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Sequels und Erwartungshaltung, Part I

Autor:  Chozo

Grüße, geneigte Leser.

 

Wie der Titel schon vermuten lässt, will ich in diesem Eintrag über Fortsetzungen von Serien und dergleichen sinnieren.

 

Dabei ist eigentlich egal, ob wir von Buchreihen, Filmen, Verfilmungen von Buchreihen, TV Serien oder Spielen, seien es Brett- oder Videospiele, reden.

 

Grundstein ist vor allem der erste Teil des Mediums. Man kann nun darüber diskutieren, ob einzelne Kapitel in einem Buch nicht auch Fortsetzungen darstellen. Ich gehe aber davon aus, dass wir von abgeschlossenen Werken reden. Und bevor jetzt wieder ein "Aber!" kommt: Ja, ich weiß, dass einige Bücher oder Comic-Serien so geschrieben sind, dass sie einen Cliff-Hanger haben und man quasi das nächste Buch braucht.

Gehen wir dennoch einmal davon aus, dass ein Buch, Spiel, etc. eine insich geschlossene, schlüssige Einheit ist.

 

Dieser "erste Teil" muss natürlich insich schlüssig sein. Er kann gewisse Dinge offen lassen, muss sich aber logisch und nicht absurd anfühlen. Er funktioniert. In einem Fantasy-Roman zB. muss das Magiesystem irgendwelche Regeln haben, und sei es nur, dass es keine gibt. Das muss aber irgendwie merkbar festgelegt sein. Nehmen wir Dungeons & Dragons, egal, ob wir jetzt vom Pen and Paper oder einem Spiel basierend darauf reden. Dann wird erkenntlich, was ich meine: Es gibt, grob gesagt, zwei Arten, Zauber zu wirken: Arkane Sprüche wie ein Magier, der herumwedeln muss und ein magisches Gewebe anzapft, oder klerikale Sprüche, die eine Figur aufgrund ihres unerschütterlichen Glaubens oder durch ihre Schutzgottheit aufsagen kann. Ja, also, bevor mir hier ein unglaublicher Insider auf's Dach steigt: Ich weiß, es gibt feinere Nuancen, aber begnügen wir uns damit. Auf jeden Fall gibt es ein klares System.

Egal, ob Magier, Paladin oder sonst eine Klasse, die Sprüche aufsagen kann (Ausnahme Hexenmeister, ja ja), sie bereitet bevor sie losziehen, um Abenteuer zu erleben, einen Zauberspruch vor. Je nachdem, wie stark die Figur ist, kann sie höherstufige Sprüche aufsagen und auch die Anzahl der Zauber pro Tag, die gewirkt werden können, ehöhen. Die sogenannte "Vancian magic" von Jack Vance fungiert zum einen als Spielmechanik für das Spiel. Zum anderen hat sie auch natürlich eine direkte Auswirkung auf das Setting und die Geschichte, in der die Figuren leben. Kurzum: Spielmechaniken können die Lore bestimmen - und umgekehrt.

 

Wer es nicht genau weiß: mit Lore meine ich nicht einen Namen von einer Person im näheren Umkreis oder ein Gerät, mit dem man durch Minen auf Gleisen fährt. Lore bezeichnet quasi die koherente Welt, die insich schlüssig ist, in der ein Buch, Spiel, etc. spielt. Es ist quasi die Geschichte jener Welt, zusammen mit wie die Naturgesetze und alles andere dort, wie soziale Strukturen, Flora und Fauna etc. funktionieren.

 

Wenn wir in ein Buch abtauchen, uns von einem Spiel mitreißen lasse oder in die Protagonisten einer Serie einfühlen und vielleicht wiederfinden, dann sind wir quasi in einer anderen Welt. Diese sogenannte Immersion bedeutet, dass wir in dem Moment nichts um uns wahrnehmen sondern in dieser Geschichte quasi "leben". Das kann übrigens nicht nur bei Medien wie diesen geschehen, sondern auch bei einer spannenden, mündlich vorgetragenen Geschichte, der man am Lagerfeuer oder im Bett lauscht.

 

Okay, wir haben eine Welt mit einer Lore. Wenn wir uns auf diese ganz und gar einlassen, entsteht Immersion. Und daraus entsteht eine sogenannte "Suspension of Disblief"- mit deutschen Worten eine "Aufhebung des Unglaubens". Was bedeutet das?

