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Große Jungs weinen nicht,

denn das ist peinlich.
von

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Die planlose Action

Entschuldigt den schlechten Scherz ...
 

„Am Besten du ruhst dich erstmal aus, Anzu.“ Yugi hatte dem Mädchen die Tür zu ihrem Zimmer aufgehalten und nun gestikulierte er in Richtung ihres Sofas. Lächelnd folgte Anzu seiner Anweisung.

Hinter ihr war Hiroto ins Zimmer getreten. Vorsichtig platzierte er ihre Schultasche, welche er zusätzlich zu seiner eigenen getragen hatte, unter Anzus Schreibtisch.

„Ich muss jetzt los. Ich habe Opa versprochen ihm heute im Laden zu helfen.“ entschuldigte sich Yugi. „Ist auch wirklich alles in Ordnung mit dir?“ Fragend sah er das braunhaarige Mädchen an. Ihre Schläfe war angeschwollen und blau-lila angelaufen und alles in allem sah es ziemlich schmerzhaft aus.

Anzu lächelte Yugi liebevoll an.

„Es ist wirklich alles in Ordnung, danke Yugi. Mach dir um mich keine Sorgen.“

Er schien nicht wirklich davon überzeugt zu sein, aber am Ende verabschiedete er sich doch von seinen beiden Freunden um nach Hause zu gehen.
 

Hiroto war in die Küche der Mazakis gegangen um einen Eisbeutel zu holen. Als er wieder kam, stand Anzu vor ihrem bodenlangen Spiegel und betrachtete die Schwellung.

„Wenn ich den Pony runter kämme sieht man es überhaupt nicht mehr.“ stellte sie befriedigt fest. Mit beiden Händen strich sie ihre Haare über ihre Stirn, bis man die Beule nur noch bei genauerem Hinsehen entdeckte.
 

Anzu wandte sich vom Spiegel ab, nahm Hiroto mit einem Lächeln den Eisbeutel aus der Hand und ließ sich seufzend aufs Sofa fallen.

„Was sag ich denn nachher meiner Mutter?“ erkundigte sie sich ein wenig unsicher bei Hiroto.

„Versuch die gute alte 'Ich bin gegen eine Tür gelaufen' Ausrede.“ schlug er halbherzig vor. Sie nickte leicht.

„Das könnte vielleicht klappen. Und Joey hat mich angerempelt. Sie kennt ihn ja.“ Anzu lächelte ihm wieder zu, doch er wich ihrem Blick aus.

„Willst du dich nicht hinsetzen, Hiroto?“ Sie wies mit der Hand neben sich. „Möchtest du vielleicht was trinken?“

„Eigentlich sollte ich dich ja bedienen.“ antwortete er ihr leicht verlegen.

„Ach was.“ wehrte Anzu energisch ab. „So schlimm ist es nun wirklich nicht. Ich hab mir beim tanzen schon viel schlimmere Verletzungen zugezogen.“

„Echt?“ verwundert sah Hiroto sie an. Bisher hatte er tanzen als eher ungefährlichen Zeitvertreib angesehen.

„Klar, ich hab mir zum Beispiel mal meinen Knöchel gebrochen und musste vier Wochen lang so einen peinlichen Gipsverband tragen der wie ein Skischuh aussieht. Das Teil war einfach nur furchtbar. Roter Verband und ich hatte überhaupt nichts passendes anzuziehen.“ Sie lachte.

„Und jetzt komm endlich her, du machst mich ganz nervös!“

Hiroto hätte ihr gerne mit 'Du mich auch.' geantwortet, aber er wusste, das Anzu ihn nicht verstanden hätte.

Stattdessen wanderte er hinüber zum Fenster und sah hinaus.
 

