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Wind of Destiny

von

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Szene#6

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 6/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha* Trotzdem verdien ich hiermit leider kein Geld (wie wärs mit ner Bezahlung in Karotalern XD)

Kommentar: So, ich habe es also geschafft und bin beinah am Ende dieser Geschichte angelangt. Ich weiß, es hat lange gedauert...Gomen...Ich hoffe ja, dass ich für den letzten Teil nicht so lange brauchen werde.

Erstmal noch ein ganz großes Dankeschön für die lieben Kommies. Hab mich wie immer sehr darüber gefreut *alle mal knuddl* ^.^

Zur Qualität dieses Kapitels. Ja, im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Und ich bin wirklich glücklich, dass ich es endlich geschafft habe dieses Kapitel zu schreiben, da ich es schon geplant hatte, als ich gerade mal das erste fertig hatte >.< Von daher lag es mir besonders am Herzen.

Ich würde ja jetzt gerne noch mehr schreiben, was mir hierzu auf der Seele brennt, aber dann würde ich schon verraten, was hier passiert, und das will ich nicht. Also muss ich damit noch bis zum nächsten Kapitel warten *seufz*
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Szene#6
 

„Was machst du da? Ich will es sehen!“ Immer wieder erklang die quengelnde Stimme des kleinen Mädchens. „Warum zeigst du es mir nicht?“ Wie eine Katze schlich sie immer wieder um den Mann herum, der auf einem abgesägten Baumstumpf saß und etwas in seinen Händen barg. Versuchte mal hier, mal dort über seine Schulter zu gucken. Doch jedes Mal schaffte er es wieder das Objekt ihrer Begierde aus Ayakos Blickfeld fernzuhalten.
 

„Das ist aber nichts für ein kleines Mädchen“, lachte er, erreichte damit jedoch nur, dass seine Tochter ihn noch mehr bedrängte. „Komm, lass deinen armen Vater hier weiter machen und geh wieder spielen.“ Schnell hob er die Hände, die in ihrer Mitte sein Geheimnis einschlossen, in die Höhe und somit vollkommen aus der Reichweite von Ayako.
 

Sie zog eine beleidigte Schnute. Immer wieder sprang sie hoch, um so vielleicht doch die Hände ihres Vaters zu erlangen. „Du bist gemein O-Too-san!“ Ihre Stimme wurde langsam weinerlich. „Du...du hast doch...mal gesagt,....dass... dass wir uns immer alles erzählen werden.“ Ayako fing an zu schluchzen.
 

Der Mann lächelte sanft. Gespielt hilflos sagte er: „Nein, nicht weinen. Ich mach auch alles was du willst!“ Flehend streckte er ihr die Hände entgegen, achtete jedoch darauf sie immer noch geschlossen zu halten.

„Wirklich alles?“ Ayako klang zweifelnd und immer noch zutiefst betrübt. Er nickte heftig. „Dann zeig mir, was du da versteckst!“, verlangte sie schon fast gebieterisch. Jede Spur von Schluchzern oder Traurigkeit war verschwunden.
 

Ihr Vater konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. >Die Kleine ist wirklich ganz schön hinterhältig.< „Was immer Ihr verlangt!“ Mit unterwürfiger Stimme neigte er den Kopf. Endlich öffneten sich seine Hände und Ayako starrte neugierig auf seine Handflächen, vollkommen erpicht darauf das große Geheimnis zu sehen. Jedoch verzog sich ihr Gesicht zu einem schmollenden Schnütchen. „Das ist ja nur ein doofes Stück Holz. Und zerkratzt ist es auch noch.“
 

„Gomen nasai.“ Auch ihr Vater blickte etwas deprimiert auf das kleine Holzstück, das auf seiner Handfläche ruhte. „Scheint so, als wären meine Talente als Schnitzer sehr begrenzt.“ Er grinste verlegen. Tatsächlich konnte man mit sehr viel Fantasie in dem kleinen Holzstück die Form einer Blume erkennen. Allerdings waren die Blütenblätter sehr kantig und unregelmäßig geformt. Keine zwei hatten auch nur annähernd die gleiche Größe. „Tja, da kann man wohl nichts machen.“ Seufzend warf er seinen missglückten Schnitzversuch mit einer lässigen Geste über seine Schulter ins Gras.
 

Ayako schrie auf. „Aber wenn du das gemacht hast, dann will ich es haben.“ Sie wollte schon los laufen, um das Holzstück zu suchen, doch ihr Vater hielt sie zurück, indem er sie sanft am Arm packte. „Lass mal gut sein, Aya-chan.“ Mit Leichtigkeit hob er sie auf seinen Schoß und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Das ist ja wirklich lieb von dir. Aber so eine schlechte Arbeit brauchst du nun wirklich nicht behalten.“ Sie sah ihn mit großen Augen an. Die Stimme ihres Vaters nahm immer so einen bösen Ton an, wenn er mit einem seiner Werke nicht zufrieden war. Sie kannte das schon. Wie oft hatte sie schon miterlebt, dass er eines seiner Gemälde einfach zerstörte. Nicht selten murmelte er dabei Worte wie „Das gefällt den Herrschaften also nicht!“ oder „Die Farbgebung erscheint ihnen also unpassend!“ oder „Sie hätten mehr von mir erwartet, tse!“
 

Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass ihr Vater drauf und dran war in eine solche Stimmung zu verfallen. Immerhin war dies der erste Tag seit Monaten, in denen nur sie beide zusammen waren. Sonst hatte er doch immer so viel zu tun; verkroch sich stundenlang in seinem Atelier, wo man ihn dann auf und ab schreiten hörte. Immer öfter kam es vor, dass er völlig gereizt wieder auftauchte. Ayako, die die Bilder ihres Vaters immer mochte, schlich sich jedes Mal in sein Atelier, so bald er es verlassen hatte. Sie wollte jedesmal wieder unbedingt die Erste sein, die sein neustes Werk zu Gesicht bekam. Doch, die Leinwände waren in letzter Zeit so oft weiß, ohne, dass auch nur ein Pinselstrich auf ihnen gemacht wurde. Die Skizzen waren alle samt durchgestrichen, zerrissen oder zusammengeknüllt. Das alles machte sie sehr traurig.
 

