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BlutsErben des Siegels

- Gegen das System -
von

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Prolog

Wie gesagt, mein Juwel! Man muss wohl viel Geduld haben, es zu lesen, aber bitte - ich glaube, es könnte sich lohnen...

Und noch eins: KOMMIS!!!
 

Der Mond schien durch die schweren, grauen Wolken, die schnell vom Wind mit sich getragen wurden, hier und da riss der Himmel auf und gab einen klaren Blick auf die Sterne frei.

Es war eisig kalt draußen, das Feuer prasselte wohlig warm im Kamin, aber dennoch konnte es die Kälte nicht ganz ausschließen, die sich durch alle Ritzen und Fugen quetschte.

Elodie griff nach der Holzbürste auf ihrer Kommode und fuhr damit durch ihr seidiges blondes Haar, dann legte sie die Bürste wieder weg, stand auf und schloß die knarrenden Fensterläden, an denen der Wind rüttelte.

Sie ging zum Regal, zog ein altes Buch heraus, nahm eine Decke und setzte sich auf den Teppich vor das Feuer, deckte sich zu und schlug eine vergilbte Seite auf.

Die Schrift war klein und verschnörkelt, und Elodie hatte Mühe, das Latein zu entziffern und zu übersetzen, da sie lange nicht mehr in den lateinischen Büchern gelesen hatte, doch der Inhalt lohnte sich stets.

Nach einer guten Stunde klopfte es. Sie stand auf, legte das Buch zurück an seinen Platz und drehte sich zur Tür.

"Ja bitte?"

Die eiserne Klinke wurde herunter gedrückt, und mit quietschenden Scharnieren öffnete sich die Eichentür.

Eine Magd trat demütig ein.

"Mademoiselle? Ein Gesandter der Kirche trat soeben ein, mit ihm ein junger Mann. Der Gesandte gab mir einen Brief für Euch und verließ das Haus sofort wieder, der junge Mann wartet in der Bibliothek."

Elodie nickte und nahm den Brief entgegen, das Siegel war noch ungebrochen.

"Ein Brief aus Rom also?", murmelte sie vor sich hin und schickte die Bedienstete mit einer Handbewegung aus dem Raum. Diese nickte, verneigte sich kurz demütig und schloß die Tür hinter sich.

Elodie brach das Siegel, das rote Wachs bröckelte auseinander, als sie den Brief auseinander faltete.

Er war in ihrer Muttersprache, in Französisch, verfasst, doch die Schrift war nicht weniger schwer lesbar als die in ihrem Buch. Auf die Ansprache achtete sie nicht, sie las gleich den Hauptteil.
 

"Das Blut des Ordens ist wieder erwacht, die Kommission hat den Papst davon in Kenntnis gesetzt, dass die Kräfte der ersten magischen Existenz entfesselt wurden. Die Hexenjäger haben sich über den Befehl des Papstes hinweggesetzt, sie haben sich auf die Suche nach Mitgliedern des Ordens gemacht um diese zu töten, sollten sie Erfolg haben. Jene Hexenjäger, denen nachgewiesen werden kann, sich eigenmächtig entschieden zu haben, werden nach Rom gebracht und dort vor das Gericht gestellt, wo sie nach Beweis der Schuld auf dem Scheiterhaufen hingerichtet werden.

Euer stillgelegtes Kloster soll die Zuflucht darstellen, welcher die Mitglieder vorerst bedürfen. Ein Mitglied befindet sich zur Zeit bei Euch , gebt ihm ein Mahl und eine Ruhestelle. Sollten alle zwölf beisammen sein, so hört Ihr wieder von uns. Der nächste Gesandte wird Euch für Eure Mühen entschädigen.

Gott segne Euch,

hochachtungsvoll,

Kardinal Augustinus"
 

Elodie atmete tief durch, faltete den Brief wieder, zog ein großes Buch aus dem Regal und schlug die erste Seite auf. Hier waren keine weiteren Seiten vorhanden, ein großer Quader war hinaus geschnitten worden, so dass man das Buch als Schatulle nutzen konnte. Sie legte den Brief hinein, stellte das Buch zurück und ging vor die Tür.

Die Magd hatte geduldig gewartet.

"Anne? Bitte Giselle zu mir in die Bibliothek und gehe in den Schlaftrackt. Richte ein Zimmer her. Ach ja, und setze vorher die Küche in Kenntnis, dass wir unser Abendessen heute um sieben einnehmen. Es muss ein Teller mehr gedeckt werden, der Fremde bleibt."

