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Feuer und Eis

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Kapitel 4

TITEL: Feuer und Eis

TEIL: 4 / ?

KOMMENTAR: Dieses Kapitel ist all den faulen Lesern gewidmet, die die FF lesen, aber nicht kommentieren o^.^o
 


 


 


 

Kapitel 4
 


 

Tarence saß schweigend da, während in seinem Kopf ein Chaos an Gedanken, Gefühlen und was nicht sonst noch allem herrschte.

<<Wieso ist er auf einmal so...bereitwillig? Ich hätte jetzt eigentlich etwas wie ,Das geht dich nichts an' erwartet>> Das Wort 'nett' vermied Tarence in Zusammenhang mit Yako, da er genau wusste, dass der Mann auch ganz anders konnte.

<<Sein Bruder? Warum erinnere ich ihn an seinen Bruder? Oder besser, was ist mit ihm? Klingt ja nicht gerade glücklich>> Unsicher, ob er es wagen sollte Yako nach dem Grund zu fragen, fasste er schließlich all seinen Mut zusammen und sprach die Worte in seinem Kopf aus. Neugierde war schon etwas Lästiges.

"Wieso erinnere ich dich an deinen Bruder? Was ist mit ihm?"
 

"Nichts...", murmelte Yako schließlich leise, und drehte sich auf die Seite, Tarence den Rücken zukehrend...irgendetwas war da vorhin gewesen...etwas, das ihn in seiner Brust, besser gesagt in seinem Herzen, geschmerzt hatte. Ein Schmerz aus der Vergangenheit. Er hatte bemerkt, dass er nicht länger in alten Zeiten wühlen durfte, sonst würde er nur wieder der Mensch werden, der er früher gewesen war und das setzte er mit Schwäche gleich.

Er musste doch stark sein und das konnte er nur, wenn er keine Gefühle zuließ. Die ganzen Jahre über hatte es so gut geklappt...nur eben, als er dem Jungen mehr erzählt hatte, als für ihn nötig war, geriet dieser Vorsatz ins Schwanken. Also versetzte man sich wieder in diese Oberflächlichkeiten eines Gespräches und wechselte das Thema.

"Sag mir lieber, wie du heißt..."
 

Tarence seufzte einmal auf und biss sich auf die Lippe. Also würde er wohl doch nicht das Geheimnis um den Bruder erfahren, aber was sollte man machen? Dieser Kerl schien nicht gerade zu den aufgeschlossensten Typen zu gehören und der Schwarzhaarige fand sich fürs Erste damit ab. Es war schon seltsam, dass Yako so plötzlich abblockte und sich abwandte, denn eben schien es noch, als wolle er ihm alles erzählen. Aber nun war wieder eine unüberwindliche Mauer da, gegen die er prallte.

<<Dann halt nicht. Wen interessiert schon der Bruder dieses Eisklotzes?>> Tief einatmend ließ Tarence sich wieder zurück in das Gras fallen und starrte in den Himmel. Das Blau hatte so eine beruhigende Wirkung auf ihn, dass er einfach den Ärger mit Yako beiseite schob und die Augen schloss. Es blieb eine Weile still, bis der Junge eine leise Melodie summte, die ihn an früher erinnerte.

"Mein Name ist Tarence", sagte er schließlich ruhig und öffnete wieder die Augen, um zu Yako zu sehen.
 

Noch immer auf die andere Seite blickend, und somit sein Gesicht vor Tarence verbergend, horchte Yako auf, als er leise Laute, zusammengefügt zu einer angenehmen Melodie, vernehmen konnte und schloss die Augen...ließ sich einfach von der Stimme, die auf einmal so ungewohnt warm klang, davontragen. Weit weg von Whang Chos Anwesen, hinauf bis in den Himmel und noch höher.

<<Tarence also...>>

Sich den Namen wieder ins Gedächtnis rufend, wiederholte er ihn in Gedanken, damit er ihn sich merken würde, ehe er sich aufrichtete und ausdruckslos in den Himmel starrte, wohin er sich eigentlich wünschte. Aber der Tag würde schon noch kommen. Bis dahin musste er auch sein geheimes Ziel erreicht haben.

"Lass dich nicht wieder erwischen....Tarence", murmelte er leise, ehe er aufstand und Richtung Anwesen zurückging.
 

Tarence schaute Yako ein wenig traurig hinterher, da er die Anwesenheit des Anderen eigentlich recht angenehm empfunden hatte, da er sich so endlich mal wieder mit jemandem unterhalten konnte, der ihm nicht gleich an die Wäsche oder den Kragen wollte. Ratlos, was er jetzt tun sollte, blieb er noch einen Augenblick sitzen und beobachtete den kleinen Bach vor sich.

"Ich werd's versuchen...", murmelte er und stand auf, um sich die Beine zu vertreten und irgendwo etwas Essbares aufzutreiben, da sein Magen schon wieder bellte.

In der Stadt hatte er Glück. Der Bäcker hatte gerade frische Brötchen gebacken und sie zum abkühlen ans Fenster gestellt, wo Tarence sich auch sofort bediente. Wenn es ihm die Leute so einfach machten, konnte er auch nichts dafür. Da war es nun wirklich nicht seine Schuld, wenn etwas wegkam. Genüsslich kauend spazierte er durch die menschenüberfluteten Straßen und schaute dem regen Treiben zu.
 

An den Wachen vorbeimarschierend, ignorierte Yako geflissentlich ihre skeptischen Blicke, die auf seinem Rücken ruhten, und ging durch den Hof.

Ein paar Gedanken machten sich in seinem Kopf breit. Warum war er für einen Moment wieder in seine Vergangenheit gefallen?

Hauptsächlich aber wunderte er sich, dass der Junge doch anders sein konnte, wenn er wollte. Eben war das Kratzbürstige an ihm gewichen, stattdessen hatte Tarence regelrecht etwas sanftmütiges angenommen, was Yako fast schon gruseln ließ. Dessen Gefühle ließen ihn wohl diese Sprünge in der Laune machen...da war es bei ihm selbst schon anders. Da er so etwas, wie Gefühlsausbrüche, nicht besaß, hatte er auch nicht so einen Stimmungswechsel. Er war immer der gleiche unnahbare Mann, um den man lieber einen Bogen machte...so dachte er jedenfalls.
 

