Kapitel 37 - Neue Erkenntnisse
Ein kleines Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, wollte an Tares vorbeistürmen. Er jedoch schnappte sich den Knirps und nahm sie auf den Arm. Wortlos starrte sie den großen Mann an. Sie machte aber keine Anstalten loszuweinen.
„Wo willst du denn hin, Liebes?“, vernahmen alle eine aufgebrachte Frauenstimme.
Eine Trollfrau stürmte ihr nach und prallte fast mit Tares zusammen. Als sie ihn erkannte, klopfte sie sich die Hände an der Schürze ab, nahm ihm das Mädchen ab und schaute ihn erwartend an.
„Ihr wart lange nicht in eurem Reich“, fiel der jungen Frau auf.
Die Kleine begann jetzt wie wild auf ihrem Arm zu strampeln und sie musste sie wieder absetzen. Sie hatte Loco gesehen und wollte unbedingt zu ihm. Der kleine Kerl spitzte die Ohren und brachte sich auf Elyas Schulter vor dem neugierigen Kind in Sicherheit. Die Trollfrau schaute sich um und begann jemanden zu vermissen.
„Ist Poras nicht bei euch?“, musste sie enttäuscht feststellen.
Tares Blick wurde sehr traurig.
„Bedauerlicherweise nicht“, gestand er.
Der Blick dieser Frau wurde unruhig.
„Wo ist er?“, fragte sie mit zitternder Stimme.
Sie schien schlimmes zu ahnen. Das kleine Mädchen hatte mittlerweile angefangen, nach Loco zu greifen, der für sie unerreichbar auf der Schulter der Elfe thronte. Das noch mehr Leute um sie herum standen, schien sie gar nicht wahrzunehmen. Tares schaute zur Gruppe.
„Vielleicht solltet ihr bereits vorgehen. Ich werde kurz mit ihr sprechen. Ich komme sofort nach.“
Rion und seine Leute schienen einverstanden. Einer der Soldaten nahm ihm den Kopf ab. Sie setzten ihre Suche in die Richtung des Schlosses fort. Elya blieb stehen und setzte Loco wieder auf der Erde ab. Mit erhobenem Schwanz blieb er stehen. Das kleine Mädchen näherte sich ihm jetzt allerdings nur sehr vorsichtig und streichelte dem Tierchen das Fell. Elya schmunzelte kurz und wand sich dann an Tares.
„Vielleicht solltest du Rion folgen“, meinte dieser jedoch.
Elyana nickte wortlos, strich Tares kurz über den Rücken und entfernte sich mit schnellen Schritten. Die Trollfrau schaute ihr sehr überrascht nach.
„Vielleicht sollten wir lieber drinnen reden“, schlug Tares vor.
Vorsorglich schloss sie die Gartentür, dass die Kleine nicht davonlaufen konnte und betrat mit Tares ihr kleines Häuschen. Der Blick des Mädchens folgte den beiden nur sehr kurz. Das Tier schien für sie um einiges interessanter zu sein.
„Woher kennst du Poras?“, fragte Tares sofort.
Die junge Frau wurde nervös.
„Mein Name ist Fahra. Er hat mich nicht erwähnt, richtig?“
„Nein, tut mir leid.“
Ihr Blick wurde erneut sehr traurig.
„Poras und ich... wir...“
Ihre Augen wurden feucht.
„Jedes Mal wenn es ihm nicht so gut ging, war er hier bei mir“, gestand sie.
„Ich habe ihn getröstet, wenn es ihm schlecht ging. Er schlich sich heimlich aus dem Schloss.“
Tares schaute ungläubig. Hatte sein Bruder etwa ein Verhältnis mit einer Frau aus dem Dorf?
„Wo ist er?“, fragte sie erneut.
So langsam wurde sie sehr ängstlich.
„Mit sehr großem Bedauern muss ich dir mitteilen, dass sich Poras in Senos von der großen Brücke zur Burg in den Tod gestürzt hat.“
Fahra begann zu zittern.
„Was? Das kann ich nicht glauben!“
Sie brach in Tränen aus.
