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Let's talk - Angizia Der Bastard hört, Let's talk

Autor:  Jim
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Was ist Kunst? Eine kurze Frage mit deren Antwort man Jahre zubringen könnte, und dennoch wäre sie wohl nicht beantwortet. Der Grund ist das subjektive Empfinden was wir an den Tag legen, wenn es darum geht Kunst zu definieren. Ein simples Beispiel wären Videospiele. Für mich steht es vollkommen außer Frage das ein Videospiel Kunst ist und jeder der was anderes behauptet ist in meinen Augen ein ziemlicher Idiot (allein schon deshalb weil Videospiele nichts anderes sind als ein paar bereits längst etablierte und anerkannte Kunstformen ineinander vereint). Manche ziehen die Kunst-Grenze bei ihrer persönlichen Schmerzgrenze und verwehren Dingen wie "A Serbian Film" und Konsorten den Zutritt in diese Liste. Ich für meinen Teil erkenne jedes Kunstwerk auch als Kunstwerk an, selbst die mieseste Fanfiction der Welt ist immer noch in gewisser Weise Kunst - so wie ein Massenmörder nun mal auch ein Mensch ist. Aber dann gibt es noch Dinge wo ich einfach nur staunend sage: "Wow... Das. Ist. KUNST!" Es kommt sehr selten vor das etwas einen so starken Effekt auf mich hat, aber das dieser Effekt am stärksten hervorkam war als ich das erste Mal ANGIZIA hörte...

Bei den Dingen die ich hier vorstelle gilt eigentlich immer die Faustregel: "Es ist nicht für jedermann". Meistens nicht für jene die nur leichte Kost wollen, Konsum ohne Konzentration. Solltet ihr euch zu diesen Leuten zählen dürft ihr euch nun verpissen. Angizia ist die anstrengendste Band die ich kenne. Ich weiß gar nicht wo ich genau anfangen soll, in der Regel ja bei der Kategorie der Musik - aber ich kann Angizia unmöglich kategorisieren. Es ist einfach eine so schräge Mischung aus verschiedensten Elementen, Dinge die so schlecht zusammenpassen aber dann doch so wunderbar harmonieren, die dieses Band zu der Kunst macht, als die ich es bezeichnen würde. Man könnte sagen: Angizia ist ein Theaterstück zum hören und ich liebe die Geschichten die erzählt werden.
"39 Jahre für den Leierkastenmann" zum Beispiel erzählt die Geschichte eines jüdischen Burschen, dessen größter Traum es ist Leierkastenspieler zu werden. Das Problem ist das er diesen Traum zur NS Zeit hegt. Die Schöpfer erzählen hier eine Geschichte frei von all dem Pathos, den man bei so einem Setting vermuten würde - was extrem angenehm ist wie ich finde. Es geht um Träume, Ziele und deren Erfüllung, gegen widrige Umstände. Dieses Album war übrigens auch mein erstes, genauer gesagt das Lied "Mein Jahr in Lehmberg". Eines der deutlich zugänglichsten Lieder des Albums. Aber als ich dann das gesamte Album durchgehört hatte war mir eines klar: das wird nicht so einfach. Und dann gibt es da noch "Kokon - Ein schaurig schönes Schachtelstück", welches von einem Ehepaar erzählt welches in einer Schuhschachtel lebt und sich dort den grausig entstellten Homunculus wie ein Monster hält, welches nur dazu da ist sie zu unterhalten. Eine Geschichte die eine absolut grausame Auflösung hat, eben schaurig schön, und dennoch wunderbar dargeboten und erzählt wird (übrigens auch das deutlich "normalste" Album, wenn man so will, und für Einsteiger wahrscheinlich am ehesten geeignet). Während es üblich ist heute einzelne Songs auf CDs zu klatschen nimmt man sich hier noch wirklich die Zeit eine Geschichte zu erzählen.

Eben aufgrund der zuvor beschriebenen, schrägen Mischung von Elementen ist Angizia eine Band die man keinesfalls - zumindest beim ersten Durchlauf - mal so nebenbei hören kann. Angizia ist die Sorte von Produkt das man anmacht, sich hinsetzt, ein Weilchen richtig konzentriert und ohne Störung zuhören muss, und wenn das Album durch ist, ist man ein wenig fertig weil es eben, wie schon gesagt, anstrengend war. Ja, es grenzte teilweise an richtige Arbeit mich durch ein Album zu hören - und das tut es manchmal auch heute noch. Warum habe ich mir die Mühe gemacht? weil Angizia es verdient hat! Die Belohnung die man am Ende bekommt wenn man die "Tortur" durchsteht ist etwas, was man nirgendwo anders bekommen kann. In ihrer Art, ihrem Sein und ihrer Präsentation ihrer Kunst sind Angizia absolut einzigartig und ich garantiere euch das ihr so etwas noch nie in eurem Leben gehört habt und vielleicht auch nie wieder hören werdet. Um es mit einer simplen Analogie auszudrücken: Angizia ist kein Fastfood. Es ist ein fünf Gänge Menü bei Kerzenschein in dem edelsten Restaurant der Welt. Ihr habt länger dran zu kauen, ihr müsst euch benehmen und das Essen "richtig" zu euch nehmen, damit ihr euch nicht blamiert. Aber dafür schmeckt es tausendfach besser als ein billiger Burger.
Wenn ihr euch in der Lage seht etwas außergewöhnlichem eine Chance zu geben, und damit meine ich eine WIRKLICHE Chance und nicht nach zwei Tracks bereits das Handtuch zu werfen, hört rein. Wie bereits gesagt ist "Kokon" das deutlich zugänglichste Album und für die Leute die nicht ganz so "hart" sind noch der beste Einstiegspunkt. Ich behaupte einfach das Angizia nur den Wenigsten gefallen wird - es ist einfach nicht für jedermann - aber die Leute die ein wenig offener sind werden zumindest am Ende eingestehen, dass sie gerade etwas Einzigartiges gehört haben. Etwas das in Komposition, in Arrangement, selbst in der Art wie die Texte geschrieben und die Akteure zusammengesetzt sind mit nichts vergleichbar sein dürfte. Und den Leuten die sich an Musik wirklich erfreuen können sollte allein dieses Ergebnis ein kleiner Lohn sein: eine Erfahrung.

~Ich bin ein "Ich" in euren Ketten,
eine Brut in fremden Betten.
ICH! - bin ein Tier, ein Mord,
ein Biest, das in der Hölle schmort.
Diesem Kerker gilt mein Aufruhr,
mein Zorn, mein Leid, mein Groll,
und die eine Frage, ob ich denn leben soll.~
Datum: 10.01.2013 22:46
Also ich hab mir jetzt "Mein Jahr im Lemberg" angehört und ich...verstehe was du meinst. Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich gut. Mal sehen, ob ich weniger zugängliche Lieder auch noch durchhalte.
Als nächstes muss ich das Lied hören, aus dem du diese Lyrics kopiert hast. Die gehören für mich zum wichtigsten am Lied.
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Datum: 11.01.2013 06:26
plesant
>Als nächstes muss ich das Lied hören, aus dem du diese Lyrics kopiert hast. Die gehören für mich zum wichtigsten am Lied.

Das ist aus "Ich" aus dem "Kokon"-Album. Da würde ich aber von vorne anfangen. "Ich" liegt relativ weit hinten und ist ziemlich nah dran an der Auflösung, kurz bevor man erfährt was der Homunculus eigentlich ist.

Datum: 11.01.2013 18:46
Okay, dann fang ich wohl besser vorne an.


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