Tarence beschloss sich einen Schlafplatz zu suchen, als es langsam dämmrig wurde, was allerdings leichter gesagt, als getan war. Man musste so viele Aspekte berücksichtigen, vor allem, wenn man solch einen tiefen Schlaf wie der Schwarzhaarige hatte.

Es musste geschützt und trocken sein, am Besten abseits von vielen Menschen oder wilden Tieren, womit der Wald schon einmal wegfiel, obwohl es in dieser Gegen wohl keine großen Raubtiere gab. Da alle Scheunen, Baracken und leerstehende Häuser mit anderen Straßenkindern belegt waren, die ihren Schlafplatz nicht teilen würden, musste Tarence schließlich doch die Option Wald wählen.

<<Hier wird schon kein wildes Tier auftauchen, das mich fressen will. Außerdem ist an mir gar nichts dran>>, beruhigte er sich in Gedanken und streifte durch das Gebüsch, bis er einen kleinen Felsvorsprung fand, der von Ästen und Sträuchern versteckt wurde und legte sich dort schlafen.
 

Wahrscheinlich hätte sich Yako bei Whang Cho noch einmal melden sollen, aber da ging er doch lieber in sein Zimmer. Er hatte seine Gedanken abgeschaltet, damit sein Kopf leer blieb. Er würde diesen Tarence ja sowieso nicht mehr wieder sehen, also warum sich den Kopf über diesen Jungen zerbrechen?

Sein Bett knarrte etwas, als er sich hineinlegte und stumm auf die Zimmerdecke starrte, die sich ihm gräulich darbot und irgendwann war er in einen traumlosen Schlaf gefallen. In einen Schlaf, in dem er jedes noch so kleine Geräusch der Außenwelt wahr nahm.

In aller Frühe ertönte das Horn, Whang Cho wollte anscheinend einen Ausritt machen.

Er zog sich um, hatte gerade noch Zeit für eine Katzenwäsche, als das Horn ein weiteres Mal ertönte und er in den Hof ging, wo Whang Cho sich eben auf ein Pferd bemühte. Zwei Wachen hatten ebenso das Glück sie zu begleiten und putzten vorfreudig ihre Schusswaffen.

"Wir gehen auf die Jagd, Yako...beeil dich und schnapp dir ein Pferd!", quengelte der Adlige und saß noch etwas unsicher im Sattel, während sich Yako auf ein anderes Pferd raufhangelte und den Dreien hinterher ritt. Ihr Weg führte sie wie immer in den nahegelegenen Wald.
 

Die Sonne kroch durch die dichten Zweige und kitzelte Tarence an der Nase. Noch etwas verschlafen streckte sich der Junge und gähnte herzhaft, zuckte aber im nächsten Moment etwas zusammen.

"Ach, ihr blöden Rippen, gebt Ruhe." Doch im Vergleich zu den vorherigen Tagen fühlte er sich schon wesentlich besser und ausgeruhter. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen krabbelte er aus seinem Versteck, schaute sich um und spazierte einfach drauf los. In der Nähe musste ein Fluss oder See sein, denn er hörte Rauschen und Plätschern, was ihn gleich ganz aufgeregt machte.

"Ja, endlich mal wieder schwimmen. Dann stinke ich wenigstens nicht mehr so schrecklich", grinste der Junge und schnüffelte an seinem recht zerschlissenen Hemd, das eigentlich nur noch ein Fetzen Stoff war.

Kaum war er an dem Fluss angekommen, zerrte er sich schon die Kleider vom Leib und sprang mit einem lauten Platschen ins Wasser. Das kühle Nass fühlte sich wunderbar auf seiner warmen Haut an und Tarence tauchte vergnügt unter, um im nächsten Moment wieder durch die Oberfläche zu brechen und wild herumzuspritzen.
 

"Ich fühle es...heute erledigen wir einen großen Hirsch. Ich wäre aber auch schon mit einem Wildschwein zufrieden...", grinste Whang Cho, dem die Vorfreude aufs Jagen zu deutlich ins Gesicht stand. Für ihn war dieses Jagen aber keine Suche nach Nahrung, sondern eher grausames Töten an Lebewesen, ein Hobby, das ihm einfach Spaß machte.

Sie sprangen von ihren Pferden ab, als der Wald dichter um sie wurde und banden sie an der gewohnten Futterkrippe an.

Yako ging dicht hinter Whang Cho, schließlich musste er ja dafür sorgen, dass kein "blutrünstiger Bär ihn zerfleischte" oder ähnliches.

Ein Platschen ließ alle Vier mit den Köpfen hochfahren und sie blickten in die Richtung, wo sich in der Nähe ein See befand.

"Das klingt gut. Klingt nach einem großen Tier...wohl zum Trinken hier..", flüsterte Whang Cho und drückte sein Gewehr an sich, ehe sie durch die Gebüsche huschten.
 

Vergnügt vor sich hinplanschend, nahm Tarence seine Umgebung überhaupt nicht mehr wahr, sondern konzentrierte sich nur auf die leichten Wellen, die gegen seinen Brustkorb schwappten. Wasser war sein Element, schon seit er denken konnte, liebte er es in dem kühlen Nass herumzuschwimmen, abzutauchen oder sich einfach tragen zu lassen. Mit spielerischem Übermut versuchte er einige Fische zu fangen, doch blieb dabei erfolglos, da er viel zu ungestüm vorging und sie somit vertrieb noch bevor er nahe genug herankommen konnte. Jedes Mal, wenn eines der Tiere ihm durch die Lappen ging und er unfreiwillig auf Tauchstation gehen musste, lachte er laut auf und warf sich gleich noch einmal in die Fluten.

Seit langem fühlte Tarence sich mal wieder frei und unbefangen, vergessen waren Hunger und Schmerzen, allein der Augenblick zählte. Und so bemerkte er auch nicht die herannahende Gefahr.
 

Whang Cho und seine Wachen näherten sich dem See, suchten die Oberfläche des Wassers und die Umgebung nach dem Tier ab, welches dieses Platschen ausgelöst haben musste, als Yako auf die Seite sah und die Klamotten bemerkte.

<<Das ist kein Tier...>>

Seine Augen leicht zusammenkneifend, um schärfer sehen zu können, hastete sein Blick zu seinen drei Begleiter, als er sich bewusst wurde, wem die Klamotten überhaupt gehörten. Sie waren unverkennbar seine...schließlich hatte er sie den Tag zuvor noch gesehen...

