "Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Sie und Ihre Familie keine Bedrohung für Japan waren. Dennoch habe ich das Bild der hübschen jungen Dame noch vor Augen, und dies muss sie sein, oder?" Er deutete auf einen der Monitore, die Nachrichten zeigten.

"Bei Tora waren wir uns lange nicht sicher, wegen seiner deutschen Wurzeln, aber, nun, niemand ist perfekt, denke ich.

Motoki wandte sich dem Monitor zu. "Ja, das ist meine Schwester", kommentierte er das Bild von der jungen Frau im helmlosen GunSuit, die für NHK interviewt wurde. Aber etwas, einiges an ihr war anders. Das lag nicht nur an den streng zurückgebundenen Haaren. Es war... Anders. Sie sprudelte geradezu vor Energie, aber ohne ihre Liebenswürdigkeit zu verlieren. Es war alles nur noch intensiver geworden. "Sie hat sich freiwillig für die GunSuits gemeldet und war eine der Besten bei den Schnelltests."

"Dann gratuliere ich Ihnen zu so einer Schwester", schmunzelte Matsumoto. "Zehn bestätigte Abschüsse, das macht sie zum doppelten Ass."

Motokis Miene versteinerte für einen Moment. "Tote?"

"Nicht, dass es bekannt wäre. Die SilverMillenium-GunSuits sind erheblich leistungsfähiger und präziser, zudem scheint Ihre Schwester eine Könnerin zu sein. Wir können es aber in Erfahrung bringen", bot Fushida an.

"Nein!", wehrte Motoki ab. "Nein, ich will es gar nicht so genau wissen. Immerhin geht es hier um alles oder nichts, und ich denke, Verluste sind normal. Ich hasse den Gedanken, dass mir ihre Toten lieber sind als unsere Toten, aber ein Koda reicht wirklich." Ärgerlich klopfte er auf den Kartentisch. "Und wieder ist alles wie damals. Hinnehmen, akzeptieren, weitermachen..."

"Steigere dich nicht zu sehr rein, Motoki", mahnte Yuichiro. "Genau deshalb gibt es ja das hinnehmen, akzeptieren und weitermachen. Lass uns einfach unser Bestes geben, und so viele Menschen wie möglich durch diesen Irrsinn... Moment mal, das ist doch Shingo. Das hat Usagi erlaubt?"

Motoki räusperte sich verlegen, als er die folgenden Bilder sah, die Usagis kleinen Bruder und seine kleine Schwester weit verbundener präsentierten, als er es in Erinnerung hatte. "Nun. Nun ja. Machen wir weiter. Alles andere wird sich finden. Hinterher."

Eine junge Offizierin wandte sich ihnen zu. "General Fushida, General Young ist dran! Er meldet die Ortung von zwei russischen Nuklearträger-Ubooten der November-Klasse dreihundert Seemeilen vor der Ostküste Honshus auf Höhe der Bucht von Tokio!"

"Russische Raketenträger?", fragte der Luftwaffengeneral.

"Wie konnte Young sie orten?", rief Yuichiro, das Schlimmste befürchtend.

Die junge Frau war blass wie der Tod. "Wegen der multiplen Raketenstarts von beiden Schiffen!"

Für einen Moment herrschte betretene Stille im Kartenraum.

"Meldung vom Kamschatka! Aufsteigende Raketen verifiziert!", rief ein anderer Offizier durch den Raum.

"Von Alaska und der amerikanischen Westküste werden ebenfalls Raketenstarts vermeldet!", rief ein Unteroffizier.

"Weitere Raketenstarts in China und von U-Booten im chinesischen Meer!"

Motoki und Yuichiro sahen sich ernst an. "Es ist soweit."

"Ja, es war zu erwarten gewesen. Je besser die konventionelle Schlacht für uns ausgeht, desto eher mussten sie atomar reagieren."

"Verdammt!"

"Wir wussten, dass es so kommen würde. Und wir haben für diesen Fall die Beiboote des Seelenschiffs, Motoki", sagte Yuichiro.

"Auch", warf Fushida ein.

"Sie haben Recht." Yuichiro atmete tief ein. "Meldung an alle Einheiten, alle Verbündeten: Wir bereiten uns vor auf die Abwehr eines global erfolgenden nuklearen Raketenschlags! Alle Raketenabwehreinheiten in volle Alarmbereitschaft! Alle Kampfflieger steigen auf! Alle Einheiten, die bis in die ballistische Flughöhe der Raketen feuern können, nehmen ihre Positionen ein! Alle SailorKrieger gehen sofort in den Einsatz und verteilen sich über ganz Japan! Ausführung!"

"Jawohl!"

***

"Du bleibst schön hier!", fuhr Mamoru Akira an. Er drückte den General wieder in die Kissen. "War mir klar, dass du mit rausgehen willst. Aber du bist noch nicht wieder fit. Du liegst hier noch keine zwei Stunden."

"Idiot! Es geht um alles oder nichts! Ihr braucht mich! Ihr braucht mich jetzt!", fuhr Akira den Freund an.

"Nein, wir brauchen dich nicht. Wir haben die Beiboote, wir haben die Sailor, wir haben unsere Verbündeten, wir haben die Raketenabwehrmaßnahmen Japans, und wir haben mehrere Aegis-Schiffe der Amerikaner, die uns bei der Raketenabwehr unterstützen. Das einzige, was wir nicht haben, das ist jemand, der hier Zuhause bleibt, und darauf aufpasst, dass nicht plötzlich ein U-Boot in der Bucht von Tokio auftaucht und uns auf kürzeste Distanz mit Atomraketen beschießt. Die musst du dann übernehmen, okay? Ansonsten sind wir wirklich, wirklich genügend." Seine Miene wurde weicher, der gerechte Zorn über die Störrigkeit des Freundes wich. "Du hast schon so viel geleistet, so viel erduldet... Wir alle wollen vor allem, dass du morgen noch unter uns bist. Also bleib noch eine Stunde hier, und dann geh meinetwegen in den Generalstab. Motoki ist nach Hokkaido unterwegs, Yuichiro nach Honshu. Ich gehe ebenfalls mit nach Honshu. Seiya begleitet Usagi nach Okinawa. Und so verteilen wir uns dank unserer Dimensionstunnel optimal über ganz Japan. Es fehlt halt nur jemand, der auf die Haustür aufpasst."

"Und das bin ich", brummte Akira unzufrieden.

"Ja, das bist du. Bitte, nimm mir wenigstens eine Sorge und versuch wenigstens diesmal vernünftig zu sein. Okay?"

"Okay."

"Versprochen?"

"Ja, verdammt!" Akira rollte die Augen in komischer Verzweiflung. "Ach, nicht, dass ich noch etwas zu sagen habe, aber sobald Michiru und die anderen zurückkommen, macht gleich weiter, bevor die Briten aus dem Desaster der Russen und der Chinesen lernen können. Wenn die vierte Fabrik erst mal zerstört ist, sieht die Welt anders aus." Er zögerte. "Teile ihnen Ami und Taiki zu. Bei den Briten können wir sicher sein, dass sie ähnlich viele Neuerungen wie die Amerikaner integriert haben. Andere, eventuell. Die beiden werden flexibel genug auf alle Überraschungen reagieren. Hoffe ich."

"Kein schlechter Gedanke." Mamoru nickte zustimmend. "So machen wir es."

Er winkte ein letztes Mal und verließ Akiras Krankenzimmer.

"Womit habe ich eigentlich diese Sonderbehandlung verdient, dass du dich persönlich um mich kümmerst, hm, alter Freund?", murmelte er vor sich hin. In Gedanken arbeitete er aber bereits an einem Plan, wie er das Zimmer verlassen und zumindest auf der Turmspitze Position beziehen konnte, nur für den Fall des Falles. Er fühlte sich schwach, aber leidlich erholt. Und die Tatsache, dass, kam es zum allerschlimmsten Fall und würde die Botschaft atomar zerstört werden, Ami im Ausland in Sicherheit sein würde - oder zumindest im Hauptquartier der SVS in angemessener Entfernung - machte Akira das Herz leichter. Nur für den Fall, selbstverständlich.

***

Das letzte Gefecht

10.

Der Planet Kinmoku hatte nach der Revitalisation durch die Starlights und seine legitime Prinzessin Kakyuu eine Menge Veränderungen gesehen. Aus der sterilen Wüste war in Rekordzeit wieder ein vor Leben nur so blühender Planet geworden. Menschen, Tiere, Pflanzen hatten die große Stasis, die mit dem Diebstahl von Kakyuus Sternenkristall einher gegangen war, erstaunlich rasch verarbeitet. In nur zwei Jahren hatte sich die Kultur revitalisiert. Nun, da SailorGalaxia nicht länger eine Gefahr darstellte, war der Planet Kinmoku sogar über sich hinaus gewachsen. Raumfahrt mit Sailorkraft war in diesem Zeitraum vom bestaunten Wunder zur Normalität geworden. Und Kontakt zu anderen Planeten, auf denen Intelligenzen lebten, Kontakt zu Planeten, die ebenfalls von SailorGalaxia zur Wüste verödet, nach ihrer Niederlage aber ebenfalls wiederbelebt worden waren, gehörten mittlerweile zur Norm. Nachdem das manifestierte Chaos in SailorGalaxia gedämmt und entfernt hatte werden können, war auch sie wieder zur Normalität zurückgekehrt. Zur Buße für die Untaten, die sie unter dem Einfluss des Chaos begangen hatte, sorgten sie und ihre Untergebenen nun dafür, dass die ehemals verwüsteten und nun wiederbelebten Planeten zu neuer Blüte reiften. Mehr noch, ihr war es zu verdanken, dass eine Systemübergreifende Verbindung geschaffen wurde, deren größter Befürworter und Arbeiter sie war. Nach Höherem strebte sie dabei nie. Zu tief steckten Zweifel und Scham noch in ihren Knochen. Sie konzentrierte sich auf die Arbeit, die die neuen Verbindungen mit sich brachten, koordinierte eine ganze Flotte von Raumschiffen, die den Kontakt schufen und hielten und Hilfe leisteten, wo sie nötig war; den Vorstand ihrer kleinen, aber schnell wachsenden Gemeinschaft aber hatte sie der einzigen Person angetragen, der es je gelungen war, ihr zumindest ein Patt abzuringen, als sie von Chaos beherrscht gewesen war: Prinzessin Kakyuu. Und nun befand sich Kakyuu mit ihrem Raumschiff Sternensänger, einem von neunzehn, die zwischen den Sternen reisten, im Anflug auf die Erde, um die Menschheit einzuladen, an dieser Gemeinschaft teilzuhaben.

Allgemein hielt man die Menschheit noch nicht für reif genug für das interstellare Zeitalter des Friedens. Aber solange das SilverMillenium existierte, würde es der Filter sein, durch den der Kontakt entstand und über den Einfluss auf beide Seiten gehen würde, bis die Menschheit eines Tages auch ohne die Millenier zu den Sternen greifen würden. Um dies zu gestatten, hatte Prinzessin Kakyuu der Menschheit vieles anbieten wollen: Eine gemeinsame Botschaft der galaktischen Planeten auf ihrer Welt, Botschaften des SilverMilleniums auf den wichtigsten galaktischen Welten, Austauschprogramme für Technologie und Wissenschaft, Austauschprogramme für Menschen, Austausch wichtiger Daten und vieles mehr. Angesichts der Tatsache, dass die Erde die Welt von SailorMoon war, jener Frau, die Galaxia besiegt hatte, erschien kein Aufwand zu hoch, um sie und ihre Heimat zu honorieren. Dennoch war oft die Frage nach der Reife der Menschheit gestellt worden. Zu Recht, wie Kakyuu sah, als hunderte Atomraketen aus allen atomar bewaffneten Anrainerstaaten des Pazifiks aufstiegen und Kurs auf Japan nahmen. Ironie befiel sie, als sie dachte, dass man diese Handlung sehr wohl als Einigkeit und Reife definieren könnte, da viele Staaten die Konflikte, die sie untereinander hatten, für diesen gemeinsamen Schlag beiseite geräumt hatten. Aber leider - oder vielmehr glücklicherweise - war es viel zu offensichtlich, welche Minderheit hier in Panik auf die Knöpfe gedrückt hatte.
 

"Kakyuu-hime?"

Der Blick der rothaarigen Frau verlor den melancholischen Schein und kehrte in die Zentrale der Sternensänger zurück. "Was gibt es, Adal?"

Der großgewachsene, hochgeschossene Mann war nicht nur einer der wenigen "Überlebenden", die die Zeit der Ödnis nicht in Stase erlebt hatten, er war auch ein Vertreter einer für Kinmoku neuen Art: Männern mit Sailorkräften. Zur Zeit diente er als Kommandant und Navigator des Schiffs, das den Sprung über den Sternenabgrund getan hatte. Er war aber auch maßgeblich an der Renaissance seines Heimatplaneten beteiligt gewesen und hätte leicht ein Regierungsamt übernehmen können. Stattdessen hatte er sich für sein Fernweh entschieden. Ja, er hatte Sailorkräfte, die es ihm erlaubten, sich in eine Rüstung zu hüllen und seine Fähigkeiten gezielt einzusetzen. Die Renaissance hatte dies in ihm erweckt. Und nein, er war vierundzwanzig Stunden am Tag ein Mann. Ein nicht ganz unwichtiger Umstand, denn noch immer hatten die Starlights, also jene drei, die den Kern ihrer Wache bildeten, die die Ödnis nicht durchschritten hatten, die merkwürdige Marotte, ab und an als Männer aufzutreten, obwohl sie biologisch gesehen Frauen waren. Zumindest Taiki und Seiya übertrieben es, fand die Prinzessin. Aber dahinter steckten ja auch Gefühle für Frauen.

Adal räusperte sich. "Sollen wir eingreifen?"

Kakyuu besah sich auf dem Ortungshologramm die Raketenbündel, die gen Ostasien flogen, ihre Kursvektoren, Flughöhe, Geschwindigkeit und besondere Fähigkeiten wie multiple Sprengköpfe und andere Schweinereien inklusive ihrer Ankunftszeit und damit ihrer Detonation über ihren japanischen Zielen. "Nein. Wir überlassen diese Raketen den SailorKriegern, ihren Verbündeten und den Beibooten des Seelenschiffs. Die Welt soll sehen, wozu sie in der Lage sind. Wir greifen erst ein, wenn der Plan es vorsieht."

"Wie Ihr es wünscht, Hoheit." Der Kapitän salutierte steif und wandte sich ab. "Schiff bereit machen für den Eintritt in die Erdatmosphäre. Gefechtspositionen einnehmen. Wir gehen weiter vor nach Plan." Mürrisch sah er auf die nächste Uhr. "Wollen wir hoffen, dass die Gegenwart genauso tickt wie die Vergangenheit dieser beiden Mädchen", brummelte er. Zeitreisen waren absolut nicht seins, noch nie gewesen.

Die Prinzessin lächelte, als sie das hörte. Auch sie mochte keine Zeitreisen. Aber eben genau diese hatten es ihrer Welt und vielen anderen ermöglicht, fast sämtliche Greuel zu verhindern beziehungsweise nur scheinbar geschehen zu lassen, die Galaxia bei ihren Angriffen angerichtet hatte. Deshalb vertraute sie Menschen aus der Zukunft. Bis zu einem gewissen Punkt und auch nur einigen Auserwählten. Es gab ohnehin nur eine Handvoll von ihnen pro Welt.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Hologramm zu. Natürlich, sie vertraute Usagi, der Tochter wie der Mutter. Aber hätte sie auch nur eine Sekunde ihre wahren Gefühle zeigen dürfen, ihr hysterischer Schreikrampf hätte die ganze Zentrale erfüllt. Immerhin waren da unten eine Menge Menschen, die sie liebte und die sich in eine absolut tödliche Gefahr begaben. Nicht nur die drei Starlights. Aber sie beherrschte sich und schrie nach innen. Falls die Geschichte schief ging, konnte sie immer noch zusammenbrechen, sich wie ein Häufchen Elend in eine Ecke ihrer Kabine zurückziehen und Adal befehlen, blutige Rache für das SilverMillenium zu nehmen, zumindest bis Galaxia sie stoppen konnte. Sie fühlte, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballen wollten, wie sich ihre Miene zu verzerren drohte vor Angst und Unsicherheit. Beides drängte sie zurück, so gut sie konnte. Wenn auch nur ein winzig kleiner Punkt nicht so lief, wie sich die beiden jungen Frauen aus der Zukunft zu erinnern geglaubt hatten, schlitterten sie auf eine ausgewachsene Katastrophe zu. Ach, hätte sie nur schreien können.

***

Captain Tobias Topper Cartland beeilte sich, seinen Vogel Höhe gewinnen zu lassen. Noch waren die Raketen nicht nahe genug, um bekämpft werden zu können, aber er wollte da sein, wenn es soweit war, ein Dutzend Kilometer vor Honshus Westküste in achtzehn Kilometern Höhe. "Denkt dran", mahnte er seine Staffel aus zwanzig F-18, "wenn auch nur eine Rakete durchkommt, ist das ein Sieg! Ein Sieg für die Putschisten, für ihre Geldgeber, für alles, was gegen Menschlichkeit handelt! Das werden wir nicht zulassen! Niemand, der heute Japan verteidigt, wird auch nur eine Sekunde zulassen, dass eines dieser atomar bewaffneten Mistdinger Japans Küste überfliegt! Und wenn wir hier fertig sind, werden wir mit der Hilfe der ganzen Welt unser Land zurückfordern und unseren Präsidenten wieder einsetzen!"

Zustimmender Jubel antwortete ihm auf der Staffelfrequenz. Verdammt und Scheiße, fühlte sich das gut an! Fühlte sich das richtig an! In der Euphorie des Augenblicks rief er: "Beschützt Japan! Beschützt das SilverMillenium!"

Diesmal antworteten ihm kurze, geblaffte Bestätigungen. Sie waren bereit. Sie alle waren bereit.

"Junge, Junge", sagte Sparks, sein Bordschütze, über den internen Funk, "es hat nur noch ein Banzai oder ein Hurra auf Usagi-chan gefehlt."

"Lieutenant Callahan!", blaffte Cartland.

"Was?", erwiderte der andere Offizier erschrocken bei Cartlands rauem Ton.

"Es heißt natürlich nicht Usagi-chan, sondern Serenity-sama", sagte er wesentlich milder.

"Ansichtssache", erwiderte der Bordschütze erheitert.

Pilot und Co-Pilot zeigten einander einen erhobenen Daumen. Sie waren bereit.

***

"Verdammt! Sie tun es tatsächlich!" Hatte man Minako Aino noch nicht wütend erlebt, so war man einerseits glücklich zu schätzen. Das so harmlos und sympathisch wirkende blonde Mädchen war eine Naturgewalt, wenn es wirklich wütend wurde; andererseits hatte man gerade jetzt dazu die Gelegenheit. Sie selbst, Jedithe und Garalion vom SilverMillenium hatten eine Position rund fünfzig Kilometer über dem Nordpazifik eingenommen, relativ zu Tokio gesehen leicht südlich versetzt. Hier erwarteten sie die von den russischen Unterseebooten abgeschossen Nuklearraketen, die erwartungsgemäß nach Art einer Tomahawk in geringer Höhe bis ins Ziel rasen würden, da sie mit dreihundert Kilometern eine relativ geringe Flugdistanz hatten und auf den ballistischen Angriffsflug durch die Stratosphäre, der typisch für Interkontinentalraketen war, verzichten konnten. Zusätzlich zu den dreien befand sich auch ein Beiboot des Seelenschiffs bei ihnen. Seine überlegenen Waffen und seine Ortungstechnologie alleine sollten schon ausreichen, um die rund vierzig bisher abgefeuerten Marschflugkörper zu vernichten; die Personen mit Sailorkräften waren zur Unterstützung hier, und um eventuell auftretende Lücken möglichst schnell zu füllen. Letztendlich bestand Japan aus vier relativ schmalen Hauptinseln, hatte aber eine irre lange Küstenlinie. Und damit waren noch nicht einmal alle bewohnten japanischen Inseln inbegriffen. Es war eine der schmerzhaftesten Entscheidungen im Generalstab gewesen, wo sie die Beiboote und die Krieger des SilverMilleniums einsetzen würden, weil sie einfach nicht für alle Siedlungen Japans im Pazifik ausreichten. Einige wenige hatten nicht einmal den Schutz von Flugzeugen, und das war das Schlimmste an der ganzen Situation. Sie konnten niemals alle schützen. Wenn ihre Angreifer richtige Schweine waren - und alles wies darauf hin, dass sie es waren - dann konnten sie kleine Siedlungen mit wenigen hundert oder auch nur Dutzenden Menschen auf abgelegenen Inseln angreifen und Siedlung und Menschen auslöschen. Einfach, weil sie es konnten. Glücklicherweise verfügte nicht einmal die Koalition ihrer Angreifer über genügend Raketen, um alle Inseln anzugreifen. Der Rest war ein Pokerspiel. Kein Wunder also, dass SailorVenus stinksauer war.

"Bleib ruhig", mahnte Jedithe die junge Frau. "Bleib konzentriert und fokussiert und erinnere dich an das, was uns Yuichiro beim Briefing erzählt hat."

"Gilt das auch für uns? Die mehrfachen Angriffswellen?", fragte Minako erstaunt.

Garalion verneinte. "Dazu sind es zu wenige. Aber die Interkontinentalraketen werden auch auf Tokio fallen, und dann sollten wir seine Worte beherzigen."

Im Prinzip hatte Yuichiro alle Sailor davor gewarnt, dass der Gegner zwar nicht unendlich viele Raketen hatte, aber durchaus die erste Welle opfern und vorzeitig detonieren lassen würde, in der vagen Hoffnung, damit den einen oder anderen Krieger des SilverMilleniums mit auszulöschen. Denn letztendlich waren die Angriffsziele der Koalition keinesfalls Japan und seine Hauptstadt Tokio, nicht einmal der Generalstab, sondern all jene mit Sailorkräften, Usagi und Mamoru, das SilverMillenium und natürlich der Botschaftsturm.

"Jetzt und hier müssen wir vor allem darauf achten, dass wir keine der Raketen passieren lassen", mahnte Jedithe nochmal, nicht bemerkend, dass er die selben Worte schon dreimal ausgesprochen hatte. "Jede Rakete, die uns passiert, wird..."

"...Mit der zwanzigfachen Sprengwirkung der Hiroshima-Bombe explodieren und dementsprechend mehr Land zerstören und verstrahlen, schon klar", sagte Minako, absichtlich ihre Antwort verwendend, die sie schon die letzten beiden Male zum Besten gegeben hatte.

"Stell es dir nicht zu leicht vor. Die Marschflugkörper fliegen relativ dicht über dem Wasser und sind schwer zu entdecken", fügte Jedithe an. "Wir..."

"Da kommen sie", sagte Garalion. Schweißtropfen bedeckten seine Stirn, denn er hatte Angst. Die Sailorkraft würde ihn schützen, falls die russischen Angreifer eine oder mehrere Raketen auf ihrer Höhe auslösen würden, aber auch sie würde nicht unendlich reichen und jeder Belastung widerstehen. Er konnte sterben, und das war etwas, was er vermeiden wollte. Auf ihn wartete noch ein langes, erfülltes Leben mit Tulip. Man konnte auch sagen, er hatte eine erstklassige Motivation, um zu überleben.

"Wir haben sie in der Ortung! Beginnen mit der Eliminierung!", meldete das Beiboot. Es senkte sich tiefer herab. "Abfangen auf zwölf Kilometer. Der Abstand reicht, falls sie eine Schweinerei planen."

"Einverstanden", sagte Jedithe.

Schon griffen vom Raumschiff die dünnen Finger der Partikelbewaffnung nach den näherkommenden Raketen. Drei, vier wurden im ersten Anlauf vernichtet.

"Sie schwärmen aus", stellte Minaku verdutzt fest, die die Marschflugkörper zwar noch nicht sehen, dafür aber sehr gut erspüren konnte. "Ein ganzer Teil geht auf Südkurs."

"Acht, um genau zu sein. Garalion, das sind deine."

"Verstanden." Der Krieger des SilverMilleniums nickte knapp und verschwand. Mehrere hundert Meter weiter südlich tauchte er wieder auf. Das wiederholte er mehrfach, dann war er an jenem Punkt, den die Streuner passieren mussten.