„Ich glaube Joey mag Mokuba inzwischen sehr viel mehr als er zugeben will. Und jetzt hat er ein schlechtes Gewissen.“ überlegte Anzu laut. „Der Kleine wirkte richtig unglücklich in den letzten Tagen, fandest du nicht auch?“

Hiroto drehte sich zu Anzu um. Diese hielt sich den Eisbeutel auf ihre Stirn und hatte den Kopf leicht nach hinten geneigt. Ihre Augen waren geschlossen und er konnte deutlich eine Ader an ihrem Hals pochen sehen ... unter ihrer hellen, weichen Haut ... ihre Lippen leicht geöffnet. Schnell drehte er sich wieder zum Fenster.

„Aber was mich wirklich interessieren würde ist, warum Joey und du so sauer aufeinander ward.“ fuhr Anzu fort. Es war keine direkte Frage, aber Hiroto merkte deutlich, das sie eine Antwort erwartete.

Er zögerte. Irgendwo tief in ihm drinnen wusste er, dass der Streit gestern ein wenig unreif und lächerlich gewesen war. Die Möglichkeit, das Anzu dies genauso sehen könnte, beunruhigte ihn. Und doch fühlte er sich noch immer von Joey im Stich gelassen und hintergangen. Die heutigen Ereignisse hatten diese Gefühle nur noch bestärkt.

„Es könnte sein, das Joey mir gestern in der Werkstatt geholfen hat. Es könnte auch sein, dass er mitten bei der Arbeit plötzlich aufgesprungen ist und meinte er müsste Mokuba abholen.“ gestand er deshalb eher zögerlich ein.

„Könnte es dann auch sein, dass du darüber ein wenig sauer warst?“ erkundigte sich Anzu leise. „Habt ihr euch deshalb gestritten?“

Hiroto nickte leicht und Anzu musterte ihn.

„Warst du eifersüchtig, das Joey soviel Zeit mit Mokuba verbringt?“

Hiroto fühlte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Es war schwer sich das einzugestehen und vor allem, es sich vor Anzu einzugestehen.

„Mokuba und er scheinen sich echt super zu verstehen.“ presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor „Sie haben so viel Spaß zusammen.“

Ohne das er es bemerkt hatte war Anzu aufgestanden und hinter ihn getreten. Nun legte sie ihm eine Hand auf den Arm.

„Hiroto, man kann mehr als nur einen guten Freund haben, weißt du? Und selbst wenn Joey jetzt mehr Zeit mit jemand anderem verbringt, du hast doch immer noch Yugi und mich.“

Hiroto war sich sicher, das sein Herz kurz vorm explodieren stand. Es hämmerte wie wild in seinem Brustkorb. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, sich zu Anzu zu wenden und sie einfach zu küssen, aber wahrscheinlich würde er dann an einem Herzinfarkt sterben. Oder sie würde ihn angeekelt anschauen und dann würde er erst recht sterben.

Besser er sah einfach weiterhin aus dem Fenster, dem Rauschen in seinem Ohr lauschend.

Plötzlich beugte sich Anzu vor.

„Da ist ja dein kleiner Freund!“ bemerkte sie erfreut und voller stiller Verzweiflung blickte Hiroto an sich hinab um heraus zu finden, ob etwas passiert war, das seit dem er vierzehn war eigentlich nicht mehr einfach so passierte, doch Anzu meinte seinen anderen Freund.
 

Unsicher stand Joey vor dem Haus der Mazakis. Er hatte einen Strauß Blumen in der einen Hand und die andere verharrte schon seit ein paar Minuten über der Klingel.

Immer wieder raffte er all seinen Mut auf, aber im letzten Augenblick verließ er ihn dann doch wieder.

Gerade wollte er entnervt aufgeben, da öffnete ihm Anzu die Tür.

„Komm schon rein, Joey.“ forderte sie ihn auf.

Erschrocken drückte er ihr den Strauß in die Hand.
 

Still beobachtete Seto Mokuba, der auf der Fensterbank saß und las. Aber er schien sich nicht auf sein Buch konzentrieren zu können, denn sein Blick glitt immer wieder hinaus auf die Straße.

„Er wird nicht kommen.“ bemerkte Seto nach einer Weile zufrieden.