<<Das muss Tarence sein>>

"Whang Cho!", rief er laut auf, um zu verhindern, dass dieser die Wasseroberfläche mit den Augen weiter abtastete und dann noch vielleicht schießen würde. Es schien aber erfolglos zu sein, da der Angesprochene und die zwei Wächter nach wie vor auf den See stierten.

Plötzlich spritzte das Wasser auf, ein Schopf kam zum Vorschein und ein Laut des Luftholens erklang, als Yako mit schnellen Schritten zu Whang Cho hastete, ihn daran hindern wollend zu schießen, ehe im nächsten Moment ein ohrenbetäubender Knall ertönte und Yako kurz die Augen zusammenkniff, als die Kugel seine Schulter streifte.

"Yako, bist du lebensmüde?!", ärgerte sich Whang Cho. Wohl aber nicht aus Sorge um seinen Leibwächter, sondern viel mehr aus Wut, da ihm besagter Leibwächter gerade sein Opfer vertrieben hatte, ohne dass er es vorher erledigen hatte können.
 

Tarence zuckte bei dem lauten Knall heftig zusammen und sah sich verwirrt um. Ohne wirklich zu wissen, warum, floh er instinktiv aus dem Wasser zu einigen nahegelegenen Büschen, hinter denen er sich erst einmal versteckte, und duckte sich mit wildklopfendem Herzen. Seine Augen suchten hektisch den Ursprung des Schusses, als welchen er das Geräusch erkannte hatte, und blieben schließlich an einer Gruppe von Männern am Waldrand hängen. Sein Herz setzte einen Moment aus, als er Yako darunter erkannte...und seinen Arbeitgeber.

<<Was machen die denn hier? Hat mich der Kerl etwas verraten? Dieser Bastard! Will dieser Adlige jetzt doch noch meine Kopf und sie suchen mich? Ich muss hier weg, ganz schnell. Die machen ja vor nichts halt, schießen sogar auf mich!>>

Vorsichtig lugte Tarence aus seinem Versteck hervor und überlegte, ob er ungesehen an seine Kleidung kommen könnte, denn so völlig nackt wollte er nicht durch die Gegend laufen. Das war etwas auffällig.

Sein Blick streifte auf dem Weg nach einer Fluchtmöglichkeit den silberhaarigen Mann und blieb an dessen Schulter hängen.

<<Ist er etwas verletzt? Da rinnt doch Blut zwischen seinen Fingern hindurch, oder? Er ist verletzt. Haben die etwa auf ihn geschossen?>>

"Yako.", flüsterte er vor sich hin und musste sich zwingen, nicht plötzlich aufzuspringen und zu dem Mann zu rennen.

<<Dann hat er mich gar nicht verraten. Aber warum ist er angeschossen worden? Sie sehen nicht aus, als wollten sie ihm etwas tun>> Nachdenklich knickte Tarence ein paar Zweige ab, um besser sehen zu können, als die Erkenntnis einsetzte und er ein paar Schritte zurück gegen einen Baum taumelte.

"Kann das sein? Hat er die Kugel, die für mich bestimmt war, abgefangen? Aber das..."

Je länger er in seinem Versteck verharren musste, desto nervöser wurde der Junge. Er hoffte inständig, dass die Männer bald gehen würden und er zu Yako konnte, um nach ihm zu sehen und eine Antwort auf seine Frage zu bekommen.
 

"Jetzt hast du mir meine schöne Beute vertrieben, Yako", grölte Whang Cho unbeherzt, suchte dann mit den Augen noch die Umgebung nach dem vermeintlichen Tier ab.

Dieser reiche Mann war echt ein hirnrissiger Typ...da feuerte er einfach so drauflos, unbeachtet davon, wer überhaupt im Wege stand.

Seinen Bediensteten ein Zeichen gebend, dass sie ein wenig nördlicher in den Wald gehen sollten, musterte er seinen Leibwächter gleichgültig, als ihn kalte Augen trafen und Whang Cho ein wenig zurückschreckte.

"Uhm...naja...vielleicht...solltest du doch besser zurückgehen und dich verarzten lassen...Yako.." Erlauben, selbst wenn man sein Arbeitgeber war, durfte man sich bei Yako nicht viel. Wer wusste schon, wann er sich gegen ihn stellte, das konnte man ja nicht ausschließen. Und so stapfte er mit seinen zwei Begleiter dichter in den Wald hinein, Yako zurücklassend, der nur verächtlich aufschnaubte. Schließlich aber suchte er ebenfalls mit den Augen die Umgebung ab, um nach Tarence zu sehen, denn der war anscheinend nicht mehr im Wasser.
 

Erleichtert stellte er fest, dass die drei Männer ungeachtet seines Aufenthaltsortes wieder im Wald verschwanden und Yako zurückließen, was Tarence gleich wieder störte. Der große Mann drehte sich gerade um und schien etwas zu suchen.

Mit geröteten Wangen huschte der Schwarzhaarige hinter den Büschen hervor, sich dabei seiner fehlenden Kleidung sehr wohl bewusst, und preschte auf den Anderen zu, dabei versuchte er sich so gut es ging zu verdecken und schnappte auch erst mal nach seiner Hose, um sie überzustreifen.

"Yako! Bist du bescheuert? Lässt dich hier einfach anschießen?", keifte Tarence, als er bei dem Mann ankam, der ihn reichlich verblüfft anstarrte.

"Ist es denn schlimm?", wollte etwas leiser wissen und musterte den roten Ärmel, biss sich dabei schuldbewusst auf die Lippen.
 

Tarence noch immer recht verblüfft anstarrend - er hatte ja nicht gleich so einen Anblick erwartet - zuckten seine Mundwinkel leicht und setzten doch tatsächlich an, lächeln zu wollen. Es war zwar nicht ausgereift und nur minimal, als ob er in all der Zeit vergessen hätte, wie man wirklich lächelte, aber immerhin der erste Versuch seit vielen Jahren. Im nächsten Augenblick hatte Yako seine Lippen auch schon wieder misstrauisch zusammengepresst.

"Whang Cho hat dich für Wild gehalten..", murmelte er schließlich und nahm seine Hand von der Schulter, um ihm damit zu zeigen, dass alles in Ordnung sei. Nichts Ernstes, nichts, was nicht nach ein paar Tagen wieder verheilen konnte.
 