Ihr Vater stupste mit dem Zeigefinger auf ihre Nase. „Hey, nicht träumen! Schau dir lieber mal an, wie schön sich das Sonnenlicht im Wasser spiegelt.“ Sie folgte mit ihrem Blick der ausgestreckten Hand ihres Vaters, die auf den knapp zehn Meter entfernt liegenden See deutete. Es ging ein leichter Wind, so dass sich die Oberfläche des Wassers leicht kräuselte. Auf den kleinen Wellen ritten tausende glitzernde Lichtgestalten, die einen ausgelassenen Tanz aufführten. Jede Sekunde war es ein neues Bild, das nie wieder noch einmal zu sehen sein würde.
 

...die Augenblicke, die wir erleben, sind so einzigartig; so wie sie jetzt sind, treten sie nie wieder in Erscheinung...
 

„O-Too-san“, flüsterte Ayako. „Du hast noch nie etwas versucht zu schnitzen. Warum jetzt?“ Es kam ihr seltsam vor, obwohl es an sich nichts Ungewöhnliches daran gab. Versuchte nicht jeder Mensch mal etwas Neues? Erforscht seine Fähigkeiten auf einem völlig neuen Gebiet? Und doch. Es entsprach einfach nicht der Persönlichkeit ihres Vaters. Er vertrat eigentlich immer die Meinung, jeder solle bei dem Bleiben, von dem er wusste, dass er es konnte. Das kleine Mädchen konnte spüren, dass im Kopf des Erwachsenen Dinge in Bewegung geraten waren, die niemals hätten wach gerufen werden dürfen.
 

Ihr Vater lächelte nun wieder. Es war das gleiche Lächeln wie immer. So sanft und mild, voll väterlicher Zärtlichkeit und Zuneigung. Er schüttelte sachte den Kopf. „Du irrst dich. Ich habe schon einmal etwas geschnitzt. Einmal in meinem Leben ist mir etwas gelungen, was mir gefiel.“
 

„Was? Ich will es sehen!“ Ayako sah ihn flehend an. „Onegai!“ Sie gab dem Mann je einen Kuss auf jede Wange. Auf diese Weise schaffte sie es immer ihren Vater zu irgendetwas zu überreden. Doch diesmal schien es nicht zu funktionieren, denn er schüttelte erneut den Kopf.
 

„Ich kann dir nichts zeigen, was ich nicht habe. Es ist nicht mehr in meinem Besitz.“ Wieder erntete er enttäuschte und schmollende Blicke von Ayako. „Gomen nasai, Aya-chan. Aber ich habe es sozusagen verschenkt.“ Diese Worte bereute er gleich wieder, denn jetzt begannen sich Ayakos Augen deutlich mit Tränen zu füllen. „Das ist gemein. Du hast deine Schnitzerei verschenkt ohne sie mir zu zeigen.“ Die ersten salzigen Tropfen entschlüpften ihrem Augenwinkel und suchten sich ihren Weg die Wangen Ayakos hinab.
 

„Hey, das ist aber kein Grund zu weinen.“ Eine warme Hand strich liebevoll über ihr Gesicht. „Du bist nun schon ein großes Mädchen. Da weint man nicht wegen solcher Kleinigkeiten.“
 

„Aber...aber...“, hickste sie. „Ich...möchte es doch so gerne sehen. Etwas Geschnitztes von dir.“ Wieder heftete sie einen bittenden Blick auf das Gesicht ihres Vaters. Dieser wirkte plötzlich ziemlich erschöpft und merkwürdig alt. In seinen Augen flammte ein Funke von Traurigkeit auf. Er seufzte resignierend.
 

„Glaub mir, ich würde dir gerne etwas Schönes aus Holz schnitzen. Aber ich kann nicht. Das damals, war auch nur Glück. Außerdem war ich, als ich vor Jahren dieses eine Stück Holz bearbeitete unendlich glücklich. So glücklich, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Meine Hände arbeiteten von alleine. Es war, als ob sie all diese positive Energie in das Holzstück fließen ließen.“ Sein Blick wanderte versonnen über das Wasser, worauf das weiße Licht immer noch seinen schimmernden Tanz vorführte. „Ohne solch eine positive Energie, können diese Hände nichts Schönes erschaffen, das es wert wäre erhalten zu bleiben“, fügte er mehr zu sich selbst mit bitterer Stimme hinzu.
 

Ayako weinte nicht mehr, aber sie konnte auch kein fröhliches Gesicht machen. Sie sah ihren Vater merkwürdig ausdruckslos, fast verschlossen, an. „Aber, O-Too-san, bist du denn nicht glücklich?“ Ihre Stimme war tonlos.
 

Sie erhielt keine Antwort. Am Himmel schob sich eine schwere Wolke vor die Sonne. Der Lichttanz war beendet. Der See lag nun da, noch immer bedeckt von leichten Wellen. Eine sich bewegende graue Masse, die sich gierig in den Boden fraß.
 

Am nächsten Tag verschwand Ryonosuke Kitagawa in den Tiefen des Sumidagawa.
 

***
 

Mein Zimmer kann ich nur verschwommen wahrnehmen. Ich versuche irgendwie die Müdigkeit weg zu blinzeln, aber es nützt nichts. Stöhnend drehe ich mich auf die andere Seite. Meine Augen fallen einfach wieder zu.
 

Am Abend zuvor war ich erst spät nach Hause gekommen. Nachdem ich Yuries Wohnung verlassen hatte, war ich noch einige Zeit ziellos durch die Stadt gelaufen. Irgendwie musste ich das Geschehene verarbeiten und erstmal aufnehmen; mir darüber klar werden, was in den Stunden davor passiert war. Es fiel mir so unendlich schwer zu glauben, was da in Yuries Zimmer zwischen uns beiden passiert war. Es war, als ob ein Traum für mich in Erfüllung gegangen wäre.
 