Abweisend blickte Mokuba zu ihm hinüber.

„Wie kommst du darauf?“ verlangte er zu wissen.

Setos Mundwinkel zuckten. „Er muss sich heut um seinen richtigen Freunde kümmern.“

Die Andeutung blieb Mokuba nicht verborgen.

„Ach ja?“

„Er und dieser Junge mit dem Horn auf dem Kopf haben sich heute auf dem Schulhof geprügelt und das Mädchen mit den Miniröcken ist dazwischen gegangen. Wheeler hat sie K.O. Geschlagen.“ Seto stellte das nicht ganz ohne Befriedigung fest. Die Sozitruppe dabei zu beobachten, wie sie sich selber fertig machte, verbesserte doch immer wieder seine Stimmung. Um ehrlich zu sein, allein nur Wheeler beim sich aufregen zu beobachten verbesserte schon seine Stimmung. Was an sich schon wieder ziemlich traurig war. Ärgerlich konzentrierte er sich wieder auf seinen Bruder, welcher ihn ungläubig anstarrte.

„Das glaub ich nicht.“

„Bitte, wie du möchtest. Er wird hier aber heute nicht mehr auftauchen.“ achselzuckend wandte sich Seto wieder einer Zeitschrift zu.

„Aber warum?“ murmelte Mokuba und sah wieder aus dem Fenster.

Nach einer Weile sprang er plötzlich auf und lief in den Flur.

„Er ist doch gekommen!“ rief er triumphierend.

Sofort sprang Seto von seinem Sessel und stürzte ans Fenster. Tatsächlich saß Wheeler wie sonst auch auf seinem Roller, den zweiten Helm in der Hand.

Wütend stürzte Seto aus dem Haus.

„Was willst du hier? Hast du mich vorhin nicht richtig verstanden? Bist du so schwer von Begriff?“ fuhr er Wheeler an.

Dieser sah müde zu ihm auf.

„Lass stecken, Kaiba.“ murmelte er.

Seto packte den vor ihm Sitzenden am Kragen seiner Jacke und zog ihn mit einem Ruck hoch zu seinem Gesicht.

„Ich hab dir gesagt, wenn du nochmal hier auftauchst, verpasse ich dir eine Lektion die sich gewaschen hat, klar?“

In Wheelers gesundem Auge blitzte es wütend auf. Doch dann verschwand wieder jeglicher Kampfeswille und der Blonde blickte über Setos Schulter.

„Hey, Kleiner.“

Seto drehte sich um und stand einem verärgertem Mokuba gegenüber.

„Du hast ihm Prügel angedroht? Was ist los mit dir? Denkst du echt, du kannst mich mit Gewalt von irgendetwas abhalten?“ Wütend starrte Mokuba Seto an. „Und jetzt lass ihn los, wir wollen fahren.“

Automatisch hatten sich Setos Finger aus der Jacke des Blonden gelöst und dieser sackte zurück auf seinen Roller.

„Ist schon in Ordnung, Mokuba.“ beschwichtigte er in dieser uncharakteristisch leisen Stimme. Der kleinere Junge nahm seinen Helm, setzte ihn auf und schwang sich hinter Wheeler auf den Roller.

Ohne ein weiteres Wort fuhren die beiden Jungen davon.

Leicht desorientiert blieb Seto stehen, doch dann straffte sich sein Körper. Er rannte los. Auf gar keinen Fall würde er seinen kleinen Bruder an Wheeler verlieren.
 

„Was ist passiert, Joey?“ Fragend bohrten sich Mokubas Blicke in Joeys Rücken während sie durch die ewig gleichen Flure der Kaiba Corp. schlichen.

Dieser seufzte. „Ich hab mich mit Hiroto gezofft und Anzu ist irgendwie dazwischen geraten. Ich wollte sie nicht treffen.“

„Und sind die anderen jetzt sauer auf dich?“ wollte Mokuba wissen.

