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Auferstehung

Weiß Reborn
von

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So, es geht weiter. Ich weiß, es hat lange gedauert, aber ich schreibe nebenher auch noch an zwei anderen Projekten, von denen eins eine Collab ist... und damit erhöhter Aufmerksamkeit bedarf. Immerhin, fürs zweite Kapitel hat es gereicht. ^^

Ich warte immer noch auf die guten Ideen (meine Muse ist gerade auf Fantasy eingestellt, und so nett elfenartige Vorväter, aufopferungsvolle Heiler und diktatorische Kaiser auch sind, passen sie doch leider nicht ins WK-Universum... ^__^)

Dieses Kapitel ist etwas brutaler als das erste (ok, nicht wirklich schlimm, aber eher untypisch für meine "nette" art ^.^")- ich muss ja irgendwo meine sadistische Ader ausleben...

Also dann, ich hoffe es gefällt jemandem... hoffe natürlich wie immer auf Kommentare und Kritik.
 

Audrey ^^
 


 

Kapitel 2
 

Verdammt.

Verdammt, verdammt, verdammt!

Das hätte niemals passieren dürfen! Was hatte er sich dabei gedacht... Er hätte es ahnen müssen, als Youji sich nicht auf den Hilferuf meldete, den Omi ihm geschickt hatte. Youji erinnerte sich an nichts. Rein gar nichts! Weder an Weiß, noch an ihn... Omi wünschte, diese Erkenntnis wäre nicht so schmerzhaft.

Schlimmer jedoch war, dass Youji - oder Yuki, wenn man ihn bei seinem neuen Namen nennen wollte - mit dieser Asuka ein ganz neues Leben angefangen hatte. Welches er gerade im Begriff war, zu zerstören... Dazu hatte er kein Recht. Das wusste er, aber nun war es zu spät. Zu spät für Reue, zu spät, um irgendetwas rückgängig zu machen. Youji hatte sich entschlossen, ihm zu helfen. Jetzt gab es kein Zurück.

Omi lehnte mit geschlossenen Augen an der glatten Wand der Aufzugkabine und machte sich Vorwürfe. Er spürte die Kühle seiner Kleider, verschwitzt und feucht von der nassen Straße, und konnte die Erinnerung nicht unterdrücken, wie er plötzlich durch die Luft flog, der Boden auf ihn zuraste...

Mit einem Keuchen riss er die Augen auf. Aus dem Spiegel in der gegenüberliegenden Wand sah ihm sein eigenes Gesicht entgegen, die bleiche Haut nur unterbrochen von einem dunklen Bluterguss, der sich auf seiner Wange gebildet hatte.

"Was ist los, Kleiner?" Youji stand neben ihm und begegnete seinem Blick im Spiegel.

Omi schwieg. Der Aufzug bewegte sich stetig abwärts, die Zahlenanzeige über der Tür blinkte im Wechsel der Stockwerke, die sie passierten.

"He, keine Angst", sagte Youji und sein sorgloser Tonfall erinnerte Omi zum ersten Mal wieder an den Mann, den er gekannt hatte. "Ich beschütze dich." Er wollte ihm die Hand auf die Schulter legen. Der Junge zuckte zusammen, und Youji zog sich zurück.

Omi versuchte, seine Skepsis zu verbergen. Wieviel von seinem alten Teamkollegen steckte noch in diesem völlig veränderten Youji?

"Schon gut", murmelte er mit rauer Stimme. "Ich kann mich ja schlecht hier verstecken."

Erneut senkte sich Schweigen auf sie herab. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach, bis der Aufzug im Erdgeschoss hielt.

Nebeneinander verließen sie den Aufzug, durchquerten die Eingangshalle und traten noch immer ohne ein Wort durch die gläserne Schwingtür ins Freie. Omi schauderte in der kalten Luft.

Automatisch lenkte Youji seine Schritte in Richtung Parkplatz. Es war inzwischen vollkommen dunkel. Das einzige Licht spendeten die Laternen, die in regelmäßigen Abständen helle Inseln in der Nacht um sich formten. Die Wolkendecke, die am frühen Abend aufgerissen war, hatte sich wieder verdichtet und verbarg die Sterne. Ein leichter Nieselregen fiel. Omi fühlte sich unangenehm an den Nachmittag erinnert.

Er folgte Youji zu dessen Auto und verbarg ein Lächeln. Ein mit Hingabe gepflegter Oldtimer, natürlich. Manche Vorlieben schienen sich nie zu ändern.

Und andere Dinge auch nicht... Er erstarrte, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.

"Youji", flüsterte er. "Wir sind nicht allein."