"Dieser Idiot hat doch keine Ahnung vom Jagen. Vielleicht sollte der sich mal eine Brille zulegen.", grummelte Tarence und besah sich den Arm genauer. "Von wegen alles in Ordnung. Du blutest, das muss verbunden werden, sonst kommt Dreck rein und es entzündet sich", meinte er bestimmt und hob sein Hemd mit den vielen Löchern und Rissen auf. Ohne lange zu zögern, riss er es in Streifen und zog an Yakos Arm, was den Mann aufzischen ließ.

"Ja ja, alles in Ordnung, was? Blöder Esel, spiel nicht den tapferen Helden." Er band mit geschickten Fingern die Fetzen um den muskulösen Arm, bis die Wunde ausreichend versorgt war und nickte zufrieden.

"Das sollte halten." Nun da seine Arbeit getan war, wusste Tarence nicht so recht, was er tun sollte und zupfte an den Stoffresten herum. Auch wenn es ihm nicht gefiel, der Andere hatte ihm wahrscheinlich das Leben gerettet und der Junge war sich dem durchaus bewusst.
 

"Es wäre ja alles in Ordnung, wenn du mich hier nicht so brutal ,verarzten' würdest, das hätte ich schon alleine gekonnt", erwiderte Yako dunkel und seufzte tief auf, bis er zu dem Jungen sah und die feine Gänsehaut auf der blassen Haut entdeckte.

"Danke..", murmelte er dann leise, sah zur Seite und schien zu überlegen, während er mit seiner Hand über das Stück Stoff an seiner Schulter strich.

"Dir wird kalt werden ohne Hemd.." Bei dem Satz aufschauend, blickte er in die grünen Augen. Mit ihren verschiedenen Pigmentpunkte leuchtete das Grün unverkennbar auf und Yako schien wirklich für einen Moment daran gefesselt zu sein, als er sich von diesem Blick wieder losriss und düster auf den See stierte.
 

"Sei nicht so ne Memme... ", frotzelte Tarence zurück, wobei er den Arm Yakos intensiv betrachtete. Das konnte er doch nicht auf sich sitzen lassen. Er wollte niemandem etwas schuldig bleiben.

"Du hast mir schon zum zweiten Mal das Leben gerettet...ich versteh es immer noch nicht." Ein leichter Wind kam auf, der den Jungen frösteln ließ und er schlang schützend die Arme um seinen Oberkörper.

"Mach dir um das Hemd mal keine Sorgen. Ich bin es gewohnt von Zeit zu Zeit eine Nacht zu frieren. Morgen klau ich mir einfach irgendwo ein neues." Der frische Wind bewirkte, dass sich die feinen Härchen auf Tarences Armen aufstellten und ein kalter Schauer seinen Rücken hinunter lief. Sein zierlicher Körper schimmerte schon fast weiß im hellen Sonnenlicht. Ohne sich dessen bewusst zu sein, konnte der Schwarzhaarige manchmal so zerbrechlich wirken, dass man schon Angst hatte ihn zu berühren.

Gedankenverloren tastete Tarence zu seinem Hals und stockte, wirbelte dann herum und machte ein paar Schritte, während die grünen Augen hektisch das Gras absuchten.
 

Vielleicht sollte das schlechte Gewissen an ihm nagen, als er Tarence frösteln sah und er wieder auf den provisorischen Verband blickte. Aber so etwas kannte er nicht, immerhin hatte er ja nicht darum gebeten, dass der Junge sein letztes Hemd für einen Verband nutzte...und doch...es tat ihm irgendwie leid, Tarence frieren zu sehen.

Im Moment hatte er nichts da, womit Yako ihn hätte wärmen können. Sicher, er könnte natürlich von Zuhause was holen, aber wer wusste schon, ob Tarence dann noch da war. Nein, besser gesagt, wer wusste schon, ob Tarence überhaupt seine Hilfe wollte oder brauchte?

"Was suchst du?", fragte er schließlich, als der Junge sich etwas herabbeugte und durch die Grashalme forschte.

Dieses hektische Herumsuchen machte ihn auf Dauer auch langsam nervös.
 

"Meine Kette. Ich hatte sie zum Schwimmen abgelegt, damit ich sie im Wasser nicht verliere, und unter meinem Hemd versteckt. Ich hab sie ganz vergessen." Tarence strich mit seinen langen schmalen Fingern durch das Gras, wobei seine Augen aufmerksam hin und her schwangen. Es lag bereits eine leise Verzweiflung in ihnen, woran man sehen konnte, wie viel ihm dieses Schmuckstück bedeuten musste.

"Sie muss hier irgendwo sein", murmelte er vor sich hin und ignorierte Yako dabei völlig. Doch egal wie sehr er sich anstrengte, die Kette mit dem kleinen silbernen Anhänger blieb verschwunden. Als hätte sich der Boden aufgetan und sie verschluckt.

"Wenn ich sie verloren habe, verzeih ich mir das nie." Tarence wurde immer unruhiger, die Bewegungen fahriger.

<<Verdammt, wo ist sie?>>
 

Eine Weile beobachtete er den Jungen noch, wie er schon fast verzweifelt nach dem Schmuckstück suchte. Seine kühlen Augen ruhten dabei auf dem Rücken, bis er kaum hörbar aufbrummte und sich ebenfalls hinabbückte, um mit den Fingern durchs Gras zu streichen.

Jetzt kniete er da auch schon am Boden und suchte nach Etwas, das ihm gar nicht gehörte. Sein Bruder war auch so leicht zum Verzweifeln zu bringen, wie Tarence...

Als er die Suche schon wieder aufgeben wollte, nachdem sie etwa eine halbe Stunde die Grashalme durchgeforstet hatten, glaubte Yako etwas am Ufer glänzen zu sehen und trat näher, ehe er das Ding zwischen die Finger nahm und aufhob.

"Ist sie das hier?"
 

Tarences Kopf ruckte hoffnungsvoll hoch und er sprang geradezu in Yakos Richtung, was fast schon beängstigend wirkte, da die grünen Augen leuchteten, als wäre der Junge verrückt.

"Ja! Gott sein Dank...ich dachte, ich hätte sie verloren. Danke!" Er riss ihm die Kette aus den Händen und ließ seine Finger sanft über den Anhänger spielen, wobei ein sanftes Lächeln den schmalen Mund zierte. Mit einer geübten Bewegung band der Schwarzhaarige sich die Kette um den Hals und fuhr noch einmal darüber.

