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Aber was sich liebt, das neckt sich doch, oder?!

Harry und Draco lernen sich langsam besser kennen... Die FF spielt nach dem 5. Band, da ich sie damals angefangen hatte. Ich versuche nun sie einigermaßen so zu halten, dass sie nicht komplett abweicht.
von

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Warten...

Ihr lieben!
 

Es ist viel Wasser die Themse runtergeflossen, seit Ihr das letzte Mal etwas neues von mir gelesen habt. Nun ist es soweit. Das 5. Kapitel wird hochgeladen und wartet auf Euch Leser.

Ich danke Euch allen, die mir bisher so viel Resonanz entgegen gebracht haben und mich immer wieder darauf ansprachen, wann es denn endlich weiterginge... :) Ihr seid so lieb! Danke! *schmus*

Natürlich interessieren mich weiterhin Eure Meinungen zu Stil, Geschichte, ob die Charas (hoffentlich nicht) ooc geworden sind, etc.
 

So, nun aber viel Spaß!
 

Euer Seshitier :}
 


 

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Warten...
 

„Du auch...?“ Harry spürte, wie sich seine Wangen erhitzten und er Malfoys Blick nicht länger standhalten konnte, obwohl er ihn ohne Brille nicht einmal scharf erkennen konnte. Also hatte Malfoy alles mitbekommen... sein Streicheln, wie er sich an ihn gekuschelt hatte... und... Moment mal... wenn Malfoy tatsächlich schon die ganze Zeit nicht mehr geschlafen hatte... dann bedeutete das auch, dass er seinen Arm bei vollem Bewusstsein um ihn liegen gelassen hatte... dass er Harry bewusst an sich gedrückt und vor allem... mit Absicht in den Nacken geküsst hatte!

Seine Augen weiteten sich überrascht, und er versuchte sich aufzusetzen. Sofort wurde seine Stirn wieder vom Schmerz ergriffen, und stöhnend ließ sich Harry zurückfallen.
 

Draco plagten ganz ähnliche Gedanken. Er konnte einfach nicht fassen, dass er es so weit hatte kommen lassen. Und viel schlimmer, dass Potter womöglich schon länger wach gewesen war... alles mitbekommen hatte... Nur... sie hatten beide nichts dagegen getan...

In seinen Gedanken wurde er jäh unterbrochen, als besagter Gryffindor ein lautes Stöhnen vernehmen ließ.

„Was ist los?“

„Nichts“, keuchte Harry mit fest zugekniffenen Augen, „... nur... Kopfschmerzen. Sag mal, hast du meine Brille gesehen?“

Draco reichte ihm die zerbrochene Brille, die Harry sich gleich aufsetzte.

„Ich hoffe du erwartest jetzt kein Mitleid von mir, Potter“, schnarrte Draco gereizt und erhielt gleich darauf ein rhythmisches Schnaufen als Antwort. Leicht verunsichert hakte er nach: „Was lachst du so? So schlimm können die Schmerzen dann ja gar nicht sein.“

Glucksend drehte sich Harry zu Malfoy.

„Wenn ich von dir kein Mitleid erwarten darf, dann erklär mir mal, warum du mich scheinbar aus dem Bach gezogen, gewärmt und dich rührend um mich gekümmert hast!“

„Das...“, begann Malfoy vollkommen perplex, „...na ja... du hättest sterben können.“

Das Funkeln in Harrys Augen irritierte Draco nur noch mehr und er wurde sich mit Schrecken seiner glühenden Wangen bewusst. „Ich meine... Potter, der Liebling Dumbledores im Wald erfroren... das hätte für mich sicherlich eine Menge Ärger bedeutet.“

Innerlich verfluchte Draco sich für das viele Blut, das ihm ins Gesicht schoss. Und noch mehr verfluchte er Potter für dieses kaum wahrnehmbare Grinsen in seinem Gesicht. Oh wie er ihn dafür hasste!
 

Harry musste bei Malfoys verzweifelten Erklärungsversuchen lächeln. War ja klar, dass Prinz Ich-bin-so-ein-eiskalter-Slytherin-ihr-könnt-mich-alle-mal niemals zugeben würde, dass er auch ein Gewissen hatte! Sollte er ihm den Gefallen tun und ihn aus dieser peinlichen Situation erlösen?...

Ein erneuter Blick an sich hinunter reichte ihm als Entscheidungshilfe.

„Ähm... Malfoy?“

„Was?!“

Herrje... wieder dieser gereizte Tonfall... das ganze musste ihm wirklich zu schaffen machen.

„Ich... bin nackt.“

„Das sehe ich.“

„Ähm“, seufzte Harry ungeduldig und schloss die Augen wegen der immer noch pochenden Schmerzen, „und warum?“
 

Mit knallrotem Kopf lief Draco zu Harrys Kleidung, die noch immer auf dem Moos ausgebreitet dalag.

„Deine Sachen sind nass“, war seine knappe Antwort.

„Uuuund... wir sind keine Zauberer, die etwas trocken zaubern können?“

„Wenn ich meinen Zauberstab hätte, könnte ich das sehr wohl, falls du behaupten willst, ich wüsste keinen Trockenspruch“, fauchte Draco, wütend über Harrys blöde Fragen.

„Achso... konntest du nicht meinen Stab nehmen?“
 

„Dann hätte ich es bestimmt getan, meinst du nicht?“

Harrys Herz machte vor Schreck einen Hüpfer, als er Malfoys Stimme knapp neben seinem Ohr hörte. Als er die Augen öffnete, sah er als erstes seinen Zauberstab, den Malfoy ihm direkt vor das Gesicht hielt.

„Da du nun wach bist, kannst du das ja selbst tun. Hier.“

Harry spürte etwas kaltes, feuchtes auf seinen Bauch fallen. Draco hatte ihm seine Sachen gebracht. Mit einem leise gemurmelten „Danke“ nahm er seinen Zauberstab entgegen und richtete ihn auf Kleidung und Brille.

„Aridulus, Reparo“

Langsam schlüpfte er in seine Hose, vorsichtig darauf bedacht, Kopf und Oberkörper möglichst ruhig zu halten. Als Harry den Kopf schließlich durch seinen Pullover steckte, zeigte ihm ein Schielen auf Malfoy, dass dieser sich ebenfalls anzog, zwar etwas hastiger als er selbst, allerdings mit mindestens ebenso leuchtenden Wangen.

Das ganze war aber auch einfach furchtbar peinlich! ...Hilfe... Wieso konnte er sich dieses Grinsen dann nicht verkneifen?
 

Draco war wütend. Auf diesen dummen Potter, auf die Kälte, die durch Mark und Bein ging und nicht zuletzt auf sich selbst. Wieso hatte er Potter nicht liegen lassen? Dann wäre das alles gar nicht passiert, dann würde er jetzt nicht hier stehen und verzweifelt überlegen, wie er diese peinliche Stille beenden könnte.