Youji suchte gerade in seiner Manteltasche nach dem Schlüssel. Verunsichert blickte er auf Omi hinab. "Was jetzt?"

"Lass dir nichts anmerken. Schließ auf und steig ein - wir versuchen, abzuhauen." Unauffällig schob er eine Hand unter den Mantel. Diesmal war er vorbereitet. Er fühlte noch immer am ganzen Körper die Schläge, die er hatte einstecken müssen. Noch einmal würde er sich nicht überwältigen lassen.

Etwas klimperte... Youji hatte seinen Schlüsselbund fallen lassen. Omi bückte sich danach und nutzte die Gelegenheit zu einem Blick in die Runde. Ein Paar Füße unter einem Auto waren alles, was von den Verfolgern zu sehen war. Da, eine Bewegung in den Büschen, die nicht vom Wind herrührte - jemand versteckte sich in der Randbegrenzung der Grünanlage...

Er reichte Youji die Schlüssel - und wie auf ein geheimes Signal gingen die Männer zum Angriff über. Es waren nur zwei, stellte Omi ruhig fest, die da auf sie losstürmten. Er hatte kaum zu hoffen gewagt, dass die beiden, die er entdeckt hatte, allein waren.

Der eine schnellte aus seinem Versteck in den Büschen, schwang sich über die Motorhaube von Youjis Auto und wollte diesen mit einem gezielten Schlag zu Boden schicken. Mit unerwartet schnellen Reflexen wich Youji aus. Sofort sprang Omi in die Bresche, wehrte den nächsten Schlag ab und versetzte dem Angreifer in schneller Folge einen Tritt in die Magengrube, dann einen ans Kinn. Ein gezielter Handkantenschlag in den Nacken ließ den Mann endgültig zusammenbrechen, bevor sein Komplize sie erreichte.

Noch in der gleichen Bewegung fuhr Omi herum. Youji wusste nicht, woher die Pfeile kamen, die plötzlich in seiner Hand aufblitzten und dann zielsicher wie wütende Hornissen durch die Luft sausten. Der zweite Mann hatte den längeren Weg fast hinter sich gebracht, da riss er erschreckt die Hände in die Höhe und taumelte. Sein entschlossenes Grinsen wich einem Ausdruck der Überraschung, als er ohne einen Laut zu Boden fiel, zwei von Omis Wurfpfeilen im Hals.

Youji leckte sich nervös über die Lippen. "Nachdem ich das gesehen habe, kann ich mir nicht vorstellen, wer dich vorhin so zugerichtet hat..."

Omi sah mit gequältem Gesicht zu ihm auf. "Youji, bitte - lass uns fahren."

"Na schön. Steig ein." Youji hielt ihm die Tür auf. Omi trat mit einem großen Schritt über den bewusstlosen Mann hinweg und ließ sich in den weichen Sitz sinken.

Erst als Youji den Motor anließ und der Wagen langsam vom Parkplatz rollte, entspannte er sich. Sie kamen auf eine größere Straße und reihten sich in den zügigen Verkehr ein. Schließlich brach Youji das Schweigen.

"Wenn du so wehrhaft bist... warum hast du das nicht früher getan?"

Omi wusste sofort, wovon er sprach. "Jetzt waren es nur zwei. Heute abend waren es sieben. Und sie waren an mir dran, bevor ich die Darts einsetzen konnte."

"Sieben gegen einen? Das ist unfair."

Omi lächelte grimmig. "Das habe ich auch gesagt."

Youji wandte den Blick sekundenlang von der Straße, um den Jungen anzusehen. "Und?"

Omi verzog das Gesicht.
 

Einige Stunden zuvor...

Es war ungewöhnlich kalt. Der Wind fuhr schneidend durch die Straßenschluchten und gab sich alle Mühe, die Menschen in die warmen Häuser zurückzutreiben. Aber das Wetter konnte nicht verhindern, dass Tokyo Innenstadt wie an jedem Tag vollgepfropft war mit Menschen. Zwar trugen sie alle Schals und Mützen oder hatten wenigstens den Mantelkragen hochgeschlagen, um sich mit hochgezogenen Schultern vor der Kälte zu schützen, aber nichts konnte das geschäftige Treiben in dem großen Einkaufsviertel dämpfen.

Mamoru Takatori hatte es nicht eilig, aber auch er ging mit schnellen Schritten von einem Geschäft zum nächsten. Die ungemütliche Kälte beschleunigte den geplanten nachmittagsfüllenden Einkaufsbummel. Er hatte sich ein paar Stunden frei genommen - nicht, dass er Zeit übrig hätte. Aber er kam einfach nicht weiter. Seit Tagen saß er am Computer, traf sich mit allen möglichen und unmöglichen Leuten und versuchte, Spuren aufzustöbern... ohne Erfolg.