Inzwischen hatte das Beiboot weitere acht Raketen abgeschossen; die schwach grün leuchtenden Energiefinger griffen nach den nächsten vier.

"Läuft doch gut", sagte Minako zufrieden. "Wenn das so weitergeht, können wir uns für die Interkontinentalraketen schonen."

Vor ihnen verging die Welt plötzlich in einem grellen Lichtblitz, der sie nur deshalb nicht erblinden ließ, weil ihre Rüstungen sie vor dem ultragrellen Licht beschützte.

"Ich und meine große Klappe!", schimpfte Minako.

"Ärger dich nicht! Pass nur hier auf, dass im Feuerball der Explosion keine Raketen an uns vorbei kommen! Ich gehe zum Beiboot hoch, falls es Hilfe braucht! Es ist etwas nahe dran für meinen Geschmack!"

"Verstanden!" Nun begann die Suche nach den Nadeln im Heuhaufen. Wie viele Raketen waren detoniert, wie viele hatte es unabsichtlich ebenfalls erwischt und wie viele versuchten, die Druckwelle und die Feuerfront der atomaren Detonation als Deckung zu nutzen? Und wie viele würden daran scheitern? Es war schlimm genug, dass die Russen aufs berühmte Knöpfchen gedrückt hatten. Sie hatte allerdings auch keine Zweifel daran, dass die Chinesen oder die Amerikaner, die auf Weisung der Koalition handelten, da große Hemmungen hatten.
 

Jedithe erreichte das Beiboot ein paar Sekunden vor der Druckwelle. Das schwere Gefährt hüllte sich in seinen Schutzschild. Dennoch wurde es herumgeworfen wie eine Segeljolle bei einem Sturm auf hoher See. Jedithe durchdrang den Schirm, als gäbe es ihn nicht. Dann erfasste er mit seinen Sinnen die volle Sphäre des Schutzschildes - und pumpte ihn voll mit Sailorkraft. Als die Feuerwalze eintraf, war sie bereits schwach genug, dass Schirm und Jedithes Kraft ausreichten, um sie abzuweisen.

Ein heftiger Fluch erklang auf ihrer Frequenz. Garalion. "Diese verdammten... Jedenfalls habe ich meine Raketen erwischt und die Positionen der Abstürze vermerkt. Für die spätere Bergung. Wir können das spaltbare Material ja nicht rumliegen lassen."

"Ich bin auch fertig. Acht kamen durch, die habe ich alle erwischt", klang Minakos Stimme auf.

"Das Beiboot fliegt noch. Zum Glück", meldete Jedithe.

"General Jedithe, das Hauptquartier hat die Explosionen angemessen und verlangt einen Bericht"; kam es vom Boot.

"Berichten Sie ihnen, dass wir alle Raketen erwischt haben und jetzt zurückkehren."

"Was tun wir, wenn die U-Boote eine zweite Welle abschießen?"

"Das werden sie erst tun, wenn die Interkontinentalraketen ankommen, um ihre Chancen zu erhöhen, dass ihre Marschflugkörper durchkommen."

"Aha. Und was ist, wenn sich die Angreifer nicht an Ihre Analyse halten?"

"Für diesen Zweck bleibt das Beiboot hier draußen, bis Ihr andere Befehle kriegt", sagte Garalion. "Ich denke, das ist in deinem Sinne, Jedithe."

"Ja, danke dir. Und jetzt sehen wir besser zu, dass wir nach Hause kommen. Da ist ein Zwicken in meinem Magen, das will mir gar nicht gefallen..."

"Hast du an meinem Beispiel nicht gelernt, dass man solche Sätze besser nicht ausspricht?", fragte Minako.

"Oha. Wir sollten uns beeilen, Schatz."

Die drei Krieger verschwanden Richtung Küste. Und damit war an diesem Teil der Front noch nicht mal Ruhe eingekehrt.

***

Taiki sah zurück, als er das Labor verließ. "Kommst du, Ami?"

Die junge Frau sah auf. "Geh vor. Bitte."

Der große, braunhaarige Mann runzelte die Stirn. Dann aber wurde er blass. "Du kommst nicht mit?"

Ami kämpfte einen Moment mit sich selbst, dann aber nickte sie. "Ich komme nicht mit."

"Was? Aber... Aber wir brauchen dich! Wir haben eine ellenlange Küste zu verteidigen, und wenn du nicht dabei bist, dann fehlst du uns, dann haben wir eine riesige Bresche in der Linie! Wenn der Gegner das ausnutzt, wird es fatal für uns! Ami-chan, du kannst nicht den Tod von Millionen riskieren, für... Ja, für was eigentlich?"

Amis Hände krampften zu Fäusten. "Ich kann nicht."

"Wie, du kannst nicht? Warum nicht?"

"Taiki, du musst dich auf den Weg machen. Es dauert zwar noch über zwanzig Minuten, bis die Raketen bekämpft werden können, aber bei dem, was Jedithes Truppe gemeldet hat, müssen wir mit jeder Form von Schweinerei rechnen", sagte sie gedehnt, die Hände gewaltsam wieder öffnend. "Ich werde hier bleiben, hier in Tokio."

"Und das sagst du, wenn Yuichiro und Motoki, sogar Usagi und Mamoru ihren Platz in der Abwehr einnehmen?"

"Ja", antwortete sie schlicht. "Und nichts und niemand wird mich dazu bringen, meine Meinung zu ändern."

Der große, rotbraunhaarige Mann kam zurück, griff nach ihren Händen. Willig ließ sie es zu. "Ami, ich... Ich muss es wissen. Warum willst du nicht mit uns kämpfen? Warum willst du nicht... Nicht mit mir kämpfen?"

"Es ist wegen Akira."

"Akira?", rief Taiki überrascht. "Wieso ausgerechnet und gerade jetzt Akira?"

"Weil er Tokios letzte Verteidigungslinie ist. Gewiss, wir haben Minako und Jedithe auf dem Rückweg zur Bouzou-Halbinsel, aber die nächsten Verteidiger nördlich und südlich von ihnen sind verdammt weit entfernt, und Beiboote haben wir auch nicht in der Region. Was denkst du, wird passieren, wenn ein Unglück geschieht und nur der vollkommen erschöpfte Akira hier ist? Ich... Ich will nicht, dass er vor eine Aufgabe gestellt wird, die seinen Tod bedeuten kann."

Taiki sah das Mädchen aus weit aufgerissenen Augen an. "Du... Du bleibst hier für den Fall, dass etwas passieren könnte, damit sich Akira nicht zu Tode verausgabt? Weißt du, wie egoistisch das ist?"

"Ja", antwortete sie schlicht. "Mein anderes Ich, das aus der Zukunft, hat mir ausrichten lassen, ich müsste manchmal auch mal Schwein sein. Ich verstehe nun, was es damit gemeint hat." Sie sah fort, in die Ferne, sah wieder Taiki an und lächelte. "Du darfst das nicht missverstehen, Taiki-chan. Du bist nicht der Grund. Ich wäre gerne mit dir Seite an Seite in den Kampf gegangen. Aber kann ich nicht, dieses eine Mal, meinen Teil der Last auf deine Schultern laden?"

"Natürlich kannst du das. Und was ist der wahre Grund?"

"Es gibt nicht mehr Gründe als jene, die ich dir genannt habe, Taiki-chan."

"Taiki-chan... So hast du mich schon lange nicht mehr genannt." Er nahm ihre Hände, führte sie an seine Lippen und küsste sie. "Weißt du, als wir hierherkamen, geschah dies, um unsere Bande von damals zu aktivieren und den Weg für unsere Prinzessin zu ebnen. Seiya hat uns gebeten, ihm... Nun, ihm den Weg freizuhalten und ein wenig, ah, Ablenkung zu verursachen. Du bist Usagis engste Freundin, und deshalb sollte ich dich... Beschäftigen. Und das habe ich gerne getan, weil du... Du bist für mich etwas besonderes, Ami-chan, egal ob ich Mann oder Frau bin. Ich fühle immer für dich dieses hehre, schöne Gefühl, habe immer die Freude im Herzen, wenn ich dich sehe. Ist das Liebe? Dann liebe ich dich."

Schweigend sahen sie einander an. Als Taiki begann, sich leicht nach vorne zu beugen, fragte Ami: "Und warum hat Seiya Yaten auf Akira angesetzt und nicht auf Mamoru?"

"Eigentlich sollte Yaten genau das tun, aber ich schätze, ihr sind die eigenen Emotionen dazwischengeraten. Davon abgesehen hat sie ohnehin nie viel mit Mamoru anfangen können, also war es von vorne herein eine Schnapsidee."

"Also warum dann Akira?"

"Vielleicht gefallen ihr seine Haare?", scherzte Taiki.

Ami lachte glucksend, aber nur für einen Moment. Sie entzog Taiki die Hände. "Danke. Ich danke dir für deine Gefühle, für deine Ehrlichkeit."

Ein Schatten huschte über seine Züge. "Aber du erwiderst sie nicht."

"Doch. Oh doch. Du kannst sicher sein, dass du mir wichtig bist, dass ich dich ebenso liebe wie die anderen Mädchen und die Jungs, und vielleicht sogar noch mehr."

"Aber du liebst mich nicht so sehr wie Akira", murrte er. "Schon gut, schon gut, das war zu erwarten gewesen. Ich habe es nur nicht so plötzlich erwartet."

"W... Was?", stammelte Ami verblüfft. "I-ich... Wieso...?"

"Na, das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, was Ihr füreinander empfindet", brauste Taiki eine Spur zu laut auf. "Spätestens bei dem Unfall, als Ihr ineinandergelaufen seid und euch geküsst habt. Allerspätestens aber, als er dir einen Kuss geraubt hat, kurz vor seinem Aufbruch, um die Fabriken zu zerstören. Du hast ihm nicht einmal symbolischen Widerstand geleistet. Und dieser Dummkopf weiß noch nicht mal was von seinem Glück." Taiki fluchte undamenhaft. "Schon gut, ich kann damit umgehen. Aber sollte... Sollte es schlimm werden, sollten wir beide übrig bleiben, gäbe es dann eine Chance für ein uns, Ami-chan?"

"Oh Taiki, du bist wirklich meine erste Wahl."

"Nach Akira."

Ihre Wangen wurden rot. "Ist es wirklich so offensichtlich?"

Taiki sah sie lächelnd, aber auch traurig an. "Ich denke nicht, dass es ein Geheimnis ist. Keiner eurer Freunde wird es nicht wissen. Warum macht Ihr überhaupt ein Geheimnis daraus?"

Amis Röte wurde stärker. Sie sah zur Seite. "Ich habe Fehler gemacht. Ich habe ihn nicht so gut behandelt, wie ich es hätte tun sollen. Ich weiß nicht, ob ich noch das Recht habe..."

Taiki griff nach ihrem Kinn, drehte ihr Gesicht wieder zu sich. "Eine Sache haben Akira und ich gemeinsam, wenn man mal davon absieht, wie viel besser ich aussehe. Wir würden beide für dich sterben." Er berührte ihre Lippen zu einem zarten, flüchtigen Kuss. "Und jetzt habe ich den Punktestand mit ihm ausgeglichen." Er ließ sie fahren, wandte sich um und ging. In der Tür sagte er: "Wenn die Krise überstanden ist, wenn ich zurückkomme, werde ich dich noch einmal fragen. Wenn du dann noch immer unentschlossen darüber bist, was du tun willst, denke bitte über ein Uns nach, Ami-chan."

"D-das werde ich", versprach sie.

Er sah zurück, lächelte für sie. "Dann habe ich keine Bedenken mehr bei irgendwas." Er nickte ihr zu und verschwand mit Step.

Ami Mizuno blieb zurück und berührte mit den Fingerspitzen der Rechten ihre Lippen. Das war nur der leichte Teil gewesen. Ab hier konnte es nur noch schwerer werden.

***

Rose blies mürrisch die Wangen auf. "Und warum sind wir hier über Kyushu, und nicht bei Jedithe-sama?", fragte sie bereits das dritte Mal.

Targethia strafte sie mit einem bösen Blick - auch das dritte Mal. "Weil wir selbstständige Menschen sind, weil wir hier gebraucht werden. Und weil Tulip heimlich auf Motokis kleine Schwester und Usagi-chans Bruder und Vater aufpassen muss, damit Major Ayoka nicht vor Schreck einen Herzinfarkt bekommt. Und weil wir die Einzigen sind, die auf sie achten können." Targethia deutete nach vorne. "Vorne", das war in etwa achtzehn Kilometern Höhe. Hoch genug, sodass man einen Großteil des Weltenrunds sehen konnte, dass der Himmel seine blaue Farbe verlor und bereits schwarz leuchtete. Hoch genug, damit es über fünfzig Grad Minus kalt war. Ohne Sailorfähigkeiten wären sie längst erfroren. Schließlich waren sie keine Finnen. Und dann war da auch noch Rei Hino, besser bekannt als SailorMars, die Anführerin der Leibwache Serenitys. Sie hatte sich in ihre Sailor-Rüstung gehüllt und die Augen geschlossen. Sie alleine hatte sich vorgenommen, Kyushu vor Atomraketen zu beschützen, zumindest an der Westküste. Sie galt zwar nur als Nummer drei unter den Sailorkriegern, aber immerhin machte sie das auch zur Nummer drei im gesamten Silvermillenium. Deshalb hatte sie die Beiboote des Seelenschiffs fortgeschickt, um andere Bereiche zu schützen. Dass nun zwei ehemalige Seed-Generäle hinter ihr standen und die Ausputzer spielten, war die logische Schlussfolgerung. Rose hatte es so formuliert: "Wir sind weniger wert als ein Beiboot."

Targethia hingegen so: "Wir sind flinker und schneller, aber wir können immer nur in eine Richtung schießen; ideal, um auszuhelfen, ideal, um alles zu erwischen, was Rei-chan durch die Lappen geht."

Sie hatten sich auf eine Mischung aus beidem geeinigt, nicht zuletzt, weil keiner von beiden auch nur eine Sekunde riskieren würde, dass Rei auch nur eine einzige Schramme abbekam. Denn auf den Schultern der neun Sailorkriegerinnen ruhte das Schicksal der ganzen, zukünftigen Welt.

Das, was Rei hier vorhatte, konnte man durchaus als wagemutig beschreiben. Sie hatte vor, mit ihrer Kraft einen Schild zu errichten, der die Westküste von Kyushu abschirmte, und der im Idealfall den Explosionen aller Atomraketen trotzte, die hineinflogen. Im Idealfall. Sie befand sich an der vordersten Front, deckte einen größeren Bereich ab als alle anderen Sailorkrieger, hatte weniger Rückendeckung als alle anderen und war fest entschlossen, ihr Ding durchzuziehen. Und genau das war ihre Stärke, ihre größte Kraft. Hatte sie sich einmal zu etwas entschlossen, dann setzte sie es durch. In dieser Beziehung war sie ein unheimlicher Sturkopf. Aber dieser Sturkopf hatte in der Welt schon einiges erreicht im Dienste des SilverMilleniums. Sie war berüchtigt für ihre Beharrlichkeit. Und manche liebten sie auch dafür.

"Aber wenn Rei-chan hier ist, dann kriegen wir doch überhaupt nichts zu tun", murrte Rose.

Targethia hätte beinahe zu lachen begonnen, als ihre Mitstreiterin das sagte. "Nicht so laut, bitte."

Rei aber wandte sich halb nach ihnen um und lächelte. Es war jedoch ein nervöses Lächeln, denn die Erwartung Roses fügte dem Druck, unter dem sie bereits stand, noch ein Quentchen mehr hinzu. Aber wenn SailorMars diese Aufgabe nicht bewältigen konnte, wer dann?

***

Eine vergleichbar schwere Aufgabe hatte Usagi übernommen. Also die blonde Usagi. Sie schwebte in ähnlicher Höhe über Okinawa. Ihr einziger Begleiter war Seiya in ihrer Sailorform als Frau. Gemeinsam hatten sie sich vorgenommen, das Inselarchipel und die dortigen Militärbasen vor dem Atomangriff zu schützen, nicht zuletzt, weil dieses Land ein wichtiges Symbol für Japan war. Dabei wurden sie von Jagdfliegern unterstützt, sofern sie nicht an anderen Orten irgendwo an der Küstenlinie Japans im Einsatz waren. Aber es stand vollkommen außer Frage, wer hier wen beschützen würde.

"Usagi-chan?", frage Seiya leise.

SailorMoon, in der Hand das Mondszepter in Sichelform, den Regenbogenkristall im Zentrum, in der reinsten Form ihrer Macht, wandte sich ihm zu und nickte ihm zu. "Sprich."

"Usagi-chan, wenn das hier vorbei ist, dann..."

Sie schwieg, vervollständigte den Satz nicht, obwohl Seiya ihr dafür die Pause gesetzt hatte. Alles, was sie tat, das war zu lächeln.

Seiya stockte, setzte erneut an und scheiterte. Schließlich aber fasste sie sich ein Herz. "Wenn das hier vorbei ist, was wirst du dann tun?"

"Was willst du denn, das ich tue, Seiya?", fragte Usagi.

Unsicher sah die schwarzhaarige Kriegerin die Freundin an. "Du weißt, was ich für dich fühle."

"Und du weißt, was ich für dich fühle. Du weißt aber auch, was ich für Mamoru fühle", erwiderte Usagi.

"Ja", erwiderte Seiya gepresst.

"Also, was willst du, was ich tue, Seiya?", fragte sie erneut.

Tausend Worte lagen auf ihrer Zunge, tausend Möglichkeiten wollten ausgesprochen werden, tausend Gedanken wollten gedacht werden. Die Chance auf eine gemeinsame Zukunft mit Usagi huschten durch ihren Geist, die Bereitschaft, immer ein Mann zu sein, für sie, erschreckte sie nicht mehr so sehr wie noch vor drei Jahren. Heiraten, gemeinsam leben, Kinder zeugen, zusammen glücklich sein... All das schien zum Greifen nahe. Aber...

"Ich will...", sagte sie stockend.

SailorMoon stieß sich ab von jenem Ort, an dem sie schwebte. Sie kam Seiya näher und ergriff ihre Hände. "Was du sagst, das will ich tun. Ich vertraue dir und lege dir meine Zukunft in die Hände. Hier und jetzt, Seiya."

Freude huschte über ihr Gesicht, aber auch Verlangen, Verlangen nach der Frau, nach der ihr Herz sich sehnte. Alles, was sie sich je erträumt hatte, war so nahe, so unwirklich nahe... Alles, was sie tun musste, war, auszusprechen, was sie sich wünschte. Für sich und Usagi.

Sie seufzte und drückte Usagis Hände sanft. "Ich will, dass du glücklich wirst, Usagi-chan. Denn wenn du glücklich wirst, dann kann ich die Sache mit dir abschließen und wieder meinen eigenen Weg suchen. Also versprich mir, dass Mamoru der Richtige für dich ist. Bitte."

SailorMoon lächelte, aber es war kein vollkommen frohes Lächeln. Tränen liefen ihre Wangen herab. "Seiya, bitte..."

"Ich weiß", raunte die Starlight-Kriegerin und wischte die Tränen fort. "Du hast gewusst, dass ich das sagen würde. Ich habe gewusst, dass ich das sagen würde. Und wir wissen beide, dass Mamoru der Beste für dich ist. Das macht es nicht leichter, aber es beruhigt mich. Und hey, falls er mal wieder abhanden kommt, kann ich ruckzuck wieder auf der Erde sein, nicht?"

SailorMoon lachte leise und wischte sich selbst ein paar Tränen aus den Augen. "Du bist für mich..."

"Nicht Mamoru. Ich weiß. Aber danke, dass ich einen Platz in deinem Herzen einnehmen darf", flüsterte Starfighter. Sie legte ihre Stirn auf Usagis. "Danke, dass ich Teil deines Lebens sein darf."

So blieben sie für mehrere Minuten. Erst Seiyas Seufzen unterbrach diesen trauten Moment des gegenseitigen Verständnis. "Es ist gleich soweit. Sie sind nahe genug."

Die beiden lösten sich voneinander. "Dann lass uns mal die Welt retten", schmunzelte SailorMoon.

"Bei jedem anderen, das schwöre ich, würde das nach Prahlerei klingen. Aber nicht aus deinem Mund." Starfighter zwinkerte der blonden Frau zu. Ihr traute er alles zu. Weil sie schon alles geleistet hatte.

Usagi wechselte die Uniform, beschwor das Kleid der Mondprinzessin. Damit potenzierte sie ihre Kraft wie für einen Endkampf. Und dies war ein Endkampf. "Dann lass uns anfangen."

"Ich bin dabei."

***

Verdammt zum Gammeln. Akira lag auf dem Bett, die Beine übergeschlagen, und hielt einen losen telepathischen Kontakt zu Yuichiro und Motoki, um zu entscheiden, wann er Mamorus Mahnung in den Wind schoss und eingreifen musste. Zugleich aber hing sein Blick an der Uhr über dem Bett, die nur noch wenige Sekunden vor jenem Termin stand, an dem ihm erlaubt war, das Bett zu verlassen. Und noch niemals in seinem Leben waren ihm zehn Sekunden so elendig lange vorgekommen.

Als die Uhr die volle Stunde schlug, frohlockte er, sprang aus dem Bett und hüllte sich in seine blaue Uniform. Gut, dafür reichte seine Kraft schon wieder. Dann trat er auf den Gang hinaus, und rief: "Tsukino-san, Mizuno-sensei, ab jetzt darf ich doch herumlaufen, oder?"

Nun, diese Worte blieben ihm im Halse stecken, denn anstatt Amis und Usagis Mutter in die Arme zu laufen, stand Ami selbst vor ihm. Die junge Frau mit den dunkelblauen Haaren hatte ihren Supercomputer per Visier aktiviert und sichtete einen Datensatz, den Akira nicht erkennen konnte. "Also, das nenne ich eine Leistung. Bis auf die achte Nachkommastelle genau bist du zur vollen Stunde aus dem Bett gelaufen. Tut es dir so weh, dich auch mal auszuruhen? Bedenke, was dir schon alles angetan wurde, seit der erste GunSuit auf dich gefeuert hat."

Akira war für einen Moment verlegen. Dann wütend, wurde aber schnell wiede verlegen. "Ja, man könnte meinen, irgendeine Gottheit hat sich vorgenommen, mich über die Klinge springen zu lassen, irgendwie." Während er das sagte, sah er nach rechts, den Gang hinab, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren, und sein Blick war irgendwie... Vorwurfsvoll. Ami sah in die gleiche Richtung, wenn auch nur für einen Moment. Ihr Blick war voller Schmerz und stummer Bitte. Aber all das wehrte nur eine winzigkurze Sekunde. "Aber?", fragte sie.

"Aber ich kann nicht im Bett liegen, während alle anderen um das SilverMillenium und um Japan kämpfen, ja, um die ganze Welt kämpfen. Ich kann es einfach nicht."

"Auch nicht, wenn es dich das Leben kostet?", fragte sie leise.

Er erstarrte bei ihren Worte, wollte etwas sagen. Er stockte, stotterte ein halbes Wort und verstummte wieder. "Solange du leben kannst, werde ich..."

"Akira, denkst du nicht, dass diese Welt ärmer wäre, wenn du nicht mehr unter uns weilen würdest?", fragte Ami mit Schmerz in der Miene. "Denkst du nicht, mir..."

"General Iskander!", klang eine hektische Stimme neben ihnen auf. Aelion erschien neben ihnen. "Und SailorMerkur! Das ist gut! Wir müssen sofort auf die Turmspitze! Es gibt einen Angriff aus Richtung der Bucht von Tokio!"

"Was?", rief Akira entsetzt. "Wie, zum Henker?"

"Es sind keine atomaren Raketen! Zumindest glauben wir das bis jetzt! Kommt, bitte!"

Der Millenier verschwand mit Step. Ami und Akira zögerten keine Sekunde, ihm zu folgen.
 

Unter der Spitze des Turms gab es eine Aussichtsplattform, die ihnen einen Blick bis weit über die Millionenstadt erlaubte, auch auf den Hafen. Von hier aus spannte sich der Schutzschild, der in Zeiten der Gefahr aktiviert werden konnte, über das Gelände der Botschaft. Und er wäre auch jetzt aktiviert worden, wenn er nicht mitten durch die Reihen ihrer Unterstützer gegangen wäre. Kein Millenier wäre auch nur eine Sekunde bereit gewesen, ein paar Tausend Menschen zu opfern, nur um den Turm unter einen fragwürdigen Schutz zu legen.