Auch jetzt noch erscheint mir alles so unwirklich. Und dabei sagt man doch immer, dass man über die Dinge nur eine Nacht schlafen braucht, um sie zu verstehen. Allerdings klappt das bei mir nicht. Jedenfalls dieses Mal. Ich drehe mich auf den Rücken und starre mit immer noch trüben Augen die Decke an, darauf wartend, dass sich mein Blick endlich klärt. So schön diese Nähe, diese Berührungen auch gewesen waren. Etwas an dieser ganzen Sache stimmte nicht, und was immer es auch ist, ich habe eine unbeschreibliche Angst davor dieser Sache auf den Grund zu gehen. Doch habe ich überhaupt eine Wahl? Um Klarheit zu erhalten würde mir gar nichts anderes übrig bleiben.
 

Irgendwie ist es schon eine ganz schöne Ironie. Ich ging gestern zu Yurie, um das Verhältnis zwischen uns zu klären, um mir Klarheit über unsere Beziehung zu verschaffen. Und jetzt? Jetzt bin ich nur noch verwirrter, als ich ohnehin schon war. Wenn sie genauso fühlen würde wie ich, dann wäre es so einfach. Dann könnten so schöne Zeiten vor uns liegen...und doch, es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein.
 

Es passiert immer wieder, an jedem Ort, an jedem Tag und zu jeder Zeit. Der Mensch strebt nach dem Unerreichbaren. Ist immer auf der Suche nach der Erfüllung seiner Hoffnungen. Findet er sie, dann zweifelt er weiter, denn es fehlt ihm der Glaube an wahre Wunder. Wie könnte es diesen auch geben, ist das begehrte Erfüllen der wahren Wünsche doch eine Rarität auf dieser Erde geworden.
 

Es hilft mir nichts, hier ewig zu grübeln. Alleine komme ich nicht auf die Wahrheit, denn die kennt nur Yurie allein. Und doch, weiß ich nicht, wie ich ihr jetzt gegenüber treten soll. Irgendwie ist mir schon der Gedanke ihr wieder gegenüber stehen zu müssen furchtbar unangenehm und löst zugleich einen Welle von Freude und Verlangen in mir aus.
 

Plötzlich belebt sich mein Körper. Schwungvoll springe ich auf. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es bereits Mittag ist. Kein Wunder, so spät wie ich gestern erst ins Bett und schließlich erst eingeschlafen bin. Mein erster Weg führt mich ins Bad, wo ich erstmal eine ausführliche Dusche nehme. Das Wasser rinnt angenehm warm meinen Körper hinab. Das monotone Rauschen lässt mich alles vergessen. Die Hitze der Flüssigkeit lässt feuchte Nebelschwaden im Badezimmer entstehen. Mit dem Raum zusammen, scheint auch mein Geist in ihnen zu versinken.
 

Wie lange ich dort gesessen habe, an die kühle Fliesenwand gelehnt, während von oben das warme Wasser auf meinen Körper niederprasselt, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal. Diese alltäglichen Dinge haben an Bedeutung verloren. Gestern haben Yurie und ich nicht nur mit einander geschlafen. Gestern wurde auch irgendetwas in mir ausgelöst. Etwas in mir hatte sich grundlegend verändert.
 

Ist es möglich, dass sich durch die Verbindung von zwei Menschen das Innere so sehr umkrempelt? Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Aber hier stehe ich als lebender Beweis. Deutlich sehe ich den Funken von Ungläubigkeit in den Augen meines Spiegelbildes. Ein nicht Begreifen. Es ist, als ob eine schwarze Macht, die sich in den letzten Tagen in meine Seele geschlichen hatte, aus mir heraus gespült wurde und einer neuen, belebenden Frühlingsbrise Platz machte.
 

...jedes Ereignis sorgt dafür, dass wir nicht eine Sekunde ein und derselbe Mensch sind, denn jede Sekunde des Lebens bringt eine Veränderung die sich auf den Menschen in aller Form auswirkt; oft unbemerkt, doch ohne Unterbrechung...
 

Ausgeglichen und unbeschwert, wie ich mich schon lange nicht mehr erlebt hatte, mache ich mich daran mein normales Morgenprogramm durchzuziehen. Während die Mikrowelle mein Essen aufwärmt und das Teewasser langsam zu kochen anfängt, ziehe ich mich an. Anschließend esse ich. Doch in mir tobt ein Drang, etwas zu tun. Der Gedanke heute den ganzen Tag hier zu Hause zu verbringen ist mir unerträglich. Kurz entschlossen greife ich nach dem Telefon und wähle eine Nummer, die ich schon lange nicht mehr benutzt hatte. Trotzdem kann ich sie immer noch auswendig.
 

„...Moshi moshi...“, meldet sich eine verschlafene Stimme am anderen Ende nach einer mir endlos erscheinenden Zeit des Klingelns. Es folgt ein ausgiebiges geräuschvolles Gähnen. Ein breites Grinsen zieht sich über mein Gesicht.

„Ohio Ray! Hab ich dich geweckt?“, füge ich mit gespielt mitleidiger Stimme hinzu. Ich kann es regelrecht vor mir sehen, wie er mit zerzaustem Haar im Bett liegt, in seine Decke gekuschelt und mit mürrischer Miene das Handy ans Ohr drückt.

Ein kurzes Schweigen. „Du findest das wohl witzig!“ Alle Müdigkeit ist aus seiner Stimme gewichen. Dafür hört sie sich jetzt gereizt an.

„Gomen nasai!“, antworte ich. „Aber ich muss dir dringend was erzählen. Und ich brauche deinen Rat. Bitte!“

„Das hört sich ja wichtig an. Schieß los!“
 

Während wir reden, ziehe ich mir meine Schuhe an und verlasse meine Wohnung, um hinunter zu den Briefkästen zu gehen. Ich hatte es mir schon vor Jahren zur Angewohnheit gemacht meine Post nur am Wochenende zu holen. Außer Werbung und Rechnungen bekam ich eh nichts anderes, außer vielleicht ab und zu einen Brief von Ray.
 

„Das lässt sich schwer am Telefon erklären. Können wir uns nicht irgendwo treffen?“

„Hm, von mir aus. In unserem Café? Sagen wir so gegen 16 Uhr?“

„Ray-chan, was machst du denn da? Komm doch wieder zu mir unter die Decke!“ Eine zweite Stimme kommt aus dem Hintergrund. Im Gegensatz zu Ray scheint Yuji nicht so lange zu brauchen um munter zu werden und gleich richtig wach zu sein. Ich konnte hören, wie Ray ihm ein „Lass das! Nicht jetzt!“ zuzischt. Ein Grinsen stiehlt sich auf meine Lippen. Ich mochte es schon immer, wie die beiden miteinander umgehen.