Wenn er von den fruchtlosen Nachforschungen genug hatte, stattete er dem Blumenladen einen Besuch ab. Er hielt sich in letzter Zeit mehr dort auf als in seinem Büro... bis er die gedrückte Stimmung nicht mehr ertrug und sich wieder aus dem Staub machte. So wie jetzt.

Mit düsterem Gesicht verließ er das letzte Kaufhaus. Die ganze Situation war äußerst frustrierend. Er kam einfach nicht weiter! Und statt sich ablenken zu lassen, drehten sich seine Gedanken unaufhaltsam im Kreis.

Er schreckte auf, als ihn jemand leicht anrempelte. Der Mann hastete mit langen Schritten weiter, er hatte den Zusammenstoß offenbar gar nicht bemerkt.

Mamoru sah ihm nach - und erstarrte. Ungläubig verengte er die Augen zu Schlitzen und versuchte, mehr zu erkennen, aber der andere war bereits zu weit entfernt. Schon verschwand er zwischen den Menschen, welche die Straße bevölkerten. Mamoru blieb reglos stehen. Er hatte den Mann nur einen Moment lang gesehen. Dennoch - er war beinahe sicher, ihn erkannt zu haben. Das Gesicht, die Figur, das lange Haar... kein Zweifel.

Er erwachte aus seiner Starre und schritt voll von neu erwachtem Tatendrang los. Zielstrebig hielt er auf die nächste Straßenecke zu, wo in langer Reihe eine Anzahl Taxis auf Fahrgäste wartete. Er wusste schon lange, wo Youji wohnte. Er kannte auch den Namen, den er angenommen hatte und die Zeitung, für die er als Reporter arbeitete.

Während der Fahrt grübelte er über Youjis Versteckspiel nach. Er hatte ihm eine Nachricht geschickt, als sich abzeichnete, dass sie ihn brauchen würden, doch seitdem hatte Youji sich nicht gemeldet.

Was hatte ihn dazu bewogen, die Warnung zu ignorieren? Er musste doch wissen, dass sie ihn nur im größten Notfall kontaktieren würden. Und es sah ihm gar nicht ähnlich, seine Freunde im Stich zu lassen...

Wenig später stand er vor dem Wohnblock. Ganz in der Nähe war ein großer Park angelegt, zwischen ihm und dem Hochhaus lag ein großer Parkplatz. Zum Haupteingang gelangte man über einen Fußweg, der von niedrigen Hecken eingerahmt war und mit Unterbrechungen - für die durchfahrenden Autos - bis zu dem hoch aufragenden Gebäude führte.

Der Junge blickte unschlüssig zu dem Haus hinüber. Hier war er - aber was nun? Noch war Youji nicht zu Hause, er würde frühestens in einer Stunde hier auftauchen.

Frierend trat er von einem Bein aufs andere. Mit einem Blick auf die Uhr beschloss er, den Park zu erkunden. Das war besser, als in der Kälte zu warten, und er hoffte noch immer auf etwas Abwechslung, um seine Gedanken aus der ausgetretenen Bahn zu stoßen.

Die Abwechslung kam schneller, als ihm lieb war. Er war eine Weile über schmale Sandwege und kleine Holzbrücken gewandert. Die Wolken waren aufgerissen und hatten ein paar spärliche Strahlen der untergehenden Sonne durchgelassen. Hin und wieder begegneten ihm bunt gekleidete Jogger und auf einer Wiese tollten drei Hunde herum.

Doch jetzt wurde es langsam dunkel. Ein feiner Sprühregen hatte eingesetzt und legte sich auf sein Gesicht. Das Wetter vertrieb langsam alle Menschen aus dem Park, bis er schließlich allein im Schatten von Ziersträuchern und Bambusgehölzen herumstromerte.

Die Feuchtigkeit machte die Kälte noch schlimmer. Schaudernd schob er die Hände in die Manteltaschen und schlenderte um den Brunnen herum, der in der Mitte eines runden, mit rotem Stein gepflasterten Platzes lag. Außer ihm saß nur noch eine ältliche Frau auf einer Bank und lauschte dem leisen Plätschern des Wassers.

Er blickte zum wiederholten Male auf die Uhr und überlegte, ob der richtige Zeitpunkt jetzt gekommen war, als er hinter sich eilige Schritte hörte.

"Entschuldigen Sie vielmals", sagte eine gehetzte Stimme hinter ihm. "Könnten Sie mir bitte die Uhrzeit verraten?"