<<Das war knapp. Sei nie wieder so unvorsichtig, Tarence!>>, schalt er sich in Gedanken und atmete erleichtert aus. Das schwarze Lederband stand im starken Kontrast zu seiner hellen Haut und der silberne Anhänger, der das keltische Zeichen für Drachen darstellte, schmiegte sich eng an seine Kehle.
 

Eine Weile musterte Yako den Jungen vor sich, der nach wie vor mit seiner Kette beschäftigt war, erhob sich dann und schien nun ebenfalls den Anhänger zu mustern.

"So wichtig?", fragte er kurz und bündig, da die grünen Augen einfach nicht von dem silbernen Symbol abließen.

Zunächst ratterte sein Gehirn noch, woher er dieses Zeichen kannte, bis die Erleuchtung in ihn traf.

<<Das Zeichen für Drachen? Na ja, passt zu ihm, er spuckt ja auch die ganze Zeit nur Feuer...>> Was er sich immer dachte, konnte man ihm einfach nicht ansehen. Seine Gesichtszüge blieben regungslos, als wären sie aus Stein gemeißelt.

Hatte er vorhin noch einen Ansatz für ein kleines andächtiges Lächeln gemacht, so glaubte man jetzt, dass es nur ein Trugbild gewesen war.
 

Er strich ein letztes Mal andächtig über den Anhänger, ließ ihn dann lose an der Kette baumeln und sah Yako tief in die Augen, wobei sein Blick fest und überzeugt war.

"Diese Kette war ein Geschenk eines Menschen, den ich sehr geliebt habe. Normalerweise nehme ich sie nie ab und ab heute mache ich das auch nicht mehr." Er schüttelte den Kopf, um seine Worte zu unterstreichen, dann verzogen sich seine Lippen plötzlich zu einem breiten Lächeln, das erste Mal in Yakos Gegenwart.

"Sag mal...hab ich vorhin richtig gesehen? War das der Anflug eines Lächelns auf deinem Gesicht?" Die grünen Augen funkelten frech und belustigt, doch gleichzeitig mit einer kindlichen Unschuld, die aber wahrscheinlich eher trug, da Tarence schon lange kein Kind mehr war, vielleicht nie eins hatte sein dürfen. Er war ein Junge von der Straße, heimatlos und immer mit der Ungewissheit lebend, ob er wieder aufwachen würde, wenn er sich abends zum Schlafen hinlegte. Das war ein großer Unterschied.
 

"Sicher nicht..", murmelte er, wandte sich sofort wieder auf die Seite und ließ seine Augen in der Umgebung herumschweifen, um zu sehen, ob Whang Cho wieder zurückkam.

<<Von einem Menschen, den er sehr geliebt hat...er spricht in der Vergangenheit...>>

Langsam machte sich ein unangenehmes Brennen auf seiner Schulter breit, was ihn kurz sein Gesicht verziehen ließ...na ja, vielleicht war er doch nicht aus Stein gemeißelt.

"Whang Cho wird mit seinen Leuten an dieser Stelle wieder vorbeikommen, da solltest du nicht mehr da sein...", warnte er ihn vor und sah zu Tarence rüber, während ihm diese grünen Augen noch immer so frech entgegenfunkelten.

Was hatte er denn jetzt schon wieder getan?
 

Tarence zog sofort einen Schmollmund und hob trotzig das Kinn, wobei er niedlicher aussah, als beabsichtigt.

"Ich kann dich doch jetzt nicht allein lassen, schließlich bist du verletzt. Nachher verblutest du mir hier noch und ich werde gesucht wegen Mordes. Oder du fällst in Ohnmacht und wirst von einem Raubtier gefressen. Nein, darauf kann ich verzichten." Seine Worten klangen durchaus ernst, obwohl man ihn doch nicht wirklich für voll nehmen konnte. Schon gar nicht Yako, der ihn weit überragte und bestimmt wegen so eines Kratzers nicht in Ohnmacht fallen würde.

"Und wenn der Idiot hier wieder vorbei kommt, zeig ich ihm mal wie man richtig schießt." Missmutig kickte er einen kleinen Stein weg.

"Ich und Wild...tz. Der ist doch zu blöd zum gehen. Selbst Schuld, wenn er irgendwann ganz ohne Geld da steht. Er ist wirklich ein leichtes Opfer, so hochnäsig wie der ist." Tarence hatte sich binnen weniger Sekunden wieder in die kleine Nervensäge verwandelt, die jeden, der zu lange mit ihr zu tun hatte, in den Wahnsinn trieb.
 

"Das ist nichts Schlimmes.." Wieder war es nur ein einziges Gemurmel, was schon zu seiner Gewohnheit wurde. Dabei klatschte er sich demonstrativ gegen den Verband, zog aber sofort die Augenbraue hoch, als sich doch noch ein hinterlistiges Stechen in die Wunde schlich. Gut, er hätte ja auch nicht gleich so hart raufschlagen müssen, um es Tarence zu beweisen.

"Außerdem glaub ich, dass es dich vor ein paar Tagen noch schlimmer erwischt hat, also ruh dich irgendwo aus...wo dieses mal WIRKLICH keiner aus dem adeligen Kreis auftauchen kann..." Fast hätte er schon wild herumgestikuliert, beließ es aber auf ein einfaches Arme verschränken.
 

"Hey, ich kann nichts dafür, dass dieser Schnösel plötzlich Robin Hood spielen wollte. Ich hab ganz friedlich hier übernachtet und dann ein erfrischendes Bad genommen", empörte sich Tarence sofort und machte einen Schritt auf Yako zu, so dass er direkt vor ihm stand. Dabei stellte er jedoch fest, dass er wesentlich kleiner als der Andere war und deshalb den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. Keine sehr furchteinflößende Pose.

"Und mach dir mal um mich keine Sorgen, ich komm schon allein klar. Ich hab siebzehn Jahre Erfahrung damit."

<<Lügner, man sieht ja, wo du dich dauernd reinreitest...>>, ertönte eine kleine Stimme in Tarences Kopf, die ihn das Gesicht verziehen ließ.
 