Anne nickte, machte demütig einen Knicks und lief den Flur nach rechts hinunter, bog nach links und stieg die Treppe hinab.

Die Kerzen flackerten nervös in ihren Haltern, Anne musste sie in der letzten Stunde entzündet haben, als es begann, zu dunkeln.

Elodie hob den leichten Stoff ihres Kleides um besser gehen zu können, wandte sich nach links und ging an mehreren Türen vorbei. Dieses ehemalige Kloster war einfach unglaublich groß, und sie hatte sich in hohen Räumen nie wohl gefühlt.

An der Treppe, die nun rechts nach unten führte, hielt sie an und stieg hinunter. Sie war in der Eingangshalle angekommen, die mit weißen Fliesen ausgelegt war. Die große Flügeltür war Elodie gegenüber, sie ging um das Treppengeländer herum und - jetzt mit der Tür im Rücken - rechts unter der Treppe hindurch, den Korridor bis zum Ende entlang und stand schließlich vor der Tür zur Bibliothek.

Sie drückte sie Klinke herunter und öffnete die schwere Tür.

Die Bibliothek war der einzige Raum, der keine vier Wände hatte. Er hatte zwei. Die in ihrem Rücken, in dem die Tür eingelassen war, und eine gebogene, die sich vom einen Ende der Wand bis zum anderen erstreckte. Das Dach war eine halbe Kuppel, in dem die vier Evangelisten als Glasmosaik eingelassen waren. Matthäus, einen Engel im Hintergrund, mit fließendem Wasser, das zwischen seinen Händen hindurch glitt, Markus zusammen mit einem Löwen, in den Händen eine Flamme haltend, Lukas mit einem Lamm und einem Pflanzentrieb und Johannes, von den Flügeln eines Adlers geschützt und eine Glaskugel mit einem Nebel darin im Griff.

Ein runder Teppich war auf dem Boden ausgebreitet, an den Wänden Regale über Regale mit Büchern.

Der Mann, der in diesem Raum gewartet hatte, zog seinen Mantel eng um sich und sah hoch in die Kuppel, wo man die Bilder zur Zeit, dank des mangelnden Lichts, kaum sehen konnte.

"Sie sind schöner im Morgenlicht, wenn das Licht sich in den Scheiben bricht"; sagte Elodie und trat näher.

Der Mann lächelte.

"Natürlich, davon gehe ich aus", antwortete er auf Französisch, allerdings klang sein Akzent sehr englisch, was Elodie nicht besonders gefiel.

"Darf ich fragen, wie Ihr heißt, Monsieur?"

Er lächelte, und helle Zähne kamen zum Vorschein.

"Mein Deckname auf der Reise hierher war Exodus. Mehr werde ich Euch noch nicht sagen, verzeiht mir meine Unhöflichkeit. Trotzdem bin ich so dreist, Euch nach Eurem zu fragen", sagte er mit glitzernden grünen Augen.

Was konnte man von einem Engländer schon erwarten?

Sie machte einen kleinen Knicks.

"Elodie Délieure."

Er nickte.

"Nun, Mademoiselle Délieure, man sagte mir, hier sei ich vorerst sicher."

Sie nickte und musterte ihn von unten bis oben.

"Nun, Exodus , man schrieb mir, Ihr seid ein Mitglied des Ordens der ersten magischen Existenz."

Er lächelte wieder, doch sie wusste nicht, ob er es tat, weil er über sie lachte oder weil er von ihr lediglich amüsiert war.

"Vielleicht hätte man Euch nicht so viel schreiben sollen, Mademoiselle, sonst erwischen Euch noch ein paar Hexenjäger."

Elodie lachte.

"Sie würden mir nichts tun, ganz im Gegensatz zu Euch offensichtlich. Ich habe Beziehungen zu der Kirche, die man nicht einfach übergehen sollte. Außerdem weiß ich mich zu wehren."

Exodus lächelte weiter und nickte.

"Offensichtlich."

Sie war verwirrt, hatte er das jetzt über ihre Beziehungen gesagt oder über seinen Stand gegenüber den Hexenjägern? Machte er sich über sie lustig?

Er blickte zum Kamin.

"Ein wenig kalt hier, stört es Euch, wenn ich Feuer mache?"