"Oh, natürlich. Es ist..." Er zog die Hand aus der Tasche. "...fünf vor acht."

"Vielen Dank." Der Mann machte keine Anstalten, seinen Weg fortzusetzen. Der Junge drehte sich zu ihm um. Er trug einen grauen Anzug, darüber ein dunkles Cape. Sein Kopf war unbedeckt und das straff zurückgekämmte schwarze Haar glänzte vor Nässe. "Mamoru Takatori?"

Der Junge nickte überrascht.

"Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle: Claude DeRenard ist mein Name. Darf ich Sie bitten, mir zu folgen?", bat er mit formvollendeter Höflichkeit.

Was soll das?, dachte Mamoru. Sein Sinn für Gefahr ließ die Alarmglocken in seinem Kopf Sturm läuten. Er sah sich unauffällig um: die alte Frau saß noch immer auf der Bank und beobachtete sie mit mildem Interesse. Hier war keine Hilfe zu erwarten. Betont höflich sagte er: "Das würde ich lieber nicht tun."

"Das solltest du aber." DeRenard legte ihm eine kalte Hand in den Nacken. Der Junge zuckte zusammen und wollte sich losmachen, doch der Mann hielt ihn fest.

"Was wollen Sie von mir?" Es kam kläglicher heraus, als er gehofft hatte. Die alte Frau konnte ihm nicht helfen, aber vor Zeugen durfte er diesen Mann nicht ernsthaft verletzen - und darauf würde es unweigerlich hinauslaufen, wenn er sich wehren musste.

DeRenard zog ihn nah zu sich heran. Er hatte verschlagene Augen und einen kleinen Schnurrbart. Sein Gesicht war spitz und erinnerte an einen Fuchs.

"Das wirst du schon sehen, Omi", zischte er. Der Junge zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen. Dieser Mann kannte ihn. Er kannte seine Vergangenheit bei Weiß. Was hatte das zu bedeuten? Nichts Gutes, soviel ist sicher.

"Nein", sagte Omi fest. "Ich komme nicht mit."

Zu seiner Verwunderung ließ DeRenard ihn gehen, als er sich losriss und davonlief. Etwas sagte ihm, dass er sich darüber Gedanken machen sollte, doch dafür war keine Zeit. Omi ließ den eleganten Herrn am Brunnen zurück, stürmte um die Biegung des gewundenen Weges - und prallte gegen eine Wand.

Benommen taumelte er zurück. Vor ihm stand ein riesiger Mann. Er hatte Schultern wie ein Bär und ein drohendes Funkeln lag in seinen Augen. Als Omi erschreckt zurückwich, stieß er erneut gegen ein Hindernis, das ihn augenblicklich am Arm festhielt. Während er noch versuchte, sich zu befreien, schälten sich nach und nach sieben Gestalten aus der Dunkelheit.

Omi griff mit der freien Hand unter seinen Mantel und riss eine Handvoll Darts hervor.

"Lassen Sie mich los", keuchte er und drehte sich, um seinem Fänger einen der Pfeile in den Arm zu rammen. Sofort erschlaffte dessen Griff. Er war frei - aber für wie lange?

Omi fuhr herum und schleuderte die restlichen Darts auf die Männer, die ihn umringten. Zwei von ihnen sanken augenblicklich zu Boden, aber die übrigen ließen sich davon nicht ablenken. Die verbliebenen Angreifer traten entschlossen auf ihn zu. Er tastete erneut nach seinen Wurfpfeilen, doch bevor er auch nur an Verteidigung denken konnte, traf ihn von hinten ein Schlag, der ihn zu Boden schleuderte.

Reflexartig warf Omi sich zur Seite, als jemand nach ihm trat und spürte, wie eine Schuhspitze seine Schulter streifte. Mit gezückten Darts wollte er sich aufrappeln, doch einer der Angreifer stellte ihm einen Fuß auf die Hand. Omi schrie auf und ließ die Darts los, als das beachtliche Gewicht des Mannes seine Finger zu zerquetschen drohte.

Der Mann trat zurück und Omi sprang auf. Er war umzingelt und einer solchen Masse von Gegnern hoffnungslos unterlegen. Trotzdem... er würde nicht einfach aufgeben!

Sein suchender Blick glitt über den umgebenden Kreis und fand eine Lücke. Beherzt stürzte er darauf zu, stieß einem der Männer den Ellbogen ins Gesicht und - verlor abermals den Boden unter den Füßen, als ein anderer ihm geschickt die Beine unter dem Körper weg fegte.