"DAS...sehe ich..", wie Tarence nun so dastand...mit der Gänsehaut, die sich über seinen Körper gezogen hatte und dem sturen Blick...da musste man wirklich viel Kraft aufwenden, um Tarences Aussage Glauben zu schenken.

Yako drehte sich auf dem Absatz um, ging ein, zwei Schritte, ehe er über die Schulter blickte.

"Und...pass auf dich auf..", murmelte er leise, schien diese Worte fast schon zu verschlucken, obgleich er sie durchaus ernst meinte, bis er schließlich weiterging und hinter den Bäumen zu verschwinden drohte. Von weitem konnte er das Pferdegewieher hören. Clow, wie er sein Pferd nannte, würde sicher froh sein, dass es schon losgebunden werden konnte.
 

Mit einer gewissen Enttäuschung, die er nicht recht zuordnen konnte, stand Tarence da und starrte Yako hinterher. Die kalte gefühllose Art des Mannes hatte ihn neugierig gemacht und er hätte nichts dagegen gehabt noch etwas mehr Zeit mit dem Anderen zu verbringen. Die kleinen Streitigkeiten machten irgendwie Spaß und Tarence vermisste es mit jemandem zu reden, obwohl Yako eigentlich nicht viel sprach. Außerdem wurmte es ihn, dass der Silberhaarige ihm ständig das Leben rettete.

<<Warum hilft er mir??...Was ist mit seinem Bruder passiert und warum erinnere ich an ihn? Ist er deswegen so abweisend und kalt?>> Nicht wissend, was er jetzt tun sollte, trippelte er von einem Fuß auf den anderen.

"Hey, bleib stehen! Ich bin noch nicht fertig mit dir! Du...du schuldest mit noch ein Hemd.", rief der Junge schließlich laut und folgte dem Mann mit schnellen Schritten.
 

Yako hatte die Futterkrippe schon erreicht, wollte auch gerade sein Pferd losbinden, als Tarence so plötzlich wieder neben ihm auftauchte. Die stahlblauen Augen hatten dabei schon fast einen überraschten Ausdruck angenommen...wahrscheinlich sollten sie die Frage widerspiegeln, was Tarence jetzt schon wieder von ihm wollte.

"Ich dachte, du gehst dir eins klauen..", bemerkte er leise und sah ihn von der Seite an...sah in diese lebendigen grünen Augen, die trotz der schlimmen Dinge sie schon gesehen haben mussten, nichts von ihrem spitzbübischen Funkeln verloren hatten.
 

Kurz um eine Antwort verlegen, sah er zur Seite und musterte die Bäume. Er konnte ja schlecht zugeben, dass er einfach nur etwas Gesellschaft wollte.

"Ich hab's mir halt anders überlegt", gab er patzig zurück und rümpfte die Nase, damit Yako sah, dass es ihm genauso wenig gefiel mit ihm zu sprechen wie anders herum.

"Außerdem ist eins deiner Hemden bestimmt so groß, dass ich mir zwei daraus machen kann, dann kann ich mal meine Kleidung wechseln", fügte er mit einem gewissen Stolz in der Stimme hinzu, als wäre das etwas ganz Besonderes. Und für Jungen wie Tarence war es etwas Besonderes.
 

"Meinetwegen...", leise gegrummelt kam die Antwort zurück, schien aber nicht grob zu sein, eher belustigt, was man hätte leichter feststellen können, wenn sein Gesichtszug dieser Belustigung gefolgt wäre.

Whang Cho war ja noch auf Jagd, also würde er den Jungen ohne weiteres ins Anwesen durchschleusen können.

Yako hievte sich auf das Pferd, blickte zu Tarence herab, der nach wie vor daneben stand.

"Was ist? Steigst du jetzt hoch?" Abwartend hob er eine Augenbraue und bemerkte, wie Tarence das Pferd mit großem Respekt zu mustern schien.
 

Der Junge sah bewundernd zu wie leicht Yako sich auf sein Pferd schwang und ohne Probleme darauf saß, doch als der Mann ihn aufforderte das Gleiche zu tun, sah er verlegen weg und biss sich auf die Lippen. Er war nun mal klein und Pferde hassten ihn normalerweise, deshalb vermied er es auch auf ihnen zu reiten. Seine Erfahrungen mit diesen Tieren waren ausschließlich negativer Natur und er glaubte auch nicht, dass sich daran etwas ändern würde.

"Ähm...wie...ich meine...das ist zu groß für mich.", flüsterte er, gar nicht darüber erfreut, dass er mal eine Schwäche eingestehen musste.

Tarence konnte schon das spottende Lachen von Yako hören, das sicherlich gleich folgen würde und zog den Kopf weiter zwischen die Schultern.
 

"Du musst auch nichts anderes machen, als aufzusteigen und dich an mir festzuhalten...den Rest erledige ich schon...", meinte Yako schließlich und rutschte ein wenig vor, um für Tarence Platz zu machen. Seine Stimme war frei von jedem Spott oder Hohn, sie zeigte nicht einmal Überlegenheit. Es war einfach nur ein Vorschlag seinerseits gewesen, ehe er eine Hand ausstreckte, sozusagen als Stütze, die ihm beim Hochhieven helfen sollte.

"Na?"
 

<<Toll...und wenn ich nicht mal auf dieses Monster raufkomme? Schon mal dran gedacht, dass da das Problem liegt?>> Zaghaft streckte Tarence seine Hand aus, um die Yakos zu ergreifen und wurde auch sofort zu seiner Überraschung auf den Rücken des Tieres gezogen. Ihm war klar, dass er das allein nie geschafft hätte, aber das Yako ihn ohne große Anstrengen hochzog...

Etwas unsicher fasste er dem Anderen um die Taille, es war dem Jungen schon peinlich, doch als Yako seinem Pferd die Sporen gab und dieses sich ruckartig in Bewegung setzte, jappste Tarence kurz erschrocken auf und klammerte sich dann ganz fest an den Mann, um nicht runterzufallen.

"Ich hasse diese Viecher, ich hasse diese Viecher, ich hasse diese Viecher.", murmelte er leise wie ein Mantra vor sich hin, dabei fest die Augen zukneifend.
 

Der Griff um ihn herum wurde fester, man könnte meinen, dass Tarence hinter ihm schon fast panisch da saß und wenn Yako über die Schulter gelinst hätte, hätte er erkannt, dass er gar nicht mal so daneben lag.

