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Liebe, Lüge, Wahrheit

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine lieben Leser! Es tut mir leid, dass es wieder lange mit der Veröffentlichung des nächsten Kapitels gedauert hat, aber nun geht es weiter und ich wünsche euch allen eine angenehme Lektüre! :-)

Liebe Grüße
Saph_ira Komplett anzeigen

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Halskettenaffäre

Sommer 1786. Arme Rosalie. Das Schicksal schien es nicht gut mit ihr zu meinen. Vor etwa zehn Jahren war ihre Mutter von der Kutsche einer Adligen überfahren worden. Oscar hatte ihr zwar geholfen, die Mörderin zu finden, aber etwas gegen sie unternehmen, konnte sie nicht. Denn das war eine der mächtigsten Frauen in Versailles und eine enge Vertraute der Königin – Madame de Polignac.

 

Sich damit abzufinden und von der Rache abzulassen, fiel Rosalie nicht leicht. Aber dann, vor etwa sechs Jahren, erfuhr sie durch Zufall, dass ausgerechnet diese Madame de Polignac ihre leibliche Mutter war. Rosalie hatte sie sogar versucht umzubringen, aber war gescheitert. Sie brachte es einfach nicht übers Herz, jemanden zu töten. Nun saß auch noch ihre ältere Schwester, Jeanne de La Motte, wegen Betrug im Gefängnis. Jeanne hatte dem Kardinal Rohan eingeredet, eine teure Halskette im Namen der Königin zu kaufen und für die Bezahlung zu bürgen, um so wieder im Ansehen der Königin zu steigen. Der Kardinal willigte ein und bürgte bei den Juwelieren für die Halskette, die die Königin, laut Jeanne, ratenweise bezahlen würde. Er händigte die Kette an Jeanne aus, in dem Glauben, dass sie die Kette der Königin in seinem Namen überreichen würde. Doch sie floh damit. Da die Ratenzahlungen nicht wie vereinbart bezahlt wurden, flog der Betrug irgendwann auf und Jeanne wurde gefasst und alle Mitbeteiligten wurden verhaftet. Rosalie wusste deshalb weder ein noch aus.

 

 

 

Oscar stieg von ihrem Pferd ab und führte es in den Stall. Regentropfen liefen ihren Umhang herab und hinterließen nasse Spuren, als sie weiter, bis zu den letzten Boxen ging. André stapelte das Heu auf einem Haufen in der Ecke und zwei zehnjährige Jungen halfen ihm dabei. Sie trugen das Heu in die Boxen und verteilten es unter den Pferden auf dem Boden. Als die drei Oscar sahen, hörten sie mit ihrer Arbeit auf. André nahm sogleich die Zügel ihres weißen Pferdes an sich. „Hast du es geschafft?“, fragte er.

 

„Ja, ich habe den Ring von Rosalie in das Gefängnis zu Jeanne überbringen können.“ Der besagte Ring gehörte der verstorbenen Mutter von Rosalie und Jeanne. Rosalie hatte Oscar heute darum gebeten, den Ring ihrer Schwester im Gefängnis zu geben. Oscar hatte es für Rosalie gerne getan, leichter ums Herz war es ihr nicht. Die kurze Unterhaltung mit Jeanne war nicht erfreulich und das erzählte Oscar ihrem André. „Und weißt du, was Jeanne zu mir gesagt hat? Dass sie keine Rosalie kennt und so ein billiges Zeug nicht trägt. Sie hat so eine Schwester wie Rosalie nicht verdient!“

 

„Ja, Rosalie kann einem leid tun.“ André sattelte das Pferd ab und reichte den Sattel, dann die Decke und Zaumzeug an François und Augustin, damit diese es geordnet auf den richtigen Platz legten. „Ich denke, der Pariser Gerichtshof wird schon alles klären können und die Schuldigen verurteilen. Wenn Jeanne schuldig ist, dann wird Rosalie es verstehen, sie ist doch so ein nettes Mädchen.“

 

„Ja, aber der Prozess hat noch gar nicht begonnen und sie macht sich so große Sorgen.“ Oscar hatte Rosalie in all den Jahren lieb gewonnen und die junge Frau war für sie wie eine kleine Schwester. Oscar seufzte schwer. „Ich weiß gar nicht mehr, was ich tun soll.“

 

„Du kannst nichts tun, Oscar, außer dem Gericht beiwohnen und dessen Urteil abwarten. Auf den Pariser Gerichtshof hat nicht einmal die königliche Familie Einfluss.“ André trocknete den Rücken des Pferdes und Oscar ließ ihren vierbeinigen Gefährten dann in die Box herein. „Ich weiß und ich werde Rosalie zum Gericht begleiten.“, beschloss Oscar.