Er schrammte sich schmerzhaft die Hände auf, als er den Sturz abzufangen versuchte. Benommen schnappte er nach Luft und versuchte, die aufwallende Panik zu verdrängen. Er durfte jetzt nur an eins denken: Flucht!

Doch es war zu spät. Jemand ergriff ihn, drehte ihm einen Arm auf den Rücken und zog ihn hoch. Seine Schulter protestierte mit stechendem Schmerz gegen die Misshandlung. Er starrte krampfhaft zu Boden. Ein Paar glänzender schwarzer Schuhe unter grauen Hosenbeinen bewegte sich in sein Blickfeld.

"Sieh mich an", sagte eine samtweiche Stimme. Omi weigerte sich, aufzusehen.

Eine Hand packte sein Kinn, und er warf wild den Kopf zurück, aber ohne Erfolg. Er knirschte mit den Zähnen, als sich stählerne Finger in sein Fleisch bohrten und seinen Kopf still hielten, um ihm ins Gesicht zu sehen.

"Sieh an. Ich wusste doch, dass du auf mich warten würdest." Der grau gekleidete Herr lächelte überlegen. Seine Stimme war trügerisch sanft.

Omi erwiderte seinen Blick wütend. "Was soll das?", zischte er durch zusammengebissene Zähne.

"Nur keine Aufregung", sagte DeRenard besänftigend. "Bisher hat dich doch niemand schlecht behandelt, oder?" Sein Lächeln war geradezu ekelhaft freundlich.

"Was nennen Sie denn schlechte Behandlung?", fauchte Omi.

"Willst du das wirklich wissen?" In seiner heuchlerischen Stimme schwang jetzt ein drohender Unterton mit. "Ich möchte mich nur mit dir unterhalten. Und da du so unhöflich warst, mich einfach stehenzulassen, haben meine Leute dich freundlicherweise aufgehalten." Sein dankendes Nicken galt den Männern, die Omi noch immer umringten. Zwei von ihnen waren hinter ihren Herrn getreten und flankierten ihn wie eine persönliche Leibwache.

"Aufgehalten?", entgegnete Omi aufgebracht. "Überfallen, wäre ein treffenderes Wort!"

"Unerheblich", tat der Franzose den Einwand ab. "Meine Männer tun nur, was ich ihnen auftrage."

Omi warf einen Blick in die Runde. "Sieben gegen einen - das ist unfair", beschwerte er sich.

"Ich habe nie behauptet, fair zu spielen", belehrte DeRenard ihn herablassend.

"Sie sind erbärmlich", urteilte Omi voller Verachtung. "Lassen Sie mich - ah!"

Sein Bewacher hatte ihm einem Tritt in die Kniekehlen versetzt, so dass er vor dem Mann auf die Knie sank. Omi hob den Kopf und funkelte ihn an. Er hoffte mit aller Macht, dass sein Gesicht die Angst nicht verriet, die ihn innerlich auffraß. DeRenard blickte belustigt auf ihn hinab.

"Schon besser. Du wirst noch lernen, wie man mich behandeln sollte."

"Was wollen Sie?"

"Dich wissen lassen, dass es mich gibt. Das sollte fürs Erste genügen. Ihr dürft fortfahren", erlaubte er seinen Schergen liebenswürdig. "Nein, halt - Moment noch. Keine bleibenden Schäden. Wäre doch schade um das hübsche Gesicht." Er zwinkerte Omi zu, wandte sich zum Gehen und hielt noch einmal inne.

"Ach, eins hätte ich beinahe vergessen..."

Er trat vor Omi, der noch immer auf seinen schmerzenden Knien hockte und kreidebleich geworden war, während der Franzose seine Anweisungen verteilte. DeRenard schob die Ärmel seines Jackets hoch, ballte probeweise ein Hand zur Faust und holte aus.

Der schmächtige Mann war stärker als seine Statur vermuten ließ. Sein Schlag schleuderte Omi rücklings zu Boden und ließ ihn sekundenlang nach Luft schnappen.

DeRenard beugte sich über ihn.

"Das war für das erbärmlich", flüsterte er triumphierend.

Omi schloss die Augen. Seine Wange fühlte sich taub an und ein zunehmendes Schwindelgefühl ließ die Welt um ihn herum schwanken. Wie aus weiter Ferne hörte er noch einmal DeRenards Stimme.

"Bitte. Er gehört euch."

Diesmal sah er den Tritt nicht kommen. Er traf ihn unversehens in die Seite und erzeugte einen grellen Schmerz, der ihn wie eine Welle überflutete. Omi keuchte auf, doch man ließ ihm keine Zeit, zu Atem zu kommen.