Während er sich seinen Umhang überwarf, sog er tief die kalte Luft ein und zwang sich, langsam wieder auszuatmen. Ruhig, Draco. Ganz ruhig. Nur die Fassung wahren.

Wieder den für ihn üblichen, betont lässigen Ausdruck im Gesicht, setzte er sich nahe dem Feuer auf einen moosbewachsenen Stein. Er beobachtete Potter dabei, wie er halb sitzend, halb liegend mit seinem Zauberstab das Feuer etwas weiter anfachte und sich dann wieder mit schmerzverzehrtem Gesicht zurücklehnte.

Eine Weile genoss Draco einfach nur die Wärme, die vom nun stärkeren Feuer ausging. Er starrte ins Feuer und hing währenddessen seinen Gedanken nach. Dabei hielt er seine Hände vor seinen Körper ausgestreckt und wartete, bis er schließlich wieder Leben in den Fingern spürte. Eine Weile blieb er noch so sitzen, sog die Wärme auf, bis er nun doch seufzend zu Potter hinüberblickte. Sie mussten etwas unternehmen, schließlich konnten sie nicht ewig hier herumhocken.

„Schläfst du?“ Dracos Stimme klang mittlerweile ziemlich neutral, jetzt da er sich beruhigt hatte.

„Hmm“, kam die gebrummte Antwort. „Nee.“

„Sollten wir uns nicht langsam auf den Weg ins Schloss machen? Kannst du aufstehen?“
 

Die wenigen trockenen Blätter, die vom letzten Jahr noch auf dem Moos lagen, raschelten leise bei Harrys Versuch, sich aufzusetzen. Sofort drehte sich alles um ihn und er hatte das Gefühl, sein Kopf drohe gleichzeitig zu zerspringen und in sich zusammen zu fallen. Nein, aufstehen konnte er ganz sicher nicht! Trotzdem wollte er wenigstens versuchen, einen Moment sitzen zu bleiben. Als er die Kraft fand, seine schweren Augenlider zu heben, sah er, wie Malfoy ihn aus wenigen Metern Abstand beobachtete. Harry wusste diesen Gesichtsausdruck einfach nicht einzuordnen. War er gereizt? Gelangweilt? Oder... nein. Wenn das vor ihm nicht Malfoy gewesen wäre, hätte Harry fast gemeint, eine Spur Sorge in den Augen zu erahnen... Aber das hier WAR nun mal Malfoy. Und da war so ein Ausdruck absolut ausgeschlossen, selbst wenn er Malfoys bester Freund gewesen wäre, was so ganz und gar unvorstellbar war. Harry spürte wieder einen stärkeren Druck im Hinterkopf und schloss für einen Moment - waren es Sekunden oder Minuten? Er konnte es nicht sagen - die Augen. Seine Hände suchten auf dem weichen Untergrund festeren Halt. Als er dann die Augen endlich wieder öffnete, schaute er ins goldgelbe Feuer neben sich. Die Flammen bewegten sich ruhig und gleichmäßig, was seinen Kopf beruhigte, ihn aber auch langsam schläfrig machte. Das Knacken der trockenen Äste hallte in seinen Ohren wider und er meinte aus weiter Entfernung Malfoys Stimme zu hören. „... wieder hin... müssen warten... aufstehen... kommt...“

Harry drehte seinen Kopf zu Malfoy, der nun aufstand und auf ihn zukam, und staunte darüber, dass dieser den Mund bewegte, ohne ein Wort herauszubringen. Sein Blick glitt zu Malfoys ausgestreckten Armen, zu seinen Händen. Komisch, wie konnte jemand so helle Haut haben... und so dünne Finger... wie ein Mädchen... Er sah schon nicht mehr, wie ihn eben diese Hände ergriffen, fühlte nur noch, dass sein schwerer Kopf sich ebenso wie Arme und Beine seiner Kontrolle entzogen und permanent gegen seinen Willen zu Boden fallen wollten. Schließlich gab er den Kampf auf und überließ seine Gliedmaßen sich selbst.
 

Draco beobachtete Potter genau, als dieser sich aufsetzte. Einen Moment glaubte er, der andere würde sofort wieder zurückfallen, doch dann schien er ruhig und aufrecht sitzen zu können. Gut, vielleicht konnten sie dann wirklich gleich wieder los und den Weg zum Schloss suchen! Jetzt sah Potter ihn an, und seltsamerweise kam er sich eigenartig ertappt vor, wie er hier saß und ihn beobachtete. Zum Glück senkte Potter seinen Blick wieder. Draco würde ihm noch ein paar Minuten Zeit geben und dann mit ihm die Lage besprechen, um möglichst schnell einen Weg hier raus zu finden.

Plötzlich sah er, dass Harry wankte und Schwierigkeiten zu haben schien, sich noch aufrecht zu halten. Malfoy runzelte die Stirn.

„Leg dich wieder hin. Wir müssen warten, bis du aufstehen kannst oder jemand kommt, um uns zu suchen.“

Anstatt sich hinzulegen, sah Potter ihn nur erstaunt an und blinzelte dabei permanent mit den Augen. Draco wurde mit einem mal bewusst, dass Potter gleich umkippen würde und stand reflexartig auf, um ihn festzuhalten.

„Hey, leg dich hin! Du kannst noch nicht aufstehen.“

Gerade noch rechtzeitig griff Draco nach Harrys Armen und hielt ihn fest, bevor dieser ganz die Kontrolle verlor.

Fluchend legte er den wimmernden Gryffindor hin und setzte sich daneben. Schlecht gelaunt wartete er ab, dass dieser Blödmann von einem Muggelfreund aufhören würde zu stöhnen und sich den Kopf zu halten. Schwer atmend und innerlich grummelnd starrte er wieder ins Feuer.
 

Harry hatte gemerkt, dass Malfoy ihn scheinbar aufgefangen haben musste. Die Kopfschmerzen und das rhythmische Dröhnen in den Ohren waren wieder da. Stöhnend hielt er sich den Schädel und konzentrierte sich auf das Pochen, um es systematisch zu bekämpfen.

Nach einer Weile ließ der Schmerz soweit nach, dass er die Augen wieder öffnete. Das erste, was er erblickte, waren die Beine Malfoys, der neben ihm saß und ins Feuer blickte.

„Ich kann nicht aufstehen“, flüsterte Harry und kam sich dabei unglaublich hilflos vor.

„Offensichtlich nicht“, murmelte Malfoy etwas gereizt neben ihm, „und das heißt, dass wir hier festsitzen.“

Harry ließ seufzend seinen Kopf auf die rechte Hand gleiten und beobachtete einen Käfer, der träge über seinen Umhang krabbelte.

Plötzlich bemerkte er neben sich eine Bewegung, und als er aufsah, nahm Malfoy gerade einen Zweig und stocherte damit im Feuer herum. Harrys Blick fiel erneut auf Malfoys Hände, blieb an den schmalen Fingern hängen und wieder kam ihm der Gedanke, dass die Hände so gut zu einem Mädchen passen würden. Kaum zu glauben, dass er ihn damit aus dem Bach gezogen hatte. Er hätte ihn niemals so kräftig eingeschätzt...

