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Ai no Scenario

von

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Der Weg von Shinichi’s Haus zu Akihito’s Apartment betrug gerade mal eine halbe Stunde und als der Meisterdieb dort auftauchte war Tokyo gerade erst zum Leben erwacht. Es war Wochenende und natürlich bedeutete das, dass das Leben ein bisschen ruhiger und entspannter ablief, doch dafür hatte Kaito keinen Blick. Auch das schöne Wetter, die immer wärmer werdenden Tage interessierten ihn nicht.

Die Wut, welche sich begonnen hatte in seinem Magen zu bilden, hatte sich angestaut. Er hatte mehr und mehr Emotionen in sich hineingefressen. Er war endlich im Reinen mit sich und seinen Gefühlen für Shinichi und er war bereit ihm zu sagen, was er für ihn empfand. Dass es ihm egal war, dass Shinichi ein Mann war, dass er ein Vampir war. Er wollte bei ihm sein und ihn berühren können.

Er vermisste ihn. Und er schämte sich.

Schämte sich dafür den Detektiv so lange warten zu lassen, nicht einmal Bescheid zu geben, dass alles in Ordnung war, und ihn dann mit so einer billigen Nachricht zu Kaitou KID’s Überfall zu bestellen. So etwas Dummes hätte er niemals tun dürfen.

Der größte Fehler war gewesen an dem Tag, an dem sie erfahren hatten, dass das Band zwischen ihnen getrennt war die Bar zu verlassen.

Er hätte dableiben sollen, hätte alles mit Shinichi besprechen und klären sollen. Und was hatte er getan? Er war davongelaufen, wie ein Feigling.

Sein Vater würde sich für ihn schämen.

Als Kaito die bekannte Haustür erreichte hielt er inne. Er wusste, dass er sich diesmal nicht nur Shinichi stellen musste, sondern das auch Akihito und Miyoko anwesend sein würden. Aber würden die beiden überhaupt wach sein? Oder würden sie bereits tief und fest schlafen, so wie es Vampire normalerweise untertags taten?

Kaito schüttelte den Kopf. Er konnte sich jetzt nicht ablenken lassen oder sich Sorgen um die beiden Vampire machen, wenn sein eigentlicher Fokus auf Shinichi ruhen sollte. Bevor seine Gedanken wieder in irgendwelche verrückten Richtungen abdriften konnten hatte der Magier auch schon die Hand gehoben und die Klingel gedrückt.

Damit würde er die Vampire garantiert aus ihrem Schlaf reißen.

Es dauerte nicht lange, da hörte er Schritte näherkommen. Sein Puls beschleunigte sich, sein Herz begann zu rasen und als er das Umdrehen des Schlüssels ihm Schloss hörte hielt er sogar für einen Moment den Atem an.

Es war nicht Shinichi, der ihm die Tür öffnete. Es war eine rothaarige Schönheit, mit vollen, roten Lippen und dezent geschminkten, wachen Augen. Sie sah nicht wirklich müde aus, aber überrascht.

„Kaito? Was machst du denn hier?“

Der Magier öffnete den Mund um zu antworten, als ein lautes Klirren aus dem Inneren der Wohnung ertönte. Erschrocken riss Miyoko den Kopf herum und Kaito wusste, das war sie, das war seine Chance. So schnell er konnte drängte er sich an Miyoko vorbei, eine leise Entschuldigung auf den Lippen und eilte mit ein paar großen Schritten ins Wohnzimmer, wo er Shinichi fand. Der Detektiv wirkte geschockt, sein Blick starr auf den Dieb gerichtet, die Augen geweitet. Zu seinen Füßen lagen, die Scherbe einer Vase, er stand in einer Pfütze aus Wasser und blutrote Rosen verteilten sich auf den Brettern des Bodens. Seine Hände waren in einer Position erstarrt, die Kaito verriet, dass er die Vase bis gerade eben noch in Händen gehalten hatte.

Noch bevor der Vampir reagieren konnte war Kaito auch schon bei Shinichi angekommen. Er vergrub seine Fäuste im Hemd des Detektiven und zog ihn näher an sich heran.

„Was soll der Scheiß?!“, fauchte er und die Wut, die er bis eben in seinem Magen angesammelt hatte stieg wieder in ihm hoch, suchte sich einen Weg nach draußen.

„Wenn du mir aus dem Weg gehen willst, dann mach es gefälligst richtig! Dann kümmere dich nicht um mich, wenn du mich in deinem Bett findest! Wie soll ich dein abweisendes Verhalten akzeptieren können, wenn du nicht Manns genug bist mir dabei in die Augen zu sehen?!“

Shinichi reagierte nicht auf Kaito’s Worte. Er sah Kaito an, direkt in das Gesicht des Magiers und zu seinem Erschrecken musste dieser feststellen, dass er Shinichi's Pokerface nicht lesen konnte. Da waren keine Emotionen in seinen Augen, die kurzzeitige Überraschung über sein Auftauchen war bereits verschwunden.

Es machte den Magier nur noch wütender. Er festigte seinen Griff und begann den Vampir leicht zu schütteln, schrie dabei schon fast: „Verdammt, REDE mit mir!“

Er wusste, dass er es übertrieben hatte als die Tür hinter ihm mit einem Knall aufflog. Akihito packte ihn mit einem Arm an der Schulter und riss ihn von Shinichi los, mit einer Kraft, die der Magier dem Mann niemals zugetraut hätte.

Kaito’s Augen weiteten sich vor Überraschung. In den warmen, braunen Augen des Vampirs lag etwas Gefährliches, etwas Animalisches, dass er bisher nur einmal gesehen hatte, beim Kampf gegen den Vampirjäger Bram.