Elodie schüttelte den Kopf.

"Lasst nur, meine Zofe wird das erledigen, sie wird gleich hier sein."

Er lächelte noch immer.

"Es ginge aber schneller so", sagte er, hob die Hand zum Mund und pustete über seine geöffnete Handfläche zum Kamin hin.

Elodie traute ihren Augen nicht.

Da waren Flammen, die von seiner Hand bis zur Feuerstelle, die immerhin ungefähr acht Meter entfernt war, flogen, die Holzscheite entzündeten und glücklich anfingen zu prasseln. In Sekundenschnelle hatte er das Feuer gemacht, und es wurde gleich Wärmer in dem hohen Raum.

Exodus ließ seinen Mantel von den Schultern gleiten und legte ihn über seinen Arm.

In diesem Moment trat Giselle ein und stellte sich schräg hinter ihre Herrin.

Elodie drehte sich zu ihr um.

"Giselle, nimmst du diesem Herrn bitte seinen Mantel ab und bürstest danach mein weißblaues Kleid aus? Ich möchte es gleich zum Essen tragen. Das wäre alles, du kannst danach wieder gehen."

Giselle, die einzige ihrer Bediensteten, die auch einmal einem Befehl nicht gehorchte, sah Elodie mit stechenden Blicken aus den Augenwinkeln an.

"Mit Verlaub, Mademoiselle, aber dafür hättet Ihr mich nicht aus dem Bett holen müssen. Das hätte auch Anne erledigen können."

Elodie schüttelte den Kopf.

"Nein, Giselle, das hätte sie nicht, ich habe sie geschickt, ein Zimmer herzurichten. Nun murre nicht und tu mir den Gefallen."

Die Zofe nickte, ging zu dem Mann, der sich Exodus nannte, nahm seinen Mantel ab, machte einen Knicks und verließ die Bibliothek.

Er lachte leise.

"Eure Bedienstete scheint ihren eigenen Kopf zu haben."

Elodie nickte.

"Ja, aber ich habe den dickeren.

Nun gut, ich wüsste gerne, was das gerade war", sagte sie und deutete auf das Feuer im Kamin, das die Holzscheite hochkletterte.

Er wurde ernster.

"Das war das Blut der ersten magischen Existenz. Ich dachte, Ihr hättet davon gehört, Mademoiselle?"

Elodie nickte ein weiteres Mal.

"Ja. Doch ich hörte nur, dass Euer Orden im Interesse der Kirche ist, und dass ich ihm ein Heim bieten soll."

Exodus zog eine Augenbraue in die Höhe.

"Und Ihr hinterfragt niemals die Absichten der Kirche?"

Elodie schnaubte.

"Ich bin keine Ketzerin, Monsieur."

Exodus legte den Kopf in den Nacken und drehte sich im Kreis, um das Kuppeldach voll überblicken zu können. Erst jetzt sah Elodie ein Schwert an seiner Seite aufblitzen.

"Viele Ketzer sagten nichts gegen die Kirche selbst, sondern gegen ihre Weltansichten. Viele von jenen, die ihren Tod auf dem Scheiterhaufen fanden, starben im Recht. Oder ohne Grund."

"Ihr selbst klingt wie einer dieser Ketzer, Exodus."

Er zuckte mit den Schultern und wandte sich ihr wieder zu.

"Wer weiß das schon...? Und wer entscheidet, wann Ketzerei beginnt und wo sie endet?"

Elodie machte einen Knicks.

"Die Inqusition, Monsieur", sagte sie und machte eine kurze Pause, "Ich werde Anne rufen lassen, sie müsste inzwischen fertig sein. Ich lasse Euch auf Euer Zimmer bringen; wenn Ihr wollt, könnt Ihr mit uns zu abend essen. Teilt es Anne mit, sie wird Euch abholen, wenn Ihr wollt. Ihr kennt Euch ja hier noch nicht aus."

Er sah sie auf einmal kalt an, und sie ging mit dem unwohlen Gefühl, ihm ihren Rücken zuzuwenden, hinaus.

Sie schritt den Korridor zurück und bog schließlich nach links wieder in die Eingangshalle ein. An einer der Treppen war eine Glocke mit einem Band befestigt, Elodie zog an dem Seil und ein heller lauter Klang ertönte.

Nach wenigen Minuten des Wartens eilte Anne die Treppe hinunter.

"Ja, Mademoiselle?"

