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Schatten über Kemet

von

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29. Kapitel

Die Kühle der Nacht erfrischte Geist und Glieder, lockte mit leichtem Schlaf, doch Anzu fand sich zu dieser späten Stunde in dem Teil des Gartens, der an Mais Gemächer anschloß, wieder. Ihr Kopf war noch immer voller Gedanken und frischer Erinnerungen, die sie noch nicht hatte sortieren und abschließen können. Sie zog das leichte Tuch enger um ihre Schultern und wanderte den kleinen Pfad hinunter zu dem Teich, an dem sie noch vor wenigen Stunden mit Mai gesessen und den Enten zugesehen hatten. In der drückenden Hitze, die einem an der Haut klebte wie Öl, war ihnen dieser kleine Ort an kühlendem Wasser wie eine Oase erschienen.

 

Nun konnte Anzu keine Enten mehr entdecken, aber sie hörte mehr als daß sie diese sah die Frösche, die in der Nacht herauskamen und Nut mit ihren Liebesgesängen zu erfreuen suchten.

Lächelnd ließ Anzu sich am Rand des Teichs nieder und lauschte der eigenwilligen Melodie. Ab und zu platschte es, wenn ein Frosch ins Wasser sprang. Die Ruhe war angenehm…

 

Da hörte sie ein Rascheln, von etwas, das eindeutig größer als ein Frosch oder eine Ente war. Sie war auf den Beinen, ihren langen Dolch gezückt, bevor die Gestalt aus den Büschen trat.

 

„Äh, keine Panik! Ich bin nur einer der Nachtwächter.“

 

Eine jungenhafte Stimme, die Anzu bekannt vorkam. „Dann zeig dich in Thots Licht“, verlangte sie und der Nachtwächter gehorchte. Ah, wirklich! Es war der Soldat, der sie letztens gerettet hatte.

 

Er grinste und fuhr sich durch sein ungewöhnlich helles Haar. „Ich wollte niemanden erschrecken, aber ich muß nach Eindringlingen suchen. Oder anderen Problemen.“

 

Anzu wußte, was er meinte. Manche Diener nutzten Ras Abwesenheit aus, um sich in den Gärten herumzutreiben, zuviel zu trinken und Unheil zu stiften. Dann gab es natürlich noch weitaus ernstere Vergehen: Spionage, Hochverrat, Mord. Sie ließ ihren Dolch in die Scheide zurückgleiten, während sie nickte. „Ich will auch sicher niemanden erstechen.“

 

„Was macht eine feine Dame wie du allein hier draußen, Herrin?“ Jono blickte sich um.

 

„Mai ist nicht hier.“ Sie quittierte Jonos Erröten mit einem Kichern. „Ich mußte einen Moment allein sein.“ Außerdem hätte sie Mai sowieso nicht wecken können, selbst wenn sie es versucht hätte. Die Erlösung von der Hitze von draußen hatte die Hitze in ihrer beider Herzen und Leibern genährt, bis auch diese nach Erlösung verlangt hatte. Anzu spürte noch immer Mais Schweiß auf ihrer Haut. Danach hatte die angenehme Erschöpfung ihren Tribut gefordert und Mai war eingeschlafen. Nur Anzu hatte keine Ruhe gefunden.

 

„Dann störe ich wohl.“

 

„Nein, warte! Ich wollte… Du hast mich gerettet und ich danke dir dafür.“ Sie lächelte, er kratzte sich im Nacken.

 

„Das ist doch meine Aufgabe! Alle beschützen, die es nicht können.“ Er grinste und stellte sich noch aufrechter hin, eine Hand auf seinem Krummschwert.

 

„Dennoch… Ohne dich hätte wer weiß passieren können. Dank dir und deinen Freunden haben viele diesen schrecklichen Angriff überlebt.“

 

Jono blies die Luft aus. „Oh, deine Hohepriesterin… Daran hatte ich nicht mehr gedacht, Herrin.“

 

Anzu schüttelte den Kopf. „Du kanntest sie ja nicht. Außerdem bin ich keine Herrin, du kannst mich Anzu nennen.“

 

„Du bist doch aber Erste Tänzerin im Tempel der Hathor hier in der Stadt oder nicht, Her… äh Anzu.“

 

„Das ja, aber ich bin die Tochter von Webern. Nicht meine Familie hat mich an meinen jetzigen Platz gebracht, sondern etwas Talent und viel harte Arbeit.“

Sie blickte hinauf zu Nut, zu derem glänzend geschmückten Leib, der jeden Menschen klein wirken ließ.