"Akihito, nicht!", Shinichi tat einen Schritt auf die Beiden zu und zog so die Aufmerksamkeit beider Männer auf sich. Der Weißhaarige ließ Kaito's Schulter los als der Detektiv sich ihm zuwandte. "Hör zu, Kuroba-kun", begann Shinichi mit ruhiger, gefasster Stimme, "Du hast Recht. Ich hätte mich nicht um dich kümmern dürfen als ich dich in meinem Schlafzimmer entdeckt habe. Aber, dass ich dich ignoriere bedeutet nicht, dass ich dich hasse oder verabscheue. Im Gegenteil, du bist mir immer noch ein guter Freund, ein wichtiger Teil meiner Vergangenheit. Aber ich muss das alles hinter mir lassen und dachte mir, so ist es einfacher. Für uns beide."

„Einfacher für uns beide?!“, erwiderte Kaito verständnislos. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, biss sich dann jedoch auf die Unterlippe und senkte den Blick. „Ich weiß“, presste er zwischen den Lippen hervor, „ich weiß, dass ich nicht fair zu dir war. Dass ich an dem Tag einfach abgehauen bin und dir dann auch noch diese Nachricht geschrieben habe, das war unfair und grausam von mir. Aber ich war verwirrt. Ich wusste nicht, was mit mir los war, warum ich getan habe was ich getan habe. Ich hatte Angst vor der Wahrheit und Angst davor, dass du mit deinem detektivischen Spürsinn die Wahrheit noch vor mir erkennst. Dass du mich durchschaust.“

Kaito ließ die Worte sacken, wartete darauf, ob Shinichi etwas dazu zu sagen hatte. Aber der Detektiv schwieg, sein Blick auf Kaito gerichtet, seine Miene undeutbar. Also nahm der Magier all seinen Mut zusammen und sprach das aus, was ihm selbst erst seit Kurzem klar war.

„Ich bereue es, dass ich dir diese Bürde auferlegt habe. Dass ich mich wochenlang nicht bei dir gemeldet habe. Aber es ist nicht so, dass ich mir in der Zeit, in der wir Funkstille hatten, einen Spaß aus meinem Leben gemacht habe. Ich habe Tag und Nacht darüber nachgedacht. Darüber, wer du bist, was du bist. Darüber, wie wir zu einander stehen, darüber, was wir getan haben. Und warum wir es getan haben.“

Kaito wurde nervös, das spürte er. Die Nervosität schnürte ihm die Kehle zu und Shinichi’s ausdrucksloser Blick machte es schwer ihm standzuhalten. Er war sich auch bewusst, dass sie nicht alleine waren. Miyoko und Akihito standen etwas abseits, aber sie hatten den Raum nicht verlassen, beobachteten die beiden Jungen mit wachem Blick. Aber das musste er jetzt hinnehmen. Die beiden würden ihn nicht mit Shinichi alleine lassen, nicht nachdem er den Detektiv bei seiner Ankunft beinahe attackiert hatte.

Obwohl Shinichi sich wahrscheinlich mit Leichtigkeit gegen ihn wehren konnte.

„Ich... der Grund, warum ich mich so zu dir hingezogen fühle, warum ich mit dir geschlafen haben ist... dass ich... ich dich liebe, Meitantei.“

Die Stille, welche auf seine Worte folgte war schwer und er fühlte sich beinahe, als würde sie versuchen ihn zu ersticken. Shinichi hatte den Blick nicht abgewandt und Kaito versuchte, trotz seiner Nervosität, den Blick zu erwidern. Als sich die Haltung des Detektivs etwas Entspannte spürte auch der Magier, wie seine Ängste etwas abnahmen.

Shinichi würde ihn nicht verletzen.

Er würde Kaito verstehen, würde ihm verzeihen und dann wäre alles wieder in Ordnung.

„Kaito...“, es jagte dem Magier heiße Schauer über den Rücken als Shinichi seinen Namen mit unglaublicher Zärtlichkeit aussprach, „Du bist nicht der Einzige, der die Auszeit genutzt hat um nachzudenken. Als du aus der Bar gestürmt bist, ohne ein Wort, da bin ich verzweifelt. Ich war verwirrt und wollte einfach nur Licht in die Sache bringen, wollte wissen, warum ich mich so zu dir hingezogen fühle, obwohl unser Band doch getrennt war. Es war nicht einfach deine Bitte zu akzeptieren und dich in Ruhe zu lassen, aber es hat mir die Zeit gegeben, die ich brauchte um mehr über mein Dasein als Vampir und die Komplexität meiner Gefühle zu verstehen.“

Kaito blinzelte leicht. Er war sich sicher, dass Shinichi ihm ansehen konnte wie verwirrt er war. Der Detektiv wandte den Kopf zur Seite und vermied es Kaito anzusehen als er weitersprach: „Ich dachte, ich würde dich lieben. Du warst die ganze Zeit in meinem Kopf, die Gedanken an dich haben mich beherrscht. Ich war krank vor Sorge und Sehnsucht und ich war mir so absolut sicher, dass es nur daran liegen konnte, dass ich dich liebe.“ 

Shinichi sah Kaito wieder an und sein Blick war leer und emotionslos.