Elodie lächelte.

"In der Bibliothek wartet noch immer der junge Mann. Bringe ihn auf das Zimmer, das du gerade hergerichtet hast. Sollte er wünschen, mit uns zu Essen, so hole ihn um kurz vor sieben wieder von dort ab und bringe ihn zum Esszimmer. Das wäre alles."

Anne knickste und ging in Richtung Bibliothek.

Elodie dagegen ging den Weg, den sie gekommen war, wieder zurück, hoch in ihr Arbeitszimmer, wo noch immer das Feuer im Kamin brannte.

Sie setzte sich an den Schreibtisch, zog Feder und Tinte hervor, sowie ein Stück Papier, um einen Brief zu schreiben. Sie tauchte die Spitze der Feder in die schwarze Flüssigkeit, zog sie wieder heraus, ließ sie ein wenig abtropfen und setzte sie schließlich auf das Blatt, wo sie sich kratzend hin und her bewegte, das Schwarz zu Buchstaben und Worten formte und verweilte. Was war es nützlich, in einem Kloster aufgewachsen zu sein, wo man sie lesen, schreiben, rechnen und Latein gelehrt hatte.
 

"An den Konklave um Papst Nikolaus V
 

Ich habe den Brief erhalten, den mir Kardinal Augustinus schrieb, und den Mann des Ordens in Gottes Namen empfangen. Ich bin verständlicherweise nicht froh gesonnen, einen Engländer im Hause zu haben, doch ich werde der Order der Kirche folgen, so wie meine Mutter es getan hätte, als sie noch fähig war, die Stimme unseres Herrn wahrzunehmen. Dennoch möchte ich mit diesem Brief den Verdacht äußern, einen Ketzer in meinem Hause zur Ruhe kommen zu lassen, und erwarte dringend einen weiteren Brief, was es mit diesem Orden auf sich hat. Voll Hochachtung sage ich, dass Ihr sehr wohl wisst, dass ich keine Probleme habe, Hexenjäger abzuwehren, doch ich wünschte zu wissen, wofür ich dieses Risiko auf mich nehme.

Ehrfurchtsvoll,

Elodie Délieure von Orléans"
 

Elodie faltete den Brief, beschriftete ihn mit einer Adresse in Rom, griff nach einer Kerze und entzündete sie mit dem Feuer aus dem Kamin, träufelte Wachs auf das Papier, wo die Blattenden sich überschnitten, öffnete eine Schublade ihres Tisches und zog einen Stempel heraus, den sie auf das warme Wachs drückte. Ihr Siegel.

Dann pustete sie die Kerze aus, ging zum Kamin, griff nach der Schippe und dem Sand, der daneben stand und erstickte das Feuer.

Sie ging die Treppe hinunter, durch die Eingangstür hindurch, wandte sich nach links in den Garten, wo Gemüse angebaut wurde und die alten Weinranken noch immer wucherten, hinter das riesige Haus und zu den Ställen.

Ein Pferd mehr stand jetzt hier, es musste zweifellos Exodus gehören. Ein schwarzer Hengst mit langer Mähne. In den vielen Boxen waren jetzt drei Tiere, zwei gehörten ihr.

Neben den Pferdeställen war der Vogelkäfig, eine riesige Voliere aus hartem, robustem Holz. Sie schob sich einen ledernen Handschuh über den rechten Unterarm, schnürte ihn umständlich fest und öffnete das Schloß und damit die knarrende Tür.

Sofort flog ein riesiger Vogel zu ihr und ließ sich auf ihrem Arm nieder, die riesigen Krallen im Leder versenkt, lange Bänder daran, die markierten, dass das Tier einen Besitzer hatte.

Elodie lächelte ihren Wespenbussard an, er war ihr ganzer Stolz.

"Aer, du musst für mich den Brief zu Monsieur Ferin schaffen, hörst du? Ferin!"

Der Vogel sah ihr in die Augen und schrie kurz, aber kräftig.

Elodie lächelte.

"Sehr gut", murmelte sie, nahm eines der Bänder um seine Krallen und band den Brief notdürftig daran fest.

Er breitete die Flügel aus, schlug damit und stieß sich mit einem Ruck von ihrem Arm ab.

Sie nahm den ledernen Handschuh, legte ihn wieder hin und ging zurück in das große Haus.
 