Joey schüttelte seinen Kopf. „Nicht mehr. Wir haben uns vorhin ausgesprochen.“

Mokuba versteifte sich etwas. „Dann ist ja gut.“

Er hätte den Blonden gern gefragt, ob er trotzdem zu ihm gekommen wäre, auch wenn sich das mit Anzu nicht geklärt hätte. Aber er hatte Angst vor der Antwort und schwieg deshalb lieber.
 

Sie waren heute früher fertig als sonst. Den Prototypen zu vollenden hatte weniger Zeit in Anspruch genommen, als Mokuba gedacht hätte. Lächelnd steckte er das gut verpackte Gerät in seine Tasche und wand sich dann Joey zu.

Dieser stand ungewöhnlich still und ein wenig blass an der Tür.

„Wir sind nicht mehr allein.“ zischte er.

Mokuba erstarrte. „Der Wachmann?“

„Vielleicht. Aber es sind mehrere.“ Fragend sah Joey zu ihm. „Gibt es noch einen anderen Weg raus?“

Mokuba nickte. „Die Labors sind alle miteinander verbunden.“

Joey nickte ihm zu, woraufhin Mokuba die silberne Zugangskarte aus seiner Jackentasche fischte und in einen Schlitz an der Wand steckte. Ein leises Klicken ertönte und eine vorher verborgene Tür öffnete sich einen Spalt breit. Mokuba wollte sie aufstoßen, doch Joey hielt ihn zurück.

Vorsichtig lauschte er an dem Spalt, bevor er die Tür blitzschnell aufstieß und tief gebückt den Raum dahinter betrat, in dem das Licht automatisch angegangen war.

Einen Augenblick lang blieb alles still, dann zog Joey Mokuba hinter sich in den Raum und schloss die Tür durch die sie gerade gekommen waren.

Schnell lief Mokuba hinüber zur anderen Seite des fast identischen Labors um die Karte erneut in einen Schlitz zu schieben. Mit einem leisen Klicken öffnete sich der nächste Durchgang und wieder lauschte Joey erst, bevor er sich in den angrenzenden Raum stürzte, bereit zum Kampf.

Unbehagen machte sich in Mokuba breit. Joey und er schienen die einzigen zu sein, die im Gebäude waren. Doch irgendetwas schien der blonde Junge bemerkt zu haben, denn immer wieder lauschte er beim vorbeigehen an den Türen die hinaus auf den Gang führten und mehr als einmal glaubte auch Mokuba ein Stimme oder das Klicken einer Tür gehört zu haben.

Er wusste nicht, ob er sich das nur einbildete, doch auch er bekam langsam das Gefühl verfolgt zu werden.

Wieder sprang der Blonde voraus in den nächsten Raum. Mokuba blieb halb hinter der Tür verborgen zurück. Joey wollte ihn gerade zu sich winken, da tauchte ein Schatten hinter ihm auf und plötzlich befand er sich im Schwitzkasten eines ganz in schwarz gekleideten, maskierten und ziemlich großen Mannes.

Mokuba überlegte noch, was er tun sollte, da beugte sich der Mann plötzlich über Joey, welcher ihm daraufhin seinen Hinterkopf ins Gesicht rammte. Der Kopf des Mannes flog nach hinten, wo er von einem massiven Gegenstand getroffen wurde.

Mit einem dumpfen Geräusch sackte der Mann in sich zusammen. Doch hinter ihm tauchte eine andere Gestalt auf.
 

Joey beglückwünschte sich einmal mehr für sein ausgeprägtes Glück.

Seine und Mokubas Verfolger schienen sich genau hinter ihnen zu befinden. Immer wieder hörte er leise Stimmen, Schritte oder das Klicken einer Tür, doch bis jetzt waren die beiden Jungen unbehelligt geblieben.

Halb geduckt sprang in den nächsten Raum, sah sich kurz um und drehte sich dann zu Mokuba um.