Wenn ich zum Beispiel Star Wars schaue und voll drin bin, dann weiß ich: Okay, es gibt Technik, die Sachen schweben lässt oder Gravitation im All erzeugt. Es gibt Lichtschwerter, die halb technisch, halb mystisch zu sein scheinen. Und ich nehme es hin. Man hinterfragt nicht. Es kann sein, dass am Rande erwähnt wird, wie solche Dinge funktionieren. Aber wenn wir uns die Filme, Spiele, Serien, Bücher etc. anschauen, in der diese für uns heute noch kaum vorstellbaren Geschehnisse zum Alltag gehören, kommen sie uns im Kontext, wie auch die Figuren, die damit umgehen, plausibel vor.

Es gibt hier auch klare Regeln: Maschine XY lässt Sachen schweben. Nur ein Kyberkristall ermöglicht es, ein Lichtschwert in Betrieb zu nehmen.

 

Diese Regeln werden von Autoren / Entwicklern geschaffen. Es gibt sie natürlich auch bei "nicht Fantasy-mäßigen" Sachen. Ein moderner Kriminalroman nimmt dann quasi die Regeln der echten Welt zur Hand. Ein Historien-Roman auf der anderen Seite muss vorher gut recherchierte Fakten heranziehen und einpflegen, um ein Abbild einer bestimmten Epoche zu zeigen.

 

So weit, so gut.

 

Wollen wir nun etwas zum Ausgangsthema steuern? Sehr wohl!

 

Warum ich diesen Abriss veranstaltet habe, soll sich im Folgenden zeigen.

 

Von einer insich schlüssigen Geschichte, eingebettet in ein Medium wie Buch, Film oder Spiel wird eine Fortsetzung produziert.

Sobald das bekannt ist oder urplötzlich im Regal erscheint, haben die Konsumenten des ersten Teils eine gewisse Erwartungshaltung. Wie wird es weitergehen? Kommt ihre Lieblingsfigur vor? Wird die Lore weiter ausgebaut? Ist es inhaltliich oder spielerisch genau so gut wiie der Vorgänger? Kann der zweite Teil überzeugen und Neuerungen zum Ersten bringen?

Denn nichts ist langweiliger, als genau das gleiche in Grün erneut zu lesen / spielen.

 

Und hier gehen die Fan-Meinungen manchmal echt auseinander.

 

Gehen wir vom Spiel aus. Gerade bei langen Spieleserien sagen einige Grüpppchen plötzlich: Ugh, können wir nicht wieder Teil xyz haben?

Ich formuliere es konkreter: Jeder von uns kennt sie: die Leute, die seit Jahren wieder Final Fantasy VII spielen wollen. Ich kann mir vorstellen, dass über die Jahre tausende von E-Mails irgendeine arme Community-Manager-Sau erreicht haben, der dauernd das Gleiche las.

Jetzt kommen unglaublich überzeugte Fans daher und sagen "Ja, aber die würden voll Gewinn machen und so!"

Vielleicht wird auch noch gefordert, dass am besten alles gleich bleiben soll. Bitte eine Neuauflage- aber bitte nichts ändern!

Und was haben wir dann? Richtig! Genau das gleiche Spiel wie vor ein paar Jahren! Jubel!

Äh... Moment, warum, wenn wir alles gleich haben wollen, spielen wir dann nicht einfach das gleiche Spiel wie vor ein paar Jahren? Ist sogar für einen Adequaten Preis im Shop des Entwicklers oder auf Steam zu haben...

Dann kommt meistens das Totschlagargument: GRAFIK!!!

 

Ja, nun... Nein.

Wir müssen ehrlich sein und es objektiver betrachten:

Das Spiel war zu seiner Zeit enorm. Klasse Grafiik, tolle Kämpfe, spannende Geschichte und gutes Game-Play. Damals ein echter Meilenstein. Viele sind beeindruckt gewesen, als sie in ihrer Kindheit oder, sagen wir, jugend heranswuchsen und das Spiel das erste Mal spielten.

Das war damals. Vor vielen, vielen Jahren (ich möchte aber jetzt niemanden das Gefühl geben, alt zu sein...).

Und nun?

Würde ein Spiel herauskommen, was von der Bedienung her und den Dialogen (besonders in der deutschen Übersetzung) genau so wie Final Fantasy VII wäre, würde man niemanden mehr hinter den Ofen hervorlocken können damiit.

Auch nicht, wenn die Grafik aufgehübscht ist.

Den man kennt soetwas schon.

Sicher, vielleicht würden sich einige Fans die aufgehübschte Version kaufen. Andere vielleicht aber auch nicht, weil es eben "nur" aufgehübscht ist und sich sonst nichts geändert hat.

Und der Rest?