Als sie sich umgezogen hatte - sie trug jetzt ein weißes, langes Kleid mit weiten Ärmeln, das im Licht blau schimmerte - ging sie hinunter in das Esszimmer.

Exodus wartete bereits, Giselle hatte sich neben ihn gesetzt und lachte im Gespräch mit ihm mit geröteten Wangen. Als sie ihre Herrin sah, wurde sie sofort ernst, stand auf und stellte sich weiter hinten in die Ecke. Elodie war es nur recht.

Exodus besah sie von oben bis unten.

"Ihr seht zauberhaft aus, Mademoiselle Délieure."

Sie lächelte.

"Ich danke Euch, aber Ihr braucht mir nicht schmeicheln."

Er sah sie durchdringen mit seinen grünen Augen an, die schienen, als könne er durch sie hindurch sehen. Die Intelligenz glitzerte förmlich durch sie heraus. Wer war der Fremde, den sie aufzunehmen gezwungen war?

"So? Es kommt mir so unehrenhaft vor, Euch hier zu belagern."

Sie setzte sich neben ihn und schüttelte den Kopf.

"Ihr belagert mich nicht. Ihr seid mein Gast. Die Kirche hat mir den Auftrag gegeben, also werde ich ihn ausführen."

Er nickte, doch es war ein seltsames, trauriges Nicken.

"Ja... Man sagte mir, in Euch wäre Eure Mutter wieder erwacht."

Elodie war überrascht, dass man ihm von ihrer Mutter erzählt hatte. In ihr erwachte Zorn und Wut.

"Ich möchte nicht plumb erscheinen, doch ich glaube nicht, dass Ihr als Engländer auch nur ein einziges Wort über sie verlieren dürftet."

Giselle horchte auf und sah von ihrer Herrin zu dem Fremden und wieder zurück.

Er sah sie weiter ruhig an, doch jetzt nicht mehr mit der Belustigung, die sie vorher hatte erkennen können.

"Ich mag englischer Abstammung sein, doch ich wurde in Frankreich geboren. Ich fühle mich als Franzose, auch wenn es vielleicht nicht so aussehen oder klingen mag. Und ich kannte Eure Mutter besser, als Ihr denkt. Sie war eine gute Freundin eines meiner Freunde."

Sie zeigte keine weitere Gefühlsregung.

"Jedenfalls sagte man mir schon öfter, ich würde ihr ähneln. Ich habe es als Kompliment gesehen."

Exodus schüttelte den Kopf und fuhr sich mit einer zwar großen, aber fein gezeichneten Hand durch das schwarze Haar.

"Jeder dieser Menschen log Euch ins Gesicht ohne rot zu werden, Mademoiselle. Nehmt es mir nicht übel, aber Ihr ähnelt ihr in keinster Weise. Man sagte mir zwar, Ihr würdet ihr gleichen, doch ich bin, offen gesagt, enttäuscht. Nun gut, reden wir nicht weiter davon", sagte er und warf Giselle einen Blick zu, die sofort durch die Tür verschwand, "ich glaube, Ihr seid ebenfalls hungrig."

Elodie war überrascht. Er hatte ihr gerade ins Gesicht gesagt, dass sie eine Person mit widerlichem Charakter war, und dann ihre Bedienstete hinausgeschickt, die ihm offensichtlich mehr gehorchte als ihr.

Die Überraschung wandelte sich in Zorn.

Sie stand auf, er erhob sich, wie es Anstand war, mit ihr.

"Verzeiht, mein Gast ohne Namen, doch ich wünsche nicht länger, mit Euch zu essen. Vielleicht können wir unser Gespräch morgen fortsetzen", sagte sie patzig, "Gute Nacht, Monsieur."

Sie schob den Stuhl zur Seite und verließ das Esszimmer, gerade als Giselle mit dem Wagen kam, auf dem all die Köstlichkeiten ihren Platz gefunden hatten.

"Ich gehe zu Bett, Giselle. Iss du ruhig mit ihm, du scheinst dich ja prima mit ihm zu verstehen."

Die Zofe blieb ernst, doch ihre Augen leuchteten.

"Jawohl, Mademoiselle."

Sie schloß die Tür hinter sich, und Elodie ging, rannte fast vor Zorn, wieder nach oben, um ihr Buch weiter zu lesen. Ihr Magen knurrte, doch es war schließlich nicht das erste Mal. Frankreich war noch immer im Krieg gegen England, Hungersnöte und Krankheiten gab es überall, sagte sie sich.