Dieser riss plötzlich erschrocken seine Augen auf und im nächsten Moment schlangen sich zwei kräftige Arme von hinten um Joey und hielten ihn fest. Ohne lange zu überlegen rammte er seinem Angreifer einen Ellenbogen in den Magen und knallte ihm seinen Hinterkopf hoffentlich genau auf die Nase.

Die Umklammerung lockerte sich sofort und er drehte er sich blitzschnell um. Hinter ihm stand Kaiba.
 

Verdutzt blickte er den Größeren an, dann fiel sein Blick auf den Mann, der bewusstlos auf dem Boden lag.
 

„Seto!“ keuchte Mokuba hinter ihm und lief zu seinem Bruder, der ihn kurz an sich drückte.

„Sie sind im ganzen Untergeschoss.“ informierte Kaiba sie flüsternd. Er schien völlig außer Atem zu sein, als ob er eine lange Zeit gerannt wäre.

„Wohin jetzt?“

Irgendwie musste der andere ja trotz dieser maskierten Männer hier herein gekommen sein.

Anstatt ihm zu antworten winkte Kaiba kurz in Richtung der Tür, die zum Flur führte.

„Halt Wache.“ wies er ihn kurz angebunden an.

Joey folgte der Anweisung. Als er sein Ohr an die Tür presste, hörte er leise Schritte, dann zwei flüsternde Stimmen. Sie schienen sich vor dem Raum nebenan zu befinden. Leises Kratzen hinter ihm, ließ ihn sich zu den Kaiba Brüdern umdrehen.

Sie waren verschwunden. Verwundert trat Joey ein paar Schritte vor, bevor er die schmale Öffnung im Boden sah, aus der jetzt Mokubas Kopf auftauchte.

„Komm!“ flüsterte der schwarzhaarige Junge eindringlich. Joey ließ sich das nicht zweimal sagen und hechtete durch die Bodenluke vor ihm.
 

Ein wenig unsanft landete er in einem hell erleuchteten Gang. Seto schloss sofort die Klappe hinter ihm und starrte sie kurz an. Als Joey seinem Blick folgte, entdeckte er, das ein kleiner Monitor auf der Unterseite angebracht war. Er schob sich näher heran und sah von oben auf den niedergeschlagenen Mann herab. In dem Moment betrat ein zweiter maskierter Mann den Raum. Er stockte kurz und plötzlich schwärmten vier andere Männer in den Raum und begannen, dort alles auf den Kopf zu stellen.

„Kommt.“ forderte Kaiba sie leise auf und die beiden Jungen folgten ihm den Tunnel entlang.
 

Wie sich herausstellte gab es nicht nur einen Tunnel. Immer wieder kamen die drei Jungen an Kreuzungen von denen manchmal mehr als vier Tunnelöffnungen abzweigten. Das Ganze wirkte wie ein Abwassersystem oder wie ein Bunker. Joey kam zu dem Schluss, das es wahrscheinlich letzteres wahr, schließlich gehörte es Kaiba.

Die Röhren waren aus Beton gegossen und genau so weiß wie die Labors über ihnen. Nur der Boden war grau gestrichen. Die Sicherheitslampen an der Decke waren zu hell und ließen alle Schatten verschwinden.

In regelmäßigen Abständen befanden sich weitere Luken in der Decke die zu den anderen Labors über ihnen führten. Jede Luke besaß einen eigenen kleinen Monitor, der den darüber liegenden Raum zeigte. Etwa die Hälfte dieser Monitore waren erleuchtet und man sah schwarze Schatten durch weiße Räume huschen.

Kaiba schien sich hier unten sehr gut aus zu kennen, denn ohne einmal zu zögern führte er sie im schnellen Tempo von einem Gang zum nächsten.

Erst nach einer halben Ewigkeit machte Kaiba in einem kleinen Raum Halt.
 

Hier drehte er sich erwartungsvoll zu seinem Bruder um und schaute ihn an.