Er konnte nicht entkommen, nicht einmal ausweichen. Zu Anfang schrie er noch bei jedem Schlag, jedem Tritt, der ihn traf, doch bald wichen seine gequälten Schreie einem kraftlosen Stöhnen. Wimmernd vor Schmerz rollte er sich zusammen, machte sich ganz klein.

Am Rande nahm er wahr, dass die Männer grobe Witze über ihn rissen, während sie mit offensichtlichem Vergnügen ihre Arbeit taten. Ihr Lachen drang wie aus einer fremden Welt zu ihm hinüber und ließ seine Verzweiflung wachsen, bis sie ihn völlig ausfüllte.

Als sie von ihm abließen, konnte er nicht glauben, dass die Folter zu Ende war. Er blieb reglos liegen und lauschte seinen eigenen zitternden Atemzügen, bis er in weiter Ferne eine ungeduldige Stimme hörte: "Na los, du kannst gehen."

Er war ganz und gar nicht sicher, ob er das konnte.

Lieblose Hände zerrten ihn in die Höhe und stellten ihn auf die Füße. Einen Moment lang stand er da wie betäubt. Die Welt schwankte um ihn her. Er wagte nicht, den Blick vom Boden zu heben.

Ein rohes Lachen. "Hast du noch nicht genug, Kleiner?"

"Vielleicht gefällt es ihm bei uns", schlug eine andere Stimme vor. Omi stöhnte leise, als ihm jemand leicht gegen die Schulter schlug. "Hey Kleiner, willst du noch eine Runde?"

Nur das nicht! Vorsichtig hob er einen Fuß vom Boden und machte einen Schritt. Wie weit würde er kommen, bis sie ihn wieder einfingen? Sie würden ihn nicht entkommen lassen, sicher nicht. Aber er konnte diese Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen...

Schwankend ging er weiter. Die Männer gaben den Weg für ihn frei. Meinten sie es doch ernst? War er frei?

Der letzte stellte ihm ein Bein. Zu benommen, um auszuweichen, stolperte er und fiel. Der Boden unter seinen Händen war nass. Unter dem schadenfrohen Gelächter der Zuschauer rappelte Omi sich auf. Irgendwie war Sand in seinen Mund gelangt. Er spuckte aus und wankte weiter.

Niemand hielt ihn an. Ein zaghafter Funken Hoffnung glomm in ihm auf. Ließen sie ihn tatsächlich gehen? War er frei?

Seine Schritte wurden leichter, schließlich lief er taumelnd los. Die Männer blieben in der Dunkelheit zurück, aber ihre lachenden Stimmen folgten ihm, als er stolpernd das Weite suchte. Schmutzig, zerschunden und gedemütigt, aber am Leben.
 

Omi starrte stumm aus dem Fenster. Er hatte stockend berichtet, was geschehen war. Die schmerzhaften Einzelheiten hatte er verschwiegen. So war es ein sehr kurzer Bericht geworden. Jetzt saß er teilnahmslos da und brach sein Schweigen nur, um Youji Richtungsanweisungen zu geben.

Endlich hielten sie vor dem Blumenladen. Youji parkte schwungvoll und stieg aus, doch als Omi auf die Ladentür zusteuerte, blieb er unsicher auf dem Gehsteig stehen.

Omi wartete an der Tür auf ihn. "Na, was ist? Kommst du?"

"Ich weiß nicht." Youji zögerte. "Darf ich denn..."

"Es macht keinen Sinn mehr, dir alles zu verheimlichen. Wir brauchen dich." Er blickte unglücklich zu Boden. "Nach dem heutigen Abend ist das mehr als klar."

"Also gut..." Youji folgte ihm zögernd ins Haus. Ein seltsames Gefühl ergriff ihn, als er durch den Laden ging. Der Duft frischer Schnittblumen, die Einrichtung des Verkaufsraumes, die bunten Schürzen am Kleiderhaken neben der Tür... alles kam ihm merkwürdig bekannt vor. Als wäre er erst gestern hier gewesen. Als käme er nach Hause. Gleichzeitig aber war er so sicher, diesen Ort nicht zu kennen...

Es verwirrte ihn maßlos, und so schüttelte er nur müde den Kopf und folgte Omi in den hinteren Teil des Ladens. Als der Junge die Tür öffnete, hörten sie bereits laute Stimmen.

"Wir brauchen dich nicht, Schwarz!", sagte jemand drohend.

"Lügner", entgegnete eine spöttische Stimme. "Du denkst gerade: Wie sollen wir es ohne sie schaffen?"

"Halt dich aus meinen Gedanken raus!"