 

„Ich werde selbstverständlich auch mitkommen.“ Wenn sie alleine wären, hätte er sie umarmt und ihr einen Kuss geschenkt. Er warf einen Blick zu den beiden Zehnjährigen. „Kommt ihr alleine zurecht?“

 

„Natürlich, Vater, es ist nur Heu auf dem Boden auszuteilen und dann sind wir fertig.“, teilte François mit und schaute zu Augustin. „Oder was sagst du?“

 

Augustin entriss seinen Blick von seinen Eltern, die er noch immer nicht so nennen durfte. Aber damit war er nicht alleine. Sein Zwillingsbruder durfte zwar „Vater“ und „Mutter“ zu seinen Eltern sagen, aber er glaubte, sie waren seine Zieheltern und keine wahren Eltern. Augustin wusste nicht, wessen Leid schlimmer war – das von François oder das von ihm. Womöglich von ihm, schlussfolgerte er jedes Mal. Denn François kannte das Geheimnis über seine Eltern nicht, im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder, von dessen Existenz er nicht einmal ahnte. Aber er spürte seine Launen und fragte sich, woher das kam. Augustin hätte ihm das gerne erzählt, aber die Anordnung seines Großvaters hinderte ihn daran. Nur um nicht zurück in das Dorf des Leidens zurückkehren zu müssen, war er gezwungen, die Wahrheit zu verschweigen und so zu tun, als wäre er nur ein Spielkamerad für François.

 

Um seinen Bruder nicht lange auf eine Antwort warten zu lassen, kehrte Augustin schnell aus seinen Gedanken zurück. „Das können wir machen.“

 

Seit dem Vorfall in Paris vor zwei Jahren, als er François vor Armand und Georges beschützt hatte, begannen seine Eltern ihn zu schätzen. Besonders sein Vater brachte ihm und François verschiedene Sachen bei: Umgang mit Pferden, das Reiten und Fechten. Seine Mutter sorgte zwar auch dafür, dass er, François und auch Marguerite alles erlernten, wie Schreiben, Lesen, Fechten und Reiten, aber sie behandelte ihn nicht wie ihren eigenen Sohn. Für sie war er nur ein Freund und Spielkammrad von François, wie für jeden anderen, der auf dem Anwesen der de Jarjayes lebte und arbeitete. Das machte Augustin manchmal traurig, aber er redete sich ein, dass irgendwann seine Eltern sein Geheimnis erfahren würden, ihm alles verzeihen und ihn genauso wie François und Marguerite lieben würden. Das war wenigstens ein tröstender Gedanke in solch trübsinnigen Tagen. Das wärmte zwar nicht sein Herz, aber gab ihm etwas Hoffnung.

 

„Dann ist alles gut und nachher gibt es heiße Schokolade für euch.“, sagte Oscar und wandte sich wieder André zu. Sie konnte noch immer nicht ohne Schuldgefühle dem Jungen lange ins Gesicht zu sehen. Seit zwei Jahren lebte Augustin schon hier und obwohl sie ihm dankbar war, dass er François vor zwei ausgewachsenen Knaben beschützt hatte, konnte sie ihn nicht in ihr Herz schließen. Denn ihr Herz schmerzte jedes Mal, wenn Augustin in der Nähe war. Er tat ihr leid. Aber auf die Frage, warum das so war, würde sie wohl nie eine Antwort finden. Wenigstens der Blick in dem sanften Gesicht ihres Geliebten zerstreute ihre Sorgen und Schuldgefühle zu dem Spielgefährten ihres Sohnes. „Wir können gehen.“, meinte Oscar und lächelte matt. „Ich gebe Rosalie wegen dem Ring Bescheid und Sophie wegen der heißen Schokolade für François und Augustin. Danach schauen wir, was wir machen.“

