Tag 38
Sora ist auf dem Weg hierher. Ich weiß dass ihn nichts aufhalten kann. Malefiz hat ein Schlüsselloch aus den Herzen der Prinzessinnen erschaffen. Sie sagt, es kann nicht geöffnet werden. Kairis Herz fehlt. Das fällt ihr früh ein, darauf wäre ich ja nie gekommen. Aber jetzt ist es zu spät für die alte Schachtel, Sora wird bald hier sein und ihr die Hölle heiß machen. Vielleicht hätte sie sich einen Zettel an den Kühlschrank pinnen sollen, ‚Kairis Herz finden, zum Liften gehen, Milch kaufen’ oder so was ähnliches. Sie ist gegangen um Sora zu verprügeln und lässt mich alleine hier.
Ich sehe Kairi an und kann noch immer nicht glaube, dass sie eine Prinzessin sein soll. Wer hätte das gedacht, damals, als wir Kinder waren, wir hatten keine Ahnung. Sora, der strahlende Ritter, Kairi, die Prinzessin, die bald von ihrem Prinzen gerettet werden wird...und ich. Was bin ich in dieser Geschichte? Alles hat irgendwie mit mir zu tun, und dann doch wieder nichts. Wer spielt meine Rolle in diesem Märchen?
Ich fühle mich, als wäre ich schon lange tot, als läse ich in einem Buch, dass es mich einmal gegeben hat.
In meiner Tasche ist etwas hartes. Der Muschelanhänger. Ich drehe ihn hin und her, er ist so hell, seine Farben erinnern mich an Sand und Blumen und einen weit entfernten Sommertag. Aber ich habe keine Hoffnung mehr. Ich stecke ihn in Kairis Tasche. Trotz allem...waren wir nicht einmal so etwas wie Freunde? Aber ich weiß, so etwas wie Freunde gibt es nicht. Ich fühle mich, als nähme ich Abschied von mir an meinem Grab. Ich brauche das jetzt nicht mehr. Dinge wie ein Sommertag und Hoffnung, das ist etwas für eine Prinzessin. Und nicht für mich.
Etwas ist in meiner rechten Hand erschienen. Es fühlte sich an wie der Schlüssel, und doch ganz anders. Schwarz und kalt, so wie ich mich selbst anfühle. Hat es etwas mit Kairis Herz zu tun? Sie schläft noch immer. Der Muschelanhänger liegt in ihrer Tasche verborgen. Es ist ein kleiner Stern, grob gebunden mit Schnur. Ich muss an die alte Geschichte mit der Papu denken. Wenn zwei Menschen sich eine teilen, bleiben sie ein Teil des anderen, egal was passiert. Ich habe dir eine geschenkt, weißt du noch? Du hast sie weggeworfen. Vielleicht hätte ich alles damals schon verstehen sollen. Nicht erst jetzt, da ich finster geworden bin.
Dieses Schwert in meiner Hand hat etwas damit zu tun. Ein Schwert, das Finsternis in die Herzen tragen kann. Das einzig wahre; ich kann die Herzen sehend machen. Ein Schwert, die Herzen zu öffnen. Auch deines? Vielleicht, vielleicht auch deines.
Malefiz kam nicht wieder, also ging ich um nachzusehen, was da wohl passiert war. Natürlich hat Sora sie besiegt. Eine alte Frau zu besiegen ist auch nicht unbedingt ein Kunststück. Sie war schon fast fertig. Also hab ich sie getötet.
Hab ich das wirklich geschrieben?
Ich habe sie getötet. Nein. Das war nicht ich. ER war es.
Sein Name liegt auf meiner Zunge, schon seit langer Zeit.
Ansem.
Jener, der die Dunkelheit sucht.
Sora hat Kairi gefunden. Der Prinz und die Prinzessin, in einem dunklen Schloss. Du erkennst mich nicht. Ich bin es doch. Ich habe dir eine weile zugesehen bevor du mich gesehen hast, ich schwebe über dir, gehalten von ihm wie an einem Faden. Er setzt mich sanft ab. Da ist Zärtlichkeit in seinen Händen, eine sanfte Berührung in der Finsternis, die nur ich spüren kann. Du weißt nicht, was in dieser Welt geschieht. Er spricht durch mich hindurch, meine Arme heben mich, ein Schwert in meiner Hand, ein Schauer auf meinem Rücken. Ich bin nicht mehr ich. Etwas ist schief gelaufen. Wenn er ich ist...was bin dann ich?
Ich falle.
Alles ist so finster.
Mich gibt es nicht mehr.