Ein amüsiertes Lachen. "Falsch gedacht. Deine Gedanken gehören nicht dir allein."

"Raus aus meinem Kopf!", brüllte der andere.

Omi beschleunigte beunruhigt seine Schritte.

"Warum so aufgeregt?", stichelte die ruhige Stimme. "Du musst dich daran gewöhnen, dass..."

"Halt den Mund!"

Ein dumpfes Krachen, ein doppelter Aufschrei und dann eine dritte Stimme:

"Was soll das? Hört auf! Schuldig! Ken!"

Omi stürmte die Wendeltreppe hinunter. Youji blieb ihm dicht auf den Fersen.

Zwei Gestalten wälzten sich keuchend am Boden. Eine von ihnen hatte flammend orange-rotes Haar. Papierschnipsel wirbelten durch die Luft wie Schnee. Etwas abseits stand ein junger Mann, der den beiden Kontrahenten hilflos zusah. Er drehte sich um und erblickte Omi.

"Omi, schnell! Tu etwas!"

Ohne zu zögern versuchte Omi, die beiden zu trennen. Doch bei der ersten Berührung sprang er mit einem Aufschrei zurück, als hätte er sich verbrannt.

"Nagi, ich kann nicht! Was ist das?"

Nagi wirkte verzweifelt. "Schuldig hat völlig die Kontrolle verloren! Sie haben gestritten, Ken ist explodiert und hat ihn angegriffen. Bei dem Kontakt gab es eine Art Rückkopplung seiner Gefühle und jetzt-"

"Kannst du nicht..."

"Ich kann meine Kraft auch so kaum kontrollieren. Wenn ich einen von ihnen berühre, fliegt hier alles in die Luft!" Seine Haare flatterten in einem unsichtbaren Wind. Alles im Raum schien sich zu bewegen. Ein Buch rutschte über die Tischplatte, flog quer durchs Zimmer und knallte gegen die Wand. Unter dem Schreien und Stöhnen der zwei Männer, die verzweifelt miteinander rangen, schlug Omi die Hände vors Gesicht.

"Verdammt!"

Sekunden später sah er auf. "Youji, komm her! Nagi, er hat eine Amnesie. Könnte ihn das schützen?"

Nagi biss sich auf die Lippen. "Möglich... Versuch es."

Youji blickte unsicher von einem zum anderen.

"Bitte", flehte Omi drängend.

Youji holte tief Luft, trat zu den Kämpfenden und packte den Rothaarigen. Während er den wild um sich schlagenden Mann zur Seite zerrte, fühlte er dessen überkochende Gefühle auf sich abfärben. Ein brodelndes Gemisch aus Wut und Angst floss durch den anderen in seinen Geist, bis sich alles in ihm schmerzhaft verkrampfte... doch da blieb eine Wand, wie eine Glasscheibe, die ihm erlaubte, die fremden Emotionen wahrzunehmen, aber verhinderte, dass er ihnen erlag. Und dann war es vorbei.

Der andere wehrte sich nicht mehr und Youji ließ ihn los. Nagi atmete auf und das fliegende Papier sank langsam zu Boden.

Omi stürzte an ihm vorbei zu dem Jungen, der noch am Boden lag.

"Ken!" Er fiel neben ihm auf die Knie. "Ken, alles in Ordnung?"

Ken hob den Kopf und stöhnte. "Mann, hat der einen harten Schlag..."

Omi drehte sich zu dem anderen um. "Schuldig, was sollte das?"

"Der Idiot hat mich angegriffen", sagte Schuldig und betastete seine aufgeplatzte Lippe. Ärgerlich starrte er auf seine blutverschmierten Finger. "So kann ich mich doch nicht auf der Straße sehen lassen..." Omi warf ihm einen bösen Blick zu.

Ken setzte sich auf. "Er hat mich provoziert!", rechtfertigte er sich. "Woher sollte ich wissen, dass er gleich völlig ausrastet?"

Schuldig lachte auf. "Du weißt doch, dass wir alle langsam die Kontrolle verlieren. Ich habe dich für klüger gehalten. Andererseits, wenn man sich ansieht, was so in deinem Kopf vor sich geht..."

Ken sprang auf. "Suchst du Streit? Ich hätte gute Lust auf eine zweite Runde!"

"Ich aber nicht", entgegnete Schuldig nur und ließ sich auf die Rückenlehne des Sofas sinken.

Nagi schaltete sich ein. "Schuldig, wie konnte das passieren?"

"Körperkontakt", antwortete der gelassen. "Das verstärkt die Übertragung. Kenken ist ein solcher Hitzkopf", sagte er in übertrieben süßlichem Ton. "Diese Riesenwut hat meine Schutzwände einfach überrannt."