 

André nickte ihr einvernehmlich zu und verließ zusammen mit ihr den Stall. Er wusste, warum seine Geliebte nicht länger in der Nähe von Augustin bleiben wollte und teilte die gleichen Schuldgefühle wie sie. Im Gegensatz zu ihr jedoch, verkraftete er es besser und hatte bereits ein gewisses Vertrauen zu dem Jungen aufgebaut. Immerhin war Augustin ein Spielgefährte von François und hatte ihn sogar in Paris vor zwei Jahren mutig und tapfer vor zwei ausgewachsenen Burschen verteidigt. Seitdem waren François und Augustin unzertrennlich, was André gut verstehen konnte. Auch Oscar schätzte ihn für seine Mut und Tapferkeit, aber sie konnte diese unerklärlichen Schuldgefühle gegenüber Augustin nicht so verkraften wie ihr Geliebter.

 

François und Augustin sahen ihren Eltern nach, bis sie den Stall verlassen hatten und widmeten sich ihren Aufgaben. „Rosalie hat sich wirklich sehr verändert.“, bemerkte François bei der Arbeit. „Sie kümmert sich nicht mehr so stark um Marguerite.“

 

Augustin musste ihm in dieser Hinsicht Recht geben und holte eine Mistgabel, um das zerstreute Heu auf einem Haufen zu sammeln. „Das stimmt und sie weint nur. Ich hoffe, dass Rosalie bald glücklich wird und sich um Marguerite wieder kümmert, sonst müssen wir das tun.“

 

„Magst du etwa Marguerite nicht?“ François hörte mit der Arbeit auf und schielte fragend zu seinem Freund. Er mochte Augustin sehr. Besonders nach dieser Schlägerei in Paris vor zwei Jahren mit zwei viel größeren Knaben, die Augustin von früher kannte. Dazu kamen ähnliche Gefühle und Launen, die sich auf unerklärliche Weise auf ihn übertrugen und dann plötzlich verschwanden, als wäre nichts passiert. Francois hatte langsam aufgehört sich zu fragen, woher das kam, weil er sowieso keine Antwort darauf finden würde. Hauptsache, er hatte in Augustin einen treuen Freund und Spielkameraden gefunden. Für ihn war er wie ein Bruder geworden, den er sich schon mal gewünscht hatte und das war doch etwas Gutes.

 

„Doch, aber Marguerite ist ein Mädchen.“, meinte Augustin, als erkläre er damit alles und widmete sich wieder dem Heu. „Komm, machen wir weiter.“

 

„Sie ist wie eine kleine Schwester für mich.“, gestand François und beschäftigte sich wieder mit seiner Aufgabe. Wie gerne hätte er ihm das große Geheimnis seiner Eltern offenbart. Aber das konnte er nicht, weil er Angst hatte, dass etwas Schreckliches passieren würde.

 

Sie ist deine Schwester, so wie auch meine und du bist mein Zwillingsbruder, dachte bei sich Augustin und sagte nichts mehr dazu. François half ihm und als der Regen draußen aufhörte, waren sie fertig mit der Arbeit.

 

 

 

- - -

 

 

 

Im Juni 1786 wurde das Urteil für alle Mitbeteiligten in der Halsbandaffäre im Pariser Gerichtshof gesprochen. Kardinal Rohan wurde freigesprochen. Jeanne de Valouis hatte man ein V-Förmiges Eisen auf beiden Schultern eingebrannt und zu einer lebenslangen Zwangsarbeit verurteilt.

 

Rosalie hatte danach bittere Tränen vergossen, aber kümmerte sich trotzdem weiter um Marguerite. Das kleine Mädchen war ihre Ablenkung von den trübsinnigen Gedanken an ihre Schwester, die in ihrem Glauben in eine schlechte Gesellschaft geraten war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Doro81
2024-04-02T05:09:18+00:00 02.04.2024 07:09
Juhuuu. Endlich geht es weiter. Hab schon befürchtet, dass die Geschichte eingeschlafen ist...
Bitte schreib schnell weiter
Antwort von:  Saph_ira
05.04.2024 08:36
Huhu und Dankeschön für deinen Kommentar. :-)
Keine Sorge, die Geschichte wird weitergehen ;-)


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