„Ist in Ordnung. Dann bis heute Nachmittag. Und noch viel Spaß ihr beiden“, flötete ich in den Hörer. „Seit nicht so laut, damit die Nachbarn sich nicht beschweren müssen.“

„Was?? Hey, Aya-ch---“

Ich gebe ihm keine Chance seinen Satz zu beenden und lege einfach auf. Heute Nachmittag würde ich noch genug Zeit haben mit Ray über alles zu reden, was mir auf der Seele brennt. Außerdem möchte ich die beiden wirklich ungern noch länger stören. Sie sehen sich dadurch, dass Ray im Ausland studiert schon selten genug. Also sollten sie die Chance haben die wenige Zeit die sie zu zweit haben auch ohne unnötige Zwischenfälle zu genießen.
 

Ich lief die letzten Stufen bis ins Erdgeschoss hinunter. Mit dem Schlüssel hatte ich die ganze Zeit in der linken Hand gespielt. Schon vollkommen mechanisch öffne ich das kleine Postfach, hole die kleine Ansammlung von Umschlägen heraus ohne sie anzusehen und mache mich wieder auf den Weg nach oben in meine Wohnung. Im Gehen beginne ich die Absender der Briefe zu überfliegen. Beim letzten macht mein Herz einen kleinen Hüpfer. Ich lese den Namen ein zweites und noch ein drittes Mal. Er bleibt unverändert. „Das ist unmöglich! Warum? Ich habe in all den Jahren nicht einen Brief von ihr bekommen!“ Doch ein Zweifel ist ausgeschlossen. In einer kleinen elegant geschwungenen Schrift steht dort der Name Kaori Kitagawa.
 

‚Was mache ich nur? Soll ich ihn aufmachen oder nicht?‘ Diese Frage stelle ich mir jetzt schon seit Stunden. Mein Blick ist auf den Brief meiner Mutter geheftet, der vor mir auf meinem Schreibtisch liegt. Direkt daneben liegt das kleine schwarze Kästchen, dass sie mir am Tag ihres Abschieds gegeben hatte. Es hatte all die Jahre hier gelegen, ohne dass ich es je geöffnet habe. Ich hatte oft mit dem Gedanken gespielt, aber dann waren mir immer wieder ihre Worte eingefallen. >Das wollte dir dein Vater zu deinem 18. Geburtstag schenken. Er hat es am Tag deiner Geburt gemacht.< Ich wollte dem Wunsch meines Vaters unbedingt entsprechen und hatte mir deshalb vorgenommen es unbedingt erst am meinem Geburtstag zu öffnen.
 

Seufzend lege ich meinen Kopf in den Nacken, um nun die Decke anzustarren. Meine gute Stimmung vom Morgen ist vollkommen verflogen. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass ich mein Leben ohne einen Vater und eine Mutter führen musste. Für mich existierten sie gar nicht mehr. Meine Mutter, obwohl sie im Gegensatz zu meinem Vater noch am Leben war, noch weniger als dieser. Ich will nicht behaupten, dass es leicht war. Ganz im Gegenteil. Aber ich bin immer zurecht gekommen. Will sie sich jetzt etwa plötzlich in mein Leben einmischen? Ein Leben, von dem sie überhaupt keine Ahnung hat?
 

...manche Menschen meinen, sie hätten verstanden, was in der Welt vor sich geht; das ihr Leben, das einzige ist, was richtig ist; sie glauben, dass sie alles wüssten und jeder sich nach ihrem Vorbild zu richten hat und stürzen andere damit ins Unglück...
 

Mir wird plötzlich klar, warum ich diesen Brief nicht öffnen will. Ich habe Angst. Einfach schlicht und ergreifend Angst. Diese Person, die diesen Brief geschrieben hat, mag biologisch meine Mutter sein, aber von meinen Gefühlen her ist sie für mich eine fremde Frau. Ich kenne sie nicht und ich will sie nicht kennen lernen. Für mich ist meine Mutter genauso tot wie mein Vater.
 

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es für mich langsam Zeit wird zu gehen, wenn ich nicht zu spät kommen will zu meiner Verabredung mit Ray. Nun hatte ich noch eine Sache von der ich ihm erzählen musste.
 

Ich mache mich also langsam fertig. Bevor ich mein Zimmer endgültig verlasse fällt mein Blick noch einmal auf meinen Schreibtisch und den Brief und das schwarze Kästchen. Ein innerer Drang lässt mich das Kästchen in meine Manteltasche stecken. Ich weiß nicht, woher dieser Drang kommt oder was für ein Sinn hinter dieser Handlung stecken könnte, aber ich muss es einfach tun.
 

Ich hatte es früher schon öfter mal mit zur Schule genommen an Tagen wo eine wichtige Prüfung oder etwas Ähnliches anstand. Wenn ich es bei mir hatte, hatte ich immer das Gefühl, als ob mein Vater bei mir wäre und auf mich Acht gab. Irgendwie möchte ich, dass er auch heute bei mir ist und mich unterstützt.
 

***
 

Für einen Samstagnachmittag ist es ungewöhnlich leer in dem Café. Aber vielleicht ist das gerade gut. Es gab schon Tage an denen es so voll hier drin war, dass man teilweise sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Von daher ist diese unerwartete Leere direkt ein Segen.
 

Langsam schlendere ich durch die Tischreihen und lasse meinen Blick über die anwesenden Gäste schweifen. Ray ist nicht darunter. Er würde sich mit ziemlicher Sicherheit verspäten, weil er sich nicht von Yuji losreißen konnte. Ein trauriges Lächeln huscht über mein Gesicht. Es erscheint mir plötzlich unfair, dass die beiden eine solch glückliche Beziehung haben und sich jeder der Gefühle des anderen sicher sein kann. Warum konnte es mir nicht genauso ergehen?
 