„Aber das war ein Irrtum.“

Die Worte waren wie ein Schlag in Kaito‘s Gesicht und es war allein seinem Pokerface zu verdanken, dass Shinichi nicht sehen konnte, wie sehr er ihn gerade verletzt hatte. Aber der Detektiv war noch nicht fertig, er musste natürlich noch nachsetzen: „Vampire sind komplexe Wesen. Um gute Jäger zu sein muss das Vampirgift uns verändern. Unsere Instinkte werden schärfer. Das sorgt dafür, dass auch unsere Emotionen intensiver werden. Das, von dem ich dachte, dass es Liebe ist, war im Grunde nichts anderes als eine Mischung aus Faszination für KID, Sympathie gegenüber Kaito und der Sehnsucht nach deinem Blut. Ich dachte, ich liebe dich. Aber das ist es nicht. Darum habe ich deine Nachrichten ignoriert. Weil es so für uns beide besser ist.“

Kaito konnte den Blick nicht von Shinichi‘s ausdruckslosem Gesicht abwenden, diese wunderschönen, blauen Sapphire, die plötzlich so leer wirkten, wie das blaue Prisma, als er es gegen den Mond gehalten hatte. „Ich glaube dir nicht“, der Dieb war überrascht wie fest und selbstsicher seine Stimme klang, wenn er sich doch fühlte, als würde er jeden Moment zerfallen.

„Du hast deine Schlussfolgerung vorgetragen, Meitantei. Aber wo sind die Beweise?“

Er bewegte sich mit langsamen Schritten auf den Detektiv zu und hob seine Arme. Kaito erwartete, dass Shinichi zurückzucken würde, dass er seine Schwäche offenbaren, die Lüge auffliegen lassen würde, aber der junge Mann vor ihm rührte sich nicht. Auch nicht, als Kaito seine warmen Hände an die kalten Wangen des Vampirs legte, als er zart mit den Fingerkuppen durch seine Haare glitt.

„Ich lass deine Lüge auffliegen“, wisperte er leise und beugte sich näher zu Shinichi, den Blick nicht von dem Jungen nehmend. Erst, als Kaito einen zarten Kuss auf die Lippen des Detektivs platzierte, als er begann zart die seinen gegen Shinichi's zu bewegen, gestattete sich der Magier die Augen zu schließen. Er hatte das Gefühl von Shinichi‘s Lippen auf seinen vermisst, hatte den Geschmack des Detektivs vermisst. Zärtlich glitt er mit seiner Zunge über die Unterlippe des anderen, doch der Kuss blieb kalt. Shinichi gewährte ihm keinen Einlass, erwiderte das Spiel der Lippen nicht. Langsam löste Kaito sich von dem Detektiv und blickte ihm in die Augen. Da waren keinerlei Emotionen, Shinichi‘s Gesicht spiegelte die Leere wider, die Kaito in seinem Inneren aufkeimen spürte. Langsam löste sich der Magier von seinem gegenüber und zwang sich zu einem Pokerface, einem unbekümmerten Grinsen.

„Okay, Meitantei, du gewinnst“, seine Stimme klang amüsiert und er hatte alle Mühe die Bitterkeit zu verdrängen. „Dein Beweis ist standfest und lässt keine weiteren Fragen zu. Tut mir leid an dir gezweifelt zu haben, wirklich.“

„Kuroba-kun“, begann Shinichi mit sanfter Stimme doch Kaito hob sofort abwehrend die Hand.

„Nein“, seine Stimme überschlug sich etwas und er musste einmal tief durchatmen ehe er den Satz von vorne begann, „Nein. Sag jetzt nichts, okay? Ich hab mich hier emotional grade ziemlich entblößt vor dir, das muss mein Ego erst verarbeiten. Ich werde jetzt gehen und ich... ich freue mich, dass wir das geklärt haben. Wirklich.“

Shinichi presste seine Lippen aufeinander. Es war offensichtlich, dass er etwas sagen wollte, aber er verbat es sich und nickte stattdessen lediglich. Der Magier ließ die Hand sinken und schenkte dem Detektiv ein freches Grinsen: „Vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Bei einem Überfall oder so.“

Dann wandte er sich Akihito und Miyoko zu. „Tut mir leid, dass ich schon so früh am Morgen Chaos verursacht habe.“

„Schon gut“, der weißhaarige Vampir winkte ab. „Ich bring dich noch zur Tür.“

Kaito nickte leicht. Er warf einen letzten, kurzen Blick zu Shinichi, welcher immer noch regungslos und mit leeren Blick dastand. Der Magier schenkte ihm ein kurzes Lächeln und ging dann, in Begleitung von Akihito, zur Tür.

„Es tut mir wirklich leid dich geweckt zu haben“, entschuldigte sich Kaito noch mal. Er fühlte sich schlecht den Anführer des Clans in so eine unwichtige Sache wie sein Gefühlschaos hineingezogen zu haben. Akihito winkte ab, rieb sich dann jedoch die Augen: „Vergeben und vergessen. Ich hatte einen Moment lang wirklich Angst, dass du Shinichi attackieren würdest.“

„Als ob er sich nicht wehren könnte“, erwiderte Kaito amüsiert. Dann fiel ihm etwas ein. Bereits mit einem Schritt aus der Wohnung draußen drehte Kaito sich noch mal um und sah Akihito direkt in die Augen. Dieser wirkte etwas verwirrt, schwieg jedoch.

„Sag mal“, begann der Magier langsam, „Habe ich mir das eingebildet oder hat sich deine Augenfarbe vorhin verändert? Und nicht nur vorher, auch beim Kampf gegen Bram haben sie einen anderen Farbton angenommen...“

„Ah, ja“, Akihito schmunzelte leicht, „Das ist so eine Vampir-Sachen. Wir nennen es ‚das Mal des Meisters‘. Wenn ein Meister die Kontrolle verliert oder emotional wird, dann verfärben sich die Augen. So finden wir auch raus, ob jemand das Potential eines Meisters besitzt oder nicht.“

„Gibt es so ein Merkmal für die anderen Potentiale auch?“

Akihito nickte. „Jedes Merkmal ist anders, aber es gibt sie.“

Kaito legte den Kopf leicht zur Seite, nachdenklich, wandte sich dann jedoch ab. „Die anderen Merkmale werde ich wohl nie rausfinden, oder?“

„Vermutlich nicht“, Akihito‘s Stimme war plötzlich ernst. „Kaito-kun, ich denke es ist besser, wenn du dich von unserem Clan fernhältst. Und auch allen anderen Vampiren.“

Kaito sah Akihito schweigend an. Er musterte das Gesicht des Vampirs, versuchte in seinen Augen zu lesen. Akihito wusste nicht wonach der Junge suchte, aber letztlich wandte er sich lediglich mit einem kurzen Nicken ab. „Geht klar. Sag Miyoko alles Liebe von mir.“

Der Vampir beobachtete wie Kaito die Hände in die Tasche steckte und davon schritt. Sein Kopf und seine Schultern sackten nach vorne und Akihito spürte das schlechte Gewissen in seinem Inneren aufsteigen.