Das kleine Latein strengte ihre Augen aufs Neue an, doch binnen weniger Minuten war sie darin versunken und nahm nichts mehr um sich herum war.

Bis es an der Tür klopfte.

"Mademoiselle Délieure? Darf ich eintreten?", fragte die dunkle Stimme des Fremden.

Elodie machte sich nicht die Mühe, aufzustehen.

"Natürlich, kommt herein."

Die Tür schwang langsam auf und Exodus betrat das Arbeitszimmer.

"Es ist kalt hier, Mademoiselle. Vielleicht solltet Ihr Feuer machen? Oder soll ich für Euch?", fragte er in nettem Tonfall.

"Lasst nur, ich gehe gleich zu Bett, dort hat Giselle den Kamin bereits entfacht."

Er nickte.

"Ich glaube, Ihr habt mich vorhin missverstanden, Mademoiselle, und dafür möchte ich mich entschuldigen. Ich wollte Eure Gefühle nicht verletzen. Ich habe nur den meinen nicht Einhalt geboten."

Elodie stand auf.

"Was ein Mann in Eurem Alter durchaus können müsste, Monsieur. Wie alt seid Ihr? Fünfundzwanzig? Ihr müsstet es jedenfalls gelernt haben."

Er nickte ein weiteres Mal.

"Sechsundzwanzig, und ja, ich habe es gelernt. Deshalb bin ich hier. Um mich zu entschuldigen. Vergebt mir."

Er ging auf sie zu und sie gab ihm ihre Hand, er verbeugte sich, hob ihre Hand zum Mund und hauchte einen Kuss darauf.

Sie lächelte.

"Gut, ich nehme Eure Entschuldigung an. Doch ich möchte jetzt wirklich zu Bett gehen. Wir werden uns morgen wiedersehen, Exodus. Spätestens am Frühstückstisch. Gute Nacht, Monsieur."

Er erwiderte ihr Lächeln.

"Ich danke Euch, Mademoiselle Délieure. Dann wünsche ich Euch einen angenehmen Schlaf und ebenfalls eine gute Nacht."

Sie ging mit wehendem Kleid an ihm vorbei und drehte sich an der Tür noch einmal um.

"Verzeiht auch mir meinen harten Ton. Ich wollte nichts gegen Eure Abstammung sagen. Ich mag nur Engländer im Allgemeinen nicht."

Er nickte wieder.

"Verständlich. Doch ich würde wirklich eher dem König Frankreichs die Treue schwören als dem englischen.

Gute Nacht, Mademoiselle", sagte er und sie verließ den Raum. Flüsternd setzte er etwas hinzu:

"Mademoiselle d'Arc."
 

© by Idhren



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2007-07-24T01:07:27+00:00 24.07.2007 03:07
Doch, die Geschichte scheint nach meinem Geschmack zu sein ^.^

Statt Gericht, also in dem Brief, würde ich heilige Inquisition schreiben, weil dass das Gericht ist und sich um solche Angelengenheiten kümmerte.
Was ich ja auch lustig finde, du fandest mein Prolog zu lang, dabei ist deines fast genauso lang, nur 300 Wörter oder so weniger ^.^
Was ich schade finde ist, dass du nicht auf Elodies Aussehen eingehst, also mehr. Der Leser weiß nur, dass sie blonde Haare hat.
>Sie drückte sie Klinke herunter und öffnete die schwere Tür<
- Hab da Mal ein Flüchtigkeistfehler spontan gefunden.
Ich würde statt Feuer gemacht Feuer entfacht schreiben, klingt schöner.
Der Name Elodie kommt ein wenig zu oft vor, versuche vielleicht Mal andere Wörter zu finden, womit du sie beschreiben kannst ohne ihren Namen zu nennen, da ginge zu Beispiel die junge Frau, die Hausherrin, oder auch noch viele andere.
Teilweise finde ich manche Sätze zu lang, diesen hier zum Beispiel:
>Sie tauchte die Spitze der Feder in die schwarze Flüssigkeit, zog sie wieder heraus, ließ sie ein wenig abtropfen und setzte sie schließlich auf das Blatt, wo sie sich kratzend hin und her bewegte, das Schwarz zu Buchstaben und Worten formte und verweilte.<
- Du könntest den Satz vielleicht in 2 oder 3 Sätze teilen und zum Beispiel noch das kratzende Geräusch der Feder auf dem Pergament beschreiben oder einfach die anderen Sinne außer das sehen zu benutzen. Dies erzeugt zusätzlich noch eine besser Stimmung um sich das bildlich vorstellen zu können.
Das gilt natürlich auch für andere so lange Sätze. Ich bin nicht gegen lange Sätze, aber du solltest mal versuchen auch die anderen Sinne anzusprechen und zu beschreiben, dann wirkt alles noch lebhafter. An sich find ich lange Sätze gut ^.~
Ansonsten Kann ich den anderen beiden Lesern vor mir zustimmen in dem Punkt, dass du auf gewisse Dinge mehr eingehen solltest, auch wünsche ich mir mehr Gefühle. Am Anfang fehlten die fast komplett und auch im Gespräch mit Exodus kamen sie erst recht spät.

