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Nachts alpträume

Autor:  -Broeckchen-
Als ich mich von der Toilette durch das große Haus zurücktaste, kann ich vor Finsternis kaum mehr sehen als das von Gardinen verhangene Fensterrechteck im Zimmer. Aber ich spüre die Menschen um mich herum im Dunkeln. Dicht an dicht gedrängt schlafen sie, Frauen, Kinder und Alte, ihre Atemzüge nicht hörbar, aber ihre Blicke klar auf der Haut zu fühlen. Ich finde mein Bett und lege mich hinein, ziehe die Decke um mich, möchte schlafen. Aber zwischen den unschuldigen Blicken spüre ich einen bedrohlichen. Ein Grinsen, welches mir übel will. Die Finsternis ist so tief...

Ich drehe mich um und versuche, mir diese Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. Die Nähe bilde ich mir nur ein... wenn jemand zu mir wollte in dieser Dunkelheit, würde er alle paar Millimeter über irgendwelche anderen Menschen stolpern und mit Sicherheit schnell daran scheitern. Da ist niemand. Da darf niemand sein. Ich bilde mir das nur ein.
Aber ich bebe am ganzen Körper.
Ich bemühe mich, die Gedanken zu beruhigen, denke mich in eine Art Trance, versuche mich am Astralreisen, weil mich dieses Haus ängstigt und einengt. Ich kann kaum atmen, egal ob durch Nase oder Mund, es will einfach keine Luft die Einladung in meinen Körper annehmen, als seien meine Atemwege dafür zu eng. Röchelnd bemühe ich mich, mit meiner Seele zu zappeln, mit ihren Armen zu rudern, mich aus meinem Körper herauszuwinden wie ein Falter aus seinem Kokon, doch etwas ist da, und als mein Vorhaben am Gelingen ist, packt eine klauenhafte Astralhand meine Seele und reißt sie lachend in meinen Körper zurück.
Mit einem Schrei fahre ich auf. Schrei? Nein, aus meinem Mund dringt kein Ton. Panisch vor dem, was mir in der Dunkelheit ganz nahe ist und ohne Laut lacht, suche ich nach der Nachtischlampe, finde das Kabel, reiße fast daran, bis ich endlich den Schalter in der Hand halte und darauf drücke.

Als das Licht angeht sehen einige verschlafene Gesichter fragend zu mir auf, während ich noch immer nach Luft ringe.
Niemand ist bei mir.
Ich steige zitternd aus dem Bett, halte mich an dem Tisch fest, der daneben steht. Die Leute im Raum, teils auf Stühlen oder dem Boden schlafend, wachen nach und nach auf, und während ich mich bebend an dem Tisch festhalte, sehen immer mehr von ihnen entsetzt an mir vorbei auf den Boden.
Fragend folgt mein Blick den ihren.

Meine Welt sackt weg.
Mein Herz bricht.
Meine Seele windet sich in Agonie.

Ich taumele vom Tisch weg, den Mund weit zu einem Schrei des Entsetzens geöffnet, in den ich alle Kraft meiner Lungen pumpe, aber ich kann nicht schreien, die Luft will meinen Körper zu wenig verlassen wie betreten.

Der Kopf meiner Mutter liegt auf dem Boden, die Augen voller Todesangst auf mich gerichtet.

Als hätte jemand alle meine Muskeln in Nichts verwandelt wanke ich, falle fast in mich zusammen - dann schieße ich wieder hoch, noch bevor ich richtig eingeklappt bin. Plötzlich habe ich meine Stimme wieder, als Zorn mich füllt.
"WER WAR ES? WER HAT DAS GETAN?!", brülle ich, das Monster in mir umarmend und willkommen heißen. Blut für ihr Blut, flüstert es. Lass mich Blut für dich vergießen.
Um mich herum ratlose, ängstliche, unschuldige Gesichter. Ihre Unschuld kotzt mich an. Niemand hats gesehen? "Wir waren es nicht?", traut sich eine alte Frau zu sagen. Schon bin ich bei mir, schon starren meine aufgerissenen Augen in ihre, meine Hände zu Klauen geformt kurz vor ihrer Kehle. "Das kam zu schnell!", zische ich. "Was weißt du? Warst du es?!" Meine Hand schnellt nach vorn, um sich um ihren Hals zu schließen-

Ich wache von meinem eigenen Wimmern auf.
Panisch greife ich hinter mich, schalte mein Licht an.
Mein unschuldiges Zimmer liegt im Licht. Leer. Kopflos.
Mein Kuscheltier an mich gedrückt, schlafe ich unruhig wieder ein.

Und das geht nun schon zwei Tage so.


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