Wortlos schloss er die Tür.

„Akihito!!“, Miyoko’s panischer Schrei ließ ihn herumwirbeln. Mit ein paar schnellen Schritten fand er den Weg zurück ins Wohnzimmer. Shinichi saß am Boden, in einem Haufen von Scherben und Rosen, den Blick gesenkt. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und die Keramikstückchen gruben sich in seine Haut, aber das schien den Jungen nicht zu stören.

Seine Schultern bebten und Miyoko, die neben ihm kniete, versuchte ihm Halt zu geben. Ihr Blick flog zu ihrem Gefährten, die Angst in ihren Augen sichtbar.

„Er blutet“, hauchte Miyoko geschockt. Akihito ging vor dem Oberschüler auf die Knie.

„Shinichi“, seine Stimme war leise, aber eindringlich, „Shinichi, sieh mich an. Hey.“

Keine Reaktion. Akihito hörte das trockene Schluchzen, welches über die Lippen des Jungen kam. Behutsam legte er eine Hand an sein Kinn und zwang ihn mit sanfter Gewalt den Älteren anzusehen.

Rote Tränen hatten sich ihren Weg aus seinen Augenwinkeln über seine Wange gebahnt und benetzten nun auch Akihito’s Hand. Der Anführer des Clans verzog verbittert das Gesicht.

„Ach, Junge…“

Behutsam legte er seine Arme um Shinichi und zog ihn in eine Umarmung, hielt ihn fest, solange bis das Schluchzen erstarb und die Tränen versiegt waren.
 

 

Als Akihito Shinichi ins Bett verfrachtete war seine Haut beinahe schneeweiß. Miyoko stand besorgt neben dem Bett des Jungen und tupfte die letzten Reste der roten Tränen von seinen Wangen.

„Es ist so lange her, seit ich so etwas gesehen hab“, wisperte sie leise, bedacht darauf den schlafenden Oberschüler nicht zu wecken.

„Ein Vampir, der blutige Tränen weint.“

„Es kommt selten vor“, erwiderte Akihito und zog die Decke über den Körper des Jungen. Dann strich er ihm behutsam ein paar Haare aus dem Gesicht. „Dass seine Gefühle für den Jungen so stark sind wusste ich nicht. Es muss eine Qual gewesen sein ihn so gegen die Wand laufen zu lassen, ihm glaubhaft zu machen, dass Shinichi nichts für ihn empfindet.“

Miyoko kontrollierte, ob der Junge auch sicher schlief ehe sie sich aus ihrer sitzenden Position erhob und gemeinsam mit ihrem Gefährten das Zimmer verließ. Sie schloss die Tür hinter sich und sah Akihito besorgt an: „Wie geht es jetzt weiter mit den beiden?“

„Gar nicht“, seufzte der Weißhaarige auf ging zurück ins Wohnzimmer um sich dort auf seine Couch sinken zu lassen. Müde rieb er sich die Augen: „Shinichi hat seine Position klar gemacht und Kaito hat ihm die Nummer abgekauft. Wenn der Junge den kommenden Monat durchhält ist es geschafft. Mitte März fliege ich mit ihm nach England und gebe ihn dort in die Obhut eines alten Freundes.“

„Ich hätte nicht erwartet, dass es so endet“, Miyoko ließ sich neben ihren Gefährten sinken und lehnte sich an seine Schulter. Schweigend legte Akihito seinen Arm um sie und hielt sie fest.

„So ist es nun mal für alle am besten…“
 

 

Als Kaito am nächsten Schultag das Frühstück ausfallen ließ machte Aoko sich Sorgen um ihn. Und natürlich, wie es sich für eine gute Freundin gehörte, verschaffte sie sich mit dem Zweitschlüssel Zutritt zu seinem Haus. Doch zu ihrer großen Überraschung war sein Zimmer leer.

Kaito’s Bett war gemacht, die Uniform und die Schultasche verschwunden. Also hatte er sich wohl viel zu früh auf den Weg zur Schule gemacht.

Sie machte sich keine Sorgen um ihn. Es kam öfter vor, das Kaito beschloss noch einen Abstecher ins Blue Parrot zu machen, meistens nach der Schule, aber zu seltenen Gelegenheiten auch davor. Und tatsächlich, als sie selbst etwa eine Stunde später, nach einem ausgiebigen Frühstück mit ihrem Vater, in der Schule ankam saß Kaito bereits an seinem Platz und scrollte auf seinem Mobiltelefon durch die Tageszeitung.

„Guten Morgen, Kaito-kun!“, begrüßte sie ihn freudig, doch die Freude erstarb sofort als er den Kopf hob und sie ansah.

Kaito sah nicht gut aus.

Seine Haut war unnatürlich blass und unter seinen Augen waren dicke Augenringe. Seine Augen selbst waren geschwollen und etwas gerötet. Wenn Aoko es nicht besser wüsste würde sie sagen, dass ihr bester Freund seit Kindertagen geweint hatte.