 

Jono stellte sich neben sie und folgte ihrem Blick. „Aber gerade das ist doch beeindruckend. Als Tochter aus reichem Hause ist das doch viel leichter.“

 

„Vielleicht.“ Anzu wandte ihr Gesicht Jono zu. Eine Brise fuhr durch ihr Haar und Anzu schob abgelenkt mehrere Strähnen zurück hinter ihr Ohr. „Woher stammst du?“

 

„Aus einem Haufen Stroh. Nein, ehrlich!“ Jono lachte, als er den deutlichen Unglauben in Anzus Gesicht las. „Meine Eltern hatten damals keine Hütte und deshalb bekam meine Mutter mich auf einem Haufen Stroh.“

 

„Wie furchtbar!“

 

Jono rieb sich die Nase mit dem Daumen. „Ach, naja… Gibt schlimmeres. Zum Glück hat meine Mutter meinen versoffenen Taugenichts von Vater in die Wüste geschickt, nachdem meine Schwester geboren worden war, danach gings aufwärts. Sie hat zuerst als Dienerin für eine reiche Dame gearbeitet. Zuerst im Garten, später im Haus… Jetzt ist sie dort die Haushälterin. Ich weiß also, wovon ich rede, wenn ich sag, daß es beeindruckend ist, was du geschafft hast.“

 

Nun lächelte Anzu. „Aber du hast es auch weit gebracht.“ Sie sah auf das goldene Gerät an seinem Arm, dann direkt in Jonos Augen. „Du machst deine Mutter und Schwester sicher sehr stolz, als Soldat und Bestienzähmer.“

 

Jono grinste und wuschelte sich durch seine Mähne. „He, ich geb mein Möglichstes.“

 

Anzu schmunzelte. Der Soldat vor ihr, wahrscheinlich nicht älter als sie mit ihren zwanzig Sommern, war wirklich ein Unikum. „Sag mal, bist du nicht auch Leibwächter des ehrenwerten Herrn Wesirs Siamun? Solltest du dann nicht sein Haus bewachen?“

 

„Stimmt schon, aber ich bin heute abend für nen Kollegen eingesprungen. Hat ein bißchen zu tief ins Glas geschaut. Yugi kann ja jetzt schon ganz gut beschwören, da ist unser Wesir in guten Händen.“

 

„Yugi? Das ist doch der Freund, den du damals auch gerettet hast.“

 

„Ja, aber vorher hat er die Leute gerettet, zusammen mit dem kleinen Prinzen. Ohne sie wärs sicher nicht so gut abgelaufen.“

 

Anzu nickte, dann seufzte sie. „Ich wünschte, wir hätten die Krone gehabt“, murmelte sie, mehr für sich als ihren neuen Freund.

 

„Was für ne Krone?“

 

„Es ist eine alte Geschichte.“

 

„Erzähl.“

 

„Na gut, aber ich fasse mich kurz, du solltest bald wieder zum Dienst.“ Auf Jonos Nicken hin, befeuchtete sie ihre Lippen. „Du weißt ja, daß der Pharao mit der Krone des Horus gekrönt wird und seine Große Königliche Gemahlin mit der der Isis.“

 

„Ja, dadurch geht das göttliche Ka auf sie über, stimmts?“

 

Anzu nickte. „Ja. Die Kronen schützen ihre Träger und verleihen ihnen einige göttliche Fähigkeiten. Der Legende nach gibt es aber noch eine dritte Krone, die Krone der Hathor. Sie soll die Fähigkeit besitzen, Dämonen zu vernichten. Ich meine große Dämonen.“

 

Jono stieß einen Pfiff aus. „Die wäre echt nützlich.“

 

„Ja, aber laut der Geschichte, die ich kenne, ging sie vor langer Zeit verloren. Aber seit diesem Angriff wünschte ich, es wäre mehr als nur eine Geschichte. Daß es die Krone wirklich gibt… und eine Königsgemahlin, die ihrer würdig ist.“ Anzu blickte wieder hinauf in den Nachthimmel als könnten ihr die Sterne die Antwort geben. Große Wolken, grau und aufgetürmt, schoben sich über den Himmel. „Wenn wir sie finden könnten, könnten wir dieses schreckliche Wesen sicher bezwingen.“ Sie zitterte, als ein neuerlicher Windstoß an ihrer Kleidung und ihren Haaren zerrte. Beinahe flog ihr Schultertuch davon. Sie fühlte etwas, etwas veränderte sich. Der Duft war ihr vertraut, doch etwas ließ die Härchen auf ihren Armen zu Berge stehen. Ein helles, scharfes Leuchten zuckte über den Himmel, gleich darauf ertönte ein Grollen als würde die Erde sich verschieben. Anzu taumelte.