„Was machst du hier?! Bist du die ganzen Wochen hierher gekommen? Was hast du dir dabei gedacht?“ verlangte er zu wissen. Wenn man nach der pochende Ader an seiner Schläfe ging und den geballten Fäusten, dann schien er ziemlich aufgebracht zu sein. Sicherheitshalber schob Joey sich langsam in eine der Ecken des kleinen Raumes.
 

„Wir haben hier gearbeitet.“ druckste Mokuba schuldbewusst herum.

„Gearbeitet? An den Computern der Corporation?“ fassungslos sah Kaiba auf seinen Bruder hinunter.

„Ich war vorsichtig!“ verteidigte sich dieser sofort. „Ich habe alle Spuren gelöscht! Sie können uns nicht mitbekommen haben! Und die Überwachungskameras wurden alle abmontiert.“

Kaiba sah ihn für einen Moment durchdringend an. „Hast du irgendjemandem erzählt das du hier bist?“

Mokuba schüttelte den Kopf.

„Ich bin nicht total verblödet!“ fuhr er seinen Bruder an, was diesen noch mehr zu verärgern schien.

„Du bist hier. Entschuldige also meine berechtigten Zweifel.“

Mokuba lief rot an und seine Stirn legte sich in ärgerliche Falten, doch er wich dem Blick seines Bruders aus.
 

Joey fühlte sich genötigt ein kurzes „Öhm.“ von sich zu geben.

Sofort wandten sich Mokuba und Kaiba zu ihm um. Letzterer schien zum ersten Mal die Anwesenheit Joeys wirklich wahrzunehmen und stürzte sich auf ihn wie ein Raubvogel auf einen hinkenden Welpen.

Drohend ragte der ältere Kaiba vor ihm auf und blaue Augen versuchten ihn zu durchdringen.

„Wem hast du es alles erzählt?“ verlangte er von Joey zu wissen.

„Öhm, also der Typ, von dem ich die Zugangskarte hab. Könnte sein, das ich Mokubas Namen erwähnt habe.“ erklärte Joey unsicher.

„Der hasst aber die neuen Besitzer! Der würde uns niemals an die verkaufen.“ beeilte er sich hinzuzufügen.

„Er hat Mokuba nicht an die neuen Besitzer verkauft.“ Kaibas Tonfall jagte Joey einen Schauer den Rücken hinunter, doch dieser trat wieder auf Mokuba zu, welcher plötzlich sehr blass geworden war.

„Du meinst ... ?“ fragte er leise und Kaiba nickte kurz.

Verwirrt blickte Joey von einem Kaiba zum anderen.

„Worum geht’s eigentlich gerade?“
 

Anstatt ihm zu antworten begann Kaiba unruhig hin und her zu wandern.

„Mokuba, was hast du dir dabei eigentlich gedacht? Dir müsste doch inzwischen auch klar sein, das das Ganze kein Spiel ist.“

Er drehte sich zu seinem kleinen Bruder um und sah ihn eindringlich an. Dieser hatte abwehrend die Arme vor seiner Brust verschränkt und presste seine Lippen fest aufeinander.

„Mir ist klar was los ist.“ antwortete er beleidigt. „Ich wollte nur meinen Teil beitragen. Aber du hast ja nie Zeit.“

Kaiba versteifte sich.

„Ich glaube nicht, das du wirklich begriffen hast, worum es hier geht.“ stellte er kalt fest. „Unsere Zukunft ist kurz davor sich in Luft aufzulösen. Alles wofür wir so hart gearbeitet haben ist fort. Wir stehen am Abgrund, Mokuba. Siehst du das nicht? Er hat alle unseren Geheimkonten leergeräumt. Verdammt, er hat sogar dein Sparschwein mitgehen lassen. Wir haben nichts mehr, gar nichts.“

„Das... das stimmt nicht.“ stotterte Mokuba verschüchtert. „Er hat uns nicht alles genommen. Wir haben noch uns.“

Alle Wut schien aus Kaiba zu weichen. Hart fiel er vor Mokuba auf die Knie und legte ihm beide Hände auf die Schultern.