Ein Spiel herauszubringen, aufzuhübschen, tauglich für verschiedene Plattformen zu machen, etc. kostet Geld.

Nur von einer kleinen Nische wie den hard-core Fans kann man die Kosten vielleicht nicht decken.

Was muss geschehen? Es werden Neuerungen eingebaut, die das Spiel für eine jüngere Generation, die viel geschmeidigeres Game-Play, welches eventuell sogar an ihren Kulturkreis angepasst ist (ja, das gibt es wirklich, dazu vielleicht mal mehr an anderer Stelle), gewöhnt sind. Etwas, was neues bringt, was es vorher nicht gab.

Das ist auch der Grund, warum der kommende Remake von Final Fantasy VII auch zahlreiche spannende Neuerungen im Trailer zeigt.

Neben bombiger Grafik scheint das Kampfsystem entschlackt und Smooth. Gesprochene Texte lösen Sprechblasen ab. Alles wirkt neu.

Denkt daran: Square hat einen Ruf. Einen guten. Einen, der so gut ist, dass man HOHE Erwartungen hat. Sehr hohe. Ein einfacher, unzeitgemäßer Remake würde sicher kein gutes Licht werfen und dem Glanz und Glamour gerecht werden.

 

Und allein das spaltet manchmal eine Fan-Gemeinde.

Eben weil einige alles beim Alten haben wollen, unabhängig davon, ob es sinnig ist, oder nicht.

Manchmal schwingt aber auch eine gewisse Angst mit.

Nämlich, dass man den Remake "voll versaubeutelt".

Berechtigt. Man hat ein Spiel, man liebt es vielleicht. Und wenn dann das Remake alles auf den Kopf stellt...

 

Ein gutes Beispiel ist der Star Wars Kanon.

 

Star Wars ist mehr als nur die Filme gewesen. Zahllose Comics, Spiele und Romane ergänzten die Welt im sogenannten "Expanded Universe". Es wurde versucht, die Filme zu unterstützen und eine riesige Galaxis voller Abenteuer, bestimmter Regeln und Geschichten aufzubauen. Sachen, die vielleicht vom Grundauthor nie beabsichtigt waren.

Zahllose Romanschreiber und Spieleauthoren drückten der weit, weit entfernten Galaxis ihren eigenen Stempel auf, erweiterten die Lore.

Und auch wenn die Lore einzelner Produkte sich manchmal widersprach, konnte man dennoch ein homogenes Ganzes feststellen.

Klar, es gab gute und weniger gute Geschichten in den ganzen Jahren. Aber dennoch hat sich alles ergänzt und man schmunzelte als Fan, wenn ein bestimmtes Droidenmodell in einem ganz anderen Roman wieder auftauchte.

 

Dann kam Disney mit der Zurücksetzungskeule:

Alles, was Expanded Universe war, all diese Lore, die über mehrere Jahrzehnte entstand, wurde offiziell aussortiert.

Alles, was die Fans lieben und hassen lernten, weg, nicht mehr Kanon. Eine andere "Dimension", für die aber nicht mehr produziert wird.

 

Das hat natürlich nicht nur schlechtes. Dennoch war der Aufschrei enorm.

Man wollte entschlacken. So brachial wie möglich, wie es schien.

 

Nur die Filme und die animierten Serien waren noch offiziell anerkannt.

 

Das bot allerdings den Autoren von den neuen Filmen und Serien die Möglichkeit, ohne "Altlasten" an das Franchise heranzugehen und völlig neue Geschichten zu entwerfen.

Man macht Sachen neu, passt sie an, erzählt sie Zeitgemäßer.

Und dennoch ist man als alt-eingesessener Fan etwas am Grummeln.

 

Und kritischer.

Man achtet mehr auf die neuen Produktionen. Werden sie den Erwartungen gerecht? Haben sie das Anrecht darauf, in die Fußstapfen des Expanded Universe zu treten und die Lore neu zu gestalten?

Oder ist es eine Schande, dass für diese neuen Sachen die Alten weichen mussten?

 

Auf der anderen Seite: Ist es nicht so viel zugänglicher und finanziell profitabler, da ein junges, "neues" Publiikum angesprochen wird?

 

Letztendlich muss das jeder für sich entscheiden. Hier gibt es kein allgemeingültiges ja oder nein.

 

Manchmal ist es nämlich so, dass die "Lore außer Kontrolle gerät".

Für gewöhnlich ist die Lore ein Setting, in das die Story zwar eingebettet ist, jedoch kein leitendes Element. Sie ist Mittel zum Zweck, um eine spannende Geschichte zu erzählen.

Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Lore, die der Autor im Kopf hat, je länger eine Serie wird, nichtmehr mit der eigenen Vorstellung übereinstimmt.

Bisweilen kommt es sogar vor, dass einige Fans besser über die Welt, die ein Autor schuf (oder andere Autoren, die dann mitschrieben und offiziell publizierten), bescheid wissen als er selber.

 

Ich möchte hier ein Zitat von George Lucas bringen in einem Interview mit Starlog. Ich könnte zahlreiche Anektdoten im Bezug zu diesem Thema von diesen unglaublich kreativen Mann bringen, doch finde ich, dass er das hier auf den Punkt bringt:

 

STARLOG: "The Star Wars Universe is so large and diverse. Do you ever find yourself confused by the subsidiary material that's in the novels, comics, and other offshoots?"
LUCAS: "I don't read that stuff. I haven't read any of the novels. I don't know anything about that world. That's a different world than my world. But I do try to keep it consistent. The way I do it now is they have a Star Wars Encyclopedia. So if I come up with a name or something else, I look it up and see if it has already been used. When I said [other people] could make their own Star Wars stories, we decided that, like Star Trek, we would have two universes: My universe and then this other one. They try to make their universe as consistent with mine as possible, but obviously they get enthusiastic and want to go off in other directions."

 

Was George Lucas dort sagte, fand ich, als ich es das erste Mal las, merkwürdig. Es hinterlies ein komisches Bauchgefühl. Aber als ich es dann sacken lies, dachte ich: Ja. Das ist gut.

Heute weiß ich es im Grunde genommen sehr zu schätzen.

 

Es gibt seine Welt und die des Expanded Universe. Und, in gewisserweise, die der Fans. Die Welt, in der man sich selber Sachen ausdenkt und nach gutdünken entscheidet, ob es reinpasst.

 

Spiele müssen sich entwickeln, genau so wie gute Storys in Büchern oder im Fernsehen.

Und den aktuellen Zeitgeist treffen, es sei denn, sie wollen gezielt eine Nische bedienen- oder sie sind so kontrovers, dass sie dafür gehyped werden.

 

Würde das Meisterwerk "Der Herr der Ringe" von Tolkien in der heutigen Zeit, wenn man es herausbringt, funktionieren? Nein. Es wäre ein Nischenprodukt, weil der entschleunigte Schreibstil gerade nicht in die Zeit passt. Nichts destotrotz ist es ein Meisterwerk und gerade nach den Filmen findet es guten Absatz- aber es hat auch eine gewisse Vorgeschichte an den Tag gelegt.

 

Ähnlich der Cthulhu-Mythos von Lovecraft. Damals hat Lovecraft mit seinen Kurzgeschichten in und um Innsmouth für Gänsehaut gesorgt- heute eher für ein müdes Lächeln bei den meisten abgebrühten Lesern.

 

Wenn heute ein Rollenspiel-Hit, am besten noch ein MMORPG, ein neues Update liefert, was komplett anders ist oder ganz neue Mechaniken liefert, als alles davor, gibt es einen Aufschrei und geflame.

Leute haben Angst, das Gewohnte zu verlieren. Auf der anderen Seite sind sie unzufrieden, wenn sich nichts ändert. Ein Paradoxon? Gut, die Stimmen, die am lautesten in Foren herummotzen, stellen nur einen winzigen Teil der Community dar. Aber: Würden sie so viel flamen und herummotzen, wenn ihnen das Spiel, was sie manchmal totsagen, nicht irgendwie wichtig wäre? Denn die meisten Leute weinen nicht bei Sachen herum, die sie nicht interessieren...

 

Vielleicht ist es Unsicherheit.

 

 

Doch will ich beschließen, diesen "Essay" vorerst Ruhen zu lassen. Denn auch ich bin überrascht über die schiere Menge des Textblocks.

Im nächsten Beitrag möchte ich mehr auf die "Suspension of Disbelief" eingehen und Beispiele anhand von Spielen und Büchern machen, wo Fans zurecht durchdrehten - oder eben nicht. Was einen aus der ganzen Geschichte quasi "raushaut".

Wie die Spaltung der Fan-Gemeinde durch Metroid Other M.

Oh, und vielleicht gehe ich nochmal auf die Remakes bekannter Serien aus den 80ern und 90ern ein.

 

Bis dahin, verzagt nicht.

Auch dieser erste Teil wird weitergehen. Ob er nun das "Niveau" halten kann oder nicht, ob er den Erwartungen der Leser gerecht wird...

Wird sich zeigen.

 

Kanonische Grüße!

 



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