KNACKS!

Im Feuer brach lautstark knallend ein dicker Ast, und Harry zuckte erschrocken zusammen.
 

Auch Draco hatte seinen Arm vor Schreck zurückgezogen. Ein wenig verlegen biss er sich auf die Unterlippe und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Potter sich regte. Die Stille, die eben noch angenehm war, wurde mit einem Mal unerträglich, aber er wollte einfach nicht mit Potter sprechen. Der war doch Schuld daran, dass sie hier festsaßen, warum musste er auch so ungeschickt sein und mit seinem Kopf genau auf einen dummen Stein fallen? Draco wollte schmollen, und gleichzeitig bereitete ihm das Schweigen ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend, zu dessen Beseitigung auch nicht gerade beitrug, dass Potter nach dem Schreck seinen Arm direkt neben Dracos Bein liegen gelassen hatte. Draco glaubte die Wärme durch Umhang und Hose zu spüren, wagte aber nicht, sich wegzubewegen.

Endlich, nach Stunden, wie es Draco vorkam, in denen seine Gedanken abwechselnd um Potters furchtbar nervige Blödheit in den Bach zu fallen, eine Möglichkeit zurück ins Schloss zu kommen und Potters Arm neben seinem Bein gekreist waren, wurde die Stille zu seiner Erleichterung gebrochen.

„Ich hab' Hunger.“
 

Wie zur Bestätigung gab Harrys Magen ein lautes Knurren von sich.

„Es wird ja auch schon hell“, murmelte Malfoy mit einem Blick durch die Baumkronen.

Zum ersten Mal, seitdem er mit Kopfschmerzen erwacht war, kam Harry ein erfreulicher Gedanke.

„Dann ist bald Frühstückszeit, selbst am Sonntag. Wenn die anderen aufstehen und wir nicht da sind, wird vielleicht jemand losgehen, um uns zu suchen.“

„Falls überhaupt jemand auf die Idee kommt, einen von uns hier im Wald zu suchen, wie sollen sie uns dann bitteschön finden?“ kam sofort von Malfoy der patzige Einwand.

Aber Harry war darauf vorbereitet und antwortete mit einem Grinsen.

„Ich könnte einen roten Funkenregen über die Bäume schicken. Den sieht man auch vom Schloss aus.“

„Ja genau“, grinste Malfoy triumphierend, „den sieht man vom Schloss aus und auch sonst von überall her im Wald. Am besten schreibst du gleich mit den Funken eine Einladung an die Zentauren.“

Harry spürte zum wiederholten Mal an diesem Abend sein Gesicht erröten. Malfoy hatte ja Recht, aber das hätte er auch netter sagen können, nämlich ohne dieses gehässige Grinsen.

Mit einer schnellen Bewegung stand Malfoy plötzlich auf und ging ein paar Schritte vom Feuer weg auf die Bäume zu.

„Was machst du?“ fragte Harry mit einem Stirnrunzeln, „wir sollten uns lieber nicht trennen, solange es noch dunkel ist.“

„Professor Sprout hat mal erwähnt, dass Fichtennadelextrakt gegen Schwindelgefühl und Kopfschwerzen hilft. Und der Wald ist voll mit Fichten.“

Malfoy drehte sich nicht um, als er die Antwort gab, sondern blieb lediglich stehen und blickte sich suchend um.

Überrascht starrte Harry Malfoy an und wusste nicht, was er sagen sollte. Hatte er gerade gesagt, dass er ihm... IHM!... helfen wollte?

Als hätte er seine Gedanken gelesen, knurrte Malfoy: „Das mache ich nur, damit wir bald weitergehen können“, und schritt energisch auf Harry zu, schnappte sich dessen Zauberstab und murmelte „Lumos“.

Harry lächelte, als er ihn dabei beobachtete, wie er zwischen den Bäumen suchend den Zauberstab hin- und herschwenkte. Irgendwie konnte Malfoy ja richtig nett sein. Oh, Harry würde sich hüten, ihm das ins Gesicht zu sagen! Dann hätte die nette Phase sicherlich sofort ein Ende. Harrys Lächeln wurde breiter und als er erneut zu Malfoy hinübersah, stellte er mit leichtem Schrecken fest, dass sich zu dem Hungergefühl noch etwas anderes in seinen Magen gesellt hatte. In seine Gedanken schlich sich Malfoys Arm um seine Taille, Malfoys warmer Atem in seinem Nacken, ... das reicht, Harry, das reicht jetzt. Das alles machte ihm Angst und er schüttelte seinen Kopf absichtlich schnell, so dass ihn der pochende Schmerz von diesen Bildern ablenken konnte.
 

Seine Hände begannen wieder vor Kälte zu prickeln und nervös kaute Malfoy auf der Unterlippe herum. Wieso machte er das hier? Er lief durch die blöde Kälte und suchte nach einer blöden Fichte, um diesem blöden Potter zu helfen. Natürlich wollte er möglichst bald weitergehen und hatte darum ein Interesse daran, Potter schnell wieder auf die Beine zu bringen, aber das war eben nicht der einzige Grund. Eben hatte er es nicht zugeben wollen, aber irgendwie wollte er Potter einfach helfen.

Mit einem kräftigen Kopfschütteln versuchte er, seine Konzentration auf die Suche zurückzulenken. Wieso gab es hier nur Laubbäume oder Kiefern? Das machte ihn Wahnsinnig! Er war schon ein gutes Stück gelaufen und wenn er über die Schulter zurück sah, war der Schein des Feuers schon schwächer geworden, aber noch sehr gut sichtbar. Es konnten eigentlich keine 50 Meter sein.

Schließlich, nach wenigen weiteren Minuten, wäre er fast an zwei Fichten vorbeigelaufen. Zufrieden griff er nach den tiefer liegenden Ästen und zupfte einige zarte Zweige ab, bevor er sich umdrehte und auf den goldenen Feuerschein zusteuerte.

Er fand Potter neben dem Feuer vor, wie er ihn zurückgelassen hatte.
 

Draco legte die Fichtenzweige auf das Moos neben Harry und sah sich suchend um.

„Was hast du jetzt vor?“ fragte Harry und fühlte über die spitzen Nadeln an den Zweigen.

„Ich suche etwas, das man in einen Kessel transformieren kann. Die alte McGonnagall hat das mal mit einer Holzschüssel demonstriert, aber jetzt muss ich eben etwas ähnliches finden.“

Mit einem Stück borkiger Rinde in der Hand kam Malfoy kurz darauf zum Feuer zurück.

„Das müsste gehen...“, murmelte er, während er mit Harrys Zauberstab auf die Rinde tippte.

Nichts geschah. Harry beobachte Malfoy dabei, wie er weiter auf das Stück Holz tippte, die Zauberstabschlenker immer wieder änderte und das Stück Rinde sich langsam einem Kessel annäherte.