Seufzend setze ich mich an einen der dunklen Holztische im Zentrum des großen Raumes und lege meinen ausgezogenen Mantel neben mich. Durch die zahlreichen mit Rankpflanzen bewachsenen Trennwände sind die Gäste hier gut von anderen abgeschottet. An den wie massiver Stein aussehenden Wänden sind altmodische Kerzenleuchter angebracht, die die einzige Lichtquelle darstellen neben den Kerzen auf den Tischen. Dadurch herrscht hier drinnen selbst am hellsten Sommertag immer ein warmes Dämmerlicht.
 

Bei einer vorbeikommenden Bedienung bestelle ich einen Tee, den ich auch wenige Minuten später erhalte. Meine Hände schließen sich um die heiße Tasse. Die Hitze verursacht einen prickelnden Schmerz in meiner durchgefrorenen Haut bevor sich langsam eine angenehme oberflächliche Wärme in ihr breit macht. Mit trüben Augen starre ich auf den leeren Platz mir gegenüber. Meine Gedanken wandern hinein ins nirgendwo meiner Vergangenheit bis hin zum heutigen Morgen. So vergehen die Minuten eine nach der anderen, in denen ich völlig allein, von den anderen Menschen hier fast gänzlich abgeschottet, warte.
 

‚Jetzt ist er schon über eine halbe Stunde zu spät.‘ Etwas traurig schiebe ich den Ärmel meines Pullovers wieder über meine Armbanduhr. In diesem Augenblick geht die Eingangstür auf. Erwartungsvoll schaue ich auf und spähe um die Trennwand herum. Jedoch ist es nicht Ray, der das Café betritt. Herein kommt die letzte Person auf Erden die ich hier heute in diesem Augenblick sehen will. Es ist mein Staatsfeind Nummer Eins Kazuya Ichizushi und seine Begleitung...Meine Augen weiten sich vor Schreck und Ungläubigkeit. Das Mädchen, dem er gerade die Tür aufhält ist keine geringere als Yurie.
 

Schnell ziehe ich meinen Kopf zurück. Ich will nicht von ihnen gesehen werden. ‚Was macht sie hier? Warum ist sie hier? Und warum ist sie ausgerechnet mit ihm hier?‘ Wie elektrisiert sitze ich auf dem Stuhl, den Blick nach unten gerichtet. ‚Ich verstehe das nicht?!‘ Voller Verzweiflung flammen diese Worte in meinem Kopf auf.
 

Ich höre hinter der Trennwand direkt neben mir das Scharren von den Stuhlbeinen, als die beiden sich dorthin setzen. Es gibt keinen Zweifel, dass sie es sind, denn außer ihnen hatte ja niemand anderes das Café betreten. ‚Warum nur? Warum dort? Ich werde jedes Wort verstehen können, was sie sagen! Ich will nicht wissen, was die beiden miteinander zu bereden haben! Ablenkung...ich muss mich mit irgendwas ablenken!‘ Panisch schaue ich mich nach irgendetwas um, was diesem Zweck dienen könnte. Doch es gibt einfach nichts. Warum nur musste dieses Café gerade heute so leer sein? Oder warum waren die beiden gerade hierher gekommen?
 

Von Panik und Verwirrung erfasst wäre ich beinahe einfach aufgesprungen und aus dem Café gestürmt. Allerdings schaffe ich es noch im letzten Moment mich zurückzuhalten. Denn sollte ich jetzt tatsächlich meinen Platz hier verlassen wäre es unvermeidlich, dass Yurie mich sieht und das will ich auf keinen Fall. Also kann ich nichts anderes tun als hier auszuhalten und mir das Gespräch der Beiden mit anzuhören. Selbst wenn ich versuche mich auf etwas anderes zu konzentrieren wird mir schnell klar, dass das unmöglich ist. Die Stimmen dringen unbarmherzig durch die Trennwand herüber, als würden sie von der Luft direkt zu mir getragen und unüberhörbar.
 

Es kommt die Natur des Menschen unaufhaltsam in mir zum Vorschein. Obwohl ich mir fest einrede, wie egal mir das alles ist, was Yurie und dieser Idiot zu besprechen haben und das es mich auch nichts angeht, kann ich gar nicht anders als jedem Wort aufmerksam zu lauschen. Es ist die entbrannte eifersüchtige Neugier in meinem Herzen, die gar nicht anders kann, als mich dazu zu treiben.
 

„Gomen, dass ich dich so kurzfristig angerufen habe.“ Yuries Stimme ist leise und hat einen seltsam traurigen Klang, den ich noch nie bei ihr gehört habe. „Aber...mir ist niemand anderes eingefallen, mit dem ich hätte reden können.“ Ein leichtes Schluchzen folgte.

„Das ist doch kein Problem, Yurie-chan. Für dich habe ich immer Zeit. Aber was ist denn bloß passiert?“ Auch Kazuya spricht in einem Ton, von dem ich mir sicher bin ihn noch nie bei ihm wahrgenommen zu haben. Wenn ich diesen Kerl nicht so abgrundtief hassen würde, könnte er mir in diesem Moment glatt sympathisch werden. Doch dieser sanfte, besorgte Ton lässt die Flamme der Eifersucht in mir nur noch höher schlagen.
 

Yuries Schluchzen wird stärker, so dass sie kaum noch sprechen kann. Mein Herz verkrampft sich bei diesem Geräusch. Was war nur passiert, dass sie so fertig war? Lag es etwa an...? Ich weigere mich diesen Gedanken weiter zu denken. Jede einzelne Faser meiner Seele bäumte sich gegen diese Idee auf. Es darf einfach nicht sein! Ich darf einfach nicht er Grund für ihre jetzigen Tränen sein!
 

„Um Himmelswillen Yurie-chan! Was ist denn nur passiert?“ Stoffrascheln erklingt und ich bin mir sicher, dass Kazuya sie in den Arm genommen hat, um sie zu trösten. Meine Hände krallen sich in das Tischtuch vor mir, während meine Zähne meine Unterlippe bearbeiten. Der Schmerz, den ich mir damit zufüge, ist jedoch nichts gegen die Stiche in meinem Herzen, die drohen es tausendfach zu durchbohren. Warum ist sie mit ihm hier und vertraut gerade ihm ihre Probleme an?
 