„Das ist doch das, was mir so Sorgen macht, Mokuba. Wir leben noch.“ Eindringlich sah er Mokuba in dessen violette Augen. „Verstehst du, wir sind eine beständige Bedrohung für ihn. Er weiß genau, wenn ich jemals wieder genug Geld beisammen habe, werde ich ihn aufspüren und zurückzahlen, was er uns angetan hat. Deshalb wird er alles versuchen, um uns davon abzuhalten, jemals wieder irgendwo Fuß zu fassen. Er wird uns von allen abschneiden, von denen wir Hilfe erwarten könnten. Was denkst du denn, warum so viele ihre Jobangebote so plötzlich zurück gezogen haben? Das war er. Er hat sie bedroht. Und denk nicht, das ich übertreibe, du weiß das er dazu fähig ist und jetzt hat er auch die Mittel dazu.“

„Nein, das glaube ich nicht! Er kann uns nicht davon abhalten unser Leben weiterzuführen. Er ist nicht allmächtig, Seto!“ Verwirrt schaute Joey zwischen den beiden Brüdern hin und her. Kaiba hatte also tatsächlich sein ganzes Geld verloren. Bisher hatte Joey das nicht wirklich ernst genommen, passte es doch überhaupt nicht zu dem ehemaligen Firmenchef. Doch jetzt konnte er die Tatsache nicht länger ignorieren. Zum Glück war Kaiba im Moment zu sehr mit seinem Bruder beschäftigt um den mitleidigen Blick Joeys zu bemerken, ansonsten hätte er ihn wohl mit bloßen Händen erwürgt. Beschämt musterte Joey die Wand zu seiner linken.

„Wenn er dich entführen sollte wäre er das, wenigstens für mich. Ich muss mich jetzt auf dich verlassen können. Ich brauche dich!“ sagte Kaiba gerade zu Mokuba. Joey hatte ihn noch nie so besorgt gesehen. Sein kleiner Bruder bedeutete ihm wirklich mehr als alles andere auf dieser Welt. Und er, Joey, hatte versucht, ihm das auch noch zu nehmen.
 

Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

„Es war Roland, nicht wahr?“ entfuhr es ihm. „Er wusste alles über euch und war immer in eurer Nähe! Aber er wirkte immer so loyal.“ Schockiert sah Joey die beiden an, halb darauf hoffend, das ihm jemand widersprechen würde.

Stattdessen sah Kaiba ihn bestürzt an.

„Wenn selbst Wheeler es herausfindet, weiß es bestimmt bald jeder andere auch.“

„Aber das ist doch super! Ich mein, der hat euch beklaut, dafür gehört der ins Gefängnis!“

Verwirrt kratzte sich Joey am Kopf. „Aber das willst du gar nicht, nicht wahr? Lieber stehst du vor allen als Verlierer da.“

Kaiba wandte sich wieder seinem kleinen Bruder zu und sah diesem fest in die Augen.

„Solange er sich sicher fühlt, sind auch wir sicher.“ Es hörte sich wie eine Art Mantra an, wenn er es nur oft genug wiederholte, würde es wahr werden. Aber Kaiba schien selbst nicht ganz daran zu glauben.

Doch Mokuba nickte langsam.
 

„Habe ich das eigentlich vorhin richtig gehört, war das Ganze hier deine Idee, Wheeler?“ Erschrocken sah Joey in zwei kalt glitzernde Augen, die jetzt direkt vor ihm zu schweben schienen.

„Öhm, nun ja, man könnte es so sehen.“ gestand er überrumpelt ein.

Doch sofort schaltete sich Mokuba dazwischen.

„Du wolltest ja nie etwas von meiner Idee hören! Joey hat mir seine Hilfe angeboten und ich habe sie angenommen. Wir haben uns nichts böses dabei gedacht!“ Bittend sah Mokuba seinen großen Bruder an, aber dieser achtete nur auf Joey.

