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Atze Schröder auf dem Weg nach Hamburg

Autor:  DerNeji

Ich stand unter der Dusche, weil meine Glückslocken brauchen ja Pflege. Plötzlich krieg ich nen Anruf, ich sofort ran, ich hab mein Handy immer dabei: „Bernie! Alte Käsekrokette, Ringel die Natter, lange nicht gehört.“ Ja sacht er: „Atze höma, he he, lang nich gesehn, wa? Komma rüber aufen Kaffee.“ Also Essen – Hamburg 350 Kilometer. Ich sach: „Bernie, setz auf! Ich komme.“

Kurz noch zu Ende geduscht, mein bestes T-Shirt an wie heute.
Ich ab in die Garage, in meinen Porsche 911er und dann ganz charmant meine 6 Zylinder geflutet, mein Baby durch die 6 Fahrstufen geführt und dann gaaaanz ganz ganz galante mit 182 raus aus dem Neubaugebiet direkt auf die A1.

10 Minuten freie Fahrt, da war ich schon im Stau. Ich hab gedacht so: Schröder, ruhig bleiben. Weil ich bin ja so'n ruhiger Fahrer. Ich bin ganz ganz ruhig geblieben. Im Juli. Brüllenheiß. Ich steh im Stau. Neben mir so ein ukrainischen Schweinetransporter. Stand auch noch dran: Täglich Kiew – Lissabon. Ein infernalischer Gestank! Bestialisch! Wahnsinn! Ich hab sofort die Scheiben hochgemacht, hab ich gemerkt, das Verdeck ist nicht drauf. Aber ich bin ruhig geblieben. Schlimmer kann es nicht mehr stinken. In dem Moment kurbelt der ukrainische Fahrer das Fenster runter. Und da war ich mir nicht mehr wirklich sicher: Findet der Viehtransport jetzt vorne oder hinten statt? Der kurbelt das Fenster runter, da kam so ne Schulter raus, so ne ukrainische Schulter, und kennt Ihr diese Silberrücken, wo Männer so behaart sind, dass selbst die Haare noch mal Haare haben? Am Durchlüften der Meister! Zum ersten Mal seit Kiew das Fenster runter. Und unter den Armen vier ganz dicke Warzen. Da fehlten nur noch Nase und Ohren, dann hätten die Doppelkopf spielen können. Aber ich ruhig geblieben. Ich bin ganz ganz ruhig geblieben. Das hat mich gerettet, denn nach 2,5 Stunden gings ja auch schon wieder weiter.

Und ich wollt grad so den Mief aus der Karre blasen, den Pell außer Hütte, mal richtig aufen Pin, mal zeigen, wo beim Pavian die Hupe hängt. Will also grad so richtig auf der linken Spur Gas geben, da zieht vor mir so ein cremefarbener Jetta mit nem Rentner vornedrin raus. Auf den beiden Vordersitzen so ne mumifizierte Rheumadeckenbesatzung. Korthut, Wackeldackel und gehäkelte Klorolle, alles da. Und ich hab mir gedacht: Schröder, ruhig bleiben. Wer weiß, was bei den beiden in den letzten 30 Jahren nach der Silberhochzeit alles schief gelaufen ist.

So ist er, der deutsche Rentner, so ist er. Fährt 250 Kilometer im Jahr und wenn schon Autobahn, dann als ehrenamtlicher Stauführer auf der A1, ist klar. Nach 120 Kilometern zog er auch schon wieder rechts rüber. In der Zeit hat er sage und schreibe einen LKW überholt. Und ich hatte endlich Platz, freie Fahrt und ich muss sagen, das war schön. Fahr so ganz ruhig mit 190, wie es meine Art ist, ich bin ja ein ruhiger Fahrer, fahr ich auf der linken Spur in der Metroopa-Stellung, hier Handy, BigMäc, Cola light, im Fußraum nach ner Kassette von Deep Purple gesucht und pass nen Moment nicht auf, da hämmert doch auf der rechten Spur ein Ferrari Testarossa an mir vorbei. Und ich sag euch da war Schluss mit lustig! TILT ERROR READY TO RUMBLE!!! Was glaubt dieser süditalienische Mozzarellaschieber eigentlich, wo er hier ist? Ich setze ihm nach. Was denkt der sich, die italienische Darmentleerung. Den werde ich vorne ansaugen und hinten wieder ausscheißen! Ich schalte zurück: 2. Gang, 3. Gang, 4. Gang. 220, 230, 240. Meine 335er krallen sich in den Asphalt. Meine 6 Zylinder schreien mich an: Schröder, ist das alles, was Du drauf hast? Schröder, ist das alles? Ist das alles?

Der Turbolader pfiff die Symphonie der Vernichtung! 250, 260, 270, 280 liegen an Herr Kalloi. Das muss das Boot abkönnen! Und bei 295 treibe ich ihn mit dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1 Meter 45 vor mir her!!! Und ich will ihm gerade die finale Höchststrafe verabreichen: Lichthupe bei 305. Was macht dieser südeuropäische Sackrasierer? Rettet sich feige und unehrenhaft über die nächste Ausfahrt auf die Landstraße. Und ich hab gedacht: Geil, wehr dich Arschloch. Landstraße, das ist mein Revier. Da sitz ich am Ende der Nahrungskette.

Ich setze ihm nach, krankes Tier von der Herde getrennt. Über mehrere Schlangenlinien gings im Synchronflug durch Niedersachsen. Und auf einem pfeilgeraden Teilstück leg ich mir meine Beute zurecht. Und gladiatorengleich ziehe ich an ihm vorbei. Er akzeptiert seine Niederlage durch abruptes Bremsen und ich husche vorbei! Vor meinem geistigen Auge geht schon alles ab: Die Siegerehrung, die Champagnerdusche, Nationalhymne, Boxenluder jaaaaaaaaaaaaa!

In dem Moment werde ich geblitzt! Kurz geguckt, wo bin ich? Dorfstraße innerorts. Kurzer Blick auf den Tacho: 238. Sicher. 10 % runter. Müsste klappen!

Da seh aber auch schon die uniformierten Bewegungsmelder hektisch mit der Kelle am Wedeln. Ich voll in die Ramme direkt auf Marke. Der Schmiermax hätte nur noch aufbocken müssen und betanken. Da kommt einer von diesen verschobenen Preisrichtern in Uniform, kommt wutentbrannt an mein linkes Fenster. Ich runter. Er brüllt mich an: „Sie wissen, warum wir Sie anhalten?“ Ich sach: „Ja sicher... zweimal das Curryschnitzel Bombay ohne Pommes bitte.“

Das Wochenende auf der Wache war gar nicht das Problem, aber als Bernie dann anrief: „Höma Atze, der Kaffee wird hart...“


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