Ansonsten lässt sich die Geschichte gut und flüssig lesen, worauf ich persönlich immer viel Wert lege. Auf Rechtschreibung hab ich nicht geachtet, bin nicht gut darin, also erkenne ich auch kaum Rechtschreibfehler.
Der Charakter von Exodus hat mich neugierig gemacht die Geschichte auf jedenfall weiter zu lesen und das werd ich auch.

Liebe Grüße
Chaos Phoenix
Von:  Teekatze
2007-02-18T15:36:15+00:00 18.02.2007 16:36
ich bin erst bei seite 7 und habe ausser zwei rechtschreibfehlern (die ich bemerkt habe) nicht gefunden was ich allzugross bemängeln könnte
du hast einen guten, schönen und flüssigen Schreibstil
allerdings scheint es mir das du dir am Anfang, wie soll ich sagen, recht viel zeit gelassen hast alles zu beschreiben, aber nach und nach wirkt alles gehetzter als wenn du dich beeilen müsstest mit irgendwas. aber was fehlt ist irgendwie der gründliche Tiefgang bei den kleinen DIngen. So zum beispiel die Zimmer. Wie haben sie ausgesehen, hängt ein Kreutz an der Wand wie sah der Engländer bei Jeanne d'Arcs Richtplatz aus (bullige Figur, unrasiert, neue Stiefel)
mir scheint es das du häufig nur bis zur vierten oder selten zur fünften Stufe der Kleinigkeiten beschreibst. okay kann ich verstehen aber bei atmosphärisch anspruchsvollen momenten, wie zum Beispiel bei einem Gewitter in einem Baum sitzen, Barfuß, da könnte doch die raue Rinde zwischen den Zehen kitzeln, oder Moos den Ast glitschig machen

so war erstmal alles
ich meld mich nochmal wenn ich zu ende gelesen hab
Von: abgemeldet
2006-07-20T20:02:49+00:00 20.07.2006 22:02
Leider habe ich nicht die Zeit dazu, alles hiervon zu lesen und somit werde ich keine Kritik zu der Geschichtsentwicklung abgeben, sondern nur zu deinem Stil. Bisher habe ich nur den ersten Absatz von Elodie gelesen, aber ich vespreche, Stück für Stück alles zu lesen. Deswegen kommst du auch auf meine Favoritenliste.

Ich meine, dass du Talent hast, aber es noch nicht völlig herangereift ist. Mir fehlt ein wenig mehr die Umschriebung (ich liebe Details *g*). Die Atmosphäre baut sich auf, aber viel zu langsam. Mit der Beschreibung ihres (z.b. Elodies) Umfeldes, wo sie sich befindet und weshalb, bringt dme Leser wichtige Informationen und baut gleich eine feste Struktur auf. Auch finde ich, bist du gleich zu Anfang auf Elodies Aussehen eingegangen (blonde Haare, zum beispiel), aber das Hausmädchen hats du völlig außen vor gelassen.
Auch fehlen mir die Beweggründe, warum sie das Buch in die Hand las, um sich dann mit der Schrift zu plagen. war ihr langhweilig? Das wurde dicht genannt.

Ich möchte dich hier nicht "berichtigen" nur möchte ich aufzeigen, was mir aufgefallen ist. ^^
Bitte, ich würde mich freuen, wenn du mir Bescheid sagst, sobalt ein neues Kapitel online gestellt wurde.
Von: abgemeldet
2005-10-29T18:19:34+00:00 29.10.2005 20:19
Bitte schreib weiter!!! Die Geschichte ist toll! *hibbel* ^^


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