Harry musste sich eingestehen, dass Malfoy gut in Transformation war. Er selbst hätte schon mit seinem eigenen Zauberstab erhebliche Probleme gehabt, aber dass Malfoy sogar mit einem fremden Stab mit einem so komplizierten Zauber eine sichtbare Veränderung zustande brachte, war gar nicht mal schlecht.

„Vielleicht versuchst du auch mal, dieses blöde Ding zu transformieren?“, gab Malfoy genervt auf, als schließlich ein kleiner Kessel aus Rinde auf dem Boden stand, der auch nach weiteren Versuchen einfach nicht zu Metall werden wollte.

Harry schrak aus seinen Gedanken hoch und nahm perplex seinen Zauberstab entgegen.

„Äh, zeigst du mir nochmal, wie der Schlenker nach dem antippen geht?“

„Ich hab gerade etliche Male diesen blöden Zauber ausprobiert und du willst mir erzählen, dass du ihn dir immer noch nicht gemerkt hast?“

Harry schoss zum wiederholten Mal das Blut ins Gesicht bei Malfoys angewidertem Blick.

„Ich hab' nicht aufgepasst“, murmelte er verlegen. Klar hatte er nicht aufgepasst... er hatte ja die ganze Zeit Gedanken verloren Malfoys konzentriertes Gesicht angestarrt.

„Oh Mann“, seufzte dieser kopfschüttelnd, „wie dämlich kann ein Mensch sein?“

Harry zog die Augenbrauen hoch, beschloss aber nicht weiter darauf einzugehen, um Streit zu vermeiden. Stattdessen beobachtete er den Ablauf des Zaubers und versuchte sich daraufhin selbst am Kessel. Endlich, nach drei Versuchen, wurde der Kessel zu Metall, und auch wenn noch immer die borkige Struktur der Rinde an der Außenwand deutlich zu erkennen war, blickten sowohl Harry als auch Malfoy zufrieden das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit an.
 

„Okay, dann mal los.“

Draco packte den Kessel und schöpfte etwas Wasser aus dem Bach hinein, um ihn dann auf die Feuerstelle zu setzen.

Knisternd loderte das Feuer auf und erhitzte langsam das Wasser. Als es nach, wie es Draco vorkam, einer halben Ewigkeit zu sieden begann, zupfte er die Fichtennadeln von den Zweigen ab und ließ sie in den Kessel fallen.

Während der Sud durchzog sah er zu Potter hinüber und stellte überrascht fest, dass dessen Blick auf ihm ruhte. Wie lange hatte er ihn schon angestarrt? Diese grünen Augen... halb geöffnet, einen absolut neutralen Ausdruck im Gesicht. Woran er wohl dachte? Draco wurde unruhig, aber konnte einfach nicht mehr wegsehen. In seinem Bauch machte sich ein hohles Gefühl breit, als bohrten Potters Augen ein dickes Loch hinein...

Potter wandte den Blick ab.

Draco blinzelte und sah zurück zum Kessel. Er schluckte. Was war das eben gewesen? Diese Situation war absurd, sie hatten sich einfach nur angestarrt. Wie lange? Es war eine Ewigkeit gewesen und doch nur ein winziger Augenblick. Und diese Leere im Bauch, naja die kam ja vom Hunger. ...Oder?
 

Malfoy hatte Wasser aufgesetzt und wartete, dass es anfing zu kochen. Harry beobachtete die Flammen, die um den Kessel schlugen und knisterten. Malfoy zupfte die Fichtennadeln ins kochende Wasser, die er für ihn gesammelt hatte... die er nun zu einem Extrakt verarbeiten wollte für ihn... um ihm zu helfen? Nein, er hatte ja schon klargestellt, dass er nur wollte, dass sie so schnell wie möglich weitergehen konnten. Warum sollte er ihm auch helfen wollen, er freute sich doch immer, wenn es Harry schlecht ging.

Harry merkte, dass er schon wieder Malfoys Hände anstarrte. Er sah hoch in das schmale Gesicht, die feine, spitze Nase, die blasse Haut... Was sollte er nur von dem Slytherin denken? Mal war er so widerborstig, warf ihm die schlimmsten Gemeinheiten an den Kopf, dann behandelte er ihn völlig neutral. Und letzte Nacht hatte er ihm geholfen, hatte ihn nicht einfach im Wald liegen lassen, sondern vielleicht sogar sein Leben gerettet. Als sie hier ...aneinandergeschmiegt... gelegen hatten, war es zwischen ihnen fast so gewesen, als wären sie Freunde... Freunde oder was auch immer.

Auf einmal realisierte er, dass Malfoy ihn ebenfalls ansah. Dieser unergründliche Blick... Harry konnte nicht einmal erahnen, was er gerade denken mochte. Wieso starrte er ihn an? Harrys Hals war ganz trocken, aber er konnte nicht schlucken, konnte sich nicht einen Millimeter bewegen, konnte nur weiter in diese grauen Augen blicken. Er dachte nichts, als wäre sein Kopf vollkommen leergefegt.

Endlich brachte er die Kraft auf, wieder in die Flammen zu schauen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass auch Malfoy wegsah.

Wo eben jegliche Gedanken gefehlt hatten, sprangen sie nun im Dreieck... Was dachte Malfoy von ihm? Er hatte ihn so seltsam angesehen, was sollte er nur davon halten? Was dachte er selbst über Malfoy? Die ganze Feindseligkeit, die immer zwischen ihnen geherrscht hatte, war so weit entfernt... aber was sollte da stattdessen sein?

„Ich glaube der Extrakt ist gleich fertig.“

Malfoy rührte mit Harrys Zauberstab im Kessel umher und ließ ihn dann vom Feuer weg auf den feuchten Boden schweben. Dampf stieg von dem Extrakt empor, als er weiter darin rührte.

Harrys Schädel pochte wieder stärker, während er sich enger in seinen Mantel einwickelte.

„Wir müssen warten, bis das ganze etwas abgekühlt ist“, sagte Malfoy und verteilte den breiartigen Fichtennadelextrakt auf eines der vielen vertrockneten, braunen Blätter, die dort herumlagen.
 

Draco verstand sich selbst nicht mehr. Was lief hier eigentlich? Er hasste Potter doch! Aber jetzt saß er hier und setzte all sein Können ein, um ihm zu helfen. Ihm, den er so wenig leiden konnte. Da zog er ihn aus dem Wasser, wärmte ihn... Ein Schauer lief ihm über den Rücken bei dem Gedanken daran... und jetzt bereitete er auch noch für ihn diesen Extrakt, der nun soweit abgekühlt war, dass er ihn verwenden konnte.

„Bleib liegen, der Extrakt wirkt am besten, wenn man ihn auf die Stirn aufträgt.“

Er nahm das Blatt und schmierte etwas von der braunen Paste über Potters Augenbrauen, krampfhaft darauf bedacht, ihn bloß nicht direkt anzuschauen.