„Das es ihm so schlecht ging, hätte ich nicht gedacht.“
Sie nahm die Hände vor das Gesicht und versuchte gar nicht erst die Tränen zurückzuhalten. Tares lies sich nicht bitten und nahm sie tröstend in die Arme.
„Es tut mir so leid, glaub mir. Wenn ich von dir gewusst hätte...“
Er war sich jedoch sicher, dass er diesen Selbstmord auch dann nie hätte verhindern können. Im gleichen Moment betrat die Kleine die Küche. Sie hatte Loco auf den Arm bekommen und schleppte ihn jetzt hier herein. Das Haustier ließ sich diese Tortur unerwartend gefallen. Als sie jedoch ihre Mama weinen sah, ließ sie Loco sofort los, lief auf sie zu und wollte auf ihren Arm. Mitleidig schaute Tares die Beiden an.
„Poras ist ihr Vater?“
Fahra nickte nur stumm und drückte ihr Kind an sich. Mit seiner Vermutung lag er also richtig.
„Ich hatte ihn so lange nicht gesehen. Er hat von ihr nie etwas erfahren. Ich wünschte mir so sehr, dass Poras, Saaly und ich eine Chance als Familie haben könnten.“
Tares wusste jetzt nicht, was er sagen sollte. Diese Erkenntnis machte ihn schier sprachlos.
„Ich hätte ihn davon abbringen sollen!“, sagte sie traurig.
„Keiner hätte ihn davon abhalten können. Ich schätze, er konnte mit dieser Schmach nicht länger leben.“
Saaly schaute den fremden Mann jetzt sehr genau an und Fahra reichte sie ihm erneut.
„Das ist dein Onkel Tares“, stellte sie ihn ihr vor.
Bei ihren Worten musste er erneut schlucken. Tares drückte die Kleine jetzt ebenfalls an sich. Das er der Onkel dieses süßen kleinen Mädchen sein sollte, konnte er nicht so recht fassen. Warum Poras ihm kein Wort von Fahra erzählt hatte, konnte er einfach nicht begreifen. Hatte er ihm in dieser Sache nicht vertraut?
„Wo wollt Ihr jetzt hin?“, versuchte Fahra das Thema zu wechseln.
Tares gab die Kleine wieder zurück.
„Sesár soll noch am Leben sein. Wir werden ihn dort heraus holen.“
Sie bekam große Augen.
„Ihr seid verrückt, wenn Ihr versucht dort hineinzugelangen. Zaltór wird Euch töten lassen. Gerade Ihr solltet doch wissen, dass dieser Mann nicht anders denkt.“
Triumphierend schaute er die junge Frau an.
„Moros existiert nicht mehr! Er starb durch meine Hand!“
Fahra setzte Saaly wieder auf dem Boden ab und faltete erleichtert die Hände. Das Tares so skrupellos ehrlich war erschreckte sie keinesfalls.
„Denkt Ihr wirklich, sie werden Euch das glauben?“
Tares setzte ein Grinsen auf was erschreckend an den Tyrannischen Herrscher erinnerte.
„Wenn wir ihnen Moros´ Kopf vor die Füße legen, werden sie es glauben müssen!“
Fahra wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Sie hatte das Stoffbündel gesehen, aber...
„Und die Elfe...?“, hakte Fahra nach. „War das die Prinzessin?“
Tares senkte ertappt den Kopf und nickte.
„Ist sie Euch wichtig?“
Der Troll nahm seine kleine Nichte erneut auf den Arm und schaute sie sich an. Saaly sah ihrem Vater so überaus ähnlich.
„Ja, sehr.“
Fahra lächelte gutmütig.
„Vielleicht ist das Glück wenigstens auf eurer Seite.“
Mit Entsetzen musste er feststellen, dass er sich darüber noch nie Gedanken gemacht hatte. Wie sollte es zwischen den beiden jetzt weitergehen? Wie würde wohl ihr Vater darauf reagieren? Würde Elya ihm überhaupt die Wahrheit sagen? Warum dachte er erst jetzt daran, dass Sesár es niemals gestatten würde.