Das Schluchzen wird allmählich weniger. „Es...es geht um...um meine Mutter...“ Das letzte Wort hallt in meinen Ohren wider. Ihre Mutter? Also ist doch nicht unsere Aktion von gestern Abend der Grund für ihre Tränen? Aber was könnte mit ihrer Mutter sein und warum hatte sie davon gestern nichts erzählt? Plötzlich fällt mir wieder die eigenartige Stimmung von Yurie ein. Gestern war sie eindeutig nicht sie selbst gewesen. War vielleicht das, was immer auch mit ihrer Mutter war, das was ich die ganze Zeit gefühlt hatte und wie eine unsichtbare Mauer zwischen uns gestanden hatte, obwohl wir uns so nah waren? Ich lausche angestrengt weiter, denn hier bietet sich mir endlich die Gelegenheit diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Meine ganzen Vorbehalte von vor wenigen Augenblicken sind wie weggewischt.
 

„Meine Mutter...meine Eltern...sie wollen sich scheiden lassen...!“ Wieder ein herzzerreißendes Schluchzen.

„Was? Aber deine Eltern verstehen sich doch immer super. Warum also,...“ Was ist denn das für ein unsensibler Idiot? Muss er sie denn auch noch nach dem Grund fragen? Am liebsten würde ich jetzt aufspringen und ihm rechts und links ordentlich eine verpassen.
 

„Mei...meine Mutter liebt meinen Vater schon lange nicht mehr. Mein Vater hat wohl vor drei Tagen herausgefunden, dass sie ein Verhältnis mit einem anderen Mann hat und hat sie gestern zur Rede gestellt. Er war fürchterlich wütend...und enttäuscht....Sie...sie haben sich fürchterlich gestritten...und...und mein Vater...ha-hat sie sogar geschlagen....“ Erneut werden die Schluchzer heftiger und Yuries Weinen lauter. Ich kann nichts anderes tun als ungläubig in die Flamme der Kerze vor mir zu starren. Frau Yamamura sollte ein Verhältnis mit einem anderen Mann haben? Aber das war doch gar nicht möglich. So wie sie ihren Mann immer verhätschelte und mit allem verwöhnte? Sie war doch so eine liebenswerte und freundlich Frau, die meiner Meinung nach das Wort >Betrug< nicht mal kannte. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Genauso wenig kann ich fassen, dass Herr Yamamura seine Frau geschlagen haben soll. Er war ebenfalls ein sehr freundlicher Mensch, der es nicht mal über sich brachte ein Insekt zu töten. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was für ein Schock es für Yurie gewesen sein musste das zu erfahren und ihre Eltern so zu erleben.
 

„Y-Yurie-chan...ich...d-das tut mir leid...“ Auch Kazuya fällt es offenbar schwer darauf angemessen zu reagieren. Nur zu verständlich. In dieser Situation ist alles was man sagt irgendwie fehl am Platz genauso wie jede Handlung. Was wollte man dazu auch schon groß sagen? >Kopf hoch, das wird schon wieder?< Schon der Gedanke allein klingt total lächerlich.
 

Ich glaube auch nicht, dass Yurie Mitleid will. Mitleid ist oft überflüssig, wo man normalerweise denkt, das es unabdingbar wäre. Ich spreche aus Erfahrung. Ich wollte damals, als mein Vater gestorben und meine Mutter einfach abgehauen ist auch kein Mitleid. Nein. Ich hatte schon genug Mitleid mit mir selbst. Das Mitleid anderer hat mich nur gestört und mein Gefühl der Schwäche und der Machtlosigkeit nur verstärkt. Das Einzige, was ich damals brauchte war jemand, der mir zuhörte ohne zu fragen oder zu urteilen. Nur zuhörte und mir zeigte, dass noch jemand bei mir ist. Dieser jemand war Ray gewesen, bis er dann ins Ausland gegangen ist.
 

Es verstreichen einige Minuten, ohne das ein Wort zwischen den Beiden fällt. Nur Yuries Schluchzen, das nun langsam wieder leiser wird, ist zu hören. Ich würde zu gerne sehen, was zwischen den beiden passiert. Hin und wieder vernehme ich das Rascheln von aneinander reibendem Stoff. Hält er sie im Arm oder hat er sie schon wieder losgelassen? Streichelt er sie? Hat sie sich vielleicht an seine Schulter gelehnt? Die unterschiedlichsten Bilder flammen vor meinem geistigen Auge auf. Eins unerträglicher als das andere.
 

„Da ist noch was.“ Yurie fängt wieder leise an zu sprechen. „Gestern Abend war Aya-chan bei mir. Ich hatte dir ja am Telefon erzählt, was neulich nach der Schule passiert ist. Das sie mich geküsst hat.“ Sie macht eine kurze Pause. Wahrscheinlich um die Reaktion Kazuyas abzuwarten. Anscheinend hat er lediglich mit einem Nicken geantwortet, denn Yurie spricht weiter, ohne dass er ein Wort gesagt hatte. „Sie kam kurz nachdem meine Eltern...“, wieder eine kurze Unterbrechung durch ein Schluchzen, „meine Eltern die Wohnung verlassen hatten. Sie...sie hat mir gesagt, dass sie in mich verliebt ist.“ Wie vom Blitz getroffen sitze ich da. Wieso? Wieso erzählt sie ihm das? Wie kann sie mir sowas antun? Wie kann sie es mir antun ausgerechnet Kazuya Ichizushi von meinen tiefsten Gefühlen zu erzählen; mein größtes Geheimnis anzuvertrauen?
 

...Verrat, Missbrauch des Vertrauens, Schändung der Gefühle und damit zerbrechen des einzigen Lichts in einer sonst nur gepeinigten Seele...
 

„U-und, wie hast du darauf reagiert?“ Nur am Rande registriere ich die Unsicherheit, die plötzlich in seiner Stimme mitschwingt. Der Schock darüber, dass Yurie mit ihm über mein Geständnis spricht sitzt einfach zu tief.