„In spätestens einer Stunde müssten deine Kopfschmerzen verschwunden sein.“ Toll Draco, wieso zittert deine Stimme so? Das ist nur Potter, stell dich nicht so an...
 

Harry hatte die Augen geschlossen und rührte sich nicht. Unter der Berührung Malfoys verkrampfte er und traute sich nicht, ihn anzugucken. Er war ihm wieder so nah. Wieder eine Berührung, eigentlich ohne Bedeutung, aber trotzdem so vertraut...

Auf Harrys Haut machte sich ein warmes Kribbeln breit, wo der Fichtennadelextrakt auflag. Er atmete den starken Fichtengeruch ein und wurde schläfrig. Langsam glitt er hinab in einen traumlosen Schlaf.
 

Draco ging zum Bach zurück, reinigte den Kessel und wusch sich die Hände. Das Wasser war furchtbar kalt und er fror sofort. Zurück am Feuer wickelte er sich eng in seinen Umhang ein und setzte sich so nah an die Flammen wie möglich. Potter atmete tief und gleichmäßig, er schien zu schlafen. Draco legte den Kopf auf die Knie und dachte an die Große Halle, warm und gemütlich, ein üppiges Frühstück auf dem Tisch und seine Freunde um sich. Wieder knurrte sein Magen und er stellte sich vor, wie die ersten Schüler gerade ihr Spiegelei oder eine Portion Speck aßen. Und er hockte hier rum, zwischen dunklen, kahlen Bäumen, hatte Hunger und wünschte sich nichts mehr, als die nächsten Stunden in seinem kuscheligen Bett zu liegen. Nach einer Weile nickte auch Draco ein und schlummerte vor sich hin.
 

Als Harry wach wurde, hatte der Himmel eine rosa-hellblaue Farbe angenommen. Seine Uhr zeigte bereits 9 Uhr an. Er fühlte über seine Stirn und spürte die vertrocknete Kruste des Fichtenextrakts. Er fühlte sich wunderbar erholt und setzte sich behutsam aufrecht hin, drehte den Kopf nach rechts und links. Die Schmerzen waren wie fortgeblasen.

Er stand auf und streckte sich. Durst hatte er mittlerweile bekommen, wollte aber nicht seinen Sturz wiederholen und nahm sich deshalb den Kessel, mit dem er sich schon einen Meter vor dem Ufer hinsetzte und sich vorsichtig zum Wasser vortastete. Er trank direkt aus dem Kessel und nahm ihn gut gefüllt zum Feuer zurück.

Malfoy saß dort noch immer, war aber inzwischen auch aufgewacht.

„Gib mir mal was von dem Wasser“, gähnte er beim Strecken.

Harry verdrehte die Augen. Typischer Malfoy-Befehlston, wie sollte es auch anders sein. Er grinste den blonden Jungen an.

„Wie heißt das Zauberwort?“

Malfoy zog eine Augenbraue hoch, schenkte Harry nur einen skeptischen Blick und schnappte sich den Zauberstab, der noch neben ihm lag.

„Accio Kessel“

Sofort zog es den Kessel aus der Hand des verdutzten Harry und Malfoy trank mit einem genüsslichen Grinsen vom Wasser.

„Ha. Ha.“, gab Harry sarkastisch zurück, kam aber nicht um ein Lächeln herum.

„Wie ich sehe bist du wieder ganz gut auf den Beinen“, erkundigte sich Malfoy betont lässig.

„Ja, die Kopfschmerzen sind komplett weg.“ Gedankenverloren kratzte Harry die letzten Krümel Fichtenbrei von seiner Stirn. „Ich weiß nicht so recht, ob wir weiter nach dem Weg zum Schloss suchen oder lieber auf jemanden warten sollen, der uns holt.“

„Hm..., da wir beide nicht wissen, in welche Richtung wir überhaupt gehen sollen, bringt es wahrscheinlich sowieso nichts einfach loszulaufen“, brachte Malfoy als berechtigten Einwand.

„Oh Mann“, schlug sich Harry plötzlich die Hand vor den Kopf. „Ich bin so dämlich!“

„Endlich mal ein wahres Wort von dir, Potter“, kam Malfoys trockene Antwort. „Aber Erkenntnis ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung.“

Diesen Kommentar beachtete Harry nicht, riss nur Malfoy seinen Zauberstab aus der Hand und rief: „Accio Feuerblitz!“ Mit leuchtenden Augen stand Harry wie eingefroren dort und wartete.
 

Draco lauschte angestrengt und hoffte auf ein Zeichen, dass der Spruch funktionierte. Die Idee war Potter ja reichlich spät gekommen, aber zugegeben, es war ein guter Einfall. Die Frage war nur, ob die Entfernung zum Schloss nicht zu groß war.

Nichts geschah.

„Das war wohl nichts“, gab Draco schließlich von sich und ließ sich nach hinten fallen.

„Einen Versuch war’s wert.“ Die Enttäuschung sprach deutlich aus Potters Stimme, „wir sind zu weit weg und außerdem liegt mein Besen unterm Bett, wahrscheinlich ist nichtmal ein Fenster im Schlafsaal offen.“

Draco gähnte und beobachtete eine Krähe, die sich in den kahlen Ästen über ihm schwarz gegen den immer heller werdenden Himmel abhob. Dieses Warten ging ihm auf die Nerven. Natürlich würde irgendwann jemand kommen, aber ihn plagte auch der Gedanke, dass dann einer der Lehrer etwas mitbekam. Er stellte sich innerlich schonmal auf großen Ärger ein. Und auf keinen Fall durfte jemand erfahren, was hier passiert war. Klar, Potter wird auch alles dafür tun, das nicht an die große Glocke zu hängen, ihm war es ja auch sichtlich peinlich gewesen.

Aber dieses ewige Warten... und das Schweigen. Er schielte zu Potter hinüber und überlegte, was er sagen konnte, um die Stille zu brechen.
 

„Sag mal“, fing er an und riss Potter so aus den Gedanken, „was für einen Zauber hast du für die Uhr genommen?“

„Was?“ Verwirrt zog Potter die Stirn kraus.

„Deine Uhr“, versuchte Draco zu erklären, „die leuchtet im Dunkeln. Wie hast du das gemacht?“

„Oh“, Potter zog den Ärmel seines Umhangs hoch und lachte. „Daran hab ich nichts geändert, das ist eine ganz normale Muggel-Uhr.“

„Eine Muggel-Uhr?“ Ungläubig setzte sich Draco auf. „Wie kann sie dann leuchten?“

„Naja, dafür wird irgend so eine spezielle Farbe genommen. Ach frag mich nicht, es ist jedenfalls kein Zauber.“

Draco konnte noch immer nicht glauben, dass man so etwas ohne Zauberkraft herstellen konnte.

„Hier, du kannst sie gern untersuchen“, hielt ihm Potter die Uhr entgegen.