Der Millenier und die beiden Sailorkrieger erschienen auf dieser Plattform. Akiras Blick ging sofort gen Hafen. "Was ist passiert?"

"Ein Dutzend Frachter, Containerschiffe, haben ihre Frachtcontainer aufgesprengt! Der Geheimdienst fürchtet, es könnten sogenannte Sizzler sein, also russische Mittelstreckenraketen mit konventionellen Gefechtsköpfen, pro Container vier Stück, bei zwölf Schiffen mit je zweihundert Containern macht das..."

"Neuntausendsechshundert Raketen", sagte Ami stockend. "Und diese Mistdinger werden abgeschossen, während wir den Schild nicht errichten können, ohne jene Menschen zu gefährden, die sich dort befinden, wo der Schirm aktiviert werden würde! Um sie alle aufs Gelände zu holen, fehlt uns die Zeit! Den Schirm trotzdem zu aktivieren, bringt uns nichts ein außer etlichen Toten und der Chance für unsere Gegner, die Bilder auszuschlachten... Verdammt!"

Akira nickte schwer. "Sie haben sich einen guten Zeitpunkt und eine gute Gelegenheit für ihren Angriff ausgesucht. Die Demonstranten, die uns unterstützen, die Sailorkrieger und Millenier mit Kampferfahrung im Einsatz, Minako und Jedithe, die Tokio schützen sollen, noch etliche Kilometer von der Küste entfernt. Sehr schlau. Aber sie haben nicht damit gerechnet, das wir beide noch hier sind." Er zog eine Augenbraue hoch. "Wir drei. Entschuldigung, Aelion."

"Mal ganz ehrlich, General Iskander: Schaffen wir drei es, fast zehntausend Raketen zu vernichten, bevor sie auf den Turm regnen, auf den Platz davor, auf die ganze verdammte Stadt?"

"Noch regnen sie nicht. Wenn wir schnell genug sind... Moment, warum regnen sie noch nicht? Warum hast du uns warnen können, bevor sie abgeschossen wurden?"

Der Millenier druckste verlegen. "Hotaru-chan hat mir einen Tipp gegeben, also habe ich den Geheimdienst darauf angesetzt. Ich dachte, mit einer Razzia kriege ich das auch so in den Griff, aber da war ja auch nur die Rede von einem Schiff. Dass es zwölf sind, hätte ich nie gedacht. Und jetzt sind... Ja, mindestens drei Schiffe haben mit dem Abschuss begonnen."

Ami sah in Richtung des Hafens, ihre Brille mit dem Supercomputer aktiviert. "Achthundert. Achthundertfünfzig. Neunhundert. Eintausend. Kurs ist nur in zehn Prozent der Fälle mit dem Turm identisch. Sie schwärmen in alle Richtungen aus. Sie wollen so viel wie möglich verwüsten."

"Eventuell ist ihr Hauptangriffsziel auch nicht die Botschaft, sondern das Hautquartier", sagte Akira. Eigentlich hätte er jetzt reagieren müssen, springen müssen, zum Hafen, dort wie ein Berserker unter die Raketen fahren sollen. Aber es ging nicht. Welche Raketen zuerst? Jene, die auf den Turm gezielt waren? Jene, die über Shibuya niedergehen würden, oder einen anderen dicht besiedelten Stadtteil? Jene, die das Hauptquartier der SVS zum Ziel hatten? Die Unentschlossenheit machte ihn zögerlich, verletzlich, schwach und weich. Er...

"Fünftausend", sagte Ami. "Wenn wir etwas tun wollen, müssen wir es jetzt tun."

"Auch, wenn es unser Tod ist?"

Die Sailorkriegerin sah den General aus dem alten SilverMillenium mit einem Blick an, der so vieles ausdrückte, all die widerstreitenden Emotionen in ihr. "Ja", hauchte sie schließlich.

"Dann wird es wirklich Zeit, dass wir...", begann Akira.
 

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt senkte sich die Sternensänger auf Tokio hernieder. Das gewaltige Langstreckenraumschiff verdunkelte einen großen Teil des Himmels mit seinem Leib; vom Schiff fingerten bläuliche Strahlen zu den Raketen und ließen sie verschwinden. Über Tokio aber, in mehr als einhundert Kilometern Höhe, erfolgten viele kleine Detonationen.

"Was, zum... Was ist das?", fragte Akira. Der Moment der Demütigung, der Zerstörung und des Beweis der Hilflosigkeit des SilverMilleniums ging vorbei. Nur, wer leistete ihnen hier Hilfe, um zu schaffen, was zwei Sailorkrieger und ein Millenier unmöglich allein geschafft hätten?

Weitere Sizzler starteten, aber auch sie wurden von den blauen Strahlen erfasst, die die Raketen weit in die Mesosphäre teleportierten, wo sie harmlos explodierten. Natürlich war er dankbar für die Hilfe, aber welchen Preis hatte diese?

"Hier spricht Prinzessin Kakyuu von Bord der Sternensänger im Auftrag der Galaktischen Koalition", erklang eine Frauenstimme wie Donnerhall über Tokio. "Im Namen der Gemeinschaft der besiedelten Planeten erlaube ich mir, dem SilverMillenium und Japan ein wenig zur Hand zu gehen und diese kleinere Bedrohung zu eliminieren."

"Uff!", sagte Akira und sackte in den Knien ein. Klar, er hätte alles gegeben, das Letzte aus sich rausgeholt, damit nicht eine Rakete irgendetwas in Tokio traf, aber hätte es gereicht? So sah die Welt schon anders aus.

"Uff", machte Ami, fiel von hinten um seinen Hals und drückte ihn. "Das nennt man dann wohl zur rechten Zeit kommen, oder?"

Akira lachte leise. "Ja, das war ein Paradebeispiel für diese Kunst. Wollen wir hoffen, dass dies der letzte Trumpf war, der gespielt wurde." Er berührte ihre Arme, drückte sie leicht und genoss das Gefühl, dass sie ihm so nahe war. Ungefähr genau bis zu dem Moment, in dem sich ein baulicher Fehler bemerkbar machte, unter dem die Botschaft litt. Es bekam eben keinem Gebäude gut, wenn in seinem Fundament eine Zwei Megatonnen-Atombombe eingegossen war, die den Befehl erhielt, sich selbst zu zünden. Aber genau das war gerade geschehen. Akira spürte es bis in die kleinste Faser seiner Selbst, als in der verbauten Bombe drei bisher getrennte Massen von waffenfähigem Plutonium ihre schützende Trennschicht verloren, zusammenkamen und eine überkritische Masse bildeten, die sofort in die Kettenreaktion überging. Die Atombombe explodierte direkt unter ihren Füßen.

***

Der Mensch, die Person aus dem Kreise der Mächtigen, die gegen das SilverMillenium intrigierten, jener, der bei der geheimen Konferenz als gestürzte Pyramide dargestellt worden war, nahm gerade den Finger von der Entertaste, mit der er dem Computer den Befehl gegeben hatte, den Detonationscode an die im Fundament des Turms versteckte Bombe zu senden. Gute Vorbereitung zahlte sich eben einfach aus. Hätte er die Bombe von vorneherein gezündet, wären ihnen allen wohl einiges an Materialverlusten erspart geblieben, aber eine Trumpfkarte verschwendete man nicht leichtfertig beim ersten Versuch. Außerdem hatte immer die Gefahr bestanden, dass Serenity die Bombe stoppen würde, kaum dass sie aktiviert worden wäre - wer die Welt von Eispanzer befreien konnte, war dazu fähig. Auch die anderen Sailorkrieger waren abgelenkt, über Japan verteilt. Dies war die beste Zeit, um den Turm zu zerstören, diese fünfhunderttausend Narren auszulöschen, die rund um den Turm campierten, und um der Welt zu zeigen, wie hilflos das SilverMillenium wirklich war.

Und war das Vertrauen in Serenity erst einmal zerstört, dann nützten ihr all ihre Machtmittel, all ihre Sailor nicht. Das Vertrauen hatte sich stetig aufgeschaukelt, mit jedem weiteren Sieg, ja. Viel mehr Siegen, als er erwartet hatte. So vielen Siegen, dass selbst er panisch zu werden drohte. Der Rückschlag hätte viel früher eintreten müssen, aber er hatte, zugegeben, das SilverMillenium unterschätzt. Doch nun, auf dem Höhepunkt des Konflikts, würden Serenity und das SilverMillenium die Rechnung dafür bezahlen, sich mit ihm angelegt zu haben, seine Pläne für die Welt sabotiert zu haben. Und während Hunderttausende ihrer treuesten Anhänger starben, würde auch das Vertrauen in sie sterben. Menschen waren nun einmal so. Leichtfertig. Schnell zu beeindrucken. Wankelmütig. Feige und intolerant, keine Fehler verzeihend, sobald es auch nur ansatzweise zu ihrem Nachteil war. Und dann... Dann würden sie angekrochen kommen und den wahren Herren der Welt huldigen.

***

Finale

Akira Torah erschien im gleichen Moment, als er die Zündung gespürt hatte, in der untersten Kelleretage des Botschaftturms. Hier war ein Fundament gegossen worden, eine Betonplatte von zweihundert Metern im Quadrat, zehn Meter dick, verstärkt durch Stahl und einige bauliche Tricks des SilverMilleniums. Dazu gehörte der modernste Gyrokreisel aller Zeiten, der alle Schwingungen des rund neunhundert Meter hohen Turms abfing und ausglich - und davon gab es durch Wind und Wetter mehr als genug. Der Gyrokreise sollte darüber hinaus sogar in der Lage sein, Erdbeben bis zur Stärke zehn abzufangen. Eine Antigrav-Einheit sorgte zusätzlich dafür, dass, brach das Land unter dem Turm durch ein Erdbeben weg, der Turm weiterhin stabil stehen würde. Nun aber war ein beträchtlicher Teil des Gyrokreisels eben kein Gyrokreisel, sondern eine Nuklearwaffe. Eine gezündete Nuklearwaffe. Eine Waffe, die eine Sprengkraft hatte, die jene von Fat Man um das achtundachtzigfache übertraf. Und schon damals hatte diese frühe Kernwaffe Nagasaki Kernstadt eingeebnet.

Für Akira, oder vielmehr für Iskander, gehüllt in die Rüstung der Palastwache, lief die Zeit unheimlich beschleunigt ab. Eine Sekunde dehnte sich für ihn auf das Einhundertfache. Alle seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt, und er würde jeden Sekundenbruchteil, den er dadurch erhielt, auch brauchen. Mit seinen Fähigkeiten, seiner Sailorkraft, griff er nach dem gleißenden Licht, das unter der Betonplatte pochte, griff nach der freigesetzten Kernenergie, ultraheiß wie das Herz einer Sonne, und so stark strahlend, das bereits ein Augenblick in Sichtweite des Lichts den sicheren Tod bedeuten konnte, selbst für einen Sailorkrieger. Für ihn bot sich folgendes Bild: Die kritische Masse aus waffenfähigen Isotopen bedeutete, dass diese überschüssige Elektronen und Neutronen in immenser Zahl freigaben. Diese rasten nun frei durch das ultrakompakte Material, trafen andere Elektronen und Atomkerne der ohnehin instabilen Isotopen und lösten weitere Elektronen und Neutronen. Zusätzlich aber wurden die komplexen Atome der hohen Ordnungszahl auch einfach zertrümmert. Sie verloren einen großen Teil ihrer Energie, degenerierten zu Elementen kleinerer Ordnung, weil ihnen Masse fehlte. Diese fehlende Masse wurde umgesetzt in Energie, Hitze, um genau zu sein, die genauso exakt heiße radioaktive Strahlung bedeutete. Alpha-, Beta- und Gammastrahlung. All dies, zusammen mit einer Temperatur von zwanzig Millionen Grad würde bald durch das Betonfundament brechen. Die Platte würde keinen großen Widerstand bieten; der Turm ebensowenig. Alles würde in einer riesigen, weithin leuchtenden Explosion vergehen. Alles im direkten Umkreis von fünf, sechs Kilometern würde sofort zerstört werden. Der Rest, zwanzig, vielleicht dreißig Kilometer im Umkreis, würde zuerst durch die kompressive Druckwelle zertrümmert werden, dann darunter leiden, dass die Druckwelle in das entstandene Luftvakuum zurückfiel, und dann würde die Feuerwelle der Detonation kommen und alles in einem Umkreis von rund zehn Kilometern zu Asche verbrennen. Das bedeutete auch, alles in Umkreis von zehn Kilometern würde hochgradig radioaktiv verstrahlt werden. Aber das war noch nicht alles. Das Umland rund um die Explosion, fünfzig, sechzig Kilometer weit, würde kontaminiert werden von Abfällen der Explosion, denn nicht alle Atome würden degenerieren. Ein großer Teil würde zu höherwertigen Atomen verbacken werden, die leider hochradioaktiv und hochgiftig und meistens Isotope von Cäsium und Strontium und vergleichbaren Atomen waren. Der Fallout schließlich, der je nach Windrichtung weiteres Land oder den pazifischen Ozean verseuchen würde, konnte diese Fläche locker vervierfachen, wenn nicht verachtfachen. Die Explosionswolke, angereichert mit dem als Knochenbrecher bekannten Cäsium und den dreißig Jahre extrem gefährlichen Jod-Isotopen, konnte um die ganze Welt ziehen, wenngleich nicht jeden Ort auch erreichen.

Kurz und gut, sein nächster Herzschlag würde ihn ins Herz einer unglaublichen Katastrophe führen, die Millionen Menschen in dicht besiedelten Tokio töten und Dutzende Millionen auf ewig zeichnen würde.

Als er die Explosion gespürt hatte, da war kein Zögern gewesen, er war direkt bis ans Herz der Katastrophe gesprungen, um zu tun, was er tun konnte. Nicht einen Augenblick hatte er an sein eigenes Schicksal gedacht. Er hatte gesehen, was geschah, und er hatte gesehen, was er tun konnte.

Schwäche fasste nach ihm, als er den mentalen Griff um die nukleare Explosion fester schloss. Schon lockerte sich der Griff, gab dem Inferno einen halben Meter mehr Raum, ließ die Energie, die Strahlung steigen. Aber ein wütender Gedanke bändigte es auf eben dieser Stelle. Wie viel Zeit konnte er erkaufen? Minuten? Sekunden nur? Sekundenbruchteile?

'Aelion, Ami!', dachte er so intensiv er konnte. 'Evakuiert den Turm und aktiviert den Schild! Ich erkaufe uns Zeit!'
 

Das war es also. Er würde sterben. Hotaru-chan hatte Recht behalten. Und kein Wunder, dass er ihr Vorbild geworden war, immerhin dämmte er die atomare Katastrophe ein, gab den anderen genau jenes Quentchen Zeit, das sie brauchten, um den Schirm zu aktivieren, der die Explosion auf die Botschaft beschränken würde. Zumindest solange die Generatoren existierten, die den Schirm spannten. Alles innerhalb des Schirms würde zu Asche verbrannt werden, da machte sich Iskander keine Illusionen. Und ab diesem Moment würde das ehemalige Botschaftsgelände extrem heiß strahlen und stark radioaktiv kontaminiert sein. Aber er war zu schwach, um die Kettenreaktion zu unterbinden, sie umzukehren. Wäre er im Vollbesitz all seiner Kraft gewesen, dann hätte er sie stoppen können. Aber so, müde, erschöpft, halb tot und kraftlos, konnte er nur Zeit erkaufen. Verdammt! Aber da er ohnehin sterben würde, konnte er auch aufs Ganze gehen und seine gesamte restliche Kraft einsetzen, sein Leben einsetzen, alles geben, was ihm noch geblieben war. All dies für die Hoffnung, dass er genügend Zeit für die Evakuierung erkaufte, dass Amis Mutter, Usagis Mutter, Ami selbst, Aelion, Uminos Freundin Naru und all die anderen entkommen konnten. Wenn er sich selbst in Energie verwandelte, dann...
 

Plötzlich stockte die Explosion. Hatte bisher sein eiserner Griff verhindert, dass sie expandierte, zehn, zwölf ewig lange Millisekunden lang, so war nun auf einmal alles irgendwie anders... Die Temperatur ging zurück, die Bewegung der Atome und der freien Elektronen und Neutronen ging maßgeblich zurück. Es wurde weniger Energie produziert. Das erkaufte Zeit, wichtige Zeit.

"Ami!", schrie Akira das Mädchen an, das direkt hinter ihm aus dem Step gekommen war. Sie war eine Hundertstelsekunde nach ihm eingetroffen und hatte sofort gehandelt. Auch für sie lief die Zeit unglaublich langsam ab; für beide schien eine tausendstel Sekunde eine Minute zu sein.

"Ich bleibe!", erklärte sie resolut. "Meine Fähigkeit ist besonders gut geeignet, um Wasser zu manipulieren, aber im Prinzip beruht sie darauf, die Bewegung und damit die Energie von Atomen und Teilchen zu beeinflussen! Du brauchst mich hier!"

"Ich brauche dich da draußen und am Leben!", rief er verzweifelt. "Wenn du hierbleibst, wirst du sterben!"

"Und?" Sie sah ihn an, vorwurfsvoll, voller Angst, aber auch beladen mit Schmerz. "Du wirst hierbleiben, richtig? Also wirst du sterben."

"Solange du lebst..."

"Was soll ich mit einem Leben, wenn du nicht mehr da bist?", erwiderte sie verzweifelt. "Was soll ich tun in dieser Welt, wenn du nicht mehr da bist?"

"Es gibt so viele andere! Diesen Ryu, Taiki, und Umino hat bestimmt auch ein paar nette Freunde, und...", stammelte Akira.

"Ich liebe dich, du Idiot!", blaffte sie ihm entgegen. "Wenn wir nach einem erfüllten gemeinsamen Leben einzeln von dieser Welt gehen müssen, dann soll es so sein! Aber dich hier und jetzt zu verlieren und zum Leben verdammt zu sein, das will ich nicht! Und hör mir auf mit Ryu oder Taiki! Du bist es, du und kein anderer!" Zornesröte schoss über ihre Wangen. "Es warst immer nur du, du allein! Aber das hast du schon im SilverMillenium nie begriffen!"

Verwirrt starrte Iskander SailorMerkur an, für eine ewig lange Zeit - in etwa acht Tausendstel einer Sekunde. "Was? Aber... Aber du..."

"Du hattest Recht, damals wollte ich meine Pflicht tun, indem ich einen der vier Shitenno Endymions heiratete und die Bande zwischen SilverMillenium und Goldenem Königreich damit festigte. Es war eine reine Zweckverbindung gewesen, von der ich mir eingeredet hatte, dass sie sein musste. Aber ich war zu feige, zu schwach, um dir nachzugeben, meinen Gefühlen nachzugeben, dich zu wählen. Ich gebe zu, ich hatte auch Angst davor, was du sagst, wenn ich zugebe, dass du Recht hattest. Ich war schon immer ein peinlicher Dickkopf, das weißt du."

"Ami, ich..."

"Und hier und heute mache ich den gleichen Fehler wieder! Halte dich auf Distanz! Verheimliche dich vor meinen Freundinnen wie etwas Verbotenes! Gebe vor, die Heimlichkeit wäre besonders reizvoll für mich! Dabei ist es nur die Angst, die Angst davor, dir ganz zu verfallen, mein Leben aufzugeben, stattdessen das Uns zu wählen! Ich habe Angst, Akira, Angst davor, was von mir übrig bleibt, was von dir übrig bleibt, wenn es nur noch uns gibt..."

Ihr Blick wurde flehentlich. "Im SilverMillenium wuchs ich als Mündel der Königin auf, hatte nie eine Familie. Und hier, in diesem Leben, wurde ich in die Familie Mizuno geboren, die bald nach meiner Geburt zerbrach. Ich hatte nie wirklich einen Vater, immer nur eine Mutter! Ich... Ich weiß nicht, wie "wir" geht, Akira, und ich hatte Angst davor, es herauszufinden... Bis vor kurzem. Bis zu jenem Moment nach dem GunSuit-Angriff auf Makoto. Als ich spürte, dass es für uns alle gefährlich wird, dass unsere Zukunft wieder vage geworden war, da wollte ich... Da musste ich Klarheit haben. Verstehst du das?"

"Natürlich. Deshalb habe ich dich wieder freigegeben", sagte Akira sanft. "Wie viel Zeit können wir erkaufen?"

"Etwa eine Minute, wenn wir uns weiter auf diesem Niveau konzentrieren. Genug Zeit für Aelion und seine Leute, um den Turm zu evakuieren und einen Notschirm zu aktivieren, der einen Kamin in die Stratosphäre bildet. Die Energie der Explosion wird dorthin abstrahlen, und die Beiboote des Seelenschiffs werden die Luft reinigen, bevor der Fallout das Land verseuchen kann. Zumindest zu einem großen Teil." Sie senkte den Blick. "Ja, du hast mich freigegeben. Aber das war nicht, was ich in dem Moment von dir wollte, als ich von Veränderungen sprach, du Idiot."

Verwirrt sah Akira sie an. "Was? Aber so wie du mich immer veheimlicht hast, mich versteckt hast, da dachte ich, dass du mich... Ich hatte immer Angst davor, dass du nur glaubst mich zu lieben, weil ich dein Leben gerettet habe. Ich hatte immer Angst davor, dich zu plötzlich zu verlieren, weil du erkannt hast, dass du mich doch nicht liebst, oder weil du die Lüge nicht länger aufrecht erhalten willst. Ich wollte es dir leicht machen."

"Ach, und deshalb hast du gleich mit Yaten geflirtet?", konterte sie.

"Yaten ist für mich ein sehr besonderer Mensch, ein sehr guter Freund. Sie ist wichtig für mich", betonte Akira.

"So wichtig wie ich?", fragte Ami.

Akira zögerte, begegnete ihrem Blick. "Nein. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Und deshalb musst du jetzt gehen."

"Hast du mir nicht zugehört? Ich gehe nirgendwohin! Ohne mich wird die Bombe unkontrolliert explodieren und alles vernichten, was wir, was Usagi und Mamoru hier aufgebaut haben! Und ohne dich ist mein Leben nichts mehr wert! Akira, als ich Veränderungen wollte, da wollte ich den nächsten Schritt mit dir gehen... Meine Angst hinter mir lassen, dir vollkommen vertrauen, eins mit dir sein. Ich wollte dich..."

Hätte man es sehen können unter dem Helm, man hätte sehen können, wie tiefe Röte Akiras Wangen erfüllte. "D-du meinst heiraten?"

"Das ganze Programm. Heiraten, Familie gründen, Kinder kriegen. Ach, und natürlich den Sex nicht vergessen. Sailorkrieger kriegen keine Nymphengeburten hin, weißt du? Vorausgesetzt, du weißt, was das ist, dieser Sex."

Akira riss das Visier auf. "Ich weiß verdammt noch mal, was Sex ist! Aber ich habe dich nie gedrängt, weil ich immer..."

"Weil du immer noch diesen riesigen Minderwertigkeitskomplex mit dir herumschleppst, dass ich nur aus Pflichtgefühl, aus Dankbarkeit für mein Leben mit dir zusammen bin." Sie seufzte. "Als ich dir damals gesagt habe, ich hätte mich schon vor meiner Rettung in dich verliebt, war es eine Lüge."

"Ach", machte Akira. Er fühlte sich, als würde er in einen Abgrund stürzen, der schon immer seinen Namen getragen hatte. Als Ergebnis expandierte die Explosion eine volle Tausendstel Sekunde um acht Millimeter, bevor sein Griff wieder strikt genug wurde.

"Ich habe dich schon vorher geliebt."

"WAS?" Die Rüstung der Palastwache dess SilverMilleniums zersprang. Zurück blieb die blaue Uniform, die normalerweise seine Rüstung bildete. Sein Gesicht war erfüllt von wilder Hoffnung, von Zweifeln, von Angst, aber auch von einem Gefühl des erhabenen Glücks. Seine Augen lagen nicht im Schatten. Deutlich war zu sehen, dass sie glänzten wie rote Rubine.