Yurie atmet einmal tief durch bevor sie ihm antwortet. „Ich...ich hab mit ihr geschlafen.“ Ein scharfes Einziehen der Luft von Kazuya gefolgt von einem ungläubigen „W-wie bitte?“ ist die einzige hörbare Reaktion. „Ich konnte einfach nicht anders“, fährt Yurie schnell fort. „Ich war so fertig wegen meinen Eltern. Bevor ich richtig mitbekommen habe, was überhaupt vor sich geht, war es auch schon passiert. E-es tut mir so leid. In diesem Moment, da war alles um mich schwarz. Mein ganzer Körper und mein Geist waren wie betäubt. Der Schock wegen dem Streit meiner Eltern...ich hatte sie noch nie so erlebt...u-und, dann kam Aya-chan. Und sie hat mich in den Arm genommen. Sie war so warm...und diese Wärme war das was ich brauchte...mir war in diesem Augenblick egal, woher oder von wem ich diese Wärme bekomme.....und dann, dann ist es einfach passiert.....es tut mir so leid...“
 

Schweigen und eine lähmende Umklammerung legen sich über alles. Weder jemand hinter der Trennwand noch ich können darauf reagieren. Das war ich also für sie gewesen. Nur ein Mittel zum Zweck. Es ist, als würde die ganze Welt um mich herum verschwinden. Alles, worauf ich gehofft hatte wird in ein riesiges schwarzes Nichts gesogen.
 

Aber waren diese Worte nicht genau das, wonach ich gesucht hatte? Wollte ich nicht endlich die Wahrheit um Yuries Gefühle für mich wissen? Gerade nach der letzten Nacht? Nur, warum tut es dann so weh? Warum fühle ich so deutlich, dass irgendwas Wichtiges in mir angehalten hat, stehen geblieben ist und kurz vor dem Zerbrechen steht? Was ist das?
 

...Gewissheit tut weh, wenn sie einem die Unmöglichkeit eines Wunsches zeigt...
 

Ohne das Kazuya irgendwas zu dieser Eröffnung gesagt hätte fährt Yurie unbarmherzig, wie es mir scheint, fort. „ Ich...ich kann damit nicht umgehen. Weder mit dem was ich getan habe, noch mit den Gefühlen von ihr. Ich kann es einfach nicht. Ich brauche Abstand von ihr...und wenn ich könnte, auch von mir...“ Das letzte, was ich höre bevor ich aufspringe, ist, wie Kazuya fragt, wie sie ihm das hatte antun können. Zu einer anderen Reaktion bin ich momentan einfach nicht fähig.
 

Ihm antun? Fragt keiner danach, was sie mir gerade angetan hatte? Im Laufen remple ich jemanden an. Doch ich bleibe nicht stehen, um mich zu entschuldigen. Von weitem höre ich noch, wie diese Person meinen Namen ruft. Es ist Rays Stimme. Es scheint eine Ewigkeit seit unserem Telefongespräch heute Morgen vergangen zu sein. Ohne auch nur das Geringste um mich herum wahrzunehmen flüchte ich auf die belebte Straße, tauche hinein in die Menschenmasse, bis sie mich gänzlich verschluckt.
 

***
 

Erneut bin ich stundenlang durch Straßen der Stadt geirrt ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Erneut bin ich eine Gefangene meiner Gedankenwelt. Erneut umklammert die Trauer mein Herz. Erneut bin ich allein.
 

Meine Augen brennen von den vielen Tränen, die ich in den letzten Stunden vergossen habe. Immer und immer wieder sind sie mir über das Gesicht gelaufen ohne eine Pause einzulegen. Das, was ich fühle, lässt sich nicht in Worte fassen. Mit dunklem Blick starre ich auf den kleinen Holzanhänger in meiner Hand. Meine Ohren sind erfüllt von dem Rauschen des Wassers des Flusses unter mir.
 

Wie lange ich jetzt schon hier stehe weiß ich nicht. Über mir erstrahlen die Sterne. Der Mond jedoch war schwarz. Eine Neumondnacht. Wie passend. Denn morgen wird es eine neue Welt geben. Eine Welt, in der ich nicht mehr leben werde.
 

Die Welt besteht seit ewiger Zeit. Entstanden ohne unser Zutun. Entwickelt ohne unser Zutun. Auf ihr leben heute Milliarden Menschen. Von ihnen kenne ich einen verschwindend geringen Teil. Von diesem können mich noch weniger leiden; geschweige denn, dass sie mir am Herzen lägen. Der einzige Mensch, der mir je wirklich viel bedeutet hat verkündete vor wenigen Stunden, dass er Abstand von mir nehmen wolle. Wenn dies geschieht, dann bin ich allein. Es gibt nur wenige, von denen ich glaube, dass sie mich vermissen werden. Am Anfang vielleicht...und dann, dann kommt die Zeit; sie fließt dahin, ohne dass sie jemand stoppen kann. Mit der Zeit kommt das Vergessen. Und dann bin ich endgültig aus dieser Welt verschwunden. Nichts bleibt von mir zurück.
 

Wie in Trance klettere ich langsam auf das Geländer der Brücke. Niemand ist da, der versucht mich aufzuhalten. Niemand, der mir sagt, dass ich in dieser Welt noch einen Platz habe. Fest halte ich den Holzanhänger umschlossen. Vorhin, als ich ziellos durch die Straßen wanderte, hatte ich in meine Manteltasche gefasst. Dort war immer noch das schwarze Kästchen mit dem Geschenk meines Vaters gewesen. Auch wenn es eigentlich noch nicht Zeit war, wollte ich nun doch sehen, was es war.
 

Darin war dieser Holzanhänger. Fein geschnitzt aus einem dunklen Holz. Ich bin mir sicher, dass dies die Schnitzerei ist, von der mein Vater mir vor Jahren erzählt hatte. Sie stellte ein Ginkoblatt dar, das von einem Windhauch in die Wellen des Wassers gejagt wird.
 

Wie war ich zu diesem Entschluss gekommen? Wie konnte ich so einfach ohne Bedenken hier stehen; nur einen Schritt vom Ende entfernt? Die Antwort ist so einfach. Verzweiflung. Ich verzweifle an dieser Welt; an diesem Leben, wo mir immer wieder das genommen wird, was mir wichtig ist; was mein Leben erhellt.
 