 

Jono war neben ihr und stützte sie, wortlos. Dann riß der Himmel auf und mit Macht prasselten die Regentropfen auf den Boden, die Pflanzen, schlugen Wellen im Teich und durchnäßten Anzu und Jono innerhalb von Sekunden bis auf die Knochen.

 

Der Wind zerrte an ihnen und Anzu merkte wie benebelt, daß ihr ihr Tuch aus den vor Kälte tauben und vor Nässe glitschigen Fingern gerissen wurde. „Rein!“ brüllte sie, packte Jono am Arm, zog an diesem.

Er rannte mit ihr durch den Garten, über das tückisch nasse Gras. Sie glitten aus, landeten auf dem Boden, ein Knäuel aus Gliedern, während erneut der Zorn der Dämonen den Himmel mit gespenstischem Leuchten zerriß.

 

Sie kämpften sich wieder auf die Beine und rannten, rannten! Anzu ließ Jono nicht los, bis sie beide zitternd inmitten von Mais Wohngemach standen. Eine Dienerin, die offenbar bisher das Unwetter draußen mit großen Augen durch ein Fensterchen verfolgt hatte, schrie bei ihrem Anblick auf.

 

Von nebenan ertönten daraufhin eilige Schritte, begleitet von derben Flüchen. Die Tür wurde aufgerissen und Mai stürmte herein, noch immer genauso unbekleidet wie Anzu sie vor vielleicht einer Stunde zurückgelassen hatte. Nur an ihrem Arm glänzte ein goldener Reif mit den Uräusschlangen daran. Mai starrte Anzu an, dann Jono, dann wanderte ihr Blick zu der Dienerin. „Bring heißes Wasser“, ordnete sie der dann an. Die Dienerin rannte aus dem Raum.

 

„M-mai…“ Anzu klapperte mit dem Zähnen, beide Arme um ihre Brust geschlungen. Das Wasser tropfte von ihr herab und bildete auf dem Boden kleine, schwarz-braune Pfützen, die sich mit denen vermischten, die Jono hinterließ.

Ach ja, Jono! Anzu blickte ihn an und stellte fest, daß ihr neuer Freund das Gesicht zu Boden gewandt hatte. Seine Wangen glühten förmlich. Unter besseren Umständen hätte Anzu das niedlich gefunden.

 

Mai zog sowohl Anzu wie auch Jono, der dabei ein merkwürdiges Geräusch machte, zu einer Ruheliege und drückte sie darauf, dann warf sie um beide eine wollene Decke. „Anzu, was hast du noch draußen gemacht?“

 

„Ei-einen Sp-spazierga-ang“, brachte Anzu noch hervor.

 

Mai musterte sie scharf. Offenbar zufrieden mit dem, was sie sah, wandte sie sich einem tönernen Gefäß zu und schichtete darin Rinde, Holz und trockenes Gras auf. Mit einem Wort von ihr begannen Flammen in der breiten Schale zu tanzen und das Zimmer aufzuwärmen.

 

Anzu lächelte dankbar.

 

Kurz darauf kehrte die Dienerin mit einer Kollegin zurück, beide trugen schwere Eimer aus Ziegenleder. Ein Junge folgte ihnen mit einem hölzernen Zuber, gerade groß genug, daß man sich mit angezogenen Knien hineinsetzen konnte.

Das kleine Bad war schnell bereitet und Anzu kam nicht schnell genug aus ihrem Kleid, das ihr schwer am Körper klebte. Jono machte erneut diesen seltsamen Laut, als Anzu sich langsam ins Wasser setzte und ihren Oberkörper dann mit dem wärmenden Wasser begoß.

 

„Zieh dich auch aus“, kommandierte Mai unwirsch. „Oder willst du dir den Tod holen, Junge?“

 

„A-aber…“

 

„Ich wäre ein schlechter Mensch, wenn ich zulassen würde, daß der Retter meiner Liebsten an Unterkühlung stirbt.“ Unbarmherzig riß Mai die Decke Jono fort und faßte dann nach dessem Schurz.