Zögernd griff Draco danach und untersuchte sie von allen Seiten. Er konnte nichts besonderes entdecken und reichte sie Potter zurück.

„Immer noch skeptisch?“ hakte dieser nach. „Weißt du, auch ohne Zauberei können Muggel viele nützliche Dinge machen. Und sie kommen prima zurecht, auch wenn das die meisten Zauberer nicht glauben wollen.“
 

„Komisch, dass gerade du die Muggel so verteidigst.“ Malfoy rümpfte die Nase und versuchte sichtlich wenig interessiert zu klingen. „Immerhin hast du doch selbst schlechte Erfahrungen gemacht mit deiner Verwandtschaft, oder nicht?“

„Äh...“ Harry war perplex. Hatte Malfoy sich gerade wirklich nach seinem Privatleben erkundigt? Und noch dazu klang es gar nicht danach, als versuche er ihn damit fertig machen wie sonst. „Naja, nicht alle Muggel sind so. Wenn man sie nur nach meinen Verwandten beurteilen würde, wäre das so, als würde man sich nur nach deiner Familie ein Urteil über Zauberer bilden“, lachte Harry. „In beiden Fällen fällt das Ergebnis grauenvoll aus!“

Malfoy fand das ganze wohl nicht so lustig, giftig entgegnete er: „Sehr witzig, Potter. Du hast doch überhaupt keine Ahnung von meiner Familie.“

„Du auch nicht von meiner. Und noch weniger Ahnung hast du von Muggeln. Meine Tante und mein Onkel denken über Zauberer genauso, wie Todesser von Muggeln denken - von Grund auf schlecht. Beide liegen wohl mit ihren Meinungen reichlich falsch.“

„So falsch finde ich es nicht, wenn man davon überzeugt ist, dass Zauberer Muggeln überlegen sind“, fing Draco nun in seiner gewohnt schnodderigen Art an, „ich meine, was können Muggel schon? Stell einen Zauberer und einen Muggel voreinander, der Zauberer wird ihm IMMER überlegen sein! ...Der Trottel Longbottom vielleicht nicht, aber sonst jeder. Meiner Meinung nach liegen Todesser mit ihrer Überzeugung ganz richtig.“

Hatte sich Harry eben nur etwas aufgeregt, platzte ihm nun der Kragen.

„Hast du sie noch alle?“ Wutentbrannt zischte er Malfoy an, „ist dir eigentlich klar, welche Gräuel Todesser anrichten? Und du verteidigst sie noch und versuchst, die Unterdrückung und Gewalt zu rechtfertigen!“

Malfoy wollte schon etwas entgegnen, da unterbrach Harry ihn: „Und wag es bloß nicht, jetzt mit diesem abartigen Gelaber anzufangen von wegen reinblütige Zauberer seien auch noch besser aus muggelstämmige! Falls du es immer noch nicht gemerkt hast, Hermine, eine Hexe, die ausschließlich von Muggeln abstammt, ist die Jahrgangsbeste und übertrifft auch reinblütige Idioten wie dich bei Weitem in ihren Zauberkünsten. Aber was erwarte ich eigentlich von einem Malfoy? Wo der Name doch für Ignoranz und Dummheit steht?“
 

Das hatte gesessen. Wenn er auf etwas empfindlich reagierte, dann auf Beleidigungen seiner Familienehre und vor allem darauf, dass diese Granger ihn in fast allen Fächern übertraf. Ein Umstand, auf den auch sein Vater ihn oft genug verärgert aufmerksam gemacht hatte.

Und Potter war noch nicht fertig...

„Voldemort hat meine Eltern auf dem Gewissen...“

Draco zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

„Sprich seinen Namen nicht aus! Wie kannst du es wagen? Der dunkle Lord darf nicht genannt werden!“

Er hörte, wie Potter scharf die Luft einsog und sich mit zitternder Stimme weiter ausließ.

„Wie ICH es wagen kann?! Wie kannst DU es wagen, mir diese dämliche Todesser-Propaganda an den Kopf zu werfen? Voldemort hat ... ja verdammt nochmal, ich spreche seinen Namen aus so oft ich will... Voldemort Voldemort Voldemort! Voldemort hat meine Eltern umgebracht. Und die Todesser, darunter auch dein missratener Vater, haben vor einem halben Jahr auch noch den Menschen getötet, der für mich wie ein Vater hätte sein können. Sirius starb durch Bellatrix Lestrange, deine dumme Tante, die du doch bestimmt ach so vergötterst! Dir sollte eigentlich klar sein, dass du mit diesem Gerede nicht zu mir kommen brauchst!“

Stille breitete sich aus. Potters Atem ging schnell vor Wut, während Draco ihn unterkühlt anblickte. Es bereitete ihm mehr Mühe als sonst, seine eisige Maske aufrecht zu erhalten. Potters hasserfüllte Worte hatten ihn mehr berührt, als er sich selbst eingestehen wollte. Er hatte nie in Frage gestellt, was seine Eltern, vor allem sein Vater, ihm beigebracht hatten. Nur selten hatte sich in ihm ein tief verborgenes Gefühl gemeldet, dass nicht alles so stimmen konnte wie er es gelernt hatte. Diese Momente, in denen er sah, wie Hermine Granger wieder einmal besser als alle anderen abschnitt zum Beispiel. Oder aber der Augenblick vor wenigen Monaten, als sein Vater nach Askaban gekommen war und der Dunkle Lord ihm nicht half, dafür seine Familie nur weiter unter Druck setzte. Wieviele Menschen, darunter eine Menge Zauberer reinblütiger Abstammung, hatten schon unter dem Dunklen Lord und seinen Anhängern, auch unter seinem eigenen Vater leiden müssen?
 

„Wer ist Sirius?“ hakte er sehr viel weniger provozierend als zuvor nach.

„Wer war Sirius müsste die Frage lauten“, korrigierte Potter, nun auch ruhiger als eben. Er ließ den Kopf hängen. „Sirius Black. Ich hätte ehrlich gesagt gedacht, dass du besser informiert wärst über die Aktivitäten der ‚Freunde’ deines Vaters.“

„Hättest du also gedacht, sieh an... ich bin kein Todesser, darum weiß ich auch nicht über alles bescheid“, entgegnete er. „Black... Sirius Black... der Name kommt mir bekannt vor... aber woher?“

„Er war mein Pate.“

Potter starrte immernoch auf seine eigenen Füße und murmelte leiser „Wenn ich nicht so blöd gewesen wäre, wäre er noch bei mir.“

Draco horchte auf. Was hatte er da gesagt?

„Wieso? Eben hast du noch gesagt, die Todesser hätten ihn getötet. Wer war denn nun Schuld an seinem Tod? Du oder Tante Bellatrix?“

Potter zögerte. Er hob den Kopf und blickte Draco direkt an. Wieder diese unglaublich grünen Augen... Draco war verwirrt und wusste nicht, was er sagen sollte. Endlich, nach Minuten wie es ihm schien, antwortete Potter.