„Was ist los?“, fragte sie, jetzt mit gedämpfter Stimme und ließ sich neben ihm auf ihren Platz sinken. Kaito wandte den Blick ab und scrollte wieder durch die Zeitungsartikel. „Nichts“, war die einsilbige Antwort.

„Kaito“, versuchte es Aoko erneut, etwas sanfter, „Ich sehe doch, dass was nicht stimmt. Möchtest du nicht mit mir drüber reden?“

„Nein.“

Schon wieder einsilbig. Das junge Mädchen verzog leicht das Gesicht

„Möchtest du mit jemand anderen drüber reden?“

„Nein.“

Es schien fast, als wäre Kaito nicht sonderlich zu Gesprächen aufgelegt. Sie fragte sich, was wohl passiert war. Da sie das Wochenende mit Hakuba verbracht hatte war sie nicht dazu gekommen Kaito zu treffen. Sie wusste nicht, was geschehen war, dass ihn so aus der Bahn warf, dass er sogar vergaß sein Pokerface aufzusetzen.

Aber er wollte nicht darüber reden und sie konnte ihn schwer dazu zwingen. Als sie Hakuba das Klassenzimmer betreten sah winkte sie ihm lächelnd zu. Der Brite hatte einen ernsten Blick aufgesetzt und trat mit schnellen Schritten näher an den Tisch seiner Freundin heran.

„Aoko-chan“, seine Stimme klang bitter. „Es ist etwas passiert.“

Aoko’s Lächeln verflüchtigte sich. Nicht nur, dass es Kaito nicht gut zu gehen schien, jetzt kam auch noch Hakuba mit schlechten Nachrichten auf sie zu. „Was ist passiert?“, fragte sie besorgt.

„Es ist wegen Kaitou KID“, Hakuba’s Blick wanderte von Aoko zu Kaito, welcher immer noch teilnahmslos auf seinem Telefon herumtippte.

„Er hat eine Warnung geschickt. Er wird am 14. Februar versuchen einen sehr wertvollen Saphir aus dem Museum zu stehlen. Ich muss dort hin.“

„Aber der 14. Februar ist doch Valentinstag…“, Aoko’s Stimme wurde zunehmend leiser. Hakuba knirschte mit den Zähnen und warf einen weiteren Seitenblick auf Kaito. „Ich weiß“, zischte er und wirkte dabei gar nicht glücklich.

„Normalerweise würde ich den Überfall absagen und nicht hingehen, aber der Saphir ist unheimlich wertvoll. Er ist aus dem Besitz eines Sammlers, der behauptet, dass seine Familie in uralten Zeiten mit Hexen verkehrte. Der Saphir soll zu einem magischen Werkzeug geworden sein, welches Krankheiten heilen und Sterbende retten kann, wenn man weiß, wie man den Zauber aktiviert. Der Besitzer besteht darauf, dass Hauptkommissar Chaki seine besten Männer zur Verfügung stellt und ich habe eine persönliche Einladung mit der Bitte um Hilfe von meinem Vater bekommen. Ich kann nicht absagen.“

„Zu dumm, dass KID sich ausgerechnet den Valentinstag ausgesucht hat, was?“, Kaito’s Stimme triefte vor Sarkasmus, aber er hob den Blick nicht um Hakuba anzusehen. Der Brite wurde wütend und wandte sich von Aoko ab, fixierte stattdessen den Magier mit stechendem Blick. „Ja, wirklich zu dumm“, erwiderte Hakuba, mindestens genauso sarkastisch, „Aber immerhin gibt mir das einen weiteren Hinweis auf sein Profil: Er ist alleine und hat niemanden, mit dem er den Valentinstag verbringen kann.“

Kaito’s Augenwinkel zuckte leicht. Er hob langsam den Blick und sah den Detektiv ausdruckslos an.

„Vielleicht hat er einfach nur andere Prioritäten? Liebe ist vergänglich. Edelsteine und Diamanten, das ist etwas für die Ewigkeit.“

Hakuba gab einen verächtlichen Laut von sich und wandte sich ab. Er stapfte zurück zu seinem eigenen Platz um sich zu setzen. Aoko beobachtete ihn, wie er seine Bücher auspackte, seine Laune ruiniert. Dann wandte sie sich Kaito zu, ihr Blick traurig: „So etwas kannst du doch nicht ernst meinen.“

„Doch, Aoko“, erwiderte Kaito und verstaute sein Mobiltelefon in der Hosentasche. Dann wandte er den Blick ab: „Gefühle sind wandelbar. Edelsteine haben bestand.“

„…hast du mit dem Mädchen geredet, dass du magst?“

Das Zucken von Kaito’s Schultern verriet ihr alles, was sie wissen musste. Behutsam legte Aoko eine Hand auf seinen Rücken. „Es tut mir leid, Kaito“, ihre Stimme war voller Traurigkeit, „Ich hatte so sehr gehofft, dass es gut endet. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich höre dir gerne zu.“

Kurze Zeit rührte sich der Magier nicht. Dann wandte er den Blick seiner besten Freundin zu und schenkte ihr ein müdes, aber ehrliches Lächeln: „Danke, Aoko.“

Das Läuten der Glocke kündigte den Unterrichtsbeginn an und Aoko wandte sich von ihrem besten Freund ab und den Schulbüchern zu. Kaito’s Lächeln hatte sie etwas beruhigt. Es war kein Pokerface gewesen, das Lächeln war ein Ehrliches. Es ging ihm zwar nicht gut, aber er würde nicht an seinem gebrochenen Herzen zu Grunde gehen. Aoko wusste, dass Kaito dafür zu stark und zu stolz war. Er würde den Schmerz überstehen, den Verlust verarbeiten, so wie er auch den Tod seines Vaters verarbeitet hatte.

Es würde dauern. Aber Aoko würde für ihn da sein und ihm helfen diese Wunden zu heilen.
 