"Meine Wut?" Ken hatte sich aufgerichtet und klang schon wieder sehr gereizt. "Zugegeben, ich war wütend. Ich bin es immer noch! Aber die Angst, die ich gespürt habe, kam allein von dir."

Schuldig zeigte keine Regung. "Das mag sein. Übrigens, Ken-" Er lächelte boshaft. "Du hast mir nie zuvor erzählt, dass du..."

Ken ahnte wohl, was er sagen wollte, denn er lief rot an vor Zorn. "Pass auf, was du sagst, sonst..." Er machte einen Schritt auf Schuldig zu.

"Das reicht!", fuhr Omi scharf dazwischen. Er hob beschwichtigend die Hände und trat zwischen die Streitenden. "Die Situation ist schon kompliziert genug, ohne dass ihr Euch an den Hals geht."

Ken atmete tief durch und sah Omi erstmals genauer an.

"Was ist denn mit dir passiert? Du siehst schrecklich aus."

Schuldig verschränkte die Arme vor der Brust. "Er hat gewaltig eins aufs Maul gekriegt", antwortete er lakonisch, bevor Omi wusste, was er sagen sollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  SilentHypoCrit
2005-09-30T05:37:53+00:00 30.09.2005 07:37
Nur so als Anmerkung bzw. Disklaimer. Habe die Fic um etwa 3 Uhr Nachts gelesen. Den Kommentar dann um halb acht geschrieben, ohne dazwischen geschlafen zu haben. Von daher übernehme ich keine Qualitätsansprüche für die Review ^^
Von:  SilentHypoCrit
2005-09-30T05:34:51+00:00 30.09.2005 07:34
Oh ja, gute Fragen da oben (bzw. Unten), was machen Schwarz bei Weiß (oder dem, was davon noch übrig ist?) So etwas wurde oft versucht und scheiterete wohl meisten kläglich (bzw. die Erklärung tat es) Ich kann dabei nur hoffen, dass du weißt was Du tust. Die Konstruktion des ersten Kapitels schließt das nicht aus. Für das zweite gilt das leider nicht so.
Vor allem der Flashback bzw. der Übergang zum Flashback haben irgendwie nicht so gepasst. Vielleicht hätte man den Flashback selbst erst vor Yukis Tür beginnen lassen und das davor in einen Gedankenmonolog verpacken können, der das Ganze zusammenfast.
Der größte Kritikpunkt allerdings ist leider der Bösewicht. Ok bin gespannt ob du das hinkriegst. Aber ein obergemeiner dreckige Schüft (hey er isn schleimiger Franzose), der ja einem (nach Glühen spielt das ganze, oder?) Nagi und Omi(der ist Perser gewesen!) entgegentreten kann (das sollte er, oder noch nicht genannte Hintermänner zumindest können, und das ist nicht ganz leicht) und nur mal so vorbeischaut, um den kleinen Omi verhauen zu lassen? Entweder er ist komplett durchgeknallt und größenwahnsinnig, oder er hat was ganz anderes im Sinn. Seine Dialoge sind auch komisch, aber ich glaube das liegt in diesem Falle einfach an der deutschen Sprache (ein Grund warum ich bisher auf Englisch geschrieben habe). Das "Du" lässt das ganze irgendwie so harmlos erscheinen. Gleichzeitig wäre ein "Sie" aber wahrscheinlich zu geschwollen.
Überarbeitet den Diaolog wirklich nochmal. Am besten mit weniger Worten überhaupt. So klingt es einfach zu klischeehaft. In Erinnerung habe ich ungefähr folgendes:
"Ich bin der böse Bösewicht und hier um dich zu verhauen."
"Wie gemein!"
"Tja so bin ich eben!"
"Kommt jungs seit noch ein bischen gemeiner zu ihm. Er hat ja nur gerade zwei von uns umgelegt."
Naja, wäre aber trotzdem interessant zu erfahren, wohin das gehen würde. Wir werden sehen. ^^
Dein Stil ansich (ausser die etwas verunglückten Dialoge) finde ich nämlich ziemlich gut. Vor allem im Ersten Kapitel.
Von:  Xell
2005-03-31T17:14:01+00:00 31.03.2005 19:14
Interesante FF. Aber was machen Schu und Nagi bei Weiß? O_O Schreib bitte weiter!
Von: abgemeldet
2005-02-09T22:17:15+00:00 09.02.2005 23:17
Uhhh....jetzt wird's interessant. *gg*
Schwarz und Weiß....Vereinigung????
Wäre ja geil.
Weiterschreiben!!


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