Auch Amis Augen versanken in der toten Glut, als sie langsam wieder den Blick hob. "Als du mit Motoki Freundschaft geschlossen hast, als er dich mitgenommen hat, ins Café über dem Spielecenter seiner Familie, als er dich den anderen vorgestellt hat, habe ich mich auf den ersten Blick hoffnungslos in dich verliebt. Aber zugleich hatte ich auch das Gefühl, nicht den Hauch einer Chance bei dir zu haben. Ich habe Motoki nach dir ausgefragt, ihn gelöchert nach Details, aber besonders freigiebig war er nicht damit. Jetzt wissen wir ja, warum das so war. Artemis hatte seine Schnurbarthaare im Spiel. Wieder einmal.

Aber dann, als ich dir wirklich näher kommen konnte, als ich erkannte, dass Iskander und du ein und derselbe wart, als sich mein früheres Ich eingestand, warum sie Iskander von sich fern hielt, als ich verstand, dass mein altes Ich und mein neues Ich den gleichen Mann liebten, da... Da..."

Sie trat einen Schritt vor. ergriff die Hände des größeren Mannes mit den weißblonden Haaren. "Da habe ich gebetet für eine Chance, eine Gelegenheit, um dir näher zu kommen. Um bei dir zu sein. Und ich war so egoistisch, wollte diese Zeit mit dir nie mit jemand anderen teilen, wollte, dass es meine Zeit, unsere Zeit blieb. Aber es hätte mir klar sein müssen, dass du das missverstehst, wenn ich es nicht auch so sage." Hinter ihnen entstand ein Riss im Beton. Strahlend weißes Licht trat hervor, zu grell, um es ungeschützt ansehen zu können. "Als mich zuerst Tsunami und danach Armageddon übernommen hatten, da war immer in mir ein klarer, kühler Gedanke, in jenem Teil, der Ami Mizuno im übernommenen Körper geblieben war: "Akira wird dich retten. Er wird nicht zulassen, dass du diesmal stirbst." Ich habe Recht behalten."

"Ami..." Der Riss vergrößerte sich, während der Weißhaarige seine Stirn auf die des Mädchens legte. Er war drauf und dran, diese Frau zu schnappen, mit ihr per Step zu verschwinden und die nukleare Hölle hinter sich zu lassen, nur um sie zu retten, sich zu retten, das Wir zu retten, ihre gemeinsame Zukunft zu retten, auf Kosten der vielen Millionen Menschen da draußen.

"Ich..."

Ihre Miene verzerrte sich vor Schmerz und Glück. "Ich weiß. Ich will auch. Aber wir können nicht."

Seine Tränen tropften auf ihr Gesicht, vermengten sich dort mit ihren Tränen und flossen ihre Wangen herab. "Ja. Ich weiß."

"Aber wir können hier zusammen sterben. Dieses Mal. Und im nächsten Leben treffen wir uns vielleicht früher. Viel früher. Und dann ist vielleicht wenigstens einer von uns beiden mutiger."

"Ja. Beim nächsten Mal."

Das blendende Licht drohte den Raum zu erfüllen. Schon stieg die Temperatur auf einen Wert an, den ein Mensch ohne Sailorkraft nicht überlebt hätte.

Die Lippen der beiden trafen sich zu einem innigen Kuss. Sie hatten sich schon oft geküsst, auch französisch, aber dieser Kuss war so viel mehr, so viel größer. Das grelle Licht erfüllte alles im Kellerraum, sodass ihre Konturen zu verschwimmen begannen.
 

"Ja, ja, ja...", seufzte eine Männerstimme neben ihnen. "Habe schon verstanden. Wahre Liebe und so, nicht wahr? Was wäre ich für ein SeedKing, wenn mich das nicht berühren würde?"

Die beiden fuhren herum. Neben ihnen stand ein Mann mit weißen Haaren, gehüllt in die Uniform des SilverMilleniums, in der Hand den berühmten Zeigestab Iskanders (vielmehr eine Replik aus Sailorkraft), die Augen unter dem Schatten seines Ponys tiefrot glühend. "Tsunami!"

"Na, ich bin ja auch noch da", erklang von der anderen Seite eine Frauenstimme.

Ihre Köpfe ruckten herum. Die Frau in der Sailoruniform mit den blauen Akzenten und dem blauschwarzen Haar lächelte, während ihr Gesicht von den tiefroten Augen dominiert wurde. "Armageddon!"

"Wir haben lange genug geschlafen, Kraft gesammelt, um sie in eurem Sinne zu verwenden", sagte die SeedQueen. "Wir haben euch kennengelernt und sind fast dran verzweifelt, wie Ihr immer wieder aneinander vorbei laufen konntet. Tatsächlich haben Tsunami und ich einen Notfallplan, den wir früher oder später eingesetzt hätten, um euch zu zwingen, das zu tun, was Ihr gerade getan habt: Euch auszusprechen."

Tsunami lächelte und nickte bei den Worten der SeedQueen. "Aber das ist ja nun nicht mehr nötig. Stattdessen denke ich sollten wir das tun, was jetzt das Richtige ist. Nämlich euch beiden das Leben retten." Tsunami lächelte, reichte Armageddon die Hand über Ami hinweg und führte sie um die beiden Krieger herum. Sie traten auf den Spalt zu. Das Licht wurde dabei dünner und dünner, bis es beinahe erlosch.

"Was habt Ihr vor?", rief Akira.

"Die Bombe ist nicht mehr eure Aufgabe, Akira", sagte Armageddon. "Ihr wurdet nur gebraucht, um die Explosion einzudämmen. Alles andere erfolgt nun streng nach Hotarus Plan." Die SeedQueen seufzte. "Hotaru-chan hatte vollkommen Recht. Ich würde gar nicht anders können, als den beiden bedauernswerten, ungeschickten Dummköpfen zu helfen."

"Das gleiche hier", schmunzelte Tsunami.

"Ihr zwei, das war fies", murrte Ami.

"Nicht so fies wie euer peinliches Umeinanderherumgelaufe der letzten Jahre", konterte Armageddon.

Die beiden Seeds positionierten sich über der Bombe. Tsunami lächelte und ergriff die andere Hand Armageddons. "Spürst du es? Helios ist da."

"Ja", antwortete die SeedQueen.
 

Der Wächter des Hauses Endymions materialisierte zwischen den beiden. "Ah, die Bombe. Bereits fertig in den Gyrokreisel eingebaut, der dem SilverMillenium aus den USA geliefert wurde. Die gleiche Firma, die auch die GunSuit-Fabrik auf Amerikanisch-Samoa erbaut hat. Ich erkenne ein Muster", scherzte er. Der Junge sah zu Ami und Akira herüber. "Die Zeit läuft wieder normal, falls Ihr es noch nicht bemerkt habt. Tsunami und Armageddon haben so viel Kraft gesammelt, dass sie die Explosion problemlos in ihrem jetzigen Status halten können, zumindest für ein paar Stunden. Mehr als genug Zeit für uns, die Geschichte ein für allemal zu beenden. Aber ich kenne da ein gwisses Mädchen mit Sailoruniform und violettem Rock, dem ich gerne mal den Hintern versohlen würde. Diese Geheimniskrämerei ist nicht mein Ding."

"Beenden? Wie?", fragte Akira verblüfft.

"Ami-chan, Akira-san, wir werden jetzt eure Hilfe brauchen", erklang eine Männerstimme hinter ihnen.

Ami fuhr herum und spritzte davon, so weit sie es konnte, ohne Akira loszulassen. "Saphir! Aber... Aber wir haben dich... Was?"

Der schwarzhaarige Mann lächelte. "Es ist kompliziert. Sehr kompliziert." Hinter ihnen brach der Boden auf. Die geballte und gebändigte nukleare Kettenreaktion trat daraus hervor, umschirmt und gebannt von SeedQueen und SeedKing. "Hier aber seht Ihr das eigentliche Herz des Turms des SilverMilleniums. Jenes Herz, das dereinst den Turm beschützen wird, unterstützt von den vier inneren Sailorkriegern in der Zeit, in der wir das SilverMillenium angreifen werden... Also die jüngeren Ichs von mir und meinem Bruder. Aber das ist noch nicht die ganze Wahrheit." Sein Lächeln wurde ernst. "Dafür müssen wir eine neue Welt erschaffen."

"Was, bitte?"

"Du wirst es verstehen, sobald Helios beginnt, uns von der Energie zu schicken, die Armageddon und Tsunami bändigen. Wir beenden den Krieg mit einem Schlag. Das verspreche ich."

"Das wird aber hoffentlich eine sehr lange Erklärung", murrte Akira.

Saphir verschwand vor ihren Augen, und die beiden Sailorkrieger folgten ihm ohne zu zögern.

***

Die Werte, die in dieser Abwehrschlacht vernichtet wurden, gingen in die Milliarden. Volkswirtschaften hatten Jahre, ja, Jahrzehnte dafür schuften müssen, um diese Werte der Zerstörung zu erschaffen, um den Atomwaffenstaaten der Erde die Möglichkeit zu geben, ihre Feinde zu Asche zu verbrennen und ihr Land für eine sehr lange Zeit radioaktiv zu verseuchen. Ihre einzige Aufgabe war die Zerstörung, die Verbrennung, die Verseuchung. Tauende Raketen waren erbaut, mit teurer waffenfähiger kritischer Masse aus Plutonium und anderen hochkritischen Elementen ausgestattet und mit Milliardenaufwand kombiniert worden. Nun schoss fast die ganze Welt auf Japan, schickte diese Milliarden auf die Reise, ihrer Erfüllung entgegen, zu vernichten und zu zerstören. Aber dazu kam es nicht.
 

Wo die Raketen gen Okinawa flogen, gerieten sie in Usagis mächtigen Wall. Einige Raketen zündeten in der Hoffnung, ihre Explosion würde den Schild ins Wanken bringen. Einige wurden daran zerquetscht wie Blechbüchsen, weil der Schild nicht nachgab - der Stahl der Raketen schon.
 

Über Kyushu hatte SailorMars einen etwas anderen Weg gewählt. Unterstützt von den SeedGenerälinnen wehrte sie die heraneilenden Atomraketen mit ihrem Bogen ab, schoss Dutzende Pfeile in der Sekunde ab, von denen jeder sein Ziel traf. Sie schoss nie daneben. Und worauf sie nicht schoss, das holten sich Rose und Targethia.
 

Im Norden Japans, über Hokkaido, unterstützte die beste GunSuit-Abteilung Japans unter Major Ayoka SailorJupiters Kampf gegen das Gros der Raketen; da dieser Teil Japans dem Festland am Nächsten war, und da viele Raketen über den Nordpol geschickt worden waren, trafen hier die meisten ein. Ihre Explosionen erfüllten den Himmel von Horizont zu Horizont.
 

Der Westen war einigermaßen ruhig, was Raketen anging. Aber nachdem SailorVenus energisch demonstriert hatte, was sie von den zwölf mit Sizzlern bewaffneten Frachtschiffen gehalten hatte, hätte es auch keinen nennenswerten Widerstand mehr geben können. Danach machte sie zusammen mit Jedithe Jagd auf die atomaren Unterwasserträger der Russen, um sie in bewährter Manier aus dem Meer zu angeln.
 

Als die letzte Rakete verging, als ihre Trümmer gen Erdboden oder Meer fielen, als im Hauptquartier das letzte Kreuz bei einer Absturzstelle gemacht worden war, um das spaltbare Material für die Entsorgung (in der Sonne) zu bergen, war die Erde abgerüstet worden. Um etwa fünfundneunzig Prozent aller einsatzbereiten Atomwaffenträger mit mittlerer und interkontinentaler Reichweite. Aber das nur nebenbei. Was viel wichtiger war, das war das Fernsehbild, das von sämtlichen Sendern Japans um die Welt geschickt wurde. Es zeigte einen strahlenden Botschaftsturm des SilverMilleniums - und ein vollkommen verwüstetes, bis auf den letzten Stein zerstörtes Umland... Und dies auf einer Fläche, die das Gros des Großraums Tokio umfasste, auch das Hauptquartier der JSVS.

***

"Unser Ziel ist erreicht", sagte die umgestürzte Pyramide. "Die Fernsehbilder beweisen, dass Tokio zu einem Großteil zerstört wurde. Noch wichtiger, der Turm des SilverMilleniums steht noch. Ihre eigenen Leute konnten sie schützen, nicht aber die halbe Million Unterstützer vor ihren Toren."

"Ich werde das entsprechend ausschlachten", sagte der Goldstern. "Meine besten Reporter schreiben schon daran. Ihre Artikel werden die Geschichte so umschreiben - und ich meine die Weltgeschichte - sodass wir als die Retter der Welt dastehen, vor der Invasion, die uns gedroht hatte."

"Schön und gut", sagte das Holzstäbchen-X, "aber vergesst Ihr nicht eine Kleinigkeit?"

"Was denn? Was sollte unseren Sieg jetzt noch trüben? Es mögen Sailorkrieger überlebt haben, aber wer wird ihnen jetzt noch zuhören, wer sie aufnehmen wollen?", fragte das rote Z spöttisch. "Sie werden mit den Beibooten zum Mond fliegen, und unser Volkszorn wird dafür sorgen, dass wir ihnen in wenigen Jahren folgen können, um sie auch dort zu vernichten."

Ein weiterer Monitor flammte auf. Das Symbol der weißen Wolke erschien. "Was der werte Kamerad meint, das ist die Frage, warum Prinzessin Kakyuus Raumschiff auf den Bildern nicht zu sehen ist, Ihr Dummköpfe! Selbst wenn es abgestürzt wäre, müssten wir das Wrack sehen!"

"Es wird aufgestiegen sein, raus aus der Katastrophe", sagte Goldstern. "Noch etwas, was wir medienwirksam ausschlachten können. Noch etwas, was wir... Wer...? Was...? Was wollen Sie?" Der Monitor mit dem Goldstern erlosch.

"Was passiert da?", fragte Holzstäbchen-X überrascht. "Was ist mit unserem Medienmogul geschehen?"

"Das gleiche, was auch dir wiederfahren wird", sagte die Wolke gelassen. "Das gleiche, was euch allen passieren wird. Die Häscher sind unterwegs. Niemand wird ihnen entkommen. Auch du nicht, Pyramide. Euer Vertrauen darauf, dass die Bilder aus Tokio echt sind, dass Ihr gesiegt habt, hat euch unvorsichtig gemacht. Ich habe lange auf eine solche Gelegenheit gewartet." Die weiße Wolke verschwand. An ihre Stelle trat das Bild einer Frau, eine aktuelle Live-Aufnahme ihres Gesichts. Ein Sakrilegs in dieser Gemeinschaft. Aber es war nicht irgendeine Frau. Es war Setsuna Meio, besser bekannt als SailorPluto, die Hüterin der Zeit. Nun, es war zu bezweifeln, dass sie hier als Hüterin der Zeit bekannt war, aber das waren nur Details, kleinliche Details. "Und hier und jetzt weiß ich von jedem von euch, wo er oder sie ist, was er oder sie ist, und welche Machtmittel er oder sie hat."

"Du hast nicht die Macht, das zu tun!", zischte das rote Z.

Ein weiterer Monitor flammte auf, der noch nie aktiv gewesen war. Auf ihm prangte ein Adler. "Aber ich habe diese Macht, und viele Staatsoberhäupter, die wie ich denken, haben diese Macht. Und wir setzen sie genau jetzt ein." Das Symbol verschwand. Es erschien der Präsident der USA. "Und ich hole jetzt verdammt noch mal mein Weißes Haus zurück! Ich komme Sie holen, Pyramide!"

Auf einen Schlag erloschen alle Monitore, bis auf den von Setsuna und den des Präsidenten.

"Das war leicht", scherzte er.

"Das war auch nur der Anfang", erwiderte sie.

***

"Ich glaube, ich kriege gleich einen Herzinfarkt", stammelte Akira. Gemeinsam mit Diamant, Saphir, Helios und Ami stand er auf dem Balkon auf mittlerer Höhe, auf dem sie angegriffen worden waren. Er sah auf das Umland, das... Nun, vollkommen zerstört war. Soweit das Auge reichte, breiteten sich Trümmer und Wüste aus. "Bitte sagt mir, dass wir nicht dabei geholfen haben. Bitte sagt mir, dass das nicht real ist."

"Oh", sagte Diamant, schlug die Kapuze zurück und trat an die Balustrade, um sich am Geländer schwer abzustützen, "es ist real. So real, wie Realität nur sein kann. Etwas anderes würde unsere jüngeren Ichs nicht täuschen. Es muss schon eine Parallelrealität sein."

"Was, bitte?", fragte Akira verständnislos.

"D-das ist genial!", rief Ami. Sie stürzte an das Geländer heran. "Ich habe mich immer gefragt, wie wir die Zukunft der Zerstörung durch die Familie des Bösen preisgeben können, obwohl wir von dieser Zukunft wissen! Jetzt verstehe ich! Das tun wir gar nicht!"

"Natürlich tun wir das nicht", sagte Usagi, genauer gesagt Usa-chan. Sie materialisierte zwischen Ami und Akira. "Aber wir tun es eben doch. Wir tun es zu einem gewissen Teil, um mein jüngeres Ich zu täuschen und sie auf ihre Zeitreise zu schicken." Sie sah mit brennenden Augen auf das Chaos hinab. "Und sie wird es glauben, mit jeder Faser ihrer Seele. Und die Sailorkrieger aus der Vergangenheit werden hier, in dieser Parallelwelt, Diamant und seine Familie aufhalten..."

"Moment mal, Moment, noch mal für die billigen Plätze", sagte Akira. "Ich weiß, dass in der Zukunft, wenn Usa-chan sechs oder sieben Jahre alt ist, dieser Ort zerstört werden wird, weil die Familie des Bösen aus der Zukunft angreift. Die Sailorkrieger der Inneren Planeten werden dabei den zukünftigen Palast abschirmen, bis ihre jüngeren Ichs eine Zeitreise machen und diese Zukunft retten. Und das ist hier?"

"Ja", sagte Saphir schlicht. Er trat ebenfalls an den Balkon heran. "Dies ist keine Illusion. Es ist eine Realität. Eine Variante. Eine Welt in einer Tasche, wenn Ihr so wollt. Wir zeigen sie der restlichen Erde, um sie zu überzeugen, Tokio wäre vernichtet. Und in nicht allzu ferner Zukunft wird diese Welt unsere jüngeren Ichs glauben machen, sie hätten das SilverMillenium komplett zerstört, bis auf dem Turm. Stattdessen trafen all ihre Schläge diese Teilrealität, die wir heute vorbereitet haben. Die wir für die Zukunft brauchen, um sie zu täuschen. Und wir wissen nur zu gut, wie realistisch diese Welt sein muss, um sie täuschen zu können. Es muss sein, um den Fortlauf der Zeit zu gewährleisten."

"Und was ist mit dem echten Tokio?", fragte Akira verwirrt.

"Schön, dass du das fragst", sagte Usa-chan. "Aelion, ist alles bereit?"

Der Millenier verneigte sich leicht. "Es ist alles bereit, Hoheit."

"Dann sollten wir das Taschenuniversum in die Tasche zurückpacken, bis wir es brauchen." Sie schnippte mit den Fingern. Aus den Tiefen des Turms brach Licht hervor, brach sich Bahn, brachte die mittlere Spitze zum Erleuchten. Und während das Leuchten das Land überflutete, schien die Landschaft der Zerstörung dahinzuschmelzen und einer anderen, farbenfroheren, belebteren Welt Platz zu machen. Nach und nach, an den Rändern beginnend, verschwand die verwüstete Welt und machte der anderen Platz, die erfüllt war mit Leben, mit noch immer stehenden, unverwüsteten Gebäuden, mit Zivilisation.

Als all dies abgeebbt war, bot sich den Betrachtern das Bild, das sie vor dem Angriff von diesem Balkon gehabt hatten: Der Blick auf fünfhunderttausend Menschen, die zur Unterstützung des SilverMilleniums zusammengekommen waren.

"Okay", sagte Akira stockend, "jetzt bin ich beeindruckt."

"Mach ein "wir" draus", sagte Ami tonlos.

"Wir werden Tsunami und Armageddon hier behalten müssen", sagte Saphir, während sein Blick über das Land - das unverwüstete Land - hinwegging. "Wir brauchen sie als Eindämmung für die Explosion, die uns tatsächlich die Energie liefert, um das Taschenuniversum zu erhalten und einzusetzen, wenn seine Zeit gekommen ist. Ihr beide habt die Explosion gebändigt und damit nutzbar gemacht, Helios war so nett, die Kanäle zu erschaffen, die wir für die Energie benötigen, und uns oblag es, diese Realität so..."

Diamant legte eine Hand auf die Schulter seines Bruders. "Spar dir den Atem. Die beiden hören dich eh nicht mehr", sagte er schmunzelnd.

Ami und Akira lagen sich in den Armen, erleichtert, noch immer ein wenig verkrampft, aber eben erleichtert. Sie klammerten sich aneinander wie Ertrinkende an die letzte Rettung. Und diese Geste sagte mehr aus, als es jeder Kuss getan hätte. Nicht, dass sie sich NICHT geküsst hätten. Und nicht, dass... Nun, sie hatten eigene Räume in der Botschaft, auch wenn wohlmeinender Spott behauptete, Akira hätte sein Bett auf der Krankenstation.

"Na endlich", seufzte Aelion. "Das war ja kaum noch auszuhalten gewesen." Der Millenier runzelte die Stirn. "Was bitte machst du da, Usa-chan?"

"Nur ein Beweisvideo mit meinem SmartBracelet. Für den Fall, dass sie meinen, sie würden wieder mal mit halbherzigen Lügen durchkommen. Bei uns oder bei sich selbst."

"Keine schlechte Idee", schmunzelte Aelion.

***

Beinahe unbemerkt von den mittleren Chargen wurden die obersten Verschwörer festgenommen. Aber das würde nicht lange so bleiben. Die Beweise, von SailorPluto in akribischer Arbeit gesammelt, und dank ihres Zeitreisetalents absolut wasserdicht, würden schon bald dazu führen, dass die Heimatländer der Verschwörer offiziell Anklage gegen sie erheben würden. Die Hauptanklagen lauteten auf Provozierung eines Krieges, Verschwörung, Hochstapelei, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen von besonderer Brutalität gewaltsamer Putsch. Wohl den obersten Putschisten, allesamt schillernde Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und alle sehr reich und mächtig, die in einem Land lebten, das die Todesstrafe abgeschafft hatte. Oder zumindest an den internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgeliefert wurden. Die oberste Riege hatte aus sieben Menschen bestanden, außer Setsuna Meio natürlich. Danach folgten weitere Personen in hohen Ämtern, Rängen und Kapitäne großer Industrien, aber diese sieben waren eindeutig die Drahtzieher, jene, die die Welt nicht sehen wollten, die Serenity und das SilverMillenium zum Wohle aller schaffen würden, aber auf Kosten des Ultrawohlstands einer weniger. Derjenige, der alles initiiert hatte, war der russische Multimilliarder Wladimir Kutow, Herrscher über Erdöl, Erdgas, ein Imperium an Medienbetrieben und einem eigenen Abgeordneten in der Duma.

Darauf folgte der neuseeländige Medienzar Robert Hammok mit seinem weltweiten Zeitungs-, und Fernseh-Imperium.

Der hochdekorierte US-Admiral Klaus von Schneider, der wegen seiner Hardliner-Haltung vom Präsidenten kurz nach dessem Amtsantritt in den Ruhestand geschickt worden war, unter anderem wegen dessen unversöhnlicher Haltung gegen das SilverMillenium, das nach seinen Worten "US-Geschäfte in Schwarzafrika stört und definitiv einen Denkzettel braucht".

Vierte im Bunde war Lene Hupf, ebenfalls Milliardenerbin und oberste Aktionärin des europaweiten Mediennetz ihres italienischen Gatten, der unter noch nicht ganz geklärten Umständen vor einigen Jahren verstorben war. Gerüchten zufolge war es Herzschlag im Bett gewesen, und Hupf hatte immer wieder betont, es sei ihr Bett gewesen.

Nummer fünf war Harold Kwan, greiser, aber immer noch hochaktiver Bankchef der Royal Bank of Asia-Kette, schwerreich und in so ziemlich alles verwickelt, was international gehandelt werden konnte.

Der Sechste im Bunde war der ukrainische Multimilliardär Sören Fokk, der sich nach dem Zerfall der Sowjetunion daran gesund gestoßen hatte, staatliche Firmen für ein Butterbrot aufzukaufen und erheblich unter Preis, aber immer noch mit einem satten Gewinn in den Westen zu veräußern.