 

Am Ende des Tages hatte Kaito’s Laune sich bereits merklich gebessert. Das Rot und die Schwellung rund um seine Augen waren verschwunden und er grinste merklich öfter als er es noch am Vormittag getan hatte. Aoko hatte Hakuba gebeten Kaito nicht unnötig zu reizen, sondern ihn in Ruhe zu lassen. Sie wollte, dass ihr bester Freund wieder lachte.

Als sie das Tor der Schule passierten stürmte ein langhaariges Mädchen auf die Gruppe zu. Sie war, trotz der milden Temperaturen, in eine dicke Jacke eingepackt und hatte einen Mundschutz vor dem Gesicht.

„Akako-chan?!“, stieß Aoko überrascht aus, als sie die Hexe erkannte. Diese ignorierte die Gruppe und steuerte direkt auf Kaito zu. Sie packte den Magier an Arm: „Wir müssen reden!“

„Was machst du hier?!“, Aoko umfasste Akako’s Handgelenk und sah sie besorgt an, „Du bist doch krank! Du musst dich Zuhause ausruhen!“

„Sie hat recht“, Kaito versuchte den Arm der Hexe abzuschütteln. „Geh heim und leg dich hin.“

Wenn Blicke töten könnten hätte Akako ihn definitiv unter die Erde befördert, aber der Magier ließ sich nichts von dem kalten Schauer, der ihm über den Rücken lief anmerken. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und hielt seine Schultasche fest.

„Wir reden!“, zischte sie und unterlag im nächsten Moment auch schon einem schrecklichen Hustenanfall. Die Kräfte verließen sie und sie sank langsam gen Boden und natürlich, wie es sich für einen Gentleman gehörte, stützte Kaito sie. Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab und er hielt Akako, bis sich der Husten beruhigt hatte.

„Du gehörst dringend ins Bett“, murrte er und die junge Frau nickte zögerlich. Sie warf einen kurzen Blick auf Hakuba und Aoko ehe sie sich wieder Kaito zuwandte: „Begleitest du mich nach Hause?“

Kaito hob fragend eine Augenbraue an und wollte schon einen unangebrachten Kommentar abgeben als Hakuba sich einmischte: „Es wäre wirklich besser, wenn sie jemand begleitet. Am Ende bricht sie uns noch auf halben Weg zusammen.“

Der Magier verzog leicht das Gesicht, nickte dann jedoch. „Ich mach das schon.“

Die Gruppe verabschiedete sich voneinander und ging getrennte Wege. Kaito, der Akako immer noch stützte, ließ sich von der jungen Frau den Weg weisen.

„Ernsthaft“, seufzte er auf und schüttelte leicht den Kopf, „Wenn du schon wegen einer Erkältung zuhause bleibst, kannst du doch nicht nach dem Unterricht einfach so in der Stadt herumlaufen. Was, wenn dich einer der Lehrer gesehen hätte?“

Sie bogen in eine etwas ruhigere Seitenstraße ein und hatten diese gerade zur Hälfte durchquert als Akako sich plötzlich von Kaito löste. Fragend sah der Oberschüler das Mädchen an, beobachtete wie sie sich aufrichtete und die Schutzmaske von ihrem Gesicht zog. Ihr Blick war streng, entschlossen.

Sie wirkte nicht das kleinste bisschen krank.

„Hast du die Erkältung etwa vorgetäuscht?“

„Natürlich. Hättest du dich anders etwa unter vier Augen mit mir unterhalten?“

Der Magier rümpfte die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust: „Was willst du von mir?“

„Ich will, dass du deinen nächsten Raubzug absagst.“

Kaito wandte den Blick ab. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

„Stell dich nicht dumm“, fauchte Akako und wirkte ehrlich aufgebracht, „Ich weiß genau, was du für den 14. Februar geplant hast. Es wird nicht gut gehen. Der Tag ist verflucht, er bringt dir kein Glück.“

„Da sagst du mir nichts Neues“, lachte Kaito auf. „Ich hab mir Erkältungen eingefangen, Arme gebrochen, bin in öffentlichen Verkehrsmitteln festgesteckt – der 14. Februar ist definitiv kein Glückstag für mich. Aber ich hab keine Ahnung von welchem Raubzug du sprichst. Selbst, wenn ich KID wäre, denkst du wirklich ich würde das Risiko eingehen an meinem Unglückstag so eine Show abzuziehen?“

Akako war mit zwei Schritten bei Kaito und ohrfeigte ihn.

Sein Kopf flog durch die Wucht des Schlages zur Seite, seine Augen weiteten sich vor Schreck. Er hatte mit allem gerechnet, harsche Worte, Sarkasmus, Geschrei, aber nicht mit einer Ohrfeige. Wie in Trance fasste er sich an die Wange, welche immer noch zu pulsieren schien und starrte die Hexe mit vor Schreck geweiteten Augen an.

„Du verdammter Idiot“, zischte sie und ihre Stimme klang fast so als würde sie gegen Tränen kämpfen, „Wenn du diesen Überfall begehst wirst du sterben. Du wirst zwar dein Ziel erreichen, aber du wirst dein Leben dabei verlieren, verstehst du?!“

Kaito ließ die Arme sinken, der Blick starr. „Mein Ziel…?“

Akako wusste in dem Moment, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Kaito zu verraten, dass er seinem Ziel nahe war, dass er mit seinem nächsten Überfall alles beenden konnte war nichts, das ihm Angst machte. Im Gegenteil, es war etwas, dass ihn motivierte, dass ihn nur noch weiter dazu trieb diese unendliche Dummheit zu begehen.