Das Pferd dazu bewegend nicht mehr gar so schnell zu laufen, ritten sie zurück zum Anwesen, wo sie ohne wenn und aber vorbei an Wachen und Bediensteten ritten und direkt in den Stall trabten.

Er stieg ab, hätte sich beinahe umgedreht, um in den Hof zurückzugehen, als ihm Tarence noch immer auf dem Rücken des Pferdes auffiel. Irgendwie sah der Junge eben hilfloser aus, als dieser wahrscheinlich gewollt hätte...so streckte er dann ohne ein weiteres Wort seine Arme zu ihm hoch, um ihn auch vom Pferd wieder runterzuhelfen.
 

Auch wenn er es hasste so abhängig zu sein, konnte Tarence keine bissige Bemerkung machen, sondern sich nur dankbar vom Pferd und in Yakos Arme gleiten lassen. Sich noch einen Moment an ihm festklammernd, bis er wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Er nuschelte ein "Danke" und wandte dann sofort sein Gesicht ab, damit der Mann nicht die leichte Röte sehen konnte.

<<Mann, ist das peinlich. Als wäre ich ein Baby. Komm nicht mal allein von so nem Gaul runter>>, ärgerte sich der Schwarzhaarige und schnaubte verächtlich. Schnell wandelte sich seine Stimmung jedoch in Neugierde und er sah sich im Stall um, konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen.

"Hier wohnst du also? Hm, da hab ich's ja noch besser getroffen." Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er strahlte Yako frech an, machte aber vorsichtshalber einen Schritt zurück. Wer wusste schon, wie der Kerl reagierte?
 

"Ja, nur mein Schlafplatz wird dauernd von Clow belegt..", damit deutete Yako auf das schwarze Pferd, auf dem sie vorhin noch geritten waren und sah zu Tarence...mit so einer ernsten Gesichtsmiene, dass man schon glauben konnte, es wäre tatsächlich die Wahrheit gewesen. Vermutlich hätte Tarence dem auch Glauben geschenkt, wenn er sich nicht wieder umgedreht hätte und aus dem Stall gegangen wäre. Sich kurz umschauend, ob jemand, der stören könnte, in der Nähe war, machte er einen kleinen Wink mit der Hand, damit Tarence ihm folgte und stapfte Richtung Gebäude, in dem sich sein Zimmer befand.
 

Eine leichte Aufregung legte sich über ihn, als er all den Prunk und Reichtum von Whang Cho sah. Tarence fand diese Dinge beeindruckend, aber würde es niemals für sich haben wollen, denn davon konnte man sich nicht ernähren und es war zu umständlich es mit sich herumzuschleppen. Die Goldverzierungen an Türen und Wänden waren zwar hübsch anzusehen, doch im Notfall würden sie sehr schwer verdaulich sein.

Das hielt ihn aber nicht davon ab interessiert durch Fester und offene Türen zu schauen, sich zwischendurch immer mal nach Yako umsehen, ob dieser ihm auch folgte bzw. er selbst auf dem richtigen Weg war. Schließlich deutete der Mann auf eine Holztür, neben die sich Tarence auch sofort stellte, es seinem Begleiter aber überließ sie zu öffnen, da es Yakos Zimmer war und der Junge ein gewisses Maß an Anstand doch noch besaß.
 

Yako spürte die abwartenden Blicke auf sich und öffnete schließlich seine Zimmertür, die mit einem leisen Knarren aufging und den Einblick in einen dunklen Raum freigab. Die Vorhänge schirmten das Sonnenlicht ab und ließen die weißen Wände somit grau erscheinen. Anders als im ganzen Anwesen Whang Chos war dies ein Zimmer, wo Prunk fehl am Platz gewesen wäre. Dort herrschte Normalität von einem Bett, einem Holzschrank und einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen.

Er öffnete den Schrank, fischte zwei Hemden raus, die genauso dunkel gehalten waren, wie seine übrige Kleidung und hielt sie Tarence entgegen.
 

Vergnügt sprang er ins Zimmer und erkundete alles, obwohl da nicht viel war, was man hätte entdecken können. Es war ziemlich spartanisch eingerichtet, doch Tarence fand es toll, schließlich hatte er nicht mal ein eigenes Bett. Begeistert nahm er die Kleidung entgegen, fast ehrfurchtsvoll, denn so etwas galt auf der Straße als Reichtum. Hemden, Hosen oder Schuhe waren schwer günstig zu bekommen, also musste man sie stehlen und dabei Gefahr laufen erwischt zu werden. Mit vorsichtigen Finger bewunderte der Junge den dunklen Stoff, der im Gegensatz zu seinem alten Hemd überhaupt nicht auf der Haut kratzte.

Schnell zog er sich eines über den Kopf und genau das trat ein, was er vorausgesagt hatte. Es war viel zu groß. Die Ärmel reichten Tarence ein gutes Stück über die Hände, der Saum ging fast bis zu den Knien, wobei er bei Yako wahrscheinlich gerade mal bis zur Hüfte reichte. Es war schon ein recht komischer Anblick und Tarence wirkte in den weiten Klamotten etwas verloren und fehl am Platz, doch er war begeistert.

"Maaaannn...das sieht ja klasse aus.", jubelte der Schwarzhaarige und drehte sich hin und her, um jeden Zentimeter genau zu sehen. Dass es ihm zu groß war, ignoriere er gekonnt.
 

Schon fast kritisch blickte Yako zu Tarence, der in diesem Hemd fast zu verschwinden drohte, neigte den Kopf etwas zur Seite, nur um festzustellen, dass dieses Hemd wohl wirklich ein paar Nummern zu groß war.

"Das Andere kannst du auch behalten...", murmelte er, deutete mit dem Kopf auf das zweite Hemd, welches wohl genauso groß sein würde, wie das, welches Tarence eben an hatte.

Er konnte es nicht beschreiben, aber...ein merkwürdiges Gefühl, zu sehen wie Tarence mit diesem Hemd überglücklich zu sein schien, verbreitete sich warm in seinem Magen...war es das, was die Menschen "Freude" nannten, das ihn womöglich heimgesucht hatte? Spürte er da gerade tatsächlich ein wenig Freude??
 

Tarence sah Yako mit großen Augen an, das Strahlen in ihnen schien schon fast überdimensional. Normale Menschen hätten niemals so ein Theater über zwei lausige Hemden gemacht, doch für den Jungen schien es wirklich ein besonderes Geschenk zu sein.