Nummer sieben, und damit die Spitze einer Pyramide aus hunderten hochrangigen Verschwörern aus Wirtschaft, Politik und Militär, etlichen Generälen, Direktoren und Ministern, war Dörte Fitz, hochangesehene Koryphäe der Soziologie, Nobelpreisträgerin und erimierte Professorin, die als die Spitzenkönnerin angesehen worden war, wenn es um die zukünftige Entwicklung der Menschheit gegangen war... Zumindest bis das SilverMillenium all ihre Prognosen über den Haufen geworfen hatte. Von ihr war ein Großteil der Pläne entwickelt worden, die beinahe zur Vernichtung des SilverMilleniums und Japans an sich geführt hätten. Letztendlich war es eine Fehlprognose gewesen, die den Plan hatte scheitern lassen: Die Koalition aus Verrätern Chinas, Russlands, des Vereinigten Königreichs und der USA war eben doch noch nicht bereit gewesen, um die Sailorkrieger zu vernichten.
 

Aber noch erfuhr die Welt nichts davon, denn die mittleren Ebenen der Verschwörung spielten nun ihr Programm ab, das für den Fall des absoluten Erfolgs vorgesehen gewesen war. Ihre Medien berichteten ausführlich von der Vernichtung Tokios, nicht ohne immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Botschaft noch scheinbar unberührt stand. Zweifel an Serenitys Integrität wurden laut, die Kriegsschuld eindeutig dem SilverMillenium zugewiesen. Und noch bevor die erste Stunde um war, forderten die ersten Fernsehsender eine Intervention, um den Turm auch noch zu vernichten und "das ganze Invasorenpack zurück zum Mond zu jagen". Leider begingen diese "mittleren Ebenen" einen kapitalen und recht logischen Fehler. Sie unterschätzten die Menschen. Menschen, die im Internetzeitalter lebten. Menschen, die sich nicht nur auf das Fernsehen als Informationsquelle verließen. Menschen, die ganz genau erlebt hatten, wer hier wen attackiert hatte. Menschen, die von SailorMoon vor dem Tod unter dem Eispanzer gerettet worden waren.

In sozialen Netzwerken kursierten Gerüchte, Informationshappen, wilde Verschwörungstheorien wurden aufgestellt, von denen einige erstaunlich nahe an der Wahrheit lagen. Natürlich gab es auch hier bezahlte Komparsen, die Stimmung gegen das SilverMillenium machten, aber im Internet war es ungleich schwerer, die eigenen, illegalen und massiven Angriffe auf ein souveränes Land, dem nicht einmal der Krieg erklärt worden war, als Notwehr oder Selbstverteidigung zu verkaufen.

Während also die ersten Zeitungen in den Druck gingen, die den "Sieg" verkündeten, während die Fernsehsender sich mit Sondersendungen zum Ende des SilverMilleniums überschlugen, wuchs im Netz der Widerstand. Und nach dem Ablauf der ersten Stunde kam es zu den ersten spontanen Demonstrationen gegen eine Fortführung dieses Kriegs. In allen großen Städten gingen die Menschen auf die Straße. Immerhin hatte SailorMoon ihnen das Leben gerettet, ihnen allen.

Und just in dieser Stunde jagte ein Link durch die sozialen Netzwerke, wurde angeschaut, angestaunt, weiterverbreitet und weit gestreut. Als die Mächtigen auf ihn aufmerksam geworden waren, hatten ihn über eine halbe Milliarde Menschen bereits angeklickt. Und die Zahl der Menschen, die es taten, schoss exponentiell in die Höhe. Videos wurden gezogen und ebenfalls verbreitet, nur für den Fall, dass der Link, der zu einer Webcam führte, gestört werden würde. Denn was der Link zeigte, das war Tokio, aufgenommen vom Botschaftsturm des SilverMilleniums. Das unzerstörte Tokio in den beginnenden Abendstunden, dessen Straßen noch immer von Hunderttausenden Unterstützern des SilverMilleniums gefüllt waren. Und dann, als die Mächtigen doch eingriffen und versuchten, die Verbreitung des Links zu unterbinden, begannen auch die japanischen Sender die Wahrheit zu berichten. Dass Tokio nicht zerstört war, dass sich das SilverMillenium nicht feige hinter ihren Schild zurückgezogen, sondern bis zum Ende gekämpft hatte. Bilder der Sailor bei ihren entscheidenden Schlägen gegen die Raketen wurden gezeigt, wieder und wieder. Bilder der GunSuits und der Jagdflieger, der Raketenabwehrtruppen, all das ging um die Welt und zeigte: Japan gab es immer noch. Serenity gab es immer noch. Und diesen Fakt konnten die Verschwörer, nachdem sie ihre Masken hatte fallen lassen, nicht mehr aus der Welt schaffen. Dann jagten die Meldungen der Verhaftungen durch das Netz, die Anklagen wurden bekannt. Zuerst blieb die Presse loyal ihren Geldgebern gegenüber. Wer bis jetzt noch nicht den Hut genommen hatte, besaß kaum nennenswerte Skrupel. Dann aber wurde den Verschwörern klar, was es bedeutete, dass diese sieben Leute die erlesene Spitzengruppe, die niemand wirklich kannte, repräsentierten: Die Verschwörung war gescheitert, und ab hier würden die Häscher von oben nach unten ausschwärmen, um selbst den letzten aktiv Beteiligten vor den Kadi zu zerren. Es war nicht überraschend, dass ganze Zeitungstagesausgaben daraufhin eingestampft wurden und neue Schlagzeilen bekamen, dass Fernsehsender ihr Programm umschmissen und tt Hasstiraden gegen das SilverMillenium nun zu Lobpreisungen wechselten, in der vagen Hoffnung, das würde ihnen den Hals retten. Nun, bei den meisten tat es das nicht. Es war relativ unmöglich, einem Gegner zu entkommen, der die Zeit beherrschte, der an jeden beliebigen Punkt der Zukunft reisen konnte, um dort in irgendeinem Bericht nachzuschlagen, wo sich welcher Verschwörer wann aufgehalten hatte, nur um dieses Wissen in der Gegenwart weiterzugeben. Setsuna und Hotaru waren sehr, sehr gut organisiert. Und als in Tokio der nächste Morgen graute, gab es das SilverMillenium noch - die Verschwörung allerdings nicht mehr.

Auf die weitere Zukunft der Verschwörer einzugehen würde zu weit führen. Nur so viel: Vermögen wurden konfisziert, Unternehmen zerschlagen und gestückelt verkauft und Menschen zu langen Haftstrafen verurteilt. Natürlich mit der Chance auf Resozialisierung. Nach ein paar Jahrzehnten Haft.

Das letzte Tüpfelchen auf dem I aber kam aus dem Weltall...

***

Die Fernsehansprache der rothaarigen Frau wurde über die ganze Welt übertragen. Notgedrungen, denn wer immer sich geweigert hätte, hätte sich schnell dem Verdacht ausgesetzt, aktiver Teil der Verschwörung zu sein. Die Frau hätte ein Mensch sein können, auf Erden geboren, aber das war sie nicht. Inwieweit ihr Erbgut mit dem der Menschen übereinstimmte, würden die Wissenschaftler des SilverMilleniums sicher noch ermitteln; noch immer hielten sich die Gerüchte über ein GoldenMillenium vor dem ersten Mondreich hartnäckig, dessen Überlebende nicht nur das neue Reich gegründet, sondern auch über die halbe Galaxis geflohen waren und etliche Welten besiedelt hatten, aber das auch nur am Rande. Aber eines war auf jeden Fall klar: Diese Frau und ihr Raumschiff, die Sternensänger, standen ganz klar auf der Seite des SilverMilleniums. Und ihr Lächeln war so süß, dass selbst gestandene Männer weiche Knie bekamen, wenn sie es sahen.

"Ich bin Kakyuu, Königin von Kinmoku und Oberhaupt der Galaktischen Allianz. Ich bin auf die Erde gekommen, um das SilverMillenium in den galaktischen Reigen aufzunehmen, um ihnen und ihrer obersten Repräsentantin Serenity einen ständigen Sitz im Rat der Planeten anzubieten. Darüber hinaus wollten wir handverlesenen Menschen anbieten, ihre Welt zu verlassen und die anderen galaktischen Kulturen zu studieren und die menschliche Kultur in all ihren Facetten vorzustellen, der Galaxis zu zeigen, wie aufrecht, wie tapfer, wie edel und wie rechtschaffen die Menschen sind. Ich fürchte allerdings, dass wir dieses Angebot nach dem atomaren Angriff auf das SilverMillenium nicht aufrecht erhalten können. Die Menschheit hat sich als zu unreif, zu obrigkeitshörig erwiesen. Ihr fehlt die kosmische Reife, um im Reigen der Nationen eine gleichberechtigte Position einzunehmen. Viel zu viel muss sie ändern, um überhaupt als etwas anderes denn eine Gefahr für die anderen Zivilisationen angesehen zu werden. Aggressivität, Kleinstaaterei und Ellenbogenkapitalismus sind keine Zeichen von Fortschritt, sondern von Rückschritt. Solch eine Menschheit ist nicht reif, nicht dazu in der Lage, in den Kontakt mit anderen Völkern zu treten, wenn es nicht einmal ihren eigenen Staaten eine friedliche Koexistenz aufrecht erhalten kann.

Bis auf weiteres wird Kontakt zur Galaxis nur über das SilverMillenium erfolgen, gesteuert, mit kleinen Quoten und überwacht. Aber die Galaktische Allianz ist bereit, verhandlungsbereit. Schon kleine Zeichen des guten Willens können in diesen Tagen den Leumund der Menschheit verbessern. Eine Reduzierung der Waffen zum Beispiel, eine allgemeine und weltweite Verbesserung der Lebensbedingungen, natürlich angepasst an die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen vor Ort. Freier Zugang zu Lehrmöglichkeiten für alle Menschen und die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen. Für uns Galaktiker ist eine Welt befremdlich, auf der es mehr als eine Nation gibt. Die Erde hingegen kennt zweihundertachtzehn. Überwindet diese Dinge, und unsere stets offene Hand wird euch erreichen.

Einen ersten Schritt habt Ihr schon getan, als Ihr fünfundneunzig Prozent eurer atomaren Massenvernichtungswaffen habt zerstören lassen. Das war ein guter Anfang. Die Galaktische Allianz nimmt dies als Erlaubnis, auch die restlichen Kernwaffen auf der Welt zu zerstören sowie die Möglichkeit zu unterbinden, neue Kernwaffen zu erschaffen. Permanent, auf Dauer, für alle Staaten der Erde, ohne eine Chance oder Möglichkeit, uns zu unterlaufen. Damit wird das Ende einer atomaren Bedrohung eingeleitet, die als Damoklesschwert seit sechzig Jahren über der Menschheit geschwebt hat. Und dafür, dass es nun nicht zur Übervorteilung einzelner Nationen kommt, wird Serenity sorgen. Dies ist ihr Versprechen an die Menschheit: Wenn die Menschen ihr vertrauen wie bisher, wird sie weiterhin ihr Bestes für sie alle geben.

Ich bin Königin Kakyuu, Oberhaupt der Galaktischen Allianz. Und ich breche jetzt mit der Sternensänger auf, um jede einzelne Atombombe auf dieser Welt zu neutralisieren. Auf das die Menschheit ein Volk wird, das wir gerne und ohne Angst im Reigen der galaktischen Völker begrüßen werden."

Sie hielt Wort. Nach nicht einmal einem Tag war die ganze Erde Kernwaffenfreie Zone geworden.

***

"Bitte nach dir, Iskander", sagte SailorUranus zuvorkommend und ließ dem Weißhaarigen den Vortritt. "Und keine Sorge, wir haben bereits kontrolliert, ob jemand versucht, dich umzubringen. Bisher war es negativ."

"Haruka...", tadelte Michiru ihre Gefährtin, konnte aber selbst ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

"Danke", erwiderte Akira. Aber ein mulmiges Gefühl blieb, als er den Tunnel betrat, der ihn direkt zur britischen GunSuit-Fabrik im australischen Outback befördern würde. Er zögerte, dann aber gab er sich einen Ruck und trat hindurch. Ein genauer Beobachter aber hätte sehen können, dass er seinen berühmten Zeigestab ein wenig zu fest umschlossen hielt. Okay, seine Hand krampfte sich um den Zeigestab.

Haruka und Michiru folgten ihm auf dem Fuß, ihnen wiederum folgte ein Rattenschwanz an Milleniern, Elitesoldaten und Sailorkriegern.

Auf der anderen Seite erwartete sie der zum General beförderte Kenichi Kano. Er salutierte steif. "General Iskander! Es tut gut, Sie wohlauf zu sehen. Die Nachricht, dass Sie die Atomexplosion im Fundament des Turms bändigen wollen, hat mich das Schlimmste befürchten lassen. Schön, dass es nicht dazu gekommen ist."

"Äh", meinte Akira und deutete nach Rechts, "kontrolliert mich deshalb der Mann mit Geigerzähler auf Radioaktivität?"

"Der Mann ist Brite und hält sich nur an seine Vorschriften", erwiderte Kano amüsiert. "Keine Sorge, ich kenne die Sailorkraft und weiß, dass Sie nicht radioaktiv sind. Und alle britischen Truppen sind in diesem Moment nicht bewaffnet. Ganz davon abgesehen, dass hier niemand glaubt, den Unsterblichen in irgendeiner Weise töten zu können, nachdem das nicht einmal eine Atombombe geschafft hatte. Bitte hier entlang, General."

"Der Unsterbliche?"

"Es gibt nicht sehr viele Menschen, die aus nächster Nähe eine Atombombenexplosion erlebt haben und noch unter uns weilen", schmunzelte Kano.

Sie traten um das Wurmloch herum. "ACHTUNG!"

Etwa zweihundert Soldaten waren vor der Fabrikhalle angetreten und nahmen Haltung an. Akira sah nicht nur die Spezialeinheiten Kanos, mit denen er Amerikanisch-Samoa unsicher gemacht hatte, auch eine ganze Abteilung GunSuits des SilverMilleniums war angetreten. Aber es waren noch weitere Soldaten zwischen ihnen, die er nicht kannte.

"SALUTIERT!"

Akira war beeindruckt, als die Hände simultan nach oben zuckten und ihm Respekt erwiesen. Für einen Moment war er erschlagen von der Geste, aber er fing sich und erwiderte sie gerührt und mit seiner Würde als alter Soldat. "Rühren, Herrschaften. Ich fühle mich sehr geehrt durch diese Geste."

Er schritt vor die breite Front von zweihundert Soldaten, die fünf Mann tief und vierzig Reihen weit den Weg zur Fabrik säumten.

"Und wir fühlen uns sehr geehrt, dass du diesmal nicht gestorben bist", frozzelte Haruka.

"Haruka...", tadelte Michiru erneut.

Akiras Wangenmuskeln zuckten verdächtig, aber noch beherrschte er sich.

Kano deutete auf den vordersten GunSuit. Das Helmvisier stand weit offen. "Oberst Kano kennen Sie ja noch, nicht?"

Akira trat an den Mann heran und reichte ihm die Hand. "Ich vergesse nie ein Gesicht, wenn ich sein Visier aufgeschnitten habe, damit er in seinem total ausgefallenen GunSuit nicht erstickt. Freut mich, Ayoka."

Der Offizier im GunSuit drückte die Hand mit der vollmodellierten Hand seiner Rüstung. "Mich ebenfalls, General Iskander. Gut, dass ich Sie nicht erwischt habe."

"Ja, das finde ich auch."

"Darf ich Ihnen meine besten Piloten vorstellen? Umino Gurio, der Beste der Freiwilligen."

Akira lächelte den hochgewachsenen, breitschultrigen Mann verschmitzt an. "Es war eine gute Idee von Usagi, dich und Naru in die Botschaft einzuladen."

"Wie man es nimmt, Akira. Auf jeden Fall hat es sich gelohnt. Für die Menschheit."

"Das ist wahr." Für einen Moment dachte Akira an das, was er durchgemacht hatte, fühlte Zorn, Wut, aber auch Bedauern und einen Hauch Zufriedenheit, weil die Dinge zu ihrer aller Wohl positiv ausgegangen waren. Aber er fing sich und kehrte zu seinem Lächeln zurück. "Wir müssen uns dringend unterhalten, wenn die ganze Geschichte hier vorbei ist, Umino."

"An mir soll es nicht scheitern", lachte der Mann.

"Shingo Tsukino", stellte der Oberst vor.

Akira reichte dem Mann in der Rüstung automatisch die Hand, bevor seine Kinnlade herabfiel. "Sh-sh-sh-shingo? In einem GunSuit? Du warst auf dem Schlachtfeld?"

"Ja, war ich, Akira-san. Das war das Beste, was ich tun konnte, so ohne Sailorkraft. Und ich war richtig gut. Ich gehöre zu den Besten", sagte der Junge stolz. Ayoka nickte zustimmend.

"Okay, schön und gut, aber das haben dir deine Eltern erlaubt?"

"Ja, das haben wir", sagte der Mann neben Shingo.

"K-kenji-san? In einem GunSuit?" Akira wurde blass, wirklich blass. Was der Beschuss mit einer Kanone, ein Treffer mit einem Scharschützengewehr, ja selbst eine Atombombenexplosion nicht geschafft hatte, nun trat es ein. Ihm wurden die Knie weich. "A-aber..."

"Auch ich hatte das Bedürfnis, mal zur Abwechslung meine Tochter zu beschützen, anstatt immer nur beschützt zu werden", sagte er ernst und zufrieden.

Akira straffte sich wieder, als er Harukas helfende Hand in seinem Rücken spürte. Das gab ihm Kraft, Zuversicht, Vertrauen. Wirklich, wenn sie nicht Michiru gehabt hätte und er nicht Ami, dann... Aber das war eine ganz andere Geschichte.

Akira sah Ayoka ernst an. "War es das jetzt mit Überraschungen?"

"Äh", druckste der Elitesoldat verlegen. "Eine habe ich vielleicht noch. Mein zweitbester Pilot, oder vielmehr meine zweitbeste Pilotin ist Furohata-kun."

Akiras Kopf ruckte in die Richtung, in die Ayoka zeigte. "UNAZUKI? JA, HIMMEL, SIND DENN ALLE VERRÜCKT GEWORDEN?"

Das Mädchen blies die Wangen auf. "Was? Nur weil ich auch mal meinen Teil zur Rettung der Welt beitragen wollte? Ich habe überlebt, und ich bin wirklich gut auf dem GunSuit, Akira."

"Ja, das ist sie", sprang Shingo ihr verbal bei.

Der weißhaarige Junge mit der Erinnerung eines zehntausend Jahre toten Generals des Silvermilleniums schluckte trocken, bis er auch noch Michirus Hand in seinem Rücken spürte. Dankbarkeit erfüllte ihn. Wirklich, die beiden waren für ihn etwas sehr Besonderes.

"Was bin ich froh, dass dieser ganze Krieg auf unserer Seite nur einen einzigen Toten gefordert hat." Was er nicht sagte, das war, dass er den Tod dieser drei überhaupt nicht gut verkraftet hätte. Garantiert nicht gut.
 

"General, ich würde Ihnen gerne Oberst Park Sung-kee vorstellen. Er war einer der Ersten, der mit seiner Staffel nordkoreanischer MiG zu uns übergelaufen ist. Seine Handlung wurde später vom Staat nicht nur subventioniert, sondern auch noch mit einem Orden und einer Beförderung belohnt."

Akira reichte dem Asiaten die Hand. "Es freut mich, Oberst."

"Mich freut es, dass ich im richtigen Moment die richtige Entscheidung fällen konnte, Herr General. Aber wenn man auch nicht mehr der Frau trauen konnte, die die Welt unter dem Eispanzer gerettet hat, wem hätte man dann noch trauen können?"

"Das ist ein wichtiger Punkt. Sie haben mehr als richtig gehandelt."

"Aus Ihrem Mund bedeutet mir das eine Menge."

Die beiden Männer schüttelten sich erneut die Hand.

"Captain Tobias Cartland, noch nicht befördert", merkte Kano an. "Hat den ersten Raketenangriff auf die Botschaft angeführt, war danach aber einer der Ersten, die sich freiwillig gemeldet haben, um nach Hokkaido zu verlegen, um dort SailorJupiter und die SVS zu unterstützen."

"Man trifft nicht immer sofort die richtige Entscheidung", kommentierte der Amerikaner. "Aber ich bin froh, dass ich mich entschieden habe."

"Wir alle sind froh, dass wir uns entschieden haben, Cartland", erwiderte Akira. Er reichte dem Amerikaner die Hand und schüttelte sie.

"Und zuguterletzt Colonel McIntire, der militärische Oberkommandierende der Fabrik." Kano deutete auf einen Mann mit gewaltigem Schnurrbart und unbewegter Miene, der am Rande der Parade wartete. Er salutierte, als Akira, Haruka und Michiru näher traten, verweigerte aber einen Händedruck. "Sie sind die Sieger. Ich muss tun, was Sie mir sagen. Und dies ist, meine Fabrik zu vernichten. Das gefällt mir nicht. Tun werde ich es trotzdem. Aber Ihnen ist klar, dass dies nicht die letzten GunSuits sein werden, die das Empire baut?"

Akira zuckte die Achseln. "Solange Sie die GunSuits nicht gegen uns einsetzen, so wie jene, die hier erbaut worden sind, interessieren sie uns nicht." Sein Blick wurde hart. "Also vermeiden Sie es, unser Interesse zu wecken. Vor allem meines."

Der gestandene Mann verzog keine Miene und wich nicht zurück. Aber nach ein paar Sekunden grunzte er zustimmend. "Verstanden und akzeptiert, General Iskander. Wenn ich Sie bitten darf, auf Ihrem Platz Platz zu nehmen..."

"Mein Platz?"

"Dein Ehrenplatz. Von dort kannst du zuschauen, während die Fabrik vernichtet wird", raunte ihm Haruka ins Ohr.

"Ist das nicht schön? Du bist einmal direkt am Geschehen dran und nicht persönlich in Gefahr, Akira", raunte ihm Michiru ins andere Ohr.

Die beiden zogen ihn in Richtung eines Schemels, wie ihn Generäle im japanischen Reich während der Shogunatskriege benutzt hatten. Hinter dem Schemel waren Sichtwände aufgestellt worden, die als Motiv das Symbol des SilverMilleniums trugen. Davor öffnete sich der weitläufige Komplex der Fabrik. Die vierte und letzte Fabrik. Nach der Vernichtung der Atomwaffen der Erde der letzte Ort, an dem eine Gefahr für das SilverMillenium kreiert werden konnte. Zumindest bis irgendwann, irgendwo eine andere Fabrik erbaut werden würde. Oder mehrere.

Akira nahm Platz. "Wirklich, daran könnte ich mich gewöhnen", scherzte er.

Haruka reichte ihm einen Becher. "Frischer Grüntee?"

"Oh. Danke."

Michiru hielt ihm eine Schale hin. In ihr waren kleingeschnittene Fruchtstücke, aufgespießt auf Zahnstocher. "Früchte? Mango, Ananas, Trauben und Drachenfrucht."

"Na, da sage ich doch nicht nein. Alles meine Favoriten!", rief er erfreut. Der weißhaarige General stockte. "Äh, habe ich was verpasst? Verwöhnt Ihr zwei mich gerade?"

"Ein kleines bisschen, vielleicht", sagte Haruka. "Das hast du dir aber auch verdient, weil du nicht gestorben bist."

Michiru atmete heftig aus. "Einen Riesenschreck hast du uns mit deiner Aktion eingejagt. Nicht nur, dass du bei der armen Ami-chan nichts richtig auf die Reihe gekriegt hast, du warst auch drauf und dran, in einer atomaren Explosion zu vergehen. Das ging mir ans Herz."

"Uns", verbesserte Haruka. "Den Tod von besten Freunden verkrafte ich nicht besonders gut, weißt du?"

"Wir verkraften das nicht besonders gut", ergänzte Michiru. "Also mach sowas nicht noch mal, hörst du?"

Akira steckte ein dicker Kloß im Hals. Was hätte er auch sagen können, was der Zuneigung und diesem Augenblick angemessen war? "Ich bemühe mich, versprochen", sagte er schließlich mit rauer Stimme.