Sie verzog das Gesicht, wissend, dass sie verloren hatte: „Ja. Es war eine von Luzifer's Prophezeiungen. Er irrt sich nie. Seine Prophezeiung besagt, dass du am Tag der Liebenden dein Ziel erreichen und die Büchse der Pandora öffnen wirst. Das Öffnen der Büchse ist jedoch nur möglich, wenn du im Gegenzug dein Leben gibst. Kaito, ich bitte dich, sag den Überfall ab. Kein Edelstein der Welt ist es wert, dass du dein Leben darüber verlierst.“

„Mein Vater hat sein Leben wegen einem Edelstein verloren“, erwiderte Kaito trocken. Er senkte den Blick. „Danke für die Warnung, Akako. Und… es tut mir leid.“

Dann wandte der Magier sich ab und ließ die Hexe alleine in der Seitengasse zurück.
 

 

„Wirst du seine Warnung diesmal auch ignorieren?“, fragte Sonoko neugierig und winkte mit der Tageszeitung vor Shinichi’s Gesicht herum. Der Detektiv verzog leicht den Mund, zuckte dann jedoch mit den Schultern, ehe er sich in seinem Stuhl zurück lehnte.

„Sie haben Hakuba. Das schaffen sie auch ohne mich.“

„Onkel Jirokichi hat mir gesagt, dass Hauptkommissar Chaki darauf besteht, dass du daran teilnimmst. Wie hast du es geschafft seine Bitte auszuschlagen?“

„Wieso weiß dein Onkel Jirokichi über solche Dinge Bescheid?“, erwiderte der Detektiv, sichtlich überrascht. Sonoko’s Brust schwoll an vor Stolz und ein zufriedenes Grinsen lag auf ihren Lippen: „Hauptkommissar Chaki hat bei Onkel Jirokichi um seine Unterstützung angefragt. Onkelchen’s Fallen und seine Kämpfe gegen KID sind so legendär, dass sie ihn unbedingt im Team haben wollen.“

„Paps hat auch eine Anfrage bekommen“, warf Ran überrascht ein. „Ich dachte eigentlich, sie wollten ihn nur, weil Hakuba-san und Shinichi beide abgesagt haben. Aber wenn die beiden und dein Onkel Jirokichi eine Anfrage bekommen haben, dann muss dieser Saphir ziemlich wertvoll sein.“

„Es liegt nicht nur an dem Stein“, Shinichi lehnte sich etwas weiter nach vorne als er die Aufmerksamkeit der beiden Mädchen hatte, „Es liegt daran, dass der Typ, dem der Stein gehört, viel Geld liegen lässt um ihn zu schützen. Es gibt Gerüchte, dass der Stein magische Fähigkeiten besitzt, die Menschen vor dem Tod retten können. Angeblich haben seine Vorfahren mit Hexen zusammengearbeitet.“

Ran und Sonoko waren sofort fasziniert, was den Detektiv nicht im Mindesten überraschte. Sobald etwas magisch oder romantisch wurde waren die beiden Feuer in Flamme.

„Aber gibt es denn so etwas wie Hexen wirklich?“, fragte Ran unsicher und ihr Blick wanderte von Shinichi zu Sonoko. Die junge Erbin lachte laut auf: „Oh, Ran! Natürlich gibt es keine Hexen! Wenn es die gäbe, dann würde es ja auch so etwas wie Werwölfe oder Vampire geben!“

Ran’s Miene hellte sich auf und die Mädchen kicherten zusammen. Shinichi rollte leicht mit den Augen und stützte sein Kinn auf der Hand ab. Sein Blick glitt wieder zu dem Zeitungsartikel, der von KID’s Ankündigung sprach.

„Aber das Datum hat er denkbar schlecht gewählt“, seufzte Sonoko plötzlich auf. „Am Valentinstag. Ausgerechnet der Tag, den ich mit Makoto verbringen möchte. Dabei wäre ich bei dem Überfall so gerne dabei gewesen.“

„Ich frage mich, ob er den Valentinstag absichtlich ausgewählt hat“, warf Ran plötzlich ein. „Vielleicht ist er ja alleine und hat sich darum über das Datum keine Gedanken gemacht? Oder vielleicht hat er ja eine Freundin und möchte ihr den Stein zum Geschenk machen?“

„Aber KID gibt doch die Steine, die er gestohlen hat, immer zurück. Da wird er ja wohl kaum den Stein einfach weiter schenken, oder?“, erwiderte Sonoko nachdenklich. Shinichi starrte die Zeitung mit einer Intensität an, als würde er versuchen sie durch bloße Gedankenkraft aufzulösen. Er wollte nicht über Kaitou KID’s Liebesleben sprechen. Es war so schwer gewesen ihn zurückzuweisen, so schwer gewesen ihn glaubhaft davon zu überzeugen, dass er ihn nicht liebte.

Als Kaito ihm seine Gefühle gestanden hatte, da war Shinichi so glücklich gewesen. Er wollte den Jungen in seine Arme ziehen, ihn festhalten, ihn küssen bis ihm die Luft wegblieb. Doch das hatte er nicht getan. Stattdessen hatte er dem Magier das Herz aus der Brust gerissen, es zu Boden geworfen und war drauf getreten.

Er erinnerte sich an das Gesicht, das Kaito gemacht hatte, als er ihm offenbart hatte, dass er ihn nicht liebte. Dass Kaito's Gefühle einseitig waren.

Er hatte versucht es zu überspielen, aber Shinichi konnte sich daran erinnern, an den exakten Moment als das Herz des Magiers zerbrochen war. Als er ihn zerstört hatte.

Dabei liebte Shinichi den jungen Mann so sehr. Die Sehnsucht nach ihm machte ihn fast verrückt. Die größte Folter war es wohl, den Kuss nicht zu erwidern. Die sanften Bewegungen von Kaito's Lippen gegen seinen, das weiche Gefühl ihrer Münder, die sich trafen, die zärtliche Berührung an seiner Unterlippe. Allein der Gedanke daran machte ihn verrückt.