"Echt? Wow, so viele Klamotten hatte ich noch nie." Eifrig band er sich das zweite Hemd wie einen Gürtel um die schmale Taille und grinste den Mann dann wieder frech an.

"Und? Was machen wir jetzt?", fragte er gespannt. Vergessen war Trotz und Streitlust, denn im Moment war Tarence einfach zu glücklich, um an gemeine Bemerkungen oder Frotzeleien zu denken. Er setzte sich kurzerhand auf Yakos Bett, bewunderte sofort die weichen Laken und sah den Größeren erwartungsvoll an, als hätte dieser ihm ein Versprechen gegeben, das er jetzt einlösen wollte.
 

Erstaunt...so konnte man wohl gerade das andere Gefühl beschreiben, das ihn beherrschte. Seit wann preschten so viele Gefühle so haltlos auf ihn ein?? Das machte ihn noch ganz schwummrig.

~Was machen wir jetzt~

Was machten sie jetzt?

Yako wusste, dass Tarence hier nicht lange bleiben durfte...Er, als der gesuchte Dieb, in dem Haus des Bestohlenen. Solange Whang Cho noch nicht hier war, sollte Tarence die Chance ergreifen, vom Palast wegzugehen und das sagte er dem Jungen auch schließlich mit der gewohnt ruhigen Art. Man konnte sie schon fast gleichgültig nennen, wenn ihn seine Augen nicht durch das leise Funkeln verraten würden.
 

Die alte Trotzigkeit kehrte zu Tarence zurück und er verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. Sein durchdringender Blick prallte an Yako ab, wie an einer Wand, was den Kleinen nur noch wütender machte.

"Du willst mich wieder rausschmeißen? Das ist ja so typisch für dich, du Eisklotz. Sei mal ein bisschen netter zu deinen Freunden, sonst laufen sie dir irgendwann mal weg und dann stehst du allein da. Ich kann dir sagen, das ist nicht schön." Eingeschnappt wandte Tarence den Kopf zur Seite, um zu verdeutlichen, dass er keine Lust hatte sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen.
 

Der Junge vor ihm verblüffte ihn nur noch mehr...war Yako eben noch erstaunt durch diese eine Aussage, machte sich eben dieses Gefühl nun nur noch stärker bei ihm bemerkbar, als dieses eine Wort leise in der Luft schwebte und Yako es mit seinen Gedanken erfasste.

<<Freunde...>>

Schon beinahe hätte er Tarence ohne wenn und aber einfach weiterhin ungläubig angestarrt, bis er nur den Kopf schüttelte.

Freunde...wollte er ihn veräppeln? Sah Yako so aus, als wäre er eine kontaktfreudige Person, die echte Freunde hatte?? Er konnte diese Menschen vielleicht an einer Hand abzählen, wenn überhaupt.

"Es ist besser so...bevor Whang Cho noch nach Hause kommt.."

Doch kaum hatte Yako den Satz ausgesprochen, konnte er aus dem Hof schon das Wiehern von Pferden hören. Die Dienstmädchen huschten an seinem Zimmer vorbei, raus aus dem Hof, um ihren Herren zu begrüßen.
 

Mit einer Mischung aus Triumph und Besorgnis blickte Tarence Yako an. Es war klar, dass er jetzt nicht einfach durch die Tür spazieren und das Anwesen verlassen konnte. Also hatte der Junge seinen Willen durchgesetzt. Nur gab es nun ein anderes Problem.

"Zu spät", war sein einziger Kommentar dazu. Sich auf dem Bett leicht vor und zurück wiegend, überlegte er, was nun zu tun war. Whang Cho durfte ihn auf keinen Fall sehen, denn so blöd der Adlige auch war, sein Gesicht würde er sicherlich wieder erkennen.

"Gibt's hier zufällig einen Geheimgang? Oder eine Treppe nach oben? Dann könnt ich versuchen vom Dach aus auf die Mauer zu springen." Tarence sagte die Worte bedächtig und in vollem Ernst, aber Yakos zweifelnder Blick sagte ihm schnell, dass dieser wohl kaum dem Vorschlag zustimmen würde.
 

"Okay, weißt du was?...Ich versuch Whang Cho abzulenken und du schleichst dich dann einfach nach draußen." Yako machte ein paar Schritte zur Tür, um dem Adeligen entgegen zu gehen, "du solltest dich jetzt nur nicht hier im Zimmer.."

Die Tür sprang so plötzlich auf, dass sogar Yako überrascht aufsah und direkt in Whang Chos überaus hochnäsiges Gesicht.

"...erwischen lassen...", vollendete Yako den Satz leiser und klatschte sich mit der Handfläche gegen die Stirn.
 

Fortsetzung folgt...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Damei
2005-09-21T14:22:46+00:00 21.09.2005 16:22
*umfall* musste der da jetzt auftauchen????????????????????? des is ja so fieß ich bin gespannt wie se sich da wieder rausreden^^
Von: abgemeldet
2005-07-20T17:06:08+00:00 20.07.2005 19:06
wow, das war jetzt echt spannend! =)
bin eben vor dem computer geklebt und habe den teil regelrecht aufgesogen.
ich mag die beiden immer mehr, es macht richtig spaß von ihnen zu lesen. man weiß nie, ob sie sich jetzt streiten oder nicht, dann ist man selbst gleich ganz happy, wenn sie lieb miteinander umgehen, obwohl das jetzt auch schon etwas übertrieben von mir formuliert war ;) denn SO lieb gehen sie ja noch nicht miteinander um, es ist halt noch immer etwas misstrauen in der luft und yakos schweigen *lach*
aber der cliffhanger ist gemeiiiin, sag ich dir *schimpf* bin ich froh, dass ich den nächsten teil gleich weiterlesen kann, sonst würd ich hier wegsterben.
Von: abgemeldet
2005-05-11T19:28:44+00:00 11.05.2005 21:28
ich mag yako *lol* ich mag ihn wirklich *mal vorsichtig yako auf die schulter hau* .... whaa schau mich nicht so an *zitter* der blick ist wirklich zum fürchten *bibber*
aber bitte ganz schnell weiterschreiben *möp*
freu mich doch immer irrsinnig wenn ein neues kapitel kommt ^^
baba lu


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