"Na, für den Anfang reicht das wohl", sagte Haruka. "Aber mach dich drauf gefasst, dass wir jetzt ein wenig auf dich aufpassen, kleiner Bruder."

"Nanu, womit habe ich das denn verdient?", fragte Akira überrascht.

Michiru kicherte. "Ich habe sie überstimmt. Finde dich damit ab. Du bist adoptiert."

Der ehemalige General des alten SilverMilleniums lachte leise. "Da kann ich mir echt Schlimmeres vorstellen." Er lächelte sanfst erst nach rechts, dann nach links. "Ich danke euch. Ich danke euch sehr. Ihr seid beide ganz besondere Menschen für mich."

"Wissen wir, wissen wir", sagte Haruka und klopfte ihm burschikos auf die Schulter. "Und jetzt sollten wir zum Hauptevent kommen. General Iskander, wenn du den Befehl geben würdest, diese Fabrik einzuebnen..."

"Natürlich." Für einen Moment fiel ihm wieder diese Anekdote ein, die erzählte, wie ein britischer Offizier einen Schützengraben aushob. Er sagte seinem Sergeant: "Sergeant, bauen Sie mir einen Schützengraben!", denn es war Aufgabe eines Offiziers, einen Schützengraben haben zu wollen. Ihn zu konstruieren und einzurichten aber war Arbeit der Sergeanten. "General Kano, zerstören Sie diese Fabrik."

Der Japaner salutierte. "Jawohl, General Iskander." Er wandte sich nach hinten. "Sergeant, zerstören Sie diese Fabrik!"

"Jawohl, General!"

Akira unterdrückte ein Lachen. Manche Dinge waren wohl universell.

Vor ihm verging die vierte von vier GunSuit-Fabriken unter dem Feuer der japanischen GunSuits. Für den Moment war eine weitere Gefahr gebannt, die das SilverMillenium bedrohen konnte.

Epilog

Akira passierte eiligen Schrittes die Palastwache. "Probleme?"

Ytron, einer der jungen, aufstrebenden Millenier vom Mond, der sich dabei hervor getan hatte, die Hotaru dieser Zeit in ihrer Form als Kleinkind zu beschützen - erfolgreich zu beschützen, weil er einen Entführungsversuch vereitelt hatte - nahm Haltung an. "Keine, General Iskander." Bemerkenswert dabei war, dass er dies allein getan hatte, nachdem Targetia in die Botschaft zurückgerufen worden war, um Japan zu beschützen.

"Gut, gut", murmelte Akira und klopfte dem großen Mann mit den schwarzblauen Haaren auf die Schulter. "Bleiben Sie wachsam."

Ytron straffte sich noch ein wenig mehr. "Selbstverständlich, Iskander-sama."

Akira schmunzelte. Sein Blick ging zur jungen Amerikanerin, die weiter unten im Gang stand und ihren Teil leistete - in einem hochmodernen SilverMillenium-GunSuit. "Sie auch, Kelly."

Die junge ehemalige Army Rangerin ließ ihr Visier aufschnappen, damit der General ihr Grinsen sehen konnte. "Glauben Sie mir, Sir", erwiderte sie mit ihrem Südstaatenakzent, "ausgerechnet heute müssen Sie das niemandem sagen. Nicht heute."

Akira schmunzelte zufrieden. Er kam heran und klopfte der Frau auch anerkennend auf die Schulter. Ursprünglich hatte sie wie General Ayoka zu den internationalen Truppen gehört, die das SilverMillenium überfallen hatten. Aber sie war auch eine der Ersten gewesen, die sich ihnen angeschlossen hatte, nachdem der Putsch in ihrem Heimatland bekannt geworden war. Als er ihr auf die Schulter klopfte, tat er dies mit Sailorkraft. Es trieb die zweihundert Kilo schwere Rüstung - die ursprünglichen Modelle, nicht vom SilverMillenium erschaffenen Modelle wogen das Anderthalbfache und waren nur dreißig Prozent so leistungsfähig - trotz Gyro und Absorber einen halben Schritt nach vorne. "Torah-sama!", murrte sie tadelnd.

Akira ging nicht darauf ein. Er war nur zufrieden, dass die Veteranin der Raketenschlacht über der Bucht von Tokio nichts von ihrer Fitness eingebüßt hatte. Sie hatte sofort gegengesteuert und die Rüstung stabilisiert. "Nur ein Test", erwiderte er grinsend. "Machen Sie weiter so, Kelly. Sie leisten gute Arbeit."

"Danke, Sir." Ihr Lächeln wurde ein wenig verzerrt. "Sir, darf ich fragen, oder ist es indiskret, wenn ich es tue, wenn..."

"Falls Sie wissen wollen, warum wir die Hochzeit des Jahrhunderts so kurzfristig angesetzt haben und falls Sie wissen wollen, ob es daran liegt, dass Chibi-Usa unterwegs ist, so lautet die Antwort zu eins: Es war Usagi Entscheidung, und zu zwei: Nicht, dass ich es wüsste. Und ich würde es als einer der Ersten erfahren. Beruhigt Sie das?"

"Ja, Sir. Nein, Sir." Kelly war als Palastwache natürlich in Dinge eingeweiht, die ein normaler Mensch nicht wissen konnte. Dazu gehörte auch das Zeitparadoxon um Usagi und ihre zukünftige Tochter, die nun wirklich in den nächsten Wochen an der Reihe war, um gezeugt zu werden. Denn ein Kind entstand nicht, indem man es in Kirschblüten oder Pfirsichen fand. "Ich meine, es dürfte Zeit werden, aber wir können Serenity-hime und Endymion-O kaum etwas vorschreiben."

"Lassen Sie der Zeit einfach ihren natürlichen Lauf, Kelly. Aber es schadet sicher nichts, wenn Sie Daumen drücken", sagte Akira und klopfte ihr noch mal auf die Schulter. Diesmal aber sanft.

"Ja, Sir."

"So ist es Recht. Und ich denke, wir... Ja, was ist denn da los?" Er kniff die Augen zusammen, um den weiten Saal, der die Basis des Botschaftsturms bildete, besser durchschauen zu können. Gerade heute war der Saal, war die ganze Botschaft, war das gesamte Gelände ganz besonders gesichert. Von hier würden Mamoru und Usagi starten, und hierher würden sie wieder zurückkehren, nachdem sie sich ganz offiziell das Ja-Wort gegeben hatten. Grund genug für das gesamte SilverMillenium, ihn eingeschlossen, ganz besonders nervös zu sein. Um nicht zu sagen, richtig nervös. Ein fluchender Motoki ließ da natürlich seine Alarmsensoren klingeln.
 

Akira hüllte sich in seine Uniform, warf den blauen Umhang elegant nach hinten und nutzte Step, um den Freund zu erreichen. "Stimmt was nicht?"

Motoki zuckte zusammen, als er gewahr wurde, dass er nicht mehr alleine war. "Himmel, musst du so was mit mir machen? Ich schwöre dir, irgendwann kriege ich mal einen Herzinfarkt, und dann..."

"Und dann züchten wir dir hier im SilverMillenium ein neues, mit dem du dreihundert Jahre alt werden kannst. Wie jeder andere Mensch auf Erden auch", erwiderte Akira grinsend. "Probleme mit den Mondkutschen?"

"Nein, nein, mit den Kutschen ist alles in Ordnung. Und bevor du fragst, Pyramon hat gerade höchstpersönlich den letzten Stein gesetzt, um die alte Kathedrale in den Mondruinen zu vervollständigen. Damit sind sie drei Tage hinter dem Zeitplan, aber sie haben es gerade noch rechtzeitig geschafft. Der Hochzeit unserer beiden Freunde steht demnach nichts im Wege, und alle großen Fernsehsender übertragen das Geschehen live. Die Mondkutschen sind im Plan für die Ehrengäste, die mit Usagi und Mamoru hochfliegen werden. Der Rest wird hier aus dem Saal den Tunnel nehmen, der auf den Mond führt."

"Klingt so, als wäre alles stimmig. Warum also fluchst du wie ein Rohrspatz?"

Mit säuerlicher Miene berührte Motoki eine dünne Folie auf seinem Handrücken, woraufhin sich ein Hologramm aufbaute, das Akira einsehen konnte. Normalerweise wurde das Hologramm nur für den Besitzer direkt auf die Netzhaut projiziert.

"Aha. Deine kleine Schwester und Usagis kleiner Bruder. Und?"

"Sie knutschen."

"Das sehe ich."

"Himmel, sie knutschen! Unazuki ist dazu doch noch viel zu jung, und... Und... Und..."

"Und was?", fragte Akira amüsiert.

"Ach, du verstehst das nicht. Du hast keine kleine Schwester", murrte Motoki.

"Doch, die habe ich. Sie heißt Unazuki, und ich liebe sie sehr und wünsche ihr nur das Beste."

"So! Und was also willst du mir damit sagen? Dass Shingo dieses Beste für sie ist?"

Akira lächelte und seufzte zugleich. "Motoki. Die beiden sind noch jung. Keiner weiß, ob das, was sie jetzt haben, ewig hält oder morgen vorbei ist. Keiner weiß, was in zwanzig Jahren mit ihnen sein wird. Ich meine, Usa-chan weiß es, und wir könnten sie bei ihrem nächsten Besuch ausgiebig ausquetschen, aber du verstehst, was ich sagen will. Lass es die beiden probieren. Erinnerst du dich gar nicht daran, wie lange du gesucht hast, bis du Makoto gefunden hast und Ihr zusammengekommen seid? Hättest du nie angefangen zu suchen, hättest du sie nie gefunden."

"Das stimmt natürlich", murmelte Motoki. Er grinste fies. "Scheint, da spricht einer aus Erfahrung. Wenn ich an deine persönliche Odyssee denke..."

Konsterniert sah Akira den Freund an. "Reden wir nicht darüber. Ich bin froh, dass mich meine eigene DemonSeed gerettet hat. Vor einem Schicksal, noch schlimmer als der Tod."

"Allein zu bleiben?"

"Ami zu verlieren. Und ich habe mir wirklich verdammt viel Mühe gegeben, um das zu schaffen."

Motoki kicherte. "Tja, hättest du mal auf den Rat gehört, den die Ami aus der Zukunft unserer Ami gegeben hat und wärst du auch mal Schwein gewesen, wärst du nie auf die Idee gekommen, mit ihr Schluss zu machen, als sie gerade eure Beziehung vertiefen wollte. Nur du alleine kannst "keine heimlichen Treffen mehr" so interpretieren, dass sie gar keine Treffen mehr will, du Dummkopf."

"Woher weißt du das denn schon wieder?", fragte Akira. Seine rechte Augenbraue zuckte nervös.

"Äh... Du hast es erzählt?"

"Nein."

"Wir haben euch auf dem Balkon belauscht?", bot Motoki an.

"Nein."

Der blonde General des Mondes atmete resignierend aus. "Also gut. Ami hat es den Mädchen erzählt, und Mako hat es mir erzählt, und es ist schon zehnmal im SilverMillenium rauf und runter, und wir sind alle froh, dass wenigstens sie nicht nur wusste, was sie wollte, sondern auch wie sie es erreichen konnte. Im Gegensatz zu dir, Alter."

"Ich wollte...", brauste Akira auf.

"Ja, ja, schon klar. Du wolltest den weißen Ritter spielen und sie freigeben und so weiter. Aber man kann nicht freigeben, was gar nicht gefangen ist."

Akira schloss den Mund wieder. Die Geste war begleitet von einem Blick voller Überraschung. "Oh."

"Ja, oh. Und das hättest du viel früher wissen können. Nein, streich das. Du hast es gewusst, aber du wolltest es nicht akzeptieren, weil du ja ach so ehrenvoll verzichten wolltest."

Für einen winzigen Augenblick lachte der Weißhaarige glucksend.

Motokis Blick wurde spöttisch. "Netter Versuch. Aber ich glaube dir nicht, dass du darauf hingesteuert hast, dass Ami die Dinge in die Hand nimmt." Ein wenig unsicher schielte er den Freund an. "Nein, das glaube ich wirklich nicht."

"Vielleicht nicht ganz so in dem Maße. Aber wer hätte diese Beziehung auch retten können, wenn nicht sie? Wer hätte sich bewegen können, wenn nicht sie?" Der junge General mit der uralten Seele seufzte. "Nein, ich habe nichts geplant und nichts bewegt, aber dieser Gedankensplitter von Iskander in mir hat da vielleicht was geplant. Und dann sind da immer noch Armageddon und Tsunami, die miteinander kommuniziert haben, wie es scheint... Na, Schwamm drüber, ich bin jedenfalls heilfroh, dass Ami und ich jetzt auch offiziell ein Paar sind. Mehr als das. Also solltest du auch mal etwas ruhiger werden und deiner Schwester ihre Freiheit gönnen und abwarten, was passiert. Und mal ganz ehrlich, es gibt schlechtere Partien da draußen als Usagis kleinen Bruder, oder? Zudem sind sie beide in leitender Position in der GunSuit-Squad. Du kannst du es gar nicht verhindern, dass sie sich sehen. Und vielleicht haben sie einander ja auch schon bald über."

"Ist ja gut, ist ja gut. Aber ich bin nun mal der große Bruder. Ich kann nicht aus meiner Haut raus. Nicht so richtig", murrte Motoki.

"Aber vielleicht kannst du ein wenig wegsehen?", fragte Akira schmunzelnd.

"Ein wenig. Eventuell." Mürrisch sah der blonde General zur Seite. Dann aber warf er Akira einen Seitenblick zu. "Was ist eigentlich mit den beiden DemonSeeds?"

"Was sollte schon sein? Tsunami und Armageddon stabilisieren die atomare Explosion auf ihrem jetzigen Niveau. Dazu sind sie miteinander verschmolzen. Sie dämmen die Urgewalt so weit ein, dass wir das Licht der Explosion nicht nur mit bloßen Augen ansehen können, sondern machen die reine Energie für Menschen mit Sailorkraft auch nutzbar. Und sie verhindern, dass da unten alles radioaktiv verstrahlt wird. Womit sie auch Energie produzieren."

Motoki strich sich nachdenklich übers Kinn. "Für die Zeit, in der der Wiseman angreift."

"Ja. Wenn der Tag gekommen ist, werden wir die Energie nutzen, um das richtige Crystal Tokio in die Dimensionstasche zu packen und damit vor seinem Zugriff zu schützen. Dafür holen wir dann das falsche Tokio hervor, das wir während der Explosion erschaffen und in der Raumzeitfalte weggeschlossen haben. Damit werden wir das Dunkle Königreich täuschen, so lange, bis Usagi, also die jüngere Usagi in unserer Vergangenheit, von Chibi-Usa geholt wird und Diamant und die anderen besiegt. Kein Mensch wird sterben, nichts wird verwüstet werden. Und sobald wir diese schreckliche Zeit hinter uns haben, tauschen wir die beiden Tokios wieder zurück." Er seufzte. "Das klingt alles so verdammt einfach, aber es wird sehr schwer werden. Einerseits müssen wir den perfekten Zeitpunkt abwarten, und andererseits kennt die Familie des Bösen nur die inneren Sailorkrieger. Das bedeutet, wir, Motoki, müssen ebenso wie die äußeren Krieger die Füße stillhalten, egal, wie schwer uns das fällt. Und das nur, damit die Zeit so verläuft, wie es uns berichtet wurde."

"Aber es wird die Erde retten."

"Und das SilverMillenium. Und vergiss dabei nicht Crystal Tokio", fügte Akira an. "Dank der beiden DemonSeeds sind wir dazu in der Lage. Ich meine, es wird nicht leicht werden, und ich sehe mich schon in den verschiedensten Verkleidungen durch die Ruinen flitzen, um Diamant und Co. zu täuschen und glauben zu machen, dies wäre tatsächlich Tokio, das sie gerade zerstört haben. Aber immer noch besser als ein Zeitparadoxon."

"Da hast du natürlich Recht."

"Wenn ich es recht überdenke, könnten das interessante Zeiten werden", sagte Iskander leise. Das war ungefähr eine Sekunde, bevor er erneut mit Step verschwand und mitten in der Halle herauskam. "Moment Mal, junger Mann!", rief er tadelnd und ergriff einen Fremden mit roten Haaren am Kragen seiner Jacke. "Wo soll es denn hingehen? Und wie bist du hier überhaupt reingekommen?"

Der Bursche wandte sich trotzig im Griff dem General zu. "Wer will das wissen?"

"Iskander."

Der arrogante Ärger auf seinem Gesicht erstarb und machte einem freudigen Lächeln Platz. "Wirklich? Der Iskander? Man hat mir gesagt, wir könnten uns mal sehen, aber dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht!" Er wandte sich trotz Akiras Faust im Kragen so gut um, wie er konnte und schüttelte ihm mit beiden Händen die Rechte. "Ist mir eine Freude, dich kennen zu lernen, General. Himmel, was habe ich mitgezittert, als sie dir dauernd die Hucke voll gehauen haben. Schön, dass alles gut ausgegangen ist! Äh, stimmt das Gerückt, dich und Ami Mizuno betreffend?"

"Äh...", machte Akira, aus dem Konzept gebracht. "Was?"

"Oh, entschuldige, ich bin Rubeus. Ich bin hier, um die Manipulation des Palastkerns zu unterstützen. Und um das falsche Crystal Tokio vorzubereiten. Wenn jemand weiß, wie es dort aussehen soll, nach den verschieden Phasen unserer Angriffe, um unsere jüngeren Ichs nachhaltig zu täuschen, dann wohl wir von der Dunklen Familie, nicht?"

"Was?"

Saphir entstand direkt neben ihm. "Er gehört zu uns, heißt das. Wir brauchen ihn für die Stabilisierung der Atomexplosion und all die anderen Kleinigkeiten, die hier in sieben Jahren passieren werden, Iskander."

"Ah, soso. Und wann sollte mir das gesagt werden?"

Saphir zuckte die Achseln. "Mir scheint, du warst zu sehr in die Vorbereitung der Hochzeit des Jahrtausends eingespannt, als dass du meine Rundmail gelesen hast."

"Rundmail?"

"Quod erat demonstrandum", seufzte Saphir.

Akira ließ den Kragen des Rotschopfs los. "Du bürgst für ihn, Saphir?"

Der Schwarzhaarige seufzte erneut. "Würde ich gerne. Aber ich und mein Bruder nehmen als Gäste an der Zeremonie teil. Auch ein Grund, warum wir ihn gerufen haben." Er beugte sich ein wenig vor und flüsterte: "Und ein Grund, warum wir ihm versprochen haben, dass er dich sehen darf. Er ist dein größter Fan, Akira. Außerdem wird es Petzite mir nie verzeihen, wenn ich ausgerechnet heute die Arbeit vorschiebe und nicht zur Hochzeit gehe."

"Oh." Er betrachtete die Rechte, die Rubeus immer noch mit beiden Händen schüttelte.

"Wie ist das jetzt mit Ami-chan?", fragte Rubeus aufgeregt. "Und wie konntest du drei Energieblasts gleichzeitig aushalten?"

Für einen langen Moment war Akira verdutzt. Dann aber begann er zu lachen und klopfte dem Rotschopf auf die Schulter. "Ich denke, das erzähle ich dir morgen. Heute bin ich doch etwas eingespannt." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Mein Mädchen wird mir auch nicht verzeihen, wenn ich nicht rechtzeitig da bin."

Als er das erwartungsvolle Gesicht Rubeus' sah, fügte er verlegen an: "Ami."

"Uff, da bin ich aber erleichtert, dass das noch geklappt hat. Die Wetten standen fünfzehn zu eins gegen dich, weil sich alle sicher waren, du würdest es trotzdem noch versauen können, Iskander."

"Wetten?"

Saphir kicherte unterdrückt. "Buchmacher. London. Die wetten auf einfach alles."

Konsterniert sah Akira die beiden an. Er wusste nicht, was ihm mehr zu schaffen machte: Dass tatsächlich darauf gewettet worden war, ob er die Beziehung zu Ami versaute oder nicht, oder eher, dass da draußen Menschen waren, die trotz all ihrer und seiner Vorsichtsmaßnahmen gewusst oder zumindest vermutet hatten, dass sie beide ein Paar waren. "Mist."

Dann aber klopfte er Rubeus auf die Schulter. "Morgen. Versprochen."

"Echt?", rief der Rotschopf erfreut. "Ich werde dich dran erinnern, Akira-sama!"

Er kehrte zu Motoki zurück. "Wie viele Mitglieder hatte das Dunkle Königreich gleich noch mal? Und was meinst du, kommt diese böse Macht im Hintergrund etwa auch noch ins Leben zurück, nur diesmal als unser Verbündeter?"

An einem nicht allzu fernen Strand auf einer Halbinsel im Osten der Tokioter Bucht bekam ein alter Mann, der gerade seinen Hund spazieren führte, einen Niesanfall. Und das, obwohl gar keine Pollen flogen, gegen die er allergisch war. Na, vielleicht waren es ja auch die Späne des Stahls, die von den Unterseebooten herabrieselten, während mächtige Schneidbrenner sie zerlegten. Unterseeboote, die SailorVenus hier an Land gezogen hatte. Der alte Mann putzte sich ausgiebig die Nase und ging weiter.

"Dann freue ich mich auf zwei bestimmte Außerirdische und ihren Baum", sagte Motoki schaudernd. "Und auf dieses dreiköpfige Idiotentrio, das... Nun, es führt zu weit, dir das zu erzählen. Ich habe es ja auch nur als Zuschauer miterlebt, und..."
 

"Jungs, was macht Ihr hier noch?", klang Pyramons gewaltige Stimme vom anderen Ende der Halle herüber. "Die Mondkutsche startet jede Minute mit dem Brautpaar, und ich kenne zwei junge Frauen, die euch umbringen werden, wenn sie ohne Begleiter fliegen müssen!"

"Ach was. Wir haben doch noch zwanzig Minuten oder mehr!", rief Akira zurück.

"Meine Uhr sagt eher was von zwanzig Sekunden!", rief Pyramon zurück.

Die beiden Generäle wurden ein wenig blasser. Beide befragten ihre Holos, und tatsächlich, über die Inspektion der Abwehrmaßnahmen und über Motokis Ärger über Shingo hatten sie die Zeit vergessen. Und das bedeutete Ärger. Ärger, den sie vollkommen verdient hatten.

Beide verschwanden mit Step.

"Ihr schuldet mir was, Jungs", sagte Pyramon grinsend. Dann machte er sich selbst auf dem Weg zu den Mondkutschen. Immerhin war er der offizielle Regierungschef des SilverMilleniums. Zumindest der kleinen Filiale auf dem Mond. Und ausgerechnet Usagis Hochzeit hätte er niemals freiwillig versäumt.
 

"Ihr seid spät dran", tadelte Makoto die beiden Generäle, als sie auf dem Hof auftauchten, gerade in dem Moment, in dem die Mondkutschen landeten.

"Entschuldige, wir haben uns gegenseitig aufgehalten", sagte Motoki, während er seiner Verlobten einen Schmatzer auf die Wange gab. "Ich werde es später angemessen wieder gut machen."

"Was bedeutet angemessen?"

"Ach, ein klein wenig Honig, Sahne, vielleicht Schokosoße..."

"Motoki!"

"Auf einem riesigen Eisbecher..."

"Du bist unmöglich", tadelte Makoto.

"Und genau deshalb liebst du mich ja auch mehr als diesen ominösen Studenten, dem sonst alle Männer so ähneln, die dich interessieren", erwiderte Motoki frech.

"Es gibt wohl nichts, was dir gleicht", erwiderte sie.

Akira besah sich die Szene schmunzelnd, während er Amis Hand ergriff und diese drückte. Sie erwiderte den Druck und das Lächeln. Alles war so einfach, so simpel, und vor allem schön.

Als die Mondkutschen aufsetzten, unterbanden sie für lange Sekunden jedes Wort. Aber Worte waren zwischen Motoki und Makoto auch nicht wirklich notwendig. Die beiden hatten sich augenscheinlich schon wieder versöhnt.

Minako und Jedithe kamen zu ihnen, kaum dass die letzte Kutsche aufgesetzt hatte. Im Prinzip waren es isolierte Kabinen mit einer Antigravitationseinheit, die sich aus Sailorkraft speiste sowie plasmagestützten Steuerdüsen, um für den Antrieb zu sorgen. Damit wurde die Strecke Erde-Mond in nur einer Stunde bewältigt. Wenn man sich Zeit ließ. Acht Kutschen waren es, jede fasste bis zu einhundert Menschen und alle würden die Ehrengäste zum Mond bringen. Als Teil der Familie des Bräutigams würde Akira natürlich in der Kutsche des Brautpaars mitfliegen. Ami als Teil der Familie der Braut auch.