 

Jono quiekte und fiel beinahe mehr von der Liege als er davoneilte, doch es war zu spät. Ein kurzes Ziehen und er stand im Freien. Hastig zog er sein Krummschwert vor seine Leibesmitte. „H-he! Ein bißchen sanfter, ja? Ich kann mich doch nicht einfach vor so hohen Damen ausziehen.“

 

„Halt die Klappe! Du hast nichts, was ich nicht schon hundert Mal gesehen habe.“

 

„W-was?“

 

„Meinst du vielleicht, ich hätte meine Männer noch nie nackt gesehen? Stell dich nicht so an!“ Mai, noch immer nackt, zerrte Jono, nur noch von seinem Schwert geschützt, zum Zuber.

 

Anzu kicherte, während sie sich von einer Dienerin ein sauberes, wärmendes Tuch überwerfen ließ, dann stieg sie aus dem Zuber. „Es macht mir auch nichts aus, Jono“, versicherte sie ihm noch, bevor Mai ihn ohne viel Federlesens ins Wasser schubste. Es platschte und Anzu bekam noch ein Fußbad als Zusatz.

 

Jono saß im Zuber, alle Viere über den Rand gestreckt, und starrte Mai an. „Unfaßbar“, murmelte er, dann machte er das Geräusch wieder. So eine Art Hähähä…

 

Anzu trat neben Mai. „Was machen wir jetzt mit ihm?“

 

„Ihn waschen, wenn er nicht gleich aufhört, so blöde zu kichern und das selber tut.“

 

Mais scharfer Tonfall verfehlte ihre Wirkung nicht und bald war auch Jono sauber, trocken und aufgewärmt. In Decken und Tücher gewickelt saßen sie zu dritt vor der Feuerstelle. Jono trocknete sein Krummschwert und Anzu kraulte Mais Nacken unter der vom Schlaf wirren Lockenmähne.

Mai schwieg, während Anzu ihr von ihrem kleinen Abenteuer draußen erzählte, dabei streichelte sie die Hand ihrer Liebsten.

 

„Diese Krone wäre ein wahrgewordener Traum“, murmelte Mai nach einer Weile.

 

Jono lehnte sein Schwert an einen Schemel. „Wär sie echt. Kann man nicht irgendwie rausfinden, obs das Ding nicht doch wirklich gibt?“

 

„Es ist nicht so einfach, göttliche Artefakte aufzuspüren“, antwortete Mai, die Stirn gerunzelt.

 

Anzu küßte sie sanft. „Wir sollten für heute lieber schlafen gehen. Tun können wir jetzt eh nichts mehr.“

 

Mai nickte. „Du kannst hier bleiben, Jono. Hier auf der Liege ist es warm und ich kümmere mich morgen darum, daß du keinen Ärger bekommst.“

 

Sie alle blickten zu dem kleinen Fenster. Der Garten war hinter einem Vorhang sich bewegender Schnüre verschwunden.

 

„Falls jetzt überhaupt noch jemand dort draußen ist.“ Anzu erhob sich, dann Mai.

Zusammen gingen sie nach einem Gute Nacht-Gruß nach nebenan, wo das Bett inzwischen frisch gerichtet worden war.

 

„Patent, der Junge.“

 

„Er muß so alt wie ich sein“, gab Anzu zu bedenken und schlüpfte neben Mai unter die Decke.

 

„Hm.“ Ein leises Lachen. „Dafür war er ganz schön schüchtern.“

 

„Du magst ihn?“

 

„Du doch auch.“

 

Sanft berührten sich ihre Lippen, dann: „Wieso glaube ich, wir werden deinen… unseren neuen Freund nicht mehr los, Anzu?“

 

„Weil er patent ist.“ 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Usaria
2017-12-03T18:37:22+00:00 03.12.2017 19:37
Süß! Hm dann komme ich hier wohl auch noch in den Genuß von zwei Lesben! Schön, deine Story wird immer intressanter. Hmm! Die Krone! Hmm! Entweder ist Seth dazu bestimmt sie zu tragen, oder Yugi! Beides sind ja Cousins von Atemu, Moment ist dann Yugi nicht doch auch ein Prinz? Ich freu mich schon auf´s nächte Kapitel

Noch einen schönen 1 Adventsontag.


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