„Du hast ihm also deine Hilfe angeboten? Warum?“

Unsicher blickte Joey sich um. Er hatte nie daran gedacht, das er hierauf vielleicht mal eine Antwort bräuchte. Fieberhaft suchte er nach einer plausiblen Erklärung für sein Verhalten, doch sein Kopf schien wie leer gefegt. Nach einer Weile zuckte er einfach mit den Schultern.

„Du weißt es nicht?“ hakte Kaiba nach. „Hast du es getan, weil du ihn so gern hast? Weil du so ein herzensguter Mensch bist? Oder steckte etwas anderes dahinter? Wolltest du vielleicht irgendetwas damit erreichen?“

Wieder schwieg Joey, doch er konnte nicht verhindern, das ihm eine leichte Röte ins Gesicht stieg. Er hatte das Gefühl Kaiba könne ihm direkt in seinen Kopf blicken und hatte dort die Antwort schon längst gefunden.

„Ich verstehe.“ Kaiba trat einen Schritt zurück, sah ihm dabei fest in die Augen. Für einen Augenblick glaubte Joey so etwas wie Enttäuschung darin zu erkennen. Endlich drehte der Größere sich wieder zu seinem Bruder um. „Wheeler hat dich nur benutzt, Mokuba, genau wie ich es dir gesagt hatte.“ Müde legte er eine Hand auf die Schulter des kleinen Schwarzhaarigen. „Lass uns gehen.“

„Joey?“ Der kleine Kaiba sah verwirrt von seinem Bruder zu dem Blonden. „Was meint er damit?“

Joey wollte ihm gerne sagen, das Seto Kaiba nur Schwachsinn von sich gab und er ihm natürlich geholfen hatte, weil er ihn so gern mochte, aber er war schon immer ein schlechter Lügner gewesen. Vergeblich suchte er nach Worten, die die ganze Sache erklären konnten, aber letzendlich zuckte er nur mit den Schultern und sah den Kleinen entschuldigend an.

„Warum sagst du nichts?“ Mokuba sah ihn mit großen Augen an. Eine vage Bitte schwang in seiner Stimme mit.

„Komm Mokuba, wir haben hier schon zu viel Zeit vertrödelt.“ Kaiba wies auf eine Leiter, die zu einer Falltür an der Decke führte.

Nach einem letzten Blick in Joeys Richtung, drehte Mokuba sich gehorsam um und begann die Leiter an der Wand empor zu klettern. Seto folgte ihm und Joey bildete den Abschluss.
 

Die Leiter führte in die Besenkammer eines Wohnblockes in der Nähe des Glasturmes.

Ohne sich noch einmal umzudrehen verließen die beiden Brüder das Gebäude und Joey blieb mit seinem schlechten Gewissen allein zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Schreiberling
2007-01-11T13:27:32+00:00 11.01.2007 14:27
Traurig traurig.
Den armen Moki so zu hintergehen.
Aber dass es Roland war, war irgendwie gleich klar. Wer hätte es sonst sein sollen?
Trotzdem kann ich mir einen mordenden Roland nicht vorstellen. Sorry. Aber die Story is trotzdem super gut.
Bitte weiter.
Von: abgemeldet
2006-12-29T23:28:15+00:00 30.12.2006 00:28
Wahhh Joey wieso machst du auch immer solche Dummheiten!>_<
Maa~an das darf ja wohl nicht wahr sein.;_;
Also ich finde die Geschichte echt gut und werde sie auch weiter verfolgen!^^
Könntest du mir vieleicht bescheid sagen wenn es weiter geht?
Natürlich nur wenns keine Umstände macht.^^°
Sonst verpenn ich noch das neue Kapi.*drop*
Bin schon ma gespannt wies weiter geht!X3
Von:  vulkanier2
2006-11-22T22:45:14+00:00 22.11.2006 23:45
oh,das war ein super kapitel. bin ich froh,das mokuba und seto sich wieder lieb haben. ha,pech gehabt joey. aber traurig ist das schon,das sie total mittellos sind


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