Für einen Moment spürte Akira einen leichten Stich im Magen, als ihm ins Bewusstsein kam, dass Mamorus Familie zwar reicht weitläufig war, aber seine direkten Blutsverwandten schon lange tot waren. Die Großeltern früh gestorben, beide Elternteile bei einem Autounfall ums Leben gekommen... Er konnte jeden Rückhalt gebrauchen, den er finden konnte. Und gerade heute, an diesem Tag, war es für Akira und die Generäle mehr als eine Ehre, hinter ihm zu stehen und ihm die Familie zu ersetzen, die er nicht mehr hatte.

"Schönes Kleid", flüsterte er Ami zu. Wie Auch Makoto und Minako trug er das hellblaue, bauschige Kleid der Brautjungfern, das leicht an das Brautkleid Usagis angelehnt, aber bei weitem nicht so aufgebauscht war.

"Danke", flüsterte sie zurück. "Tolle Uniform."

Akira hätte beinahe laut gelacht, als er das hörte. Für einen Moment vergrub er Mund und Nase in ihren Haaren und küsste sie über dem rechten Ohr. "Ich liebe dich."

"Schön, dass du es endlich eingestehst", erwiderte sei keck und küsste ihn flatternd wie ein Schmetterling auf den Mund.

Rei und ihr Freund schlossen nun ebenfalls zur Gruppe auf, die in der ersten Kutsche mit dem Brautpaar reisen würde. Je länger Akira Yuichiro betrachtete, desto besser fand er Reis Endscheidung, die Frisur zu wechseln. Die kurze Frisur mit der hochgegelten Stirn stand ihm wesentlich besser als der langhaarige Gammel-Look. Und es brachte seine Augen besser zur Geltung. Natürlich Reis Entscheidung - Yuichiro hätte sich nie freiwillig von seiner langhaarigen Pracht getrennt. Aber, wie er hie und da zu sagen pflegte, er liebte Rei halt viel mehr, weshalb der Frisurenwechsel nicht einmal ansatzweise Grund für eine Diskussion gewesen war. Und schließlich fand er es so ja auch besser. Und zugegeben, die beiden waren ein wirklich hübsches Paar. Die hochgewachsene langbeinige Schönheit mit der Welle an seidenschwarzem Haar und der hochgewachsene, breitschultrige Mann mit den beeindruckenden Augen hätte man durchaus für ein Paar beim modeln halten können.

"Herr General", scherzte Yuichiro, als er zu Akira aufschloss.

"Herr Oberkommandierender", gab Akira zurück. Denn das war er noch immer: Oberkommandierender aller verbündeten Streitkräfte. Die Eroberung Japans war noch nicht revidiert worden, und mittlerweile hatten sich etliche Staaten, vor allem aus der Dritten Welt, mit dem SilverMillenium assoziiert, was ihr kleines Reich zu einer der stärksten Nationen der Welt machte - nicht nur auf dem Papier. Yuichiro hatte all diese Macht in Händen und auch schon in einigen kleineren Konflikten eingegriffen. Seither stand sein alter Name Leth für alles, nur nicht für das Vergessen. Die beiden Männer grinsten sich an. Diese Last teilte sich Yuichiro mit Akira und Motoki. Leider hatten sie es nicht geschafft, einen Teil der Arbeit und Verantwortung auf den vierten im Bunde, Mamoru, abzuwälzen. Noch nicht.

"Hat Minako es dir schon erzählt, Ami-chan?", sagte Rei.

"Was erzählt?"

"In New York turnt eine junge Frau in einem hautengen Spandex-Kostüm durch die Straßen und "hilft" der Polizei. Das NYPD hat das SilverMillenium um Amtshilfe gebeten, weil es vermutet, bei der Frau handele es sich um eine Millenierin aus der New Yorker Kolonie, die zu viele Spiderman-Hefte gelesen hat."

"Und? Ist es eine Millenierin aus der Kolonie?", fragte Ami geradeheraus.

"Nein. Ich habe mir die Bilder angesehen und sie mit Aellion besprochen. Sie ist keine von uns."

"Aber sie hat Sailorkräfte, richtig?"

Rei lächelte seltsam zufrieden. "Ein messerscharfer Verstand wie immer. Das ist mein Mädchen."

Akira legte einen Arm um Amis Schultern und zog sie an sich. "Von wegen dein Mädchen. Sie gehört mir, und ich teile nicht. Niemals", scherzte er.

Rei sah ihn an, ein Grinsen huschte über ihr Gesicht, sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn erneut und seufzte schließlich. "Weißt du eigentlich, wie viele Vorlagen für dumme Sprüche und faule Witze du mir gerade gegeben hast? Sei dankbar, dass ich sie habe alle verstreichen lassen, Mr. Ich-bin-nicht-sicher-ob-sie-mich-nun-lieben-muss."

"Aber der eine musste sein, was?"

Das schwarzhaarige Mädchen kicherte. "Den hattest du am meisten verdient."

"Ich weiß."

Ami war ein wenig errötet, als sie sich gegen Akira gedrückt fühlte, das machte die ungewohnte Nähe unter den Augen aller. Aber sie gewöhnte sich daran. Weil sie es so mochte. "Das heißt für uns, dass wir nach der Hochzeit auf Vigilantenjagd in New York gehen werden?"

"Ja. Wir fangen sie ein und bilden sie aus. Und gleichzeitig halten wir nach Anzeichen Ausschau, ob noch mehr Menschen mit Sailorkräften erwacht sind. Seit die Welt unter der Eiskruste lag und wiedererweckt wurde, hat sich vieles geändert, vielleicht alles."

"Oder sie ist aus dem alten SilverMillenium wiedergeboren", meinte Ami nachdenklich.

"Oder beides. Aber ich schätze, wir müssen in Zukunft mit weit mehr Menschen mit Sailorkräften rechnen. Und auch wenn die Zahl unserer Gegner überschaubarer geworden ist, ganz fort sind sie nicht, daher werden sie versuchen, diese Menschen zu instrumentalisieren."

"Nicht, dass sie es nicht schon mit Gewalt probiert hätten", sagte Yuichiro. Seit der Niederlage und den Verhaftungen der Rädelsführer und ihrer wichtigsten Gefolgsleute verging kaum ein Tag, an dem nicht ein Anschlag auf die Botschaft vereitelt oder die Planung dazu aufgedeckt wurde. Es gab kaum Menschen, die aus ideologischen Gründen ausgerechnet SailorMoon attackieren wollten, aber bei sieben Milliarden blieben eben noch genügend Gewissenlose übrig. Leider. Und solange die Verschwörer, die sie bisher nicht enttarnt und der Gerichtsbarkeit ihrer Länder haben überantworten können, noch über Geld verfügten, würden diese Angriffe nicht aufhören. Aber eventuell gingen ihnen irgendwann die Attentäter aus. Definitiv noch nicht heute, deshalb war die Verteidigung an diesem Feiertag gut aufgestellt und die Hochzeit würde auf dem Mond stattfinden. Draußen auf den Straßen war wieder eine bunt gemischte Menschenmenge, um diesen Freudentag zu bejubeln. Zwischen ihnen schwirrten uniformierte und zivile Polizisten umher, die wachsamen Augen weit aufgerissen und jederzeit bereit, einem Anschlag zuvorzukommen. Selbst Senior Super Intendent Takeda und sein Stellvertreter, Super Intendent Kabuto, waren in der Menschenmenge unterwegs, um ihre Arbeit zu tun. Zum Glück hatten die restlichen Verschwörer schnell erkannt, dass Anschläge auf die Menschenmassen einen absolut gegenteiligen Effekt hatten, als sie erwarteten. Statt Angst in die Herzen der Menschen zu säen und die Unterstützung für das SilverMillenium zu durchbrechen, würde es die Menschen in ihrem Tun nur noch enger zusammenschweißen.

"Nicht, dass sie nicht dauernd scheitern würden", fügte Akira grinsend an, um die Stimmung zu heben.

"Und das bleibt auch so", erklärte Rei resolut und klang, als hätte sie ein Naturgesetz verkündet. Nun, Akira konnte es nur recht sein, wenn die Miko Recht behielt.
 

Er sah auf, als eine Reihe Luftkutschen im Innenhof landeten. Luftkutschen funktionierten nach dem gleichen Prinzip wie die Mondkutschen. Sie waren allerdings nicht raumtauglich. Die zwölf Kutschen brachten weitere Staatsoberhäupter, die der Hochzeit beiwohnen würde.

Als der US-Präsident mit der First Lady ausstieg, jubelte die Menge. Seit seinem Kampf gegen die Putschisten und auf der Seite Serenitys war der Mann weltweit ungeheuer populär. Einer zweiten Amtszeit stand sicher nichts im Wege. Ihnen folgten Iori und Frau. Beim Premierminister Japans hatte Akira immer noch mehr als gemischte Gefühle, denn seine Kollaboration mit dem Feind und die anschließende Kapitulation unter Kriegszustand hätten bei einem schwächeren SilverMillenium durchaus dazu führen können, dass er vollends auf Seite der Verschwörer in den Krieg eingetreten wäre. Und die Folgen davon wären erheblich schlimmer gewesen. Bei ihr war es anders. Die alte, aber mit Würde gealterte Frau, Universitätsprofessorin und nicht die Spur an Politik interessiert, hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass ihr Herz für Altruisten wie Usagi schlug.

Die beiden machten Platz, und ein weiteres Paar trat aus der Luftkutsche. Akira fühlte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten, als er das japanische Kaiserpaar erkannte, das zusammen mit den Ioris und dem Präsidentenpaar zur ersten Mondkutsche geführt wurde. Obwohl er in Europa geboren und aufgewachsen waren, bedeutete das Wort Kaiser für ihn etwas. Das spannte ihn an, auch wenn er nicht verstand, warum. Das hatte nichts mit Gehorsam zu tun, aber vielleicht mit Respekt und Tradition. Der deutsche General de Maiziére hatte es mal so formuliert: Tradition ist nicht Geschichte, sondern Auswahl aus der Geschichte.
 

"Akira", klang Setsunas Stimme hinter ihm auf. Sie trat gerade mit Pyramon am Arm zu ihrer Gruppe. Außer Hotaru, die aus verständlichen Gründen nicht hier sein konnte, weil sie erst vier war, fehlten dann nur noch Haruka und Michiru. Allerdings war er sich sicher, dass die Hotaru aus der Zukunft zusammen mit einem rosafarbenen Mädchen irgendwo in der Botschaft steckte und das Ereignis des Jahrzehnts heimlich begleitete.

Auf einem uns wohl bekannten Balkon bekam derweil eine junge Frau mit halblangen schwarzen Haaren einen Niesanfall, vor dem ein weißhaariger Junge und ein Mädchen mit rosa Haaren erschrocken davon spritzten.

"Ja, Setsuna?"

Die Majestät des Pluto lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht. "Bereit für einen kleinen Schock?"

"Wie, für einen kleinen Schock? Hast du herausgefunden, dass Pluto kein Planet mehr ist?", scherzte er.

"Ein etwas größerer Schock", erwiderte sie, ohne eine Miene zu verziehen. Als Akira sie das erste Mal drauf angesprochen hatte, hatte sie ihm erklärt, dass SailorPluto nur ein Name war und nichts mit dem ehemaligen Planeten zu tun hatte. Sie hätte auch genauso gut SailorHades heißen können. Es ging mehr um ihre Kraft bei der ganzen Geschichte. So wie Ami zwar die Majestät des Merkurs war, einem halbflüssigen Gesteinsbrocken ganz nahe der Sonne, aber mit ihren Kräften Wasser manipulierte. "Wie groß?"

"Ich wollte es dir ja nicht sagen", druckste Ami verlegen, "aber..."

"Hm?", machte Akira. Was wussten die zwei, was er nicht wusste, und warum war es unangenehm? "Aber?"

"Aber sie sind wieder da."

Setsuna deutete mit dem Daumen zum Tor. "Da hinten."

Akira folgte dem Fingerzeig. Dort standen Haruka und Michiru, die sich selbst zu seinen Adoptivgeschwistern erklärt hatten. Wie er erwartet hatte, trug Haruka einen schwarzen Smoking, der an ihr besser aussah als an manchem Mann, und Michiru trug das gleiche Kleid wie die Brautjungfern auch. Was er allerdings auch sah, das war, dass Haruka fast die Beherrschung verlor und einige Menschen derart anherrschte, dass dieser Teil der Zaungäste ein paar Schritte zurückwich. Erst Michiru beendete ihren Zornlauf und brachte sie dazu, zur Mondkutsche zu kommen. Schließlich würde das Brautpaar und die Familie jede Sekunde die Botschaft verlassen, um als Erste die Mondkutsche zu erklimmen.

"Was war denn?", fragte er, als die beiden sich ihnen anschlossen.

"Ach, nichts, nichts", brummte Haruka. Ihr schönes Gesicht war noch immer vor Ärger verzerrt.

"Und das regt dich so auf?", fragte er amüsiert.

Die großgewachsene Frau seufzte zum Steineerweichen. Sie sah kurz Ami an, die zustimmend nickte. Amüsiert, wie es Akira schien. "Also gut, wenn du es wissen willst, die Idioten sind wieder da, die dich in die Verbannung schicken wollen."

Akira unterdrückte ein glucksendes Lachen. "Was, bitte?"

"In die Verbannung. Dich."

"Ja, Himmel, aber WARUM?"

"Weil du Ami versklavt hast", sagte sie mit einer Miene, die zeigte, wie schwer es ihr fiel, bei diesen Worten ernst zu bleiben.

"Was, bitte?" Er sah sein Mädchen an. "Was, bitte?"

"Es sind Fans. Hardcore-Fans", sagte sie schulterzuckend.

"Idioten trifft es eher", brummte Haruka wütend. "Kannst du das glauben? Sie nennen sich SailorMerkur-Fans, aber sie verlangen von ihr, dass sie rein und unschuldig und unbefleckt bleibt, damit sie sie in ihrer Vollkommenheit weiter idealisieren können."

Akira sackte die Kinnlade herab. "Was, bitte?"

"Ich sagte ja schon, es sind Idioten. Und dir werfen sie jetzt vor, du hättest sie verführt, verzaubert oder aus anderen Gründen in deiner Gewalt und wolltest, ich zitiere: Dem letzten reinen Mädchen unter den Sailorkriegern Unaussprechliches antun, weil dich ihre perfekte Unschuld stört."

Michiru erbarmte sich und schob dem jungen Krieger den Kiefer wieder hoch. "Vergiss nicht zu atmen, Aki-chan."

Er betrachtete die junge Frau, die nicht nur als Sailorkriegerin virtuos war, sondern auch die klassische Geige beherrschte wie kaum einer auf der Welt, aber er sah sie nicht. Erst nach und nach kehrte sein Blick in die Wirklichkeit zurück. "Ich tue was?"

"Na, weil Ami doch offiziell keinen Freund hatte. Zumindest bis zum letzten Tag des Krieges. Ich sagte ja, es sind Idioten", sagte sie, das Wort "Idioten" schroff betonend. "Daraus haben sie dann geschlussfolgert, sie müsse auch keusch, unberührt und vollkommen unschuldig sein."

Akira sah das Mädchen an, das er noch immer an sich drückte. "Du bist keusch, unberührt und unschuldig?"

"Absolut", sagte sie mit todernster Miene. "Und sowas von rein, man wird geblendet, wenn man mich nur ansieht."

"Wie gut, dass ich für dich auch nicht einen einzigen unkeuschen Gedanken hege", erwiderte Akira ebenso todernst. Das hielten sie fast zehn Sekunden durch, bevor sie schallend lachten.

"Es tut schon weh, wenn so etwas gesagt wird", sagte Akira schließlich. "Immerhin habe ich mich dumm genug angestellt, bis wir endlich richtig zusammengekommen sind."

Ami räusperte sich. "Wir."

Das ließ Akira lächeln. Er küsste sie sanft auf die Wange. "Wir. Hat sich aber alles gelohnt."

"Hat es", bestätigte sie lächelnd.

"Also werde ich diesen Idioten mal die Meinung geigen müssen, oder?", seufzte er.

"Hat Haruka schon gemacht", sagte Michiru in einem sehr trockenen Ton. "ICH hätte es ja anders formuliert..."

"Was hat sie denn gesagt?", fragte Akira amüsiert.

Haruka errötete. "Nun, nur die Wahrheit."

"Und die wäre?"

Der Rotton auf ihren Wangen wurde voller. "Wirklich nur die Wahrheit. Dass es den Idioten gar nicht um die Reinheit von Ami Mizuno geht, sondern nur darum, dass, wenn sie sie nicht haben können, dass niemand sie haben soll. Ich sag's ja, Idioten."

"Und was hast du noch gesagt, Schatz?", fragte Michiru.

"Nur die Wahrheit. Dass, wenn sie Ami so toll finden, sie gefälligst Sailorkräfte entwickeln und die Welt retten sollen, um ihr zu gefallen. Das haben sie natürlich nicht so gerne gehört, vor allem nicht so schonungslos offen. Aber bei Idioten kenne ich kein Pardon."

"Was idealisieren sie auch einen Menschen, den sie ohnehin nicht haben wollen, nur weil sie zu feige und faul sind, sich eine richtige Freundin zu suchen?", brauste Rei auf. "Ich glaube, ich geige denen selbst mal die Meinung", sagte sie entrüstet, während sie mit der Linken den kurzen Ärmel ihres Kleides ein Stück hochschob. "Hiergeblieben, Missie", sagte Yuichiro bestimmt und hielt sie an der Schulter fest.

"Seit wann bist du denn auf der Seite der Idioten?"

"Seit es losgeht." Er deutete in Richtung der Botschaft, aus der in diesem Moment die Familie Mizuno trat. Die schmerzliche Leere dahinter wurde gefüllt von zwei Milleniern, Aellion und Gaion, die die Bilder von Mamorus getöteten Eltern trugen. Beide Porträts hatten einen Trauerflor erhalten. Akira wurde schmerzlich bewusst, dass er gerne an dieser Stelle mitgegangen wäre, um Mamorus Familie zu ersetzen. Aber da Ami Usagis erste Brautjungfer war, musste er als ihr Begleiter hier bleiben. Sie hatten das besprochen, und Mamoru hatte seinen Wunsch begrüßt, aber nicht angenommen. Das hätte er Ami nicht angetan. Motoki erfüllte die Rolle des ersten Trauzeugen und konnte ebenfalls nicht mitgehen, obwohl er es ebenfalls gewollt hatte. Kurz hatte auch im Raum gestanden, Trauzeugen und Brautjungfern an der Stelle mitgehen zu lassen, als Mamorus Familie, aber das zweite Oberhaupt des SilverMilleniums hatte dazu nur gesagt: "Ihr seid immer meine Familie, egal wo Ihr mitgeht." Also hatten sie es gelassen. Sie würden ihn von hier unterstützen.
 

Als ein großes Raunen durch die Menge ging, wusste Akira, es war soweit. Usagi Tsukino und Mamoru Shiba traten auf den Platz vor dem Botschaftsgebäude, der hinter vorgehaltener Hand schon "Kristallpalast" genannt wurde. Als die beiden auf die Kutsche zuschritten, beide fast bis an die Ohren vor Glück grinsend, klang Jubel in der Menge auf. Die beiden winkten in alle Richtungen und schienen jedem persönlich zuzuwinken. Als sie die Brautjungfern und die Trauzeugen passiert hatten, schlossen sie sich ihnen an. Gemeinsam, als eine Hochzeitsgesellschaft, betraten sie die Mondkutsche. Danach kamen jene Gäste an Bord, die für die erste Kutsche vorgesehen waren. Regierungschefs, Staatsoberhäupter, persönliche Freunde wie Haru und Umino, denen das Rampenlicht bei den Brautjungfern zu groß erschienen war und die etwas bescheidener im Hintergrund bleiben wollten.

Schließlich war die Mondkutsche voll und startete. Die anderen Mondkutschen füllten sich nun ebenfalls rasch. Die perfekte Organisation der Millenier machte daraus ein zügiges Ereignis. Hunderte Menschen, viele durch Los ausgewählt und aus allen Teilen der Gesellschaft würden in den Kutschen mitfahren. Für eine weitere große Gruppe stand der Durchgang des Mondtunnels offen, den sie nicht für die Hochzeitsgesellschaft gewählt hatten, weil er einerseits maximal zwei Personen nebeneinander Platz bot und andererseits die Mondkutschen viel schönere Bilder boten. Denn letztendlich war dies nicht nur Usagis und Mamorus Hochzeit, es war eine Feier für alle, die sich daran erfreuen wollten. Vom heutigen Tag an, gestand Akira sich ein, würden die Freunde Usagi und Mamoru noch mehr mit dem Rest der Welt teilen müssen als bisher schon.

Kurz sah Akira auf, als Petzite an Saphirs Seite die Kutsche betrat. Ihr folgten ihre drei Schwestern - Diamant in der Begleitung von Berthierite, Calaverite und Kermesite in Begleitung von Männern, die Akira merkwürdig bekannt vorkamen, bis er Kermesites Begleiter als Ayoka identifizierte. Er wandte den Blick schaudernd ab, bevor er Calaverites Begleiter erkennen konnte. Gut, gut, die Welt drehte sich weiter, aber war so eine Entwicklung überhaupt möglich?

"Sei nicht so spießig", mahnte Ami ihren Freund. "Du weißt doch, wo die Liebe hinfällt, da wächst und gedeiht sie."

"Liest du meine Gedanken?", fragte Akira amüsiert.

"Deine Gedanken muss man nicht lesen, nur dein Gesicht, wenn man wissen will, was du denkst, Schatz. Calaverite wird übrigens von..."

"Ich sehe das noch früh genug", sagte Akira hastig. "Lass mir wenigstens den Teil meines Seelenfriedens, bis wir auf dem Mond sind."

"Apropos Mond", sagte Usagi. Noch immer selig lächelnd trat sie mit Mamoru zur Gruppe. In der Hand hielt sie ein Kartenspiel. "Wie wäre es mit einer Runde Schwarzer Peter, um die Zeit zu überbrücken?"

"Warum können wir nicht Poker spielen?", murrte Motoki.

"Oder Skat?", meinte Akira. "Ich bringe euch die Regeln bei, keine Sorge."

"So viel Zeit haben wir nicht. Also entweder Schwarzer Peter, oder ich hole ein Scrabble-Spiel", sagte Mamoru.

Motoki wurde ein wenig blass. "Bloß nicht. Deine Wortkombinationen sind zum Abgewöhnen, Mamo-chan."

"Also Schwarzer Peter", bestimmte Usagi. Sie ließ sich inmitten der Sitzreihen nieder. Die Mädchen scharten sich um sie, und die Männer wirkten unschlüssig - bis Jedithe ein kleines Päckchen aus seiner Uniform zog. "Zu wenig Karten, Jungs. Setzen wir uns hier rüber und spielen Black Jack. Ich bin die Bank."

"Einverstanden!" Akira winkte durch die halbe Kutsche. "Haru! Umino! Kommt ran und bringt Shingo und Unazuki mit! Wir spielen Karten!"

"Unterwegs!", rief Umino zurück.

Yuichiro runzelte die Stirn, als er die irritierten Blicke der anderen Gäste bemerkte. Eine Stunde war lang, aber nicht zu lang. "Pyramon, hast du zufällig noch Kartendecks für die übrigen Gäste?"

Der offizielle Regierungschef des SilverMilleniums sah den Braunhaarigen an wie ein exotisches Tier. "Junge, Mondkutsche hin, Mondkutsche her, dies ist ein Schiff. Und ein Schiff ohne Kartenmaterial ist undenkbar. Daher haben wir hier an Bord alle Karten, die man sich denken kann. Vor allem aber Kartenspiele." Er nickte grinsend einem Millenier der Besatzung zu, der salutierte und im Cockpit verschwand. Kurz darauf kam er mit mehreren Packen Spielkarten wieder, um sie unter den Gästen zu verteilen.

"Wie immer gut vorbereitet, eh?", neckte Jedithe den Millenier.