Sind andere Menschen einfach nur fähiger zum Leben als ich? Oder haben sie einfach nur Glück und bleiben von solchen Grausamkeiten des Lebens verschont? Oder warum sind es verglichen mit den Lebenden so wenige, die ihr Leben aus eigenem Willen beenden? Wahrscheinlich sind sie stark und ich einfach nur schwach. Zu schwach, um die Hürden des Lebens zu überwinden. Ich weiß es nicht und werde es auch nie erfahren, denn mir wurde der Mut zu leben endgültig gestohlen; hinfort getragen von einem Sturm.
 

Der Stahl, den ich mit der anderen Hand umklammere um mich festzuhalten fühlt sich kalt an. Jedoch ist diese Kälte nichts im Vergleich zu der Kälte in meinem Herzen. Für mich ist alles vorbei. Ein kalter Wind umweht meinen Körper und drängt mich geradezu dazu den letzten Schritt zu wagen. Einen letzten Schritt in meinem Leben, dass doch niemals ein wirkliches Leben war außer in der letzten Nacht.
 

Als ich meinen Fuß in das Nichts vor mir setze erfasst mich eine besonders heftige Windböe. Von ihr umschlossen werde ich zu den eisigen rauschenden Fluten unter mir hinab getragen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2005-10-22T23:13:34+00:00 23.10.2005 01:13
ich fasse mich kurz und hoffe mit folgender aussage erklären zu können wie mir diese geschichte gefällt:

ich kann es kaum erwarten bis es weiter geht!

:)
Von: abgemeldet
2005-10-21T20:10:23+00:00 21.10.2005 22:10
*schnief*
...das ist alles viel zu traurig! was hast du dir nur dabei gedacht?.? (wenn die nächsten ff's von dir auch so werden, dann regnets ~wieder~ morddrohungen!) ...jajaja, dein talent für dramatisch-traurig-pessimistische storys haste ja jetzt bewiesen...aber nu isses zeit für was ernsteres, findste nicht auch?! ->deine eingewöhnungsphase ist hiermit beendet! *hahahahahahaaaa*
-.-..-und nu zum besten teil: kritik!.!
1. wenn du meine kommis nicht ernst nimmst, schreib ich dir nie wieder eins!*grummel*
-> "ohio"???????? (siehe letztes kommi!.!) ->am telefon sagen die sowas übrigenz nicht, da sagt derjenige der abnimmt, also angerufen wird "moshi moshi" (->sieht nicht so aus, ist aber sehr höflich!) ->zum nach-hören siehe PoT
2. jaaa, deine rechtschreibfehler haben sich reduziert! dafür hast du aber fehler gemacht, die du davor nicht gemacht hast; zumindest sind sie mir da nicht so aufgefallen!
->bsp.: "irgend etwas"???????
3. schreib schnell weiter -> will wissen wie's endet-.-''
---hdl yours f-samaaaaaaaaaa---
Von: abgemeldet
2005-10-18T20:54:28+00:00 18.10.2005 22:54
Wow. ôO Wie konnte ich diese FF so lange übersehen? XD
Ich habe das Update bemerkt und deswegen mal angefangen zu lesen und konnte mich nicht mehr davon loseisen, bis ich jetzt am Ende des sechsten Kapitels angelangt war. T__T Furchtbarer Cliffhanger. >>; Hoffentlich dauert's nicht allzu lang bis zum nächste Update. ._.~
Auf jeden Fall gefällt mir die Geschichte ausgesprochen gut. Die Gedankenanstöße sind genial und spiegeln vieles von dem wieder, was ich mir auch schon des Öfteren gedacht habe. Dazu kommt der Plot, der nicht nur spannend ist, sondern auch sympathische und interessante Charaktere in Petto hat.
Ich freue mich auf den letzten Teil. ^.^
Von: abgemeldet
2005-10-18T19:14:48+00:00 18.10.2005 21:14
soo und noch ein vieeeel dämlicherer kommentar von mir!*lol*

also eingentlich sollte man dich...*innerlich gegen ihre wut ankämpf und hände wieder von deinem hals nehm da ja wissen will wies weiter geht*...DAS IS ABER SO VERDAMMT FIEß!!!!
gerade weil mich das thema derzeit selber sehr beschäftigt...hmm... naja aber ist echt wie immer toll geschrieben und die geschichte mit ihrem dad und das alles echt wunderschön!!! und irgendwie kann ich Ayako verstehen.....
naja ist echt super geworden! und freu mich aufs ende egal wies ausgeht^___^

*daumen hoch*

Ya Kago!^^*drüücks*
Von: abgemeldet
2005-10-18T12:53:48+00:00 18.10.2005 14:53
Ähm...ja, was soll man dazu jetzt sagen?
Vielleicht: Wie kannst du es wieder wagen, an SO einer Stelle aufzuhören?^^ Das ist, glaube ich, das schlimmste Kapitelende bis her...grausam.
Du magst das, oder? Das macht dir doch richtig Spaß? XD
Naja.

So, jetzt zu dem "konstruktiven" Teil des Kommentars, soweit man ihn konstruktiv schimpfen kann, also:
Die Länge war wirklich gut, genau richtig. Zu deinem Schreibstil will ich hier nichts mehr sagen, wäre nun echt nur noch eine Wiederholung des alten (^.~)
Zum Inhalt KANN ich nichts sagen, bin geschockt. Arme Ayako, dass sie sowas erfahren muss, sich aber dann gleich in den Tod stürzen? Schon...heftig. Das ganze wird aber doch noch ein gutes Ende haben? Ein "Sad-end" würde zwar passen, das würde der Atmosphäre dann irgendwie doch entsprechen, aber nun ja^^
Hm...weiß gar nicht, was ich noch sagen könnte, fand es wieder wie immer sehr gut, wird immer spannender, aber mit der Spannung kommt immer mehr Trauer dazu. Mal sehen wohin das dann letztendlich alles führt.
Bin also gespannt auf das letzte Kapitel und bitte versuch doch schnell weiterzuschreiben, weiß ja, dass du nicht sehr viel Zeit hast, aber bei dem Kapitelschluss? Da muss es zügig weitergehen*g*

Naja...der dämlichste Kommentar, den ich bisher abgegeben habe-.- Gomen!^^
Hoffe mal, du hast auch so mitgekrigt, dass ich wieder ganz begeistert davon bin(^.~)

Kira


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