Als Kaito gegangen war, war er zusammengebrochen. Er erinnerte sich nicht mehr wirklich daran, aber Miyoko hatte ihm gesagt, er habe blutige Tränen geweint. So etwas würde vorkommen, wenn ein Vampir verletzt wurde, so tief verletzt, dass sein Körper das getrunkene Blut abzustoßen begann. Ein seltenes Phänomen. Es war nur dank der Fürsorge seiner vampirischen Eltern gewesen, dass er in den darauffolgenden Tagen problemlos zur Schule gehen konnte, dass niemand dumme Fragen gestellt hatte.

„Willst du wirklich nicht hingehen?“, fragte Sonoko erneut, jetzt wieder an Shinichi gewandt. „Wenn so viele Detektive und berühmte Leute eingeladen sind wir das garantiert ein riesiges Spektakel. Ich hab auch gehört die Ausstellung soll für die Woche der Ankündigung extra verlegt werden, in ein Hochhaus, damit KID es schwerer hat zu entkommen.“

„Aber ist ein Hochhaus wirklich eine so gute Wahl? Kann KID da nicht einfach mit seinem Gleiter davonfliegen?“, fragte Ran nachdenklich.

„Dazu muss er erst mal den Stein in die Finger bekommen“, erwiderte Sonoko grinsend. Shinichi seufzte und erhob sich von seinem Platz. Mit einem kurzen ‚Ich muss mal wohin‘ flüchtete er aus der Unterhaltung. Weder Ran noch Sonoko versuchten ihn aufzuhalten, als er das Klassenzimmer verließ. Ziellos wanderte Shinichi durch die Gänge des Gebäudes, versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen.

Der Valentinstag rückte näher und damit auch KID’s Überfall. Natürlich würde er gerne hingehen, würde gerne Kaito beschützen, aber er wusste, dass das nicht möglich war. Er hatte Kaito glaubhaft machen können, dass zwischen ihnen nicht mehr als nur Freundschaft herrschte, dass da nichts Weiteres war, jedenfalls nicht von Shinichi’s Seite aus.

Wenn er jetzt beim Überfall auftauchen und von KID gesehen werden würde, dann würde das nur im Chaos enden und möglicherweise Hoffnungen bei dem Meisterdieb wecken, die Shinichi nicht erfüllen konnte.

Überrascht hielt Shinichi inne, als er spürte, wie das Mobiltelefon in seiner Hosentasche vibrierte. Er zog es heraus und warf einen kurzen Blick auf die Nummer.

Er kannte sie nicht.

Der Detektiv runzelte kurz die Stirn, doch seine Neugierde überwog. Er nahm den Anruf entgegen und hielt sich das kleine Gerät ans Ohr. „Ja?“

„Spreche ich mit Shinichi Kudo?“

Die Stimme an der anderen Leitung war eindeutig weiblich, aber es war keine Stimme, die er kannte. Dennoch, die Stimme klang streng, sie hatte eine gewisse Schärfe, die ihn zur Vorsicht mahnte.

„Am Telefon. Mit wem spreche ich?“

„Unwichtig.“ Nun, das war eine eindeutige Ansage. „Hör zu, Shinichi Kudo. Ich weiß, wer du bist. Und noch viel wichtiger: ich weiß was du bist.“

Shinichi’s Körper verkrampfte sich. Sie wusste, was er war? Bedeutete das, sie wusste über sein Dasein als Vampir Bescheid? Aber warum? War sie eine Freundin von Kaito? Hatte der Magier seinen Mund nicht halten können und sein Dasein verraten?

„Woher?“

„Ich bin selbst mit dem Übersinnlichen vertraut, mein Lieber. Als Hexe habe ich meine Quellen.“

Die Anspannung verließ seinen Körper. Eine Hexe. Kaito hatte davon gesprochen, dass er eine Hexe kannte. Das musste sie sein.

„Ich rufe dich aus einem bestimmten Grund an. Es geht um Kaitou KID.“

Jetzt war Shinichi sich absolut sicher, dass dieses Mädchen dieselbe Hexe sein musste, von der Kaito ihm bereits erzählt hatte. Aber wie war sie an seine Telefonnummer gekommen?

Nun, gut, sie war eine Hexe. Vielleicht hatte sie die Nummer auf magische Weise hergezaubert.

„Ich habe bereits versucht ihn aufzuhalten und habe versagt. Er wird nicht auf mich hören, da mein Stellenwert in seinem Leben nicht hoch genug ist. Du bist vermutlich der Einzige, auf den er hört. Du warst sein Meister. Sorge dafür, dass KID den Überfall am Valentinstag absagt.“

„Und warum sollte ich das tun?“, erwiderte der Detektiv ein klein wenig genervt. Er lehnte sich an die Fensterbank hinter sich, sein Blick verdüsterte sich. Es gefiel ihm gar nicht von einer fremden Person herumkommandiert zu werden, die ihm nicht mal ihren Namen verriet. Shinichi hatte schon mit genug unliebsamen Menschen zu tun gehabt, er konnte auf eine Person mehr dankbar verzichten.

Für einen Augenblick überlegte er einfach aufzulegen, das Gespräch einfach zu beenden und zurück ins Klassenzimmer zu gehen, doch die nächsten Worte der Hexe fesselten ihn an Ort und Stelle, unmöglich sich zu rühren.

„Wenn du Kaitou KID nicht aufhältst wird er sein Ziel erreichen. Und wenn er das tut wird er sterben.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  vampiergirl-94
2022-04-11T08:07:59+00:00 11.04.2022 10:07
Uiii es geht endlich weiter und es bleibt spannend.


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