"Ich erkenne meine Schweine am Gang", erwiderte er grinsend.

"Hört auf zu reden, lasst uns spielen!", sagte Akira und griff nach den Karten, um sie zu mischen.

Er teilte aus und spielte für diese Runde den Geber. Danach übernahm Mamoru, ihm folgte Pyramon.

Irgendwo in der Menschenmenge rief jemand: "UNO!", und Akira glaubte, die Stimme der First Lady erkannt zu haben. Diese Hochzeit machte ihm mehr und mehr Spaß.
 

Als die Kutsche landete und die Hochzeitsgesellschaft in der alten Formation ausstieg, hätte Akira beinahe anerkennend gepfiffen. Das SilverMillenium WAR wiedererstanden. Der Palast, die Stadt ringsum und die Gärten waren wieder so, wie er es aus seinem früheren Leben kannte. Es ließ sein Herz höher hüpfen, und er wünschte diesem SilverMillenium ein mindestens ebenso langes Leben und Gedeihen wie dem Ersten, das als Hafen für die Verbreitung der Menschheit Jahrtausende überdauert hatte, bevor es das Licht des Wissens zurück zur Erde gebracht hatte. Diesmal war es anders herum. Leben und Wissen wurden von der Erde auf den Mond gebracht.

Sie wurden bereits erwartet. Angeführt von Kakyuu - Königin Kakyuu - erwarteten sie die Starlights bereits. Ihnen oblag es, das musikalische Rahmenprogramm zu liefern. Sie würden selbst singen, aber auch das millennisch-königliche Orchester dirigieren. Wenn es überhaupt noch möglich war, würde dies ihrer Popularität einen weiteren Schub mitgeben.

Akira fühlte sich einen Moment ein wenig verloren, als er die drei so strahlend lächeln sah. Besonders beim Anblick Yatens ging ihm ein Stich durchs Herz. Und wie musste es Ami gehen, wenn sie Taiki sah?

Sie drückte seine Hand. "Es bleibt uns nur, den beiden und Seiya alles Glück dieser Welt zu wünschen", sagte sie. "Alle drei sind wundervolle Menschen, auf die zweifellos wunderbare Partner warten. Sobald sie sich mal entschieden haben, was sie eigentlich sein wollen."

Akira erwiderte den Druck ihrer Hand. "Was wäre ich nur ohne dich?"

"Verloren, verkauft und vereinsamt", erwiderte sie spöttelnd. "Und gewiss kein Mitglied des Mile High-Clubs."

Akira unterdrückte ein prustendes Lachen, aber es drückte ihm die Luft durch die Nase und dann wieder in die Lunge. Dadurch erlitt er einen Hustenanfall, der aber zum Glück nicht lange dauerte. "Gutes Argument", krächzte er.
 

Es gab keinen Saal im wiedererrichteten Palast, der all die Gäste hätte fassen können, deshalb fand die Zeremonie bei allerbestem Sonnenschein im großzügigen Garten statt, der vom Grundriss her dem Original nachempfunden war. Da die Pflanzen von damals größtenteils nicht mehr existierten, hatten die Millenier Kompromisse gemacht und eigene, in den Ruinen heimische und von der Erde importierte Pflanzen angesiedelt, und bisher ging das Experiment gut. Akira sah misstrauisch nach oben zum Schirm, der die Atemluft hielt und außerdem verhinderte, dass sie von der Sonne mit den auf der Tagseite des Mondes üblichen einhundertzwanzig Grad Celsius gebraten wurden, aber das Ding wirkte sehr stabil. Wobei er als einer der Generäle mit seiner Fähigkeit, Rüstungen zu erschaffen, wohl kaum von Vakuumeinbruch oder Hitze betroffen gewesen wäre. Aber die vielen tausend Menschen hier wären es. Wobei er sich nicht so sicher war, ob es um die rund fünfhundert Reporter und ihre Kamerateams, die live auf die Erde berichteten, wirklich so schade gewesen wäre. Aber er wollte den Freudentag nicht mit solchen Gedanken ruinieren, also behielt er sie für sich. Stattdessen nahm er endlich seinen Platz auf der Seite des Bräutigams ein, während seine Freundin mit auf das Podest trat, zu Usagi, Mamoru und seinen ersten Trauzeugen Motoki. Zu gerne hätte er selbst dort gestanden, aber selbst Yuichiro kannte Mamoru länger als er. Aber immerhin konnte er den Freund alleine durch seine Anwesenheit und durch seine Platzwahl stützen. Nicht, dass Mamoru in seinem Glückstaumel so etwas Triviales überhaupt mitbekommen hätte. Nicht, dass Akira dem Freund den Glückstaumel nicht gönnte.

Kurz ging sein Blick zu Usagis Familie. Vater Kenji wirkte furchtbar stolz, Mama Ikuku weinte verstohlen in ein Taschentuch, aber sie lächelte. Shingo wandte den Kopf immer wieder seiner Begleiterin zu, Motokis kleiner Schwester, und Akira hätte drauf gewettet, dass sie miteinander flüsterten. Dennoch, sie lächelten wie alle hier. Akira ließ seinen Blick weiter schweifen und erkannte Admiral Yamamoto, General Fushida und General Young weiter hinten, diskret im Hintergrund, aber in voller Gala-Uniform. Er neigte leicht das Haupt und war überrascht, als die drei die Geste erwiderten. Dennoch vermisste er einige Gesichter; aber es hatte ja nicht ganz Tokio oder gar die ganze Welt hier hoch kommen können. Stattdessen brachten die Fernsehsender den Mond in die ganze Welt.

Als sich Königin Serenity - also die vergeistigte Mutter Usagis aus ihrem ersten Leben im SilverMillenium - materialisierte, raunte die Menge erstaunt auf, obwohl diese Szene angekündigt worden war. Neben ihr entstand ein hochgewachsener blonder Mann, und Akira fühlte sein Herz hüpfen. Das war Ikakles, Serenitys Mann und damals Usagis Vater, der zehntausend Jahre lang auf dem Seelenschiff von Echitron gefangen gehalten worden war, und der mit den SailorKriegern den letzten Kampf ausgefochten hatte. Er war dabei getötet worden, und Akira war froh, dass er sich dennoch hatte retten können - in die Vergeistigung und an die Seite seiner Frau.

Er war so gerührt, dass er kaum etwas von dem mitbekam, das gesagt wurde, erkannte kaum die Gesten, registrierte nur, dass Königin Serenity Usagis und Mamorus Hände ineinander legte und dabei lächelte. Dann erklärte sie die beiden für vermählt, und sie küssten sich.

Akira gab sich einen Ruck und kehrte in die Realität zurück. Es würde noch Gelegenheiten geben, mit Ikakles zu reden. Tausende Gelegenheiten, denn der Mann war in seiner neuen Form unsterblich. Und der ehemalige General wusste, wo und wie er ihn finden konnte. Also stimmte er in den Applaus und den Jubel ein, der den Garten erfüllte.

Ami sah zu ihm herüber und lächelte. Das ließ seinen Magen die Kehle hochspringen. Verdammt, er war immer noch so sehr verliebt in sie wie am ersten Tag. Was für eine phantastische Frau. Was für ein Glück er doch gehabt hatte. Wie hatte es die Ami aus der Zukunft formuliert? Man musste auch mal Schwein sein. Akira hatte vor, sehr viel Schwein zu sein und diese Frau nie wieder entkommen zu lassen. Niemals wieder.

***

Die Party, die sich anschloss, war perfekt organisiert, und unglaublich zwanglos. Was dazu führte, dass die Damen sich improvisierte Tanzkarten anfertigten, um einen Überblick darüber zu behalten, wem sie wann einen Tanz versprochen hatten. Akira hätte sich gerne die Tanzkarte von Ami von oben bis unten eingetragen, aber gerade heute musste er sie teilen. Was noch schlimmer war, auch die ehemaligen Generäle waren diesem gesellschaftlichen Zwang unterworfen und waren heißbegehrt als Tanzpartner. So kam es, dass Akira nicht nur mit der First Lady tanzte, sondern auch mit der Kaiserin und Usagis Mutter. Unter anderem. Als er sich nach dem zwölften Tanz eine Pause gönnte, um einen Schluck Wasser zu trinken, klopfte ihm jemand auf die Schulter. "Den nächsten, vielleicht", murmelte er automatisch, bevor er sich umwandte, um zweifellos eine Frau zu sehen, die den Schnellen Walzer mit ihm tanzen wollte, der gerade begonnen hatte.

"Leider habe ich mir nur diesen freigehalten", sagte Ami mit spöttisch verzogenen Lippen. "Aber wenn du nicht willst..."

"Natürlich will ich!" sagte Akira hastig, nahm ihre Hand und führte sie zur Tanzfläche. "Wie hast du den Tanz überhaupt freihalten können?"

Ami präsentierte ihm die improvisierte Tanzkarte. Eines der Fächer war tatsächlich leer. "Ich habe meinen Daumen drauf gehalten."

"Kluges Mädchen", lobte Akira, fand sich mit seiner Dame zwischen den Tanzenden ein und begann sich im Rhythmus der Musik zu drehen.

"Ich wusste ja, dass du tanzen kannst", lobte Ami, "aber dass du klassische Tänze auch beherrschst..."

"Eine Idee meiner Mutter. Als ich vierzehn war, haben sich all meine Freunde zum Tanzkurs angemeldet, und ich musste mit, weil "ein Mann tanzen können muss, dann kann er mit jeder Frau tanzen". So waren ihre Worte. Deshalb kann ich noch den einen oder anderen Tanz ganz gut."

"Ganz gut? Mit dir schwebe ich wie auf Wolken."

"Du brauchst mir nicht zu schmeicheln. Ich liebe dich auch so schon bedingungslos", sagte er lächelnd.

"Das weiß ich doch. Aber ich höre es so gerne." Sie erwiderte sein Lächeln. Es wurde ein Grinsen, als sie an ihm vorbei sah. "Umino und Haru sind ein wirklich hübsches Paar, denkst du nicht?"

Er sah über die Schulter, wo der große Toudai-Student und die angehende Diplomatin des SilverMilleniums über die Tanzfläche schwebten. "Würde mich nicht wundern, wenn auch ihre Tanzkarte voll ist. Und Umino hatte sicher auch noch keine Pause." Und das war ein Kompliment.

Er sah seiner Freundin in die Augen. "Ist dieser Ryu eigentlich auch heute hier?"

"Ryu wer?"

"Du weißt, wen ich meine. Ich hätte ihn mir mal gerne angesehen. Damit ich weiß, wie dein Geschmack bei Männern so ist."

Sie kicherte leise. Röte huschte über ihr Gesicht. "So, so. Meinen Geschmack bei Männern willst du wissen, General Weißhaar."

"Ja. Würde mich freuen, wenn ich einigermaßen ins Schema passe, mein Schatz."

Die Musik verstummte, als das Lied auslief. Sie blieben stehen, behielten aber noch die Tanzpose bei. Der nächste Tanzpartner Amis kam bereits angerauscht und auch für ihn war die nächste Partnerin auf dem Weg, wie er zu sehen glaubte. Dennoch sahen sie einander lächelnd an.

"Tja, mein lieber Akira, dann musst du wohl ins Bad gehen und in den nächsten Spiegel schauen. Dann kennst du meinen Geschmack bei Männern."

Akira spürte, wie er errötete. "Ich sagte doch schon, ich bin dir bereits hoffnungslos verfallen."

"Ich weiß", sagte sie erneut. Sie beugte sich leicht vor und stellte sich auf die Zehenspitzen. "Usagi erwartet uns alle in ihrem Garten, gleich nach dem Abendkaffee. Wir sehen uns dort." Dann ließ sie ihn fahren, wandte sich um und begrüßte ihren nächsten Tanzpartner. Akira fühlte Neid aufsteigen. Aber immerhin würde er sie noch ein ganzes Leben für sich haben, also würde er die Enttäuschung des heutigen Abends wohl überleben. Er verbeugte sich knapp vor seiner nächsten Tanzpartnerin und registrierte erleichtert, dass es Unazuki war. Er würde also keine belanglose Konversation betreiben müssen und konnte mit ihr ein wenig über die Familie und über GunSuits quatschen. Immerhin.

"Darf ich bitten?"

Sie ergriff seine einladend ausgestreckte Rechte, ließ sich heran ziehen und nahm Tanzhaltung ein. "Du wirst ja hochgelobt, was das Tanzen angeht. Da wollte ich das auch mal ausprobieren."

"Nur zu, nur zu", sagte er lächelnd.

"Woran liegt das? An deiner Lehrerin?"

Die Musik setzte ein und Akira begann das Mädchen zu bewegen. "Ich schätze, man muss nur ein paarmal an der Schwelle des Todes sein, um selbst solche Dinge wie einen Tanz wirklich wertzuschätzen."

Die junge Frau zog eine Augenbraue hoch. "Also liegt es an der Tanzlehrerin."

Akira nickte resigniert "Ja, es liegt an der Tanzlehrerin." Dann lachten sie gemeinsam.

***

Kurz nach dem Abendkaffee löste sich Akira aus der Hochzeitsversammlung und suchte jene Ecke auf, der "Garten der Prinzessin" genannt wurde. Die kleine, abgeschiedene Ecke war jenem Pavillon nachempfunden, in dem sich Prinzessin Serenity und König Endymion einst heimlich getroffen hatten. Es sprach für Usagi, dass sie diesen Winkel erneut für sich beanspruchte.

Er war einer der Letzten aus dem engeren Kreis der Krieger, die eintrafen. Sie waren alle versammelt, alle Sailorkrieger, alle Generäle und ihre wichtigsten Verbündeten, was die Situation ein klein wenig beengte. Akira machte das nicht wirklich etwas aus, hatte er doch so einen Grund, sich hinter Ami zu stellen, sie zu umarmen und sie an sich zu drücken.

"Da bist du ja endlich", sagte Usagi. Sie lächelte ihm entgegen, während sie zugleich Mamorus Hand liebkoste, die auf ihrem Bauch ruhte. "Wir wollten dich schon suchen lassen, Akira-chan."

"Akira-chan? Womit habe ich denn dieses Suffix verdient?", fragte er irritiert.

Mamoru grinste leicht. "Du wirst doch Serenity-sama nicht hinterfragen, General?"

"Nein, wie käme ich dazu?", scherzte er.

Usagi erhob sich und trat auf Akira zu. Sie hielt ihm einen kleinen Zettel entgegen. "Mamoru und ich haben beschlossen, dass du von unseren Freunden der erste sein sollst, der diese Information erhält. Nach all dem, was du durchgemacht hast, und weil du gut für Ami bist. Reiche den Zettel nach dem Lesen einfach weiter."

Akira nahm das Blatt neugierig entgegen. "Worum geht es denn?" Er entfaltete das Blatt, las die Schriftzeichen, stutzte, las sie erneut und lachte kurz und abgehackt.

"Was steht denn da?", fragte Ami.

Er hielt ihr den Zettel vor die Augen, was sie mit einem für ihr Wesen untypischen Aufschrei quittierte.

"Die Zukunft hat also begonnen", scherzte er, gab den Zettel an Makoto weiter und schüttelte Mamoru anerkennend die Hand, bevor er ihn brüderlich an sich drückte. Das Gleiche hätte er auch mit Usagi gemacht - falls Ami jemals wieder die Absicht hatte, sie loszulassen, natürlich.

Und je weiter der Zettel herumgereicht wurde, desto aufgeregter wurden die Freunde. Ja, die Zukunft hatte begonnen. Und mit diesen Leuten würde sie einfach nur wunderbar werden.

Und mit diesem Mädchen, an dessen Seite er nun stehen durfte und das er liebte wie nichts sonst auf dieser Welt.

Ami sah auf, während sie Usagi drückte, so als hätte sie seine Gedanken gelesen. Sie erwiderte seinen Blick, voller Wärme, Zuneigung und Liebe für ihn, dass ihm beinahe die Knie weich geworden wären. Ja, er liebte sie, aus ganzem Herzen. Und was noch wichtiger war, er hatte es ihr gesagt. Und sie liebte ihn auch, ohne ein "Muss", ohne einen Zwang oder Zweifel.

"Mögest du in interessanten Zeiten leben", lautete ein uralter chinesischer Fluch, weil "interessante Zeiten" bedeuteten, dass die tägliche Routine durchbrochen wurde - eine Eigenschaft von Kriegen und Katastrophen. Aber mit ihr, mit allen seinen Freunden zusammen, fürchtete er nichts. Da konnten die Zeiten gar nicht interessant genug werden.

Akira reichte Ami die Hand, als sie endlich von Usagi abließ, um von Rei abgelöst zu werden. Er seufzte und richtete sich auf eine lange Wartezeit ein, bis er selbst an der Reihe war. Bis dahin nahm er sein Mädchen in den Arm und flüsterte ihr ins Ohr: "Ich liebe dich."

"Du brauchst mir nicht zu schmeicheln. Ich liebe dich auch so schon bedingungslos", erwiderte sie.

Die beiden tauschten einen Blick voller Humor und voller Zuneigung, bevor sie sich küssten. Und in diesem Kuss lag ein Versprechen auf ein Morgen, auf ein Jahr auf ein gemeinsames Leben. Vor allem aber auf ein Morgen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (23)
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Von:  Lifestar
2014-05-10T21:37:59+00:00 10.05.2014 23:37
Einfach super dein Epilog!!!
Ich freue mich so, dass sich nun alles zum Guten gewendet hat.

Trotzdem lese ich es mit einem weinenden Auge, da das nun das letzte Kapitel war :( schade.
Tortzde einfach supi deine FF.

Hab auflachen müssen bei der Stelle mit der Wette in London, da wir's grad erst zu Hause davon gehabt hatten.

Kann mir zwar denken, was auf dem Zettel stand, würde mich aber trotzde interessieren was du dir hast dafür einfallen lassen ^^

Vielen Dank, dass du dich so in deine FF reingehängt hast. Ist super geworden, kannst Stolz auf dich sein.
Mal sehn ob ich mit meiner FF auch ein so tolles Ende hin kriege ;
War toll zu lesen. Werd sie wahrscheinlich noch mal ganz von vorn lesen was mich bestimmt für viel Zeit in Anspruch nehmen wird xD

GLG
Lifestar
Antwort von:  Ace_Kaiser
11.05.2014 20:51
Nachdem ich mir so viel Mühe gegeben habe, alles in einer Katastrophe enden zu lassen, konnte es ja nur ein umfassendes Happy End geben. ^^ Ups, vergessen, die Three Lights in die Schlussszene einzubauen...

Ehrlich gesagt habe ich da schon eine Idee für einen Nachfolger. Ist aber wirklich nur eine vage Idee...

Wie, Ihr habt eine irrsinnige Wette gemacht/ davon gehört? ^^

Ich wünsche Dir beim zweiten Lesen viel Spaß. Bin selbst gerade dabei und habe erstaunlich wenige Unstimmigkeiten entdeckt. Bisher. ^^V
Von:  Lifestar
2014-05-01T07:51:00+00:00 01.05.2014 09:51
Bin begeistert!
Akira als kleiner Bruder von Haruka und Michiru, wie süß ^^
Da dieses Kapitel "Finale" heißt von mir die Frage und die Hoffnung:
Kommt da noch eins? Oder Zwei ...
Hoffe doch stark ;) Ich liebe es einfach deine Geschichte zu lesen.
Mach weiter so.

GLG
Lifestar
Antwort von:  Ace_Kaiser
02.05.2014 19:55
Begeistert? Das freut mich zu lesen. ^^
Ein Epilog kommt noch, aber dann...
Nun, es pocht eine etwas andere Geschichte aus dem gleichen Universum an die Innenseite meiner Stirn, aber... Ich verspreche nichts.
Von:  Lifestar
2014-04-16T08:26:51+00:00 16.04.2014 10:26
Juhuu, das neue Kapitel ;)

Ich freu mich dass es noch geklappt hat. War ein tolles Kapi ^^
Sehr spannend.
Hoff ja nicht, dass sich die Befürchtung von Akira bewahrheitet.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel.

Grüße
Lifestar
Antwort von:  Ace_Kaiser
16.04.2014 17:42
Und mich freut es, dass Du das Privileg hast, den ersten Kommentar zum Kapi abzugeben - und das nicht nur auf dieser Seite. ^^
Tja, was wird Akira passieren? Ich meine, wenn schon ein Mädchen aus der Zukunft düstere Andeutungen macht und die Frau, die er liebt, ihn wohl nicht so liebt... Wir werden sehen. ^^
Von:  Lifestar
2014-04-02T17:02:09+00:00 02.04.2014 19:02
Hi, wollt fragen ob da noch was kommt?
Mich würde brennend interessieren was für ein Ende es nimmt ^^

Antwort von:  Ace_Kaiser
03.04.2014 17:39
Klar kommt noch was. Keine Sorge. Diesen Monat auf jeden Fall noch.
Es ist nur, ich bearbeite im Schnitt acht Projekte gleichzeitig und bin auf der Arbeit gerade etwas eingespannt - da schleppen sich natürlich einzelne Projekte. Übrigens, was das aktuelle Buch angeht, befinden wir uns etwa in der Mitte, da wird also noch viel passieren. ^^
Von:  Ace_Kaiser
2012-06-07T12:53:14+00:00 07.06.2012 14:53
Deal! Schreib mir zu jeden Kapitel einen Review, und ich schreibe die nächste Episode. d^^b

Auf die Knie gehen musst Du nun nicht gerade vor mir. Wenn Du Deinen Spaß beim lesen hast, dann habe ich mein Ziel erreicht. ^^
Und ja, das Technobabbele habe ich anscheinend drauf. Sehr gut. ;D

Tomoki? Urgs. Wird nicht mein einziger Fehler sein. Wenn ich fertig bin, werde ich das mal pauschal korrigieren. Danke für den Hinweis. ^^
Von:  PrincessOfMoon
2012-06-06T20:50:09+00:00 06.06.2012 22:50
Boah *vor Erfurcht in die Knie geh* eine megageniale ff. Ich kann es kaum erwarten weiter zu lesen. ich bin sprachlos, so beeindruckt bin ich. diese ff enthält ernsthaftigkeit, liebesdinge und humor. Und obwohl ich nie für diese art von "menschenkrieg" war hast du das echt genial verkauft. bitte lass es bald weiter gehen, wenn du willst schreib ich auch noch 100 kommis mehr ;)im übrigen finde ich deine "Fachkenntnisse" echt beeindruckend, also ich meine ich hab wirklich keine ahnung von diesen Dingen, aber es klingt so, als wenn du sie hättest...

Ach nur eine Kleinigkeit, manchmal schreibst du nicht Motoki, sondern Tomoki ;) wobei ich das nicht schlimm finde, wollte nur mal drauf aufmerksam machen.

Liebe Grüße PrincessOfMoon
Von:  jessy21
2010-11-17T14:19:38+00:00 17.11.2010 15:19
JUHU es geht weiter *freu* mensch wie lange hab ich darauf gewartet. freu mich richtig das du ne Fortsetzung schreibst. Hat sich echt nichts verändert an deinem Schreib stiel ist noch genauso genial wie vorher auf.

Freu mich schon richtig aufs nächste Kap.

also bis dann *wink*
Von: abgemeldet
2007-08-18T18:27:18+00:00 18.08.2007 20:27
Es ist so fliessend geschrieben, dass man die Glubscher nicht mehr vom Bildschirm wegkriegt.
Du weisst ja, ich bin kein Sailormoon-Fan, aber ich muss sagen, dass mir dein Schreibstil gefällt.

Bin ja mal gespannt, wie es weitergeht. Heute komm ich nicht mehr zum nächsten Kapitel, aber bestimmt in den nächsten Tagen.
Von: abgemeldet
2007-08-09T14:29:42+00:00 09.08.2007 16:29
Moah ging das lange bis ich nur mal dieses Kapi gelesen habe =^^=
Muss unbedingt weiterlesen....sehr spannend.
Sehr lebendig geschrieben. Auf Schreibfehler achte ich nicht bei dir, da findet man ja kaum was ^^
Von: abgemeldet
2007-01-08T16:55:56+00:00 08.01.2007 17:55
*tiefseufz* Der Schluß ist echt romantisch. Und lustig. *lach* *____________________________*

also wenn ich diese Ff bewerten könnte, würde ich eine 1+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++....+ geben! *nick nick*
in den nächsten tagen lese ich den Rest deiner Ffs. ^^


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