„Die... Lestrange hat ihn ermordet.“ Es schien Potter erheblich schwer zu fallen, weiter zu sprechen. „Aber ich... ich war so dumm... ich hab ihn erst dorthin geholt, obwohl ich es hätte besser wissen können. ...wenn ich doch nur nachgedacht hätte. ...Und er war der einzige, der für mich noch wie ein Vater hätte werden können.“

Draco wusste nicht, ob er vor Glück schreien oder Mitleid mit Potter haben sollte. Da lieferte sein verhasster Erzfeind nach so langer Zeit die ideale Möglichkeit ihn fertig zu machen, ihn zu zerstören, und er tat ihm tatsächlich leid dafür! Was sollte er von sich selbst halten? Von seinen Gefühlen, die noch nie zuvor so unklar gewesen waren.

„Also ich seh’ das so“, brach es aus Draco heraus, „wenn du ihn nicht eigenhändig umgebracht hast, kannst du auch nichts dafür.“
 

Harry glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Was war hier los? Malfoy sprach genau das aus, was sein eigener Verstand ihm immer sagte, aber es hörte sich aus seinem Mund anders an, ehrlicher, überzeugender, als wenn seine besten Freunde oder er es sich selbst versicherte.

Malfoy wirkte irritiert, saß mit hochrotem Kopf vor ihm und schien nicht so recht zu wissen wohin zu gucken.

Er hatte recht. Und obwohl Harry schon so oft von seinen Freunden gehört hatte, dass ihn keine Schuld an Sirius’ Tod traf, hatte er nie wirklich glauben können, diese Verantwortung nicht zu tragen. Natürlich, er hatte das nie gewollt, aber war er deswegen unschuldig? Doch in diesem Moment, hier tief im Verbotenen Wald, glaubte zum ersten Mal auch sein Herz die Wahrheit, wurde von dem Mitschüler überzeugt, der ihn jahrelang schikaniert und bei jeder Gelegenheit gedemütigt hatte. Glaubte es, gerade weil es dieser verhasste blonde Slytherin aussprach, der definitiv keinen Grund hatte, ihm etwas positives zu sagen, ihn zu trösten, ihn wieder aufzurichten... und es dennoch tat.

Verlegen scharrte Harry mit den Füßen über den Boden. Was sollte er antworten?

Er setzte sich neben das Feuer und zupfte Moos zwischen den Fingern.
 

Weit entfernt ertönte ein einzelnes Bellen, kaum zu hören, ganz leise.

An die Geräusche des Waldes hatten sie sich längst gewöhnt, zuckten nicht mehr zusammen bei schreienden Krähen, vorbeirauschenden Vögeln oder anderen, schwerer zu identifizierenden Lauten.

Wieder ein Bellen, näher diesmal und lauter.

Harry stutzte, lauschte aufmerksam in den Wald. Malfoy saß, die Beine angewinkelt und den Kopf auf die Knie gestützt, weiter vor dem Feuer und stocherte mit einem feinen Ast in den Flammen herum. Gehört hatte er offensichtlich nichts.

Beim dritten Bellen war sich Harry sicher.

"Fang!" Er sprang auf und bedeutete Malfoy still zu sein, als dieser bereits zum fragen ansetzte. "Das ist Fang, Hagrid ist unterwegs uns zu suchen", erklärte er.

"FANG! HAGRID!"

Die Antwort kam augenblicklich. Fang bellte jetzt ununterbrochen und kam hörbar näher.

Als er endlich zwischen den Bäumen hervorbrach, sprang er sofort Harry an und warf ihn mit seinem großen Gewicht nach hinten. Lachend versuchte Harry den über ihm stehenden Saurüden davon abzuhalten, ihm das ganze Gesicht abzuschlecken.

"Harry!" Hagrid kam seinem Hund hinterhergestürmt. "Merlin sei Dank, wir ha'm dich gefunden... Fang geh' runter von ihm, du zerquetschst ihn ja... was war'n los? Hermine und Ron war'n bei mir, weil sie dich vermissen. Warum bis' du nich' im Schloss?" Erst jetzt bemerkte er Malfoy.

"Un' du auch, Malfoy?"

Nun war er deutlich verwirrt. Ratlos sah er von einem Jungen zum anderen und hielt mit aller Kraft Fang am Halsband zurück, damit dieser sich nicht erneut auf Harry stürzen konnte.

"Dann gehört der hier wohl dir?" fragte Hagrid und hielt Malfoy einen schmalen Stab entgegen.

"Das ist meiner, ja." Betont lässig schnappte sich Malfoy seinen Zauberstab und untersuchte ihn gründlich.

"Hat Fang gefunden", antwortete Hagrid voller Stolz, während er dem Hund den Kopf tätschelte, "is' eurer Spur gefolgt, der gute Hund. Hat mich durch'n halben Wald geschleppt."

Harry war einfach nur noch erleichtert über die Rettung und die Aussicht, bald im warmen Schloss zu sein und sich in sein Bett legen zu können. Selbst Malfoy schien, wahrscheinlich zum ersten Mal bisher überhaupt, glücklich darüber, Hagrid zu sehen.

Dieser hatte seine erste Überraschung überwunden und wollte sofort aufbrechen.

"Naja, kommt ihr beiden, dann mach'n wir uns mal schnell auf'n Weg zum Schloss."
 

Hastig sammelten sie ihre Sachen zusammen, löschten die Feuerstelle und marschierten, Fang fröhlich vorausspringend, gemeinsam los.

Draco war still, hatte keine Lust zu reden und hielt sich nah an den Saurüden. Hinter sich hörte er Hagrid und Potter leise miteinander sprechen.

Potters Freunde hatten also den vertrottelten Wildhüter losgeschickt... Ob Crabbe oder Goyle überhaupt bemerkt hatten, dass er fehlte? Blaise schon eher. Hoffentlich kam keiner von ihnen auf die Idee deswegen zu einem der Lehrer zu rennen. Womöglich gar zu Snape... Nein, so schnell bestimmt nicht. Und wenn er Glück hatte, wäre er rechtzeitig vorher zurück im Gemeinschaftsraum und konnte so tun, als wäre nichts geschehen.

Sollten sich die beiden doch einfach etwas mehr beeilen! Zügig schritt er neben Fang her.
 

"Sag mal, Harry. Wieso warst'n du mitten im Verbotenen Wald? Un' was hatte Malfoy da zu suchen?"

Harry war unwohl. Wie sollte er sich erklären? Er konnte Hagrid vertrauen, aber er wollte auf keinen Fall von der Lichtung im Wald erzählen. Er würde nie wieder dorthin gehen können.... Aber konnte er das jetzt überhaupt noch, nachdem Malfoy davon erfahren hatte?

"Schon gut. Wenn du's nich' sagen willst, is' das in Ordnung."

Erleichterung machte sich in Harry breit und er lächelte Hagrid an. Der beugte sich zu ihm runter, seine kleinen, schwarzen Augen funkelten, als er besorgt flüsterte:

"Also wegen Malfoy... war irgendwas? Ich mein'... hat er was gemacht? Dir was getan?"

"Äh", begann Harry und bekam einen hochroten Kopf bei dem Gedanken an das, was zwischen ihnen vorgefallen war. ...Was getan, ja das hatte er... aber nichts schlimmes..., "nein, mach dir keine Sorgen, Hagrid. Es ist alles okay."

"Dann is' ja gut", schien Hagrid sofort beruhigt.
 

Kurz, bevor sie den Wald verließen, blieb Hagrid stehen.

"So, dann geht mal allein rüber zum Schloss. Sonst fällt's nur auf, wenn wir zu dritt unterwegs sin'. Muss ja nich' gleich jeder mitkrieg'n und euern Häusern Punkte abzieh'n, nich'?"

Malfoy stapfte sofort weiter, Harry verabschiedete sich noch von Hagrid und ging dann hinter Malfoy her.

Am Eingangstor hatte er den Blondschopf eingeholt. Er trat gerade durch das Tor, als Harry sich an ihm vorbeischob. Ihre Blicke trafen sich und sie blieben stehen. Unruhig wippte Harry von einem Bein aufs andere.

"Also... dann geh ich mal", murmelte er verlegen. Warum fiel es ihm so schwer, es auszusprechen?
 

Draco wandte sich um und ging einen Schritt Richtung Kerker, als...

"Danke."

Er blickte zurück zu Potter, der scheinbar verlegen rumdruckste.

"Naja... für... dass du mich aus dem Bach geholt hast und... für das was du gesagt hast."

Draco grinste schief. Potter bedankte sich bei ihm... und es war ein ehrlicher Dank. Noch dazu wurde er rot dabei... und Dracos Herz schlug höher bei dem Gedanken an sie beide neben dem Feuer letzte Nacht. Er lächelte, winkte mit der Hand ab und drehte sich endgültig, um sich in den Kerker der Slytherins zu begeben.
 

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~Fortsetzung folgt...~



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Kommentare zu diesem Kapitel (19)
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Von:  Kagomee16
2011-10-30T00:56:47+00:00 30.10.2011 02:56
ohhh^^
echt klasse idee^^
ich hoffe du schreibst schnell weiter^^

lg kagomee16
Von: abgemeldet
2009-09-30T17:01:31+00:00 30.09.2009 19:01
Die Geschichte gefällt mir wahnisinnig gut! Dein schreibstil ist genial! Es ist alles so authentisch und die Charaktere sehr originalgetreu^^ ich freue mich schon auf das nächste kapitel^^
Von: abgemeldet
2009-03-18T16:56:50+00:00 18.03.2009 17:56
Tolles Kapitel +~+
Ich liebe deine Schreibweise ^^
Es kommt alles so herrlich autentisch rüber und ich finds gut, dass du auch das schwierige Thema Todesser angesprochen hast... Meinetwegen hätten sie noch länger im Wald fest sitzen können xD (na ja, so ganz ohne Nahrung ist ja schlecht...)
Von: abgemeldet
2009-01-21T14:56:22+00:00 21.01.2009 15:56
wow !!!
ich finde deine FF so richtig toll !!
toller Schreibstil....echt spannend und Harry und Draco sind charakterlich wirklich sehr gut dargestellt (hört sich bissle komisch an,aber weiß nich wie ich das sonst ausdrücken könnte)

bitte schreib weiter !!
lg
plastic-brain


Von:  Eilith
2008-12-26T00:28:09+00:00 26.12.2008 01:28
hi,
ach wie schön, manchmal findet man in Muscheln doch noch Perlen ;) Deine Geschichte ist definitiv eine. Ich fand sie bis hierher sehr spannend zu lesen. Meiner Meinung nach sind die Charaktere wirklich gut dargestellt und ich bin wirklich neugierig, wie es weitergeht. ... es geht doch weiter, oder? Du kannst die beiden ja nicht jetzt so einfach hängen lassen! ^^

Darf ich mich auch zu ENS anmelden? Würd mich freuen.

Liebe Grüße,
Luinil

Von:  Najina1
2008-08-24T14:37:02+00:00 24.08.2008 16:37
hi
schön dass es weiter geht. und dann auch noch so ein langes kappi.
harry und darco sind sich also näher gekommen auch wenn sie das nicht unbedingt zeigen wollen. aber jetzt sind sie erst mal aus dem wald draußen. wobei sie ja schon ziemlich viel glück hatten dass hagrid sie gefunden hat. oder anders, dass er nicht früher da war. das wäre für die zwei wirklich peinlich gewesen. aber so konnten die zwei auch mal die fronten klären und draco denkt mal über seine sichtweise über muggle nach. auch wenn ne sichtbare veränderung noch auf sich warten lassen wird so wird er zumindest mal drüber nachdenken.
dass harry sich bedankt hat ist ein riesen schritt zwischen den beiden. so ist es möglich für die zwei auch weiterhin miteinander zu reden. mal sehen wie sie das nächste mal auf einander treffen.
freu mich schon aufs nächste kappi.
bis denne

najina
Von: abgemeldet
2008-08-15T22:39:27+00:00 16.08.2008 00:39
Es hat zwar lange gedauert - aber dafür ist es ja auch ein sehr langes und vor allem sehr schönes Kapitel geworden. ;D
(lustigerweise konnte ich mich noch an alles erinnern, sobald es im Text erwähnt wurde. Oder zumindest fast. xD)
Mehr gibt es eigentlich auch nicht zu sagen - außer:
Danke! xD
Danke, dass du weitergeschrieben hast. :D
Von:  Chi-Kura
2008-08-06T22:46:34+00:00 07.08.2008 00:46
ENDLICH!
schreib blos weiter >.< ich hab alles nochmal gelesen weil ich dir vorgeschichte schon wieder vergessen hatte x.x
meine einzige Kritik: das hat viiiel zu lange gedauert XD
Schreib schneller!
Von:  ZomBrain
2008-08-04T18:03:30+00:00 04.08.2008 20:03
wuw! Endlich n neues Kapi! Tolles Kapi,im übrigen..*sigh*
Lässt du uns aufs nächste Kapitel auch solange warten?
Bitte nich! Ich halts nich lange aus ohne ne fortsetzung,
wenn ich grad ne FF gelesn hab...Bitte weiterschreibn! ;_;
Also noch n fettes Respekt! :D

Go on like this~
Kami
Von:  Angi-san
2008-08-03T17:21:25+00:00 03.08.2008 19:21
wow, ich hab gar nicht geglaubt dass es hier nochmal weitergeht! *freu*
ein seeeehr süßes kapitel!! :) endlich verstehen sie sich langsam besser...
die letzten paar zeilen mit dem dank waren total herzig!
ich freu mich schon aufs nächste kapitel... :D
glg Interceptor


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